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Von Waschmitteln im Supermarkt

KaZe
von

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Von letzten Gurken im Supermarkt, Katzen am Hintern und Zetteln, die Verabredungen lösen

Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf. Während ich auf den Bildschirm des Laptops starrte, hatte ich ausnahmsweise kein Dokument für eine Hausarbeit vor mir. Es war lediglich mein Desktop mit einem Urlaubsbild als Hintergrund. Ich sah auf die Palmen und das Meer Okinawas. Als ich so an meinen besten Freund in Miyagi dachte, fiel mir auch Karyu wieder ein. Diesen hatte ich seit meinem Krankenhausaufenthalt von 3 Tagen nicht wieder gesehen. Das war nun etwa eine Woche her.

Wir hatten keine Nummern und keine Mail-Adressen ausgetauscht. Das einzige was er wusste, war, wo ich wohnte. Wahrscheinlich war er schon zu meiner Wohnung gekommen, aber da ich auf Arbeit etwas nachzuholen hatte und ja auch einmal in der Woche in die Uni musste, hatten wir uns wohl verpasst. Traurig machte mich das jetzt nicht. Was sollte ich mit Karyu denn auch machen? Es mochte fies klingen, aber was sollte ich mit ihm anfangen? Nur weil wir uns zufällig über den Weg gelaufen waren, hatten wir ja nicht plötzlich etwas gemeinsam. Worauf sollte also eine mögliche Freundschaft aufbauen? Das stellte ich mir schwierig vor. Wahrscheinlich würde er schnell merken, schon nach einem ersten Treffen, dass ich furchtbar langweilig war. Dann wäre ich wieder allein, daher sparte ich mir das Ganze von vornherein.

Ich war und blieb eben einsam. Na, was soll's.

Seufzend stand ich auf. Ich brauchte noch was zu essen. In meinem Kühlschrank herrschte gähnende Leere, meine Vorräte waren aufgebraucht, da ich aufgrund meiner Krankheit nicht hatte einkaufen gehen können - und danach hatte ich erstmal nicht gewollt. Der Weg nach Hause war schon anstrengend gewesen. Zwischenzeitlich hatte ich da sogar überlegt, ob es nicht besser gewesen wäre, noch einen Tag länger im Krankenhaus zu bleiben. Aber es war ja schon zu spät gewesen. Ich war entlassen und nur ein paar Bahnstationen von meiner Wohnung entfernt gewesen.
 

In Gedanken versunken steckte ich mein Portemonnaie und meine Schlüssel ein, bevor ich mir meine Jacke überzog und die Wohnung verließ.

Der Frühling war mit aller Macht gekommen. Die Vögel zwitscherten, die Sonne schien öfter und war spürbar auf der Haut geworden - sie wärmte wieder richtig. Kurz legte sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich liebte den Sommer, und daher auch den Frühling, denn es wurde wärmer und grüner. Deswegen liebte ich ja auch Okinawa. Es war die perfekte Insel für mich. Mein, wenn auch eher unrealistischer, Lebenstraum war es, dort irgendwann zu leben und zu arbeiten. Doch es würde noch dauern, bis ich auch nur in die Nähe der Erfüllung meines Traums kommen würde. Erstmal musste ich meinen Abschluss schaffen, das war momentan von höchster Priorität.

Ich ließ mir Zeit auf dem Weg zum Supermarkt, da es draußen endlich mal wieder angenehm war. Bestimmt hatte sich die Anzahl der an Grippe Erkrankten mittlerweile wieder gesenkt. Zumindest hoffte ich das für Karyu. Dieser hatte einen wirklich niedergeschlagenen Eindruck gemacht, als er über seine verstorbenen Patienten geredet hatte. Das war wohl eben eine der Schattenseiten des Medizinbereichs.

Leicht schüttelte ich den Kopf um die trüben Gedanken loszuwerden, dann betrat ich den Supermarkt und nahm mir wie immer einen Korb. Ich wollte, trotz der wenigen Vorräte, keinen Großeinkauf machen. Dann würde ich übermorgen eben noch mal gehen, anstatt wie sonst nur einmal die Woche. Einen Zettel hatte ich mir nicht gemacht, denn ich brauchte im Grunde...einmal alles.

