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Last Desire 3

L x BB
von

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Treffen mit Rumiko

Ein eisiger Wind wehte und Beyond fror bis auf die Knochen. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit wartete er hier, doch er dachte nicht daran, zu gehen und sie dann noch zu verpassen. Sicherlich war sie schon auf dem Weg und würde gleich hier sein, also machte es auch keinen Sinn, jetzt einfach zu gehen. Wahrscheinlich hatte sie sich nur verlaufen und war deshalb etwas spät dran. Ungeduldig sah er sich um und rieb sich die Hände. Dummerweise hatte er seine Handschuhe vergessen und seine Finger fühlten sich an, als würden sie ihm gleich abfallen. Oh Mann, es mussten mindestens vier Grad unter Null sein, etwas anderes war doch gelogen. Und er war so hastig aus dem Haus gegangen, dass er weder Handschuhe noch Schal dabei hatte. „Beyond!“ Eine vertraute Stimme ließ ihn aufhorchen und er sah sich um. Und tatsächlich eilte sie auf ihn zu. Sie war es wirklich. Freudestrahlend rannte sie auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. „Beyond, Mensch bin ich froh, dich endlich wiederzusehen. Und ich hab mir schon Sorgen gemacht, als du einfach so verschwunden bist.“ Diese so warme und liebevolle Stimme zu hören und in ihren Armen zu liegen, ließ alte Gefühle wieder hochkommen. Er war so überglücklich in diesem Moment, dass ihm sogar die Tränen kamen. Sie war wirklich hier. „Rumiko…“ Er erwiderte ihre Umarmung und konnte es immer noch nicht fassen, dass sie tatsächlich nach Japan gekommen war, um ihn zu suchen. Dabei war er ohne ein Wort verschwunden, kurz nachdem sie ihn aus dem Gefängnis geholt hatte. Und so wie sie ihn umarmte, hatte sie sich offenbar ziemlich große Sorgen um ihn gemacht. „Mach mir so etwas nie wieder, ja? Ich hatte echt Angst gehabt, du wärst tot oder so. Ich hab die ganze Zeit versucht, dich zu finden und dann hab ich als letzte Möglichkeit die Handynummer rausgekramt und war so heilfroh, als du dich gemeldet hast. Aber komm, lass uns besser reingehen, okay? Es ist ziemlich kalt und ich könnte jetzt gut was Heißes vertragen. Und dann kannst du mir alles in Ruhe erzählen.“ Damit lösten sie sich wieder voneinander und betraten das Cafe und suchten sich einen Platz am Fenster, da es ihnen weiter hinten viel zu dunkel war. Obwohl seit ihrem letzten Treff gerade mal eineinhalb Jahre vergangen waren, wirkte Rumiko noch schöner als sonst. Dabei war sie schon als Kind so hübsch gewesen. Ihr Haar, auf welches sie besonders stolz war, wirkte schon fast goldfarben und ihre Augen hatten dasselbe rot wie Beyond, doch es wirkte trotzdem anders. Nämlich nicht wie ein loderndes Feuer, sondern wie eine verträumte tiefrote Abenddämmerung. Ihre Haut hatte nicht die geringsten Unebenheiten und hatte einen leicht blassen Teint, ihre Figur war das, was man als perfekt bezeichnen konnte und markant war, dass sie leichte asiatische Gesichtszüge hatte. Zwar nicht stark ausgeprägt, aber trotzdem erkennbar. Der Grund war, weil sie Halbjapanerin war. Das erklärte auch, wieso sie blond und knapp 1,80m groß war. Rumiko war ein herzensguter Mensch und ihre Fürsorglichkeit grenzte manchmal schon fast an Selbstaufgabe, trotzdem besaß sie eine unglaubliche Willensstärke. Auf sie hatte er sich immer verlassen können und sie hatte ihm beigestanden, als er Wammys House nach A’s Selbstmord verlassen hatte. Sie jetzt wiederzusehen, war für ihn wirklich ein großes Glück und er freute sich auch sehr. Aber gleichzeitig wunderte er sich, warum Rumiko extra nach Japan gekommen war. „Erzähl mal Beyond, was du so getrieben hast. Wo warst du die ganze Zeit und was suchst du denn überhaupt in Japan?“ Auch Beyond bekam seinen Kaffee und begann erst mal, einen Zuckerwürfel nach dem anderen hineinzugeben. Rumiko kannte seine Geschichte aus Wammys House und auch, was mit A gewesen war. Auch von seinem Hass auf L wusste sie, deshalb würde sie sicherlich erst mal nicht wirklich glauben, wenn er ihr die Geschichte erzählte. Aber andererseits war er schon neugierig darauf, wie sie wohl reagieren würde. Er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und begann den Löffel in der Tasse herumzurühren, bis eine sirupartige Masse entstand, die er im Anschluss trank. „Ich bin erst mal eine ganze Weile in Los Angeles gewesen und habe einen Serienmörder im Visier gehabt. Du erinnerst dich ja noch an Sam Leens, oder?“ Als sie den Namen hörte, verschwand ihr Lächeln und sie nickte. „Wie könnte ich den denn vergessen? Schon als Kind war er unheimlich.“

