Zum Inhalt der Seite

Im Schatten der Samurai

Sasori X Deidara X Gaara
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Weg ins Ungewisse

„Fafori no Danna? Waf machn wir, wenn daf Geld alle iff, hm?“, fragte der Blonde mit vollem Mund. Er hob seine Ramenschüssel an die Lippen und trank einen Schluck der heißen Suppe. Kaum war die Schüssel wieder abgestellt, schaufelte der junge Krieger bereits erneut Nudeln und Gemüse in sich hinein und kaute genüsslich. Doch die azurblauen Augen verharrten auf Sasori. Der fragende Ausdruck verriet dem Rothaarigen einmal mehr, dass sein Schüler keine Ruhe geben würde, bis er die Informationen hatte, die er wollte.

Sasori seufzte leise. „Kau erst auf und sprich dann“, ermahnte er den Jungen. Man könnte meinen, Deidara sei ein Kind, welchem man noch Manieren beibringen musste. Der Blonde stammte aus einer Samurai-Familie und war seit Jahren unter seinen Fittichen. Und was hatte es genützt? Für einen 16 Jährigen war Deidara sehr tödlich. Er war äußerst begabt im Umgang mit dem Schwert und dem Bogen. Das musste Sasori zugeben. Aber er konnte auch genauso gut beweisen, dass er eben noch ein halbes Kind war. Seine loddrige Art, seinen Gi[1] und Hakama[2] zu tragen; wie er sich sein Haar nachlässig im Nacken zusammen band und trotzdem die linke Gesichtshälfte fast völlig verborgen blieb hinter einem Schleier aus blondem Haar; wenn er vor ihm verbergen wollte, dass er seine Waffen einmal mehr unzureichend gepflegt hatte; wenn er versuchte, zwei Dinge zugleich zu machen. So wie jetzt. Essen und sprechen.

Deidara schluckte und setzte erneut an: „Was machen wir, wenn das Geld alle ist, hm?“

Seine Frage war berechtigt. Mit dem Tod ihres Herrn waren sie zu Rônin geworden, herrenlosen Samurai. Sasori hätte dies verhindern können, trug niemand geringerer als er die Schuld am Tod des Daimyô[3] Gôza. Da Deidara unter seinem Schutz stand, war dieser nun ebenfalls herrenlos. Und viele andere Samurai in den Diensten ihres Daimyô teilten ihr Schicksal, ziellos umher zu streifen, in der Hoffnung, zu überleben. Einige hatten Seppuku[4] begangen, um ihre Ehre zu wahren und nicht zu gewöhnlichen Strauchdieben und Söldnern zu verkommen. Allerdings lagen Sasoris Ansichten über Ehre woanders. Seine Art zu kämpfen hatte ihm schon oft Spott von anderen Samurai eingebracht. Doch das interessierte ihn nicht. Menschen waren ihm gleichgültig. Die einzige Ausnahme saß vor ihm und starrte ihn inzwischen beinahe hypnotisierend an. Und weil er Deidara nicht unnötig warten lassen wollte, gab er ihm nun seine heiß ersehnte Antwort.

„Entweder verdingen wir uns als Söldner oder wir stehlen“, erklärte er monoton. Sasori wandte sich wieder seinem Mittagessen zu. Ihm war bewusst, dass Deidara nun neuen Zündstoff erhalten hatte. Schon nach wenigen Augenblicken kam die begeisterte Antwort.

„Daf klingt aufregend! Endlifh paffierd mal waf, hm.“

„Deidara!“, brummte er genervt. Schon wieder. Wann lernte er endlich, sein Essen erst zu schlucken und dann zu sprechen?

„Tschuldigung.“

Skeptisch maß der Rothaarige Deidara mit einem langen Blick. Das Grinsen sagte ihm, dass er seine Verfehlung nicht bereute. Seine Entschuldigung war reine Höflichkeit. Manchmal verhielt sich der Junge einfach respektlos. Doch er beließ es dabei. Sasori wusste, dass er der einzige war, den Deidara wirklich respektierte, selbst wenn es hin und wieder nicht den Anschein machte.

Endlich kehrte Ruhe ein und nur das leise Klappern der Stäbchen und gelegentliches Schlürfen hallte durch den kleinen Ramenimbiss, den sie auf ihrem Weg ins Irgendwo am Rand der Straße gefunden hatten. Deidara hatte Recht. Ihr Geld war bald aufgebraucht. In den letzten Wochen hatten sie von dem Geld leben können, welches sie auf ihrer Flucht neben wenigen anderen Habseligkeiten eingepackt hatten. Doch es reichte nicht ewig. Sie könnten sich natürlich ein anderes Handwerk suchen. Doch Sasori hegte momentan kein Interesse an einer anderen Arbeit. Und Deidara war zu begeistert vom Kampf, um friedliche Arbeiten zu verrichten.

Schritte näherten sich dem kleinen Haus. Eine leichte Brise wehte herein, da die Schiebetüren zurückgeschoben waren, um die belebende Frühlingsluft herein zu lassen. Die braunen Augen des Rothaarigen hefteten sich auf die Gestalten, die soeben eintraten. Innerlich stellte er sich auf Ärger ein. Sie waren also verfolgt worden.

„Da ist der kleine Verräter ja. Wo hast du dich denn so lange versteckt?“, fragte der Anführer der kleinen Gruppe ehemaliger Samurai und legte seine Hand auf den Griff seines Katanas. Die anderen Männer taten es ihm gleich. „Und seine kleine Ratte ist auch dabei. Wunderbar“, fügte ein anderer Krieger der Gruppe an.

Ganz ruhig, dachte Sasori sich. Er legte seine Stäbchen neben seine zur Hälfte geleerten Schüssel. Und schon flog Deidaras Schüssel samt Inhalt dem Anführer ihrer Verfolger entgegen. „Wen nennst du hier Ratte, hm?“, fauchte der Blonde. Das meinte Sasori mit Respektlosigkeit anderen gegenüber. Innerlich amüsiert betrachtete er den Mann. Dieser war der Schüssel zwar ausgewichen, doch ein paar Nudeln hingen auf seiner Schulter und sein Gi war mit Suppe bekleckert. Ach, und an seinem Hals klebte eine Sojasprosse. Wut flammte in den Augen des Mannes auf.

„Ich nehme an, ihr seid lebensmüde?“, hakte Sasori mit überheblichem Unterton nach und erhob sich ohne Hast. Deidara stand bereits angriffslustig mit der Hand am Katana und grinste frech.

Der Ladenbesitzer unterbrach die feindlich gesonnenen Männer schließlich. „Werte Herren, wäre es möglich, Euren Streit draußen fort zu setzen?“

Mit einer einladenden Geste deutete Sasori den Kriegern an, der Bitte Folge zu leisten. „Ihr habt den Mann gehört. Husch, husch.“

„Das wirst du noch bereuen… ihr beide.“ Der Mann wischte die Reste von Deidaras Mahlzeit von seiner Kleidung. Einen Krieger zu reizen, sollte an sich eine schwere Aufgabe sein, doch diese hier waren auf Rache aus. Rache an Sasori für den Mord an Gôza. Sie waren gereizt und gaben ihm die Schuld an ihrem jetzigen Leben. Entsprechend leicht war es nun, sie zu provozieren. Und ein Krieger, der sich der Wut hingab, machte Fehler. Fehler, die man ausnutzen und gegen ihn verwenden konnte.

„Wo ist eure innere Ausgeglichenheit hin, ehrenwerte Krieger?“, fragte Sasori mit einem amüsierten Unterton und schritt an ihnen vorbei hinaus. Deidara folgte ihm mit einem bösartigen Lächeln auf den Lippen. Doch sie ließen die Krieger nicht aus den Augen, drehten ihnen nicht den Rücken zu. Sie wollten es ihnen schließlich nicht zu leicht machen.

Ohne weiteren Kommentar zogen die Krieger ihre Katana. Sasori und Deidara taten es ihnen gleich und erwarteten die aufgebrachten Männer mit gezogenen Waffen. Scharfes Klirren ertönte, als die Klingen aufeinander trafen. Ein verbissener Kampf entbrannte. Rein zahlenmäßig waren die Angreifer Sasori und Deidara überlegen. Aber Sasori war der beste Samurai ihres Daimyô gewesen und so kostete es ihn wenig Mühe, einen der Krieger mit seinem Katana zu enthaupten, einem anderen den Schwertarm abzutrennen und einem dritten eine tiefe Halswunde zuzufügen, die ihm innerhalb weniger Herzschläge den Tod bringen würde.

Deidara kämpfte in seinem Rücken, führte neben seinem Katana auch sein Wakizashi[5]. Sasori vertraute seinem Schüler, dass dieser ihm jeden Angreifer vom Hals schaffen würde, der versuchen wollte, ihn von hinten anzugreifen. Als sein Meister kannte er Deidaras Stärke besser als jeder andere. Im Gegenzug sorgte Sasori automatisch dafür, dass niemand einen Angriff auf seine Kehrseite ausübte. Die Zahl der Krieger war bald auf den Anführer dezimiert. Mit ganzer Kraft ließ dieser sein Katana auf Sasori niedersausen. Unter der schieren Wucht knickte der Rothaarige ein, war er an Größe und Körperkraft dem anderen Krieger unterlegen. Doch Sasori wäre schon lange nicht mehr am Leben, hätte er keinen Ausgleich gefunden. Mit einem überheblichen Lächeln gab er dem Druck auf sein Katana nach, ließ es los und duckte sich unter den Armen des anderen hindurch. Er kam ihm so nahe, dass er seinen Schweiß riechen konnte. Die aufkeimende Abscheu gegen derlei Gerüche ignorierend, griff er nach seinem Dolch, den er in seiner Unterarmschiene verbarg, und stach ihm in den Fuß. Geschickt rollte er sich seitlich weg und erhob sich wieder.

Ein schmerzerfüllter Laut verließ die Kehle des Kriegers und der zornige Blick richtete sich auf Sasori. Ein kaltes Lächeln umspielte dessen Lippen. Den Dolch hob er auf Brusthöhe und fuhr liebevoll über die flache Seite der Klinge. „Spürst du es?“, hauchte er amüsiert. Sasori trug nicht grundlos dünne Lederhandschuhe. Er wollte sich nicht aus Versehen selbst vergiften.

Zuerst spiegelte sich Verwirrung in den Gesichtszügen des Mannes wieder, dann verlor er alle Farbe. Kreidebleich und ungläubig starrte er Sasori an, dann auf seinen Fuß hinab. „Du feiger Bastard…“, keuchte er.

„Was für eine Verschwendung. Immerhin sind es deine letzten Worte“, murmelte Sasori wissend. Das Gift wirkte schnell. Innerhalb von wenigen Minuten lähmte es den gesamten Körper, die Atmung des Mannes und wenn er nicht an Herzversagen verreckte, erlitt er den Erstickungstod.

Und wie erwartet brach der Mann in die Knie, versuchte sich wieder aufzurappeln, doch kippte schließlich zur Seite und fiel auf den trockenen Boden. Sein Atem ging keuchend. Nackte Todesangst breitete sich in seinen weit geöffneten Augen aus.

„Das habt ihr davon, ihr Idioten, hm“, kommentierte Deidara zufrieden und wischte seine Waffen nachlässig an den Kleidern der Toten ab.

Sasori schob seinen Dolch unter die Unterarmschiene zurück in seine Scheide. Seine komplette Rüstung hatte er auf der Flucht nicht mitnehmen können, würde sie jetzt auch nur noch behindern. Aber diese Schienen trug er immer. Es war einfach praktisch, seine Dolche und den feinen Draht dort zu verbergen. So hatte er beides im Kampf schnell zur Hand.

Inzwischen war der letzte Krieger auch tot und sie hatten ihr kleines Problem gelöst. Sasori trat näher und hob sein Katana auf, säuberte es an dem Hakama des toten Anführers und ließ es in die Saya[6] zurück gleiten. Ängstlich schaute der Ladenbesitzer zu ihnen und fragte: „Ist es vorbei?“

Deidara grinste breit, was dem Mann als Antwort genügen musste, denn Sasori kümmerte sich nicht um ihn, sondern begann die Toten nach Geld und anderen nützlichen Dingen zu durchsuchen. „Steh da nicht rum, Deidara. Geh mir zur Hand“, wies er seinen Schüler an. „Jaaa, Danna“, murrte der Blonde und folgte dem Beispiel seines Meisters, kniete sich zu einem der Toten und durchstöberte seine Kleidung. Die Ausbeute war enttäuschend. Ein paar Yen, ein bisschen gebratenes Fleisch, was vermutlich vom letzten Mahl übrig geblieben war. Wenige Gebrauchsgegenstände, die sie selbst besaßen und deswegen ignorierten.

Erneut wagte der Ladenbesitzer eine Frage: „Und… wer schafft die Leichen weg?“

Sasori sah sich zu ihm um und warf ihm einen der Geldbeutel zu, den er gerade aus dem Gi eines Toten gefischt hatte. Der Inhalt reichte für die Ramen, die zerbrochene Schüssel und den Aufwand, die Toten selbst weg zu schaffen. „Das ist nicht unser Problem.“ Er wandte sich an seinen Schüler. „Hol unsere Sachen und komm.“ Sie sollten nicht länger hier verweilen.

Deidara eilte zu ihrem Tisch, wo noch Sasoris Schüssel stand und darauf wartete, leer gegessen zu werden. Er nahm die beiden Hirazutsumi[7], in denen ihre wenigen Habseligkeiten eingepackt waren, und grinste dem Ladenbesitzer dreist zu. „Viel Spaß mit denen, hm“, sagte er belustigt und deutete mit einem Kopfnicken auf die Toten, ehe er sich abwandte und seinem Danna folgte.
 

_____________________________________________________

Hinweis: Es ist zwar ein alternatives Universum, aber ich werde mich teilweise an der Sengoku-Periode Japans orientieren. Das war zwischen 1477-1615. Wir halten uns vermutlich gegen Ende 1500 und Anfang 1600 auf und es war die Zeit der kämpfenden Länder. Der Kaiser verlor an Macht und die Daimyô versuchten alle ein gutes Stück vom Kuchen „Japan“ abzukriegen. Es herrschte also oft Krieg. In dieser Zeit streiften sehr viele Rônin umher, Samurai, die ihren Herrn verloren hatten, und betätigten sich meist als Söldner oder schlossen sich zu Räuberbanden zusammen.
 

[1]Gi: traditionelle japanische Oberbekleidung, wird in der Regel zum Hakama getragen. Ich speziell habe in dieser FF auf kimonoähnliche Gi zurückgegriffen, weil diese kimonoähnliche Ärmel haben.

[2]Hakama: traditionelle japanische Beinbekleidung.

[3]Daimyô: früher wurden so die Fürsten bezeichnet - Gōza ist bei Naturo ein Mitglied des Dörferrats in Sunagakure.

[4]Seppuku: ritueller Selbstmord, um die Ehre zu wahren.

[5]Wakizashi: Kurzschwert, was Samurai neben dem Katana getragen haben

[6]Saya: Schwertscheide

[7]Hirazutsumi: Furoshiki – Tuch, was man unterschiedlich tragen kann und Sachen reinpacken kann (kann unterschiedliche Größen haben). Eine ältere Bezeichnung war hirazutsumi. Ich benutze hier bewusst die alte Bezeichnung, weil die Bezeichnung Furoshiki erst nach der Sengoku-Periode aufkam.

Neue Pfade

Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen und in Himeji herrschte noch immer reges Treiben. In einer Burgstadt konnte man dies wohl auch erwarten. Deidara würde am liebsten losziehen und die Straßen erkunden, sich vielleicht sogar in die Burg schleichen, die hoch über der Stadt thronte, und ein Blick hinein werfen. Doch Sasori bestand darauf, eine Herberge zu finden, in der sie übernachten konnten. Manchmal benahm er sich wie ein alter Mann. Er war auch doppelt so alt wie er selbst. Sein Alter sah man dem Rothaarigen allerdings nicht an, würde man niemals an seinem Äußeren erkennen, dass er bereits über 30 Winter erlebt hatte. Seine neue Frisur ließ ihn zusätzlich jünger wirken, fand Deidara. Sasori hatte sich das lange Haar abgeschnitten nach ihrer Flucht. Da sie keine Samurai mehr waren, durften sie auch nicht mehr den Knoten im Haar tragen wie es typisch war für einen Krieger dieses Standes. Deidara war glücklich darüber. Er hatte diesen albernen Haarknoten der Samurai gehasst.

„Deidara, trödel nicht“, hörte er die genervte Stimme seines Danna.

„Jaaa, Danna“, war seine gedehnte Antwort und er holte zu ihm auf. Neugierig betrachtete er die Herberge, vor der sie nun standen.

„Ging doch schnell, hm“, kommentierte er Sasoris Fund und grinste.

„Abwarten.“ Sasori trat ein und der Blonde folgte ihm. Im Eingangsbereich erwartete sie eine junge Frau, die sie freundlich begrüßte.

„Ein Zimmer für zwei Personen.“ Sasori kam ohne Umschweife zum Punkt, wollte er keine Zeit verschwenden. Während die Frau sich bemühte, weiterhin professionell höflich zu bleiben, grinste Deidara in sich hinein. Sein Meister hatte noch nie eine besonders nette Art an sich gehabt.

Sie hatten Glück und mussten nicht weitersuchen, denn die junge Frau erklärte ihnen, dass ein Zimmer frei war und nannte ihnen den Preis, welchen Sasori sogleich beglich. Deidara störte sich nicht daran, das Zimmer mit seinem Meister zu teilen. Sie sparten auf diese Weise etwas Geld. Das Zimmer, welches die Bedienstete ihnen zeigte, war klein, wie üblich in solchen Herbergen. Ein flacher Tisch stand auf der einen Seite im Zimmer und auf den freien Tatami[8] legte die junge Frau nun zwei Futons [9] aus. Anschließend zauberte sie zwei Sitzkissen aus dem Wandschrank, um diese um den Tisch zu drapieren. Für die Nacht ließ sie ihnen eine Öl-Lampe auf dem Tisch stehen, ehe sie sich höflich zurückzog mit dem Hinweis, sie jederzeit aufsuchen zu können, sollten sie einen Wunsch haben.

Deidara ließ seinen Hirazutsumi neben einem der Futons fallen, streifte den Bogen samt Köcher von der Schulter und legte seine Schwerter ab. Mit einem Seufzen ließ er sich auf den Futon fallen und starrte zur Decke. Die Nächte unter freiem Himmel waren anstrengend. Sasori duldete aber kein Gejammer und meinte, er würde sich schon noch daran gewöhnen. Deidara war fest davon überzeugt, dass es Sasori ähnlich ging, er seine Gefühle nur wie üblich nicht zeigte.

„Deidara, runter vom Futon mit den dreckigen Lumpen“, brummte sein Meister ihn an.

Grinsend rollte er sich auf die Seite und sah ihn an. „Was störts dich? Ist doch mein Futon, hm“, kommentierte er lediglich und machte keine Anstalten, den Worten seines Meisters zu folgen. Dieser schnaufte zwar, ließ sich dann jedoch auf eines der Sitzkissen am Tisch sinken und öffnete seinen Hirazutsumi. Deidaras Blick bohrte sich derweil in Sasoris Nacken. Manchmal fragte er sich, wieso sein Meister ihm alles beibrachte, ausgenommen die körperlichen Freuden. Es war nicht unüblich unter den Samurai, den Schüler mit dem Beischlaf vertraut zu machen. Sasori jedoch hatte ihn noch nie angerührt und Deidara war bereits vor einem Jahr offiziell als Samurai anerkannt worden. Vielleicht bedeutete dies für Sasori, dass er Gefühle zeigen musste. Wie gern sprach der Rothaarige abfällig über die seiner Meinung nach größte aller menschlichen Schwächen. Deidara wusste nicht, aus welchem Grund Sasori eine solche Abneigung gegenüber Gefühlen hegte, aber zumindest war dessen Abscheu die einzige Erklärung, wieso sein Meister ihn nicht in die körperliche Liebe einweihte. Dabei war er neugierig, wie es wohl war.

Warum Sasori ihren Daimyô getötet hatte, war ihm ähnlich schleierhaft. Eine Erklärung hatte er ihm nicht geliefert. Er hatte ihn lediglich spät abends aus dem Bett geworfen und gedrängt, ein paar wichtige Habseligkeiten einzupacken, damit sie verschwinden konnten. Sicherlich war dies nicht das einzige, worüber der Rothaarige beharrlich schwieg.

„Deidara, beweg deinen Arsch.“ Der Blonde blinzelte und wurde sich nun bewusst, dass Sasori gar nicht mehr am Tisch saß, sondern an der Tür stand und nur noch auf ihn wartete. Und er hasste warten. „Jaaa, Danna.“ Der Blonde stemmte sich hoch und schob sein Katana und das Wakizashi wieder unter den Obi. Seinen Bogen ließ er hier, war selbiger in der Stadt eher unhandlich.
 

„Sasori no Danna, wir werden verfolgt, hm“, murmelte der Blonde leise, ohne sich umzuwenden. Er wollte ihren Verfolgern nicht zeigen, dass sie bemerkt worden waren. Kaum hatten sie ihre Herberge verlassen, hatten sich drei Männer an ihre Fersen geheftet. Augenscheinlich unauffällig, aber für einen achtsamen Krieger doch offensichlich.

„Ich weiß.“ Sasoris Blick lag auf der Straße vor ihnen. Äußerlich wirkte er ruhig wie immer, aber Deidara erkannte die minimale Veränderung in den braunen Augen. Der härtere Glanz zeigte Kampfbereitschaft. Ihr Abendmahl mussten sie verschieben. Zuerst sollten sie diese Verfolger loswerden. Ob das wohl wieder rachsüchtige Krieger waren?

„Hier lang“, brummte Sasori plötzlich leise und bog auch schon in eine schmale Seitengasse ab. Deidara reagierte umgehend und folgte ihm. Er kannte solche Manöver von Sasori, sodass er ihm nicht mehr irritiert hinterher stolperte wie früher. Die Gasse hüllte sich in Dunkelheit, reichte das schwache Licht des aufsteigenden Mondes nicht bis in die kleinen Gässchen der Stadt. Der perfekte Ort, um sich unauffällig lästiger Verfolger zu entledigen. In einer eleganten Bewegung legte Sasori die Hand an sein Katana, zog es fließend aus der Saya und wandte sich um in Erwartung ihrer Verfolger. Deidara konnte sich das freudige Grinsen nicht verkneifen. Ein guter Kampf war ihm immer willkommen, wollte er sich verbessern. Und das gelang nur mit neuen Herausforderungen. Die drei Männer betraten gerade die kleine Gasse, während Deidara angriffsbereit in Kampfposition ging.

Die Männer verharrten wenige Meter entfernt von ihnen, war die Botschaft eindeutig.

„Was wollt ihr?“, fragte Sasori ernst. In der Dunkelheit der Gasse konnte man kaum mehr als Umrisse und Schemen erkennen. Die Männer waren allesamt größer und kräftiger als Sasori oder Deidara selbst, aber keiner von ihnen kam ihm bekannt vor.

„Bitte legt eure Waffen nieder. Wir wollen euch nicht angreifen“, erklärte einer der Männer ruhig. Neugierig musterte Deidara den Mann und anschließend die anderen beiden. Keiner von ihnen wirkte angriffslustig, sie waren aber ebenso kampfbereit. Ein Krieger war immer bereit, sich in den Kampf zu stürzen oder einen Angriff abzuwehren.

„Was wollt ihr dann?“ Sasoris samtige Stimme schnitt wie eine Klinge durch die Dunkelheit. Er ließ sein Katana auch nicht sinken. Es wäre töricht, völlig Fremden blind zu vertrauen.

„Wir waren einst Samurai, so wie ihr“, begann ihr Anführer zu erklären. „Als wir vom Tod eures Daimyô hörten, machten wir uns auf die Suche nach euch, Akasuna no Sasori, Deidara.“

Deidara war überrascht. Wieso suchten diese Rônin nach ihnen? In seiner Stimme konnte er keine Feindschaft erkennen. Sie klang sachlich, ließ aber auch keine andere Emotion durchdringen. Außerdem kannte der Mann Sasoris Beinamen, den er nach einer Schlacht von seinen Feinden erhalten hatte, weil der Sand unter seinen Füßen mit dem Blut seiner Gegner vollgesogen war. Vermutlich suchten sie eher nach Sasori. Ihn schienen sie aber ebenfalls zu kennen. Wieso? Vielleicht hatte sich seine teilweise ungewöhnliche Kampftechnik herumgesprochen. Für einen Samurai war es eher sonderbar, mit Schwarzpulver zu arbeiten und diesen auch im Kampf einzusetzen.

„Wieso, hm?“

Der Mann gab ihnen bereitwillig Auskunft zu Deidaras Frage: „Weil wir starke Krieger bei Akatsuki gut gebrauchen können.“

„Akatsuki…“, murmelte Sasori und ließ langsam sein Katana sinken, sodass die Spitze der Klinge zum Boden zeigte. Deidara sah zu seinem Meister. Er kannte Akatsuki? Noch nie hatte der Blonde davon gehört, aber es musste sich wohl um eine Gruppe Rônin handeln. Das schloss er aus den dürftigen Informationen des Gespräches. Manche der Banden gaben sich Namen, aber Akatsuki musste recht bekannt sein, wenn sein Meister zumindest ihren Namen zu kennen schien.

„Wollen wir nicht lieber woanders reden?“, fragte der zweite kurzhaarige Mann freundlich. „Bei einer Tasse Tee zum Beispiel“, erscholl eine dunkle Stimme unerwartet, die sehr ähnlich klang, jedoch deutlich tiefer und gefährlicher. Während man Deidara seine Irritation gut ansehen konnte, wirkte Sasori nach außen unbeeindruckt. Die zweite Stimme war aus derselben Richtung gekommen, augenscheinlich von demselben Mann. Abwartend beobachtete der Blonde seinen Meister und schob sein Katana erst in die Saya zurück, als Sasori seine Waffe sicher verstaute.

„Worauf wartet ihr dann noch?“ Ungeduld schwang in Sasoris Stimme mit. Er wollte das schnell hinter sich bringen, da war Deidara sich sicher.
 

In dem kleinen Teehaus konnte Deidara die drei Männer endlich im Licht mustern. Ihr Anführer stellte sich als Yahiko vor. Seine fast unscheinbar wirkenden hellgrauen Augen mit dem durchdringenden, wissenden Blick standen im Kontrast zu dem kurzen Haar, welches in dem gleichen Orange strahlte wie sein Jin Baori[10]. Der Mann mit den zwei Stimmen hörte auf den Namen Zetsu. Deidara fand sein grünes Haar merkwürdig, erinnerte es ihn eher an Moos. Außerdem schienen die gelben Iriden seine Pupillen gänzlich verschluckt zu haben. Seltsamerweise leuchtete das satte Gelb selbst im hellen Licht des Teehauses wie Katzenaugen in der Nacht. Zuletzt beäugte Deidara den bisher schweigenden Mann, der den Namen Kakuzu trug. Viele Narben fraßen sich durch die vom Wetter gegerbte Haut und dunkelbraunes Haar hing wirr auf seine Schultern herab. Mürrisch erwiderten dessen grüne Augen Deidaras Blick. Narbengesicht war auf jeden Fall älter als die anderen beiden.

Der Blonde beendete seine Begutachtung und trank von seinem Tee. Vorerst lauschte er dem Gespräch lediglich.

„Warum sollten wir uns euch anschließen?“, fragte Sasori desinteressiert. „Und warum gerade wir? Es gibt genug andere umher streunende Samurai.“

Yahikos Hände lagen locker um der Teeschale wie um sich daran zu wärmen. Ein wenig blass wirkte der Krieger. „Wir begegneten uns vor Jahren auf dem Schlachtfeld. Sicher erinnerst du dich nicht mehr. Wir kämpften damals für die Asai[11].“

Sasori ließ sich einen Moment Zeit für die Antwort und schien sich an den Krieg zu erinnern. Deidara war neugierig. In diesem Krieg hatte er noch nicht mitgekämpft, weil er zu jung gewesen war.

„Ihr habt gewonnen“, war Sasoris einsilbige Reaktion.

Yahiko nickte. „Dein Kampfstil ist beeindruckend. Es wäre auch ein Vorteil für euch, wenn ihr euch uns anschließt. Momentan sind wir fünf Krieger. Mit euch wären wir sieben. Eine größere Gruppe verspricht mehr Sicherheit und größere Aufträge.“

Für einen Augenblick zuckten Sasoris Augenbrauen unwirsch zusammen. Yahikos Worte gefielen seinem Meister nicht. Ob seine Krieger wohl stark waren? Bestimmt, wenn sie den Asai einen Sieg eingebracht hatten. Zudem war es ungewöhnlich, dass jemand Sasoris Kampfstil beeindruckend fand. Bisher hatte Deidara immer nur verächtliche Kommentare von anderen Samurai darüber gehört, weil seine hinterhältige Art ehrlos war. Aber der Blonde wusste, wie Sasori darüber dachte. Kampf war Kampf. Der Bessere gewann und mit welchen Mitteln war egal. Der Schwächere starb und hatte das Leben somit nicht länger verdient.

„Sicherheit kann durch Verrat zerstört werden.“ Sasori war das beste Beispiel.

Ein kurzes Lächeln huschte über Yahikos Lippen. „Wir wissen von der Art, wie Gôza dahingeschieden ist.“ Bedächtig führte er die Teeschale an die Lippen und trank, ließ Sasori jedoch nicht aus den Augen. „Du wirst sicher deine Gründe gehabt haben.“

Deidaras Ansicht nach war es nun doch an der Zeit, sich einzumischen, bevor Sasori das Angebot ablehnte. „Sasori no Danna, lass uns doch mit ihnen gehen. Das wird sicher aufregend. Und außerdem hätte ich auch mal eine neue Herausforderung, hm.“ Der abschätzende Blick aus den braunen Augen wurde beharrlich erwidert. Er wollte gern wissen, wie stark diese Krieger waren. Dem Rothaarigen missfiel sein Eingreifen. Deidara erkannte es deutlich in seinen Augen. Er war sauer über die Einmischung. Vor den Fremden würde sein Meister aber keine Diskussion mit ihm beginnen. Und es war eine Tatsache, dass der Blonde nur noch mit ihm trainieren konnte. Um ein wirklich guter Krieger zu werden, musste man jedoch auch mit anderen kämpfen, fremde Kampfstile kennen lernen, um neue Erfahrungen zu sammeln.

„Größere Aufträge bedeuten größeren Lohn für alle.“ Kakuzu erhob zum ersten Mal seine raue Stimme. Dessen Kommentar wirkte hoffentlich unterstützend. Denn letztendlich würde Deidara dem Urteil seines Meisters folgen und darüber schienen sich auf die drei Krieger bewusst zu sein.

Sasori ging zuerst nicht auf die im Raum stehende Frage ein. „Wie habt ihr uns gefunden?“

Ruhig erwiderte Yahiko den bohrenden Blick seines Meisters. „Eure Spur aus Leichen war schwer zu übersehen.“ Ein leichtes Schmunzeln huschte über die Lippen des Orangehaarigen. Dieser musste auf die Verfolger anspielen, welche sie vor ein paar Tagen bei dem Ramenimbiss umgebracht hatten.

Genervt seufzte Sasori. „Meinetwegen. Aber wenn sich für uns mehr Nachteile als Vorteile entwickeln, sind wir wieder weg.“
 

____________________________________

[8]Tatami: der klassische Fußbodenbelag in japanischen Häusern; traditionell bestehen sie aus einer Decklage aus Binsen und einer Füllung aus Reisstroh; das Format ist regional unterschiedlich, jedoch ist das Seitenverhältnis immer 2:1 meist 180 cm x 90 cm

[9]Futon: Unterteilt wird der Futon in die Schlafunterlage shiki-buton und die Bettdecke kake-buton.

[10]Jin Baori: Ähnlich wie ein Haori (Art Jacke), aber ohne Ärmel.

[11]Asai: alter, bekannter Clan in Japan.

Der erste gemeinsame Abend

Sasori hatte nur für Deidara zugestimmt. Er selbst hegte kein Interesse, sich einer Gruppe anzuschließen. Doch für Deidara war dies eine Chance, sich weiter zu entwickeln. Der Junge war stark, aber es mangelte ihm einfach an Erfahrung und die konnte er nur sammeln, wenn er gegen andere Krieger kämpfen konnte. Der Rothaarige ging davon aus, dass sie sich irgendwann sowieso wieder von Akatsuki lösen würden. Doch vorerst war die Wahl nicht die Schlechteste.

Am nächsten Morgen verließen sie zusammen mit Yahiko, Kakuzu und Zetsu die Stadt. Jedoch besorgten sie ihren neuen Mitstreitern zuvor noch Pferde, da sie welche brauchen würden in Zukunft. Auf ihrer Flucht hatte Sasori bewusst darauf verzichtet, ihre Pferde zu nutzen, um sich leichter in unwegsamem Gelände verbergen zu können. Zu Pferd fiel man außerdem leichter auf, da sich vor allem die höheren Stände die Tiere leisten konnten. Kakuzu erwies sich bei dem Kauf als geschickter Händler, handelte er die Pferde schamlos herunter, obwohl sie deutlich mehr wert waren. Und gut ausgebildet waren die Tiere ebenfalls, stellte Sasori auf ihrem Weg in die Berge fest.
 

Am Abend des zweiten Tages erreichten die fünf Reiter ihr Ziel. Yahiko erklärte ihnen, dass sie in einem ehemaligen kleinen Onsen[12] lebten, welches sie verlassen und halb verfallen vorgefunden hatten. Nach einigen Reparaturen konnte sich das Gebäude aber durchaus sehen lassen. Im Stall brachten sie die Pferde unter. Zetsu und Kakuzu traten durch den privaten Eingang in das Haus ein, während Yahiko die Neuankömmlinge durch den Gästeeingang in den Flur führte. Dort ließen sie ihre Geta beziehungsweise Zori stehen und folgten ihm in das Vorzimmer.

Eine Frau in einem hellblauem Yukata mit weißen Blumen verziert trat durch eine geöffnete Schiebetür und begrüßte sie mit einer Verbeugung. Der warme Glanz in ihren Augen, als sie Yahiko ansah, machte Sasori klar, dass es sich um seine Ehefrau handeln musste.

„Darf ich vorstellen, das ist Konan, meine Ehefrau.“ Sein Blick glitt zu Konan. „Dies sind Akasuna no Sasori und Deidara. Sie gehören ab jetzt zu uns.“ Bevor er sie allerdings der Obhut seiner Frau überließ, warnte er sie noch. „Meine Frau kocht zwar für uns alle und hält das Haus sauber, aber um den restlichen Kram kümmert ihr euch selbst, verstanden? Sie kann euch zur Hand gehen, wenn ihr Hilfe braucht, aber sie ist niemandes Dienerin. Und wenn Konan euch um Hilfe bittet, dann kommt ihr dieser Bitte nach.“

In Gedanken fasste Sasori zusammen, dass sie also ihre Kleidung selbst waschen sollten, sich um ihre Habseligkeiten selbst zu kümmern hatten und die Pferde selbst versorgen mussten. Damit konnte er leben. Aber ordentlich gekochtes Essen und ein richtiges Dach über dem Kopf waren eindeutige Vorteile.

„Dann folgt mir, ich führe euch durch das Haus“, forderte Konan sie freundlich auf. Zuerst zeigte sie ihnen das große Empfangszimmer, in welchem sie sich nach Belieben aufhalten konnten. Anschließend führte sie Sasori und seinen Schüler durch das Esszimmer und das angrenzende Wohnzimmer. In allen drei Zimmern war die Tokonoma[13] stilvoll mit einem Hängebild oder einem Gedicht, einer Vase mit einer hübschen Blume oder einem ansprechenden Zweig mit jungen Trieben und Origami verziert. Neben der Küche befand sich das Badezimmer, welches ebenfalls sehr ansprechend geschmückt war, um sich in angenehmer Atmosphäre entspannen zu können. Über die Veranda erreichte man das Pissoir und den Abort, beides wie üblich am Rand des Hauses gelegen, damit keine unangenehmen Gerüche im Haus waberten. Im Obergeschoss befanden sich sechs weitere Zimmer, welche früher einmal die Zimmer für die Besucher gewesen sein mussten und ihnen nun als Schlafzimmer dienten.

„Es sind noch zwei Zimmer frei, jedoch haben wir gerade nur noch einen zusätzlichen Futon. Ich hoffe, ihr könnt euch eine Nacht den Futon teilen? Morgen besorgen wir euch einen zweiten.“ Sie lächelte entschuldigend. „Ich werde morgen auch gleich das letzte Zimmer herrichten. Es muss noch geputzt werden, weil es bisher nicht benutzt wurde.“

Sasori brummte innerlich, gab sich aber nach außen gefasst. „Wird schon gehen bis morgen“, erklärte er neutral. Den Seitenblick von Deidara ignorierte er. Wie sollte er sich bitte eine ganze Nacht eine Decke mit seinem Schüler teilen und Schlaf finden? Er stellte sich bereits auf eine unbequeme Nacht ein. Seit er seinen Meister verlassen hatte, hatte er sich keinen Futon mehr mit einer anderen Person geteilt und das hatte seine Gründe. Sasori lag wenig daran, dies jetzt zu ändern.

Erleichterung machte sich in Konans hübschem Gesicht breit. „Dann zeige ich euch noch den Garten und die heiße Quelle. Die Winter hier oben sind zwar ein wenig rau und die Sommer sehr heiß, aber dafür ist das heiße Wasser herrlich entspannend. Und wer hat schon eine Quelle hinter dem Haus?“

Sasori musste zugeben, dass der Garten äußerst künstlerisch angelegt war. Wer von Akatsuki dies wohl zu verantworten hatte? Bei der heißen Quelle angekommen verharrte er und ließ die Eindrücke auf sich wirken. Der leichte Wind wehte ihm den feinen Nebel ins Gesicht, der vom Wasser aufstieg. Vielleicht war die Entscheidung, sich Akatsuki anzuschließen, doch gar nicht so verkehrt.

Sein Blick fiel auf Deidara, der sich neben ihm an den Rand der Quelle niederkniete und die Hand ins Wasser tauchte. „Ist das toll, hm.“

Mürrisch brummte Sasori. „Nimm deine ungewaschenen Finger aus dem Wasser.“ Deidara wusste doch, dass man sich erst wusch und anschließend in das Badewasser oder in diesem Fall in eine heiße Quelle stieg. Und selbst wenn Deidara nur die Hand im Wasser hatte, so war sie dennoch ungereinigt.

„Jaaa, Danna“, murrte Deidara und erhob sich wieder, wischte seine nassen Finger nachlässig am Gi ab.

„Es wird bereits dunkel. Lasst uns wieder reingehen. Ich bereite gleich das Abendessen zu und die anderen beiden kommen sicher auch gleich zurück“, erklärte Konan und sah kurz zum Himmel hinauf, der sich allmählich verdunkelte. Hier und dort konnte man ganz schwach einen der ersten Sterne aufblitzen sehen.
 

„Uchiha?“ Ungläubig war Deidara vom Tisch aufgesprungen und starrte den Schwarzhaarigen an, welcher gerade hinter einem riesigen Krieger mit kurzem, dunkelblauem Haar durch die Schiebetür ins Esszimmer trat.

„Was macht der denn hier, hm?“ Wütend flog sein Blick zu Yahiko. Bisher hatte dieser mit keinem Ton erwähnt, wer die letzten zwei Krieger waren. Sasori seufzte leise. Das konnte heiter werden. Deidara hasste Itachi. Vor drei Jahren war der Daimyô Sarutobi bei Gôza[14] zu Besuch gewesen und für diese Zeit waren auch dessen Samurai bei ihnen unter gekommen. Deidara hatte ihm lang und breit erklärt, was für ein arroganter und eingebildeter Arsch Itachi war, dass er sich für etwas Besseres hielt und ihn nur von oben herab angesehen hatte. Sein Schüler konnte nicht damit umgehen, nicht ernst genommen zu werden. Aber er war damals erst 13 Jahre alt und Itachi bereits ein vollständig ausgebildeter Samurai gewesen. Demnach wunderte ihn nicht, dass der Uchiha-Sprössling den Blonden vielleicht ignoriert hatte.

Mit nichtssagendem Ausdruck in den schwarzen Augen ließ Itachi sich neben dem stämmigen Krieger am Tisch nieder.

„Wer sind die beiden?“, fragte der Blauhaarige höflich. Die meisten Augenpaare waren inzwischen auf Yahiko gerichtet, der nun zum letzten Mal für heute eine gegenseitige Vorstellung durchführte. Somit war der Name des großen Kriegers auch enthüllt, Hoshigaki Kisame.

„Deidara, setz dich endlich wieder hin“, wies Sasori seinen Schüler an, der seinen Worten nur knurrend Folge leistete.

„Um zu deiner Frage zurück zu kommen“, begann Yahiko an Deidara gewandt, „Itachi ist Rônin wie wir alle.“ Mehr sagte er zu diesem Thema nicht. Jedoch wusste jeder in diesem Haus, warum Itachi ein herrenloser Krieger war. Wie eine rasch steigende Flut hatte sich die Geschichte um den Uchiha verbreitet. Er soll in einer Vollmondnacht seinen gesamten Clan ermordet haben, sogar seine eigenen Eltern. Nur seinen kleinen Bruder hatte er verschont. Über die Beweggründe wurde viel gerätselt und die absonderlichsten Theorien kursierten hinter vorgehaltener Hand. Sasori kannte die meisten Gerüchte, doch schenkte er keinem einzigen nennenswerte Beachtung. Um die Geschichten zu wissen war nützlich. Sich von ihnen einnehmen zu lassen, konnte zu fatalen Fehlern führen. Für ihn war momentan nur wichtig, dass Itachi seinen Clan ermordert hatte und daraufhin von seinem Daimyô verstoßen worden war.

Von der Seite musterte er seinen Schüler. In Deidara brodelte die Wut. Die azurblauen Augen schäumten regelrecht. Für Sasori waren diese ausdrucksstarken Augen immer wieder faszinierend anzusehen. Doch er sollte ein wenig auf den Blonden achten, bevor er einen Kampf mit Itachi begann.

„Ich hoffe, ich muss mit dem nicht zusammen arbeiten, hm.“ Deidara schnaufte sauer und verschränkte störrisch die Arme vor der Brust. Itachi hielt sich aus der Diskussion gänzlich heraus, obwohl es um ihn ging.

„Wenn wir in der Gruppe unterwegs sind, müssen wir alle zusammen arbeiten. Und dann müssen Streitigkeiten begraben werden“, erklärte Yahiko ernst.

„Aber…“, begann Deidara, aber ein scharfer Blick von Sasori ließ ihn augenblicklich verstummen. „Benimm dich nicht wie ein kleines, bockiges Kind.“ Die Zurechtweisung zeigte Wirkung. Zwar konnte er noch immer Wut in Deidaras Augen flackern sehen, doch nun richtete sie sich mehr auf ihn, weil er ihn mit dem Tadel vor den anderen beschämt hatte. Manchmal war es leider notwendig, weil Deidara einfach zu weit ging und seine Grenzen nicht kannte, wie weit er gehen konnte und wann er besser einmal Ruhe bewahrte und seine Gedanken für sich behielt.