Mürrisch schlenderte ich durch die Gänge und wusste noch gar nicht richtig, was ich mir eigentlich zu essen machen wollte. Auf jeden Fall einen Salat, das wurde mal wieder Zeit.

Also kehrte ich zum Gemüsebereich zurück und tütete mir zwei Paprika und einen Salatkopf ein. Ich ließ meinen Blick über die restlichen Sorten gleiten. Eine Gurke war noch da. Die wäre vielleicht auch noch ganz gut für den Salat. Ich streckte die Hand aus und wollte gerade zugreifen, als schlanke Finger sich um diese letzte Gurke legten und sie mir vor meinen Augen wegnahmen.

Ich riss die Augen auf. Das konnte ja nicht wahr sein! "Das ist meine!", entfuhr es mir und als ich empört aufsah, hatte ich ein starkes Déjà-vu. Karyu hatte mir diese blöde Gurke geklaut und grinste mich frech an.

"Das glaube ich ja nicht, sonst hättest du sie jetzt in der Hand", sagte er und legte die Gurke in seinen Korb.

Ich schnappte nach Luft. "Hey, was soll denn das? Du hast doch bestimmt genau gesehen, dass ich davor stand und die haben wollte! Es ist die verdammte letzte Gurke hier und ich brauch sie für meinen Salat!", machte ich ihm nachdrücklich klar, aber er hob nur die Schultern.

"Such dir doch was anderes als Gurke. Da sind noch ganz viele Tomaten."

"Ich hasse Tomaten!", erwiderte ich bissig und stemmte die freie Hand in die Hüfte. "Ich dachte, du schimpfst mich einen Freund! Also sei mir behilflich", forderte ich ihn auf, doch Karyu hob die Augenbrauen und musterte mich entspannt.

"So wie ich das sehe, mein Lieber, war ich dir bereits behilflich. Oder habe ich dich etwa nicht ins Krankenhaus gebracht und war für dich da?"

Ich zog eine Schnute. "Wie lange wirst du denn darauf noch rumreiten?", wollte ich wissen, weswegen er wieder so unerträglich triumphal grinste. "So lange, wie es nötig ist."

"Du meinst wohl: IMMER wenn es nötig ist."

Er grinste breit und zuckte mit den Schultern. "Ich will ja nicht ganz so fies sein."

Ich brummte nur und winkte ab. "Vergessen wir das. Dann ess ich eben eine Pizza", fauchte ich und ließ ihn stehen. So was Unverschämtes. Ich wäre beinahe gestorben an dieser blöden Grippe und er gönnte mir nicht mal eine Gurke!!

Wutschnaubend suchte ich die Gefrier-Abteilung auf und ging zu den Pizzen. Ich glaubte schon, dass da auch nur noch eine einzige vorhanden war, die Karyu mir auch wegschnappen konnte und würde, aber da war alles noch recht voll. Wenig begeistert griff ich mir eine Thunfisch-Pizza und entschloss, bezahlen zu gehen. Kaum, dass ich alle Waren auf das Band gelegt hatte, stellte sich natürlich ausgerechnet Karyu hinter mir an. "Komm doch mit zu mir, dann bekommst du einen Teil der Gurke ab.", schlug er lächelnd und um Frieden bemüht vor.

Ich seufzte und blinzelte ihn über die Schulter an. "Nein danke. Ich esse meine Pizza." Ich unterbrach mich und drehte mich zu ihm um, grinste leicht. "Vielleicht würdest du mich in deiner Wohnung einsperren und nie wieder rauslassen."

"Ich hab einen Balkon", informierte er mich amüsiert. "Und wohne im zweiten Stock. Du könntest immer noch springen im Notfall."

"Ach so", machte ich nur schmunzelnd und rückte in der Schlange vor.

"Aber im Erst, komm doch mit. Ob du nun Gurken oder Pizzen essen willst", versuchte er es erneut, weswegen ich seufzte.

Ich fühlte mich in fremden Wohnungen nicht so wohl. Essen wollte ich da also erst recht nichts. "Nein nein...", murmelte ich und bezahlte meinen Einkauf, den ich noch rasch in Tüten packte. Bevor ich entscheiden konnte, ob ich auf Karyu warten wollte, sprach er mich an.

"Magst du Katzen?"

Verwirrt sah ich ihn an und hob eine Schulter. "Ja, schon. Ich hatte selbst mal eine." Wie kam er denn jetzt darauf?