„Jep. Ich war ihm auf der Spur gewesen, da bin ich leider unvorsichtig geworden und es kam zu einer Auseinandersetzung, bei der ich mehrmals angeschossen wurde. Ich wurde aber gerettet und inzwischen bin ich in einer festen Beziehung.“ Nun hatte sich Rumiko an ihrem Kaffee verschluckt und musste husten. Sie kannte ihn schon von klein auf, da wusste sie auch, dass er ein Misanthrop war und deshalb zwischenmenschliche Beziehungen mied. Deshalb war sie umso überraschter, als sie hörte, dass er nach dem tragischen Verlust seiner großen Liebe jetzt in einer neuen Beziehung war. Überrascht sah sie ihn an und konnte es erst nicht glauben, aber dann strahlte sie übers ganze Gesicht und nahm seine Hand. „Mensch, das ist ja großartig. Ich freu mich ja so für dich! Erzähl schon, wer ist es denn und wie ist deine große Liebe denn so?“ Als er ihr gestand, dass es sich wieder um einen Mann handelte, reagierte sie nicht sonderlich überrascht. Das lag aber auch daran, weil sie schon wusste, dass A auch ein Junge gewesen war und er offenbar wohl eher in Richtung gleichgeschlechtliche Beziehung tendierte. Aber das machte ihr nichts aus. Hauptsache, man liebte sich und das war das Wichtigste. In der Sache war sie ziemlich locker, weshalb er mit ihr auch über so etwas problemlos reden konnte. „Er ist ein Sturkopf, manchmal etwas kindisch, er kann manchmal etwas schwierig sein, aber im Großen und Ganzen ist er ein wirklich wunderbarer Mensch. Er liebt mich so wie ich bin, auch mit meinem… Problem… Und er kann meine Launen ganz gut ertragen.“ Rumiko kicherte, als sie das hörte und schien sichtlich Spaß daran zu haben, dass er eine Beziehung hatte. „Und sonst?“ „Er spielt sich gerne als Opfer auf, wenn wir es krachen lassen und wird bei dem Thema Sex immer so verlegen, dass er mir meist einen Klaps auf den Kopf gibt, oder mir am Ohr zieht.“