Die unangenehme Stille, die sich im Esszimmer ausgebreitet hatte, wurde von Konan unterbrochen. „Das Essen ist fertig. Hilft mir jemand, das Geschirr rein zu tragen?“, fragte sie in die Runde. Kisame wirkte recht erleichtert, sich von den Problemen der anderen entfernen zu können und erhob sich, um Konan zur Hand zu gehen.
 

Am späten Abend saß Sasori in ihrem Zimmer an die äußere Hauswand gelehnt und blickte durch das Fenster der Tokonoma. Deidara hatte er den Futon überlassen, was für diesen überraschend gewesen war. Wenigstens schien er nun aber nicht mehr sauer über die Maßregelung zu sein. Die eine Nacht hielt Sasori auch ohne weichen Futon aus. Unter freiem Himmel waren die Nächte noch unbequemer und sein Körper rächte sich für die ungewohnt grobe Behandlung mit Rückenschmerzen und steifen Gliedern.

Sasori achtete nicht weiter auf seinen Schüler, ob dieser tatsächlich schlief oder noch wach war. Seine Gedanken waren weit fort. Er war erleichtert, dass Deidara ihn nicht nach dem Grund gefragt hatte, wieso er den Futon nicht mit ihm teilen wollte. Dies würde automatisch bedeuten, sich seinen Gefühlen stellen zu müssen, hätte er sich zu Deidara gelegt. Als sein Schüler würde der Blonde sich vermutlich alles von ihm gefallen lassen, doch in seinem Herz konnte es anders aussehen. Deidaras Gefühle waren leicht in seinen Augen und an seiner ganzen Ausstrahlung zu lesen. Sasori wollte keine Abscheu oder Unwillen in Deidaras Augen sehen, sollte er ihn inniger berühren wollen. Wann der kleine Plagegeist derart wichtig für ihn geworden war, konnte er selbst nicht mehr sagen. Eine mögliche Ablehnung seitens Deidara ihm gegenüber erfüllte ihn mit Angst. Zugleich erinnerte er sich zu deutlich an seine Zeit als Schüler. Er wollte Deidara nicht aufdrängen, was er durchlebt hatte und dadurch vielleicht ihr jetziges Verhältnis zerstören.

Tief atmete Sasori durch und zog seinen Reiseumhang fester um seine Schultern, schloss schließlich seine Lider. Müde von der Grübelei lehnte er seinen Kopf gegen das harte Holz hinter sich und versuchte trotz der unbequemen Position seinem Körper ein wenig Schlaf zu gönnen.
 

___________________________________

[12]Onsen: ist die japanische Bezeichnung für eine heiße Quelle. Im Allgemeinen versteht man unter Onsen einen Ort mit Hotels, die über ein von natürlichen heißen Quellen gespeistes Bad - heute meist für Männer und Frauen getrennt - verfügen.

[13]Tokonoma: Bildnische, heiliger Platz im Haus.

Für mehr Informationen zum traditionellen japanischen Haus: http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-12819/Ethnolog.JAPAN.pdf

[14]Gôza: Ich habe Sasoris und Deidaras Daimyô einen Namen gegeben und bereits in den vorigen Kapiteln eingefügt. Aber für die, die den Namen jetzt noch nicht kennen, hab ich ihn hier noch mal erklärt. Der Mann brauchte endlich einen Namen.

Jagd mit Folgen

In den letzten Wochen hatten sie sich gut bei Akatsuki eingelebt. Ein hin und wieder waren die Krieger im Dorf Ame gewesen, welches in der Nähe an einem schmalen Fluss lag. Akatsuki erhielt von den Bewohnern dort das Wichtigste zum Leben und im Gegenzug beschützten die Krieger das Dorf vor Überfällen. Daneben nahmen sie Aufträge von Daimyô an. Manchmal mussten sie nur ein atmendes Hindernis umbringen. Ein anderes Mal sollten sie Geheimnisse belauschen und weitergeben. Spionage übernahm grundsätzlich Zetsu, war dieser ein Meister in der Informationsbeschaffung. Deidara fand es erschreckend, was dieser Mann alles wusste. Aus Erzählungen von Kisame hatte der Blonde außerdem erfahren, dass sie manchmal auch zur Unterstützung einer Armee angeheuert wurden. Akatsuki war berüchtigt. Der Daimyô, der die Krieger für ihre Dienste bezahlte, konnte sich seines Sieges sicher sein.

Und wenn es gerade keine Arbeit zu verrichten gab, trainierten die Krieger, teilweise allein, teilweise miteinander. Deidara genoss die Übungskämpfe, waren die anderen allesamt hervorragende Kämpfer. Sie fachten seinen Ehrgeiz an, sich zu verbessern, um sie eines Tages zu besiegen.

Dennoch hatte Sasori ihn ermahnt, keinen Streit mit Itachi zu entfachen. Der Blonde ging ihm aus dem Weg und da sie bisher keinen Auftrag gemeinsam durchführen mussten, gelang es ihm gut, den Schwarzhaarigen einfach zu ignorieren. Besonders gesprächig zeigte Itachi sich auch nicht, wobei ihm aufgefallen war, dass er Kisame sehr nahe stehen musste. Sie teilten sich ein Zimmer und manche Gesten zwischen ihnen wirkten überaus vertraut.
 

Die lästige Regenzeit gelangte endlich zu ihrem Ende, sodass Deidara sich entschloss, auf die Jagd zu gehen und für Konan etwas zu erlegen. Vom Erfolg seiner Jagd profitierten alle, indem sie leckeres Fleisch genießen konnten. In den letzten Wochen hatte der Blonde das Gelände rund um das ehemalige Onsen erkundet. Oft war er nass bis auf den Fundoshi[15] von seinen Streifzügen durch die Nadelwälder und an den Berghängen zurück gekehrt und hatte ein heißes Bad genommen, um seinen Körper wieder aufzuwärmen.

Die ersten zaghaften Sonnenstrahlen lugten über den Horizont, als Deidara das Haus verließ und sich auf den Weg in die Berge machte. Bei sich trug er lediglich sein Wakizashi sowie den Bogen und Pfeile. Zielstrebig huschte er durch die Schatten des allmählich erwachenden Waldes zu den Trampelpfaden der japanischen Serau[16]. Die Tiere wanderten meist früh morgens oder abends auf der Suche nach Nahrung umher und hielten sich ansonsten oft in Höhlen oder unter Felsüberhängen auf. Deidara war der Meinung, dass es einfacher war, einen Serau während der Nahrungssuche zu erlegen, weswegen er sich so zeitig auf den Weg gemacht hatte. Natürlich hätte er einen der anderen Krieger fragen können, wann diese Tiere am besten zu erlegen waren, jedoch wollte er diese Erfahrung selbst sammeln. Für ihn war dies eine neue Herausforderung, die es zu bewältigen galt. Und ein mit der Futtersuche beschäftigtes Tier war abgelenkt, würde demnach weniger auf seine Umgebung achten.

Der Blonde hatte die Serau bereits öfters beobachtet und die Gegend auskundschaftet, sodass er nun zügig ein gutes Versteck fand, um den Trampelpfad der Tiere im Auge zu behalten. Während die Sonne sich über den Horizont erhob, legte Deidara seinen Bogen neben sich auf den felsigen Boden und kniete sich hinter einen der knorrigen Büsche. Kein Lüftchen wehte, so konnten die Tiere ihn aus der Entfernung nicht wittern. Deren Pfad führte über Felsgestein den Berghang entlang. Aber noch war nichts von den Serau zu sehen.

Still verharrte Deidara in seinem Versteck, lauschte den Vögeln, die ihren morgendlichen Gesang anstimmten. Für die Jagd brauchte man Geduld und Deidara war in der Lange, stundenlang hier zu sitzen und die Umgebung zu beobachten, während er auf sein Ziel wartete. Mit Sasori konnte er nicht jagen gehen. Dafür war dieser zu ungeduldig. Seine Fallen waren zwar genial, doch sein Meister ertrug stille Warterei nicht, wenn die Zeit verstrich und er keiner sinnvollen Beschäftigung nachgehen konnte. In einem Versteck zu lauern, um auf Tiere oder auch Menschen zu warten, die sich vielleicht gar nicht zeigten, entsprach nicht seinem Naturell. Sasori wollte einen genauen Zeitpunkt und wehe dem, der nicht pünktlich erschien.

Deidaras bislang eher zielloser Blick richtete sich auf die Felsen, als sich dort etwas bewegte. Die blauen Augen fokussierten sich auf den Trampelpfad. Ein triumphierendes Grinsen stahl sich in sein Gesicht. Die ersten Serau kletterten leichtfüßig an dem steinigen Hang entlang. Langsam bewegte Deidara seinen linken Arm und nahm seinen Bogen auf. Die andere Hand tastete nach seinem Köcher und zog einen Pfeil heraus. Geschickt legte er den Pfeil an die Sehne und kniete sich nun aufrecht hin, sodass er knapp an dem Gebüsch vorbei schießen konnte. Jede Bewegung erfolgte lautlos. Die Tiere durften nicht erschreckt werden.

In seiner Position mit halb gespanntem Bogen erstarrte Deidara, bis die kleine Herde sich von dem Berghang löste, um ihrem Pfad in den Wald hinein zu folgen. Auf das letzte Tier wartend reckte sich der Blonde, zog den Pfeil samt Sehne stetig weiter nach hinten. Unerwartet beschleunigte der Serau seinen Schritt, um den Anschluss an seine Herde nicht zu verlieren. Ein paar Zweige des Gestrüpps versperrten Deidara nun die Sicht. Ohne Hast veränderte er seine Position, lehnte sich weiter nach rechts und schob sein Bein näher an die steinige Kante heran. Konzentriert verlagerte er sein Gewicht auf das rechte Bein und hatte nun wieder freie Sicht auf seine Beute.

Bevor er jedoch den Pfeil abschießen konnte, brach ein loser Stein aus seinem felsigen Bett und raubte ihm sein Gleichgewicht. Deidara verlor den Halt und fiel dem Abhang entgegen. Instinktiv ließ er seinen Bogen und den Pfeil los, um sich mit den Händen abzufangen und einen Halt zu finden. Ein paar lose Wurzeln entglitten seinen Fingern. Ungebremst rollte er weiter hinab. Scharfe Felskanten rissen seine Kleidung und die darunter liegende Haut auf. Schmerzen zuckten durch seine Hände und Arme. Ihm wurde schwindlig von den endlosen Drehungen. Die Welt entglitt ihm zunehmend. Kraftlos von der zunehmenden Benommenheit tasteten seine aufgeschürften Finger über Grasbüschel und kantige Vorsprünge. Der Sturz wurde schließlich abrupt beendet. In seinem Kopf explodierte glühender Schmerz und einen Herzschlag später sank sein Bewusstsein in angenehme Dunkelheit.
 

__________________________________________

[15]Fundoshi: traditionelle japanische ‚Unterhose‘, besteht aus einer langen Stoffbahn, die auf verschiedene Arten gebunden werden kann.

[16]japanische Serau: Ziegenartige Säugetierart.

Schrecken in der Nacht

Mit zunehmender Dunkelheit wallte in Sasori Unruhe auf. Deidara war noch nie nach Sonnenuntergang von seinen Streifzügen zurückgekehrt. Das hauchdünne Stahlseil glitt wie von selbst durch seine Finger, während er es reinigte, doch sein Geist wanderte immer wieder zu seinem Schüler. Hin und wieder verspätete sich der Blonde, aber es handelte sich dabei nie um große Zeitspannen. Vielleicht war ihm etwas zugestoßen? Innerlich grummelte er. So schwach und tollpatschig war Deidara nicht. Was sollte schon groß passiert sein? Er war wohl kaum so lebensmüde und würde sich mit einem Bären oder einem Rudel Wölfe anlegen…

Ein kurzer Schmerz riss seine Aufmerksamkeit wieder auf das dünne Seil. Blutstropfen sammelten sich an dem kleinen Schnitt. Mit einem Seufzen hob er seinen Zeigefinger an die Lippen und leckte über die kleine Wunde. Nach ein paar Augenblicken war die Blutung bereits gestillt. Mürrisch betrachtete er den winzigen Schnitt. Doch, er traute Deidara zu, dass er einen Bären jagen würde oder einen Wolf. Manchmal war der Blonde ein wenig größenwahnsinnig oder mutete sich zu viel zu, ohne vorher das Risiko korrekt zu kalkulieren. Und er fand keine Ruhe, je länger er hier am Tisch saß und wartete. Wie er das Warten hasste. Sasori legte den Lappen beiseite, rollte das Stahlseil auf und schob es unter seine Unterarmschiene, strich den Gistoff darüber wieder glatt. Anschließend erhob er sich, um das Zimmer zu verlassen.

Durch die offene Tür zur Küche bemerkte Konan ihn und hielt in ihrer Tätigkeit inne. „Sasori? Wohin gehst du? Das Essen ist gleich fertig.“

Ein wenig zu ruckartig blieb Sasori stehen. „Deidara ist noch nicht zurück. Ich mach mich auf die Suche nach ihm.“ Gerade wollte er zum Flur weiter gehen, da steckte Konan ihren Kopf ins Vorzimmer und sah ihn besorgt an. „Er ist noch nicht zurück? Aber es ist doch bereits dunkel.“ Das musste sie nicht extra erwähnen.

„Nimm Zetsu mit. Er findet jeden“, schlug sie Sasori schließlich vor. „Ich werde euch etwas Essen aufheben.“

Knapp nickte der Rothaarige und setzte seinen Weg aus dem Gebäude fort. Eigentlich wollte er niemanden um Hilfe bitten, das war nicht seine Art. Doch Konan hatte Recht. In den wenigen Wochen, die sie bereits bei Akatsuki verbracht hatten, war aufgefallen, wie gut Zetsu in der Informationsbeschaffung und im Aufspüren von Personen und Gegenständen war. Lange musste er den Grünhaarigen auch nicht suchen, fand er ihn im Pferdestall vor.

„Ich brauche dich. Du musst Deidara finden.“ Mehr musste Sasori seiner Meinung nach nicht erklären. Alle hier wussten, dass Deidara regelmäßig in den Wäldern umher streunte.

Zetsu leerte den Wassereimer langsam in der Pferdetränke aus und antwortete dann: „Ich weiß in welche Richtung er heute Morgen gegangen ist.“ Dessen dunkle Seite, wie Akatsuki die tiefere Stimme nannte, mit der Zetsu sich regelmäßig selbst unterhielt, hatte jedoch auch ein Wörtchen mitzureden. „Was bekomme ich dafür, dass ich ihn finde?“

Sasoris Augenbrauen zuckten für einen Augenblick genervt. Es gab Wichtigeres als hier zu feilschen. Also fischte er seinen Geldbeutel aus dem Ärmel seines Gi und warf ihn Zetsu zu. Wie gut, dass er dank ihrer Verfolger vor einiger Zeit mehrere Geldbeutel hatte. Geschickt fing der Größere seinen Lohn und grinste zufrieden. „Folge mir.“

Zetsu führte den Rothaarigen in die Wälder hinein und zu den Berghängen. Immer wieder hielt er inne, kniete sich hinab und untersuchte den Boden. Wie der Mann in der Dunkelheit so viel erkennen konnte, war Sasori schleierhaft. Der Mond reichte für ihn bei Weitem nicht aus, um Spuren am Waldboden identifizieren zu können. Schließlich erreichten sie einen Abhang. Selbst Sasori fiel der Bogen auf, der scheinbar achtlos fallen gelassen worden war. Seine Befürchtungen bestätigten sich also. Seine Sorge ließ er jedoch nicht nach außen dringen. Nicht einmal einen Meter weiter machte er den Pfeil aus und dort lag auch Deidaras Köcher. Etwas war passiert.

„Er muss den Hang hinab gefallen sein. Ich rieche Blut“, erklärte Zetsu und blickte in die Finsternis hinab. „Vielleicht hat er sich dabei das Genick gebrochen“, brummte die raue Stimme seiner unsichtbaren Seite.

Fahrig wischte Sasori sich ein paar störende Strähnen aus der Stirn, die widerspenstig ihren Weg an ihren vorherigen Platz fanden. Dort unten war es stockfinster. Aber er hatte keine Wahl. Deidara brauchte ihn. Zetsu band das in weiser Voraussicht mitgebrachte Seil um den Stamm eines nahestehenden Baumes und begann vorsichtig mit dem Abstieg. Einen kleinen Vorsprung ließ Sasori ihm, dann kletterte er ebenfalls besonnen den Abhang hinab und hielt sich mit einer Hand an dem Seil fest. Stück für Stück verschlang sie die Dunkelheit. Sasori ertastete seine unmittelbare Umgebung mehr als dass er sie sah. Vereinzelt lösten sich kleine Steine und rollten hinab. „Da ist er“, erscholl Zetsus helle Stimme plötzlich in der Dunkelheit. Sasori musste sich ermahnen, nicht alle Vorsicht fahren zu lassen und sich selbst auch noch in Gefahr zu bringen. Damit war niemandem geholfen. Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Finsternis hier unten und er konnte den bleichen Schemen neben Zetsus Silhouette am Boden ausmachen. Bei dem Größeren angekommen ließ Sasori das Seil los. Rasch kniete er sich neben den Schemen, der nun als Deidaras Haar und Gesicht erkennbar wurde. „Deidara, hörst du mich?“, fragte er bestimmt, während er an seinem Hals nach dem Puls tastete. Sein Schüler reagierte nicht, aber er lebte. Unter seinen Fingern spürte er das schwache Pochen der Halsschlagader.

„Dann müssen wir ihn wohl tragen“, kommentierte Zetsu die Situation und hockte sich neben Sasori. Behutsam richteten sie den Blonden auf und verfrachteten ihn auf den Rücken des Grünhaarigen. Mit dem Ende des Seils banden sie ihn fest, brauchte Zetsu beide Hände zum Klettern. Sasori erklomm zuerst den Abhang und hängte sich oben angekommen Deidaras Bogen samt Köcher über die Schulter. Im matten Mondlicht musterte er seinen Schüler, nachdem Zetsu ihn erreicht hatte und das Seil löste. Deidaras Kleidung war teilweise zerrissen und er hatte Verletzungen von dem Sturz davon getragen. Doch wie schlimm es war wirklich war, würden sie erst sagen können, wenn sie ihn im Haus richtig untersuchen konnten.
 

Zügig schritten die Krieger zwischen den Nadelbäumen hindurch. Als endlich das Onsen in Sicht kam, machte sich Erleichterung in Sasori breit. Inzwischen war es ziemlich spät und nur noch im Wohnzimmer brannte eine Öl-Lampe. Vermutlich Konan und Yahiko. Die Blauhaarige hatte ihnen wohl auch die Lampe in den Flur gestellt, die Sasori nun ergriff, um den Weg durch das Haus und hinauf in Deidaras Zimmer zu erhellen.

Dort legten sie Deidara vorsichtig auf dem Futon ab. Endlich konnte er die Verletzungen richtig sehen. Ohne Umschweife begann er, dem Blonden die Kleidungsfetzen abzustreifen. Nur den Fundoshi ließ er ihm.

„Der sieht schlimm aus“ brummte Zetsus dunkle Stimme hinter ihm. Und er hatte Recht. Eine bösartige Schürfwunde zog sich über Deidaras rechten Ellenbogen. An seinem anderen Oberarm hatte etwas Scharfkantiges ihm eine schwere Verletzung beigebracht. Tiefe Schnitte verunstalteten die Handinnenflächen. Der Rest seines Körpers war mit kleinen Schürf- und Platzwunden bedeckt, doch das von Blut verkrustete Haar bereitete ihm die größte Sorge.

Konan betrat das Zimmer und kniete sich neben Sasori. „Was ist passiert?“, fragte sie leise.

„Ist gestürzt“, murmelte Sasori. In seiner Stimme schwang ein kaum merkliches Beben mit. „Wir brauchen Wasser und Verbandszeug. Habt ihr Heilkräuter?“ Während er sich erhob, wartete er ungeduldig auf eine Antwort.

Konan sah ihm durchdringend in die Augen. „Hol Wasser und einen sauberen Lappen. Ich hole die Verbände. Und Zetsu?“ Sie wandte sich ihm zu. „Kannst du uns bitte deine Paste aus Heilkräutern machen?“

„Es ist Nacht, ich bin müde“, knurrte die raue Stimme des Angesprochenen. Einen Herzschlag später gab die helle Seite allerdings nach. „Natürlich.“ Damit verließ Zetsu das Zimmer. Sasori folgte ihm, um das Wasser zu holen. Auf dem Weg hinaus zum Brunnen kam ihm Yahiko entgegen. Undeutlich hörte er noch, wie er Konan seine Hilfe anbot.

Sasori verschwendete keine Zeit und kam nur Minuten später mit eine Eimer Wasser und einem Lappen wieder. Yahiko schien so lange auf den Blonden aufgepasst zu haben, zog er sich nun wortlos zurück. Sasori war das nur recht, konnte er sowieso nicht helfen, weil alle Arbeiten bereits verteilt waren. Sorgfältig wusch er die Kruste aus Blut und Dreck von den Wunden. Diese begannen nun wieder zu bluten, doch es war notwendig, um Entzündungen zu vermeiden. Deidara musste viel Blut verloren haben. Andernfalls wäre er nicht bewusstlos. Den bereits verkrusteten Wunden zufolge war er spätestens mittags gestürzt. Bei einer einfachen Gehirnerschütterung wäre er bereits wieder wach gewesen.

Konan kam mit den Verbänden zurück und ging Sasori zur Hand. „Er hat keinen Sonnenbrand“, murmelte er schließlich. Erst jetzt fiel Sasori dieses Detail auf, als er seinem Schüler ins Gesicht sah. Tagsüber beschien die Sonne diesen Abhang. Kein Baum wuchs dort, der Schatten spenden konnte. Deidara aber hatte ganz unten am Abhang neben hohen Felsen gelegen. Vielleicht war er zwischendurch erwacht und hatte sich in den Schatten geschleppt.

„Er wird sich wieder erholen.“ Aufmunternd lächelte Konan ihn an. Erneut wurde die Tür aufgeschoben und Zetsu reichte Konan eine Schüssel. „So, das wars jetzt aber“, erklärte er mürrisch mit tiefer Stimme und zog sich endgültig in sein eigenes Zimmer zurück.

Konan störte sich nicht an Zetsus Rückzug und trug die grünliche Paste bedächtig auf die Wunden, damit sie anschließend verbunden werden konnten. Die Verletzung am Hinterkopf war am schwersten zu versorgen, weil Deidaras langes Haar überall störte. Sasori hätte es ihm am liebsten abgeschnitten, doch er ließ es. Sein Schüler liebte sein Haar und würde es ihm sehr übel nehmen. Und zu zweit konnten sie die Aufgabe bewältigen. Nachdem alle Wunden verbunden waren und sie nichts mehr tun konnten außer zu warten, breitete Sasori die Decke über Deidara aus.

„Ich räume die Sachen weg und hole dir etwas zu Essen.“ Dankend nickte er Konan zu, welche mit den Stofffetzen das Zimmer verließ. Nach kurzer Zeit stellte sie ein gut gefülltes Tablett neben ihm ab. „Ich habe für Deidara Wasser mitgebracht, wenn er wach wird“, erklärte sie. „Danke“, murmelte Sasori fast unhörbar. Er war niemand, der sich oft bedankte. Nun erschien es ihm jedoch angemessen für ihr Hilfe. „Keine Ursache“, erwiderte Konan freundlich. „Wenn sich sein Zustand verändert, sag Bescheid“, bat sie den Rothaarigen noch, ehe sie ihn mit Deidara allein ließ.

Tief atmete Sasori durch. Endlich Ruhe. Doch mit der Ruhe kam nun auch die Angst, die er um Deidara hatte. Sein Gesicht wirkte so friedlich wie er unter der Decke lag, wäre da nicht der Verband, der seine Stirn verdeckte und stumm von den Verletzungen berichtete. Fest presste er die Kiefer aufeinander, um ein Zittern zu unterdrücken. Wie konnte der Blonde nur so leichtsinnig gewesen sein? Er hätte sterben können! Selbst jetzt noch könnte er den Verletzungen erliegen. Das Abendessen von Konan rührte Sasori nicht an. Allein der Gedanke, jetzt etwas zu essen, bereitete ihm Übelkeit. Wie konnte er etwas essen, wenn sein Schüler schwer verletzt war? Erst wollte er sich sicher sein, dass es diesem besser ging. Dann konnte er immer noch essen. Und solange würde er warten. Dabei hasste Sasori es, zu warten. Die Zeit rann zäh dahin wie dicker Honig. Er sollte sich beschäftigen. Sein Stahlseil zu Ende reinigen oder sein Katana pflegen. Irgendeine Betätigung für seine Hände. Doch egal, was er jetzt anfasste, würde ihm durch die Finger gleiten. Er konnte das Zittern seiner Hände nicht mehr unterdrücken. Warten…

Neugier und Widerwille

Hämmernde Kopfschmerzen begrüßten Deidara. Er war noch nicht einmal ganz wach und sein Körper war offensichtlich der Meinung, ihn foltern zu müssen. Nach und nach folgten weitere Schmerzmeldungen, bis er das Gefühl hatte, es gab keine schmerzfreie Stelle an ihm. Ein angespanntes Seufzen verließ seine raue Kehle. Wo war er überhaupt? Zuletzt war er von der brennenden Sonne aufgewacht und hatte sich in den Schatten geschleppt. Doch er lag nicht mehr auf hartem, unebenem Felsen.

„Deidara?“, fragte eine wohlbekannte Stimme. Sasori. Sein Meister hatte ihn gefunden. Erleichterung machte sich in ihm breit. Immerhin wusste er nun schon mal, wo er sich befand. Unerwartet legten sich Finger an seine Wange. Irritiert blinzelte er und kniff die Lider sogleich wieder zusammen, weil das helle Tageslicht schmerzhaft in seinen Augen stach. Die Geste verwirrte ihn. „Fieber ist weg“, murmelte Sasori und die Finger lösten sich von seiner Haut. Der Kommentar war enttäuschend. Deidara hatte irgendwie mehr erwartet. Allmählich gewöhnten sich seine Augen nun auch an das Licht und er sah zu dem Rothaarigen. „Was… ist… passiert?“, krächzte er. Sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an.

„Das wollte ich von dir wissen.“ Streng musterte sein Meister ihn. Deidara grub in seinen Erinnerungen, doch er fand nichts. Außerdem lenkten ihn die Kopfschmerzen ab. „Ich… wollte einen Serau… erlegen“, murmelte er langsam. „Ich hab den Pfeil an die… Sehne gelegt… danach bin ich… auf dem Felsen… aufgewacht, hm…“ Das Sprechen bereitete ihm Mühe. Sasori fiel dies wohl ebenfalls auf, da er kommentarlos eine Teeschale mit Wasser füllte.

Der Blonde wollte sich in eine sitzende Position aufrichten, aber aufkommender Schwindel und die Schmerzen, welche sogleich durch seine Arme jagten, ließen ihn wieder zurück sinken. Ein leises Keuchen entkam seinen Lippen und er war gezwungen, seine Lider für ein paar Augenblicke zu schließen.

„Idiot“, zischte Sasori, „Du bist schwer verletzt. Bleib gefälligst liegen.“

Behutsam schob sich dessen Arm unter seine Schultern. Leicht hob er seinen Kopf und Oberkörper an, sodass er aus der Teeschale trinken konnte. Das kühle Wasser tat unheimlich gut, wie es seine Kehle hinab rann. Es verscheuchte den Schwindel und er fühlte sich geringfügig lebendiger. Die kleine Schale bebte kaum merklich. Sein Blick richtete sich auf Sasoris schlanke Finger. Sie zitterten. Er lehnte seinen Kopf leicht nach hinten, um in das Gesicht seines Meisters sehen zu können. Dunkle Ringe umrahmten Sasoris Augen. Der Ausdruck in dem beherrschten Braun sprach still von einer durchwachten Nacht, oder sogar mehrerer schlafloser Nächte. Vorsichtig legte der Rothaarige ihn wieder ab.

„Wie lange war… ich weg?“, fragte Deidara.

„Wir haben dich gestern Abend gefunden. Jetzt ist es Mittag.“ Sasori sah ihn nicht an, sondern stellte die Teeschale zurück auf das Tablett neben seinem Futon. „Ich sage Konan Bescheid. Du musst etwas essen.“ Kaum verließ das letzte Wort seine Lippen, erhob Sasori sich und verließ den Raum. Deidara blieb nachdenklich zurück.

Sein Meister hatte kein Auge zugetan. Er kannte ihn lange genug, um die Zeichen richtig deuten zu können. Hatte er sich solche Sorgen um ihn gemacht? Für Sasori war es untypisch, viel Gefühl zu zeigen. Der Blonde war daran gewöhnt. Doch er hatte noch nie erlebt, dass seine Finger zitterten. Und noch nie war er die Nacht über wach geblieben, um auf ihn zu achten. Aber Deidara war auch noch nie so schwer verletzt gewesen. Vorsichtig bewegte er sich nun doch, um festzustellen, wo überall er nun verletzt war. Seine Hände und Arme sendeten schon bei der kleinsten Bewegung scharfe Schmerzen aus. Ebenso sollte er seinen Kopf besser ruhig halten. Die Verbände wurden ihm erst jetzt wirklich bewusst. Auch über seine Stirn verlief ein Verband. Darum hatte Sasori die Temperatur an seiner Wange geprüft.

Wenigstens der Rest seines Körpers schien relativ unversehrt zu sein. Ein paar kleine Kratzer vermutlich. Hier und da zog es ein wenig, aber das war nichts im Vergleich zu den vorigen Schmerzen. Frustriert schnaufte der Blonde. Ausgerechnet seine Hände.
 

Die nächsten Tage trieben quälend langsam an Deidara vorbei. Sein Meister passte wie ein Wachhund auf, dass er sein Bett nicht verließ. Hinsetzen durfte er sich inzwischen, aber aufstehen war tabu. Dabei waren seine Beine gar nicht betroffen. Sasori hatte ihm zwar erklärt, dass man bei einer Gehirnerschütterung ruhen sollte, doch dem Blonden war langweilig. Was glaubte der Rothaarige denn? Dass er gleich wieder im Wald herum stromerte? Ihm war durchaus bewusst, dass er seinem Körper Ruhe zur Erholung gönnen sollte. Wenn seine Kopfschmerzen allerdings nachließen, dann hatte er keine Beschäftigung und konnte lediglich die Decke anstarren oder aus dem Fenster schauen und die ein oder andere verlorene Wolke am blauen Himmel beobachten. Außerdem war es inzwischen schrecklich heiß und im gesamten Haus entsprechend stickig. Im Erdgeschoss wurden einfach alle Schiebetüren inklusive der Außenwände aufgeschoben, sodass die Luft besser zirkulieren konnte, sollte sich doch einmal eine kleine Windböe erheben. Aber im oberen Stockwerk war das nicht so einfach. Sasori hatte ihm das Fenster und auch die Tür zu seinem Zimmer geöffnet, aber es blieb unerträglich heiß. Mit seinen Händen konnte er auch nicht viel machen, waren sie nach wie vor verbunden. Und er hatte keine Lust, das Buch zu lesen, welches Sasori ihm hingelegt hatte. Ein Buch über Gifte. Nichts, was Deidara interessierte. Ihm blieb nur das Nachdenken.

Zuerst versuchte er in seinem Gedächtnis nach den Erinnerungen von seinem Sturz zu wühlen. Doch er fand nichts. Er wusste noch, dass er auf den letzten Serau der kleinen Herde gezielt hatte. An dieser Stelle klaffte ein schwarzes Loch auf. Seine Erinnerung setzte erst wieder ein, als er verwirrt und von Schmerzen gepeinigt am Hang aufgewacht war. Schließlich gab Deidara auf, nach den verlorenen Bruchstücken in seinem Gedächtnis zu suchen und wandte sich interessanteren Themen zu, Sasoris Sorge um ihn. Es gefiel ihm, dass er seinem Meister wichtig war. Zum ersten Mal hatte er so etwas wie eine Bestätigung, dass er Sasori nicht gleichgültig war, so wie es oft den Anschein machte. Natürlich war er sich zuvor schon sicher gewesen, dass er dem Rothaarigen irgendwie zumindest ein bisschen bedeuten musste, hatte er ihn nach dem Tod seiner Eltern bei sich aufgenommen und ihn wie selbstverständlich nach Gôzas Tod aus dem Bett geworfen, damit er ihn auf seiner Flucht begleitete. Aber diese Ereignisse konnte man seiner Meinung nach nicht mit der Sorge gleichsetzen, die eintrat, wenn eine wichtige Person schwer verletzt war. Und dieser Gedanke gefiel ihm. Deidara war seinem Meister wichtig. Es machte einen Unterschied, ob er lebte oder starb.

Dies führte ihn zu einem anderen Thema. Wieso rührte Sasori ihn nach wie vor nicht an? Wollte er einfach keine Gefühle und somit eine gewisse Schwäche zeigen? Oder verabscheute er den Gedanken, bei einem Mann zu liegen? Wieso brachte sein Meister ihm nicht die Kunst der Liebe bei, wenn er sogar versuchte, ihn für Gifte zu begeistern. Er hatte ihm sein geliebtes Buch als Bettlektüre geliehen. Das einzige Buch, welches er auf ihrer Flucht mitgenommen hatte. Früher hätte er ihn geschlagen, hätte er eines seiner wertvollsten Bücher angefasst.

So oft er die Frage auch umwälzte, er fand einfach keine Antwort. Also würde er Sasori endlich mal fragen müssen. Am Abend brachte dieser ihm ein Tablett mit seiner Mahlzeit und stellte es wie üblich neben seinem Futon ab. Deidara griff nach der Reisschüssel und den Stäbchen. Die Bewegungen taten immer noch weh, aber er wollte allein essen. Für ihn war es erniedrigend, sich füttern lassen zu müssen. „Brauchst du noch etwas?“, fragte Sasori ihn und schien bereits wieder gehen zu wollen. Ungeduldig wie immer.

Forschend lag der Blick seiner azurblauen Augen auf seinem Meister. „Wieso bringst du mir nicht die Kunst der Liebe bei, hm?“, fragte er frei heraus. Sasoris Augen weiteten sich für einen Augenblick. Mit der Frage hatte er nicht gerechnet, vor allem nicht jetzt. Deidara war sich sicher. Vielleicht war es auch keine so gute Idee gewesen, ihn überhaupt zu fragen oder ihn gerade jetzt zu fragen. Sasoris Blick verhärtete sich. „Ich bezweifle, dass du bereits wieder kräftig genug bist für derlei Tätigkeiten“, erwiderte der Rothaarige kühl.

Deidara kaute seinen Reis und schluckte, bevor er sprach. Sasori tadelte ihn sonst wieder. „Dann bringst du es mir bei, wenn ich wieder gesund bin, hm?“, hakte er also neugierig nach.

Steil wanderte eine rote Augenbraue in die Höhe. „Du solltest lieber an deiner Kampftechnik feilen. Ich frage nicht noch einmal, brauchst du noch etwas?“ Die samtige Stimme klang genervt. Sein Meister wich der Frage aus. Das geschah selten und stand immer im Zusammenhang mit Gefühlen oder seiner persönlichen Vergangenheit. Wenn Sasori glaubte, ihn auf die Art ruhig stellen zu können, so war er auf dem Holzweg. Deidara war nun erst recht neugierig, welches Wissen ihm Sasori vorenthielt.

Deidara ignorierte die Frage, ob er noch etwas brauchte und sagte: „Du weichst meiner Frage aus.“ Der Hinweis fand bei dem Rothaarigen keinen Anklang. Er wirkte jetzt deutlich gereizt. „Wann wirst du mir…“

„Schweig!“, fuhr Sasori ihn an und erhob sich. Erstaunlich flink verließ er das Zimmer. Deidara sah ihm grübelnd nach. Interessant. Irgendwas war da. Und er würde es rausfinden. Nur wie? Ihn noch einmal direkt fragen konnte er nicht bei der harschen Reaktion. Beim nächsten Mal kassierte er dafür wahrscheinlich eine Strafe. Vielleicht konnte er ihn mit Gesten provozieren. Gesten und Situationen, die zufällig wirkten, ihm aber eine Annäherung an Sasori ermöglichten. Deidara wollte wissen, wieso sein Meister sich so sehr gegen die körperliche Liebe sträubte. Und er wollte wissen, wie selbige sich anfühlte. Er war schon 16 Jahre alt. Da war das doch wohl normal. Andere in seinem Alter waren längst mit dem Beischlaf vertraut.[17]
 

________________________________________

[17] Früher wurde jünger geheiratet und es war auch nicht unüblich, in einem jüngeren Alter bereits Sex zu haben. Ich will hier keinesfalls propagieren, dass man mit 16 oder darunter Sex gehabt haben muss. Jeder sollte seinen eigenen Rhythmus finden, wann er sich bereit dazu fühlt.

Von einstürzenden Gerüsten

Sasori hatte geahnt, dass Deidara ihn irgendwann fragen würde. Der Blonde war einfach zu neugierig manche Dinge betreffend. Trotzdem hatte er ihn gründlich überrascht. Es ärgerte Sasori, sich nicht besser im Griff gehabt zu haben. Und mit seiner schroffen Reaktion spielte er seinem Schüler nur in die Hände. Der Blonde würde das Thema bestimmt nicht ruhen lassen. Irgendwann kam die nächste Frage, befürchtete Sasori.

In den nächsten Tagen war er angespannt, erwartete er, dass Deidara wieder das Thema Beischlaf ansprach. Doch nichts dergleichen. Sein Schüler benahm sich ganz normal, zu normal, stellte er beunruhigt fest. Er sollte auf der Hut bleiben. Deidara war talentiert darin, ihn im unpassendsten Moment zu überrumpeln und ihm solche Reaktionen wie vor wenigen Tagen zu entlocken.
 

Wenige Abende später berichtete Yahiko von Gerüchten aus der Stadt Kobe. Stunden zuvor erst war Zetsu von einer seiner Erkundungsreisen zurückgekehrt und erklärte nun genauer, was er gehört hatte. Ein Rônin, Hidan hatten ihn die Bewohner Kyôtos genannt, schien ziellos umher zu streifen und in jeder Stadt Ärger zu machen. Ganz allein hatte er sich offenbar auch schon mit den Stadtwachen von Kyôto angelegt, bevor er auf einem gestohlenen Pferd Richtung Kobe geritten war. Nun wollte Yahiko nach diesem herrenlosen Samurai suchen und ihn dazu bewegen Akatsuki beizutreten. Wie üblich wollte er Zetsu und Kakuzu für sein Vorhaben mitnehmen. Außerdem sollten ihn dieses Mal auch Itachi und Kisame begleiten. Deidara sträubte sich natürlich sofort, wollte er gern mitkommen. Aber dies wurde von dem Orangehaarigen strikt abgelehnt, waren die Wunden des Blonden noch nicht verheilt, auch wenn er inzwischen schon wieder aufstehen durfte. Außerdem sollten zwei Krieger hier bleiben, um Ame beschützen zu können, falls während ihrer Abwesenheit etwas im Dorf passierte. Sasori war sich sicher, dass Yahiko immer zwei Krieger hier wissen wollte, damit seine Ehefrau in Sicherheit war. Es ging nicht nur um das Dorf. Doch er sprach nie davon. Vermutlich weil Konan sonst beleidigt wäre, hatte Yahiko ihr das Kämpfen beigebracht, damit sie sich notfalls verteidigen konnte.

„Wo soll Hidan denn untergebracht werden, wenn er sich uns anschließt?“, fragte Konan schließlich und lenkte die Aufmerksamkeit auf ein Problem, woran augenscheinlich keiner der Männer bisher gedacht hatte. Deidara und Sasori hatten schließlich die letzten freien Zimmer bezogen.

„Ein Zimmer muss geräumt werden. Bis wir wieder zurück sind, habt ihr noch etwas Zeit, euch abzustimmen, wer sich mit wem in Zukunft das Zimmer teilt. Sollte er sich uns überhaupt anschließen“, erklärte Yahiko schlicht. Für ihn war das Thema offenbar erledigt. Aber für andere nicht.

Kakuzu erhob zuerst Einspruch. „Ich teile mein Zimmer mit niemandem.“ Sasori nickte zustimmend. „Ich auch nicht.“ Kompromisslos verschränkte er die Arme vor der Brust. Deidaras schrägen Seitenblick ignorierte er völlig. „So wie die Wochen nach der Flucht, Sasori no Danna?“, fragte sein Schüler ihn und er konnte sein belustigtes Grinsen an seiner Stimme hören. Betont langsam drehte er seinen Kopf zu Deidara und sah ihn ermahnend an. „Das war eine völlig andere Ausgangslage.“

„Wenn niemand will…“, begann Zetsu, doch seine dunkle Stimme unterbrach ihn ruppig. „Nein, wir wollen nicht!“ Sie konnten wohl von Glück reden, dass Itachi und Kisame sich nicht auch noch an der Diskussion beteiligten, fielen sie sowieso raus, weil sie sich bereits ein Zimmer teilten.

Yahiko seufzte. „Klärt das“, war sein abschließender Kommentar dazu. „Er kann im Pferdestall schlafen, hm“, schlug Deidara vor. Sasori hatte prompt eine Antwort parat. „Oder du schläfst im Pferdestall.“ Empörtes Schnaufen war die Reaktion seines Schülers. „Der ist neu. Ich gebe mein Zimmer nicht her, hm!“

„Wie wäre es, wir essen jetzt in Ruhe zu Abend und ihr klärt das später?“, fragte Konan freundlich, aber mit diesem bestimmenden Unterton, der jeden verstummen ließ. Deidara brummte noch, aber auch dieser wandte sich schließlich wieder seiner Reisschale zu. Derweil tauchte eine böse Vorahnung Sasoris Geist in unterschwellige Nervosität.
 

Am nächsten Tag machten sich die fünf Krieger auf den Weg, um Hidan zu suchen und zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Sasori freute sich bereits auf die Ruhe, die einkehren würde. Gesellig war er wirklich nicht. Und zu dritt in dem ehemaligen Onsen erschien ihm wie Erholung, war Konan selbst eher ruhig. Nur sein Schüler bereitete ihm Kopfzerbrechen. Denn sobald die anderen weg waren, hielt er sich erstaunlich oft in seiner Umgebung auf. An sich war der Rothaarige an Deidaras Nähe gewöhnt, aber nun fiel es ihm besonders auf. Zwar schien der Jüngere immer zufällig in seiner Reichweite zu sein, aber Sasori wurde das Gefühl nicht los, er tat das mit Absicht. Während seiner Übungen lümmelte der Blonde auf der Veranda und starrte in den Himmel, weil er nicht trainieren durfte. Oder er setzte sich scheinbar unbeabsichtigt in der Nähe des Rothaarigen ins Gras, welcher sich auf dem umgestürzten Baumstamm neben dem Gebäude niedergelassen hatte und seine Waffen pflegte, und formte seine kleinen Tongefäße, um sie nach dem Trocknen mit Schwarzpulver zu füllen. Normalerweise folgte Deidara ihm nicht so oft, sondern war irgendwo auf dem Anwesen. Nicht einmal in jüngeren Jahren war er so anhänglich gewesen. Irgendwas plante der Bengel. Wollte er eine für ihn günstige Gelegenheit abwarten, um ihn erneut mit diesem verhassten Thema zu konfrontieren? Deidara würde nie eine günstige Gelegenheit erhalten, wollte Sasori einfach nichts davon hören, egal zu welcher Zeit.