"Oh toll. Ich hab auch welche, gleich ein Katzenpärchen. Wie wär's, magst du sie mal sehen? Du kannst auch deine Pizza bei mir essen. Musst du aber nicht." Er lächelte mich leicht an. Er lockte mich eindeutig zu sich nach Hause. "Karyu, dass du so hartnäckig bist und sogar deine Katzen vorschiebst, nur damit ich zu dir nach Hause gehe, sollte mir Angst machen."

Entschuldigend sah er mich an, dann wurde er von der schwarzhaarigen Kassiererin abgelenkt und suchte sein Geld heraus. In der Zeit überlegte ich kurz. Karyu war schon wieder frech gewesen und zog mich auf. Aber ich liebte Katzen...ich würde sie gern einmal sehen. Ich konnte dann ja auch wieder gehen. Oder? Auf der anderen Seite wirkte es etwas merkwürdig, nach 10 Minuten mit den Katzen wieder zu gehen...

Ich machte mir so viele Gedanken über das Pro und Contra, dass ich gar nicht mitbekam, wie ich Karyu bereits aus dem Supermarkt folgte. Hrmpf.

Er warf mir einen Blick über die Schulter zu und lächelte. "Du musst dich auch mal was trauen.", sagte er, weswegen ich resigniert brummte.

"Ist ja gut, ich komme schon mit..", murmelte ich und lief nun schweigend neben ihm her. Nur kurz sah ich auf, um mich seines zufriedenen Grinsens zu vergewissern. Hm.

Mit einem kurzen Blick zur meiner Wohnung ging ich mit leichtem Unbehagen daran vorbei und folgte Karyu ein paar Häuser weiter.

Als er seine Wohnung aufschloss, öffnete er die Tür nur langsam und vorsichtig, dann schob er sich durch den schmalen Spalt und winkte mich hinter sich her. Gleich hinter der Tür strichen uns die zwei Katzen um die Beine. Sie waren schwarz-weiß-grau getigert mit blauen Augen. "Wunderschöne Tiere", raunte ich leise, woraufhin er mir ein Lächeln zuwarf.

"Nicht wahr? Sie sind meine kleinen Goldstücke", sagte er stolz und stellte seinen Einkauf beiseite, bevor er sich hinab beugte und beiden kurz über das Fell strich. Mit einer ruhigen Bewegung stellte ich meine Tüte ebenfalls ab und zog mir die Schuhe aus, während Karyu schon den Flur verließ. Die Katzen blieben bei mir zurück und sprangen auf die Kommode an der Wand, von wo aus sie mich neugierig beobachteten. Ich hängte meine Jacke auf und näherte mich ihnen langsam, streckte vorsichtig die Hand aus. Die eine schnupperte an meinen Fingern und sah zu mir auf, dann sprang sie herunter und lief Karyu hinterher. Die zweite ging ihr gleich hinterher. Schmunzelnd folgte ich ihnen und sah mich dabei flüchtig in Karyus Wohnung um. Sie war größer als meine und heller, vom Schnitt her aber ähnlich.

"Also", drang die Stimme des Blonden zu mir, "soll ich dir was von der Gurke abschneiden?"

Ich warf einen Blick zu ihm in die Küche, während die Katzen um seine Beine strichen. "Sag mal, wenn du die eh mit mir teilen wolltest, hättest du sie mir doch gleich überlassen können.", meinte ich, woraufhin er mich mit hochgezogener Augenbraue ansah.

"Hättest du denn auch mit mir geteilt? So wie ich dir immer was abgebe?"

Überrumpelt hielt ich inne und neigte den Kopf. Nein, hätte ich wohl nicht. Ich wäre froh gewesen, ihn los zu sein... Seufzend schüttelte ich den Kopf. "Nein, ich hätte nicht mit dir geteilt. Reicht man dir den kleinen Finger, nimmst du bestimmt gleich die ganze Hand.", sagte ich schmunzelnd, woraufhin er mit den Augenbrauen wippte.

"Wenn es um dich geht, nehme ich auch gern den ganzen Arm. Und die Beine. Und-.."

"Schon gut", unterbrach ich ihn schief lächelnd und fühlte mich etwas unwohl aufgrund der leichten Andeutung. Karyu wollte bestimmt nicht nur einen Arm und einen Bein von mir haben, sondern gleich meinen kompletten Körper...

