Zum Inhalt der Seite

Huans

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Stadt über den Wolken

Kaum schwiegen die beiden Streithähne Nia und Cedric, trat Salvatore in das geräumige Zimmer.

Er warf dem Blondschopf einen vernichtenden, giftigen Blick zu, als er ihn auf Nias Bettkante erblickte.

Dieser rappelte sich hoch und schenkte seinem Erzfeind einen nicht minder garstigen Blick.

„Geht es dir schon wieder besser?“, wandte der Frauenschwarm sich fragend an Nia.

„J ... Ja! Danke!“, stotterte das Mädchen und schüttelte energisch den Kopf, um die Gedanken an Cedrics Kuss auf ihren Oberarm wie eine lästige Fliege zu verscheuchen.

Als Salvatore sie zärtlich anlächelte, flatterten ihre Schmetterlinge wieder wie verrückt.

„Nach dem letzten Kampf dürfte es klar sein, dass du unbedingt eine Ausrüstung brauchst, findest du nicht auch? Ich bin froh, dass dir im letzten Gefecht nichts ernsthaftes zugestoßen ist!“, erklärte Nias Günstling und schaute ihr dabei tief in die Augen, sodass sie eine flammend rote Gesichtsfarbe annahm und Cedric leise knurrte.

„Dann sollten wir aber auch keine Zeit verschwenden!“, tadelte der blonde Hüne die beiden und bezog sich dabei auf die festgesogenen Blicke der zwei Turteltauben.

___________________________________________________________________________
 

Zwar hatte Nia gewusst, dass die neue Schule groß und pompös war, aber es war wie ein riesiges Schloss, in dem man sich schneller verirren konnte als man „Wo bin ich?“ sagen konnte.

Doch die beiden Huans wussten sehr genau wo es langging und so führten sie ihren Ruler zielsicher durch die langen, beeindruckenden und verzierten Gänge.

Irgendwie fühlte Nia sich wie eine Prinzessin, die zwei Ritter zu ihren Begleitern zählen konnte.

Überall an den Wänden hingen kostbare Gemälde, wovon sie die meisten nicht einmal kannte.

Als sie aber Da Vincis „Mona Lisa“ entdeckte, stockte ihr der Atem.

War dies das Original? Unmöglich! Und wenn doch: Was hatte es hier zu suchen?

„Manchmal geschieht es, dass Huans auf Ruler Fähigkeiten übertragen oder ungeahnte Kräfte freisetzen.

Nur dank oder durch uns entstehen solche Meisterwerke oder Weltrekorde. Da Vinci ist ein Genie, weil er sich seiner Huans entledigt und ihre Fertigkeiten in sich aufgenommen hat.“, erklärte Cedric so düster, als würde es ihn höchstpersönlich betreffen.

„So was geht?“, frage Nia verblüfft und war völlig baff.

Sie wusste nicht, was erschreckender war:

Die Tatsache, dass Da Vinci ein Ruler gewesen war oder dass er die Fähigkeiten seiner Huans aufgesogen hatte.

„Allerdings weiß man nicht genau, ob er Suicide oder Dislink dabei verwendet hat.“, fügte Salvatore finster hinzu.

„Was ist das? Wie soll das gehen?“, fragte Nia schockiert.

„Suicide ist die Tötung eines eigenen Huans durch eigene Kraft, wie z.B. die Nutzung „verbotener Worte“.“, erklärte Cedric und schaute Nia mit einem Blick an, der ihr durch Mark und Bein ging.

„“Dislink“ bedeutet, dass man sich als Waker oder Ruler von seinen Huans abwendet. Aber viele glauben, dass Kräfte so nicht übertragen werden können.“, erklärte Salvatore weiter um die unangenehme, angespannte Stille zwischen Nia und dem behinderten Idioten zu überbrücken.

Das Mädchen war sprachlos.

So etwas funktionierte? Wie grausam!

Alle drei waren zum Gespräch stehen geblieben. Nun wandte Cedric sich ab und ging weiter.

„Wir wollen hier ja keine Wurzeln schlagen, oder?“, fragte er keck und warf einen herausfordernden Blick zurück.

Die Unterhaltung war für ihn damit beendet und als Nia ihm nachsetzte um ihn wieder einmal wüst zu beschimpfen, was er sich eigentlich einbildete, trottete Salvatore gemächlich hinterher.

Wenigstens war sie nun nicht mehr traurig oder bedrückt.