Aber nichts geschah. Eine Woche später konnte er Deidaras Verbände vollständig abnehmen. Die Wunden waren inzwischen einigermaßen verheilt. Allerdings würden Narben am Ellenbogen, seinem linken Oberarm und auch in den Handflächen zurückbleiben, schätzte er. Es hatte sich nicht um saubere Schnitte gehandelt und dann waren die Verletzungen auch nicht unverzüglich behandelt worden. Sasori konnte seinem Schüler ansehen, wie frustriert er war, als er ihm dies erklärte. Dessen Blick glitt zu seinen Händen und er bewegte die Finger langsam als wolle er ihre Brauchbarkeit prüfen. „Die Narben werden dich vermutlich nicht beeinträchtigen. Aber du wirst erst einmal wieder trainieren müssen, um auf deinen alten Stand zu kommen.“ Die wochenlange Ruhe hinterließ Spuren in Sachen Ausdauer, Kraft und Geschicklichkeit. Vor allem an letzterem würde er mehr feilen müssen, um sich an die Narben zu gewöhnen. Wenn er Glück hatte, blieb nur ein leichtes Narbengewebe zurück, was lediglich das Hautbild störte, aber nicht seine Bewegungen beeinflusste. „Und wenn ich nie wieder richtig den Bogen spannen kann? Oder meine Tongefäße machen kann? Die letzten sehen schrecklich aus, hm“, murmelte Deidara betrübt, den Blick noch immer auf seine nun im Schoß ruhenden Hände gerichtet. Die Tongefäße hatten vorher schon schrecklich ausgesehen. Für den Rothaarigen war kein Unterschied zu sehen. Das war keine Kunst, auch wenn Deidara es als solche bezeichnete. Und er wusste auch, wie Sasori über seine sogenannten Kunstwerke dachte, jedoch schwieg er ausnahmsweise.

„Die Wunden sind einigermaßen geschlossen. Du kannst jetzt morgens, mittags und abends eine heilende Salbe drüber schmieren. Die Paste war lediglich für frische Wunden geeignet.“ Sasori hatte immer eine Salbe dabei. Für kleine Kratzer und Schnitte reichte sie auch völlig aus und sie war eben auch für ältere Verletzungen geeignet, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Kurz verschwand er in sein Zimmer, um mit der kleinen Dose zurück zu kommen. Vor Deidara stellte er das Döschen ab und kniete sich vor ihn. Sein Schüler machte sich ernsthaft Sorgen, ob er seine Hände je wieder normal benutzen konnte. Das sah Sasori ihm an. Dabei war der Heilungsprozess noch nicht einmal abgeschlossen. Genervt seufzend öffnete er die Dose, weil Deidara einfach da saß und sich nicht rührte. „Vom Rumsitzen wird es auch nicht besser“, grummelte Sasori, tunkte seine Finger in die helle Salbe. Bestimmt griff er nach Deidaras linker Hand und verteilte behutsam die Tinktur auf der Handinnenfläche. Den überraschten Blick, der nun auf ihm ruhte, beachtete er nicht. Hin und wieder zuckten Deidaras Fingerspitzen. Vermutlich schmerzte die Berührung immer noch leicht. Schweigend verfuhr er auf dieselbe Weise auch mit der anderen Hand, seinem Ellenbogen und seinem Oberarm. „Dreh dich um.“ Deidara tat wie geheißen. Sasori tastete unter dem schweren Haar nach der einigermaßen verheilten Platzwunde und schob die blonden Strähnen beiseite, um auch dort etwas von der Salbe aufzutragen. Anschließend verschloss er die Dose sorgfältig. Ein wenig steif stemmte er sich hoch. Kurz streifte sein Blick die azurblauen Augen, als Deidara zu ihm hoch sah. „Das wirst du ja wohl in Zukunft allein hinkriegen“, murrte Sasori und verließ Deidaras Zimmer, ohne auf eine Reaktion zu warten.

Er brauchte jetzt etwas Abstand zu seinem Schüler. Selbst dieses bisschen körperliche Nähe war fast mehr als er ertragen konnte. Wieso hatte er ihm überhaupt geholfen? Deidara ging es inzwischen gut genug, um sich selbst die Salbe auftragen zu können. Aber der Blonde hatte einen recht verlorenen Eindruck auf ihn gemacht und sein Beschützerinstinkt war aufgerüttelt worden. Nur bei seinem Schüler erwachte dieser überhaupt. Deidara wühlte so einiges in ihm auf, seit Jahren. Und bisher hatte er seine Gefühle gut verbergen können. Hätte der Blonde doch nur nie das Thema Beischlaf angesprochen. Noch immer schien er das weiche Haar zwischen seinen Fingern spüren zu können. Der Drang, ihn zu berühren, wurde stärker. Bisher konnte Sasori seine Gefühle mit der Ausrede im Zaum halten, dass Deidara noch ein Kind war. Sogar nachdem er offiziell zum Samurai ernannt worden war, hatte er diese Sichtweise aufrechterhalten können. Mit seiner Frage nach der körperlichen Liebe jedoch war dieses ohnehin wacklige Gerüst zusammengebrochen. Deidara war im Grunde bereit dafür, die direkte Frage danach zeigte es deutlich. Im Gegensatz zu ihm damals. Sein Meister hatte das Nachtlager mit ihm geteilt, noch bevor er als Samurai anerkannt worden war.[18] Geschweige denn, dass ihn die körperliche Liebe zu diesem Zeitpunkt bereits interessiert hatte.

Belastend allerdings war der Gedanke, dass Deidara nicht dieselben Gefühle für ihn hegte wie er umgekehrt für ihn. Sein Schüler fragte nur aus Neugier, weil er sein Meister war und es üblich war, den Schüler in den Beischlaf einzuweihen. Und Sasori wollte ihr Verhältnis nicht zerstören, nur weil er der banalen Wissbegierde Deidaras nachgab. Wie sollte der Blonde seine Gefühle teilen? Um Liebe begreifen zu können, war er zu jung und ungestüm.
 

__________________________________________

[18] Im Alter von 15 Jahren wurde der junge Samurai für mündig erklärt. Er durfte von nun an den typischen Haarknoten der Samurai tragen, erhielt einen neuen Namen und wurde mit den zwei Schwertern ausgerüstet. (Ich halte mich hier allerdings nicht an das Detail mit dem neuen Namen.)

Umwälzungen

Ungefähr zwei Wochen, nachdem Yahiko mit den übrigen Kriegern aufgebrochen war, kehrten sie zurück. Hidan hatte sich Akatsuki angeschlossen, andernfalls wäre er nicht mit ihnen gekommen. Neugierig beäugte Deidara den Neuen, während sie die Pferde absattelten und in den Stall brachten. An sich sah Hidan noch relativ jung aus, doch sein Haar schien jetzt bereits grau zu sein. Allerdings passte es zu ihm, war es kein Altgrau, sondern ein silbriges Grau.

Ob er Sasori von der Ankunft der anderen unterrichten sollte? Lieber nicht. Sein Meister braute im Schuppen schon wieder eines seiner Gifte und er hasste es, bei seiner Arbeit gestört zu werden. Hinzu kam, dass er sowieso keinen großen Wert auf Gesellschaft legte. Manchmal fragte Deidara sich, wieso der Rothaarige ihn überhaupt zu sich genommen hatte. Eine Erklärung hatte er von Sasori nie erhalten.

Deidara trat ins Haus, um Konan Bescheid zu sagen. Auf ihren Lippen breitete sich ein freudiges Lächeln aus und sie verließ die Küche, um ihren Ehemann und die restlichen Krieger zu begrüßen. Derweil ließ sich der Blonde im Esszimmer am Tisch nieder und wartete. Endlich passierte wieder etwas. Und er war auch fast wieder ganz gesund. Die Wunden waren gut verheilt und die leichten Narben, die geblieben waren, störten höchstens beim Anblick, aber er konnte bereits wieder ganz normal seine Tongefäße formen. Er war unendlich erleichtert gewesen über diese Feststellung. Narben störten ihn nicht, solange sie ihn nicht in seinen Handlungen einschränkten.

Im Vorzimmer wurde es unruhig und wenig später erschienen die anderen in der Tür und setzten sich zu ihm. Hidan bekam wohl erst mal dieselbe Führung, die Sasori und ihm zuteil geworden war bei ihrer Ankunft. Doch nach wie vor stand das Problem im Raum, wo er untergebracht werden sollte.

Deidaras Blick ruhte einen Augenblick auf Kakuzu, der sehr genervt wirkte und wohl versuchte, sich mit Geld zählen zu beruhigen. Dass Narbengesicht die Einkünfte von Akatsuki verwaltete, hatte er schon nach wenigen Tagen mitbekommen. Und manchmal war er wirklich knauserig, wenn es darum ging, ihnen etwas für einen Auftrag zu geben, damit sie eine Herberge und Essen bezahlen konnten. Kakuzu war ein harter Verhandlungspartner, jedoch ließ Sasori nicht mit sich reden, sodass Kakuzu bei diesem meist den Kürzeren zog. Deidara amüsierte sich darüber jedes Mal.

Schließlich brachte Konan Hidan ins Esszimmer und zog sich in die Küche zurück, um das Abendbrot fertig zu machen. Hidan lümmelte sich auf einen freien Platz und schaute in die Runde, bis sein Blick an Deidara hängen blieb. Ein anzügliches Grinsen breitete sich auf dessen Lippen auf. „Ihr habt mir ja gar nicht gesagt, dass ihr so einen heißen Feger bei euch habt“, kommentierte er. Dann fiel Hidans Blick auf Deidaras Brust. „Bisschen flach allerdings.“ Dem Blonden entgleisten die Gesichtszüge, während einige am Tisch belustigt schmunzelten. Noch nie hatte jemand ihn für ein Mädchen gehalten! Erstens trug er eindeutig Männerkleidung. Zweitens war sein Gesicht nicht sonderlich weiblich. Das einzige, was man vielleicht als feminin fehlinterpretieren konnte, war die schwarze Umrahmung seiner Augen. Aber selbst das hatte noch nie zu einer falschen Anrede geführt. Sah Hidan schlecht? „Ich bin ein Kerl, hm“, brummte Deidara mit seiner für eine Frau viel zu tiefen Stimme. Hidans Kiefer klappte hinab vor Schreck. Ein paar Herzschläge brauchte er, um seine Sprache wieder zu finden, dann wetterte er: „Was für eine verdammte Scheiße! Kannst du dann nicht wenigstens dein Haar wie ein Mann tragen? Und was soll diese dämliche Schminke um die Augen, hä?“

Deidara glaubte zu verstehen, warum Zetsu von Hidan gehört hatte. Wenn er so mit jedem redete, war es kein Wunder, dass er in jeder Stadt in Probleme schlitterte.

Sein Blick wanderte zu seinen Haaren hinab, die teilweise über seinen Schultern hingen. Die letzten Wochen hatte er sie nur offen getragen, war es so einfacher, die Verletzung am Hinterkopf mit der Salbe zu behandeln. Außerdem durfte er sowieso noch nicht trainieren, da war es doch egal, ob sein Haar offen war oder nicht. Deidara antwortete nicht direkt auf Hidans Frage, sondern sah ihn nun einfach an. Azurblaue Augen bohrten sich in die lilafarbenen Augen des anderen. Unter dem allmählich starrenden Blick wurde der Größere zunehmend nervös. „Hat’s dir die Sprache verschlagen? Glotz nicht so!“ Deidaras Mundwinkel zuckten zu einem bösartigen Lächeln. Die schwarze Umrahmung hatte durchaus seinen Sinn. Zum einen mochte Deidara sie, zum anderen unterstützte sie einen durchdringenden Blick und brachte mögliche Gegner eher aus dem Konzept. Hidan war das beste Beispiel, aber er schien sich auch leicht mit solch einer simplen Taktik beeinflussen zu lassen. Besonders intelligent war er wohl nicht.

Yahiko räusperte sich und die Aufmerksamkeit aller zog sich auf ihn. „Hidan, das ist Deidara. Er gehört auch zu uns.“ Er wandte sich nun direkt an ihn. „Wo ist dein Meister?“

Der Blonde grinste. „Im Schuppen. Ich würde ihn lieber nicht stören. Seine Gifte können sehr schnell sehr tödlich sein, hm.“

Ihr Anführer nickte und wandte sich wieder an Hidan. „Sasori ist der einzige, den du jetzt noch nicht kennst. Du wirst ihn erkennen, wenn du ihn siehst.“ Damit war das Thema für ihn nun abgeschlossen und er wandte sich einem wichtigeren zu. „Wir brauchen immer noch ein Zimmer für Hidan.“

Hidan starrte ihn verblüfft an. „Soll das heißen, ihr habt in der beschissenen Bruchbude nicht mal ein Zimmer für mich?“

„Jetzt halt doch einmal deine Fresse!“, fuhr Kakuzu ihn an. Interessant. Er erlebte Narbengesicht zum ersten Mal derart gereizt. Hatte Hidan ihn etwa auf dem gesamten Weg hierher genervt? Würde Deidara nicht wundern.

Ein aggressives Knurren war Hidans Antwort. „Na ist doch wahr.“

Eigentlich würde Deidara gern vorschlagen, zu seinem Meister ins Zimmer zu ziehen, konnte er so vielleicht besser mehr Nähe aufbauen. Denn er wusste nicht wirklich, wie er Sasori sexuell auf sich aufmerksam machen und ihn aus seinem Schneckenhaus locken konnte. Einfach nur scheinbar zufällig in seiner Nähe sein reichte nicht. Doch ihm fiel einfach nichts ein. Woher sollte er auch wissen, wie er das anstellen sollte? Er hatte ja keine Erfahrung. Vielleicht half ihm, mit Sasori wieder ein Zimmer zu teilen. Doch er schwieg. Erfuhr Sasori, dass er die neue Zimmeraufteilung vorgeschlagen hatte, würde er ihn vermutlich höchstpersönlich samt Futon in den Pferdestall schleifen, damit er dort seine Nächte verbringen konnte.

„Ich bleibe dabei. Ich behalte mein Einzelzimmer.“ Kakuzu verschränkte die Arme vor der Brust und der harte Glanz in seinen grünen Augen zeigte deutlich, dass er nicht mit sich verhandeln ließ. Welch Seltenheit.

Zetsu brummte zustimmend und schloss sich somit Kakuzus Worten an. Yahiko seufzte. Sein Blick fiel auf Deidara. „Da du Sasoris Schüler bist und ihr euch bereits ein Zimmer geteilt habt, wirst du ab jetzt bei Sasori schlafen“, bestimmte er schließlich. Innerlich grinste Deidara triumphierend. Er hatte erreicht, was er wollte, ohne sich selbst zur Zielscheibe zu machen. Dafür zierte nun ein amüsiertes Schmunzeln seine Lippen. „Erklär das meinem Meister, nicht mir, hm“, erwiderte er. Sasori würde alles andere als begeistert sein von Yahikos Idee.

„Könnt ihr euch, verdammt noch mal, einig werden oder wollt ihr noch fünf Stunden vertrödeln?“, fauchte Hidan.
 

Wie erwartet sträubte Sasori sich gegen Yahikos Entscheidung. Deidara hatte ihn selten so zornig gesehen und sein Meister konnte bemerkenswert nachtragend werden. Die nächsten Tage strafte der Rothaarige Yahiko mit Ignoranz. Wenn er ihn ansprach, reagierte Sasori nicht, als sei niemand da. Wenigstens warf er Deidara nicht hinaus, als dieser mit seinem Futon und seinen wenigen Habseligkeiten zu ihm ins Zimmer gekommen war. Wie gut, dass er geschwiegen hatte. Jetzt traf Yahiko die geballte Wut seines Meisters und Deidara konnte sich weiterhin Gedanken darüber machen, wie er Sasoris Meinung ändern konnte, ihn doch mit dem Beischlaf vertraut zu machen. Nur im selben Zimmer zu schlafen, half ihm auch nicht weiter, stellte er nach wenigen Tagen fest.

Also beschloss er, Kisame um Rat zu fragen. Dieser hatte Erfahrung und außerdem hatte er ihn und Itachi einmal beim Küssen erwischt. Eigentlich war Deidara nur zufällig vorbei gekommen. Sie hatten sich wohl unbeobachtet gefühlt. Doch diese Information konnte ihm vielleicht von Nutzen sein, jetzt beispielsweise.

„Kisame? Versorgst du die Pferde? Kann ich dir helfen, hm?“, fragte er den Älteren nach dem Frühstück, als dieser das Gebäude verlassen wollte. Kisame sah ihn überrascht an, hatte Deidara ihm noch nie seine Hilfe angeboten. Vermutlich ahnte er, dass mehr dahinter steckte. Aber Deidara wollte nicht so offensichtlich fragen, ob er mit ihm allein reden konnte. Sasori sollte nichts mitkriegen davon.

„Gern, dann geht die Arbeit schneller“, nahm Kisame das Angebot an und sie gingen zusammen zum Pferdestall, um die Tiere zuerst auf die Koppel hinaus zu bringen. Während sie anschließend das Futter und Wasser in die dafür vorgesehenen Tröge füllten, fragte er unverblümt: „Könntest du mir vielleicht ein paar Tipps geben, wie ich mit jemandem intimer werden kann, hm?“

Kisames Blick zeigte Überraschung. „Wieso kommst du damit zu mir? Wäre es nicht besser, deinen Meister zu fragen?“

Deidara seufzte. „Darum geht es ja. Sasori will nicht. Und du bist doch sehr intim mit Itachi. Da kennst du doch sicher ein paar Tricks, hm?“

Ob Kisame nun verblüfft war, weil er ihm offenbart hatte, dass sein Meister mit ihm nicht intim war oder weil er von ihm und Itachi wusste, war nicht ersichtlich, aber auch nicht weiter von Belang. Kisame rieb sich über das Kinn.

„Hat er bisher einfach nur nichts gemacht oder hat er dir gesagt, dass er nicht will?“, hakte der Blauhaarige nach.

„Er hat mir verboten, weiter zu fragen, wann er mir den Beischlaf zeigen wird, hm“, grummelte Deidara. „Aber ich kenne den Grund nicht.“ Frustriert lehnte er sich gegen den Zaun, der die Koppel umspannte, damit die Tiere nicht ausbüchsen konnten.

„An sich kann ich dir nicht helfen, wenn du den Grund dafür nicht kennst. Ich kann dir lediglich sagen, wie du seine Entscheidung eventuell ins Wanken bringst“, sprach Kisame schließlich nachdenklich. Nach einer kurzen Pause erklärte er ihm mehrere Möglichkeiten. Deidara hörte aufmerksam zu und sog jede Information in sich auf.

Unruhe in Ôsaka

Sasori war es überhaupt nicht recht, dass sie Deidara zu ihm ins Zimmer steckten. Die Anwesenheit des Jüngeren stellte seine Widerstandsfähigkeit auf die Probe und es wurde von Tag zu Tag anstrengender. Hinzu kam, dass ihm gewisse Veränderungen in Deidaras Verhalten auffielen. Anfangs wirkten diese neuen Gesten unbeholfen, doch je länger der Rothaarige sie nach außen hin ignorierte, desto geschickter schien sein Schüler darin zu werden.

Nach dem Training, welches sie inzwischen wieder aufgenommen hatten, streifte Deidara sich den Gi ab, sodass dieser nur noch von Hakama und Obi auf der Hüfte gehalten wurde. So erhaschte Sasori einen guten Blick auf seinen bloßen Oberkörper. Unter der vom Schweiß glänzenden Haut zeichneten sich wohldefinierte Muskeln ab. Dennoch machte der Blonde einen eher schlanken Eindruck.

Wenn Deidara nach ihm zum Esstisch kam, streiften seine Fingerspitzen seine Schultern, seinen Nacken oder sein Haar. So leicht, dass man die Berührung mit einem Luftzug verwechseln konnte. Ebenso unauffällig war sie auch. Manchmal erhob er sich seltsam umständlich vom Tisch und dann berührte sein Knie Sasoris Oberschenkel.

Beugte Deidara sich zu ihm, weil der Rothaarige ihm etwas erklären sollte oder weil sein Schüler wieder einmal zu neugierig war, kam er Sasori näher als sonst. Ihm stieg dessen typischer Eigengeruch in die Nase, angenehm betörend und mit diesem kaum wahrnehmbaren Hauch von Ton. Oft genug haftete auch der Geruch nach Kiefern an ihm, wenn er zuvor im Wald gewesen war. Schlimm genug, mochte Sasori den Duft von Holz.

Und seit Neustem trug Deidara sein Haar anders. Zum Training band er es wie üblich, aber ansonsten nahm er nur noch das obere Deckhaar zusammen und der Rest seines Haares hing ihm lose über Schultern und Rücken. Sasori konnte diese neue Trageweise nicht nachvollziehen und gut hieß er sie gewiss nicht. Denn diese wilde Mähne streifte seine Schulter und seinen Arm, wenn Deidara sich zu ihm beugte. Selbst durch den Stoff seines Gi spürte er das schwere Haar. Und zu seinem Leidwesen wusste er sehr genau, wie weich es sich an den Fingern anfühlte. Hinzu kam, dass das blonde Haar Deidaras Gesicht angenehm umschmeichelte und selbiges weicher erscheinen ließ.

Zu der Liste an seltsamen Verhaltensänderungen kam außerdem, dass Deidara neuerdings nur noch im Fundoshi schlief und oft genug strampelte er sogar die Decke von sich. Dies war das einzige, worauf Sasori ihn angesprochen hatte. Er solle gefälligst seinen Schlafyukata tragen. Aber Deidara behauptete störrisch, dass ihm zu heiß sei. Verübeln konnte er ihm seine Antwort nicht einmal. In den Bergen war es jetzt im Hochsommer brütend heiß. Zwar waren die Nächte hier angenehmer als in den Städten, jedoch hielt sich die Wärme im ersten Stock recht gut, weil sie nicht so effektiv durchlüften konnten wie im Erdgeschoss. Man ertrug es selbst unter einer dünnen Decke kaum. Aber Sasori konnte nur schwer einschlafen in dem Wissen, dass unweit von ihm ein fast nackter Deidara lag, ohne Decke, wie ein reifer Pfirsich auf dem Präsentierteller. Er müsste nur noch nach ihm greifen.

Deidara sprach ihn zwar bisher nicht mehr auf den Beischlaf an, jedoch geriet Sasori allmählich ins Zweifeln, was schlimmer war, die banale Frage danach oder Deidaras neuartiges Verhalten, welches man schon als anzüglich bezeichnen konnte.
 

Und nun sollte Sasori mit seinem Schüler auch noch auf eine Mission. Er befürchtete, dass seine Gesten aufdringlicher werden würden, sobald sie nur noch zu zweit waren. Allerdings hatte er dazu bereits in ihrem gemeinsamen Zimmer genug Gelegenheit gehabt, die er ungenutzt verstreichen ließ. Sasoris Nerven waren jedoch bereits äußerst gespannt. Wie lange er seinem dreisten Schüler noch standhalten konnte, wusste der Rothaarige nicht. Aber er wollte nicht! Nicht so. Er wollte nicht das wiederholen, was er an seinem Meister gehasst hatte.

Auf ihrer Reise nach Ôsaka änderte sich erfreulicherweise nichts. Deidaras komisches Verhalten blieb zwar, verstärkte sich aber nicht. Nachdem sie in der Stadt angekommen waren, machten sie sich auf die Suche nach ihrem Ziel. Manchmal fragte Sasori sich, wieso man ausgerechnet eine Bande Rônin bezahlte, um einen Gegner oder dergleichen aus dem Weg zu räumen. Sie waren keine Ninja, die unerkannt ins Haus schlichen, die Zielperson lautlos töteten und unbemerkt im Dunkel der Nacht verschwanden. Er vermutete, dass derjenige, der sie anheuerte, wollte, dass man sie sah. Damit setzte er ein Zeichen für seine Feinde: ‚Kommt mir nicht in die Quere oder ich lasse euch ebenso abstechen wie das arme Schwein hier.‘ Für Sasori war dies die einzig logische Erklärung. Natürlich waren sie inzwischen gesuchte Mörder. Jedoch wurden sie oft genug von den Daimyô und wohlhabenden Clans gedeckt, weil diese bereits ihre Dienste in Anspruch genommen hatten und eventuell auch einen weiteren Auftrag erteilen könnten. Akatsuki genoss dadurch recht viele Vorteile. Sasori hatte eingesehen, dass diese Bande sehr nützlich war.

Um nicht sofort aufzufallen, trugen der Rothaarige und sein Schüler Reishüte, welche einen Teil ihres Gesichts in Schatten tauchten. Die unscheinbaren Umhänge verbargen ihre Waffen. So wirkten sie mit ihren Pferden wie durchschnittliche Reisende auf der Suche nach einer Herberge.

Ihre Zielperson ließ sich auch recht schnell finden. Der Bengel war anscheinend in der halben Stadt bekannt. Sie mussten nur den Gesprächen im Teehaus lauschen und erfuhren eine Menge über Uzumaki Naruto. Er war ungefähr so alt wie Deidara und stammte aus einem alten Samurai-clan. Allerdings waren seine Eltern schon vor einer Weile gestorben und er lebte als Waise allein irgendwo in der Stadt. Der Bengel machte viel Wirbel in Ôsaka und hetzte offenbar das arme Volk gegen den Daimyô auf. Mit ihm als Anführer schienen die Menschen sogar stark genug geworden zu sein, sodass nun ein Aufstand drohte. Um einen Aufstand nieder zu schlagen, war es immer praktisch, den Kopf der Schlange abzuschlagen. Ihnen konnte egal sein, ob der Daimyô hier seine Bauern ausbeutete. Er zahlte gut. Akatsuki wollte auch leben. Sasori hatte sich recht schnell an das freie Leben gewöhnt. Ihm gefiel, an niemanden mehr gebunden zu sein. Niemandem mehr Treue zu schulden. Seit seiner Flucht entschied er, wer es in seinen Augen wert war, von ihm beschützt zu werden und wer nicht. Und das war Deidara, nicht irgendein reicher Schnösel. Zwar war Yahiko der Anführer von Akatsuki, aber der Mann war sich bewusst, dass alle Krieger freiwillig bei ihm waren. Selbst wenn er ihnen einen Befehl gab, sie konnten sich weigern und wieder gehen. Die gesamte Basis bei Akatsuki war anders.

Nicht einmal drei Tage suchten sie ihre Zielperson, rannte der Blondschopf doch von ganz allein in sie hinein, als er gerade um die Ecke hastete, sich lachend nach den Stadtwachen umsah und ihnen zurief: „Ihr kriegt mich nicht, ihr lahmen Enten.“

Seine Flucht endete abrupt. Sasori reagierte rechtzeitig und wich mit einem schnellen Schritt zur Seite aus, aber Deidara war einen Tick zu langsam und so erwischte Naruto ihn halb, sodass er von ihm umgerissen wurde. Naruto fiel plump zu Boden und Deidara halb auf ihn. Jedoch nutzte sein Schüler die Situation entsprechend, rappelte sich geschwind wieder auf, drückte dem am Boden Liegenden sein Knie in den Rücken, griff mit der rechten Hand in das strubbelige Haar und drückte ihn hinab. Mit der anderen Hand zog er sein Wakizashi und grinste böse. „Ich würd sagen, wir haben dich, hm.“

Erschrockene Kommentare hallten durch die Straße, als die Menschen sie bemerkten. Besorgte Mütter brachten ihre Kinder schnell in Sicherheit. Die Wachmänner hatten sie inzwischen auch endlich erreicht. Sasori maß sie mit einem geringschätzigen Blick. Die hätten den Burschen doch nie eingefangen. „Vielen Dank. Ihr habt uns sehr geholfen. Der Kleine hat schon wieder im Badehaus gespannt.“ Na wenn das ihre einzige Sorge war. Vermutlich nicht, sie wollten vor Fremden nur nicht zugeben, dass ein halbstarker Bengel für die möglichen Aufstände verantwortlich war.

Die Männer wollten Deidara die Arbeit abnehmen, doch Sasori ging dazwischen. Ruhig schob er seinen Umhang etwas nach hinten, sodass die Wachen seine Waffen sehen konnten. „Keinen Schritt näher. Wir haben hier etwas zu erledigen“, erklärte er warnend. Nach einer Kunstpause fügte er knapp an: „Deidara.“ Sein Schüler sollte sich gefälligst beeilen. Die Augen der Wachmänner weiteten sich erschrocken. „Akasuna no Sasori…“, hörte er einen von ihnen Murmeln. Man kannte ihre Namen also auch schon in Ôsaka. Aber da diese Menschen hier nur einfache Wachen waren, wussten sie nicht viel von den Machenschaften der Obrigkeit. In ihren Augen waren er und sein Schüler nur gefährliche Rônin, die sich am Rande der Gesellschaft aufhielten und mordeten. „Mörder! Ihr seid hiermit festgenommen. Ergebt Euch!“, erklärte der Anführer der kleinen Gruppe entschlossen und zog sein Schwert. Die anderen Männer folgten seinem Beispiel. Sasoris Lippen formten sich zu einem überheblichen Lächeln. „Niemals“, antwortete er gelassen und bevor die Männer ihn hindern konnten, zog er sein Katana und griff sie an. Sasori wollte das Theater schnell beenden.

Während er Deidara die Wachen vom Hals hielt, hörte er diesen mit dem am Boden liegenden Bengel sprechen. „Wie heißt du noch gleich? Uzu… irgendwas, hm?“, fragte der Blonde amüsiert. Nur einen Herzschlag später folgte das empörte Geplärre des Jungen. „Mein Name ist Uzumaki Naruto!“ Immerhin mussten sie den richtigen umbringen. Und soweit sie gehört hatten, erzählte ihr Ziel jedem redselig, wie er hieß, ob derjenige es hören wollte oder nicht. „Gut“, antwortete Deidara zufrieden. Während des Kampfes huschte Sasoris Blick ab und an zu Deidara, wenn es sich gerade ergab. So sah er, wie Naruto einen Dolch unter seiner Kleidung hervorzog, um ihn hinter sich zu stoßen. Allerdings war er in einer sehr ungünstigen Position. Mit seinen Beinen konnte er nicht nach Deidara treten, weil dieser ihm sein Knie in die Mitte seines Rückens gerammt hatte, somit nicht nah genug für einen Tritt war. Und in dieser Lage war das richtige Zielen mit dem Dolch äußerst schwer, geschweige denn, dass man genügend Kraft aufbringen konnte. Außerdem wurde dieses Vorhaben sehr schnell erkannt und konnte vereitelt werden. Deidara wehrte den Dolch mit seinem Wakizashi ab und stieß die Klinge in Narutos Hand, riss sie schräg heraus, um die Wunde zu vergrößern. Der scharfe Stahl durchtrennte mühelos Haut, Muskelfleisch und dünne Knochen. Naruto konnte den Dolch nicht länger festhalten und ließ ihn mit einem schmerzvollen Keuchen fallen. Deidara festigte seinen Griff in dem blonden Haar und riss Narutos Kopf nach hinten. In einer fließenden Bewegung schnitt er dem zappelnden Jungen die Kehle durch und stieg anschließend seelenruhig von ihm runter, wischte sein blutiges Wakizashi an dessen Kleidung ab. Sasori wandte sich wieder ganz den verbliebenden lebenden Wachmännern zu und nahm einem weiteren das Leben. Zwei andere wichen vor ihm zurück. Die Angst in ihren Augen glühte hell. Doch der dritte versuchte ihn zu umgehen und griff nun Deidara an, der sich gerade erst umdrehte. „So nicht“, knurrte Sasori leise, zog mit der freien Hand sein dünnes Stahlseil unter der Armscheine hervor und schleuderte es geschickt nach dem Mann. Leises Sirren erklang. Das in einer Schlaufe verlaufende Seil spannte sich, ein kräftiger Ruck ging durch Sasoris Arme und im nächsten Augenblick fiel der Kopf des Mannes von seinem Rumpf. Der Körper taumelte noch einige Schritte als wolle er sich gegen das Unvermeidliche auflehnen. Deidara sprang zur Seite, sodass der Kopflose an ihm vorbei strauchelte und schließlich neben Naruto zu Boden fiel. Dunkles Blut tropfte auf die Straße.

In einer fließenden Bewegung fuhr Sasori zu den letzten Wachmännern herum. „Noch jemand, der seinen Kopf verlieren möchte?“, fragte er mit einem verächtlichen Lächeln. Die Männer schüttelten panisch den Kopf und suchten das Weite. „Was für Weicheier, hm“, kommentierte Deidara amüsiert und schob sein Wakizashi zurück in die Saya. Den Reishut klopfte er kurz ab, bevor er ihn wieder auf seinen Kopf setzte. „Sasori no Danna, dein Hut.“ Während des Kampfes war ihm selbiger vom Kopf gerutscht und nun reichte sein Schüler ihm seine Kopfbedeckung.

Sasori nickte knapp, was als Dank genügen musste. Sein Katana fand seinen Weg in die Saya. „Verschwinden wir.“ Eilig verließen sie den Tatort und entschwanden in die engen Gassen der Stadt. Auf dem Weg in ihre Herberge rollte Sasori wieder sein Stahlseil komplett auf und verstaute es sicher unter der Armschiene. Sie mussten sofort die Stadt verlassen. Noch hatte sich der Mord nicht herum gesprochen.
 

____________________________________

Ich würfel bewusst das Alter der verschiedenen Charaktere durcheinander, weil ein 12 Jähriger Bengel zu absurd wäre, wenn er bereits so jung einen großen Einfluss auf die Bauern ausüben könnte. Außerdem hasse ich, wie Naruto es ständig schafft, jeden noch so starken Gegner umzubringen oder zu bekehren. Wenigstens einmal soll er den Kürzeren ziehen wie es eigentlich logisch wäre.

Gedankenvoller Rückweg

Unbehelligt verließen Deidara und sein Meister Ôsaka. Hätten sie sich nach dem Kampf in aller Öffentlichkeit mehr Zeit gelassen, wären sie sicherlich aufgehalten worden. So aber legten sie ein gutes Stück Weg zurück, ehe sie in den Wald eintauchten. Bis zum Abend ritten sie ohne Pause. Sie mussten heute kein Wild jagen, um eine Mahlzeit zu haben. Sasori hatte wie immer vorgesorgt und auf ihrem Weg aus der Stadt heraus bei einem Laden ein paar Onigiri[19] gekauft. So hielten sie erst nach Sonnenuntergang bei einem kleinen Felsüberhang an. Und da sie kein Fleisch braten mussten, konnten sie ebenso gut auf ein Feuer verzichten. Sie hätten deutlich früher ein Lager suchen müssen, hätten sie keine Nahrung gehabt. Natürlich wäre es auch möglich gewesen, einfach auf Wegzehrung zu verzichten. Bereits mit dem fünften Lebensjahr wurden männliche Kinder eines Samurai auf das Leben der Krieger vorbereitet und abgehärtet. So war es auch nicht unüblich, sie bei sengender Hitze oder im eisigen Winter barfuß zum Tempel zu schicken, wo ihnen das Lesen und Schreiben beigebracht wurde. Auf Mahlzeiten zu verzichten, gehörte demnach auch zur Ausbildung. Jedoch sah Sasori dies ein wenig anders. Sein Meister hatte immer einen Plan und gerade auf der Flucht schien er auf jedes Detail zu achten. Für Sasori war es wichtig, jetzt Essen zu haben, um einen Vorteil daraus zu schlagen, gut genährt zu sein und nicht vor Erschöpfung Fehler zu begehen, die sie ihr Leben kosten könnten, sollten Verfolger sie finden.

Die Pferde banden sie nahe des Überhanges an einen Baum und nahmen ihnen die Sättel ab, sodass auch diese sich erholen konnten. Durch das Buschwerk wurden die Tiere gut verdeckt. Nur hin und wieder hörte man ein Schnauben oder das leise Scharren ihrer Hufe.

Schweigend setzten sie sich auf den Boden und Sasori holte die Onigiri aus seinem Hirazutsumi. Zwei reichte er Deidara. Hungrig wickelte dieser sie aus ihrer Umhüllung und biss genüsslich hinein. „Fafori no Danna? Wie fiel kriegn wir ffür den Auffdrag, hm?“, fragte der Blonde mit vollem Mund. Sasoris genervter Blick verleitete ihn zu einem entschuldigenden Lächeln. Eilig schluckte er und wiederholte seine Frage deutlich. Nun nannte sein Meister ihm auch eine stattliche Summe. Zufrieden grinste er. „Na das hat sich doch gelohnt, hm.“ Ein zustimmendes Nicken war die einzige Reaktion des Rothaarigen.

Deidara widmete sich wieder ganz seinem Abendbrot. Gerade biss er in sein zweites Onigiri, da packte Sasori ihn plötzlich und zerrte ihn mit sich runter. Glücklicherweise reagierte er schnell genug, sodass sein Reisbällchen nicht mit dem Boden in Kontakt kam. Irritiert sah er zu seinem Meister, dessen Hand zwischen seinen Schultern lag, um ihm zu bedeuten, unten zu bleiben. Der Rothaarige verharrte ebenfalls geduckt neben ihm und spähte zwischen den Bäumen hindurch. Nun hörte Deidara es auch. Schritte hallten durch den dunklen Wald und Stimmen unterhielten sich aufgebracht miteinander. In geringer Entfernung konnte man sechs Gestalten erkennen. Eine von ihnen musste eine Frau sein. Doch ihre Aussprache war derart ordinär, dass sie jedem Gossenpenner Konkurrenz machen konnte. Sie schienen sich recht sicher zu fühlen, andernfalls würden sie nicht so viele Geräusche machen. Jedes Tier flüchtete vor ihnen. Zumindest verhielten sich ihre Pferde still. Wirklich gut ausgebildet, diese Tiere. Vermutlich waren sie sogar darauf trainiert, in einem Krieg ihren Reiter furchtlos zu tragen. „Du bist so bekloppt, Fettwanst!“, wehte die Stimme der Frau zu ihnen herüber. „Wie konntest du den Trottel verfehlen? Er hat sich ja noch nicht mal bewegt!“ Der Angesprochene murrte. „Nicht jeder ist gut im Fernkampf. Krieg dich wieder ein.“ Die Frau schnaufte verächtlich. „Hört auf, euch zu streiten“, unterbrach eine ruhige Stimme die beiden. Deidaras Aufmerksamkeit wurde auf den Mann gerichtet, der zuletzt an ihnen vorbei schritt. In der Dunkelheit des Waldes schien er zu leuchten wie ein Geist mit dem weißem Haar und der weißen Kleidung. Nur sein Hakama hatte eine andere Farbe, die aber auch eher hell erschien. Er musste der Anführer der Truppe sein, denn es kehrte Ruhe ein. Erst glaubte Deidara, dass sie unbemerkt geblieben waren, doch bevor die Gruppe wieder komplett vom Gestrüpp und Bäumen verschlungen wurde, fiel ihm der Blick der weißen Gestalt auf. Für einen Herzschlag sah er genau in ihre Richtung. Hatte er sie bemerkt? Doch nichts passierte. Der Mann sagte nichts und die Fremden suchten sich weiter ihren Weg durch den Wald.

Erst, als nichts mehr von ihnen zu hören war, zog sich Sasoris Hand zurück und er richtete sich wieder auf. Der Blonde stemmte sich hoch. „Er hat uns bemerkt, hm?“ Sein Meister nickte. „Der Kerl kommt mir bekannt vor.“ Fragend bohrte sich sein Blick in die braunen Augen. „Hast du ihn schon mal gesehen?“, hakte Deidara nach, doch Sasori schwieg wie so oft und gab seine Gedanken nicht preis. Stattdessen erklärte er knapp: „Ich übernehme die erste Wache. Ruh dich aus.“ Tief atmete er durch. „Jaaa, Danna, hm.“ Typisch. Nie erhielt er einen noch so kleinen Einblick in die Gedanken seines Meisters. Dabei interessierte ihn so einiges brennend. Aber was Sasori nicht erzählen wollte, das würde wohl nie über seine Lippen kommen. Nachdem er sein Onigiri aufgegessen hatte, trank er ein paar Schlucke aus dem ledernen Wasserbeutel, ehe er seinen Umhang unordentlich zusammen knorkelte, um ihn als Kopfkissen zu benutzen. Seinem Meister wandte er zwar ausnahmsweise den Rücken zu, doch an Schlaf war nicht zu denken.

Kisames Tricks funktionierten nicht. Seit Wochen zeigte Sasori keine Reaktion und dabei fand der Blonde, dass er wirklich geschickt geworden war durch die viele Wiederholung. Nur angeherrscht worden war er, weil er seinen Yukata zum Schlafen nicht angezogen hatte. Vielleicht sollte er noch einmal mit Kisame darüber sprechen. Immerhin hatte dieser ihm versichert, dass solche kleinen Gesten über eine gewisse Zeit hinweg an der Widerstandskraft nagen konnten. Sogar sein Haar trug er nun anders, weil Kisame gesagt hatte, dass langes Haar offen getragen die Gesichtszüge weicher erscheinen ließen. Deidara mochte seine neue Frisur, aber Sasoris Ignoranz ärgerte ihn.

Vermutlich hatte Kisame dieses Phänomen der offenen Haare an Itachi gesehen. Dieser hatte ebenso langes Haar wie er, aber Deidara hatte es noch nie offen gesehen. Er konnte sich vorstellen, dass Itachi dann deutlich femininer wirkte mit den langen Wimpern und den ohnehin schon sanften Gesichtszügen. Selbst sein Meister machte mit diesem puppenhaft anmutenden Gesicht einen weiblicheren Eindruck als er selbst, fand er. Warum Hidan ausgerechnet ihn für eine Frau gehalten hatte, war ihm wirklich schleierhaft. Er hatte sich wohl einfach von seiner Augenumrahmung in die Irre führen lassen. Allerdings hinderte ihn das auch nicht daran, ihn hartnäckig Deidara-chan zu nennen. Der Blonde ignorierte das einfach, war Hidan ansonsten ganz in Ordnung, ein bisschen dämlich und langsam, aber man konnte gut mit ihm trainieren und in den Wäldern umher streifen. Nur seine Religion kam ihm ein wenig krank vor und ihm war schleierhaft, wo solch eine Religion überhaupt existierte. Vielleicht stammte sie nicht einmal aus Japan, sondern aus China oder Korea. Sonderlich bekannt war sie wohl eher nicht, sonst hätte der Blonde bereits davon gehört.
 

Ihr Rückweg verlief bis auf den kleinen Zwischenfall ereignislos. Die meiste Zeit ritten sie durch den Wald, um nicht in einem Dorf gesehen zu werden und versorgten sich selbst mit gejagtem Wild und Wasser aus kleinen Flüssen. Momentan sprach sich der Mord herum und alle Menschen in der Umgebung von Ôsaka waren aufmerksam und betrachteten Fremde kritischer. Um Probleme zu umgehen, mieden sie also die Begegnung mit anderen Menschen. In ein paar Wochen würde sich der Trubel ohnehin gelegt haben und sie konnten wieder einen Auftrag ausführen. Yahiko koordinierte Akatsuki wirklich clever. Meist gingen sie zu zwei auf eine Mission und war der eine Auftrag ausgeführt, übernahm ein anderes Zweierteam den nächsten Auftrag, sodass etwas Zeit verstrich und man sich nun über den anderen Mord das Maul zerriss. Zetsu brachte derweil die Informationen und wurde regelmäßig von Kakuzu und Hidan begleitet, um ihre Belohnung einzutreiben.