In Ruhe und das Herumgewusel der Katzen ignorierend, räumte Karyu seine Einkäufe ein. Unsicher nagte ich an meiner Unterlippe, während ich die Tiere abwesend betrachtete. Und jetzt?

"Wie heißen deine Süßen eigentlich? Es sind doch Mädchen?"

Lächelnd sah er auf und nickte. "Ja, es sind Mädchen. Darf ich vorstellen: Das sind Lilly und Vivi."

Ich hob die Augenbrauen. "Das sind ungewöhnliche Namen", sagte ich leise und kniete mich hin, worauf die beiden näher schlichen.

"Ja, mag sein. Aber ich weiß nicht..ich mag den Klang dieser Namen einfach. Für mich passen sie perfekt zusammen.", erwiderte Karyu mit warmer Stimme.

Ich musste lächeln, als er so voller Liebe über die beiden sprach. "Hm, ja, sie klingen auch schön.", stimmte ich ihm zu und streichelte der einen über den Rücken.

"Die sich gerade streicheln lässt, das ist Lilly. Und Vivi..ist die, die sich gerade an deinen Hintern schmiegt."

"Hä was?", Verwirrt sah ich mich um. Tatsächlich spürte ich was Warmes an meinem Po, aber ich wollte nicht aufstehen und Lilly verscheuchen, die sich immer noch streicheln ließ.

"Vivi, hey, komm her mein Spatz", sagte Karyu und tatsächlich sprang die Katze nun in mein Sichtfeld und auf Karyu zu.

Ich musste lachen, verscheuchte so aber die mutige Lilly, die sich ins Wohnzimmer verzog.
 

"Also, die Gurke", erinnerte mich Karyu, während ich aufstand.

"Mh, ja, also wenn du so fragst, hätte ich schon gern ein Stück. Muss aber nicht die Hälfte sein", antwortete ich leise.

"Ein Drittel..?"

Ich nickte und sah zu, wie er die Gurke nahm und mir etwas davon mit dem Messer abschnitt. Dann wickelte er das Stück in Alufolie und gab sie mir. "Danke.."

Ich brachte sie in den Flur und legte sie in meine Einkaufstüte, dann ging ich langsam zurück. Karyu stützte sich auf die Arbeitsplatte und sah zu mir. "Also, möchtest du mitessen? Du kannst dir auch deine Pizza machen", grinste er, doch ich schüttelte den Kopf.

"Nein, ich esse wirklich lieber zuhause", antwortete ich mit einem verlegenen Lächeln.

"Na gut, wie du meinst. Du kannst ja meine Katzen ablenken, während ich hier beschäftigt bin", schlug er zwinkernd und gab mir die perfekte Vorlage. Dafür war ich ja da! Um die Katzen zu bespaßen.

Also machte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer und versuchte, die beiden freundlich zu stimmen. In der Wohnung war ziemlich viel Zeug verteilt und so konnte ich mich austoben - und die Katzen hatten redlich Spaß daran, mitzumachen.

Die getigerten Katzen hielten es ziemlich lange mit mir aus. Es begann bereits im Zimmer nach Essen zu riechen, als Karyu sich für einen Augenblick zu uns gesellte.

"Na, sind sie brav?"

"Ganz lieb...sie haben mich weder mit Absicht noch aus Versehen gekratzt bisher", grinste ich.

Schmunzelnd kniete er sich zu uns. "Ja, bisher. Ich will dir keine Angst machen, aber manchmal, da geht es mit ihnen durch. Aber das sieht man schon daran, wenn sie sich streiten. Dann leide ich auch darunter und sie zeigen mir die kalte Schulter." Amüsiert zuckte er mit den Schultern. "Weiber halt."

Ich musste grinsen und kraulte Vivi grade den dargebotenen Bauch, während ich Karyu ansah. "Denk an dein Essen."

Doch er winkte lächelnd ab. "Ich hab den Herd schon ausgeschaltet."

Ich nickte leicht und sah Lilly dabei zu, wie sie Vivi beschnupperte. "Na gut, ich geh dann langsam." Ich zog meine Hand zurück und stand langsam auf, woraufhin die beiden Katzen zurück hüpften und sich an Karyu schmiegten, der zu mir aufsah. Er wirkte ein bisschen enttäuscht, aber na ja...es war Zeit, nach Hause zu gehen.