„So wie ich, wenn du mit deinen unmöglichen Kommentaren ankommst. Oder wie damals, als wir noch klein waren.“ Beyond erinnerte sich wieder daran und musste lachen. Ja, das stimmte. Damals hatte sie ihn wirklich gerne am Ohr gezogen und immer ähnlich wie L reagiert. Es tat wirklich gut, endlich mal wieder so ausgelassen mit ihr zu reden. Irgendwie hatte er das wirklich gebraucht nach all den Dingen, die ihm passiert waren. Zwar hatte er mit L und Hester gesprochen, aber das war nicht dasselbe. Hester war Ärztin und L’s Vertraute und mit L war er zusammen. Aber er brauchte auch mal jemand Außenstehendes, bei dem er sein Herz ausschütten konnte. Und da Rumiko die einzige Außenstehende war, zu der er einen richtigen Bezug hatte, wollte er gerne mit ihr über all das sprechen. Einfach nur, damit er sich besser fühlte und von ihr wieder aufgebaut werden konnte und nicht immer diese Alpträume haben musste. Schon damals war sie für ihn da gewesen und hatte ihn aufgebaut und ihn beschützt. Und nun, da er trotz der glücklichen Beziehung mit L noch mit dieser Sache zu kämpfen hatte, brauchte er sie als Ansprechpartner. Einfach nur, um einen Weg zu finden, damit endlich abschließen und nachts ruhig schlafen zu können, ohne von dieser grausamen Folter und der Vergewaltigung zu träumen. „Und wie geht es dir denn so?“ Doch Rumiko antwortete nicht auf die Frage, denn sie sah, dass Beyond von seinen Gefühlen endgültig überwältigt wurde und besorgt strich sie ihm über die Wange und wischte eine Träne aus seinen Augenwinkeln. Sie sah den tief sitzenden Schmerz und dass irgendetwas Schreckliches passiert sein musste. „Beyond… was ist los mit dir? Sag schon, ist irgendetwas passiert?“ Immer noch hielt sie seine Hand und drückte diese nun fester. Er wich ihrem Blick aus und brachte kein Wort hervor. Rumiko ahnte, dass es etwas war, worüber er nicht hier sprechen wollte. Also musste etwas wirklich Furchtbares passiert sein. „Hattest du einen Rückfall?“ „Nein…“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Es ist etwas schwierig, darüber zu sprechen.“

„Sollen wir im Hotel darüber sprechen? Jamie wartet dort sowieso schon und er wird sich sicherlich freuen, dich nach all der Zeit wiederzusehen.“ Doch Beyond lehnte ab. Er fühlte sich noch nicht wirklich bereit dazu, jetzt schon mit ihr darüber zu reden und außerdem trafen sie sich nach knapp eineinhalb Jahren das erste Mal wieder. Da wollte er sie nicht gleich schon mit solchen Dingen belasten. „Vielleicht können wir ja ein anderes Mal darüber sprechen. Sag mal, wieso bist du überhaupt hier in Japan?“

„Na warum wohl? Ich wollte doch sehen, wie es dir geht und was du so machst. War ja auch nicht sonderlich schwer, dich zu finden. Ich hab den Zentralcomputer der Los Angeles Fluggesellschaft geknackt und gesehen, dass ein gewisser Rue Ryuzaki nach Japan fliegt. Du vergisst, dass wir beide auf denselben Level sind und ich deine Decknamen in und auswendig kenne. Auf den Kopf gefallen bin ich jedenfalls nicht! Außerdem hat Jamie oft nach dir gefragt. Von selbst meldest du dich ja nie.“ Schuldbewusst wich Beyond ihrem Blick aus und sagte nichts. Zugegeben, es war nicht ganz richtig gewesen, einfach so abzuhauen, ohne etwas zu sagen und dann auch noch monatelang kein Lebenszeichen von sich zu geben. Da war es nur verständlich gewesen, dass Rumiko sich Sorgen um ihn machte. Aber sie war ihm nicht böse drum, denn nun wusste sie ja, dass er noch am leben war und es ihm gut ging. „Und bist du glücklich mit deiner Beziehung?“ fragte sie überraschend und sah ihn fragend an. Diese Frage verwunderte ihn, aber da er gerade so reagiert hatte, musste sie wohl denken, dass seine Probleme in der Beziehung lagen. „Natürlich bin ich glücklich. Er liebt mich wie ich bin und er würde mich genauso beschützen wie ich ihn. Es sind einige andere Sachen passiert, aber darüber können wir ein anderes Mal sprechen. Wie lange bleibst du denn mit Jamie in Japan?“

„Das weiß ich noch nicht genau. Vielleicht ein oder zwei Wochen. Und ich hoffe natürlich, dass du mir irgendwann mal deine große Liebe vorstellst.“