Mittags erreichten sie das ehemalige Onsen und während Sasori Bericht erstattete, übernahm Deidara die Pferde, um sie abzusatteln und auf die Weide zu bringen. Allmählich war die Hitze auch wieder ertragbar, neigte sich der Somme dem Ende. Am Abend fragte der Blonde Kisame erneut, ob er ihm beim Versorgen der Pferde helfen konnte. Im Laufe der Zeit hatte sich eine Art Aufgabenteilung ergeben, so kümmerte sich Kisame in der Regel darum, dass die Pferde auf die Weide kamen, abends in den Stall gebracht und mit Futter und Wasser versorgt wurden. Putzen jedoch musste jeder sein Pferd allein. Zetsus Reich war der Garten, während Kakuzu sich der groben Reparaturen annahm und Hidan einfach mitzerrte, damit dieser wenigstens ab und an etwas Nützliches tat und nicht nur vorlaute Sprüche von sich gab. Itachi war für den Einkauf zuständig. Sasori dagegen hatte die Hälfte des Schuppens in Besitz genommen und in ein kleines Labor umgebaut für seine Giftmischerei; die andere Hälfte nutzte Zetsu für Gartengeräte und zur Herstellung seiner Heiltinkturen. Deidara selbst half hier und dort mal mit und ging ansonsten auf die Jagd, mit großem Erfolg. Sie mussten nur noch selten Fleisch aus Ame kaufen.

Kisame ahnte vermutlich schon, warum Deidara ihm zur Hand gehen wollte, fragte er ihn auch direkt, während sie die Pferde in den Stall brachten. „Geht es wieder um Sasori?“ Der Blonde nickte. „Es funktioniert nicht“, brummte er. „Sasori reagiert überhaupt nicht. Er hat mir nur gesagt, ich soll im Yukata schlafen und nicht halb nackt, hm.“ Fragend glitt sein Blick zu dem Älteren, der sich nachdenklich den Nacken rieb.

„Entweder hat er einfach kein Interesse an dir oder aber er möchte nicht mit einem Mann das Nachtlager teilen oder…“, Kisame brach ab. Neugierig wartete Deidara darauf, dass der Blauhaarige weitersprach, doch dieser schloss zuerst das Gatter hinter Itachis Pferd. „Oder, hm?“, fragte Deidara schließlich ungeduldig nach.

„Oder etwas hindert ihn“, erklärte Kisame. „Du hast gesagt, er hat dir verboten, ihn noch einmal danach zu fragen, und dass du den Grund nicht kennst. Beides könnte damit zusammen hängen, dass er auf deine Annäherungen nicht reagiert.“

Deidara kratzte sich grübelnd am Kinn und dachte eine Weile über die Worte nach. Er sprach erst wieder, nachdem alle Pferde in ihren Boxen standen und das Futter verteilt war. „Also muss ich ihn dazu bringen, mir den Grund zu nennen.“ Das war die einzig logische Schlussfolgerung. Unwillig seufzte er. Deidara ahnte, dass dies alles andere als leicht werden würde. Unter Garantie zog er mit solchen Fragen Sasoris Zorn auf sich. Doch der Blonde hatte keine andere Wahl. Er wollte wenigstens verstehen, warum sein Meister sich gegen den Beischlaf sträubte.

Kisame grinste schief. „Das wäre wohl das Beste, wenn du seine Gründe dafür herausfindest.“
 

__________________________________

[19]Onigiri: Reisbällchen(teilweise gefüllt, teilweise ohne Füllung)

Vertrautheit

Kisames Blick huschte während des Abendessens kurz zu Deidara und Sasori. Es waren ein paar Wochen vergangen, seitdem Deidara erneut zu ihm gekommen war und ihn um Rat gefragt hatte. Eine Veränderung bei Sasori und dessen Schüler war ihm aber nach wie vor nicht aufgefallen. Daher vermutete er, dass Deidara noch nicht direkt gefragt hatte, welchen Grund Sasori hatte, den Blonden nicht anzurühren. Natürlich wäre es durchaus möglich, dass Deidara bereits einen Versuch gestartet hatte und dies war von niemandem bemerkt worden. Aber wäre er bei einem misslungenen Versuch nicht wieder zu ihm gekommen, um sich einen weiteren Tipp zu holen? Vielleicht. Er würde wohl einfach abwarten und sehen, was passierte oder auch nicht.

Itachis verhaltenes Husten zog die Aufmerksamkeit aller auf sich, ausgenommen von Sasori, Deidara und Hidan, die noch nicht lang genug bei Akatsuki waren, um zu wissen, was es zu bedeuten hatte. Kisame sah den Schwarzhaarigen besorgt von der Seite an. Seine Haut wirkte ungesund blass.

„Zetsu, kannst du bitte wieder deinen Sirup machen?“, fragte Konan und Angesprochener seufzte. „Was denn, schon wieder?“ Dessen unsichtbare Seite murmelte genervt: „Das letzte mal ist erst 7 Monate her.“ Aber er nickte. Zetsu wusste, um welchen Sirup es ging. Er sollte den Hustenreiz lindern. Eigentlich hätten sie es erwarten sollen. In den kälteren Monaten war Itachi mindestens einmal krank, meist öfter. Der Schwarzhaarige war die Kälte nicht gewohnt, kam er aus einer südlicheren Region, in der es erheblich wärmer war und nicht einmal im Winter schneite. Obwohl er die meisten Verletzungen problemlos wegsteckte, lag er oft genug im Herbst und Winter mit einer Erkältung flach. Kisame wusste, dass Itachi diese Kälte nicht mochte. Auch wenn es schwer zu erkennen war, weil Itachi seine Emotionen nur sehr sparsam zeigte. Er erkannte es daran, dass Itachi im Frühjahr und Sommer deutlich öfter draußen trainierte und allgemein entspannter war. Vor allem, wenn sie intim wurden, fiel ihm diese Entspanntheit auf.

Deidara mischte sich nun ein, verstand dieser offensichtlich nicht, warum sie so auf Itachi reagierten. „Macht doch nicht gleich so ein Drama draus. Der hat doch bloß gehustet. Wird schon nicht gleich von sterben, hm.“ Deidara schnaufte und wandte sich seinem Essen wieder zu. Keiner erklärte ihm den Grund, der Blonde würde es schon noch früh genug mitkriegen.

Nach dem Abendessen zog Itachi sich direkt in ihr gemeinsames Zimmer zurück. Kisame folgte ihm. Nachdem er die Schiebetür hinter sich geschlossen hatte, schlug er ihm leise vor: „Lass uns ein heißes Bad nehmen.“ Es würde helfen, den Husten schneller zu überwinden. Zustimmend nickte der Schwarzhaarige, ein wenig langsam für seine Verhältnisse. „Ich bereite das Bad vor“, erklärte Kisame und verließ das Zimmer wieder. Er würde Itachi Bescheid sagen, sobald das Wasser im Badezuber erhitzt war. Zuerst hieß es Eimer schleppen und anschließend das Feuer unter dem Zuber entfachen, damit sich das Wasser erhitzen konnte. Fliesen verhinderten, dass der Zuber sich entzünden konnte. Außerdem wurde das Feuer von draußen gespeist, sodass kein unangenehmer Rauch im Bad umher waberte. Während das Wasser sich allmählich erhitzte, suchte er im Schuppen nach einer der Kohlebecken, die sie im Winter benutzten, um die Zimmer zu wärmen. Kisame kam mit der Kälte gut zurecht, aber für Itachi war es angenehmer, wenn er bereits jetzt nachts ein solches Becken mit heißen Kohlen ins Schlafzimmer stellte.

Als Kisame das Wasser im Badezuber überprüfte, befand er es für heiß genug und gab Itachi Bescheid. Der Schwarzhaarige nickte schweigend, nahm ihre Schlafyukata, um ihm ins Bad zu folgen. Niemand interessierte sich sonderlich dafür, wenn sie sich gemeinsam ins Bad zurückzogen. Ihre Beziehung war bei Akatsuki ein offenes Geheimnis. Sie sprachen nicht darüber, aber Kisame war sich sicher, dass jeder davon wusste, Hidan vermutlich nicht, so einfältig wie der Bursche war. Der einzige, der ihn bisher direkt darauf angesprochen hatte, war Deidara gewesen und das auch nur für seine eigenen Zwecke.

Da sie sich vor dem Abendessen bereits gewaschen hatten, mussten sie ihre Körper vor dem Bad nun nicht mehr reinigen. Sie entkleideten sich und während Kisame bereits ins heiße Wasser stieg, löste Itachi sein Haarband, um sein Haar zu einem Knoten zu binden, damit es nicht nass wurde. Anschließend ließ er sich ebenfalls im Badezuber nieder. Selbiger war eigentlich nur für eine Person ausgelegt, aber zu zweit ging es auch, wenn sie ein bisschen weniger Wasser einfüllten und sich ein wenig arrangierten. Zumal Itachi sowieso nicht lang ihm gegenüber sitzen blieb, sondern schweigend wie so oft näher rückte und sich an ihn lehnte, sodass er nun zwischen seinen Beinen saß und seinen Kopf gegen seine Schulter lehnen konnte. Kisame sah zu seinem Partner hinab, der die Augen schloss. Gedankenverloren strich Kisames rechte Hand über Itachis Seite bis zur Hüfte runter.

Er erinnerte sich noch sehr gut an die Zeit, in der Itachi neu bei Akatsuki gewesen war. Vom eigenen Daimyô verstoßen, weil er ihm treu ergeben gewesen war und zu dessen Schutz und für den Frieden der Stadt seinen eigenen Clan ermordet hatte, war er ziellos umher gestreift wie jeder von ihnen zuvor. Sarutobi hatte gar nicht anders handeln können als Itachi zu verstoßen. Hätte er ihm angeordnet, Seppuku zu begehen, wäre Itachi diesem Befehl wohl nachgekommen, um wenigstens noch ehrenvoll zu sterben. Aber dem Daimyô war bewusst, was der Schwarzhaarige für ihn getan hatte. Nur seinen kleinen Bruder Sasuke hatte Itachi verschont und sich von Sarutobi versprechen lassen, dass dieser gut auf ihn achten würde. Aber dieses Detail über seinen Bruder hatte Itachi ihm auch erst viel später anvertraut.

Wenn man ihn so ansah, vermutete man keinen Clanmörder hinter diesen sanften Zügen, der ruhigen Stimme und den tiefschwarzen Augen. Diese sanfte Schönheit, die zugleich auch eine unnahbare Stärke ausstrahlte, hatte ihn von Anfang an fasziniert. Zuerst hatte Kisame einfach nur oft mit ihm trainiert und war über dessen Kräfte erstaunt gewesen. Itachi war zweifellos stark, wenn auch an reiner Körperkraft ihm unterlegen. Dafür war seine Kampftechnik perfekt und er nutzte neben dem Katana und Wakizashi auch typische Ninjawaffen wie Kunai und Shuriken, deren gezielter Einsatz beachtliche Wirkung zeigten. Hätten sie jemals bis auf den Tod gegeneinander gekämpft, er wäre dem Schwarzhaarigen unterlegen. Manchmal erschien es ihm, als könne Itachi die Bewegungen vorherahnen und reagierte entsprechend darauf.

In Kisame war der Wunsch gewachsen, ihm näher zu kommen, intimer mit ihm zu werden. Jedoch hatte er dies nicht direkt ausgesprochen, sondern durch kleine Gesten gezeigt, wie er sie Deidara erklärt hatte. Nur sein Haar war zu kurz für derlei Spielereien. Diese Idee war ihm gekommen, weil er wusste, wie schön langes offenes Haar wirken konnte, wenn es weich das Gesicht umspielte.

Der Schwarzhaarige hatte ihn nach nur wenigen Tagen nach dem Grund dieser Gesten gefragt und er hatte ihm einfach gesagt, was er gern wollte. Itachis Zustimmung war ein schlichtes Einverständnis gewesen. Kisame war sich nicht sicher gewesen, wie der Jüngere empfand und so war es wohl nur verständlich, dass er sich langsam angenähert hatte. Itachi war auf ihn eingegangen. Nach und nach ließ dieser durchschimmern, dass auch er Gefühle für ihn hegte, sodass sie irgendwann in eine feste Beziehung gerutscht waren, ohne es direkt zu merken. Ein wenig erstaunt gewesen war Kisame allerdings schon, als Itachi ihm erzählt hatte, dass er früher bereits einen Liebsten in seinem Clan gehabt hatte. Shisui. Erst hatte er gedacht, Itachi hätte auch ihn umgebracht, doch der Schwarzhaarige hatte verneint. Shisui nahm sich das Leben, als er von der Intrige seines Clans erfuhr, weil er mit dieser Schande nicht weiterleben wollte.

Leises Husten holte Kisame in die Gegenwart zurück. Besorgt sah er zu Itachi. Allmählich begann die Erkältung wohl auszubrechen. „Wollen wir langsam schlafen gehen? Ich hole vorher noch etwas Tee und schau mal, ob Zetsu schon fertig ist“, sagte er leise am Ohr des Schwarzhaarigen, der als Antwort nickte und sich langsam von ihm löste, um aus dem Badezuber zu steigen. Kisame folgte ihm und ließ es sich nicht nehmen, den Jüngeren abzutrocknen. In der Regel bestand Itachi darauf, das selbst zu machen, allerdings ließ er ihm das durchgehen, wenn es ihm nicht gut ging und Kisame nutzte die Chance. Während er sich selbst abtrocknete, streifte Itachi bereits in seinen Yukata und sagte leise: „Ich geh schon mal.“ Kisame nickte, zog sich selbst wieder an und brachte noch das Bad in seinen vorigen Zustand.

Zetsu fand er im Schuppen, aber dieser war noch beschäftigt und scheuchte ihn wieder hinaus. Also kam er nur mit einer Kanne frischen Tee zurück. Im Zimmer war es dank dem Kohlebecken angenehm warm geworden. Ein Blick zu ihren Futons offenbarte ihm, dass Itachi sich bereits hingelegt hatte. Kisame stellte das Tablett mit der Teekanne und den dazugehörigen Schalen ab. Mit ruhiger Hand goss er etwas vom Tee in eine der Schalen und hielt sie Itachi hin. „Komm, trink“, sagte er leise. Der Schwarzhaarige stemmte sich halb hoch und nahm ihm die Schale ab. Während dieser pustete und schluckweise trank, betrachtete Kisame das schöne schwarze Haar, welches Itachi nun offen über die Schulter fiel. Er liebte es einfach, es unterstrich Itachis eigentlich sanfte Art, die die meisten nicht bemerkten aufgrund seiner Distanziertheit.

Sasori wirkte zwar auch eher unnahbar, aber der kleine Rotschopf strahlte dabei keine Ausgeglichenheit aus, sondern eher unterschwellige Gereiztheit, als ginge ihm die ganze Welt auf die Nerven. Kisame verstand nicht recht, was Deidara an seinem Meister fand. Vielleicht lag es daran, dass Deidara den Kampf liebte. Das merkte man automatisch, wenn man mit ihm trainierte und hin und wieder ein beinahe irrer Glanz in den Augen des Blonden erstrahlte. Sein Meister wirkte auch nicht sonderlich friedlich. Den beiden lag nicht viel am Frieden, da war Kisame sich recht sicher. Aber das war auch nicht sein Problem. Er hatte Itachi und war glücklich mit ihm.

Die Teeschale fand ihren Platz wieder auf dem Tablett und Kisame legte sich neben Itachi auf seinen Futon, zog seine Decke jedoch noch nicht komplett hoch, sondern wartete, bis Itachi sich an ihn geschmiegt hatte, ehe er die Decke ordentlich über ihnen ausbreitete. Warm spürte er die Lippen des Schwarzhaarigen an seinem Hals, als er ihn dort küsste. Eine Art Itachis sich bei ihm zu bedanken. Locker legte er seinen Arm um dessen Schultern, vergrub seine Finger in dem dicken Haar. Es war verblüffend, wie anschmiegsam Itachi privat wurde. Selbst im Hochsommer, wenn es brütend heiß war und man Körperkontakt kaum ertrug, schmiegte er sich zum Schlafen an ihn und schien sich überhaupt nicht an der Hitze zu stören. Vermutlich lag das an seiner Herkunftsregion.

Kisame schloss seine Augen und wollte sich langsam entspannen, doch nicht viel Zeit verging und laute Stimmen drangen durch das obere Geschoss. Man verstand die Worte nicht, doch allein an der aufgebrachten Tonlage war zu erkennen, dass zwei verschiedene Meinungen heftig aufeinander prallten. Irritiert hoben sich seine Lider wieder und er lauschte. Itachi reagierte ebenfalls, hob er leicht den Kopf und sah Richtung Tür. „Das sind Sasori und Deidara“, murmelte er leise.

Kisame seufzte. Dann hatte Deidara seinen Meister jetzt wohl gefragt, warum er nicht mit ihm das Nachtlager teilen wollte. „Lassen wir sie. Das müssen sie allein klären“, erklärte er leise, woraufhin er einen fragenden Blick von Itachi erntete. Knapp erzählte er seinem Partner, dass Deidara ihn um Tipps gebeten hatte. Daraufhin nickte Itachi zustimmend. „Das müssen sie allein klären“, murmelte er nur noch rau, gefolgt von einem Husten. Müde ließ er seinen Kopf wieder gegen Kisames Schulter sinken.
 

__________________________

So, und weil ich Itachi doch sehr vernachlässigt habe, bekommt er jetzt mit Kisame ein eigenes Kapitel :3

Dem Meister widerspricht man nicht

„Ich hab doch gesagt, dass es dich ärgern wird, hm“, schnaufte Deidara. Die azurblauen Augen bohrten sich störrisch in ihn hinein. Sein Schüler hatte es tatsächlich gewagt, ihn nach dem Grund zu fragen, warum er nicht mit ihm schlafen wollte. Natürlich ärgerte ihn das. Jedoch schien der Blonde sich dieses Mal nicht mit einer harschen Zurechtweisung abwimmeln zu lassen. Sasori hatte geahnt, dass seine Frage vor einer Weile nicht ohne Folgen bleiben würde. Aber er hatte es verdrängt, um sich nicht damit auseinander setzen zu müssen. Diese merkwürdigen Gesten gehörten wohl auch zu Deidaras Plan.

„Meine Gründe gehen dich nichts an“, fuhr Sasori den Blonden an und verschränkte die Arme vor der Brust als eindeutiges Zeichen, dass er sich nicht umstimmen ließ und nicht diskussionsbereit war. „Und jetzt hör endlich auf, immer wieder damit anzukommen!“ Sasori reichte es allmählich. Seine Geduldsspanne war schon immer schnell erschöpft gewesen und jetzt strapazierte Deidara seine Nerven bis zum Äußersten.

Aber sein Schüler gab nicht nach. „Sie gehen mich sehr wohl was! Ich will wenigstens verstehen, wieso du mich nicht anrührst.“

Sasoris Augenbrauen zogen sich zusammen. Nein, er würde einem halben Kind nicht erklären, welche Gründe ihn zu seinem Handeln bewegten. „Zum letzten Mal, Deidara, es geht dich nichts an!“ Dieser Streit würde Folgen haben für Deidara. Er würde ihn so lange trainieren lassen, bis er froh war, sich hinlegen und ausruhen zu dürfen. Offensichtlich hatte Deidara nicht genug zu tun, wenn er an Beischlaf denken konnte.

„Was hast du für ein verdammtes Problem? Willst du nicht mit einem Mann das Nachtlager teilen? Oder bin ich für dich nicht attraktiv? Was ist es, hm?“ Deidara gab einfach nicht auf. Und seine Geduld war am Ende. „Du bist noch lange kein Mann!“ Sasori ballte seine Hand zur Faust und holte aus. Normalerweise war spätestens nach einem Schlag endlich Ruhe und es war selten nötig gewesen, den Blonden auf die Art zum Schweigen zu bringen. Doch Deidara blockte seinen Schlag. Wut spiegelte sich in dessen Gesicht wider. „Ich bin kein Kind mehr“, zischte Deidara. „Du wirst mehr als einen Schlag brauchen, um mich zum Schweigen zu bringen, hm.“ Für einen Herzschlag schillerte Irritation in Sasoris braunen Augen auf. Deidara hatte sich noch nie gegen ihn aufgelehnt. Mit der Hand griff der Blonde um und seine Finger schlossen sich um Sasoris Handgelenk. Ein Ruck durchlief seinen Körper und er taumelte auf Deidara zu, war ihm nun seiner Meinung nach viel zu nah. Noch immer konnte er nicht ganz fassen, wie sein Schüler mit ihm sprach.

„Sag es mir, Danna“, beschwor Deidara ihn und sein warmer Atem streifte seine Lippen. „Was ist dein Problem, hm?“

Sasori schwieg und überlegte, wie er seinen Schüler auf die schnellste Art davon überzeugen konnte, endlich von diesem Thema abzulassen. Schließlich umspielte ein ekelhaft überhebliches Lächeln seine Lippen und er drehte seinen Arm geschickt, sodass Deidara den Griff lösen musste, wenn er sich nicht das Gelenk auskugeln lassen wollte. In diesem Moment griff nun Sasori nach dem Blonden und schloss seine Finger eisern um die Handgelenke. Sein Fuß schlüpfte zwischen dessen Unterschenkel und er zog ihm ein Bein weg. Gleichzeitig warf er sich gegen ihn und brachte ihn so ohne große Probleme zu Fall. Nun kniete Sasori über dem Blonden. Deidara war zu überrascht und benommen vom Aufprall, um sofort zu reagieren. So nutzte Sasori seine Chance und führte Deidaras Arme über seinem Kopf zusammen, um sie mit nur einer Hand in Schach halten zu können. Die nun freie Hand legte sich grob in dessen Schritt und übte schmerzhaften Druck auf dessen Männlichkeit aus. Erschrocken weiteten sich Deidaras Augen. Ein qualvolles Keuchen ging allerdings in seiner Wut unter, die Sasori entgegen sprang, als sich die Augen seines Schülers wieder auf ihn richteten.

„Ist es das, was du willst? Für irgendwen die Beine breit zu machen wie eine Hure?“, fragte Sasori herrisch. „Wenn du es so nötig hast, such dir jemand anderen.“ Sasori begriff einfach nicht, warum Deidara darauf bestand, mit ihm das Nachtlager zu teilen. Er wollte sich irgendwem hingeben, für den er überhaupt keine tieferen Gefühle hatte. Allein der Gedanke machte Sasori rasend. Deidara verstand doch noch gar nichts von Liebe und solch intimen Gesten. Ansonsten würde er nicht regelrecht darum betteln, sich von ihm den Beischlaf zeigen zu lassen.

Der Rotschopf hatte gedacht, dass seine Reaktion nun endlich für Einsicht bei seinem Schüler sorgte. Jedoch schien das Gegenteil der Fall zu sein. „Ich bin keine Hure!“, knurrte Deidara. Eigensinnig begann er sich in seinem Griff zu winden. Und körperlich war er stärker, wie Sasori zu seiner eigenen Beunruhigung feststellte. Der Ältere hatte zwar die Erfahrung auf seiner Seite, doch nun ging es um rohe körperliche Gewalt und der Blonde war ihm überlegen. Seine Hände entwanden sich Sasoris Griff. Gezielt rammte er Sasori sein Knie gegen die Hüfte, sodass er vom Schmerz abgelenkt war und Deidara ihn von sich herunter schieben konnte. Im selben Atemzug rappelte er sich auf und drehte den Spieß nun um. Sasori fand sich plötzlich unter seinem Schüler wieder, der seine Arme gegen die Tatami unter ihm presste. Ein Bein schob Deidara über sein Knie, um wenigstens eines seiner Beine bewegungsunfähig zu machen. „Sag es mir, warum willst du nicht, hm?“ Deidaras Stimme duldete keine Ausreden.

Sasori könnte sich noch immer wehren, aber sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Deidaras Gesicht über ihm, das lange Haar, welches ihm über die Schultern fiel und die Haut an seinem Hals kitzelte. Die blauen Augen, die ihn gefangen nahmen. Plötzlich schienen die Zeiten ineinander zu verlaufen. Deidaras Gesichtszüge verschwammen und nun sahen ihn goldene Augen an, während braunes Haar über seine Haut strich. San war nie grob zu ihm gewesen. Eigentlich hatte Sasori keinen Grund, ihn zu hassen, betrachtete er die Vergangenheit rational. Doch so sehr er die Gefühle zu verdrängen versuchte, sie waren da. Und er hatte seinen Meister gehasst, weil er ihn in den Beischlaf eingeweiht hatte. Sasori hatte kein Interesse an ihm gehabt, hatte mit ihm nie intim werden wollen. Doch er war sein Meister gewesen und seinem Meister widersprach man nicht. Außerdem war er allein gewesen, wie Deidara. Nachdem er vom Tod seiner Eltern erfahren hatte, nahm San ihn bei sich auf, weil seine Großmutter zu alt gewesen war, um sich richtig um ihn zu kümmern und seine Samurai-Ausbildung war noch lange nicht abgeschlossen gewesen. Niemand hätte ihn geschützt, hätte er gegen seinen Meister gesprochen. Verständnis hatte er auch nicht erwarten können, genoss eine solche Lehrer-Schüler-Beziehung allgemein beträchtliches Ansehen. Darum hatte der Rothaarige sich irgendwann selbst befreit.

Doch in dieser Situation kamen die alten Gefühle der Hilflosigkeit und Abscheu hoch. Unsichtbare Klauen schienen sich um ihn zu legen, ihn zur Bewegungslosigkeit zu verdammen. Die frühere Schwäche klammerte sich an sein Herz und wollte es erdrücken. Übelkeit wallte in ihm auf. Sasori war nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen. Aus weit aufgerissenen Augen sah er hoch und versuchte Vergangenheit von Gegenwart zu trennen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Sein Körper bewegte sich einfach nicht.

Schließlich ließ Deidara ihn los und rutschte von ihm runter. Die Starre wich nur langsam von ihm, jetzt, wo kein Gesicht mehr über ihm schwebte. Jäh setzte Sasori sich auf. Zittrig fuhr er sich mit einer Hand durch das rote Haar und atmete tief durch. Seinen Schüler sah er nicht an. Den Blick aus den azurblauen Augen würde er jetzt nicht ertragen.

„Sasori no Danna, hm?“ In Deidaras Stimme lag Unsicherheit. Ihm war seine Veränderung also aufgefallen.

„Raus“, murmelte Sasori tonlos, doch mit einer Kälte in der Stimme, die tief in die unbehagliche Stille des Raumes schnitt. Er wollte allein sein. Deidara war viel zu weit gegangen.

Der Morgen danach

Je mehr Sasori sich sträubte, desto deutlicher wurde es für Deidara. Sein Meister hatte einen bestimmten Grund. Es ging nicht darum, dass er für ihn vielleicht nicht attraktiv war oder dass er ein Mann war. Irgendetwas anderes hinderte ihn, das war nun gewiss. Aber seine Reaktion erschreckte ihn, nachdem er ihn zu Boden gedrückt hatte. Er spürte, wie sich Sasori unter ihm komplett verkrampfte. Seine Augen waren weit aufgerissen und er schien zunehmend durch ihn hindurch zu sehen. Auf seine Frage bekam er keine Antwort. Für Sasori war diese Reaktion untypisch. Es wirkte, als sei er geistig gar nicht mehr anwesend. Verunsichert ließ Deidara ihn schließlich los und rutschte zurück. Aufmerksam beobachtete er seinen Meister, der sich nach ein paar Augenblicken wieder aufsetzte. Seine Hand zitterte, die durch das Haar glitt. Sasori sah ihn nicht einmal an. „Sasori no Danna, hm?“ War er zu weit gegangen? Ja, war er, aber er konnte einfach nicht mehr still sitzen und sich wie ein Kind von ihm behandeln lassen.

„Raus.“ Dieses eine Wort stach in seine Brust. Im Zimmer schien es merklich kälter zu werden. Noch immer kochte Zorn in Deidara, aber momentan brachte es nichts, weiter zu bohren. Schweigend erhob er sich und verließ erstaunlich leise das Zimmer.

Seine Füße trugen ihn den Korridor entlang die schmale Treppe hinab. Im Vorzimmer verharrte er schließlich. Wo sollte er nun hin? Über den Weg laufen wollte er jetzt niemandem. Es war ihm unangenehm, dass Sasori ihn aus ihrem gemeinsamen Zimmer rausgeworfen hatte. Und er hatte keine Ahnung, wann Sasori ihn dort wieder dulden würde. Vielleicht wollte sein Meister nie wieder das Zimmer mit ihm teilen. Aber er sah ein, dass er den Wunsch seines Meisters jetzt besser befolgen sollte, wenn er nicht alles zerstören wollte. Wie es nun weitergehen sollte, war ihm schleierhaft. Um nicht weiter mitten im Vorzimmer herum zu stehen wie eine Salzsäule, schritt er Richtung Seiteneingang, schlüpfte in seine Zori und verließ das Gebäude. Herbstliche Kühle schlug ihm entgegen. Jetzt wäre es schön, seinen Umhang zu haben, doch der lag in ihrem Zimmer. Mürrisch schweifte sein Blick umher und blieb am Pferdestall hängen. Oh nein, den Gefallen würde er Sasori nicht tun, sich wie ein jämmerlicher Hund im Stall zu verkriechen. Ziellos wanderten die blauen Augen weiter, streiften den Schuppen, der gar nicht erst in Frage kam, und verweilten schließlich beim Wald. Langsam trottete er zu den ersten Bäumen und ließ sich dort am Stamm einer Kiefer nieder. Durch das schwache Licht in dieser Neumondnacht konnte man ihn vom Anwesen aus nicht erkennen. Tief atmete Deidara die kalte Luft ein und lehnte seinen Kopf zurück. Missmutig betrachtete er die Sterne am dunklen Himmel.

Wie sollte das jetzt weitergehen? Er hatte doch nur eine Antwort von seinem Meister gewollt, warum er ihn nicht in den Beischlaf einweihen wollte. Doch stattdessen war alles eskaliert. Ihm war von Anfang an bewusst gewesen, dass es zum Streit kommen würde. Aus diesem Grund hatte er die Konfrontation ein wenig hinaus gezögert, um vielleicht noch eine bessere Idee zu finden, wie er es ansprechen könnte. Inzwischen war er sich sicher, dass es völlig egal war, wie er das Thema am besten aufgriff. Es hätte in jedem Fall an diesem Baum hier geendet.

Allmählich beruhigte sich Deidaras aufgebrachtes Gemüt. Seine Gedanken kreisten um das Geschehene. Sasori hatte panisch gewirkt, wie ein vor Angst erstarrtes Reh. Einen solchen Gesichtsausdruck hatte er noch nie bei seinem Meister gesehen. Hatte er etwa Angst gehabt, er würde ihm etwas tun? War es vielleicht das? War Sasori in der Vergangenheit gegen seinen Willen zum Beischlaf gezwungen worden? Es würde zumindest seine Abneigung erklären und seine Reaktion. Jedoch erklärte es nicht seine Worte. Der Rothaarige hatte ihm vorgeworfen, er wolle für irgendwen die Beine breit machen. Deidara empfand das als Beleidigung. Glaubte Sasori wirklich, er hätte so wenig Stolz? Doch wie sollte er diese Puzzleteile zusammensetzen? Irgendeine Information fehlte ihm, um einen anständigen Sinn hinein zu bringen.

Leise seufzte er. Was bedeutete er seinem Meister überhaupt? Sasori vertraute ihm nicht, nicht wirklich. Im Kampf harmonierten sie gut. Ohne Zögern überließ sein Meister ihm, seinen Rücken zu decken. Doch er sprach mit ihm nicht über persönliche Dinge. Einerseits gab ihm Sasori oft genug das Gefühl, einfach nur nervig zu sein, andererseits hatte er ihn bei sich aufgenommen, nahm ihn mit auf die Flucht, achtete im Kampf auf ihn und griff ein, wenn es für ihn kritisch wurde, und kümmerte sich um seine Verletzungen. So viele Widersprüche, die sich nicht enträtseln ließen. Dass er einem Kind nicht alles von sich erzählen wollte, konnte Deidara sogar nachvollziehen. Aber der Blonde war inzwischen kein Kind mehr. Offensichtlich sah Sasori das anders, hatte er ihm an den Kopf geworfen, noch lange kein Mann zu sein. Erneut huschte ein Seufzen über seine Lippen.

Bis weit in die Nacht hinein saß Deidara am Waldrand. Aber die Kälte trieb ihn irgendwann ins Gebäude zurück. Und weil alle schon zu schlafen schienen, rollte er sich im Wohnzimmer mit einer Decke aus dem Wandschrank zusammen. Am nächsten Morgen wurde er von Hidans üblich ruppigen Art geweckt. „Deidara-chan, was liegst du hier so dumm rum? Hat dein Meister dich rausgeschmissen?“

Der Blonde brummte nur und setzte sich langsam auf. Fahrig schob er sein zerzaustes Haar über die Schulter und sah Hidan aus müden Augen an, der vor ihm hockte. Erholsam war seine Nacht nicht unbedingt gewesen. Sein Körper fühlte sich steif an, entweder von der Kälte oder von dem harten Boden oder einer Mischung aus beidem.

„Boah, siehst du beschissen aus“, kommentierte Hidan sein Aussehen. Das musste der Größere ihm nicht explizit unter die Nase reiben. Deidara fühlte sich beschissen, da war es wohl nicht verwunderlich, wenn man ihm das ansehen konnte. Er war nicht Sasori, dem man meist nicht ansah, wie er sich fühlte.

Doch wieder hatte Deidara nur ein Brummen als Antwort für ihn. Die violetten Augen verdrehten sich genervt. „Kannst du auch mal was sagen und nicht nur dämlich rumgrunzen?“

Deidara hatte keine Lust, sich mit Hidan oder irgendwem anders auseinander zu setzen. Demnach erhob er sich mürrisch, warf Hidan die Decke über den Kopf, der natürlich lautstark protestierte, und verließ das Wohnzimmer. Im Vorzimmer verharrte er unschlüssig. Wo sollte er denn nur hin? Er fühlte sich, als habe man ihn seiner Heimat beraubt. Zwar lebte er nun hier mit den anderen, doch er hatte keinen Raum mehr, wo er schlafen konnte. Auf der Flucht hatten sie auch keinen Ort gehabt, an den sie zurückkehren konnten, doch es war anders gewesen. Sie waren umher gereist. Jetzt hingegen stand er eigentlich in seinem Heim und fühlte sich doch fehl am Platze. Ruhelosigkeit machte sich in ihm breit.

„Deidara?“

Er wandte sich halb in Richtung Küche, aus der Konans Stimme durch die offene Tür zu ihm drang. Sie winkte ihn zu sich. Konnte er nicht einfach seine Ruhe haben? Aber der Blonde trat zu ihr in die Küche. Er ahnte, worum es ging.

„Hast du die ganze Nacht im Wohnzimmer geschlafen?“ Knapp nickte er.Sie musste ihn gesehen haben, bevor Hidan ihn geweckt hatte.

Leise seufzte sie. „Ich habe den Streit gestern Abend mitbekommen“, begann sie ruhig. „Nenn mir einen, der ihn nicht mitbekommen hat, hm“, murrte Deidara sarkastisch. Das Gebäude war hellhörig genug. Vermutlich hatte niemand den Grund für ihren Streit verstanden, aber ihre Stimmen hatte definitiv jeder vernommen.

„Ich möchte mich auch nicht einmischen“, erklärte sie, schien sie wohl das Gefühl zu haben, dass der Blonde nicht darüber reden wollte. Ihm war das sehr recht und in diesem Moment schätzte er ihre Feinfühligkeit. „Aber beabsichtigst du, die nächsten Nächte auch im Wohnzimmer zu schlafen?“

Deidara zuckte mit den Schultern. „Soll ich im Pferdestall schlafen, hm?“ Seine Frage hatte einen ätzenden Unterton. In dem Moment trat jemand hinter ihn und verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Zornig fuhr er herum. Yahiko. „Ein bisschen freundlicher bitte. Sie macht sich nur Sorgen.“ Ärgerlich knurrte Deidara vor sich hin und sah dem Orangehaarigen nach.

Konan lächelte nachsichtig. „Nein, du sollst nicht im Pferdestall schlafen. Aber es wäre besser, wenn du deinen Futon dann aus eurem Zimmer holst und ihn im Wohnzimmer im Wandschrank verstaust tagsüber“, erklärte sie.

Ein wenig beruhigte der Blonde sich wieder und nickte. Das Zimmer würde er aber erst betreten, wenn er sich sicher war, dass Sasori nicht darin war. Wer wusste schon, was passierte, wenn er die Schiebetür öffnete? Vielleicht empfingen ihn gleich ein paar vergiftete Dolche. Deidara traute Sasori dieses Verhalten durchaus zu.

Der Blonde wandte sich ab, weil er das Gespräch für beendet hielt und trat in den Flur, um seine Zori anzuziehen. „Wo willst du denn jetzt hin? Es gibt gleich Frühstück.“ Konan streckte ihren Kopf aus der Küche. Er konnte förmlich spüren, wie sich ihr Blick aus den orangefarbenen Augen in seinen Rücken brannte.

„Raus, irgendwohin, hm“, murmelte er nur und schloss die Eingangstür hinter sich. Seine Füße trugen ihn schnell in den Wald hinein. Deidara war nicht nach Essen. Außerdem würde er dann Sasori begegnen und das war momentan das Letzte, was er wollte. Jedenfalls wollte er ihm nicht vor den anderen gegenüber treten. Im Wald schlug er den Weg zu dem kleinen Bergbach ein, wo er sich wusch. Das Wasser fühlte sich eisig auf der Haut an, aber irgendwie tat es gut. Sein Haar richtete er mit den Fingern einigermaßen. Ein wenig ziellos streifte er umher, ehe er doch wieder zum ehemaligen Onsen zurück kehrte und sich gegen die hintere Hauswand lehnte. Normalerweise trainierte Sasori hier mit ihm nach dem Frühstück. Deidara wollte sehen, ob sein Meister kam. Vielleicht ließ sich der Streit recht schnell klären. Doch je höher die Sonne am Himmel kletterte, desto mehr sank seine Hoffnung dahin. Sasori kam nicht. Stattdessen sah er ihn im Schuppen verschwinden. Der Rothaarige schaute nicht einmal zu ihm herüber, als sei Deidara gar nicht da. Leise seufzte er. Sein Meister wollte also nichts mehr mit ihm zu tun haben. Traurig stieß er sich von der hölzernen Wand ab und huschte möglichst unauffällig ins Gebäude, um seine Sachen aus ihrem Zimmer zu holen und im Wohnzimmerschrank zu verstauen. Anschließend griff er nach seinem Kampfstab, den er sich vor einer Weile besorgt hatte. Seine Miene verhärtete sich.

Gezielt suchte er nach Hidan. „Lass uns kämpfen, hm“, schlug er ihm vor. An Hidan konnte er sich richtig auslassen. Deidara brauchte Ablenkung und jemanden, an dem er sich völlig verausgaben konnte. Hidan war zwar langsamer als er, aber auch deutlich stärker und er hielt extrem viel aus. Genau das war es, was er nun brauchte, jemand, der ihn bis an seine Grenzen bringen konnte.

Zuerst wirkte Hidan ein wenig überrascht, dann grinste er. „Aber heul nachher nicht rum, wenn du blaue Flecken hast!“

Anstehende Schlacht

Ihr Weg führte sie weiter in den Osten. Nur Zetsu war bei Konan zurück geblieben. Es kam selten vor, dass fast alle Krieger von Akatsuki das Anwesen verließen. Kurz nachdem Itachi seine Erkältung überwunden hatte, brachte ihr Spion eine Nachricht von dem Daimyô Orochimaru. Er wollte die Stärke von Akatsuki in seinem Kampf gegen einen anderen Daimyô, Akahoshi[20], einsetzen. So weit sie wussten war Orochimarus Heer bereits sehr stark, jedoch auch vergleichsweise klein im Gegensatz zu Akahoshis Streitmacht. Für ihre Hilfe hatte er ihnen eine fürstliche Summe geboten, was der Grund gewesen war, wieso Yahiko letztendlich zugestimmt hatte. Itachi fragte sich, wie das werden sollte. Sie sollten zusammen arbeiten, doch jetzt würde vermutlich Deidaras Hass auf ihn nicht das entscheidende Problem werden, sondern die eisige Stille und Ignoranz zwischen dem Blonden und seinem Meister. Er hatte sie hin und wieder beim Trainieren beobachtet und wusste, wie stark die beiden waren und wie gut sie den jeweils anderen kannten. Solche Details konnte man am Kampfstil ablesen und sie konnten in einem Kampf über Leben und Tod entscheiden. Von Kisame hatte er gehört, dass sie seit dem Abend des Streites kein Wort mehr wechselten und Deidara im Wohnzimmer schlief. Außerdem trainierten sie nicht mehr gemeinsam. Deidara verprügelte nun mit Vorliebe offensichtlich Hidan, der daran auch noch große Freude zu haben schien. Oft genug hatte der Blonde auch seinen Partner um Trainingskämpfe gebeten. Kisame hatte ihm anschließend beunruhigt erzählt, wie rücksichtslos Deidara vorging. Jegliche Vernunft schien ihm völlig gleichgültig geworden zu sein. Doch Deidara wollte nicht mit Kisame darüber reden, als dieser ihn gefragt hatte, was genau zwischen ihm und Sasori vorgefallen war. Auch beim Essen war Deidara eher selten anwesend. Konan machte sich Sorgen um ihr jüngstes Mitglied. Sie hatte ebenfalls versucht, den Blonden zum reden zu bewegen, fruchtlos. Sasori wand sich aus jedem Gespräch mit Konan äußerst erfolgreich raus. Die anderen hielten sich einfach raus. So wie Itachi es ebenfalls tat. Vermutlich wären bis auf Kisame alle überrascht, wie viel er einfach nur durch stille Beobachtung von den anderen wusste. Vermutlich war er der einzige, dem wirklich aufgefallen war, dass Deidaras Augenumrahmung stärker geworden war. Es würde ihn nicht wundern, wenn er damit Augenringe vertuschen wollte. Oft genug wirkte das Weiß in seinen Augen leicht gerötet von geplatzten Äderchen, was durchaus vom Schlafmangel verschuldet sein konnte. Zudem waren seine Bewegungen beim Trainieren verändert, als fehle ihm ein Ruhepunkt. Der Streit musste sein Gleichgewicht durcheinander gebracht haben. Bei Sasori konnte er dieses Phänomen ebenfalls beobachten, allerdings war es bei ihm schwerer zu erkennen.

Auch der ein oder andere Gesprächsfetzen drang an Itachis Ohren. So wusste er von einem Gespräch zwischen Yahiko und seiner Frau, dass Konan dagegen gewesen war, Sasori und Deidara für diesen Kampf mitzunehmen. Doch Yahiko war der Meinung, dass sie ihre persönlichen Probleme hinten anstellen mussten für das Wohl ihrer Gruppe. Itachi konnte beide Standpunkte nachvollziehen. Sowohl Sasori als auch sein Schüler waren momentan mehr eine Gefahr für Akatsuki als eine Hilfe, vor allem aber Deidara. Doch Yahiko war ebenso im Recht, wenn er darauf beharrte, dass für den Erfolg der Gruppe die Gefühle in Zaum gehalten werden sollten.
 