Eigentlich hätte er dem behinderten Idioten dankbar sein müssen.

Eigentlich ...

___________________________________________________________________________
 

Nach endlos vielen weiteren Gängen standen sie endlich vor einem hölzernen, dunklen Tor, dass mindestens so hoch war wie ein zweistöckiges Haus.

Nia stand vor lauter Staunen der Mund offen.

„Klappe zu, es zieht!“, griente Cedric, doch bevor diese loswettern konnte, hatte ihr Schwarm ihren Mund mit einem sanften Kuss verschlossen.

Am liebsten hätte der Bären-Huan diesen Lackaffen eine geballert, aber damit würde er alles nur noch schlimmer machen – deshalb ließ er es bleiben.

Er spürte schon, dass sein Atem wieder flacher ging und seine Glieder zu schmerzen begannen. Verdammt! Nicht, dass er die Hürde riss!

Doch statt sich um die beiden Turteltauben zu kümmern, bei denen er es sich sowieso verscherzt hätte, wenn er etwas gesagt hätte, öffnete Cedric mit einigem Kraftaufwand das tonnenschwere Tor.

Selbst für einen Bären-Huan war das eine echte Leistung, aber vielleicht lag es auch daran, dass er sich vorstellte, dieses Tor wäre Salvatores Gesicht, welches er gerade zerquetschte?

Nia traute ihren Augen nicht und ließ von ihrem Schwarm ab, als sie eine in der Luft schwebende und bis in den Himmel reichende gläserne Platten erblickte, die anscheinend eine Treppe bildeten.

Darunter befanden sich ... Wolken?!

Wie hoch waren sie bitte gerade?

Als der Ruler hinunter schaute, wurde ihr schwindelig und sie musste sich an Salvatore festhalten.

„Hast du Höhenangst?“, fragte er besorgt und strich ihr dabei sanft über die Wange.

Nia nickte und ihr angsterfüllter Blick haftete immer noch auf den Wolken, die sich unter der Treppe befanden.

Doch als sie nach oben blickte, war dort genau dasselbe Bild zu sehen: Wolken!

Nias Verwirrtheit steigerte sich noch um ein Vielfaches.

„Es ist eine optische Täuschung. Ein Spiegel.“, erklärte Cedric wissentlich und trat zur Bestätigung drauf.

„Das ist die Unendlichkeit, die unsere Welt reflektiert.“, pflichtete Salvatore bei und fügte sanft hinzu: „Nichts, wovor du dich fürchten müsstest.“

Die junge Frau schluckte schwer und nickte schließlich.

Ihr Herzschlag raste nun auch nicht mehr.

Todesmutig betrat sie die erste Stufe und stieß einen spitzen Schrei aus, als sich diese einige Zentimeter senkte. Anscheinend gaben sie nach!

Nervös lächelnd betrat sie die zweite, die beiden Jungs im Schlepptau.

So gut wie es ging konzentrierte sie sich auf die Treppe und nicht auf die scheinbar unendliche Höhe unter sich.

Das war aber einfacherer gesagt als getan, den die Stufen bestanden schließlich aus Glas!

Scheinbar eine Ewigkeit später, die in Wahrheit nur ein paar Minuten waren, hatte sie endlich alle Stufen erklimmt.

Allerdings wusste sie nicht, wie es weitergehen sollte, denn vor ihr befanden sich nichts als ... bauschige Wattewölkchen!

Mit zitternden Knien stand sie auf dem Absatz und stierte entsetzt auf das, was vor ihr lag.

Musste sie etwa jetzt gleich alles wieder runtergehen?!

Sie war jetzt schon ein einziges Nervenbündel!

Cedric drängelte sich an ihr vorbei und stellte sich vor sie.

„Ich, Cedric Urs, 1. Huan von Nia Toshiki“, sprach er mit voller, voluminöser Stimme, „beschwöre dich!“

Bei den letzten Worten riss er sich seinen Ohrstecker raus und warf ihn in die Luft.

Vor Nias Augen blähte sich die bauschige Wolke zu einer Kugel und verformte sich langsam.

„Ich“, setzte nun auch Nias Günstling an, „Salvatore Haliaeetus Ieucocephalus, 2. Huan von Nia Toshiki, befehle dir: Manifestiere dich!“

Dabei streifte er sich einen Ring vom rechten Mittelfinger und schmiss ihn in das wabernde Wolkengemisch.