"Okay, gut. Wir begleiten dich noch zur Tür." Auch er stand auf und überragte mich um mindestens einen Kopf. Da kam ich mir wirklich klein vor. Ich lächelte leicht und ging in den Flur, wo ich mich anzog. "Und siehst du, ich lass dich gehen. Ich sperre dich nicht ein und vom Balkon springen musst du auch nicht.", sagte er stolz grinsend.

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen nahm ich die Einkaufstüte mit der Gurke drin und sah ihn an. "Wer weiß, vielleicht machst du das diesmal nur, um mich in Sicherheit zu wiegen, und dann beim nächsten Mal verriegelst du alles.." Ich ging ins Treppenhaus und Karyu stellte sich an die Tür, zog etwas die Tür zu, damit die Katzen nicht ausbüxten.

Der Blonde seufzte. "Sag mal, ganz im Ernst. Ist dir was Schlimmes passiert, dass du so vorsichtig und misstrauisch bist?", wollte er wissen und betrachtete mich mit ernstem Blick.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, aber...man hört ja so Geschichten von Leuten. Da hab ich eine natürliche Vorsicht entwickelt."

Stirnrunzelnd erwiderte er meinen Blick. "Was denn für Geschichten?"

Ich hob eine Schulter. Sollte ich ihm jetzt alle verstörenden Nachrichten aus den letzten Monaten aufzählen? Er brauchte nur mal den Fernseher anzumachen. "Diese Geschichten von hinterhältigen Morden und Vergewaltigungen...von Raub und kranken Perversen, die armen Mädchen nachstellen.." Ich schüttelte mich. "Ich warte nur darauf, dass mir das auch passiert. Ich hab recht viel Pech. Ich erschrecke mich ja schon, wenn mich einer auf der Straße anspricht und nach der Uhrzeit fragt."

Karyu lächelte leicht. "Echt?"

"Ja, echt. Ich meine, manchmal nutzen die das eh als Vorwand und labern mich wegen irgendeinem Scheiß zu, in der Hoffnung, bei mir zu landen."

Karyu blinzelte mich amüsiert an. "Ich sag ja, du machst den Eindruck, als seist du eine Frau."

Ich verdrehte grummelnd die Augen. "Es sind auch Frauen, die mich ansprechen."

"Und vor denen hast du Angst?"

Ich stemmte die freie Hand in die Hüfte. "Sag mal, was soll denn das? Machst du dich lustig über mich?"

Er schüttelte glucksend den Kopf und hob beschwichtigend die Hände. "Nein, mache ich nicht. Ich versuche nur, dich zu verstehen."

Ich winkte ab. "Das ist unmöglich. Na ja, danke für die..Gurke.." Ich verabschiedete mich von ihm und lief die Treppen hinunter.
 

Erleichtert trat ich hinaus auf die Straße und genoss die milde Luft des Abends. Eigentlich war es ganz ok bei Karyu gewesen. Kurz und schmerzlos.

"Hey, Zero!"

Verwirrt drehte ich mich um und war stehen geblieben. Karyu stand an der Haustür und winkte mir zu. "Was gibt's denn?"

"Wollen wir mal irgendwas zusammen machen? Du hast doch gesagt, wir sind Freunde. Und Freunde machen auch mal etwas gemeinsam. Ich würde dich ja..ich weiß nicht...auf einen lockeren DVD-Abend bei mir einladen. Ich kann auch gern für uns kochen. Aber da du ja Angst hast, dass ich dich einsperren würde, können wir auch außerhalb meiner Wohnung was machen.", sagte er und lächelte mich hoffnungsvoll an.

Ich seufzte leise und grinste ihn an. "Nein, schon gut. Weißt du, komm doch einfach zu mir", schlug ich zwinkernd vor, woraufhin er mit den Fingern schnipste und auf mich deutete.

"Okay, ich nehm dich beim Wort. Wie wärs mit Donnerstag Abend?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Meinetwegen. Abends bin ich eh immer zu Hause. Willst du was bestimmtes essen?"

"Ich ess alles. Mach dir keine Umstände. Vielleicht bring ich was von mir mit, was wir verwenden können."

Ich winkte ihm nur und ging wieder meines Weges, doch seinen Blick aus glücklichen Augen spürte ich weiterhin auf mir ruhen.