Wenige Tage später erreichten sie die Burg von Nagoya, Orochimarus Sitz. Für einen Haufen herrenloser Rônin würden sie sehr höflich empfangen. Hin und wieder hatte Zetsu bereits von Orochimaru berichtet, doch jetzt, wo sie dem Daimyô im Empfangssaal gegenüber saßen, wurde Itachi klar, dass der Mann noch viel gefährlicher war als er vom Äußeren her wirkte. Seine bleiche Haut stand in krassem Kontrast zu dem schwarzen Haar, welches ihm seidig über die Schultern fiel. Schlangengleiche Augen musterten jeden einzelnen von ihnen gründlich und ein zufriedenes Lächeln zierte die schmalen Lippen.

Orochimaru wurde von zwei seiner Samurai flankiert, die er ihnen als Yakushi Kabuto und Kaguya Kimimaro vorgestellt hatte. Wie üblich sprachen momentan lediglich die jeweiligen Anführer, sodass Itachi still lauschte. Bei diesem ersten Gespräch ging es nicht um die Schlacht direkt. Man wollte man die andere Seite kennen lernen und austaxieren, ob man ihr trauen konnte. Demnach wurden ihnen anschließend Zimmer angeboten. Man würde gemeinsam speisen und wieder reden. Vielleicht würde es morgen zu einem ernsten Gespräch bezüglich der Pläne kommen, vielleicht auch erst übermorgen oder am Tag darauf.

Bei dem gemeinsamen Abendessen wurden ihnen weitere Samurai aus Orochimarus engstem Kreis vorgestellt. Sie alle erschienen ihm relativ jung. Kein einziger wirkte älter als 25 Jahre. Zum einen waren da die Zwillinge Sakon und Ukon, hinzu kamen Kidomaru und der dicke Jirôbô. Überrascht waren wohl alle Akatsuki über die rothaarige Frau Tayuya, die wie die anderen Männer die traditionelle Kleidung der Samurai trug. Des Weiteren war die Art zu reden in Itachis Ohren seltsam grobschlächtig für Samurai. Bei Akatsuki war Hidan der einzige, der ständig mit seiner ordinären Ausdrucksweise aneckte, aber hier fiel er nicht einmal negativ auf. Lediglich Kabuto und Kimimaro schienen neben dem Daimyô selbst eine höhere sprachliche Bildung genossen zu haben. Orochimaru umgab sich mit seltsamen Gestalten. Vermutlich wirkten sie selbst nicht anders, aber sie waren auch nur ein paar Rônin. Und die meisten von ihnen konnten sich gesittet ausdrücken.

Während köstliche Speisen aufgetragen wurden und sie mit ihrem Mahl begannen, entwickelten sich ein paar harmlose Gespräche. Itachi war einer derjenigen, der wie üblich schwieg und nur sehr knapp antwortete. Ähnlich hielt es der Rothaarige, was für Itachi keine Überraschung war. Verwunderlich war eher Deidara, der sonst vielmehr neugierig erschien. Gekonnt würgte der Blonde mit beißendem Sarkasmus jedes an ihn gerichtete Wort ab. So dauerte es nicht lange und niemand sprach ihn mehr an. Offensichtlich wurde er auch nicht weiter beachtet, weil niemand zu bemerken schien, dass Deidara sein Essen fast unberührt ließ. Was dachte sich der Blonde dabei? Glaubte er, einen Kampf mit leerem Magen zu gewinnen? Vielleicht sollte er Yahiko von seiner Beobachtung berichten. Deidara wurde zur Gefahr für sich selbst und für den Rest von Akatsuki mit seinem selbstzerstörerischen Verhalten.
 

Am nächsten Vormittag fand wie vorhergeahnt das erste Gespräch bezüglich der Schlacht und der Strategie statt. Akatsuki war komplett anwesend, während Orochimaru erneut lediglich von Kabuto und Kimimaro begleitet wurde.

Da sie sich im Flachland nahe der Küste befanden, war es mühselig, die Versorgung des feindlichen Heeres zu unterbrechen. Im Bergland gestaltete sich dies einfacher. Zudem setzte Orochimaru sowieso auf eine offensivere Angriffstaktik. Er wollte die Moral ihrer Feinde komplett vernichten und somit ihren Kampfgeist zerstören. Er beabsichtigte dies zu erreichen, indem er mit dem Großteil seines Heeres die Feinde in Schach hielt, während eine kleine Gruppe von hinten den Daimyô von Yoshida angriff und umbrachte. War der Kopf abgeschlagen, konnte der Körper nicht mehr kämpfen.

Vor allem die Älteren von Akatsuki mischten sich nun in die Diskussion ein. Itachi schwieg nach wie vor, war ihm momentan kein Strategiefehler aufgefallen oder eine bessere Idee gekommen. Erstaunlicherweise mischte sich Deidara schließlich ein und tippte auf die Landschaftskarte zwischen den aufgestellten Figuren, die Orochimarus und Akahoshis Heer kennzeichneten. „Ihr wollt Eure Gegner doch einschüchtern“, begann er an Orochimaru gerichtet. „Und ablenken von der Gruppe, die Akahoshi umbringen soll, hm.“ Abwartend lauschte Orochimaru. „Das ist korrekt.“ Nun waren alle gespannt, was folgen würde. „Erschrecken wir sie doch mit Explosionen, hm.“

Es war offensichtlich, dass niemand Deidara folgen konnte. Niemand außer Sasori. Itachi sah zu dem Rothaarigen und allein wie dieser die Augen verdrehte, musste er wissen, worauf Deidara anspielte.

„Und wie stellt Ihr Euch das vor, junger Krieger?“, fragte Orochimaru und die rauchige Stimme jagte einem jedes Mal wieder einen garstigen Schauer den Rücken hinab.

„Ich kann es Euch zeigen. Allerdings nicht hier drin. Ich brauche meinen Bogen und ein Tongefäß von ungefähr dieser Größe, was kaputt gehen darf, hm.“ Während der Blonde sprach zeigte er mit den Händen, welche Größe er sich für das Tongefäß vorstellte. Itachi ahnte inzwischen, worauf der Blonde hinaus wollte. Hin und wieder hatte er ihn komische Gefäße töpfern sehen. Nachdem diese ausgehärtet waren, hatte der Blonde Schwarzpulver eingefüllt und sie sorgfältig verschlossen. Zudem übte der Blonde regelmäßig Bogenschießen auf eine eher abstrakte Art. Er schmiss allerlei alte Gegenstände in die Luft und zielte dann auf sie. Sein Pfeil traf jedes Mal. Wie Deidara sich diese bizarre Idee angeeignet hatte, war wohl jedem schleierhaft, aber mit entsprechender Vorbereitung war sie für eine Schlacht gut zu gebrauchen.

Ein Diener unterbrach ihre Vorbereitungen. Orochimaru wollte ihn abwimmeln, doch es schien recht wichtig zu sein, sodass er ihn kurz eintreten ließ. Der Diener flüsterte ihm etwas ins Ohr und zog sich entschuldigend wieder zurück. Kritisch fiel der Blick des Daimyô auf Yahiko. „Mir wurde zugetragen, dass ein weiteres Akatsukimitglied gegen meine Tore hämmert und um Einlass plärrt.“ Seine Ausdrucksweise war beabsichtigt, lächelte Orochimaru anschließend süffisant. Itachi ahnte, um wen es sich handelte.

„Sicherlich Tobi“, erklärte Yahiko ruhig. „Ignoriert Ihn einfach. Der Mann folgt uns ständig. Er will zu uns gehören, aber Menschen wie ihn können wir nicht gebrauchen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er an: „Zurück zu Deidaras Idee.“

Sie verließen das Zimmer und wurden von dem Daimyô und seinen beiden Gefolgsleuten auf einen weitläufigen Trainingsplatz geführt. Derweil holte Deidara seinen Bogen, den Köcher und schleppte auch eine seiner seltsamen Tongefäße an.

Ein Diener war angewiesen worden, ein altes Tongefäß zu holen. Der Blonde erklärte zunächst nichts, sondern spannte die Sehne seines Bogens, nahm einen seiner Pfeile und hielt ihn zuerst nur zwischen dem kleinen und dem Ringfinger eingeklemmt. Mit der rechten Hand griff er nach dem Gefäß, wog es kurz in der Hand und warf es dann schließlich hoch in die Luft. Nun folgten seine Bewegungen schnell und routiniert. Innerhalb eines Herzschlages legte er den Pfeil konzentriert an die Sehne, spannte den Bogen, zielte und schoss. Die eiserne Pfeilspitze traf das Tongefäß. Es barst und die Bruchstücke fielen zu Boden. Nun wandte Deidara sich wieder an Orochimaru. Er nahm sein eigenes Tongefäß in die Hände. „Hier drin befindet sich genug Schwarzpulver, um eine Explosion auszulösen, wenn ich mit einem Brandpfeil darauf schieße, hm.“

Orochimaru betrachtete den Kleineren eingehend. „Wie weit könnt Ihr dieses Gefäß schleudern?“, fragte er nach.

„Ungefähr so weit wie das Gefäß eben, hm.“

Der Daimyô schien nachzudenken. „Trefft Ihr auch mit dieser beachtlichen Zielsicherheit, wenn jemand anderes das Gefäß wirft?“

Für einen Moment schien Deidara irritiert. Dann nickte er bestätigend. „Ja.“ Ab und an hatte er Kisame gebeten, den alten Krempel für ihn zu werfen. Sein Partner hatte ihm von diesem merkwürdigen Training erzählt. Jetzt erst ergaben diese ganzen Einzelheiten einen tieferen Sinn. Itachi konnte sich denken, was in Orochimarus Kopf vorging. Der Daimyô wollte die Distanz zum feindlichen Heer erhöhen, sodass mehr dieser explosiven Geschosse ihre Wirkung erzielen konnten.
 

_______________________________________

[20]Akahoshi: Bei Naruto ein Kage von Hoshigakure gewesen.

Am Ende des Kampfes

Am Tag vor der Schlacht nahm Deidara sein Pferd und ritt zum naheliegenden Strand. Sein Tier hatte er lediglich getrenst, aber auf den Sattel verzichtete er heute. Der Blonde war problemlos in der Lage, sich auch ohne Sattel auf dem Rücken eines Pferdes zu halten. Außerdem mochte er das Gefühl der geballten Kraft unter sich, wenn sich die starken Beine in den Boden gruben und sein Pferd über die Wiesen galoppierte. Tief beugte er sich über den starken Hals, um seinem Pferd mehr Bewegungsfreiheit zu gewähren. Der Gegenwind riss an seiner Kleidung und seinem Haar. Deidara liebte die Geschwindigkeit. Sie half ihm, seinen Geist von den vielen Gedanken zu befreien, die in ihm tobten.

Vom Weiten konnte er bereits die Bucht erkennen, die zum Meer hinaus führte. Deidara verlagerte sein Gewicht nach hinten und sein Pferd verlor an Geschwindigkeit, verfiel erst in einen schnellen Trab und ging schließlich in einen gemütlichen Schritt über. Nahe dem Strand hielt er das Tier an und sprang von seinem Rücken. Die Zügel schob er über den Hals und hielt sie locker in der rechten Hand. Ruhig folgte sein Pferd ihm zum Wasser. Die sanften Wellen leckten über den kühlen Sand. Im Sommer war es hier sicher herrlich, ein erfrischendes Bad nehmen zu können. Jetzt im späten Herbst pfiff der Wind eher rau den Strand entlang. Aber Deidara gefiel es hier trotzdem. Bevor er zum Rônin geworden war, hatte er auch oft den Strand nahe der Stadt besucht. Er liebte das schillernde Wasser, welches so friedlich in sich ruhen konnte, oder aber auch stürmisch aufgepeitscht gegen die Küste prallte. Vermutlich mochte er deswegen auch den Gott Ryûjin[21]. Ihm gefiel die Vorstellung, dass im Meer ein riesiger Drache hauste und wenn dieser wütend war, mit seinem Schwanz das sonst friedlich summende Wasser zerfurchte. Drachen waren stark, mächtig, weise und einfach faszinierende Geschöpfe. Schon als Kind hatte er seine Mutter immer dazu gedrängt, ihm Geschichten über Ryûjin zu erzählen.

Deidara wollte auch so stark werden, und unabhängig. Sein Meister sollte sehen, dass er nicht mehr das kleine Kind war, welches hinter ihm herrannte. Er konnte auf sich selbst achten und im Kampf würde er auch ohne Sasoris Hilfe bestehen. Der Rothaarige sollte ihn endlich ernst nehmen. Sein Blick verhärtete sich. Und er würde es ihm in der Schlacht morgen beweisen! Die Strategie stand fest. Orochimarus Krieger würden abwarten, bis die Männer von Akahoshi auf sie zustürmten. Dann schlug Sasoris Falle zu, die sie heute Nacht installieren würden. Dünne Stahlseile quer über den Boden gespannt, auf der einen Seite von starken Bäumen gehalten, auf der anderen Seite waren Vorrichtungen angebracht, die es ihnen erlaubten, mit dem Umlegen des Hebels die Seile im richtigen Moment zu spannen. Ihre Gegner würden hinein rennen und wenn sie sich nicht die Füße vom Körper trennten, brachte das Gift sie um. Aber das würde nicht alle aufhalten. Orochimaru kämpfte selbst im Zentrum umringt von seinen Männern. Vermutlich war das der Schlüssel zur Stärke seines Heeres. Es war ungewöhnlich, dass der Daimyô selbst zum Schwert griff und es nicht einem seiner Feldherren überließ, seine Krieger anzuführen. Die Männer sahen, für wen sie kämpften und dass ihr eigener Daimyô bereit war, sich demselben Risiko auszusetzen wie sie es für ihn taten. Dies stärkte den Zusammenhalt und den Kampfeswillen jedes einzelnen.

Kurz wanderten seine Gedanken zu Kimimaro. Er wüsste gern, woher Sasori ihn nun kannte. Der Weißhaarige war ihm bei ihrem Empfang sofort aufgefallen. Vor ein paar Wochen war er ihnen zusammen mit den anderen Samurai auf dem Rückweg von Ôsaka im Wald begegnet. Der Mann hatte sie genau gesehen und geschwiegen. Ob er zu dem Zeitpunkt schon gewusst hatte, dass sie von Akatsuki waren? Vermutlich hatte er sie aus genau diesem Grund nicht angegriffen. Orochimaru plante diese Schlacht garantiert schon seit Längerem und er wollte Akatsuki für sich nutzen. Also musste er sich mit ihnen gut stellen. Irgendetwas hatte Orochimaru auch von einem Monster gesagt, welches nur Kimimaro unter Kontrolle hatte. Dessen Stärke wollte er ebenfalls für die Schlacht nutzen.

Deidara würde zusammen mit Kisame und Itachi in einem Versteck abwarten und die Tongefäße auf Yahikos Zeichen über den Feinden zum Explodieren bringen. Kabuto begleitete die kleine Gruppe von Yahiko, die von Kakuzu, Hidan und Sasori flankiert wurde. Auf diese Weise ging Orochimaru wohl sicher, dass sie ihm auch wirklich Akahoshis Kopf brachten. So viel zur Strategie, aber nach dem Abschuss der Brandpfeile war auch für Deidara, Kisame und Itachi geplant, direkt in den Kampf einzugreifen. Und dann war sein Zeitpunkt gekommen, Sasori zu beweisen, dass er sehr wohl ein Mann war und kein Kind mehr. Vielleicht würde der Rothaarige ihn dann endlich akzeptieren. In den letzten Wochen war er auch stärker geworden durch das ständige Training mit Hidan und Kisame, die ihm an Körperkraft deutlich überlegen waren.

Dennoch machten Konan und Kisame sich Sorgen um ihn. Sie sollten nicht übertreiben. Und jetzt kam auch noch Yahiko hinzu, der ihm geraten hatte, ordentlich zu essen. Deidara aß doch, vielleicht nicht so regelmäßig wie sonst, aber ihm war auch einfach nicht danach. Er verspürte keinen Hunger. Doch er wusste, dass sein Körper Nahrung brauchte und deswegen aß er so viel wie er ertragen konnte. Das reichte. Schließlich ging es ihm gut.
 

Der Moment der Entscheidung war gekommen. Deidara verbarg sich mit Kisame und Itachi hinter ein paar Büschen nicht weit entfernt von Yahikos Gruppe, welche für die Aktivierung von Sasoris Falle zuständig waren. Ihre Taktik ging auf. Viele der feindlichen Männer liefen ahnungslos in die Stahlseile hinein. Die Reihen Akahoshis waren somit ein wenig ausgedünnt. Zwar waren sie immer noch in der Überzahl, aber Orochimarus Männer sahen sich keiner so großen Übermacht mehr gegenüber. Deidara war unruhig. Die Schlacht dauerte an, aber noch war kein Zeichen von Yahiko gekommen. Unstet kaute er auf seiner Unterlippe. Er wollte endlich kämpfen! Schließlich kam das ersehnte Zeichen und Yahikos Gruppe verschwand aus seinem Blickfeld. Deidaras Kopf ruckte zu Kisame und nickte. Während der Ältere nach dem ersten Tongefäß griff, nahm Deidara seinen Bogen und einen der Pfeile in die Hände. Bei den Pfeilen handelte es sich um spezielle Brandpfeile, in deren Spitzen eine Brennkammer eingearbeitet war. Dort wurde brennbares Material hineingestopft und mit Öl getränkt. Die Pfeilspitze hielt Deidara konzentriert in die kleine Flamme der mitgebrachten Öllampe. Mit einem kleinen Fauchen entzündete sich die Pfeilspitze. „Jetzt, hm“, wies der Blonde Kisame an und dieser warf das erste Tongefäß weit über das Schlachtfeld.

Nun endlich konzentriert legte Deidara den Pfeil auf sie Sehne, spannte den Bogen und zielte. Doch er wartete, bis das Tongefäß bereits wieder fiel und nur noch wenige Meter über dem Boden war. Jetzt erst schoss er den Pfeil ab. Zielgenau flog dieser auf das Gefäß zu, brach durch den Ton und entzündete das Schwarzpulver. Ohrenbetäubender Krach hallte über das Zentrum der feindlichen Streitmacht. Und die nahestehenden Krieger waren mindestens umgeworfen, wenn nicht sogar von der Explosion schwer verletzt worden oder gar tot. Rauch waberte über das Schlachtfeld und verhinderte einen klaren Blick auf die Geschehnisse. Die Verwirrung unter Akahoshis Männern war bis zu ihnen zu vernehmen.

„Nächstes“, wies Deidara Kisame knapp an und fachte einen weiteren Brandpfeil an.

Mehrere Explosionen später war die halbe Ebene in dichte Rauchwolken gehüllt, die sich durch den schwachen Wind nur langsam vertreiben ließen. Doch sie waren entdeckt worden. „Schluss jetzt. Wir wurden bemerkt“, erklärte Itachi ruhig und zog bereits sein Katana.

„Dieses eine noch“, beharrte Deidara und nickte Kisame zu. Es war das letzte Gefäß. Der Blauhaarige warf es dieses Mal nicht ganz so weit, sondern direkt nach den Kriegern, die auf sie zu rannten. Ein irres Lächeln huschte über Deidaras Lippen als der Pfeil von der Sehne sirrte und das Tongefäß traf. Sie waren gerade weit genug weg, um die Druckwelle nur leicht zu spüren, aber nicht weiter beeinträchtigt zu werden. Deidara störte sich auch nicht an dem Krach, die anderen vielleicht schon, doch das war ihm gleichgültig.

Nun erhoben sich auch Kisame und Deidara mit den Händen an ihren Waffen. Geräusche waren aus der Rauchwolke vor ihnen zu hören und schließlich stürzten sich die überlebenden Krieger durch die Schleier auf sie zu. Klingen krachten aufeinander. Deidara ließ sich einfach in den Kampf treiben. Ausweichen, parieren, angreifen. Routiniert gingen die Bewegungsabläufe ineinander über und trieben seinen Gegner erst zurück, dann in den Tod. Er genoss den Triumph über die fremden Krieger und stürzte sich in das Kampfgetümmel. In seinem Kopf herrschte nur noch ein Gedanke, kämpfen. Todbringend schnitten seine Klingen durch Rüstungen, Fleisch und Knochen. Adrenalin pumpte in seinen Adern. Gnadenlos drängte Deidara sich tiefer auf die Ebene vor, empfand die verminderte Sicht durch die stinkenden Rauchschwaden eher als Herausforderung denn als Hindernis. Sah er nicht genug, lauschte er mit seinen anderen Sinnen. Wie viele Krieger er niederstreckte, konnte er anschließend selbst nicht sagen. Die Hiebe seiner Gegner erschienen ihm seltsam langsam wie die Bewegungen eines Ertrinkenden, der dem Meeresboden entgegen sank. Deidara kam erst wieder richtig zur Besinnung, als sich die Krieger Akahoshis zurückzogen. Fast ein wenig irritiert blickte er sich um. Die Rauchwolken waren inzwischen fast komplett zerstreut und gaben den Blick auf Yahiko und seine Gruppe frei. Kabuto hielt gut sichtbar in einer Hand den abgetrennten Kopf des gegnerischen Daimyô. Zügig ritten sie Orochimaru entgegen und die nun herrenlosen Krieger wichen vor ihnen zurück. Entweder begingen sie nun Seppuku, wurden ebenfalls zu Rônin oder suchten sich einen neuen Herrn.

Der Kampf war gewonnen. Neben Deidara tauchte Kisame auf. Schon wieder lag dieser besorgte Blick auf ihm, der ihn reizte. „Alles in Ordnung?“, fragte der Größere. Genervt schob Deidara sein Wakizashi in die Saya und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. „Natürlich, hm“, knurrte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder zum Schlachtfeld. Der Boden war blutgetränkt. Überall lagen Tote oder Sterbende. Orochimarus Stimme hallte über sie hinweg und bot den ehemaligen Kriegern Akahoshis an, unter ihm zu dienen.

Erst nach und nach entwickelte Deidara wieder ein Gespür für seinen Körper und ihm wurde klar, warum Kisame ihn mit diesem sorgenvollen Blick bedacht hatte. Er zitterte vor Anstrengung und sein Atem ging keuchend über die Lippen. Erbarmungslos zog sein Katana in seiner Hand seinen Arm gen Boden. Der Rauch brannte rücksichtslos in den Augen. Es fiel ihm nun sogar schwer, seine Klinge in die Saya gleiten zu lassen und Itachi und Kisame zu den anderen Akatsuki und Orochimaru zu folgen. Deidara fühlte sich so erschöpft wie noch nie zuvor in seinem Leben. Die Schmerzen von den Verletzungen, die er offensichtlich erlitten hatte, setzten ihm ebenfalls zu.

Für einen Moment verharrte Deidaras Blick auf einem riesigen Krieger mit orangefarbenem Haar, der neben Kimimaro stand. Der Mann war in einen schlichten Jinbei[22] gekleidet. Seine Kleidung war getränkt vom Lebenssaft ihrer Gegner und nur an manchen Stellen konnte man erahnen, dass der Stoff wohl einmal hellgrau gewesen war. Von dem Dôtanuki[23] in seiner Hand flossen feine rote Tropfen zu Boden und bildeten neben den nackten Füßen eine Lache. Das war wohl das Monster, von dem der Daimyô gesprochen hatte.

Orochimaru ordnete den Rückzug an und auch Akatsuki begleitete das Heer Richtung Nagoya. Deidara sah zu Sasori rüber. Der Rothaarige war unverletzt wie meistens nach einen Kampf. Doch auch jetzt würdigte sein Meister ihn keines Blickes. War er denn nicht stark genug gewesen?

Wie Deidara den Weg bis zur Burg bewältigte, wusste er nicht genau. Seine Beine trugen ihn irgendwie noch bis in sein Zimmer. Dann musste er eingeschlafen sein. Stunden später wachte er von Schmerzen geplagt auf und stellte fest, dass Kisame bei ihm war und seine Verletzungen verband. Entkräftet stemmte er sich hoch und riss dem Älteren die Verbände aus der Hand. „Kann ich selbst, hm“, schnaufte er.

Kisame überließ ihm die Verbände und sah ihn ernst an. „Aber mach es ordentlich“, ermahnte er ihn noch, ehe er sich erhob und das Zimmer verließ. Erleichtert atmete Deidara auf, sobald er alleine war und ließ die Hände in den Schoß sinken. Sasori ignorierte ihn nach wie vor. War er nicht gut genug? Dabei trainierte er so hart und hatte so standhaft gekämpft in der Schlacht. War das alles sinnlos gewesen? Resigniert verband er seine Wunden.
 

Am Abend wurde ein großes Siegesfest gefeiert. Der Sake floss und herrliche Speisen wurden dargeboten. Aber Deidara blieb nur gerade so lange, um nicht als unhöflich zu gelten, dann zog er sich zurück. Ihm war nicht nach Feiern. Stattdessen nahm er seine Waffen und ging auf den in der Dunkelheit des Abends verlassenen Trainingsplatz der Burg. Die Verletzungen waren nur oberflächlich, weswegen er sie einfach ignorierte. Er war nicht stark genug. Sasori sah ihn nicht als gleichrangig. Der Blonde musste noch stärker werden. Obwohl hin und wieder seine Umgebung vor seinen Augen verschwamm, trainierte er bis weit in die Nacht hinein, ehe er sich abgekämpft schlafen legte. Doch Deidara fand einfach keine Ruhe. Seit dem Streit konnte er nicht mehr durchschlafen und lag jede Nacht wach. Wie hatte er früher überhaupt sein inneres Gleichgewicht halten können? Und wie sollte er wieder zu der Ausgeglichenheit zurückfinden? Vielmehr trieb er hin und her auf der Suche nach dem Ruhepunkt, der ihm entrissen wurde. Jede Nacht endeten seine müden Grübeleien in der Frage, ob Sasori ihn überhaupt je wieder akzeptieren würde, bis Erschöpfung ihn zu ein paar wenigen Stunden Schlaf zwang.

Am nächsten Morgen erklärte Yahiko ihren Rückzug. Sie hatten ihre Aufgabe erfüllt und Orochimaru zum Sieg verholfen. Ihre Belohnung hatten sie bereits erhalten und so machten sie sich auf den Weg in den Westen. Ein seltsamer Mann in schwarzem Hakama und schwarzem Gi verfolgte sie eine Weile hartnäckig. Um den Schultern lag ein grüner Schal, der aber wohl mehr Zierde sein sollte als tatsächlich einen wärmenden Zweck erfüllte. Yahiko nannte ihn Tobi und warnte ihn, Akatsuki nicht immer wieder zu folgen, ansonsten würde es irgendwann zum Kampf kommen. Das war also der Kerl, der zu Akatsuki gehören wollte. Bisher hatte Deidara nur hin und wieder von ihm gehört, hatte er sich noch nie an Sasoris und seine Fersen geheftet. Aber der Blonde hätte auf diese Bekanntschaft verzichten können. Der Kerl war bescheuert. Er sprach von sich selbst in der dritten Person und seine einzige Waffe schien ein Dolch zu sein, mit dem er sinnlos herum fuchtelte, nachdem Yahiko die Warnung ausgesprochen hatte. Irritiert sah er dem Schwarzhaarigen hinterher, als dieser plötzlich wegrannte, nur weil Yahiko seine Hand auf den Griff seines Katana sinken ließ. Das war wohl das einzige, was Tobi konnte, rennen. Doch hätte Yahiko ihn wirklich umbringen wollen, hätte er ihn zu Pferd locker eingeholt. Deidara verstand, wieso ihr Anführer diesen Verrückten nicht in der Gruppe haben wollte.

Ihr Rückweg verlief anschließend ereignislos. Abends trainierte Deidara für sich allein oder mit Hidan, nachdem sie sich einen geeigneten Platz für ein Nachtlager gesucht hatten. Kisame mied er momentan, weil dieser mit seiner ständigen Fragerei nervte. Manchmal plagten ihn jedoch Bewusstseinseintrübungen, die er aber auf seine Verletzungen schob. Sobald diese verheilt waren, würde sich das schon von selbst geben. Die langen Ritte ohne Pause tagsüber nagten ebenfalls an seiner Kraft und erschöpften ihn. Doch auch dies schob er stur auf seine Wunden. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichten sie schließlich das ehemalige Onsen. Deidara rutschte aus dem Sattel seines Pferdes. Von der schnellen Bewegung verschwamm seine Sicht. Reflexartig griff er in die Mähne seines Pferdes und hielt sich an seinem Tier fest. Seine Beine fühlten sich seltsam schwach an. Deidara schloss seine Augen, um sich wieder zu sammeln. Nur langsam bemerkte er, dass jemand ihn ansprach. Wie durch dicke Stoffe gedämpft drang Kisames Stimme zu ihm durch.

„Geh rein, ich kümmere mich um dein Pferd.“

Kisame hatte leider Recht. Nicht einmal richtig stehen konnte er mehr. „Hm“, murmelte er leise und löste sich vorsichtig von seinem Pferd. Der Schwindel hatte sich zurückgezogen, doch der Blonde spürte ihn am Rande seines Bewusstseins noch immer. Kraftlos schlurfte er rüber zum Haus. Jeder Schritt wurde zu einer Quälerei, schienen Gewichte an seinen Füßen zu hängen. Kaum öffnete er die Eingangstür, hörte er Schritte näher kommen. Langsam streifte er die Zori von seinen Füßen und schleppte sich ins Vorzimmer.

„Deidara, was ist passiert?“, fragte Konan erschrocken. Genervt seufzte der Blonde. „Nur müde, sonst nichts, hm“, grummelte er matt. Selbst seiner Stimme schien die Stärke der Entschlossenheit zu fehlen.

„Aber…“ Deidara hörte gar nicht weiter zu, sondern schob sich an der Blauhaarigen vorbei. Schlafen. Er merkte gar nicht, dass seine Füße nicht den Weg zum Wohnzimmer einschlugen, sondern Richtung Treppe wollten. Weit kam er ohnehin nicht. Jegliche Kraft verließ seine Beine schlagartig. Der Korridor verlor sämtliche Farbe, ehe alles in einem befreienden Schwarz versank.
 

_________________________

[21]Ryûjin: auch Ôwatatsumi genannt; der Meeresgott; hat die Gestalt eines Drachen.

[22]Jinbei: traditionelle Kleidung von Jungs oder jungen Männern – das, was Deidara im Flashback trägt

[23]Dôtanuki: Schwerere Form des Katanas und selbst gegen Rüstungen sehr wirkungsvoll.

Eine Nacht voller Überlegungen

Innerlich irritiert näherte Sasori sich seinem Zimmer. Die Schiebetür war geöffnet und das Licht einer Öllampe drang in den Korridor. Der Rothaarige trat durch die Tür und ließ seinen Blick über das Szenario schweifen, welches sich ihm bot. Zetsu legte Deidara gerade auf einem Futon ab. Das musste der Futon seines Schülers sein, mit dem Zetsu kurz zuvor an ihm vorbei gelaufen war, als er das Gebäude betreten hatte. Zweifellos war der Blonde bewusstlos. Unweigerlich spürte er Sorge in sich aufwallen. Was war mit Deidara?

„Was geht hier vor?“, fragte er scheinbar gleichgültig.

Konan schritt an ihm vorbei mit einer Schüssel Wasser und einem Lappen. Strafend sah sie ihn an. „Dein Schüler ist zusammengebrochen“, erklärte sie kühl und kniete sich zu Deidara. „Danke für deine Hilfe“, sprach sie an den Grünhaarigen gewandt. Die Schüssel stellte sie neben dem Futon ab und legte den Lappen ordentlich dazu. Derweil zog Zetsu sich aus dem Zimmer zurück. Sasori öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch schloss ihn dann wieder. Kein Ton hatte seine Lippen verlassen. Sein Blick verharrte auf Deidara. Was war ihm entgangen?

Konan erhob sich wieder und trat dicht vor den Rothaarigen. Unheilvoll drang ihr Blick in seine braunen Augen. „Du wirst dich um ihn kümmern. Er ist dein Schüler. Vergiss deine Pflichten nicht“, erklärte sie ihm zwar ruhig, doch er spürte die Warnung hinter ihren ernsten Worten. Sasori war unfähig, sich zu bewegen, nachdem Konan die Tür hinter sich zugeschoben hatte und er nun mit Deidara allein war. Wochenlang hatte er den Blonden nicht ansehen können. Zu sehr hatte dieser ihn mit seinem sturen Drängen aufgewühlt. Wut auf Deidara und auf sich selbst kochte in ihm. Sein Schüler hatte ihn so leicht zu einer derart starken Reaktion getrieben. Niemals sollte Deidara gewisse Dinge aus seiner Vergangenheit erfahren. Und er selbst wollte auch nie die Fehler an seinem eigenen Schüler wiederholen, die er an seinem Meister gehasst hatte, wofür er ihn vergiftet hatte. Niemand war auf die Idee gekommen, er sei vergiftet worden. Sasori hatte es geschickt angestellt. Seine Lippen hatte er mit dem Gift benetzt. Natürlich hatte er zuvor das Gegenmittel zu sich genommen, um die Wirkung zu neutralisieren, während die tödlichen Wirkstoffe über den Speichel in Sans Kreislauf gelangt waren und ihn langsam von innen zerfressen hatten. Natürlich war jeder davon überzeugt gewesen, dass Sans Musterknabe unschuldig war. Doch seine Vergangenheit war jetzt nicht wichtig. Deidara brauchte ihn hier in der Gegenwart. Er hätte ihn nicht wochenlang allein lassen dürfen.

Der Rothaarige löste sich aus seiner Starre und trat zu dem Blonden, kniete sich neben ihn und musterte ihn eingehend. Seine Haut war fahl und glänzte leicht. Sanft legte Sasori seine Hand auf dessen Stirn. Deidara glühte. Leise seufzte er und schob das blonde Haar komplett aus seinem Gesicht. Seine Wangenknochen traten ein wenig stärker hervor. Hatte er abgenommen? Deidara war oft nicht zum Essen erschienen. Aber für so dämlich hatte er ihn nicht gehalten, dass er einfach Mahlzeiten ausfallen ließ. Sasori sollte ihn besser eingehend untersuchen, bevor er etwas übersah. Selbst er hatte mitbekommen, dass sein Schüler ein paar Verletzungen von der Schlacht davon getragen hatte. Behutsam streifte er ihm den Hakama und den roten Gi vom Leib. Anschließend löste er die Verbände. Missbilligend zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Die Wunden waren in der Tat nicht ernst und eher oberflächlich, aber sie heilten schlecht. Nach einer Woche hätten sie schon besser aussehen müssen. Hatte Deidara sich nicht ordentlich darum gekümmert? Oder lag es an seinem allgemein schlechten Zustand? Wieso ging sein Schüler nur immer so sorglos mit sich selbst um? Bereits früher war ihm diese leicht selbstzerstörerische Art aufgefallen.

Sasori holte seine Wundsalbe und frische Verbände aus dem Wandschrank. Sorgfältig verteilte er die Salbe an den Wundrändern. Danach verband er die Verletzungen wieder und zog Deidara einfach seinen zweiten Schlafyukata an, damit dieser nicht fast nackt unter der Decke lag. Er wollte jetzt nicht ins Wohnzimmer hinab gehen und die Kleidung des Blonden holen. Den Lappen tauchte Sasori in die Schüssel mit kühlem Wasser, wrang ihn aus und faltete ihn ordentlich, ehe er das Stück Stoff auf Deidaras Stirn legte. Wie hatte Deidara nur so unachtsam sein können? Er hätte sich nach der Schlacht etwas ausruhen sollen, anstatt jeden Abend zu trainieren. Da sie als Gruppe gereist waren, war es schwer gewesen, nicht zu bemerken, wie er sich regelmäßig mit Hidan geprügelt hatte. Denn als Training wollte Sasori dieses anspruchslose Draufhauen nicht bezeichnen.

Konan brachte ihm etwas vom Abendbrot herauf und auch eine kräftige Brühe, sollte Deidara aufwachen. Zufrieden nickte sie ihm kurz zu und verließ das Zimmer wieder. Konan war im Recht. Er hatte seinen Schüler vernachlässigt. Dabei trug Sasori die Verantwortung für dessen Handlungen. Kaum hörbar entrang sich ein Ächzen seiner Kehle. Das durfte nie wieder passieren, wo er doch sonst so pflichtbewusst war. In Zukunft musste er seine Gefühle einfach besser unter Kontrolle halten. Deidara durfte ihn nicht noch einmal so aus der Fassung bringen.

Während der Rothaarige also über Deidara wachte, aß er seine Mahlzeit und griff sich anschließend das neue Buch, welches er aus Nagoya mitgebracht hatte. Wenigstens konnte er sich dieses Mal beschäftigen und musste nicht einfach nur daneben sitzen und warten.

In regelmäßigen Abständen prüfte Sasori Deidaras Temperatur und rieb sein Gesicht, seinen Hals und die Brust mit dem Lappen ab. Das Fieber stieg nicht weiter. Wenigstens etwas Gutes. Allmählich kämpfte auch der Rothaarige gegen die Müdigkeit. Seine Augen glitten zwar nach wie vor über die Buchseiten, doch den Sinn der aneinander gereihten Worte konnte er nicht mehr richtig erfassen.

Die unruhige Atmung seines Schülers lenkte seine Aufmerksamkeit schließlich wieder auf ihn. Sasori wandte sich ihm zu und legte das Buch beiseite. Den Lappen nahm er von Deidaras Stirn und prüfte mit seinen Fingern, wie warm er noch war. Nein, am Fieber lag es nicht. Eher unbewusst rutschten seine Finger ein wenig hinab und berührten nun leicht dessen Wange, während er konzentriert auf Deidaras Atmung achtete. Sie war zu unregelmäßig für einen Schlafenden. „Deidara?“, sprach er ihn leise an. Die schwarz umrahmten Lider zuckten und hoben sich wenige Augenblicke später halb. Glasige Augen starrten ihn an. Bevor Sasori ihn allerdings irgendwas fragen konnte, zeichnete sich ein müdes Lächeln auf seinen Lippen ab. „Hm… schöner Traum“, nuschelte der Blonde matt. Ein warmer Glanz erfasste die blauen Iriden. Sasori hielt inne. Sein Schüler war gar nicht richtig wach und hielt ihn für einen Traum. Sollte er ihn aus seinem Traum aufrütteln? Dieser innige Blick irritierte ihn jedoch. Und Deidara konnte seine Augen auch nicht mehr offen halten, senkten sich dessen Lider wieder. Mit der Hand rechnete Sasori nicht, die sich unter der Decke hervor schob und seine Finger an Deidaras Wange schwach umgriff. Deidara drehte seinen Kopf leicht und schmiegte sich nun mehr gegen seine Finger. „Ich will mit dir schlafen… nicht mit irgendwem…“, murmelte er kaum verständlich vor sich hin.

Sasoris Augen weiteten sich verstört. „Was?“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu Deidara. Denn von seinem Schüler würde er keine Antwort mehr erhalten. Er schien wieder eingeschlafen zu sein. Sein Griff hatte nachgelassen und so zog Sasori seine Finger vorsichtig zurück. Tief atmete er durch. Sein Herz pochte hektisch in seiner Brust. Deidara war nicht einmal richtig wach gewesen, vermutlich vernebelte das Fieber ihm die Sinne. Doch was dieser gesagt hatte, riss kräftig an seiner Fassade.

Seine Hände lagen nun im Schoß, während er Deidaras schlafendes Gesicht nachdenklich musterte. Im Traum sprach das Unterbewusstsein. Demnach konnte er Deidaras Worten definitiv Glauben schenken. Vielleicht hatte er seinem Schüler Unrecht getan. Deidara hatte in jungen Jahren bei seinen Eltern selbst erlebt, was Liebe war. So wie Sasori auch. Doch als Kind definierte man Liebe anders.

Sasori hatte Deidaras Fragen nach dem Beischlaf für unreife Neugier gehalten und er war nicht bereit gewesen nachzugeben. Den Fehler seines Meisters würde er nicht an seinem Schüler wiederholen. Außerdem würde er sich selbst verabscheuen, allein um seiner eigenen Bedürfnisse Willen bei seinem Schüler zu liegen, der sich ihm nur hingab, weil er sein Meister war. Deidara war in derselben Situation wie er damals. Er war allein und hatte nur ihn. Das war auch der Grund gewesen, wieso er Deidara überhaupt bei sich aufgenommen hatte. Der blonde Junge hatte ihn so allein am Grab seiner Eltern sehr an sich selbst erinnert.

Doch Deidaras Fragen schienen keine schlichte Neugier gewesen zu sein. Dieser warme Glanz in seinen Augen deutete auf tiefere Gefühle für ihn hin. Deidara schien im Unterbewusstsein sehr genau zu wissen, was er wollte und auch Liebe zu fühlen. Lediglich seine Ausdrucksweise war unbeholfen. Im Prinzip hatte der Blonde mit seiner Aufdringlichkeit deutlich gemacht, dass er bereit war für solche Intimitäten. Und eigentlich hätte Sasori bemerken müssen, dass es Deidara nicht nur darum ging, dass er ihm den Beischlaf als Meister zeigen sollte. Noch nie hatte der Blonde sich gegen ihn aufgelehnt. Es war ein Beweis dafür, dass er an Sasori selbst interessiert war und in ihm nicht nur seinen Meister sah, dem man gehorchen musste. Hätte Deidara keine tieferen Gefühle für ihn, wäre er vermutlich nicht so hartnäckig geblieben und hätte einen derartigen Streit provoziert.

Offenbar war sich Deidara jedoch seiner Gefühle nicht richtig bewusst und hatte sich deshalb so missverständlich ausgedrückt. Bei ihm war nur angekommen, dass Deidara wissen wollte, wie Beischlaf war. Mehr nicht. Natürlich ärgerte ihn das, würde der Blonde ihn damit in eine Rolle stoßen, die er verabscheute, sich jemandem ohne tiefere Gefühle intim zu nähern.

Allerdings konnte Sasori nicht länger an seinen alten Prinzipien festhalten. Sein Schüler wollte mit ihm das Nachtlager teilen. Es war keine banale Laune. Der Gedanke löste ein warmes Kribbeln in ihm aus. Nie hatte er sich erlaubt, auch nur zu hoffen, dass Deidara ähnliche Gefühle für ihn entwickeln könnte. Doch bevor er seinem Schüler nachgeben würde, musste er seine Aufmerksamkeit auf dessen Inneres lenken. Deidara sollte sich seiner Gefühle bewusst werden. Erst dann würde er ihm das geben, was dieser wollte.

Verspätete Erkenntnis

Deidara fühlte sich unglaublich matt. Wo war er überhaupt? Zuletzt war er im Flur an Konan vorbei getrottet und hatte die Schwärze alles eingenommen. Also lag er wohl im Wohnzimmer. „Deidara?“ Sein Herz machte einen Satz. Sasori. Warum war er bei ihm? Der Gedanke gefiel ihm natürlich. Der Rothaarige beachtete ihn wieder. Aber warum? Zuvor schien er sich völlig von ihm abgewendet zu haben.

Müde hoben sich seine schweren Lider und sahen in Sasoris Gesicht, welches über ihm schwebte. Noch sagte er nichts und wartete ab, wie der Rothaarige reagierte. Woher kam der Sinneswandel, ihm wieder Aufmerksamkeit zu schenken?