„Na, das ist ja wohl selbstverständlich. Aber ich muss jetzt auch gleich langsam zur Apotheke und ein paar Sachen besorgen gehen.“ Rumiko nickte und trank ihren Kaffee aus, dann holte sie aus ihrer Handtasche einen Zettel und einen Stift hervor und schrieb den Namen des Hotels auf, in welchem sie zurzeit wohnte und auch die Zimmernummer. „Du kannst mich jederzeit auf dem Handy erreichen, wenn du irgendetwas hast. Und vielleicht können wir beide mal wieder nach langer Zeit ein Duett spielen.“ Ja, das wäre wirklich eine tolle Idee. Nachdem sie bezahlt hatten, erhoben sie sich von ihren Plätzen und Rumiko begleitete Beyond noch ein wenig. Da es draußen ziemlich kalt war und der Wind nun stärker wehte, legte sie ihm ihren Schal um. „Du musst dich schon wärmer anziehen, sonst wirst du noch krank.“ „Ich bin kein kleines Kind mehr…“ Aber trotzdem ließ er sich den Schal umlegen und gemeinsam gingen sie zur Apotheke. Rumiko erzählte von ihrer Arbeit in der Schule und dass ihr Musikkurs an einem nationalen Gesangswettbewerb teilgenommen und sogar gewonnen hätte. Außerdem erzählte sie, was Jamie seitdem gemacht hatte und Beyond hörte ihr aufmerksam zu. Es tat wirklich gut, mit ihr zu reden. Mit L konnte er zwar auch über alles reden wenn er wollte, aber sie hockten auch den ganzen Tag aufeinander und da tat es auch mal gut, einen anderen Gesprächspartner zu haben. Und da Beyond sonst zu niemandem Vertrauen hatte und eine allgemeine Antipathie gegen Menschen hegte, blieb eigentlich nur Rumiko. Sie, die ihn schon damals immer vor seinem Vater beschützt und ihn aufgemuntert hatte, als seine Mutter gestorben war. Manchmal merkte er schon, dass er ihr eigentlich mehr danken sollte für das, was sie für ihn tat. Als er aus dem Waisenhaus abgehauen war, nachdem A Selbstmord begangen hatte, da hatte sie ihn ohne zu zögern sofort bei sich aufgenommen und sich um ihn gekümmert. Ohne sie hätte er vielleicht schon längst aufgegeben, oder wäre A vielleicht sogar in den Tod gefolgt. „Rumiko, ich bin dir echt dankbar für alles, was du für mich getan hast. Ohne dich wäre ich vielleicht jetzt nicht hier. Egal was war, du warst immer da, wenn ich jemanden gebraucht hatte.“

Sie lächelte und legte einen Arm um ihn. „Das ist doch selbstverständlich, dass ich für dich da bin. Aber irgendwie bist du ganz anders als vor eineinhalb Jahren, kann das sein?“