Mit einem Schlag strahlte es ein gleißendes Licht aus, sodass Nia die Augen zukneifen musste.

Als sie diese wieder öffnete, staunte sie nicht schlecht:

„Ein Haus?!“, fragte sie ungläubig angesichts des mannshohen Hauses mit rotem Ziegeldacht, reichlich verzierten Wänden und einer aufwendigen Tür. Das ganze Gestell stand auf Rädern.

An der Front des Hauses war eine große Uhr angebracht, darüber ein kleines Fenster, das sperrangelweit offen stand.

„Nein ... eine Kuckucksuhr?“, Nia sog erstaunt die Luft ein.

„Fast“, bemerkte Salvatore vergnügt.

Plötzlich sprang dem Mädchen etwas auf die Schulter, sodass es aufschrie.

„Nicht doch, Miss!“, ertönte es neben ihrem Ohr und sie erschauderte.

Ganz nah bei ihrem Gesicht saß tatsächlich ...

„Ein Homo fata alfar. Ein Elf. Ein Werelf, um ganz genau zu sein! Mein Name ist Aelf. Und ihr seid ...“

„Nia. Nia Toshiki“, keuchte sie und wusste kaum noch, wo ihr der Kopf stand.

Es gab tatsächlich Elfen? Das war kein Hirngespinst oder gar Kindermärchen?

Aelf war allerhöchstens 15 Zentimeter groß, hatte zu ihrer Überraschung aber keine Flügel – dafür aber einen feinen Bart.

Seine braunen Haare waren sorgsam zurückgekämmt und seine weite, schwarze und flatternde Kleidung passte wie die Faust aufs Auge.

Wäre er so groß wie Cedric oder Salvatore, hätte er ohne weiteres umwerfend ausgesehen.

Aelfs wache, grüne Augen schauten sie unverwandt und sprühend vor Lebenslust an.

„Ein sehr hübscher Name, Miss! Toshiki ... Das ist nicht das erste Mal, dass mir dieser Name unterkommt!“, sprudelte es aus dem Werelf heraus.

„Eh?“, stieß Nia erstaunt aus.

„Toshiki. Toshiki Ying ist die sagenhafte Heldin, die es uns ermöglicht hat, weiter zu existieren! Obwohl sie ursprünglich vorhatte, uns alle auszulöschen, hat sie uns am Leben gelassen!“, Aelf war so aufgeregt, dass er auf Nias Schulter auf- und abhüpfte.

„Aelf, wir haben keine Zeit für Kaffeekränzchen!“, murrte Cedric und riss die Tür auf, um im nächsten Augenblick auch schon darin zu verschwinden.

„Ist ja schon gut, du Spielverderber!“, schnaubte der Werelf und sprang zurück auf den Bock, „Alles einsteigen, bitte!“

Salvatore half seinem Ruler galant in die merkwürdige Kutsche. Drinnen befanden sich zwei purpurrote Sofas, die mit Samt überzogen waren und als Füße goldene Löwentatzen hatten.

Cedric saß bereits und fummelte seinen Ohrring wieder rein, den er anscheinend vom kleinen, orientalischen Beistelltisch genommen hatte, wo auch Salvatores Ring lag.

„Wozu der ganze Aufwand mit dem Ohrring und dem Ring?“, fragte Nia interessiert.

Ihr Schwarm wusste die Antwort: „Es sind Sicherheitsmaßnahmen. Zudem hat jeder Ruler nur eine Kutsche. Ohrstecker und Ring sind quasi die Fahrkarten.“

Nia nickte und schaute aus dem Fenster, um dort noch weitere, seltsame Gefährte zu erblicken:

Schloss Neuschwanstein, der Notre Dame, die Münchner Philharmonie, die Glyptothek ... alle in Miniaturausgabe und auf Rädern!

Das Mädchen konnte sich gar nicht satt sehen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Dass sie dabei durch Wolken fuhren und die Häuser nur noch winzige Punkte waren, störte sie nicht im geringsten, denn ihre Höhenangst war wie weggeblasen.

„Schaut mal da! Das ist doch der Tokyo Tower!“, rief sie voller Freude.

Die gute Laune steckte auch die beiden Huans an, die neugierig aus dem Fenster blickten.

„Quatschkopf – das ist der Eiffelturm!“, berichtigte Cedric sie grinsend.