Sasoris Augenbrauen zogen sich zornig zusammen. „Wie kann man nur so sorglos mit sich selbst umgehen?“, zischte er auch schon. „Hab ich dir nicht schon oft genug gesagt, du sollst besser auf dich achten?“

Mit dem Ausbruch hatte er nun nicht gerechnet. Schon wieder bekam er das Gefühl, nur eine Last für den Rothaarigen zu sein, so wie dieser ihn gleich anfuhr, kaum dass er aufgewacht war. Seine Enttäuschung wandelte sich schnell in störrischen Trotz. „Du hast mir gar nichts mehr zu sagen“, knurrte Deidara mit rauer Stimme. „Du bist nicht mehr mein Meister, hm.“ Mühsam stemmte er sich hoch. Sasori sollte ihn endlich nicht mehr wie ein dummes Kind behandeln und das wollte er ihm auch deutlich zeigen mit seinen Worten. Würde ihr Verhältnis so bleiben wie es war, würde Sasori ihn sicherlich nie ernst nehmen.

Doch bevor er überhaupt versuchen konnte, sich komplett aufzurichten, legte Sasori eine Hand bestimmt auf seine Brust und drückte ihn auf den Futon zurück.

„Das entscheide ich, nicht du“, erwiderte der Rothaarige bestimmt. Irritation überschwemmte die blauen Augen. Sasori wollte ihn als Schüler behalten? Aber er hatte ihn die letzten Wochen wie Luft behandelt. Und so würde sich nie etwas an ihrem Verhältnis ändern. Eigentlich wollte er ihm Widerstand leisten, doch sein Körper war geschwächt. Für den Älteren war es kein Problem, ihn mit einer Hand unten zu halten.

„Ich nerv dich doch sowieso nur, hm“, brummte der Blonde stur und wandte sein Gesicht von Sasori ab. Er war wütend auf sich selbst, weil er so entkräftet Sasori nichts entgegensetzen konnte.

Das typisch genervte Seufzen drang an seine Ohren. Dann geschah etwas, womit er am allerwenigsten gerechnet hätte. Die Hand, die zuvor gegen seine Brust gedrückt hatte, damit er sich ja nicht erheben konnte, löste sich und strich leicht über seine Wange. Einen Herzschlag später legten sich die schlanken Finger um seinen Kiefer und Sasori zwang ihn, sich ihm wieder zuzuwenden. Verwirrung breitete sich in ihm aus. So hatte der Rothaarige ihn noch nie berührt. Unweigerlich fiel ihm auf, dass er schon wieder dunkle Ringe unter den Augen hatte. War Sasori etwa erneut nicht von seiner Seite gewichen?

„Deidara, was bin ich für dich?“ Sasoris Stimme war leise und die Gereiztheit war völlig aus ihr verschwunden. Es war typisch für den Rothaarigen, nicht auf seine Worte einzugehen. Diese Frage allerdings war ungewöhnlich. Es implizierte private Gedanken, ein Thema, welches Sasori so gern tot schwieg.

Ohne groß darüber nachzudenken antwortete Deidara: „Mein Meister, hm.“ Eigentlich hatte er sich von diesem Verhältnis lösen wollen, doch es rutschte ihm einfach heraus. Deidara war zu sehr daran gewöhnt, Sasori als solchen zu betrachten.

Besagter Meister war aber offensichtlich mit seiner Antwort nicht zufrieden. „Was noch?“, bohrte er weiter. Inzwischen höchst konfus blinzelte der Blonde. „Eeh?“ Angestrengt dachte er nach. Was wollte Sasori mit seiner Frage bezwecken? Ihm fiel so schnell nichts ein, was er als passende Antwort werten konnte. Und er wusste, wie ungern Sasori wartete. Dieser zog seine Hand nun auch zurück. „Denk drüber nach.“ Sein Meister setzte sich wieder aufrecht hin und deutete auf das Tablett neben sich. „Währenddessen kannst du das essen.“

Sasori erhob sich und ließ Deidara im Zimmer zurück. Perplex rappelte er sich langsam wieder auf und sah auf die geschlossene Schiebetür, durch die sein Meister soeben verschwunden war. Wo wollte er denn jetzt so schnell hin? Sein Blick fiel auf das Tablett. In die Schüssel war Suppe gefüllt. Ein wenig Hunger hatte der Blonde schon. Also griff er nach der Schüssel und dem Löffel und begann zu essen. Zwar war die Brühe kalt, aber sie tat wirklich gut und kräftigte ein wenig.

Seine Gedanken drifteten ab. Was meinte Sasori? Was sollte er noch sein? Er war der Mann, der ihn bei sich aufgenommen hatte, nachdem er seine Eltern verloren hatte. Er hatte ihm beigebracht, wie man richtig kämpfte, wie man überlebte. Deidara schätzte seine Gesellschaft. Eigentlich hatte er bisher immer gedacht, dass sie weiterhin zusammen bleiben würden. Für ihn hatte das festgestanden. Jedoch war diese Vorstellung in den letzten Wochen ins Wanken geraten. Dieses Gefühl, nicht erwünscht zu sein, hatte sich schmerzhaft in ihn gegraben.

Die inzwischen leere Schüssel stellte er wieder zurück auf das Tablett und legte die Hände in den Schoß. Ein weiteres Mal nagte Irritation an ihm. Er trug nicht seinen Schlafyukata, sondern Sasoris. Sein Meister mochte dieses Dunkelgrün. Nachdenklich sank er auf den Futon zurück und ließ seinen Arm über seinem Gesicht schweben. Wieso hatte Sasori ihm seinen Yukata angezogen? Noch so ein seltsames Rätsel. Aber allein die Tatsache hinterließ ein warmes Gefühl in ihm. Unwillkürlich schmiegte er sein Gesicht an den Stoff des Ärmels. Im Prinzip war der Yukata nicht anders als sein eigener. Aber er gehörte Sasori und er roch auch nach ihm. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Sasori roch oft nach irgendwelchen komischen Pflanzen, fast wie ein Arzt, weil er ständig mit seinen Giften herum hantierte. Es gehörte zu seinem Meister. Vermischt mit seinem Eigengeruch war er unverwechselbar.

Deidara ließ seinen Arm schließlich auf seine Brust sinken. Müdigkeit machte sich in ihm breit. Er fühlte sich momentan recht wohl. Sasori akzeptierte ihn anscheinend wieder in seinem Zimmer und er sprach wieder mit ihm. Nur wie er dessen Frage beantworten sollte, das musste er noch herausfinden. Über diesen Gedanken schlief er schließlich ein.
 

In den nächsten Tagen sorgte Sasori dafür, dass er sich ausruhte und ordentlich aß. Deidara gehorchte seinem Meister einfach. Er war froh, dass es zumindest wieder wie vor dem Streit war. Doch er grübelte noch immer über dessen Frage nach. Der Rothaarige hatte dazu zwar nichts mehr gesagt, aber Deidara war sich sicher, dass er eine Antwort von ihm erwartete. Aber was sollte er ihm sagen? Der Blonde tappte im Dunkeln. Ihm wollte keine Idee kommen, was Sasori von ihm hören wollte.

Schließlich beschloss er, wieder einmal Kisame aufzusuchen. Dieser hatte ihm bisher auch immer zugehört bei seinen Problemen mit seinem Meister und auch gute Ratschläge gegeben. Vielleicht konnte er ihm helfen. Als er den Größeren am Tisch fragte, ob er mit ihm zum Pferdestall kommen könne, mischte Sasori sich jedoch gleich ein. „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich ausruhen?“

Deidara schnaufte mürrisch. „Ein bisschen was kann ich doch machen, hm“, brummte der Blonde. So erschöpft war er nicht mehr. Sein Körper erholte sich gut. Kisame musste ahnen, was er wollte, denn er sagte: „Keine Sorge, Sasori. Ich achte darauf, dass er sich nicht überanstrengt.“

Den kurzen Seitenblick von Itachi bemerkte Deidara, saß der Schwarzhaarige neben seinem Partner. Wusste er davon, dass er Kisame um Ratschläge bat? Das wäre ihm gar nicht recht. Itachis ganze Art ging ihm auf die Nerven, wie er einfach meist nur schwieg und dann noch dieser nichtssagende Blick aus diesen schwarzen Augen, die alles zu durchschauen schienen. Er wollte nicht, dass Itachi etwas über seine Probleme wusste. Wobei er das wohl auch nicht verhindern konnte, wenn Kisame mit seinem Partner über alles sprach. Aber, konnte man mit Itachi überhaupt über alltägliche Kleinigkeiten sprechen? Der Kerl war doch still wie ein Fisch.

„Wehe, nicht“, warnte Sasori nur noch und gab somit nach. Deidara folgte Kisame zum Stall und half ihm, die Pferde hinein zu bringen. Die Arbeit war nicht beschwerlich und anschließend hockte er sich einfach auf einen der hüfthohen Balken, während er Kisame zusah. „Ich bin froh, dass du dich wieder normal verhältst“, erklärte Kisame. Deidara zog die Nase kraus. „Jaja. Fang du nicht auch noch an, hm.“ Der Ältere lächelte nachsichtig. „Und, was ist es diesmal?“, fragte er.

Tief atmete der Blonde durch. Natürlich war Kisame klar, dass er etwas von ihm wollte. „Sasori hat mich gefragt, was er für mich ist. Aber er war mit ‚Mein Meister‘ nicht zufrieden. Ich weiß nicht so recht, was er von mir erwartet, hm.“ Zum Ende hin war er leiser geworden und sah zerstreut auf etwas Stroh, welches am Boden lag.

Zuerst kam von Kisame auch keine Antwort. Deswegen hob Deidara seinen Blick und sah ihn fragend an. Doch der Blauhaarige schien nachzudenken, während er das Futter in den Trögen verteilte und Wasser in die großen Bottiche gab.

„Das ist nicht ganz einfach, weil ich seine Gedankengänge auch nicht kenne. Vielleicht kannst du dich darauf konzentrieren, was du willst“, erklärte Kisame schließlich. „Also wie du willst, dass euer Verhältnis sein soll, werden soll. Ich bin mir nicht sicher, ob dich das einer Lösung näher bringt, aber vielleicht hilft es dir ja, Sasoris Frage beantworten zu können.“

Grübelnd rieb Deidara sich über das Kinn. Was er wollte. War es das, was Sasori wissen wollte? „Hmmm.“ Was wollte er denn? Dass Sasori ihn ernst nahm, dass er bei ihm bleiben durfte, dass er ihn nicht noch einmal wochenlang ignorierte, dass er ihm seine Gedanken anvertraute, dass er ihn wieder so berührte wie vor ein paar Tagen und noch mehr, dass er mit ihm das Nachtlager teilte. War es das, was sein Meister hören wollte? Aber vielleicht gab das nur wieder Streit, wenn er ihm seine Wünsche so direkt erzählte. Sasori hatte ihn aus dem Zimmer geworfen, nur weil er ein zweites Mal nach dem Beischlaf gefragt hatte und sich nicht abwimmeln ließ.

„Vielleicht… hilft das, danke, hm“, murmelte der Blonde versunken und rutschte vom Balken runter, den er zu seinem Sitzplatz auserkoren hatte. Langsam verließ er den Stall. Sein Blick glitt zum sternklaren Nachthimmel hinauf. Ob ihm Kisames Vorschlag wirklich half? Das konnte er doch nicht frei heraus sagen, oder? Wenn er so darüber nachdachte, kam er sich kitschig vor. Als sei er verliebt, wollte man solche Dinge doch von der Person, mit der man sein Leben zu teilen gedachte. Schlagartig stieg ihm die Röte in die Wangen. War er vielleicht in Sasori verliebt? Wieso war ihm das bisher nicht aufgefallen? Sasori hatte ihn quasi mit der Nase draufstoßen müssen, indem er ihm diese Frage gestellt hatte. Aber bedeutete das dann nicht, dass sein Meister davon wissen musste? Oder ahnte er nur etwas und wollte sicher gehen? Seine Gedanken sponnen sich weiter. War das Sasoris Problem gewesen, als er den Beischlaf abgelehnt hatte? Wollte er nicht mit jemandem schlafen, der keine tieferen Gefühle für ihn hegte? Aber wenn dem so war, empfand Sasori dann auch Liebe für ihn… oder zumindest so etwas in der Art?

Deidara fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Das musste er jetzt erst einmal verarbeiten.

Bekenntnisse

Deidara saß im Kiza[24] vor ihm. Und dabei hasste der Blonde doch diese ganzen förmlichen Traditionen. Manchmal fragte Sasori sich, ob Deidara als Samurai nicht völlig fehlgeleitet war. Das Handwerk des Kriegers passte wirklich hervorragend zu ihm. Doch für den Blonden musste es wie eine Befreiung gewesen sein, keinen Herrn mehr zu haben und sich um diese ganzen zeremoniellen Dinge nicht mehr kümmern zu müssen.

Und ausgerechnet jetzt nahm sein Schüler die typische Kiza-Haltung ein. Deidara hatte ihn nach dem Abendbrot gefragt, ob er mit ihm reden könne. Doch von dieser Förmlichkeit war Sasori nun sehr überrascht. Abwartend ruhte sein Blick auf dem sichtbaren Auge. Deidara wirkte aufgeregt.

„Sasori no Danna, ich möchte deine Frage beantworten, was du für mich bist“, begann er schließlich. Zwar zeigte Sasori keine sichtbare Reaktion, aber nun war er doch sehr gespannt. Zwei Wochen hatte Deidara ihn auf die Folter gespannt. Nur wenige Tage später hatte er es bereut, ihn nicht einfach direkt gefragt zu haben, ob er ihn liebte. Doch er befürchtete, dass Deidara sich dann von seinen Worten hinreißen ließ und gar nicht über seine eigenen Gefühle nachdachte, was er wirklich wollte.

„Ich bleibe dabei. Du bist mein Meister. Aber ich möchte, dass sich unser Verhältnis vertieft. Ich möchte auch in Zukunft bei dir bleiben und ich möchte intime Gedanken und Gesten mit dir teilen.“ Nach einer kurzen Pause fuhr der Blonde leiser fort: „Ich …liebe dich, denke ich, hm.“ Deidara konnte ihm offenbar nicht länger in die Augen sehen, huschte sein Blick hinab zu dem Tatami zwischen ihnen. Den sanften Rotschimmer auf seinen Wangen sah Sasori zum ersten Mal. Es war immer wieder faszinierend, wie frei heraus Deidara seine Gefühle sagen konnte und wie gut man ihm selbige auch ansah.

Na endlich. Das hatte ja auch lange genug gedauert. Jedoch ließ er sich noch nicht zu einer eindeutigen Reaktion hinreißen. „Du denkst?“, hakte er nach und lenkte so Deidaras Augen wieder auf sich selbst. Langsam nickte dieser. „Das ist neu für mich… aber ich denke, das, was ich fühle, wird als Liebe bezeichnet, hm“, erklärte sein Schüler.

Ein seltenes weiches Lächeln umspielte seine Lippen, welches Deidara noch nie gesehen haben konnte. Entsprechend überrascht wirkte er nun auch. „Gut.“ Deidara war wirklich reifer als er angenommen hatte. Der Blonde war nicht so einfältig, sich darauf zu versteifen, dass er wirklich Liebe empfand. Er schloss es aber nicht aus, sondern zog es in Betracht. Und er zeigte mit seinen Worten auch, was er wollte, nämlich eine Beziehung, die über ihre jetzige hinausging. Allerdings war Sasori noch nicht gewillt, den Blonden einfach so in seine Gedanken einzuweihen. Vielleicht irgendwann, wenn ihm danach war. Momentan musste ihm das reichen, was er bereit war, ihm zu zeigen.

Der Rothaarige erhob sich halb aus dem Seiza[24] und beugte sich zu Deidara vor. Dessen Blick folgte ihm aufmerksam und so konnte er beobachten, wie sich seine Augen erstaunt weiteten, als er ihre Lippen vereinte. Deidara hatte damit natürlich nicht gerechnet. Sasori ging jedoch nicht auf dessen Überraschung ein, sondern ließ seine Lider sinken und schob seine Hand in Deidaras Nacken, damit dieser ihm nicht gleich zurückweichen konnte. Zwar glaubte er nicht daran, aber für seinen Schüler war diese Situation nun einmal neu. Das dicke Haar schmiegte sich seidig gegen Sasoris Handinnenflächen. Warme Wellen rollten durch seine Adern. Oft hatte er sich schon vorgestellt, wie es wohl wäre, ihn zu küssen. Ein wenig rau waren Deidaras Lippen. Allerdings passte das auch zu seiner ganzen Erscheinung. Noch ein wenig unbeholfen, aber wie üblich neugierig erwiderte der Blonde schließlich die Berührung und bewegte seine Lippen gegen Sasoris. Diese ungeschickte Neugier machte ihn wuschig, doch er wollte das Ganze langsam angehen. Deswegen riss er sich schließlich von diesen köstlichen Lippen wieder los und ließ sich in den Seiza zurücksinken. Seine Zungenspitze huschte kurz über seine Lippen. Deidara schmeckte gut. Und mit diesem weichen Schimmer auf den Wangen fiel es Sasori schwer, sich in Zurückhaltung zu üben. Das würde für ihn eine harte Geduldsprobe werden, eine äußerst harte. Schließlich konnte er seinen Körper nicht sofort mit Deidaras vereinigen. Zuerst musste er ihn an gewisse Berührungen gewöhnen.

Deidara schien seine Antwort auch zu verstehen. Seine nächste Frage ließ zumindest darauf schließen. „Wann machen wir weiter, hm?“ Ein Grinsen umspielte dessen Lippen. Dieser… freche Bengel. Aber was erwartete er auch von seinem Schüler? Es wäre nicht Deidara, würde er anders reagieren. Betont ruhig erwiderte er den forschenden Blick. „Wenn mir danach ist.“ Die Enttäuschung war dem Blonden anzusehen und sein Brummen bekräftigte selbige noch. Doch er gab sich vorerst damit zufrieden.
 

Wenige Tage später erhielten Sasori und Deidara eine Mission. Ihr Weg führte sie in den Süden auf die Insel Shikoku, die derzeit komplett unter der Befehlsgewalt eines sehr jungen Daimyô stand. Allerdings war nur logisch, dass wie üblich bei solchen Außergewöhnlichkeiten ein Verwalter eingesetzt wurde oder ein Rat, der die Regierungsgeschäfte übernahm bis der junge Mann mündig war. Zwar hatte Gaara ältere Geschwister, doch diese schienen in der Rangfolge keine große Rolle zu spielen. Vermutlich handelte es sich um Halbgeschwister oder aber sie waren adoptiert. Da kam es hin und wieder vor, dass am Ende doch die Blutsverwandtschaft entschied. Oder aber die beiden Älteren waren als ungeeignet eingestuft worden, den Titel eines Daimyô zu führen und zu verteidigen.

Ihr Ziel jedenfalls war der Verwalter Baki. Zetsu hatte ihnen berichtet, dass der Auftrag wieder einmal von Orochimaru kam. Yahiko erschien bereits skeptisch, hatte den Auftrag jedoch angenommen. Sasori konnte sich denken, was der Daimyô plante. Orochimarus Ehrgeiz eilte seinem zwielichtigen Ruf voraus. Er wollte wohl durch den Tod des Verwalters die Regierung auf Shikoku schwächen. Irgendwann würde er angreifen. Doch das war nicht so einfach, weil sie dafür über das Wasser mussten. Zwar pendelten regelmäßig Fähren zwischen Honshû[25] und Shikoku, doch man war ein paar Stunden auf dem Wasser unterwegs.

Weitere Informationen von Zetsu vereinfachten ihnen den bevorstehenden Mord hoffentlich. Jeden Sonntagnachmittag war Baki bei einer angesehenen Teeschule, um der Teezeremonie beizuwohnen. Auf dem Weg dorthin oder auf seinem Heimweg zurück in die Burg würden sie also ihre Chance nutzen. Und bis dahin suchten sie weitere nützliche Auskünfte und langweilten sich in Matsuyama. Sasori empfand jedenfalls so. Deidara nervte ihn bereits wieder, die Stadt zu erkunden, wenn sie eine Herberge gefunden hatten. Jedoch war die Reise recht anstrengend gewesen und Sasori würde sich gern ausruhen. Gegen eine gute Mahlzeit und einen heißen Tee oder Sake hatte er nichts einzuwenden, aber er plante sowieso bereits, die Stadt morgen zu erkunden. Immerhin mussten sie herausfinden, wo diese Teeschule lag und welche möglichen Wege von der Burg dorthin führten. Sie wussten grob, wie Baki aussah, aber diese wenigen Informationen reichten noch nicht. Nicht jedes ihrer Ziele gab so bereitwillig ihren Namen preis wie dieser Uzumaki-Bengel. Sie mussten sichergehen, dass sie den Richtigen umbrachten.

Doch alles nacheinander. Sasori wollte sich heute von den Strapazen der Reise erholen. Deidaras Unzufriedenheit darüber wurde nicht beachtet. Eine Herberge war schnell gefunden, ebenso war Sasori nicht gewillt, lange nach einem Laden zu suchen, um etwas zu essen. Der erste akzeptabel wirkende Imbiss tat seinen Zweck, sodass sie recht zügig in ihr gemietetes Zimmer zurückkehren konnten. Und weil Sasori nicht bereit war zu warten, ließ er sich zuerst das Bad der Herberge herrichten, um sich zu entspannen. Danach konnte sein Schüler es ihm gleichtun. Währenddessen streckte der Rothaarige sich in seinem Schlafyukata unter der Decke auf seinem Futon aus und rollte sich entspannt auf die Seite. Müde schloss er die Augen. Seine Waffen lagen in unmittelbarer Reichweite neben dem Futon. Sicherheitshalber legte er auch seine Unterarmschienen und die dünnen Handschuhe zum Schlafen ab, wollte er sich nicht aus Versehen selbst vergiften. Im ehemaligen Onsen trug er beides nur außerhalb des Gebäudes, war selbiges inzwischen zu seinem neuen Heim geworden und so trug er drinnen nur einfache Dolche und sein Wakizashi mit sich herum. Aber hier waren sie quasi in feindlichem Gebiet. Seine Waffen waren dann immer in greifbarer Nähe.

Sasori döste bereits, wurde aber wieder hellwach, als Deidara in ihr Zimmer kam und das Licht der Öllampe löschte. Das leise Rascheln sagte dem Rothaarigen, dass sein Schüler sich unter seine Decke legte. Gerade wollte er sich wieder dem erholsamen Schlaf widmen, da drang dessen Stimme leise zu ihm. „Sasori no Danna?“ Ein Brummen seinerseits war die Bestätigung, dass Deidara weiter reden durfte. “Warum hast du mich eigentlich nicht direkt gefragt, ob ich dich liebe, hm?“ Worüber Deidara sich Gedanken machte. Sasori schnaufte. „Du solltest selbst darauf kommen.“ Sein Schüler war nicht dumm. Ihm sollte nun klar werden, dass er nicht in seinen freien Willen hatte eingreifen wollen.

„Du wolltest mich also nicht beeinflussen, hm“, murmelte Deidara vor sich hin. Sasori reagierte darauf nicht. Wozu? Sein Schüler hatte schließlich verstanden. Erneut raschelte die Decke leise und er nahm an, dass Deidara sich einfach nur drehte. Doch plötzlich schmiegte er sich gegen seinen Rücken. Ein Arm legte sich locker über ihn. Warmer Atem streifte seinen Nacken. „Du kannst ja richtig rücksichtsvoll sein, hm.“ Die Stimme seines Schülers hatte sich weiter gesenkt und glich mehr einem Flüstern, einem neckenden Flüstern. Sasori knurrte drohend. „Übertreib es nicht.“ Seine Warnung betraf nicht nur Deidaras Worte, sondern auch sein Heranrücken. Er entschied, wann er intime Gesten mit dem Blonden teilen wollte. Allerdings schob er Deidaras Arm auch nicht zurück oder wies ihn an, sich wieder auf seinen eigenen Futon zurück zu rollen. Die Nähe fühlte sich angenehm behaglich an. Und Sasori war müde. Demnach durfte Deidara sich an seinen Rücken schmiegen, wenn er denn still war und ihn schlafen ließ. Außerdem wurde es so auch ein wenig wärmer. Auf Shikoku war das Klima allgemein milder, aber da sich das Jahr seinem Ende näherte, war es auch hier recht kalt geworden.

„Jaaa, Danna“, war Deidaras amüsierte Antwort auf seine Mahnung. Sasori spürte, wie sich dessen Stirn gegen seinen Nacken lehnte. Nur gut, dass sein Schüler ihm nun nicht ins Gesicht sehen konnte. Er würde sonst an seinem leichten Lächeln erkennen, dass ihm dessen Nähe sehr gefiel. Seine Mundwinkel wollten ihm einfach nicht mehr gehorchen.
 

________________________________

[24]Kiza/Seiza: Seiza ist die traditionelle japanische Sitzhaltung, bei der man kniend auf den Fersen sitzt, den Spann auf dem Boden, rechte über linke große Zehe, den Rücken gerade aufgerichtet. Die Seiza-Sitzhaltung kann für Ungeübte nach einer Weile schmerzhaft werden. Beim Kiza sitzt man so auf den Fußballen, dass die Zehen aufgestellt sind und nach vorne zeigen und das Gesäß auf den Fersen ruht; die Fußsohlen sind senkrecht und zeigen nach hinten. Durch die höhere Anspannung und Einsatzbereitschaft der Füße war dieser Sitz vor allem wichtig für Samurai in Bezug auf ihre Kampfbereitschaft, aber auch um diese und allgemein hohe Aufmerksamkeit demonstrativ bzw. zeremoniell zu zeigen.

[25]Honshû: die größte der vier japanischen Inseln Hokkaidô, Honshû, Kyûshû und Shikoku

Einigermaßen erfolgreiche Mission

Die Teeschule zu finden, war kein Problem gewesen. Lediglich der Weg dorthin könnte problematisch werden. Es gab mehrere Möglichkeiten, von der Burg aus zu dem Gebäude zu gelangen. Deidara und Sasori hatten sich nahe der Teeschule einen kleinen Imbiss ausgesucht, von dem man aus gut die Zugangsstraße beobachten konnte. Der Nachmittag schritt gemächlich voran, während sie auf der Bank saßen und heißen Tee tranken. Eigentlich wäre Deidara jetzt ein wenig Sake lieber, aber kurz vor einem Kampf waren alkoholische Getränke unklug. Außerdem hätte Sasori ihn für diese Idee vermutlich am liebsten mit dem Kopf voran in das kalte Meer geschubst.

Ein Seitenblick zu seinem Meister bestätigte ihm, dass dieser wie üblich genervt war von der ewigen Warterei. Sie wussten schließlich nicht, wann genau Baki zur Teezeremonie ging. Und man konnte Sasori inzwischen deutlich ansehen, dass er es leid war zu warten. Seine Fingerspitzen tippten immer wieder auf das Holz des Tisches neben seiner Teeschale.

Deidara fand es dagegen geradezu ungewöhnlich, weil Sasori sich so viel Zeit ließ in Bezug auf die intimen Gesten. Er hatte ihn hin und wieder geküsst, aber mehr war zwischen ihnen noch nicht passiert. Die Berührungen waren aufregend und er wollte so gern weiter gehen. Aber Deidara wagte auch nicht, einfach nach mehr zu fordern, wollte er seinen Meister nicht verärgern. Immerhin war er schon glücklich, dass Sasori sich endlich überhaupt auf ihn einließ und er durfte sich sogar an ihn schmiegen zum schlafen. Zwar wusste er nach wie vor nichts von seinen Gefühlen, doch auf sein Bekenntnis hatte er einen Kuss erhalten und das war für Sasoris Verhältnisse eigentlich schon mehr als man erhoffen durfte. Zumindest musste er ähnliche Gefühle für ihn hegen. Außerordentlich unüblich war außerdem das warme Lächeln, welches er ihm geschenkt hatte. Und es gefiel ihm, dass sein Meister ihm dieses Lächeln zeigte. So selten wie Sasoris Lippen sich zu einem Lächeln verzogen, war es unwahrscheinlich, dass außer ihm noch jemand dieses herrliche Lächeln je gesehen hatte.

„Deidara“, murmelte Sasori und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart. Unauffällig deutete er auf die Straße. Deidaras Blick folgte der Geste und er erkannte eine kleine Gruppe von Samurai in legerer Kleidung. Die waren definitiv privat unterwegs, andernfalls wäre ihre Kleidung deutlich prunkvoller. Momentan war nur an ihrem typischen Haarknoten und dem Katana und Wakizashi auszumachen, dass es sich um Samurai handelte. Einer der Männer passte auf Zetsus Beschreibung. „Zetsu hat nicht gesagt, dass er nicht allein zur Teezeremonie geht, hm“, murmelte Deidara und trank seine Teeschale in einem Zug leer. Allerdings würde sie das nicht aufhalten. Und er schätzte Sasoris Standpunkt richtig ein.

„Ich kümmere mich um Baki. Halt mir den Rücken frei“, sagte er ruhig, legte ein paar Yen für den Tee auf den Tisch und erhob sich. Bekräftigend nickend folgte er seinem Meister. Die sieben Männer bemerkten sie erst, als sie sich ihnen in den Weg stellten. Allesamt waren sie größer als Sasori und er selbst. Doch Deidara liebte diese Herausforderungen. Wieder einmal waren sie in der Überzahl. Das würde interessant werden.

„Geht aus dem Weg“, forderte einer der Samurai barsch, wurden sie für einfache Reisende gehalten mit den grauen Umhängen und dem Reishut. „Wir suchen den Verwalter Baki“, erwiderte Sasori ruhig. Einer der Männer amüsierte sich darüber. Der Mann, den sie für Baki hielten, zeigte sich unbeeindruckt. „Wenn ihr ein Anliegen habt, sucht meinen Sekretär auf“, erklärte der Mann desinteressiert. Also war dies der Verwalter. Mehr brauchten sie nicht.

Noch bevor einer der Samurai sie aus dem Weg drängen konnte, nahmen sie ihre Hüte ab, schlugen die Umhänge zurück und zogen ihre Katana. Jetzt wurde den Männern bewusst, dass sie es mit Kriegern zu tun hatten. „Die sind von Akatsuki“, vernahm Deidara. Die Stimme klang beunruhigt, aber gefasst. Zügig reagierten die Samurai und griffen ebenfalls nach ihren Waffen. Jedoch waren sie leicht im Nachteil, erkannten sie jetzt erst das ganze Ausmaß der Situation. Der Mann, der Sasori am nächsten war, verlor mit einem gezielten Schlag sein Leben. Ein anderer konnte dessen Angriff blocken. Sasori ließ die Klinge abgleiten und huschte geschwind an ihm vorbei, drang zu Baki vor und kreuzte mit diesem die Klingen. Deidara griff derweil den Mann an, den sein Meister einfach stehen gelassen hatte. Doch schnell musste er einsehen, dass sie die Männer vielleicht unterschätzt hatten. Sie waren sehr erfahren. Und in der Überzahl. Die ein oder andere oberflächliche Wunde musste der Blonde einstecken. Sein Blick lag konzentriert auf seinen Gegnern, konnte er sich nicht leisten, auch nur einen Herzschlag lang zu seinem Meister zu sehen, ob dieser sein Ziel bereits erreicht hatte.

„Deidara!“ Das war sein Stichwort. Der Blonde vollführte eine Finte mit seinem Katana und stieß mit seinem Wakizashi in den Arm seines Gegners, brach durch den halben Ring, der sich um ihn gebildet hatte. Dicht hinter sich drangen die vertrauten Schritte seines Meisters an seine Ohren. Sie mussten die anderen Männer schließlich nicht töten. Es ging einzig und allein um Baki. Sasori würde nicht den Rückzug anordnen, wäre die Aufgabe nicht erfüllt. Während sie um die Ecke in eine kleine Gasse rannten, schaute er kurz zurück. Baki lebte noch, schien aber schwer verletzt zu sein. Er würde nicht mehr lange atmen. Sasoris Gifte waren in so einer Situation äußerst praktisch. Niemand konnte dem Verwalter mehr helfen. In wenigen Minuten war er tot.

Doch die Hälfte der verbliebenen Samurai klebte nun an ihren Fersen, die anderen halfen Baki, vergebens. Sasori und Deidara hatten in den letzten Tagen die Gegend um die Teeschule gründlich erkundet. So gelang es ihnen nach einigen rasanten Gassenwechseln auf eine belebte Straße zu kommen. Dort schlugen sie ihre Umhänge wieder über ihre Waffen und verhielten sich unauffällig. Langsam schritten sie an den anderen Menschen vorbei und huschten schließlich in eine andere Gasse hinein. Dort beschleunigten sie wieder ihre Schritte und nahmen gezielt bestimmte Gassen. Erst, als sie sich sicher waren, dass niemand ihnen mehr folgte, hielten sie inne und sahen sich aufmerksam um. „Wir haben sie abgehängt, hm.“

Sasori wirkte allerdings unzufrieden. „Wir müssen sofort hier weg. Sie werden die Fähren und Straßen blockieren.“ Und dann war ein Fortkommen um einiges schwerer. Scheinbar ruhig traten sie in ihre Herberge, holten ihre Sachen aus dem Zimmer und zahlten für die letzte Nacht. Ihr Weg führte sie eilig aus der Stadt heraus. Wie erwartet mussten sie eine Straßensperre umgehen. Ungesehen huschten sie an den Wachmännern vorbei und liefen zur nächstbesten Fähre. Bereits von weitem sahen sie weitere Wachen. Die Samurai konnten sie so schnell wohl nicht mobilisieren. Die hier jedoch waren kein Problem. Unaufhaltsam näherten sie sich und die Männer wurden auf sie aufmerksam. Pflichtbewusst versperrten sie ihnen den Weg. „Es wurde angeordnet, dass niemand Matsuyama verlässt.“

Sasori hatte offensichtlich keine Lust zu diskutieren, ohne Vorwarnung zog er seinen vergifteten Dolch und stach ihm den Mann seitlich in den Hals. Allein die Wunde würde ihn töten. Das Gift beschleunigte das unaufhaltsame Schicksal lediglich noch. Alarmiert zogen die Männer ihre Waffen. „Verpisst euch oder ihr verreckt wie der da“, zischte Sasori genervt. Den Wachen musste klar sein, wen sie vor sich hatten. Sie waren gerade erst gewarnt worden und schon tauchten zwei Krieger auf. Doch sie gaben sich mutig. Deidara musste nicht einmal sein Katana ziehen, kümmerte Sasori sich allein um die paar schwachen Wachen. Nachdem der letzte zu Boden sank, richtete sich der Blick seines Meisters auf den verängstigten Fährmann. Der Mann zitterte. „Du wirst uns ans andere Ufer bringen“, befahl Sasori dem Fährmann. Hastig nickte dieser und machte die Fähre bereit, während sein Meister und er es sich auf den Holzplanken gemütlich machten.

Langsam setzte sich die Fähre in Bewegung. Sie beobachteten das Ufer noch so lange, wie ihnen jemand mit einem Bogen und Pfeilen gefährlich werden könnte. Doch sie hatten Glück, noch hatte niemand den Tod der Wachen bemerkt. Der Blonde ließ seinen Blick über das ruhige Wasser schweifen. Er wusste, dass Sasori unzufrieden war. Die Mission war nicht so verlaufen wie geplant. Ihr Rückzug hatte weniger überstürzt sein sollen. Durch die Samurai um Baki herum hatte sich der Angriff und dessen Tod deutlich schneller herum gesprochen.

Die Dunkelheit brach über ihnen herein, als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Ihre Pferde holten sie von dem Bauern ab, dem sie eine nette Summe angeboten hatten, damit er sich um ihre Tiere kümmerte. In einer einfachen Fähre konnten sie die nicht mitnehmen und sie wären für die Flucht eher hinderlich gewesen. Der Bauer bot ihnen an, über Nacht zu bleiben, aber Sasori lehnte strikt ab. Tratschte der Fährmann in diesem Dorf, war es aus mit der Erholung. Sie sattelten ihre Pferde und ritten weiter Richtung Norden.

Erst tief in der Nacht hielt Sasori in einem Wald an. Vielleicht hatte er bemerkt, dass Deidara müde war. Die Wunden nagten an seiner Ausdauer. An einem Baum am Rand der kleinen Lichtung banden sie die Pferde fest. Schnaufend ließ Deidara sich auf den kalten Boden sinken. Sasori kniete sich zu ihm. „Wo bist du verletzt?“, brummte er genervt. Der Blonde löste seinen Umhang und schob den Gi hinab, damit sein Meister die Schnitte sehen konnte. Die feinen Härchen an seinem Oberkörper und an den Armen richteten sich auf, weil die Kälte nun ungehindert in seine Haut beißen konnte. Kurz betrachtete Sasori die Wunden, griff dann in seinen Hirazutsumi nach der kleinen Dose und schmierte etwas von der Wundsalbe um die Ränder. Unweigerlich zuckte er vor Schmerz zusammen. Sorgfältig verband Sasori anschließend die Verletzungen. Ein kurzer Blick aus den brauen Augen reichte Deidara, um zu wissen, dass er sich wieder anziehen konnte. Erleichtert schlüpfte er mit den Armen in den Gi und richtete ihn. Danach zog er seinen Umhang enger um sich herum. Diese Nacht würde sehr kalt werden hier draußen. Ein Feuer konnten sie nicht machen, riskierten sie so, entdeckt zu werden.

Sasori lehnte sich gegen den Baum, der hinter ihm im Boden verwurzelt war, und trank etwas von ihrem Wasservorrat. Schweigend reichte er Deidara den Lederbeutel weiter, sodass dieser ebenfalls seinen Durst stillen konnte. Nachdem der Blonde genug getrunken hatte, verstaute er den Lederbeutel einfach wieder in Sasoris Hirazutsumi.

„Komm her“, murmelte der Rothaarige. Da Deidara nicht genau wusste, was Sasori nun vorhatte, rutschte er mit einem fragenden Blick in den Augen zu ihm. Dessen Hand legte sich in seinen Nacken und zog ihn mit einem Ruck näher zu sich. Ein wenig verwirrte ihn die Geste, wusste er nicht genau, was Sasori nun erwartete. Deidaras Gesicht befand sich nahe seines Halses und die Hand blieb beharrlich an ihrem Platz. Also rutschte er zwischen Sasoris Beine, um selbst einigermaßen bequem sitzen zu können. Gewissermaßen lag er nun eher halb an seinen Meister gelehnt. Tief atmete er durch und schloss geschafft die Augen. Sasoris Nähe entspannte ihn und er schmiegte seine Wange gegen die Schulter seines Meisters.

Ein wenig unerwartet war die Hand, die sich ihren Weg unter sein dickes Haar suchte und schließlich die Haut in seinem Nacken berührte. Ein Schauer durchzog seinen Körper. Deidara war empfindlich im Nacken, was unter anderem ein Grund war, warum er sein Haar so lang trug, schützte es seinen Nacken vor pfeifendem Wind, Kälte und Berührungen, die er nicht wollte. Doch Sasoris Finger an dieser Stelle fühlten sich unheimlich wohltuend an wie sie leicht auf und ab strichen.

„Schlaf“, hörte er die samtige Stimme seines Meisters dicht an seinem Ohr.

Gewöhnungszeit

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Raue Sturmnacht

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ärger am Frühstückstisch

Deidara war tatsächlich einfach eingeschlafen. Manchmal überraschte der Blonde ihn immer noch, obwohl er ihn schon so lange kannte. Vorsichtig zog er sich aus dem Körper seines Schülers zurück und legte ihn auf seinen Futon, säuberte ihn noch von ihrem intimen Erlebnis, ehe er ihn ordentlich anzog und die Decke über ihm ausbreitete. Erst jetzt kümmerte Sasori um sich selbst und sank schließlich auf seinen eigenen Futon, zog die Decke über sich und schloss die Augen. Angenehme Müdigkeit durchströmte ihn. Sasori fühlte sich momentan sehr ausgeglichen. Seine lang gehegten Sehnsüchte hatten sich in die Realität gewandelt. Solche innigen Eindrücke mit Deidara zu teilen, löste eine intensive Wärme in ihm aus, die er schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte.

Leise raschelte es neben ihm und der Blonde rutschte näher. Wie so oft in den letzten Wochen kuschelte er sich an ihn. Ein Arm schob sich locker über seinen Oberkörper. Kurz lauschte Sasori auf Deidaras Atem. Er schlief nach wie vor. Fast unbewusst legte der Rothaarige eine Hand auf dessen Unterarm und atmete tief durch. Müde senkten sich seine Lider.
 

Am nächsten Morgen wachte Sasori wie meist vor seinem Schüler auf. Bevor er allerdings aufstehen konnte, musste er selbigen erst einmal von seiner rechten Körperhälfte runterschieben. Das wurde ja immer besser. Wie lange würde es dauern und Deidara schlief auf ihm? Das musste er verhindern. Immerhin wollte er auch noch erholsamen Schlaf finden.

„Deidara“, brummte er und rüttelte an dessen Schulter. Angesprochener murrte verschlafen und streckte sich langsam. Sein rechtes Auge öffnete sich und blinzelte ihn verschlafen an. „Aufstehen.“ Gemächlich rollte der Blonde sich auf den Bauch und nuschelte: „Gleich, hmmm.“

Sasori beobachtete ihn kritisch. „Wie fühlst du dich?“, fragte er schließlich. Wie man sich nach dem ersten Mal fühlte, wusste Sasori nur zu gut, doch er wollte sichergehen, dass Deidara nicht vielleicht doch Schmerzen hatte. Eigentlich dürfte das nicht sein, war er sehr gewissenhaft mit ihm umgegangen.

Deidaras Augen waren wieder geschlossen, aber an seiner Mimik erkannte er, dass er nachdachte. „Ein bisschen komisch, hm.“ Die Antwort reichte Sasori allerdings noch nicht. „Keine Schmerzen?“, bohrte er demnach weiter. Der Blonde deutete ein Kopfschütteln an. „Nööö.“ Das freche, wenn auch noch verschlafene Grinsen ignorierte er einfach.

Gut. Dann war er beruhigt und konnte sich dem Tagesgeschehen zuwenden. Sasori erhob sich und verließ mit seiner Kleidung auf dem Arm das Zimmer, um sich im Bad frisch zu machen.
 

Hidan war wie üblich der Letzte, der am Frühstückstisch erschien. Oft genug musste Kakuzu ihn lautstark aus dem Bett werfen, damit der Silberhaarige überhaupt sein Zimmer verließ. Wer wusste, wie lange er schlafen würde, ließe man ihn. Sasori interessierte das wenig. Es ging nicht um Deidara, also war ihm diese Tatsache gleichgültig. Lediglich die Information speicherte er ab.

Vor wenigen Minuten war Kakuzu von seinem bis ins Esszimmer hörbaren Weckruf zurückgekehrt und sie begannen ihr Mahl, weil niemand mehr auf Hidan warten wollte. Dieser zeigte sich dann endlich etwas später. Keiner schenkte ihm besondere Beachtung, bis er sich lautstark an Deidara wandte, während er sich auf seinen Platz sinken ließ. „Boah, ich hoffe ernsthaft für dich und Sasori, dass ihr nicht jede Nacht so rumstöhnt!“

Sasoris Augenbrauen zogen sich missgelaunt zusammen und sein Blick verhärtete sich, allerdings war das seine einzige Reaktion. Hidan sollte besser schweigen, wenn er noch länger leben wollte. Und ihm wäre es auch lieber, würde Deidara darauf einfach nichts erwidern. Jedoch wunderte ihn nicht, dass der Blonde auf die Provokation ansprang.