Momentan hielt ich es noch für eine mehr oder weniger gute Idee, mich mit Karyu zu treffen - und zwar in sicheren Gefilden. Auch wenn ich es schade fand, die Katzen so nicht sehen zu können. Die beiden waren wirklich putzig gewesen und sie hatten schnell Vertrauen zu mir gefasst. Ich mochte Katzen...

Donnerstag also... Das war ja schon übermorgen. Oh je. Hatte ich mir das gut überlegt, als ich Karyu die Freundschaft angeboten hatte? Jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher und machte mir Gedanken über den bevorstehenden Abend. Worüber sollten wir denn reden? Und vielleicht würde ich ja doch etwas kochen, was ihm gar nicht passte. Und was die DVDs anging...ich hatte nicht so viele. Die Chance war groß, dass ihm keiner der Filme gefiel! Das wäre ja schon irgendwie..peinlich. Und ungünstig. Kurz hielt ich in meinem Gedankengang inne. War so ein Koch- und DVD-Abend nicht sowieso etwas für Pärchen?! Wollte Karyu mich so etwa doch rumkriegen?! Das konnte er sich abschminken. Momentan machte er mir immer noch mehr Angst als alles andere. Ja, so war das. Vielleicht sollte ich ihm absagen? Einen Zettel in den Briefkasten werfen, denn seine Handynummer hatte ich ja nicht. Ja, vielleicht war es besser, den Abend nicht zusammen zu verbringen.
 

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Am nächsten Morgen, als ich die Wohnung für einen Besuch der Universität verließ, ging ich bei Karyu vorbei und warf einen Zettel in dessen Briefkasten. Zwar hatte er mir seinen Familiennamen nicht verraten, aber als wir im Krankenhaus gewesen waren, hatte er ein sehr hübsches und hilfreiches Namensschild getragen.

Mit schlechtem Gewissen betrachtete ich für ein paar Sekunden den weißen Briefkasten, dann wandte ich mich seufzend ab. Es war zu spät, ich hatte mich entschieden, Karyu morgen Abend nicht zu empfangen und der Zettel war nun unwiderruflich auf dem Weg zu ihm. Es war nicht gerade galant, ihm per Zettel die Absage zukommen zu lassen, aber was sollte ich machen? Ich wollte doch lieber meine Ruhe. Wäre Karyu bei mir, würde das nur in Stress und Peinlichkeiten ausarten, da war ich mir sicher. Ich kannte mich ja. Mich und mein Glück. Wie Feuer und Wasser statt Pech und Schwefel.
 

Karyu meldete sich nicht. Nicht am Abend, nicht am nächsten Morgen oder Mittag. Ich glaubte, dass sich die Sache dann in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Ich hatte keinen Grund genannt, warum ich ihn doch nicht bei mir empfangen wollte. Sicher würde er mal nachfragen, wenn wir uns wieder über den Weg liefen, aber wer wusste schon, wann das sein würde?

Mit einem Kaffee auf dem Schreibtisch las ich gerade in einem Buch für die Uni - "Romanticism in Literature during the Industrial Revolution". Ein spannendes Werk, so spannend, das ich gähnte und schon meine zweite Tasse Kaffee trank, um nicht über dem Buch einzuschlafen. Es könnte nur leider für meine Abschlussarbeit wichtig sein. Ich versuchte zumindest, mich darauf schon mal ein bisschen vorzubereiten. Ein Blick aus dem Fenster sagte mir, dass die Sonne gerade untergegangen war. Es war also durch 6 Uhr abends durch.

Dann war es das sowieso mit der Konzentration. Zeit für Entspannung, wie ich fand. Heute würde ich mich nicht weiter konzentrieren können. Eine Dusche würde mir jetzt gut tun, entschied ich und wollte mir im Badezimmer gerade mein schwarzes Longsleeve-Shirt ausziehen, als es klingelte.

Mir wurde heiß und kalt zugleich, während ich den Stoff losließ und an die Tür ging. Karyu stand bereits vor meiner Wohnungstür. Ich erstarrte. Na toll. Seinem Gesichtsausdruck konnte ich nichts entnehmen, aber lächeln tat er schon mal nicht.

Es klopfte. "Zero, ich weiß, dass du da bist. Ich hab das Licht gesehen. Machst du mir auf?"