Nia hörte ihm gar nicht zu, so aufgedreht war sie. Solch einen Spaß hatte sie schon lange nicht mehr gehabt!

Doch leider war die Fahrt kurz darauf zu Ende und nun standen sie am Rand einer im Boden verkehrt herum eingelassenen Pyramide. Auf den Treppenabsätzen befanden sich riesige Kisten, Kästen, Kartons und Schatullen, die nach unten hin immer aufwendiger verziert waren.

Der jungen Frau stockte der Atem.

„Was um alles in der Welt ist denn das?“, keuchte sie angesichts des Ausmaßes und Seltsamkeit des Gebildes, das zu ihren Füßen lag.

„Das ... darin kauft man ein?“, fragte sie und die beiden Jungs nickten beipflichtend.

„Aber dazu braucht man einen Schlüssel, den du bei trägst.“, berichtigte Salvatore sie gutmütig.

„Hä? A ... Aber ich habe keinen! Wo soll der bitte sein?“, platzte es panisch aus ihr heraus.

„Da“, sagte Cedric und tippte ihr zwischen ihre Brüste.

Bevor der blonde Hüne irgendetwas tun konnte, hatte er sich eine saubere Backpfeife von Nia eingehandelt und wurde von Salvatore ordentlich gewürgt. Als Schaum vor seinem Mund stand, ließ der Frauenschwarm, barmherzig wie er war, von ihm ab und wandte sich wieder an seinen Ruler.

„Was damit gesagt werden sollte, ist, dass sich der „Schlüssel“ in deinem Herzen befindet.“

„Eh?!“, stieß Nia erschrocken und erstaunt zugleich aus und stellte sich soeben vor, wie Salvatore und Cedric mit Skalpell und Schere an ihr zugange waren, um an den Schlüssel zu kommen.

Irgendwie überkam sie gerade eine richtige Gänsehaut!

Doch ihr Schwarm schüttelte den Kopf, ganz so, als hätte er ihre Gedanken erraten.

Nia atmete erleichtert auf. Ihr war soeben ein Stein vom Herzen gefallen!

„Man muss allerdings dazu sagen ...“, röchelte Cedric, der sich die Würgemale rieb, „dass der „Schlüssel“ nicht so aussieht wie ein normaler Schlüssel“

Er machte eine kurze Pause, damit seine Worte ihre Wirkung entfalten konnten.

Nia blickte, wie erwartet, verwirrt drein.

„Dieser Schlüssel besteht aus geschliffenen und ungeschliffenen E-d-el-s-t-e-i-n-e-n! Je reiner, klarer und wertvoller dieser Edelstein ist, desto weiter darfst du beim Einkauf dieser auf den Kopf gestellten Pyramide nach unten. Onyx ist beispielsweise sehr dunkel un bei den meisten Rulern ungeschliffen, da sie ein böses Herz haben – sie dürfen nur bei der „Billigware“ schauen, die zwar auch teuer sein kann, aber nicht annähernd so stark ist wie dieselbe Waffe von einem Ruler mit einem geschliffenen Rosenquarz. Klar so weit?“

Nia schluckte und nickte.

Es stand natürlich ganz außer Frage, welches wohl der wertvollste aller Edelsteine war:

Der geschliffene Diamant!

Cedric fuhr fort:

„Natürlich kann sich solch ein sog. „Herzschlüssel“ auch verändern, indem einem etwas schreckliches zustößt oder man wird plötzlich böse.

Der „Abstieg“, also wenn dein Edelsteinschlüssel von Rosenquarz zu Onyx wird, ist sehr viel einfacher als der „Aufstieg“. Alles steht und fällt mit einem reinen oder unreinen Herzen.“

Nia musste erneut schlucken. Das war ja dann fast wie ein Seelenstriptease!

So konnte man also erkennen, wer „gut“ und wer „böse“ war.

Irgendwie unheimlich ...

„Wir werden jetzt deinen Herzschlüssel entfesseln“, kündete Salvatore an und schrieb in einer irren Geschwindigkeit weiß leuchtende, seltsame und unbekannte Schriftzeichen in die Luft.

Cedric tat es ihm gleicht.

Nia hatte das seltsame Gefühl, zu versagen, und „nichts wert zu sein“, wenn sie einen unreinen, wertlosen Herzschlüssel zutage fördern würde.

Mit einem Mal brannte ihre Brust und bunte, aneinandergereihte, perlenförmige Edelsteine kamen ans Licht.