Sein Schüler schnaubte genervt. „Wenn’f dir nischt pafft, schtopf dir Schtoff in die Ohrn, hm“, maulte er wieder einmal, während er kaute.

„Deidara…“ Sasoris Stimme war leise, doch der Unterton warnend scharf. Ob er ihn maßregelte, weil er mit vollem Mund sprach oder weil er so frei heraus über ihre gemeinsame Nacht sprach, war nicht ganz ersichtlich. Allerdings meinte Sasori beides. Er hasste es, private Angelegenheiten vor anderen zu diskutieren.

„Ihr könnt euch ja, verdammt noch mal, etwas zurückhalten! Euer beschissenes Privatleben will ich nicht hören!“ Hidan steigerte sich wider einmal in seinen Ärger hinein. Da er Deidaras altes Zimmer bewohnte, schlief er direkt neben ihrem Raum und hörte folglich auch als einer der ersten, was sie trieben. Sie konnten von Glück reden, dass es sich bei ihrem gemeinsamen Zimmer um einen Eckraum handelte und nicht auch noch auf der anderen Seite ein weiteres Zimmer angrenzte.

„Wo sollen wir es denn sonst machen?“, knurrte Deidara. „Ist mir doch scheißegal! Hauptsache ich krieg es nicht mit!“ Alle am Tisch sitzenden waren Deidaras und Hidans Streits gewöhnt, doch in der Regel mischte sich niemand ein, weil sie immer von kurzer Dauer waren. Wenig später vertrugen sie sich wieder, fast wie Geschwister. Doch das Thema fand allgemein am Frühstückstisch keinen sonderlich großen Anklang.

Konan mischte sich schließlich ein. „Könnt ihr das bitte nicht während des Essens klären?“

„Der hat angefangen, hm“, maulte Deidara und schob sich grummelnd etwas von seinem Reis zwischen die Zähne.

„Wenn das noch mal passiert, will ich ein anderes Zimmer!“ Sauer sah Hidan erst zu Deidara und Sasori, dann wanderte sein Blick weiter zu Yahiko. Und der zog es vor, sich in Schweigen zu hüllen und noch gar nichts zu entscheiden. Derweil drang aus Kisames Richtung ein leises Lachen.

Sasori knallte seine Reisschale auf den Tisch und erhob sich. Ein vernichtender Blick traf Hidan, der augenblicklich in sich zusammen zu sinken schien. Ruckartig wandte der Rothaarige sich ab und verließ das Esszimmer. Noch ein falsches Wort von dem Silberhaarigen und er würde ihm zeigen, mit wem er sich gerade anlegte. Denn diese Angelegenheit betraf auch ihn, wenngleich Deidara auf Hidan reagiert hatte. Es war für Sasori ein leichtes, Hidan zu vergiften. Er kannte dessen Kampfstil zur Genüge. Der Bursche war viel zu langsam, dass ihm auch seine ganze Kraft gegen den Rothaarigen nicht schützen würde.

„Sasori no Danna?“, hörte er Deidara irritiert hinter sich her rufen. Aber er reagierte nicht. Sasori wollte seine Ruhe haben. Im Vorflur streifte er seine Geta über und huschte durch die Eingangstür. Blendendes Weiß zwang ihn dazu, seine Lider für ein paar Herzschläge zusammen zu kneifen, bis seine Augen sich an den hellen Schnee gewöhnt hatten. Eine unberührte Schneedecke hüllte die Welt um ihn herum ein und vermittelte ein Gefühl von kalter Ruhe. Nur noch vereinzelt strichen schwache Windböen am Haus vorbei, wirbelten Schnee auf und ließen die feinen Flocken vor sich her tanzen.

Tief atmete Sasori die eisige Luft ein. Die Ruhe tat gut, um sein aufgewühltes Inneres zu besänftigen. Zielstrebig schritt er durch den Schnee zum Schuppen. Er würde seinen Giftvorrat auffüllen, die beste Tätigkeit, um sich nicht länger mit dieser lästigen Angelegenheit auseinander setzen zu müssen.

Wie viel Zeit verging, bis sich die Tür zum Schuppen öffnete, konnte Sasori nicht sagen. Aus den Augenwinkeln erkannte er das blonde Haar seines Schülers. Selten wagte Deidara sich in den Schuppen, weil Sasori sich nur sehr ungern stören ließ. Er blieb auch nahe der Tür in respektvollem Abstand stehen. Weise Entscheidung. Man sollte dem Rothaarigen während seiner Arbeit ruhig alles zutrauen.

„Was willst du?“ Seine Stimme machte klar, dass er sich gestört fühlte.

„Du bist sauer auf Hidan, oder?“, fragte Deidara beinahe vorsichtig. Sasoris Hand hielt inne, welche mit einer Kelle in dem vor sich hin kochenden Topf gerührt hatte. Einen Augenblick schloss er die Augen und atmete tief durch.

„Auf Hidan und auf dich“, erwiderte der Rotschopf schließlich und sah seinen Schüler nun direkt an. Deidara wirkte verwirrt. „Wieso auf mich, hm?“

Diese Frage. Die konnte nur von Deidara kommen! Genervt legte er die Kelle auf die Ablage neben sich und wandte sich ihm direkt zu. „Weil du dein loses Mundwerk nicht halten kannst“, zischte er gereizt. „Aber…“, begann Deidara, doch Sasori unterbrach ihn harsch. „Nichts aber! Du hättest ihn ignorieren können! Was geht die anderen unsere nächtliche Beschäftigung an?“

Sein Schüle murrte unwillig. „Sie haben uns eh gehört…“, widersprach er leise.

Genervt seufzte Sasori und fuhr sich mit einer Hand durch das kurze Haar. „Und?“ Sie waren gehört worden, dann würden sie eben nächstes Mal drauf achten, leiser zu sein. Aber das bedeutete nicht, dass ihre Beziehung am Tisch vor allen ausgebreitet und auseinander gepflückt werden musste. Denn spätestens jetzt wusste ganz Akatsuki davon, dass er mit seinem Schüler schlief, und er verabscheute diese Gewissheit.

Deidara ließ den Kopf sinken. Das blonde Haar rutschte in weichen Wellen über seine Schultern. „Ja, ist ja gut, Danna, hm“, murmelte er einlenkend. Die nachgebende Geste stimmte ihn ein wenig milder. „Sollte das noch mal passieren, ignorier es“, forderte Sasori. Seinem Schüler sollte nun klar sein, dass er fremde Einmischung überhaupt nicht schätzte und noch weniger, wenn auch noch darauf eingegangen wurde.

„Jaaa, Danna.“ Wie üblich zerrte Deidara die Zustimmung lang. Das machte er immer, wenn er nicht glücklich mit der Situation war oder aber ihn ein wenig reizen wollte. Sasori überging beides, weil Deidara dennoch seinen Aufforderungen nachkam.

Neues Jahr, neuer Auftrag

Der Winter zog sich allmählich zurück und die Sonne begann endlich wieder die Erde zu erwärmen. Kurz nach Shôgatsu[28] wurden Sasori und Deidara nach Edo[29] geschickt, um einen neuen Auftrag auszuführen. Sie sollten einen einflussreichen Samurai-Clan auslöschen. Welche Zwistigkeiten zwischen den Uesugi[30] und den Hojo[31] bestanden, ging Akatsuki nichts an. Es interessierte auch niemanden. Die Uesugi bezahlten sie gut für ihre Dienste. Jedoch hatten sie von dem Clan die Auflage erhalten, nicht öffentlich zu töten. Sie sollten Unfälle provozieren oder sie anderweitig umbringen, sodass kein direkter Mordverdacht aufkam. Dieses Vorhaben würde sich demnach über Wochen erstrecken, wenn sie Pech hatten. Für Deidara war diese Angelegenheit spannend, bedeutete es, Kreativität walten zu lassen und geduldig zu sein wie auf der Jagd. Allerdings sah sein Meister das anders. Sasori hatte bereits genervt die Augen verdreht, als Yahiko ihnen die Details erklärt hatte. Geduld war die größte Schwäche des Rothaarigen. Deidara war sich sicher, dass Sasori an einem zügig durchführbaren Plan feilte und auf selbigen bestehen würde.

Doch bevor er nach ihrem weiteren Vorgehen fragte, folgte er Sasori durch Edos Straßen. In einer unscheinbaren Herberge hatten sie sich bereits eingemietet, sodass sie nun den nächsten Imbiss suchten, um zu Abend zu essen. In einer Stadt wie dieser herrschte auch nach Sonnenuntergang noch geschäftiges Treiben. Deidara mochte das lebendige Pulsieren der Städte. Zwar war es in den Bergen bei ihrem Onsen auch schön, vor allem zum Jagen, aber Städte waren nicht minder aufregend. Wäre Ame nur etwas größer, würde er sich dort auch öfter aufhalten. Doch das Dorf am Fuß der Berge besaß noch nicht einmal eine Burg. Demnach freute sich Deidara über jeden Auftrag, brachten die meisten davon sie in große Städte.

„Sasori no Danna, wollen wir uns ein Theaterstück ansehen, hm?“, fragte er aufgeregt. Sie waren lange nicht mehr in den Genuss von Kunst gekommen, genauer gesagt, seitdem sie Rônin waren. Da sie sowieso mehrere Wochen in Edo verbringen würden, war ein Theaterbesuch doch eine nette Pause während ihrer Arbeit.

Ein schräger Seitenblick traf den Blonden. „Wir sind hier nicht zum Vergnügen.“

„Na und? Wir bleiben hier ein paar Wochen. Da wird es doch wohl nicht so schlimm sein, wenn wir mal eine Pause machen und ins Theater gehen. Außerdem weiß es ja niemand von den anderen, hm“, maulte Deidara.

„Ich habe nicht vor, allzu lange hier zu verweilen“, erwiderte sein Meister. Das hatte Deidara sich schon gedacht. Aber dennoch würde er gern mal wieder mit ihm ins Theater gehen. „Wir waren lange nicht im Theater, Danna.“ Sein Blick schweifte über die kleinen Läden, welche die Straße säumten, und die Menschen, die ihnen entgegen kamen.

„Dir sollte klar sein, warum das so ist, Deidara.“ Angesprochener schnaufte. „Ja, ich weiß. Aber dir hat das Theater doch auch immer gefallen, hm.“ Vielleicht konnte er ihn doch noch herumkriegen und zu einem Theaterbesuch locken. Immerhin kannte er Sasori gut genug. Der Rotschopf mochte das Schöne, das Künstlerische, ähnlich wie er.

Sasori antwortete jedoch nicht sofort, sodass Deidara ihn schließlich von der Seite ansah. Abrupt hielt sein Meister inne und er stolperte noch einen Schritt weiter, ehe auch er zum Stehen kam und dem Blick aus den braunen Augen folgte. Sasori hatte sich für einen Imbiss entschieden. Also würde es heute wieder einmal Ramen geben. Damit konnte er gut leben, solange es sich nicht um Reis mit gekochtem Fleisch und Gemüse handelte. Das mochte er gar nicht. Manchmal fragte er sich, ob Sasori überhaupt ein Gericht verschmähte. Ihm war noch nie aufgefallen, dass sein Meister bestimmte Speisen bevorzugte oder verabscheute. Sie betraten den Imbiss und setzten sich an einen der wenigen freien Tische.

„Meinetwegen“, stimmte Sasori schließlich zu und auf Deidaras Gesicht breitete sich ein triumphierendes Grinsen aus. „Solange es ein Puppentheater ist.“ [32] Seine Freude verblasste. „Warum denn ausgerechnet das Puppentheater? Können wir uns nicht ein Kyôgen-Stück ansehen, hm?“ [33] Deidara mochte die lustigen Theaterstücke viel lieber.

„Puppentheater oder gar nicht.“ In Sasoris Stimme lag Endgültigkeit. Er würde darüber nicht diskutieren. Entweder akzeptierte der Blonde nun oder sie würden gar nicht ins Theater gehen. Mürrisch stützte er seinen Kopf in der Handfläche auf. „Jaaa, Danna, hm“, murrte er vor sich hin. Deidara verstand einfach nicht, was Sasori an diesen Puppen so toll fand, die an Fäden von den Puppenspielern geführt wurden. Er wollte echte Menschen auf der Bühne, die ihn mitreißen konnten. Puppen waren weder lebendig, noch konnten sie seine Aufmerksamkeit fesseln.
 

Auf dem Rückweg in ihre Herberge zerrte Sasori ihn unerwartet in den tiefen Schatten einer schmalen Gasse. „Danna, was ist, hm?“, fragte er leise. Doch er erhielt keine Antwort. Dessen Augen waren starr auf etwas gerichtet. Deidara folgte der Blickrichtung und musste sich korrigieren. Sasoris Augen waren auf jemanden gerichtet. Dieses weiße Haar fiel wirklich überall auf. Kimimaro schritt nicht weit von ihnen die Straße entlang. Ihm folgten Tayuya, die Zwillinge Sakon und Ukon sowie Jirôbô und Kidomaru. Was machten Orochimarus Gefolgsleute in Edo? Sie gehörten zu seinen besten Kriegern wie Akatsuki inzwischen wusste. Bereits einmal waren sie ihnen über den Weg gelaufen. Die Krieger passierten die kleine Gasse und entfernten sich langsam, bis sie nicht mehr zu erkennen waren.

„Was wollen die hier, hm?“, fragte Deidara halb zu sich selbst und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Meister. „Vermutlich haben sie einen Auftrag“, murmelte Sasori. Das ergab durchaus Sinn. Vielleicht waren sie aber auch nur auf der Durchreise. „Hauptsache sie klauen uns nicht unsere Arbeit, hm“, grummelte er vor sich hin.

„Wohl kaum. Der Uesugi-Clan macht Orochimaru mehr Probleme als die Hojo“, kommentierte sein Meister und trat aus der Gasse heraus. Deidara folgte ihm und so setzten sie ihren kurzen Weg in die Herberge fort. In ihrem Zimmer angekommen, streifte der Blonde nachlässig seinen Umhang ab. Wie üblich fanden seine Waffen ihren Platz neben seinem Futon.

„Woher kennst du Kimimaro eigentlich, hm?“, fragte er schließlich, während er sich mit seiner getragenen Kleidung auf den Futon setzte und das missbilligende Brummen seines Meisters ignorierte. Deidara hatte nicht vergessen, dass Sasori gesagt hatte, Kimimaro käme ihm bekannt vor, als die Gruppe im Wald an ihnen vorbeigelaufen war. Doch bisher hatte er nicht weiter daran gedacht zu fragen, waren andere Dinge wichtiger gewesen.

„Ich habe Gerüchte über ihn gehört. Er führt schon eine Weile Aufträge für Orochimaru aus, allerdings hörte ich damals von einem Monster in seiner Begleitung. Ich nehme an, mit Monster ist Jûgo gemeint.“ Sie alle hatten das ehrfurchtsvolle Raunen gehört, welches durch die Reihen von Orochimarus Kriegern ging, als Jûgo an Kimimaros Seite auftauchte.

„Also hast du ihn vorher nicht selbst gesehen, hm“, fasste der Blonde zusammen. Dass er auf seine Worte keine sichtbare Antwort erhielt, störte ihn nicht weiter. Sasori reagierte nicht mehr, wenn Dinge zu offensichtlich waren, um sie extra noch einmal zu bestätigen.

Die azurblauen Augen verfolgten die schlanken Hände, seines Meisters die den Schlafyukata aus dessen Hirazutsumi fischten. „Wie willst du vorgehen?“, fragte der Blonde nun und bezog sich auf ihre aktuelle Arbeit. Sein Meister würde ihn schon verstehen, ohne dass er dieses Detail extra erwähnte.

„Wir sammeln Informationen, observieren ihr Anwesen und zünden es an, wenn alle schlafen.“ Sasori sprach nun sehr leise, damit niemand ihr Gespräch zufällig hören konnte, der im Flur an ihrem Zimmer vorbeischritt. Unzufrieden schnaufte Deidara. Das war typisch für Sasori. Sein Meister hatte sich bereits einen möglichst schnell umsetzbaren Plan ausgedacht. „Wie langweilig, hm“, brummte der Blonde. „Können wir sie nicht einzeln umbringen?“

Der Rothaarige sah zu ihm rüber und Skepsis schlug ihm entgegen. „Das wäre viel umständlicher. Ein Brand ist einfach, effektiv und kann jederzeit ausbrechen. Niemand kann hinterher sagen, ob er von den Bewohnern verschuldet ist oder gelegt wurde. Außerdem sollen die Tode wie Unfälle aussehen. Deine Kampftechnik bringt uns gar nichts. Und jeden einzeln zu vergiften dauert zu lange.“ Missmutig seufzte Deidara. Sein Danna hatte ja Recht, selbst dessen Gifte wären schwerer einsetzbar als ein einfaches Feuer. Man müsste den Opfern nahe kommen, um sie anzuwenden. Und wenn die ganze Familie einer nach dem anderen an einer seltsamen ‚Krankheit‘ starb, war das deutlich auffälliger als ein Brand, der von einem unvorsichtigen Dienstmädchen verursacht sein konnte.

Sie mussten nur dafür sorgen, dass das Feuer sich schnell ausbreitete und alle Fluchtwege aus dem Anwesen hinaus versperrte. Überleben sollte schließlich niemand.

„Beweg deinen Arsch. Wir gehen uns waschen“, forderte Sasoris Stimme ihn ungeduldig auf. Deidara sah zu seinem Meister, der bereits zur Tür trat. Dann langte er in seinen eigenen Hirazutsumi und zog seinen Schlafyukata daraus hervor.

„Jaaa, Danna“, kamen die Worte routiniert über seine Lippen. Deidara stemmte sich hoch und folgte seinem Meister.
 

_______________________________

[28]Shôgatsu: Japanisches Neujahrsfest. Früher wurde in Japan Neujahr gefeiert, wenn der Frühling begann, sozusagen wenn ein neuer Zyklus anfing nach dem Winter.

[29]Edo: Tôkyô wurde früher Edo genannt.

[30] Uesugi: berühmter Samurai-Clan

[31] Hojo: berühmter Samurai-Clan

[32] das japanische Puppentheater „Bunraku“ oder auch „Ningyo-Joruri“ wurde eigentlich erst nach 1650 in Ôsaka bekannt, aber ich habe es trotzdem eingebaut, weil ich nun mal den künstlerischen Streitpunkt beibehalten möchte.

[33] Kyôgen-Theater: Zusammen mit dem Nô-Theater, entwickelte sich das Kyôgen (wörtlich: "verrückte Worte"). Es wurde als ein Zwischenspiel zwischen den Akten des Nô aufgeführt. Das Kyôgen ist eine unterhaltsame Form, in der das Publikum zum Lachen gebracht werden soll. Ich trenne hier bewusst das Kyôgen vom Nô, weil ich der Meinung bin, dass Kyôgen viel besser zu Deidara passt als Nô.

Von Provokation und Vertrauen

Deidaras Idee, mal wieder in ein Theater zu gehen, hatte dem Rothaarigen gefallen, auch wenn er das nach außen nicht gezeigt hatte. Dass er nicht in ein flaches Stück gehen wollte, wo ihm Witze um die Ohren flogen und man Lacher erwartete, hätte der Blonde sich denken können. Sasori zog ein ernsthaftes Stück vor. Und die großen Puppen waren faszinierend, wie sie mit den Fäden gelenkt wurden. Während eines solchen Stückes war ihm vor langer Zeit die Idee gekommen, dünne Seile zu seiner Waffe zu machen. Sie waren fast unsichtbar, woraus er sich Vorteile verschaffen konnte. San hatte zu dem Zeitpunkt nicht mehr gelebt, ansonsten hätte wohl selbst sein Meister ihn für verrückt erklärt, als er sich Stahlseile besorgt hatte und eine Kampftechnik ausgearbeitet hatte, um selbige auch im Kampf zu nutzen.

Bevor sie sich allerdings ein wenig Kultur gönnten, observierten sie wochenlang den Hojo-Clan, um sich über ihre Gewohnheiten zu informieren. Sasori hasste diese Arbeit. Dafür waren Spione zuständig. Seine Ungeduld machte ihn reizbar. Ein Grund mehr, diesen Auftrag schnell hinter sich zu bringen. Er war Krieger! Akatsuki hätte Zetsu schicken sollen. Seine aufgeriebenen Nerven beruhigten sich erst ein wenig, als sie in den Theatersaal traten und sich auf zwei freie Stühle setzten. Heute Nacht führten sie ihren Plan durch und dann konnten sie endlich diese Stadt verlassen.

Wenig später begann das Stück und Sasori ließ sich in der Geschichte treiben, musterte die kunstvoll gefertigten und gekonnt geführten Puppen. Er versank gänzlich in der erzählten Welt. Demnach zuckte er erschrocken zusammen, als ihn plötzlich eine Hand aus dieser gespielten Welt heraus riss. Im ersten Moment wollte er seinen Dolch ziehen, bis ihm bewusst wurde, dass die Hand Deidara gehörte, welche sich gerade unter die seitliche Öffnung des Hakama stahl und Anstalten machte, unter seinen Yukata zu kriechen, sich dabei der empfindlichen Innenseite seines Schenkels näherte. Das Ziel war Sasori klar. Mit einem Ruck landete seine Hand auf Deidaras und hielt sie eisern fest.

„Deidara“, zischte er leise.

„Mir ist langweilig, hm“, murrte sein Schüler leise. Deshalb musste Deidara ihn noch lange nicht mitten im Theatersaal begrabschen. Dessen Verständnis von Privatsphäre war seiner Meinung nach wirklich ein wenig gestört. „Nimm deine Hand weg oder es gibt kein nächstes Mal“, hauchte er leise, warnend. Langsam ließ er Deidaras Hand los, damit sie sich zurückziehen konnte.

„Jaaa, Danna“, brummte der Blonde mürrisch und zog seine Hand von seinem Oberschenkel zurück, unter dem Stoff seiner Kleidung hervor und fuhr sich gelangweilt durch die Haare. Sasori atmete möglichst beherrscht durch und wandte seine Aufmerksamkeit wieder nach vorn auf die Puppen. Doch so sehr er der Erzählung lauschte und auf das Spiel achtete, seine Konzentration war weg. Deidara hatte es mal wieder geschafft, ihn mit nur einer kleinen Aktion grundlegend abzulenken. Am Ende konnte er nicht einmal genau sagen, wie das Stück nun ausgegangen war. Sobald sie das Theater verließen griff Sasori nach Deidaras Arm und schleifte ihn mit sich in eine dunkle Gasse. „Danna?“, hörte er Deidaras verwirrte Stimme hinter sich. Aber er reagierte nicht, sondern presste ihn gegen die nächste Hauswand und vereinte ihre Lippen zu einem gierigen Kuss. Seinen Körper drängte er dicht gegen Deidaras und hielt nun beide Arme von ihm fest, damit er ihm nicht einfach so entkommen konnte. Sein Schüler hatte es heraufbeschworen. Forsch schlüpfte seine Zunge zwischen dessen Lippen und umspielte die feuchte Zungenspitze. Ein Beben ging durch Deidaras Körper. Dieser genoss das Ganze ebenso wie er. Der Blonde ließ sich einfach zu gern von ihm dominieren. Allerdings entwand er ihm mit einer geschickten Drehung seine Hände und zog ihn noch näher zu sich heran. Sasori ließ es geschehen, vertiefte dafür den Kuss weiter, genoss das Gefühl der weichen Zunge, die gegen seine rieb.

Das berauschende Kribbeln wurde jäh von Deidaras Händen unterbrochen, die von seinem Rücken hinab wanderten zu seinem Hintern. Erinnerungen an San flammten vor seinem inneren Auge auf, ohne dass er es verhindern konnte. Darauf folgte der damit verbundene Ekel und er verkrampfte automatisch. Mit einer flinken Bewegung griff er nach den Händen und zog sie dort weg. Den Kuss löste er und sah nun doch wieder zornig in die funkelnden blauen Augen. „Ich sagte doch, Hände weg.“ Seine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, aber derart nachdrücklich, dass sie keinen Widerspruch duldeten.

„Tschuldigung, Danna. War abgelenkt. Hab nicht dran gedacht, hm“, erwiderte der Blonde mit einem schiefen Grinsen. Kurz schloss Sasori die Augen, um seine Fassung wieder zu erlangen. Dann löste er sich von seinem Schüler. „An die Arbeit.“ Sasori wirkte nun gefasster als er tatsächlich war. Doch sobald er sich auf ihren Plan konzentrieren konnte, sollten die unliebsamen Erinnerungen zurückgedrängt werden. Diese Taktik war sehr zuverlässig.
 

Die wenigen Männer, die das Anwesen der Hojo bei Nacht bewachten, hatten sie einfach getötet und leise in den Schuppen verfrachtet. Nun konnten sie ungestört hinter den hohen Mauern, welche das Anwesen umgaben, agieren. Sie kippten Öl gegen die hölzernen Außenwände des Haupthauses und des nahe stehenden Schuppens. Anschließend legten sie je ein Feuer an beiden Gebäuden und entfernten sich eilig, überwanden die Mauer, um sich in der Nähe in einer der unzähligen schmalen Gassen von Edo zu verbergen. Von dort betrachteten sie ihr Werk. Es dauerte nicht lange und hohe Flammen schlugen um sich. Das anfangs leise Knistern schwoll sich zu einem summenden Rauschen an. Zusammen mit der Helligkeit des Feuers und dem Geruch von brennendem Holz, der durch die Straße waberte, weckte es die Menschen in den umliegenden Gebäuden und auch die Stadtwache wurde auf das Feuer aufmerksam. Einwohner von Edo hasteten mit Wassereimern in das Anwesen, um die tödlichen Flammen einzudämmen, doch selbst aus ihrer Position sah man, dass es zu spät war. Das Feuer hatte das Dach bereits eingenommen. Schreie drangen aus dem Inneren des Hauses. Die eingeschlossenen Mitglieder des Hojo-Clans verbrannten bei lebendigem Leib. Der Feuertod war qualvoll. Die Wachen konnten sich glücklich schätzen, hatte diese ein schneller Tod ereilt. Doch das Feuer würde unnatürlich wirken, wären keine Menschen eingeschlossen, die um Hilfe schreien konnten. Denn normalerweise wachte man irgendwann auf, wenn das eigene Anwesen in Flammen stand.

„Wir verschwinden“, erklärte Sasori schließlich knapp, als die Menschen aufgaben, das Hojo-Anwesen retten zu wollen, und sich darauf konzentrierten, die umstehenden Gebäude vor einem Übergreifen der Flammen zu bewahren.

Ungesehen zogen sie sich in ihre Herberge zurück. Selbige lag im nächsten Viertel. Auf diese Weise liefen sie nicht Gefahr, selbst Opfer des Brandes zu werden. Außerdem hatte Sasori vorsorglich gefordert, alle paar Tage die Herberge zu wechseln, damit sie nicht als Langzeitgäste auffielen und man sich zu gut an sie erinnern konnte.

Mitten in der Nacht war es selbstverständlich still, sodass sie sich leise in ihren Raum stahlen und erst dort die Öllampe entzündeten. „Wir waschen uns morgen früh“, sagte Sasori und streifte sich bereits seine Kleidung vom Leib, um in den Schlafyukata zu schlüpfen. Er mochte es nicht, sich ungewaschen schlafen zu legen, doch ausnahmsweise empfand er es als klüger. Sie würden nur unnötig Aufsehen erregen, würden sie jetzt noch in den Waschraum hinabgehen.

„Hm“, stimmte Deidara schlicht zu und tat es dem Rothaarigen nach. „Morgen verlassen wir Edo dann?“ In seiner Stimme lag mehr Feststellung als Frage und Sasori nickte nur knapp darauf. „Lösch die Lampe“, ordnete er an und legte sich bereits auf seinen Futon, rollte sich wie üblich auf die Seite und zog die Decke über sich.

Augenblicke später verlosch das warme Licht der Lampe und sein Schüler krabbelte neben ihm unter seine Decke. Müde schloss Sasori die Augen und wartete darauf, dass Deidara sich an seinen Rücken schmiegte, wie er es immer tat, seitdem er ihn einmal hatte gewähren lassen. Und nur Herzschläge später spürte er den vertrauten Körper hinter sich, den Arm, der sich locker um ihn legte und den warmen Atem in seinem Nacken.

„Danna, hm?“, fragte Deidara leise.

Sasori schnaufte. „Was?“ Hoffentlich wollte sein Schüler jetzt keine langen Gespräche führen. Er war müde von dem langen Tag und wollte sich ausruhen.

„Ich darf deinen Hintern nicht berühren, weil du zum Beischlaf gezwungen wurdest, nicht wahr?“ Deidaras Stimme war leise und so ernst, wie er es selten erlebte. Eher unbewusst versteifte Sasori sich. Das war kein Thema, was er erwartet hatte. Wieder einmal erwischte sein Schüler ihn unvorbereitet. Seine Lider hoben sich halb und er schaute in die Dunkelheit. Zwar sah er nur unbedeutend mehr, doch es war ihm lieber, als hinter geschlossenen Lidern Sans Gesicht noch deutlicher vor sich sehen zu müssen. So glich es eher einem verschwommenen Abbild.

Tief atmete er durch. Seine Stimme war kratzig, als er sich schließlich zu einer Antwort entschloss: „Korrekt.“ Eigentlich hätte der Rothaarige mit der Frage rechnen müssen. Deidara war nicht dumm und konnte gut kombinieren. Natürlich hatte er sich Gedanken gemacht, wieso er ihn nicht am Po berühren durfte.

„War es dein Meister? Wolltest du deswegen anfangs nicht mit mir das Bett teilen, hm?“ Manchmal wäre es Sasori lieber, Deidara wäre so einfältig wie Hidan. Der hatte immer noch nicht bemerkt, dass er und sein Schüler nicht das einzige gleichgeschlechtliche Paar bei Akatsuki waren. Aber wäre der Blonde so dämlich, hätte er ihn schon längst fortgejagt. Was sollte er bitte mit einem dummen Schüler? Vielleicht sollte er Deidara zumindest das Wichtigste erzählen, damit dieser verstehen konnte und in Zukunft nicht weiter nachfragte. Zudem würde er dann seine Forderung akzeptieren. Sein Schüler ignorierte Forderungen gern mal, wenn er sie nicht begriff oder sie für ihn keinen Sinn ergaben. Das beste Beispiel war die neuerliche Konfrontation mit dem Beischlaf vor einem halben Jahr, obwohl er ihm befohlen hatte zu schweigen.

„Ja“, gab er also langsam nach. „San hat mir den Beischlaf gezeigt, bevor ich zum Samurai wurde.“ Sasoris Stimme bebte minimal. Zum ersten Mal sprach er überhaupt über seine Vergangenheit mit Deidara. Und es war ihm unangenehm. Er fühlte sich, als würde er sich seelisch ausziehen vor ihm. Doch er wollte weitere solcher Situationen vermeiden. Wenn er ihm ein paar Dinge erzählte, befriedigte dies hoffentlich Deidaras Wissensdurst und er ließ ihn künftig damit in Ruhe. Deutlich härter fügte er an: „Und er hat dafür mit seinem Leben bezahlt.“

Für einen Augenblick hielt Deidara die Luft hinter ihm an. Vermutlich war er erschrocken. Dieser Moment währte jedoch nicht lange, da schmiegte der Blonde sich enger an ihn. Sanft spürte er dessen weiche Lippen in seinem Nacken.

„Ich werde dir nicht wehtun, hm“, murmelte der Blonde. Irritiert zogen sich Sasoris Augenbrauen zusammen. Jetzt kombinierte Deidara falsch. Er rollte sich auf den Rücken und wandte sein Gesicht seinem Schüler zu. Mehr als Schemen konnte er in der Dunkelheit des Raumes nicht erkennen. Aber es reichte, um zu erahnen, wo Deidaras Augen waren. „Es geht nicht um Schmerzen“, erwiderte er. Mit einer Hand fuhr Sasori sich durchs Haar. „Wenn du mich dort berührst… erinnere ich mich an San… und an den Ekel, den ich ihm gegenüber empfunden habe…“ Sasoris Stimme brach und er sah weg, dorthin, wo die Decke irgendwo über ihnen war. Über Gefühle zu sprechen war der Rothaarige nicht gewohnt. Wie hatte Deidara es nur geschafft, ihn dazu zu verleiten? Er war zu müde, um darüber auch noch nach zu sinnen. „Ich will die Vergangenheit nicht mit dir in Verbindung bringen.“ Die Worte waren nicht mehr als ein tonloses Flüstern. Am liebsten wäre er jetzt allein.

„Achso“, murmelte Deidara. „Ich werde nicht mehr versuchen, dich dort zu berühren, versprochen, hm.“ Und als wolle er sein Versprechen damit verdeutlichen, schmiegte der Blonde sich näher an ihn. Geschlagen seufzte Sasori. Durfte er denn jetzt wenigstens Schlafen, um dieser unerträglichen Situation zu entfliehen?

Wahrheit oder Lüge

Sie hatten Edo kaum verlassen, da heftete sich diese Nervensäge von Tobi an ihre Fersen. Deidara war schleierhaft, wo der Mann plötzlich hergekommen war und wie er sie so scheinbar mühelos gefunden hatte, aber nun verfolgte er sie beharrlich und ließ sich auch von Warnungen nicht abbringen.

Noch ignorierte Sasori den Möchtegern-Krieger und Deidara hielt es ähnlich, aber dessen Geschwätz ging ihm gehörig auf die Nerven. Eigentlich erstaunlich, dass sein Meister dem noch kein Ende bereitet hatte.

„…und dann haben die Wachen Tobi seine Schwerter abgenommen“, sprach der Schwarzhaarige weiter. Tobi redete und redete und interessierte sich offenbar nicht einmal dafür, ob man ihm zuhörte. Glaubte der wirklich, einer von ihnen würde ihm Aufmerksamkeit schenken mit solchem Unfug? Ein echter Krieger ließ sich nicht einfach so seine Waffen abnehmen. Egal welchem Grund die Wachen hatten, man konnte sie sich wieder beschaffen oder sich neue besorgen. Davon abgesehen glaubte Deidara Tobi kein Wort. Hin und wieder waren Gespräche am Esstisch von Akatsuki auf Tobi gefallen. Er schien jedes Mal eine andere Version zu erzählen. Kisame hatte er berichtet, dass er angeblich seine Waffen beim Klettern verloren habe. Yahiko dagegen hatte eine andere Version in aller Ausführlichkeit hören müssen, man hätte sie ihm gestohlen. Und Kakuzu hatte vor sich hin gebrummt, dass er sie gegen Nahrungsmittel eingetauscht habe. Seit Jahren suchte Zetsu nach Informationen über den Kerl, aber er fand nichts. Niemand wusste, wo Tobi her kam, wer er war und aus welchem Grund er sein linkes Auge hinter einem Stoffstreifen verbarg.

„Hört Deidara-Senpai überhaupt zu?“, fragte Tobi. Genervt verdrehte der Blonde die Augen. Der Typ hatte plötzlich angefangen, ihn Senpai[34] zu nennen. Dabei war Deidara sich sicher, jünger zu sein als Tobi. Allerdings schien dieser geistig deutlich zurückgeblieben. Oder aber er schauspielerte nur. Deidara tippte eher auf Zweiteres. Doch aus welchem Grund sollte man sich dermaßen dumm stellen? Wenn Tobi unbedingt zu Akatsuki gehören wollte, könnte er einfach zeigen, wozu er wirklich fähig war. Auf die Art würde er vermutlich längst zu ihnen gehören. Dann wäre er auch nicht solch eine ätzende Nervensäge, die wenige Meter hinter ihren Pferden her lief.

„Nein, hm“, erwiderte Deidara schlicht und hoffte irrsinnigerweise, damit sei endlich Ruhe. Seine Hoffnung wurde schnell vernichtet. In den letzten Tagen hatte keine Methode funktioniert, Tobi dazu zu bringen, sich von ihnen zu entfernen. Mussten sie ihn wirklich erst umbringen, damit der Idiot von ihnen abließ?

„Wie gemein Ihr zu Tobi seid!“, jammerte der Schwarzhaarige. Deidara konnte sich die Leidensmiene nur zu deutlich vorstellen. Da Tobi hinter ihnen war, sah er ihn nicht, aber dafür hörte er ihn umso genauer. „Dabei hat Tobi Euch wirklich gern.“ Natürlich. Als ob Deidara interessierte, wen Tobi gern hatte. Und ihm lief lediglich ein kalter Schauer über den Rücken. Von einem geistig Verwirrten solche Worte zu hören, grenzte an einen seelischen Gewaltakt.

„Tobi würde so gern zu Akatsuki gehören.“ Nach einer kurzen Pause, sprach der Mann auch schon weiter, dieses Mal wieder voller Hoffnung. „Tobi hat interessante Informationen über Orochimaru. Tobi könnte sie Euch erzählen. Für Akatsuki ist das sicher sehr nützlich!“

Ruckartig brachte Sasori sein Pferd zum Stehen. Dessen Fuß übte leichten Druck auf die rechte Flanke aus und sein Tier gab nach, drehte sich seitlich von dem Druck weg, sodass er Tobi und auch Deidara den Weg versperrte. Eilig zog Deidara an seinen Zügeln. Verwirrt huschte sein Blick zu seinem Meister. „Danna, hm?“, fragte er. Sasoris Augen waren starr auf Tobi gerichtet.

„Was für Informationen hast du?“, fragte der Rothaarige Tobi fordernd.

Angesprochener freute sich, endlich ihre volle Aufmerksamkeit erlangt zu haben. „Wenn Ihr Tobi bei Akatsuki aufnehmt, sagt Tobi Euch, was er weiß.“ So unschuldig wie Tobi sie nun anschaute, war er garantiert nicht. Deidara würde sein Pferd verwetten, dass der Kerl gerissener war als es den Anschein hatte.

„Einverstanden.“

Erstaunt weiteten sich Deidaras Augen. „Aber Sasori no Danna! Das kannst du doch nicht ernst meinen!“ Wieso stimmte sein Meister einfach zu? Sie konnten gar nicht entscheiden, wer zu Akatsuki gehörte und wer nicht. Das war letztendlich Yahiko überlassen. Und Sasori wäre der Letzte, der sich mit diesem Idioten abgeben würde. Ein Gedanke kam ihm. Log sein Meister vielleicht? Es wäre nicht das erste Mal.

Tobi indes hüpfte glücklich im Kreis. „Tobi wird zu Akatsuki gehören! Tobi wird zu Akatsuki gehören!“, flötete er, bis Sasori ihn anherrschte. „Welche Informationen hast du nun?“ Die typische Ungeduld war deutlich heraus zu hören.

„Natürlich!“, lenkte Tobi hastig ein. „Tobi war in Nagaoka unterwegs und hat dort Gefolgsleute von Orochimaru gesehen.“

Deidara zog die Augenbrauen zusammen. Nagaoka war mehrere Tagesreisen nördlich von ihnen. Dort herrschte der Uesugi-Clan, der ihnen den Auftrag erteilt hatte, die Hojo zu erledigen.

„Wie sahen sie aus?“, hakte Sasori nach. Sein Blick bohrte sich derweil in den Mann, der nur wenige Meter neben ihren Pferden stand.

„Tobi hat fünf Männer gezählt und eine Frau in Samurai-Kleidung. Einer der Männer, Tobi glaubt, dass es der Anführer war, war fast in Weiß gekleidet und auch sein Haar war so weiß wie Schnee, wie bei einem alten Mann. Aber Tobi hat gesehen, dass er noch sehr jung sein muss. Er hat gar …“ Wild gestikulierte der Schwarzhaarige, während er erzählte, aber Sasori wurde das Geschwafel zu viel. Deidara wusste, dass sein Meister nur an Fakten interessiert war.

„Weiter! Wie sahen die anderen aus?“, fuhr er ihn unnachgiebig an.

Tobi zuckte kurz zusammen und kratzte sich dann am Kopf. Ein nachdenklicher Ausdruck zeigte sich in seinem Gesicht. „Tobi hat zwei Männer gesehen, die sich wie ein Ei dem anderen glichen. Als wäre der eine das Spiegelbild von dem anderen. Die Frau hatte rote Haare. Dann hat Tobi noch einen großen, dicken Mann bei ihnen gesehen und einen Schwarzhaarigen mit einem wirren Zopf.“

Es handelte sich unzweifelhaft um Orochimarus Gefolgsleute. Kimimaro und dessen Gruppe kannten sie inzwischen zur Genüge. Ein Zufall konnte es also nicht gewesen sein, dass sie Edo passiert hatten. Allerdings lag Edo auch nicht gerade auf dem direkten Weg nach Nagaoka von Orochimarus Residenz aus in Nagoya.

„Und was wollten sie in Nagaoka?“, fragte Sasori.

Tobi zuckte mit den Schultern. „Sie sind in das Anwesen der Uesugi eingedrungen. Tobi hat es gesehen. Sie haben alle überrascht. Die Samurai haben sich tapfer gewehrt. Aber die meisten der Uesugi sind tot. Tobi weiß nur, dass ein paar wenige fliehen konnten. Frauen mit ihren Kindern…“

Eine herrische Geste seines Meisters und Tobi verstummte augenblicklich. Diese Informationen waren Gold wert, wenn sie der Wahrheit entsprachen. Zetsu würde das für sie überprüfen. Sasori hatte ihm vor Wochen erzählt, dass der Uesugi-Clan für Orochimaru eine größere Bedrohung darstelle als der kleine Hojo-Clan, der gerade erst aufstrebte. Doch für die Uesugi müssen die Hojo ein Dorn im Auge gewesen sein, sonst hätte man Akatsuki nicht angeheuert. Wenn nun allerdings sowohl die Hojo als auch die Uesugi zum Großteil beseitigt waren, würde ein Angriff seitens Orochimaru auf die von ihm aus östlich und nordöstlich gelegenen Gebiete einfacher werden. Die jeweiligen Daimyô hatten ihre besten Samurai verloren. Das schwächte die Moral der restlichen Krieger. Ob Orochimaru gewusst hatte, dass man Akatsuki auf die Hojo angesetzt hatte? Nach diesen Informationen wäre das keine Überraschung mehr. Vermutlich hatte er abgewartet, bis sie ihm lästige Fliegen aus dem Weg räumten, um die er sich nicht selbst kümmern wollte. Die Uesugi waren dadurch abgelenkt gewesen, war ihre Aufmerksamkeit auf die Hojo gelenkt. Und dann hatte Orochimaru wie eine Schlange plötzlich zugebissen.

Deidara tauschte einen ernsten Blick mit seinem Meister. Das bedeutete, wenn sie die zweite Hälfte ihrer Bezahlung noch nicht erhalten hatten, würden sie diese niemals erhalten. Ohne Anzahlung rührte Akatsuki keinen Finger, aber nun hatten sie sich umsonst abgemüht, wenn ihre Auftraggeber zum Großteil tot waren. Es sei denn Zetsu konnte die Flüchtigen auftreiben und von ihnen das Geld verlangen.

Sasori wandte sich wieder Tobi zu. „War das alles?“

Der Schwarzhaarige nickte eifrig. „Tobi ist ein guter Beobachter!“

Doch Sasori wandte sich bereits ab und spornte sein Pferd zu einem zügigen Schritt an und Deidara folgte ihm.