Ich fluchte lautlos. Ich konnte ihn ja jetzt schlecht da stehen lassen. Wie würde das denn aussehen, wenn ich da war, aber mich weigerte, aufzumachen?

Innerlich seufzend öffnete ich die Tür, nachdem ich mein langärmeliges Shirt glatt gestrichen hatte. "Hi..", sagte ich nur, während er mich aus seinen dunklen, zartbitterschokoladigen Augen ansah.

"Hey", erwiderte er und hob den Zettel, den ich am Tag zuvor in seinen Briefkasten geworfen hatte. "Ein kleines Briefchen, Zero, ehrlich? Was soll denn das?" Traurig sah er mich an. Das hatte was von einem Hundewelpen...

Unbehaglich schaute ich beiseite und hob vage eine Schulter. "Es...keine Ahnung, ich hab...ich hab einfach zu früh zugesagt."

"Aha?", machte er, während er das Papier zurück in seine Jackentasche stopfte und mich wieder ansah. "Was ist dir denn dazwischen gekommen?"

Ich stockte und räusperte mich. "Genau genommen ist mir nichts dazwischen gekommen", gab ich zu und starrte auf meine Füße, dann fuhr ich mir durch die Haare. "Mir ist es nur lieber, wenn wir das..nicht machen...", murmelte ich.

Getroffen sah er mich an. "Was? Du..." Er machte eine Pause und trat einen Schritt zurück, bevor er die Stirn runzelte. "Ehrlich, was ist mit dir los? Du weißt, dass ich dich mag, erzählst mir was von Freundschaft und dann...machst du so einen Scheiß. Warum hast du nicht gleich nein gesagt, als ich dir das Treffen vorgeschlagen hab? Oder warum hast du nicht gleich gesagt, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst?" Aus großen Augen sah er mich an.

Unter der Flut seiner enttäuschten Fragen wurde mir heiß. "Es tut mir leid.."

"Wovor hast du denn Angst? Und schieb das jetzt nicht auf deine komischen Horrorgeschichten. Wenn ich dir was tun wollte, hätte ich das wohl schon längst gemacht."

