Nur der übliche Scherz
Nur der übliche Scherz
Ein ganz gewöhnlicher Morgen. Die Sonne lachte vom Himmel. Nur ansatzweise bedeckte ganz leicht den Himmel. Vereinzelt trällerte ein Vogel ein Lied. Kinder liefen unten auf der Straße herum, wo auch schon viele Menschen sich auf den Weg zu ihrer Arbeit begeben.
Ein junger Mann steht im Schatten eines Baumes und sieht dem Treiben zu. Seine dunklen Augen schweifen immer wieder hin und her. Etwas nervös kratzt er sich am Hinterkopf. Was der wohl vor hat? Vielleicht will er jemanden ausrauben?
Von meinem Platz auf der Fensterbank im ersten Stock des letzten Hauses in der schmalen Straße, die aus der kleinen Stadt hinausführt, kann ich nicht sehr viel erkennen.
Oh, da fange ich einfach zu reden an. Ohne mich vorzustellen. Ich bin Günther, der schönste Blumentopf auf meiner Fensterbank. In mir werden aber auch immer die prachtvollsten Blumen gepflanzt. Doch oft überleben die nicht lange. Nein, mein Besitzer ist nicht zu dumm um sich um ein paar Pflanzen zu kümmern. Das ist alles meine Schuld!
Die Blumen überleben einfach immer nicht mein Lieblingshobby. Was das ist? Ganz einfach: Ich falle liebendgerne von der Fensterbank herunter auf die Köpfe von irgendwelchen Passanten. Anfangs habe ich es nur gemacht, weil mir oft langweilig ist, aber jetzt ist es eben mein Hobby. Ein vorbeigehender Mann musste wegen mir sogar mal ins Krankenhaus und einen Hund habe ich schon erschlagen. Es war ein böser Hund. Oft hat er kleine Kinder einfach gebissen. Also hat er es wohl verdient.
Doch heute liegt mein Augenmerk auf dem dunkelhaarigen, jungen Mann, der sich immer noch nur die Menge betrachtete, als ob er wirklich jemanden suchen würde.
Langsam rutschte ich ein Stück näher an den Rand, als auch der Mann immer weiter in Richtung meines Fensters kam. Der Kerl sieht aber schon komisch aus. Leicht angebräunte Haut und sein Haar ist ganz schruppig. Er trägt auch nur eine ausgewaschene Jeans, ein zerrissenes T-Shirt und ausgetretene Sneekers.
Mein Besitzer ist da viel gepflegter. Immer läuft er nur in den feinsten Sachen herum. Da wieder ich so eine Person nur an. Selbst mich, als kleinen Blumentopf.
Noch ein Stück weiter rutsche ich auf die Kante zu. Gerade als diese Person unter meinem Fensterbrett steht.
Ich spürte etwas hinter mir. Ein Schnurren lässt die Erde in mir erschaudern. "Verschwinde! Katze!", zischte ich. Doch da ist es schon zu spät. Das verdammte Katzentier gibt mir einen Stoß. Wohl aus purem Versehen. Und schon gehe ich den Segelflug nach unten an. Eigentlich war es fast der perfekte Moment.
Mit einem leichten Aufschlag lande ich auf dem Kopf des jungen Mannes. Einige Splitter blättern von mir ab. Schon so oft hat sie mein werter Besitzer an mir wieder festgemacht.
Mir entfährt ein Auflachen, als der junge Mann sich den Kopfhalten im Kreis herumspringt. "Jemil!", jault er immer wieder. Wer das wohl ist?
Aus einer Seitengasse tritt ein blonder, ebenso junger Mann. Schüttelt langsam dem Kopf. "Jetzt fallen dir schon Blumentöpfe auf den Kopf." Sein Haar weht leicht im Wind.
Ich rolle etwas auf dem Boden herum. Die Stimme dieses blonden Kerles kommt mir irgendwie bekannt vor. Schon früher hab ich so einen Klang gehört. Von einem kleinen Jungen auf dessen Kopf ich vor vielen Jahren gefallen war, als ich noch ein kleines Blumentöpfchen war.
Mit einem Schmunzeln erinnere ich mich noch an den Tag. Der Kleine sprang genauso herum, wie dieser dunkelhaarige Kerl. Nur hat er noch Dinge, wie 'Verfluchter Dreck', 'Mist' und 'Scheiß Blumentopf' vor sich hingeflucht.
Ich überlegte noch einen Moment, als ich in die andere Richtung rollte. Den Namen des Kleinen hatte ich damals oben auf mein Fensterbrett geschrieben. Pio hieß der Kleine. Armes Ding.
Der Blonde blickt mich mit gehobener Augenbraue an und hebt mich schließlich auf. "So einen hat Pio mal auf den Kopf gekommen, als er neun Jahre alt war. Seit dem hat er angefangen durchzudrehen." Leicht nickte der junge Mann. Langsam sieht er sich um. "Der ist wohl da oben runter gefallen. Oder Jesko?" Er blickt nach oben zu meinem Fensterbrett. So habe ich wohl schon einmal den Namen meines neuen Opfers.
Ich grinse in mich hinein, als mich der Blonde auf eine der Treppenstufen stellt. Erst jetzt fällt mir auf, dass er Samthandschuhe trägt und sein Gesicht nie der Sonne zuwendet. Seine Haut war völlig blass.
Ich wollte am liebsten laut auflachen. Auf sein blondes Köpfchen wollte ich als nächstes fallen.
"Komm, Jesko, wir gehen!" Immer noch sprang der andere junge Mann nervös herum. Rieb sich den schmerzenden Kopf. Er war wohl der Erste, dem es wirklich so lange wehtat.
Ich höre Poltern aus dem Treppenhaus und schon im nächsten Moment geht die Haustür auf. "Günther", ruft mein Besitzer und wendet sich auch gleich den beiden Männern zu. "Tut mir leid, dieser verdammte Blumentopf fällt andauernd runter. Ich hoffe er hat sie nicht verletzt."
Da jault aber schon der Dunkelhaarige auf. "Er ist mir auf dem Kopf gefallen!", winselt er, wie ein junger Hund. Verkriecht sich aber auch gleich hinter dem anderen, der nur etwas die Augen verdreht. "Ihm ist nichts passiert", meint der Blonde nur knapp und zieht den anderen hinter sich her.
Ich konnte mir fast sicher sein, dass ich die beiden nie mehr sehen würde. Doch dann ging der junge, blasse, blonde, junge Mann schon am nächsten Morgen wieder unter meinem Fensterbrett vorbei. Ich lachte im ersten Moment nur hämisch. Trat dann schon wieder meinen Flug nach unten an.
Das Aufheulen dieses Mannes könnte ich wohl noch immer in den Ohre hören. Er war lauter, als der andere am Tag davor. Wimmerte sogar noch länger. Und das Fluchen hatte er wohl auch drauf. Die verschreckten Gesichter der Passanten waren schon richtig beängstigend.
Doch zu meinem Pech versetzte er mir einen Tritt. "Verfluchter Blumentopf!", hörte ich ihn noch brüllen, als schon mein liebster Besitzer endlich aus dem Haus kam und mir hinterher rannte, wie ich den Geweg entlang rollte.
"Günther!", rief er mir immer nur hinterher.
Vielleicht sollte ich mir doch lieber ein anderes Hobby suchen.