Am Ende der Kette war ...

„Ein Diamant?!“, stießen Huans und Ruler gleichermaßen erstaunt aus.

Alle drei staunten Bauklötze, besonders Nia, die mit diesem Ergebnis am allerwenigsten gerechnet hatte.

Wie gebannt starrten alle auf den astrein geschliffenen, glasklaren und wertvollen Edelstein.

Salvatore löste sich zuerst aus der Starre und schenkte Nia ein breites, zufriedenes Lächeln, als wollte er sagen: „Ich wusste es! Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt!“

Das Herz des Mädchens schlug unglaublich schnell und ihre Schmetterlinge begannen wieder zu flattern.

Ein Glücksgefühl durchströmte sie und sie war vor allem eins: Erleichtert und stolz.

„Na dann mal los!“, flötete Cedric beschwingt und rannte so schnell die scheinbar unendlich vielen Treppen hinunter, dass Nia und Salvatore Schwierigkeiten hatten, mit ihm Schritt zu halten.

Die Ruler und Huans die sich auf den Stufen befanden, bekamen immer größere Augen, je weiter sie hinunterstürzten.

Ein Ruler mit einem Diamanten-Herzschlüssel war ungefähr genauso selten wie eine Oase in der Wüste!

Völlig außer Atem, aber trotzdem voller Tatendrang erreichten sie schließlich die unterste Stufe, die recht klein war. Hier stand nur ein einziger Shop, der zwar pompöser, glamouröser und aufwendiger gestaltet war alle anderen, aber auch recht ... einsam und verlassen aussah.

Als das Trio den Laden betrat, staunten sie zunächst nicht über die phänomenale Auswahl an Waffen, sondern über dem hinterm Tresen laut schnarchenden Verkäufer.

„Entschuldigung.“, sagte Salvatore höflich, aber mit derselben Tonlage, als würde man „Wach auf!“ brüllen. Als der Ladenbesitzer immer noch nicht nach dem dritten und vierten Mal reagierte und die Wortwahl von Nias Schwarm immer schärfer wurde, ging Cedric kurzerhand her und watschte den Verkäufer – und zwar nicht gerade sanft.

Nia sog erschrocken die Luft ein – wie konnte der behinderte Idiot es nur wagen, fremde Leute einfach zu schlagen?

Doch Cedrics „Methode“ brachte den gewünschten Erfolg: Der Mann blinzelte verschlafen, gähnte herzhaft und ohne Hand vorm Mund, sodass selbst eine Bio-Niete erkennen konnte, dass der Kerl keine Mandeln mehr hatte. Anschließend streckte er sich ausgiebigst und kratzte sich am Hinterkopf, nachdem er sich aufgesetzt hatte.

Dann fragte er mit einer rauen, „versoffenen“ Stimme von jemanden, der lange geschlafen hatte:

„Was kannich füreuch tuuun?“

Als Cedric ihn noch eine Backpfeife gab, war er vollends erwacht und packte den Blondschopf unsanft am Schlafittchen.

Nia stieß einen spitzen Schrei aus. Die würden sich doch wohl nicht prügeln?

„Du ...! Wie kannst du es wagen?!“ Doch dann wanderte sein Blick von Cedric zu Salvatore, dann zu Nia und wieder zu Cedric.

„K ... Kundschaft?“, fragte der Verkäufer wie betäubt und setzte mit schwerer Zunge hinzu „Von Meister Salvatore und Cedric?“

„Ganz recht“, antwortete der Frauenschwarm lächelnd und der Ladenbesitzer ließ den blonden Hünen augenblicklich los. Nia atmete erleichtert auf und war froh, dass die zum zerschneiden gespannte Luft sich sofort auflöste.

„Ich bin untröstlich!“, beteuerte er und vor lauter Nervosität bildeten sich Schweißperlen auf seiner Stirn, „Wie konnte ich nur ...“

„Schon gut“, schnitt Salvatore ihm unsanft das Wort ab und deutete unverwandt auf Nia, „Wir suchen eine Waffe für unseren Ruler Nia Toshiki.“

Unterdessen fummelte Cedric an seinem zerknitterten Kragen und fragte sich, warum heute anscheinend alle das Bedürfnis hatten, ihn zu würgen oder zu schlagen.