Unter seinem verständnislosen Blick wurde ich immer kleiner. Das hatte ich ja toll hinbekommen..
 

~~~~~
 

Nya, gut...hier an der Stelle ist natürlich NICHT Schluss mit der FF. Ist dann doch länger geworden, als ich dachte.

Von daher:

Fortsetzung folgt!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  ZERITA
2014-04-25T19:59:51+00:00 25.04.2014 21:59
Das mit dem Zettel war doof Zero, merkste selbst, oder? :<<<
Karyu hat vollkommen recht mit seinen Fragen, wenn Zero das nicht wollte, hätte dieser das gleich sagen können. :<

Aber mal zu den Katzen, waren das von vornherein zwei? Mir war als hättest du vorher mal von nur einer geschrieben, aber ich kann mich auch täuschen ^^
Von: Futuhiro
2014-02-12T16:45:54+00:00 12.02.2014 17:45
Meine Fresse, da ist ja einer verbohrter und hartnäckiger als der andere. Die sind doch alle beide nicht ganz normal. XD

Gott, ich liebe deinen Stil immer mehr. Die kleinen, unterschwelligen Nuancen in der Wortwahl, einfach super geschrieben. Du verstehst es toll, einen subtilen Humor einzubauen.

Ich weis nicht, wer von den beiden mir mehr leid tun soll. Karyu, weil er immer und immer wieder gibt und teilt und dafür eine Abfuhr nach der anderen kassiert, oder Zero weil er das aufsässige Kerlchen einfach nicht los wird. Derzeit ist mir Karyu jedenfalls wesentlich sympathischer. ^^ - Wobei ich sagen muss, wie Zero hier so dargestellt wird, zurückgezogen und pseudo-paranoid, das passt irgendwie sehr gut zu ihm. Also zu dem echten, dem Bassisten von D´espairsRay, meine ich. (Hizumi hat mal in einem Interview gesagt, daß er Karyu kurz nach dem Zusammenschluss der Band gefragt hat, ob mit Zero alles in Ordnung ist, weil der nie redet.)

Das Deja-vu hätte ich jetzt so nicht erwartet. Spaßige Idee, damit die beiden sich wieder über den Weg laufen. ^^ - Aber bei mir bleibt irgendwie immer noch die Frage hängen, warum Karyu nun eigentlich so furchtbar hartnäckig ist. Selbst wenn er auf Zero steht, muss man doch irgendwann mal einsehen, daß der andere nichts mit einem zu tun haben will. Da steckt doch sicher irgendeine prägende Erfahrung aus der Vergangenheit dahinter.

Bin jedenfalls gespannt, wie Zero aus der Nummer jetzt wieder rauskommen will. ^^
Antwort von:  Phoenix_Michie
12.02.2014 20:10
Ja, die spinnen beide etwas xD Na ja, die Story ist meinem Kopf entsprungen, der ist manchmal auch nicht so ganz normal und ich wollte ein paar eigene Erfahrungen & Gedanken mit einfließen lassen...deswegen ist die FF mit ihren Charakteren teilweise etwas..fragwürdig xD

Lieben Dank für das Kompliment! Mir gefällt das selbst auch ganz gut so und ich hoffe, diesen Stil und die Atmosphäre beibehalten zu können bis zum Schluss ^^

Haha, es freut mich zu hören, dass du Karyu auch sympathisch findest - ich hatte schon befürchtet, dass du ihn gar nicht leiden kannst ^^" Das wollte ich nun nicht erreichen :'D
Ja ja, der gute alte Zero...ich schätze ihn auch so ein, dieses Zurückgezogene ^^ Obwohl er sich schon um einiges verändert hat und manchmal vermisse ich fast schon den alten Zero xD

Warum ist Karyu so hartnäckig...? Ja, zum einen natürlich, weil er sich eben verguckt hat, aber einen kleinen anderen Grund gibts schon noch. Den versuche ich ins nächste Kapitel zu packen ^^
Antwort von: Futuhiro
12.02.2014 20:47
Ach doch, ich mag Karyu in der Story sehr. Er kommt total lieb und hilfsbereit und warmherzig rüber. Nur halt der eine Punkt, daß er auf Kerle steht ... naja, damit kann ich bisher leben. Bis jetzt waren es ja nur wage Andeutungen und nix schlimmes. ^^

Ui, supi, da freu ich mich umso mehr auf´s nächste Kapitel. Ich bleib dran.
Von:  --Tsuki--
2014-02-12T14:46:40+00:00 12.02.2014 15:46
Jaaa, es ist nicht das letzte Kapitel!! *.*

Ach Zero... Gib dir doch nen Ruck und lass Karyu auf dich zukommen. Egal wie, ob nun als Paar oder als Freunde. Also, richtige Freunde.

Ich glaube, was mir an deiner Geschichte mitunter am besten gefällt und was sie im Allgemeinen zu etwas Besonderem macht, ist, dass der Funke mal nicht beim Protagonisten überspringt oder zumindest nicht sofort, sondern man die Gefühle des anderen deutlich mitliest und nachempfinden kann. Normalerweise fiebert man ja immer mit dem Protagonisten mit, besonders auch wenn es darum geht,dass er seine Liebe für sich gewinnen soll. Hier hast du den Spieß umgedreht und es zieht mir das Herz zusammen, wenn ich sehe, wie Karyu um Zeros Vertrauen kämpft und dabei immer nur gegen eine Wand rennt. Kompliment!
Natürlich wäre ein denkbares (aber nicht dankbares) Ende, wenn Zero bis zum Schluss nicht aus seiner Haut kann und Karyu eben einfach Pech hat und ihn bestenfalls nur als Freund erobert... Das hoffe ich aber nicht! :D
Bin sehr gespannt, wie es weitergeht! ^^
Antwort von:  Phoenix_Michie
12.02.2014 20:14
Yay XD

Ja, Zero hat Probleme ûu Vielleicht ist das so eine Bindungsangst, wer weiß das schon :'D

Danke für dein Lob bzw deine kleine Analyse. Es interessiert mich ja brennend, warum die Story so gut oder vielleicht auch weniger gut ankommt ^^ Und ich muss sagen, ich bin einfach so im Schreiben, ich achte auf nichts...ich schreibe einfach und denke mir nicht allzu viel dabei (ja, das ist mein stil ^^"). Dann von einem Leser gesagt zu bekommen, was eigentlich gut ist oder eben besonders, das ist schon toll ^^
Ich geb mein Bestes, es spannend zu halten ;)


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