„Echt? Wie anders?“

„Du bist viel offener geworden und bist nicht mehr ganz so introvertiert und mürrisch wie sonst. Ich weiß nicht woran das liegt. Vielleicht an deinem Freund, den du mir hoffentlich bald vorstellen wirst. Wenn dem so ist, dann hat er wirklich Talent darin, dich ein wenig aufzutauen und die Beziehung scheint dir ja offenbar richtig gut zu tun. Vor allem nach diesem tragischen Selbstmord, von dem du mir erzählt hast. Wer weiß, vielleicht entwickelst du dich ja zu einem richtig lieben Kerl.“ Er runzelte die Stirn, als er das hörte und schüttelte den Kopf. So ein Unsinn. Nie und nimmer würde er sich in die Richtung verändern. Schon immer hatte er wenig für diese verlogene Rasse übrig, die sich Homo Sapiens schimpfte. Die Menschen hatten ihn immer wie einen Freak oder wie ein Monster behandelt, obwohl sie ihn nicht einmal kannten. Sie hatten ihn immer schon ausgeschlossen, weil er anders war. Und außerdem konnte er diese eine Sache mit seinen Eltern nicht vergessen. Das hatte ihn gezeichnet und er würde es niemals vergessen können. Als könnte Rumiko seine Gedanken lesen, hakte sie sich bei ihm ein und hielt ihn fest. „Du solltest langsam mit der Vergangenheit abschließen. Wir alle haben es nicht leicht gehabt und jeder von uns hat es irgendwie geschafft, nicht den Mut zu verlieren. Was dein Vater getan hat, war wirklich schlimm und das mit deiner Mutter war sowieso unverzeihlich. Aber sie sind tot und du bist frei von ihnen, genauso wie ich frei von meiner Familie bin. Und solange wir jemanden haben, der uns so liebt wie wir sind, können wir nach vorne blicken. Findest du nicht auch?“ Ja, da hatte sie recht. Seit er mit L zusammen war, hatte er endlich mit A’s Tod abschließen und diese Liebe zu L endlich zulassen können, anstatt immer nur vor seinen Gefühlen davonzulaufen. Und seit er zu seinen Gefühlen stand und glücklich war, hatte er auch seine Persönlichkeitsstörung im Griff. Nicht ein einziges Mal war seine monströse Seite zum Vorschein gekommen. Nun ja, bis auf das eine Mal, als er sich in der Gewalt von Sam und Clear befand. Da hatte er kurzzeitig die Kontrolle verloren und war durchgedreht. Aber selbst da hatte er es geschafft, wieder zu Verstand zu kommen, weil der Gedanke an L ihm Kraft gegeben hatte. Und das hatte er noch nie geschafft. Ansonsten war es entweder A oder L gewesen, die ihn wieder zur Vernunft gebracht hatten. „Du hast ja Recht, aber… du weißt doch selbst, wie schwer es für uns beide ist, normal unter Menschen zu leben, wenn wir so oft mit dem Tod konfrontiert werden. Und du weißt selbst, wie die meisten auf mich reagieren.“ Da konnte sie leider nicht viel entgegensetzen und sie wusste auch, dass er all diese schweren Traumata, Zurückweisungen und Ausgrenzungen nicht so leicht verarbeiten konnte. Alles hatte bei ihm Spuren hinterlassen und ihn zu dem Menschen gemacht, der er heute war: ein verschlossener Menschenfeind, der sich nur jenen öffnen konnte, die er liebte. Sie wusste auch, dass sie ihn nicht ändern konnte, aber das war nicht schlimm. Solange es ihm gut ging und er nicht so alleine war, brauchte sie sich wenigstens keine Sorgen um ihn machen. „Wie lange seid ihr denn schon zusammen?“ Da musste Beyond erst mal überlegen. „Knapp eineinhalb Monate, also noch nicht sehr lange. Davor haben wir aber schon zweieinhalb Monate zusammengewohnt. Nun ja, mehr oder weniger… Am Anfang haben wir uns nur gestritten und jedes Mal, wenn wir uns gesehen haben, flogen die Fetzen, wobei aber besonders ich verantwortlich war. Aber er hat sich trotzdem nicht abschrecken lassen. Nicht einmal, als ich wieder einen Rückfall gehabt habe. Zwar hab ich ihn ziemlich übel zugerichtet, aber er hat mich trotzdem nicht aufgegeben. Egal was auch war, er ist bei mir geblieben.“ Rumiko lächelte, als sie das hörte und man sah ihr auch an, dass sie sich sehr für ihn freute. „Weißt du, ich hatte schon echt Angst gehabt, dass du endgültig deinen Lebenswillen verlierst und vielleicht tot sein könntest. Aber wenn ich dich so sehe und wie du strahlst, wenn du von deinem Freund redest, da bin ich wirklich erleichtert und… und…“ Sie schaffte es nicht, weiter zu sprechen. Sie blieb stehen und musste sich die Tränen aus den Augenwinkeln wegwischen, bevor noch ihr Make-up verlaufen konnte. Beyond legte tröstend einen Arm um sie, doch da umarmte sie ihn auch schon und konnte nicht aufhören zu schluchzen. Sie drückte ihn fest an sich und ihr Körper zitterte regelrecht. „Bitte mach so etwas nie wieder, ja? Ich hatte solche Angst, dass ich dich nie wieder sehe.“ Irgendwie plagte ihn schon das schlechte Gewissen, dass sie sich seinetwegen so große Sorgen gemacht hatte. Das hatte er doch gar nicht gewollt. Aber was sollte er denn auch anderes erwarten, wenn er einfach so klammheimlich verschwand, ohne eine Nachricht zu hinterlassen? Aber irgendwie hatte er das Gefühl gehabt, als wäre da einfach kein Platz für ihn, weil Rumiko ihr eigenes Leben hatte und er nicht in dieses hineingehörte. „Entschuldige, ich wollte nicht, dass du dir solche Sorgen um mich machst. Ich dachte einfach, es wäre besser, wenn ich nicht mehr da bin. Du hast doch dein eigenes Leben. Und da ist eben kein Platz für mich.“