Nun wandte sich der Verkäufer an Nia, „Es tut mir leid, Fräulein Nia, aber hier auf der Diamant-Ebene haben wir so selten Kunden, dass man manchmal ... ganz ... träge wird“, erklärte er und fügte lächelnd hinzu, „Nenn mich Ralf“

Das Mädchen nickte stumm.

„Was für eine Waffe suchst du denn?“

Es dauerte ein paar Sekunden, bevor sie begriff, das die Frage an sie gerichtet gewesen war.

„Äh ... Ich weiß nicht so recht ...“, stammelte sie und um die Wahrheit zu sagen: Sie hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht! Warum auch? Sie hatte nie damit gerechnet, mal zu kämpfen und außerdem hatte sie genug andere Probleme, die ihr mehr am Herz lagen.

Ralf musterte sie abschätzend, sodass ich Cedrics Blick verfinsterte.

Sowohl der blonde Hüne als auch Salvatore hassten das, was als nächstes kam.

Völlig ungeniert, als sei es das natürlichste der Welt für zwei fremde Menschen, die sich seit nicht einmal fünf Minuten kannten, tastete Ralf Nia ab, die erschrocken aufschrie und zurückzuckte.

„Das ist für die Messung“, war die Erklärung – damit hieß es: Stillhalten.

Arme, Beine, Kopf, Brust, Hüfte ... alles wurde untersucht, gemessen und festgehalten.

Als der Verkäufer fertig war, war Nia puterrot. Die beiden Jungs standen da wie zwei hungrige Wölfe, die nur darauf warteten, dass ihre Beute ihnen den Rücken zudrehte oder eine falsche Bewegung machte.

Deshalb sprach Ralf nun auch sehr vorsichtig und bedächtig.

„Du bist klein und sehr leicht. Dein Körperbauch ist sehr zart und feingliedrig ... Schwere Waffen kannst du auf keinen Fall benutzen – dazu reicht deine Körperkraft auch gar nicht aus.“

Nun sprach Ralf nicht mehr zu sich selbst, sondern direkt zu Nia:

„Ich würde dir entweder einen Bogen, einen Speer oder einen Degen empfehlen. Du musst aber bedenken, dass ein Bogen nur im Fernkampf effektiv ist, ein Speer sehr lang und daher schwer zu handhaben ist und ein Degen keine feste Klinge im eigentlichen Sinne hat – Es ist eine Stechwaffe.“

Nia schluckte.

Was sollte sie nehmen?

Der Verkäufer schloss kurz die Augen und überlegte. „Der Degen wäre für dich am besten, glaub’s mir“, sagte er mit Nachdruck, als er ihr zweifelndes Gesicht sah.

Wie aus dem Nichts zauberte er plötzlich einen wunderschönen, silbernen und mit einem einzigen Rubin besetzten Degen hervor.

Er war schlicht, sprühte aber vor Eleganz und Vollkommenheit.

Nia machte große Augen und nahem die Waffe ehrfürchtig entgegen. Als sie diese ausprobierte, spürte sie, wie einfach, leicht und „harmonisch“ Waffe und Ruler zueinander passten, fast so, als wäre der Degen ihr verlängerter Arm.

„Wie ... Wieviel kostet das?“, fragte Nia schüchtern, denn irgendwie war es ihr unheimlich, dass ihr diese Waffe so vertraut vorkam.

Außerdem war es das erste Mal, dass sie so etwas teures bezahlen würde! Ralf warf Salvatore einen Blick zu und als dieser nickte, krächzte der Verkäufer:

„Das passt so. Er gehört dir!“

Noch bevor Nia sich bedanken oder wundern konnte, hatte ihr Schwarm sie bereits mit ihrer neuesten Errungenschaft aus dem Laden gedrängt.

Jetzt konnte sie sich endlich verteidigen und war nicht die ganze Zeit auf Salvatore oder den behinderten Idioten angewiesen – nun konnten die nächsten Kämpfe ruhig kommen!

___________________________________________________________________________



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Xaris
2011-06-25T01:50:58+00:00 25.06.2011 03:50
Ohaaa o.o In jedem Kapitel erfährt man etwas neues über die Huan und so. *-*
Haha, tja, Cedric sollte sich abgewöhnen, ihr alles auf diese Art und Wiese zu zeigen. >D
ö.ö Irgendwie hatte ich schon vermutet, dass sie einen Diamanten hätte... XD
Hm, einen Degen hätte ich ebenfalls genommen. :'D


Zurück