„So ein Unsinn. Bei mir wirst du immer einen Platz haben, ganz egal was auch passiert. Ich werde immer für dich da sein, okay? Wenn du Probleme hast oder einfach nur reden möchtest, dann sprich mit mir darüber.“ Beyond versprach es und konnte die 26-jährige Halbjapanerin damit wieder beruhigen. Schließlich betraten sie die Apotheke und Beyond kaufte dort ein paar einfache Medikamente gegen Erkältung und leichtes Fieber. Als sie wieder nach draußen in die Kälte gingen, verabschiedeten sie sich voneinander. Rumiko strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und sah ihm in die Augen. Ihr Blick hatte etwas so Tiefgründiges, dass man sich darin verlieren konnte und das Rot der Abenddämmerung in ihren Augen wirkte so beruhigend. „Versprich mir, dass du dich bei mir meldest, okay? Egal was dir da auf dem Herzen liegt, du kannst mit mir darüber sprechen. Du weißt, ich bin für dich da und ich hab immer ein offenes Ohr für dich.“ Er versprach es und damit nahmen sie Abschied voneinander. Beyond sah ihr noch nach, wie sie die Straße entlang ging und wie ihr langes goldblondes Haar im Wind wehte. Irgendwie schien sie mit jedem weiteren Jahr nur noch schöner zu werden. So eine wie sie hätte locker zwanzig Männer an jedem Finger haben können, wenn sie denn gewollt hätte. Aber auch sie hatte es nicht leicht im Leben gehabt. Auch sie trug ihre unzähligen Wunden in ihrem Inneren und versuchte trotzdem stark zu bleiben für die Menschen, die sie liebte. Sie hatte auch an ihrem Körper Narben, die sie vor anderen versteckte und die sie an schreckliche Dinge erinnerten, die ihr widerfahren waren. Genauso wie Beyond unmöglich Vertrauen zu anderen Menschen fassen und sich ihnen öffnen konnte, so erging es ihr mit der Männerwelt. Und ohne Jamie hätte sie wahrscheinlich auch irgendwann den gleichen Weg wie Beyond eingeschlagen und angefangen, die Menschen zu hassen und zu verachten. Er hatte sie schon damals für ihre unglaubliche Willensstärke bewundert und für ihren enormen Kampfgeist. Immerzu hatte sie ihn beschützt und ihm beigestanden und das bis zu einem Punkt, an dem sie selbst zusammenzubrechen drohte. Deshalb musste er sich von ihr distanzieren: weil er nicht wollte, dass sie seinetwegen zusammenbrach und dann noch genauso wie er wurde. Das wollte er einfach nicht. Sie sollte immer die Rumiko bleiben, die er kannte und sich niemals verändern. Aber es gab noch einen Grund, warum er nicht mehr bei ihr bleiben konnte und deshalb auch abgehauen war, ohne auch nur ein Wort zu sagen: er hatte Angst gehabt, sie zu verletzen. Denn sie war nicht in der Lage, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen, wenn das Monster in ihm die Oberhand übernahm, aus welchem Grund auch immer. Und die Verletzung, die er ihr zugefügt hatte, war bis heute noch zu sehen und würde für immer eine Narbe hinterlassen. Eine Narbe, die ihn immer daran erinnern würde, zu was er fähig war, wenn er es nicht schaffte, die Kontrolle zu behalten. Sie würde ihm immer vor Augen halten, dass er in diesem Zustand sogar jene töten würde, die er eigentlich schützen wollte. Hätte sie ihn damals nicht niedergeschlagen und eingesperrt, er hätte sie eigenhändig getötet. Aber sie hatte ihm trotzdem nie Vorwürfe gemacht deswegen, weil sie wusste, dass er nichts dafür konnte und selbst damit zu kämpfen hatte. Er musste damit leben, dass er eine Gefahr für andere Menschen war, deshalb hatte er sich entschieden, ein Leben als Einzelgänger zu fristen, um sich selbst und auch alle um sich herum zu schützen. Und weil er nicht wollte, dass Rumiko seinetwegen in Gefahr geriet, hatte er sich von ihr distanzieren müssen. Aber jetzt, da er dank L sein Problem wieder im Griff hatte und mit der Ausnahme von seinem einen Rückfall bei Clear auch keine starken Gefühlsschwankungen mehr hatte, konnte er es vielleicht wieder wagen. Wenn er ehrlich war, hatte er Rumiko schon vermisst und ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er einfach so gegangen war, ohne etwas zu sagen. Zwar war er ein erwachsener Mann und ihr streng genommen keine Rechenschaft schuldig, aber sie hatte schon so viel für ihn getan und sie sorgte sich eben sehr um ihn. Auf jeden Fall musste er sie noch mal besuchen und mit ihr reden. Und er wollte natürlich auch Jamie ein Mal wenigstens wieder sehen, wenn Rumiko ihn schon nach Japan mitgenommen hatte. Und natürlich musste sie L kennen lernen. Doch wie sollte er das mit L anstellen? Er wollte ihn schon ganz gerne überraschen und er wollte auch schon, dass sich beide zu einem guten Zeitpunkt kennen lernten. Bei Rumiko machte er sich ja keine Sorgen, denn obwohl sie gegen Männer eine Antipathie hegte, würde sie L allein schon deshalb offenherzig und freundlich begegnen, weil er für Beyond der wichtigste Mensch im Leben war. Aber was L betraf, da war sich der Serienmörder noch nicht so ganz sicher. L war nicht gerade das, was man als absoluten Charmebolzen bezeichnen würde. Und mit seiner Art würde er Rumiko schon recht schnell vor den Kopf stoßen und dann waren die Probleme nur vorprogrammiert. Und Beyond war es schon sehr wichtig, dass Rumiko L gerne hatte. Das Beste war wohl, wenn er es ganz langsam und vorsichtig mit den beiden anging. Dann könnte ja doch eigentlich nichts schief gehen.
 

Zumindest dachte er das, denn er wusste zum einen noch nicht, dass L ihm hinterherspionierte und er kannte noch nicht den wahren Grund, wieso Rumiko extra nach Japan gekommen war, um ihn zu treffen. Und noch ahnte er nicht, dass es noch allerhand Komplikationen geben würde.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Rumiko Karasuma ist ein alter OC von mir, den ich nach langer Zeit wieder ausgegraben habe, um guten Stoff für eine weitere Fortsetzung zu haben. Wer schon FFs wie „Last Butterfly“, „Child of Death“, „Der Blutmaler“ oder „Das Tagebuch“ und „Das Grauen“ gelesen hat, der kennt ihre Geschichte schon und weiß auch, welche Beziehung sie zu Beyond hat. Ihren Charakter habe ich im Laufe der Zeit immer mehr verändert. Zu Anfang war sie eine Mörderin, die alles und jeden hasste und mit einer Persönlichkeitsstörung zu kämpfen hatte, weil sie schwere Traumata erlitten hat und mehrfach von ihrem Adoptivvater missbraucht worden war. Sie tötete ihre leibliche Familie und erschlug den Nachbarn im Alter von neun Jahren mit einer Axt, nachdem dieser ihre erste Liebe umgebracht hatte. In den meisten meiner FFs stirbt Rumiko oder zumindest bleibt ihr Schicksal ungewiss. Nach den Geschehnissen in „Das Grauen“ ist sie aber am Leben, glücklich mit jemanden zusammen und wird hinterher Mutter.

Rumiko liebt Kinder über alles und sorgt sich sehr um Beyond. Sie hat ebenfalls das Shinigami-Augenlicht und besitzt die einzigartige Gabe, das wahre Wesen anderer Menschen zu spüren. Zwar ist sie genauso intelligent wie Beyond und L, allerdings hat sie kein Interesse daran, etwas aus ihren Fähigkeiten zu machen. Stattdessen sehnt sie sich nach einer eigenen Familie. Sie ist neben Sam Leens mein absoluter Lieblings-OC und sie bringt auch mal wieder Abwechslung in die Geschichte. Komplett anzeigen

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