„Was ist jetzt mit Tobi? Darf Tobi jetzt mit Euch kommen?“ Erneut dackelte der Kerl ihnen hinterher. Inzwischen war Deidara sich sicher, dass Sasori Tobi schlichtweg angelogen und niemals die Absicht verfolgt hatte, ihn mit zu Yahiko zu nehmen. Das schadenfrohe Grinsen konnte er sich nicht verkneifen.

„Tobi, verpiss dich. Wir haben schon einen Idioten bei Akatsuki. Das reicht völlig, hm.“ Amüsiert sah er auf ihn herab. Tobi sollte Schauspieler werden. Der Kerl konnte auf Kommando weinen, denn nun kullerten ihm Tränen die Wangen hinab. „Ihr habt Tobi angelogen, Akasuna no Sasori! Das ist hinterhältig!“ Laut schniefte der Schwarzhaarige. „Ihr macht Eurem Namen alle Ehre, wie der Skorpion auf Eurem Haori. Ihr stecht ohne Vorwarnung zu. Ihr habt Tobi versprochen, ihn bei Akatsuki aufzunehmen, wenn Tobi Euch die Informationen gibt. Tobi hat sein Wort gehalten…“

Erneut zügelte Sasori sein Pferd und sah auf den Schwarzhaarigen herab. „Ich habe überhaupt nichts versprochen“, erwiderte er und die Überheblichkeit schwang gut hörbar in seiner Stimme mit. „Yahiko hat dich abgelehnt. Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst.“ In den braunen Augen blitzte Mordlust auf und Sasori löste seine rechte Hand vom Zügel, zog seinen vergifteten Dolch aus der Unterarmschiene und holte aus, um ihn nach Tobi zu werfen.

Tobis Auge weitete sich. Kreidebleich wandte er sich um und rannte davon. Man hörte nur noch ein: „Tobi ist zu jung zum sterben!“, während er zwischen ein paar Kiefern verschwand. Deidara lachte belustigt. Tobi hatte den Bogen bei seinem Meister überspannt. Wäre er nur einen Herzschlag länger geblieben, hätte Sasori den Dolch tatsächlich nach ihm geworfen, doch so verstaute er ihn nun wieder sicher in der Saya unter der Armschiene.

„Endlich ist der weg, hm.“ Deidara streckte sich und lenkte sein Pferd neben Sasoris, der keinen weiteren Kommentar in Bezug auf Tobi verschwendete. Von der Seite betrachtete der Blonde seinen Meister. „Wenn das stimmt, dann plant Orochimaru etwas, oder? Ob er wusste, dass wir die Hojo umbringen sollten und hat absichtlich genau jetzt die Uesugi angegriffen, hm?“

Sasoris Augen blieben weiter auf den Weg vor ihnen gerichtet, doch nach ein paar Augenblicken antwortete er: „Das bleibt abzuwarten.“
 

______________________

[34]Senpai: Bezeichnung für Ältere Schüler, Kollegen etc.

Die Welt gerät ins Rollen

Zwei Jahre zogen ins Land. Akatsuki führte nach wie vor Aufträge von denen aus, die sich ihre Dienste leisten konnten. Geändert hatte sich in der Zeit nicht viel. Itachi war nach wie vor mit Kisame liiert, Konan sorgte sich immer noch um jeden einzelnen in der Gruppe, Hidan nervte Kakuzu und stritt sich mit Deidara. Der Blonde forderte immer noch jeden zum Training auf, wenn er gerade nicht an seinem Meister klebte. Nur ihn ignorierte er die meiste Zeit. Deidaras Abneigung gegen Itachi hatte sich kein Stück verändert. Doch wenigstens war ihre Gruppenzusammenarbeit inzwischen stabil. Es hatte keine weiteren großen Zwistigkeiten gegeben, die einen Auftrag in Gefahr hätten bringen können.

Allerdings beobachteten sie mit Sorge die Ausdehnung von Orochimarus Reich. Tobi hatte damals zu Sasori und Deidara die Wahrheit gesagt. Die Uesugi waren fast komplett ausgelöscht. Zetsu hatte die Überlebenden finden können, doch wo kein Geld mehr war, konnte man auch nichts verlangen. Kurz darauf hatte Orochimaru deren Gebiet okkupiert. Anschließend war Edo unter seinem Angriff gefallen. Und vor wenigen Monaten hatte ein weiterer Daimyô vor Orochimaru sein Haupt gesenkt. Der Mann wurde für sie zur Bedrohung. Zetsu hatte ihnen den ein oder anderen Auftrag von dem bleichen Daimyô angetragen, doch Yahiko hatte sie alle abgeschmettert. Verhalfen sie Orochimaru zur Vormachtstellung in Japan, waren sie von ihm abhängig und auf seine Gnade angewiesen. Niemand bei Akatsuki wollte das.

Und heute war Zetsu mit neuen Informationen von seiner Erkundungsreise zurückgekehrt. Demnach blieben alle nach dem Abendessen am Tisch sitzen, war es üblich, dass sie gemeinsam auswerteten, was Zetsu in Erfahrung gebracht hatte.

Nachdem Konan die letzten Schalen in die Küche getragen und sich wieder zu ihnen gesetzt hatte, begann der Grünhaarige. „Tobi hat sich Orochimaru angeschlossen.“

„Endlich sind wir die Nervensäge los“, schnaufte Hidan erleichtert. Doch bis auf den Silberhaarigen freute das niemanden. Kakuzu verpasste ihm eine Kopfnuss wie er es immer tat, wenn Hidan einmal mehr sein Gehirn nicht eingeschaltet hatte. „Was soll der Scheiß, alter Mann, hä?“, fuhr Hidan ihn postwendend an.

„Denk nach!“, wetterte Kakuzu. „Wir wissen nichts von Tobis Fähigkeiten. Wir können uns nur sicher sein, dass er gut informiert sein muss, so oft wie er uns aufgelauert hat und was er damals zu Sasori und Deidara sagte. Orochimaru hat jetzt schon sehr starke Untergebene. Wenn er nun auch noch einen guten Spion hat, kann das für uns ein Nachteil sein.“

Deidara stützte sich mit den Händen hinter sich auf dem Boden ab. „Immerhin rennt er uns nicht mehr nach, hm.“ Itachi stimmte in Gedanken zu. Der Einäugige lief ihnen nicht mehr hinterher, aber Kakuzu hatte genauso Recht.

„Tobi ist nicht das Hauptproblem“, mischte sich Zetsus dunkle Seite ein, ehe die helle wieder übernahm. „Orochimaru bereitet einen Angriff auf Shikoku vor.“

Ein Raunen ging durch das Esszimmer. Itachi erinnerte sich, dass Sasori und sein Schüler vor zweieinhalb Jahren auf die Insel geschickt worden waren, um den Verwalter des jungen Daimyô umzubringen. Die Machtverhältnisse waren dennoch kaum ins Wanken geraten. Allmählich fragte Itachi sich, ob der Auftrag, Baki umzubringen, in Wirklichkeit nicht sogar von Orochimaru eingefädelt wurde, auch wenn er nicht als Auftraggeber in Erscheinung getreten war. Es würde ihn nicht wundern, so aktiv wie der Daimyô inzwischen sein Gebiet erweiterte und sich die anderen Daimyô Untertan machte.

„Wie will er Shikoku denn angreifen? Schwimmend?“, fragte Hidan und lachte. Kakuzu beschränkte sich darauf, ihm lediglich eine Kopfnuss zu geben, die von dem üblichen Gezeter begleitet wurde. Deidara lachte belustigt. „Hidan, schon mal was von Schiffen gehört, hm?“

Yahiko nickte zustimmend. „Dennoch wird es für Orochimaru nicht einfach, Shikoku einzunehmen. Gaara hat den Heimvorteil, dass sein Reich eine Insel ist. Will Orochimaru angreifen, muss er über das Wasser und er muss das Wetter beachten. Zur Regenzeit wäre es dumm, in See zu stechen. Er muss also entweder in den letzten Frühlingswochen den Angriff beginnen oder aber er wartet bis zum Herbst, denn ein Angriff während den heißen Sommermonaten ist für seine Truppen strapaziöser als für Gaaras.“

Der Frühling war bereits ins Land gezogen. Viel Zeit war nicht mehr, wollte Orochimaru wirklich noch vor der Regenzeit angreifen. Wartete er jedoch, wäre ein Angriff im Sommer auch nicht auszuschließen. Kisame dachte ähnlich, sprach er genau dies an.

„Orochimaru könnte einen überraschenden Angriff starten und bei Nacht mit seinen Schiffen rüber segeln.“

„Zuzutrauen wäre es ihm“, stimmte Sasori zu und mischte sich erstmals in die Diskussion ein. Sie kannten Orochimaru von der gemeinsamen Schlacht und auch anschließend hatten sie ihn immer im Auge behalten. Der Mann war hinterhältig und nutzte jeden Schwachpunkt zu seinem Vorteil. Sasori verstand diese Denkweise vermutlich wie kein anderer am Tisch, war sein Kampfstil ähnlich.

„Wenn Orochimaru Shikoku einnimmt, dauert es nicht mehr lange und ganz Japan gehört ihm, hm“, murrte der Blonde und traf damit den Nagel auf den Kopf. Genau das war ihr Problem.

Yahiko rieb sich nachdenklich über sein Kinn. „Bieten wir Gaara unsere Hilfe an. Orochimaru darf Shikoku nicht einnehmen.“ Allgemeine Zustimmung folgte.

„Aber doch hoffentlich gegen Bezahlung.“ Kakuzus einzige Sorge löste ein Schmunzeln bei den meisten aus. Yahiko beruhigte ihn. „Natürlich, aber wir sollten im Preis ein wenig runtergehen, immerhin haben wir seinen Verwalter umgebracht.“ Kakuzu knirschte widerwillig mit den Zähnen. Nur dank ihm konnten sie ihre horrenden Summen verlangen, weil Kakuzu ein zäher Verhandlungspartner war. Und dieser hörte nicht gern, dass sie einen fairen Preis verlangen sollten.

Yahiko wandte sich erneut an Zetsu. „Hast du bereits herausgefunden, wann Orochimaru angreifen will?“ Ihr Spion schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber das werde ich noch herausfinden.“ Seine dunkle Seite schaltete sich rau ein. „Wenn bereits Gerüchte die Runde machen, sollten wir damit rechnen, dass der Angriff bald erfolgen könnte.“

Verstehend nickte der Orangehaarige. „Dann machst du dich morgen sofort wieder auf den Weg. Und Itachi, Kisame.“ Yahiko sah nun direkt zu ihnen. „Ihr reist so schnell wie möglich nach Matsuyama und unterbreitet Gaara unseren Vorschlag.“

„Wird erledigt“, bestätigte Kisame grinsend, während Itachi wie meist schweigend nickte. Es war am klügsten, sie zu schicken. Deidara und Sasori waren dort nicht gern gesehen nach dem Mord und Kakuzu und Hidan waren nicht für ihre Feinfühligkeit in solch angespannten Lagen bekannt.
 

Itachi wachte mitten in der Nacht auf. Zuerst rührte er sich nicht und lauschte auf seine Umgebung, was ihn geweckt haben könnte. Kisame schlief, er spürte das gleichmäßige Heben und Senken seiner Brust am Arm. Ein leises Knistern drang an seine Ohren, welches Alarmbereitschaft in ihm auslöste. Langsam erhob er sich und schritt leise zur Tür, schob diese auf. Das Knistern wurde lauter und der verräterische Geruch von brennendem Holz kitzelte in seiner Nase.

Kisame brummte leise. Vermutlich hatte der Schwarzhaarige ihn gerade geweckt mit seiner Bewegung. Umso besser. „Kisame, wach auf“, sagte er vergleichsweise laut. Müde öffnete selbiger die Augen und wandte sich ihm zu. Mehr als Schemen sahen sie nicht, aber das reichte auch. „Es brennt. Weck die anderen, ich nehme die wichtigsten Sachen.“

„Was?“, fragte er im ersten Moment ungläubig und setzte sich ruckartig auf, doch besann sich dann. Kisame vertraute ihm. Wenn Itachi sagte, es brannte, dann war dem so. Demnach nickte er eilig. „Gut“, fügte er noch an und stemmte sich hoch. Während Itachi an ihm vorbei zum Wandschrank eilte, um nach ihren Waffen und den wichtigsten Kleidungsstücken zu greifen, trat Kisame auf den Flur hinaus und brüllte einmal laut: „Aufstehen Leute, es brennt!“ Genau aus dem Grund hatte Kisame diesen Teil übernehmen sollen. Seine Methode ging schneller und Itachi erhob seine Stimme nicht gern auf diese Art und Weise.

Nur wenige Augenblicke später öffneten sich die anderen Türen und Köpfe wurden heraus gestreckt. „Was brüllst du mitten in der Nacht rum? Ist ja schon schlimm genug, dass die Kleinen ständig rumvögeln. Ich will schlafen, verdammt!“

Der Rotschopf fühlte sich angesprochen und starrte böse in Hidans Richtung. „Wenn du unbedingt verbrennen willst, bitte, ist mir ein Vergnügen, dein Schandmaul los zu sein!“

Organisierte Hektik brach los. Ihre wenigen persönlichen Sachen hatte jeder schnell in den Händen. Kisame lief mit Itachi bereits die Treppe hinab, um zu überprüfen, wo das Feuer den Weg versperrte. Schwerer Rauch kam ihnen entgegen. Sein Partner nahm ihm einen Teil der Sachen ab, damit auch er sich gegen den Rauch schützen konnte. Seinen nun freien Arm hob er zum Gesicht und presste sich den Stoff seines Yukata über Nase und Mund. Aus Richtung Küche und Esszimmer drangen ihnen bereits Flammen entgegen. Auch von der Veranda fraß sich das Feuer einen Weg durch ihr Heim.

Kisame deutete Itachi mit einem Handzeichen an, in das Empfangszimmer zu gehen. Dort nutzte der Blauhaarige schlichtweg rohe Gewalt, um eine der hölzernen Außenwände heraus zu treten und ihnen einen Ausgang zu schaffen. Der Rest von Akatsuki war inzwischen auch die Treppe hinab geeilt und folgte ihnen durch das Loch in der Wand.

Etliche Meter entfernt verharrten sie und legten ihre Sachen ab. Ein kurzer Überblick offenbarte ihnen, dass die Pferde in Sicherheit waren. Der Stall brannte nicht und da kaum Wind wehte, wurde das Feuer auch nicht in ihre Richtung getragen. „Ich sehe nach den Pferden“, erklärte Kisame und verschwand im Stall. Die Tiere würden zweifellos unruhig sein, löste der Brandgeruch und das Rauschen der Flammen ihren Fluchtinstinkt aus.

Allerdings brannte der Schuppen und zu selbigem rannte Sasori nun. Sicherlich versuchte er seine Gifte zu retten, die er dort braute und auch zum Großteil lagerte. „Danna, willst du da allen Ernstes rein, hm?“, rief sein Schüler ihm nach und folgte ihm. Noch brannte das Dach des Schuppens nicht, also bestand derzeit keine akute Gefahr für die beiden. Yahiko behielt den Schuppen dennoch aufmerksam im Auge, wie er aus den Augenwinkeln feststellte. Hidan fluchte derweil vor sich hin. „Welcher Arsch zündet einfach unser Haus an? Dem werde ich meine Lanze quer in den Arsch rammen!“ Dabei fuchtelte er mit seiner Naginata[35] herum. In weiser Voraussicht trat der Rest der Gruppe respektvoll zurück, damit Hidan ihnen nicht zufällig den Kopf von den Schultern trennte.

Ein paar Augenblicke später kamen Sasori und Deidara hustend vom Schuppen zurück. Der Rothaarige trug einen gut versiegelten kleinen Krug bei sich. Also hatte er tatsächlich sein Gift gerettet. Sie würden es demnächst vermutlich brauchen.

Die ernsten und teilweise wütenden Gesichter wurden unpassend warm vom Feuerschein umschmeichelt. Brannte ein Gebäude erst mal, dann war es zu spät. Es wäre sinnlos, jetzt zu versuchen, das Feuer zu löschen. Die Flammen hatten bereits zuvor die Hälfte des unteren Erdgeschosses eingenommen und nun zerstörte es bereits das Dach.

Itachis Blick wanderte weg vom brennenden Gebäude und tastete den Waldrand ab. Das Feuer kam nicht von ihnen. Sie waren immer sehr gewissenhaft vorgegangen. Konan hatte sicherlich nicht vergessen, eine Kochflamme ordentlich zu löschen. Jemand musste es gelegt haben. Die Flammen waren an den Ausgängen besonders groß gewesen. Also hatte man dort mit leicht brennbarem Material gearbeitet. Etwas an der Seite beim Waldrand bewegte sich. Itachi kniff die Augen zusammen. Jemand rannte weg. Die Person musste dunkel gekleidet sein, so schnell wie sie mit den Schatten der Bäume verschwamm. Für einen Augenblick glaubte er, einen Schal erkannt zu haben, der hinter der Gestalt her flatterte.

„Dort war jemand“, sagte er ruhig und deutete auf die Stelle, wo die Person bis eben gestanden hatte. Alle folgten mit den Augen seiner Bewegung. Und Hidan rannte los. „Dem reiß ich den Arsch auf!“

Kakuzu rief ihm entnervt hinterher. „Bleib hier, du Spatzenhirn. Als ob du den jetzt findest.“ Schnaubend bremste Hidan und sah zurück. „Aber sonst entkommt er uns!“

Yahiko nickte Zetsu zu. „Zetsu verfolgt ihn.“
 

_____________________

[35]Naginata: Schwertlanze

Heimatlos

Als Kisame wieder aus dem Stall zu den anderen zurückkam, sah er Zetsu gerade im Wald verschwinden. „Wo will Zetsu denn jetzt hin?“ Sein fragender Blick blieb an Yahiko hängen, da dieser als ihr Anführer vor allem in solch einer Situation den Überblick haben musste und ihm sicherlich sagen konnte, was vor sich ging.

„Er verfolgt den Schuldigen“, erklärte der Orangehaarige ernst. Kisame rieb sich über den Nacken. Also hatte tatsächlich jemand ihr Heim angezündet. Der Zufall wäre auch zu groß gewesen, wären Hauptgebäude und Schuppen zugleich in Flammen aufgegangen, vor allem ohne direkte Einwirkung. Physikalisch war das nicht möglich.

Das Feuer hatte inzwischen seinen Zenit überschritten. Die Überreste des Schuppens waren bereits zusammengebrochen, während sich die Stützpfeiler des Hauses noch tapfer hielten. Doch tun konnten sie nichts. Nur warten. Kurz sah Kisame zu Sasori und er hatte richtig gelegen. Der Rotschopf wirkte äußerst genervt, wie üblich, wenn er warten musste.

Yahiko erhob schließlich wieder seine Stimme: „Wir sollten in den Stall gehen. Woanders können wir vorerst nicht hin. Einer muss Wache halten, falls noch irgendwas passiert.“ Ein musternder Blick traf jeden einzelnen von ihnen, Konan ausgenommen. „Jeder ist mal dran. Meinetwegen könnt ihr auch zu zweit Wache halten, solange jemand Wache hält. Ich übernehme die erste.“

Jeder nahm seine Sachen und sie trotteten zum Pferdestall zurück. Kisame hatte etwas Derartiges bereits erwartet, war es nachts noch recht kühl und in dem recht geräumigen Gang konnten sie sich ohne Probleme hinlegen. Aus diesem Grund brannte auch die Öllampe im Pferdestall noch, die er entzündet hatte, als sie nun den Stall betraten. Die Pferde hatten sich wieder einigermaßen beruhigt. Zwar hörte man hier und dort noch ein unruhiges Schnauben oder Hufescharren, aber keines der Tiere versuchte mehr auszubrechen und sich auf diese Art in Sicherheit zu bringen.

Yahiko gab seine Sachen Konan und blieb draußen, während der Rest es sich im Stall so gemütlich machte, wie es eben ging. Sasori und Deidara suchten sich eine der hintersten Ecken, was Kisame nicht verwunderte. Sasori war in den drei Jahren, die er bereits bei Akatsuki war, nie sonderlich aufgeschlossen rübergekommen. Den einzigen, den er ständig in seiner Nähe duldete, war sein Schüler.

Hidan fluchte bereits wieder vor sich hin. „Wehe, Zetsu kommt ohne den Spinner zurück! Dann zerhack ich ihn anstatt dem Idioten, der den Brand gelegt hat!“

„Hidan, halt die Fresse und schlaf“, knurrte Kakuzu warnend. Auf das heftige Wortgefecht achtete Kisame nicht weiter, setzte er sich zu Itachi, der sich ebenfalls eine Ecke gesucht hatte, nahe der Tür und so ähnlich scheu wie der kleine Rotschopf wirkte. Er griff nach der Decke, die Itachi in weiser Voraussicht mitgenommen hatte, bevor er sich gegen die hölzerne Wand lehnte und darauf wartete, dass der Schwarzhaarige sich an ihn schmiegte. Die Decke legte er Itachi um die Schultern, damit dieser es wärmer hatte. Hoffentlich wurde sein Partner nun nicht wieder krank, weil sie diese Nacht hier im Stall verbringen mussten.

Ein erschrockener Schrei von Hidan forderte seine Aufmerksamkeit. Der Silberhaarige zeigte mit dem Finger auf ihn und Itachi und stotterte aufgebracht: „Wa… was? Die… die auch? Verfluchter Scheiß! Wieso besteht halb Akatsuki aus kitschigen Pärchen? Was kommt als nächstes? Kakuzu und Zetsu?“

Nun mischte sich endlich Konan ein und sorgte für Ruhe. „Hidan. Leg dich hin und sei ruhig. Du strapazierst jedermanns Nerven.“

Ausnahmsweise hörte Angesprochener auf die Blauhaarige und legte sich ins Heu, doch sein Blick huschte nun von Sasori und Deidara zu ihm und Itachi und wieder zurück, hin und her. „Ich glaub das nicht…“, hörte er Hidan vor sich hin murmeln. Der Silberhaarige hatte wirklich drei Jahre lang nicht bemerkt, dass Kisame eine sehr intime Beziehung zu Itachi pflegte? Vermutlich war es nicht offensichtlich genug gewesen für diesen gesellschaftlichen Blindfisch. Vielleicht hätte er Sasoris und Deidaras Beziehung auch nie bemerkt, wäre sein Zimmer nicht neben ihrem gewesen, sodass er sie hören konnte. Die beiden waren wirklich manchmal recht laut.
 

Zetsu kehrte am nächsten Morgen ohne den Schuldigen zurück. Doch er brachte erschreckende Neuigkeiten mit. Er war dem Mann nah genug gekommen, um ihn zu erkennen. Tobi. Leider war ihr Spion nicht in der Lage gewesen, ihn einzufangen und mitzubringen, weil der Schwarzhaarige seine Lieblingstechnik angewandt hatte. Ausweichen und wegrennen. Schließlich hatte er seine Spur in einem schmalen Bach verloren.

Damit war jetzt aber auch klar, dass Orochimaru wissen musste, wo sie lebten. Wie lange Tobi wohl schon ihr Versteck kannte? Welches Angebot hatte der Daimyô Tobi nur unterbreitet, damit dieser sich ihm anschloss? Die Botschaft, die Orochimaru ihnen nun gesandt hatte mit diesem Feuer, war eindeutig. Sie sollten ihm nicht in die Quere kommen. Wenn Akatsuki nicht für ihn arbeitete, würden sie es bereuen.

Allerdings war hier niemand bereit, sich ihm zu unterwerfen.

„Wir ändern unseren Plan“, erklärte Yahiko. „Wir gehen alle zusammen nach Matsuyama. Außer Zetsu. Du suchst nach weiteren Informationen. Wie du uns finden kannst, weißt du ja.“ Von dem Grünhaarigen folgte ein bestätigendes Nicken.

Hierbleiben konnten sie nicht. Akatsuki war so stark gewesen, weil sie eine geheime Basis gehabt hatten. Niemand wusste, wo genau sie lebten. Sie tauchten auf und verschwanden wieder. In Kontakt mit ihnen treten konnte man nur über Zetsu, der genau wusste, wer an ihren Diensten interessiert war. Doch nun war bekannt, wo Akatsuki sich versteckte. Sie mussten hier weg und sich ein neues Versteck suchen. Doch zuerst stand der Krieg gegen Orochimaru an. Kisame hoffte, dass Gaara ihren Vorschlag annehmen würde. Es wäre schließlich nicht verwunderlich, wenn dieser ihnen noch grollte wegen dem toten Verwalter.

„Macht die Pferde fertig“, sprach Yahiko.

„Aber wir haben noch nicht mal was gegessen“, maulte Hidan und erntete nur ein allgemeines genervtes Seufzen. Konan erbarmte sich schließlich. „Wir kaufen uns in Ame etwas zu Essen.“ Während Kisame sein Pferd sattelte, fiel ihm bei der Erwähnung des Dorfes etwas ein. „Was wird jetzt eigentlich aus Ame?“

Die meisten interessierte das Dorf vermutlich wenig. Aber die Blauhaarige schien betroffen zu sein. Yahikos Miene dagegen spiegelte einmal mehr absolute Selbstbeherrschung wider. „Wir können nichts mehr für sie tun. Wenn wir hier bleiben und das Onsen wieder aufbauen, bringen wir sie nur unnötig in Gefahr.“

Da hatte ihr Anführer leider Recht. Ab dieser Nacht war es für die Dorfbewohner von Ame deutlich gefährlicher geworden. Blieben sie hier, könnte Orochimaru als nächstes das Dorf angreifen. Viele Samurai würde es nicht brauchen, um die einfachen Menschen dort umzubringen. Sie mussten damit rechnen, dass Tobi auch wusste, dass Akatsuki bisher Ame in Schutz genommen hatte. Der Kerl war unberechenbar.

Ihre wenigen Habseligkeiten verstauten sie nun jeder in seinem Hirazutsumi, ehe sie die Pferde aus dem Stall führten und aufsaßen. Von Hidan hielt jeder deutlich mehr Abstand, da dieser seine Naginata schräg über den Rücken gebunden hatte. Solch eine Waffe nahm einfach viel Platz weg. Die meisten von ihnen hielten sie auch für unhandlich. Doch Hidan konnte die Waffe einhändig äußerst präzise führen. Das glich trotzdem nicht seine Langsamkeit aus.

Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Yahiko ritt mit Konan und Kakuzu voran. Hidan folgte ihnen. Hinter ihm ritten Sasori und sein Schüler und er selbst bildete mit Itachi den Schluss, da sich Zetsu bald abseilte, um seine Aufgabe als Spion zu erfüllen.

Kisames Blick huschte aufmerksam zu seinem Partner. Wie so oft ließ Itachi sich nichts anmerken. Doch er machte sich Sorgen um seinen Partner. Der Blauhaarige wusste, dass Itachi lieber ein festes Heim hatte, wohin er zurückkehren konnte. Diese neue Heimatlosigkeit würde unweigerlich seine Seele in einen eher instabilen Zustand versetzen. Für ein Leben als Vagabund war der Schwarzhaarige einfach nicht geschaffen. Man konnte vermutlich kaum glauben, dass Itachi eigentlich eher ein Familienmensch war. Es klang absurd, wenn man bedachte, dass er seinen Clan umgebracht hatte und auch sonst in sich gekehrt war. Aber Kisame war der Ansicht, dass man es einfach merkte an Itachis Handlungen. Akatsuki war nach und nach zu seiner neuen Familie geworden. Zugegeben eine schräge Ansicht, doch im Prinzip waren sie das.

Der junge Daimyô

Ihre Reise nach Matsuyama verlief beunruhigend friedlich. Jeder von Akatsuki war angespannt, achtete auf ihre Umgebung, um einen möglichen Angriff vorher zu ahnen, doch nichts geschah. Auch Tobi ließ sich nicht blicken, der sich sonst fast jedes Mal an ihre Fersen heftete. Höchstwahrscheinlich wagte er nun nicht mehr, ihnen nah zu kommen, musste er schließlich damit rechnen, dass sie ihn ohne zu zögern umbrachten für das, was er getan hatte.

Am frühen Morgen setzten sie mit der Fähre über zur Insel, dieses Mal nahmen sie ihre Pferde allerdings mit. Sie kamen nicht in Feindschaft und hatten nicht vor, wie Verbrecher aufzutreten oder zu flüchten. Sie kalkulierten den Fall dennoch ein, sollte Gaara Vergeltung fordern für seinen Verwalter.

Mit ihren schlichten Umhängen und den Reishüten wirkten sie in Zweiergruppen wie einfache Reisende. Doch als fast komplette Gruppe fielen sie auf, sobald sie durch die Stadt ritten. Die Menschen auf den Straßen tuschelten, als sie passierten. Nervöse Blicke huschten über die Gruppe Reiter. Sasoris Blick glitt aufmerksam hin und her, verborgen vom Schatten seines Hutes. Die Bewohner waren zu Recht unruhig. Vielleicht ahnten sie auch bereits, wer diese Gruppe Reisender war. Sollten sie glücklich sein, dass sie dieses Mal nicht mit einem Mordauftrag gekommen waren.

Am Burgtor wurden sie aufgehalten. „Wer seid Ihr und was wollt Ihr?“, wurden sie unfreundlich von einer der Wachen gefragt. Sie sahen nicht aus wie Würdenträger, darum machte sich der Mann keine sonderliche Mühe, höflich zu ihnen zu sein.

Yahiko nahm seinen Reishut vom Kopf und bedeutete ihnen, es ihm gleich zu tun. Noch bevor die Männer genug Zeit hatten, sie alle zu mustern und so vielleicht Deidara und ihn zu schnell bemerkten und sich an sie erinnerten, sprach ihr Anführer.

„Wir sind Akatsuki. Richtet Eurem Herrn Gaara aus, wir wollen ihm einen Vorschlag unterbreiten“, erklärte Yahiko ruhig.

Die Augen der Wachmänner weiteten sich erschrocken. Man sah ihnen an, dass sie in Alarmbereitschaft verfielen. „Welchen Grund sollte Akatsuki haben, unseren Herrn aufzusuchen? Komplett?“ Misstrauen schlug ihnen entgegen. Hände legten sich an mitgeführte Waffen. Da mochte der Mann Recht haben. Akatsuki tauchte sehr selten komplett auf. Besonders war heute nur, dass sie Konan dabei hatten, die sonst noch nie in Erscheinung getreten war.

Einer der Männer durchbohrte den Rothaarigen mit Blicken. Dessen Kiefer waren fest aufeinander gepresst. Offensichtlich hatte der Mann ihn erkannt. Sasori war es gleichgültig. Es wäre durchaus möglich, dass er einer der Männer gewesen war, die Baki auf seinem letzten Gang zum Teehaus begleitet hatten. Doch Sasori merkte sich keine Gesichter von Menschen, die für ihn uninteressant waren. Da er aber Baki getötet hatte, fiel die Wut der Männer vor allem auf ihn und prallte unbeachtet ab.

Yahiko stieg betont ruhig von seinem Pferd, gab seiner Frau die Zügel und schlug anschließend seinen Umhang weit genug zurück, um sein Katana innerhalb eines Herzschlages in der Hand halten zu können, sollte es notwendig werden. Allein die Geste reichte schon, um Furcht in den Wachen auszulösen. „Das geht euch nichts an. Richtet Eurem Herrn dies aus oder wir verschaffen uns Zutritt und suchen ihn ohne eure Hilfe auf. “ Yahikos Stimme war nach wie vor ruhig, doch die unterschwellige Drohung schlug wie ein Unwetter über dem Mann zusammen. Was sie mit Gaara besprechen wollten, hatte er nicht zu erfahren. Der Wachmann war lediglich dazu verpflichtet, seinem Herrn zu berichten, dass sie vor seinem Tor standen.

Man sah, wie er mit sich haderte, ob er Yahikos Forderung nachkommen sollte. Zerknirscht gab er schließlich nach und verschwand im Inneren der Burg.

„Warum nicht gleich so“, maulte Hidan und kratzte sich am Ohr.
 

Man hatte Akatsuki Einlass gewährt. Ihre Pferde ließen sie im Hof zurück und ein Wachmann führte sie in ein Empfangszimmer. Dort bat er sie zu warten, bis Gaara sie rufen ließ. Den meisten von ihnen war klar, dass es sich um eine Taktik handelte. Ein Herrscher zeigte auf diese Weise, dass er vielbeschäftigt war und nicht für jeden Dahergelaufenen sofort Zeit hatte. Wären sie Daimyô, sähe dies natürlich ganz anders aus. Einen durchschnittlichen Rônin hätte man sicherlich bereits am Burgtor sofort wieder weggejagt. Doch Akatsuki war bekannt und berüchtigt. Dennoch warteten sie grob geschätzt mindestens eine Stunde. Sasoris Laune sank mit jeder Minute, die sie hier untätig rumsaßen und sich Hidans dämliche Kommentare anhören durften. Die letzten Tage hatten bereits an seinen Nerven gezerrt. Die ganze Zeit den Haufen an der Backe zu haben, ohne Möglichkeit sich zurück zu ziehen und ein wenig Ruhe zu genießen, machte den Rothaarigen sehr reizbar. Deidara war wenigstens klug genug, ihn nun nicht noch unnötig zu necken.

Zwei Wachen traten zu ihnen. „Gaara-sama erwartet Euch“, erklärte der Größere der beiden ihnen. „Wir müssen Euch bitten, Eure Waffen abzulegen“, fügte der zweite Mann an. Jeder nahm diesen Umstand gefasst hin, außer Hidan.

„Ich rück meine Naginata nicht raus, ihr Pfeifen!“

Sasori verlor allmählich die Geduld und knurrte warnend. „Hidan, lass deine Waffe einfach hier.“ Was passieren würde, wenn er es nicht tat, war selbst dem Silberhaarigen klar, sodass er sich grummelnd beugte und wie die anderen seine Waffen ablegte. Dass Sasori jedoch nicht seinen Draht und die vergifteten Dolche ablegte, fiel ganz Akatsuki auf, doch niemand sagte etwas dazu. Erstens hatten sie nicht vor, Gaara anzugreifen, zweitens wäre es ganz praktisch, wenn wenigstens einer von ihnen noch mehr bei sich trug als einen verborgenen Dolch so wie Konan.

Anschließend führte einer der Männer sie durch den geräumigen Korridor zum großen Empfangssaal. Am gegenüberliegenden Ende war der Boden erhöht. Die Intention dahinter war logisch. Der Daimyô war hier der Ranghöchste und hatte die Entscheidungsgewalt. Zusätzlich erzeugte der Saal eine offizielle Atmosphäre. Gemäßigten Schrittes folgten sie dem Wachmann, der sich vor dem Daimyô verbeugte, Akatsuki ankündigte und sich dann zurückzog.

Sasori musterte den jungen Mann abwartend. Gaara machte durchaus einen imposanten Eindruck, was nicht nur an seiner eindeutig wertvollen Kleidung lag, sondern vor allem an seiner geraden Haltung und dem beinahe hypnotisierenden Blick. Unter dem kunstvoll gestalteten grauen Jin Baori trug er einen rotbraunen Kimono, der in einem schwarzen Hakama verschwand. An seinem Obi trug er ein Katana und ein Wakizashi. Es würde Sasori nicht wundern, wenn der Rothaarige die Waffen bewusst angelegt hatte, um zu demonstrieren, dass er in der Lage war, sich und sein Land zu verteidigen. Sasoris Aufmerksamkeit blieb an Gaaras Stirn hängen. Eine Narbe lugte zwischen den roten Strähnen hervor, doch aus der Entfernung konnte er nichts Genaues erkennen. Normal sah diese Narbe aber nicht aus.

Ein Mann mit kurzem, braunem Haar und eine blondhaarige Frau flankierten den Herrscher Shikokus. Das könnten Gaaras ältere Geschwister sein, von denen sie gehört hatten.

Die Verbeugung seitens Akatsuki fiel knapp aus. Sie neigten ihren Kopf und Oberkörper gerade genug, um nicht als unhöflich zu erscheinen und gleich wieder hinausgescheucht zu werden.

„Seid gegrüßt“, sprach Gaara mit ruhiger Stimme. „Ihr seid mutig, Euch nach Matsuyama zu begeben, nach den Geschehnissen vor zweieinhalb Jahren.“ Die jadefarbenen Augen streiften Sasori und Deidara. Doch entgegen der Logik blieb Gaaras Aufmerksamkeit länger bei Deidara hängen, obwohl Sasori derjenige gewesen war, der Baki letztendlich getötet hatte.

Yahiko übernahm wie üblich das Sprechen. „Ihr könnt Euch sicher denken, dass wir keinen Groll gegen Euch hegen, Gaara-sama. Wer einen Auftrag ausgeführt wissen möchte, wendet sich an Akatsuki.“

Der junge Daimyô verschränkte die Arme vor der Brust und deutete ein Nicken an. „Das ist mir bewusst.“ Sasori meinte, seine Gedanken hören zu können, als schwebe durch den Raum: ‚Und das ist der einzige Grund, weswegen ich Euch noch nicht angreifen ließ.‘

„Nun, was führt Euch zu mir?“, fragte der Rotschopf.

Yahiko begann zu erklären: „Wie Ihr wisst, begehrt Orochimaru Euer Land. Er forderte unsere Unterstützung, die wir ihm aber versagt haben. Wir bieten stattdessen Euch unsere Dienste an im Kampf gegen Orochimaru.“ Ihr Anführer erwähnte mit keinem Wort, welche Gründe hinter ihrem Angebot steckten. Doch Gaara konnte sich vermutlich denken, warum ihnen so viel daran lag, dass Orochimaru nicht Shikoku vereinnahmte. Jeder Daimyô, der sich für sein Land interessierte, beobachtete den Schwarzhaarigen, um sich rechtzeitig gegen einen Angriff wappnen zu können. Gewann Orochimaru die Oberhand über ganz Japan, war auch Akatsuki abhängig von ihm.

Gaara antwortete nicht sofort, sondern musterte sie. Aus seiner Miene war nicht abzulesen, was er dachte. Schließlich verkündete er: „Ich werde diese Angelegenheit mit meinem Rat diskutieren. Bis eine Entscheidung gefällt ist, sei es Euch gestattet, die Gästezimmer der Burg zu beziehen.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Des Weiteren lade ich Euch ein, heute Abend mit mir und meinem Gefolge zu speisen.“

Sasori musste sich zusammenreißen, seine Augen nicht zu verdrehen. Diese ewigen Floskeln der Höflichkeit. Ja, er konnte Deidara sehr gut verstehen, der sichtlich gern Rônin war und sich nicht mehr an solche Spielereien halten musste. Jetzt ging dieses umeinander Herumschleichen der höheren Gesellschaft wieder los. Das letzte Mal bei Orochimaru hatte ihm eigentlich gereicht.

„Wir nehmen Eure Einladung dankend an“, erwiderte Yahiko höflich.

Gaara deutete mit einer Handbewegung an, dass sie entlassen waren. „Ihr dürft Euch entfernen.“

Erneut eine gerade so höfliche Verbeugung, ehe Akatsuki zurücktrat und sich zur Tür umwandte, um den Empfangssaal zu verlassen. Sasori war sich sicher, dass Gaara sie nur in seiner Burg einquartierte, um sie im Auge zu behalten und schneller reagieren zu können, sollten sie etwas tun, was ihm nicht gefiel. Je näher der potenzielle Feind war, desto eher bekam man seinen nächsten Schachzug mit.

Kurze Auszeit

Warum sein Meister ihn so früh am Morgen weckte, war Deidara schleierhaft. Seine Fragen prallten jedoch an Sasori ab. Wie immer, wenn der Rothaarige nicht bereit war, eine Erklärung abzugeben. Müde griff Deidara nach seiner Kleidung und streifte sie über. Sein Haar richtete er oberflächlich, ehe er seinem ungeduldigen Meister zu den Ställen folgte. Die Wachen, die ihnen über den Weg liefen, beäugten sie misstrauisch. Akatsuki konnte in der Burg keinen Schritt tun, ohne beobachtet zu werden. Gaara war gründlich, was auch kein Wunder war, wenn er Bakis Tod bedachte.

„Sattel dein Pferd“, wies Sasori ihn an.

Mürrisch brummte der Blonde und blieb im Durchgang des Stalles stehen, verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt sag mir doch einfach, was du vorhast, hm.“ Sein Blick ruhte auf seinem Meister, der bereits den Sattel seines Pferdes an ihm vorbei trug und über den Rand der Box hängte. Der genervte Blick seitens Sasori stieß bei Deidara auf Ignoranz. Er wusste, wann er besser nachgeben sollte und momentan konnte er sich den Ungehorsam erlauben.

„Ich will mal einen Tag Ruhe vor dem Haufen. Außerdem kommt dir das doch sowieso gelegen. Und jetzt sieh zu, dass du fertig wirst.“

Deidaras Lippen verzogen sich zu einem belustigten Grinsen. Nun hatte er seine Erklärung. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, dass Sasori etwas Ruhe brauchte. Bisher hatte er diese in seinem Schuppen gesucht, wo ihn niemand gestört hatte. Doch seit Tagen waren sie jede Minute in unmittelbarer Reichweite der anderen. Sasoris ohnehin spärlich gesäte Geduld war in den letzten Tagen rapide strapaziert worden. Selbst Gaaras Einladung hatte Sasori gestern ignoriert und war nicht zum Abendessen erschienen. Da der Rotschopf nicht umgänglich genug war, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, hatte Deidara das übernommen und behauptet, dass es seinem Meister nicht gut ginge und er sich ausruhte. Sie wollten schließlich, dass Gaara ihre Dienste in Anspruch nahm. Da mussten sie sich ein wenig zusammen reißen. Oder die Unzulänglichkeiten mancher kaschieren, wie zum Beispiel bei Sasori oder auch Hidan.

Dass Sasori ihn mitnehmen wollte, war Deidara sehr recht, nervten ihn die gestelzten Wortgeflechte, mit denen sich die Hochrangigen umschmeichelten. Als ehemalige Samurai hatten auch sie all das erlernt, waren sie unter den Daimyô die Mächtigsten gewesen. Doch als Rônin fühlte der Blonde sich viel wohler. Und Sasori wusste das.

Deidara sattelte nun also ebenfalls sein Pferd und führte es hinter Sasori aus dem Stall. Am Burgtor wurden sie aufgehalten, weil die Wachmänner wissen wollten, wo ihr Weg sie zu dieser frühen Stunde hinführte. „Richtet Yahiko aus, wir erkunden die Gegend“, erklärte er nur. „Und jetzt öffnet das Tor.“ Sasoris Stimme schnitt unbarmherzig durch die Luft. Die Männer wagten nicht zu widersprechen und Deidara beobachtete vergnügt, wie sie sich beeilten, das Tor zu öffnen.

Fest drückte Sasori seine Fersen in die Flanken seines Tieres und dieses setzte sich zügig in Bewegung. In gemäßigtem Galopp ritten sie aus der Stadt. Ein paar Bewohner, die bereits ihrem Handwerk nachgingen, mussten ihnen aus dem Weg springen, um nicht unter den Hufen zu enden. Der ein oder andere Fluch wurde ihnen hinterher geschickt. Deidaras Blick heftete sich an Sasoris Rücken. Wie sehr musste ihn die momentane Situation wirklich belasten, wenn er innerhalb der Stadt ohne besonderen Grund sein Pferd zum Galopp antrieb, um möglichst schnell in ruhigere Gegenden zu gelangen.

Außerhalb der Stadt zügelte Sasori sein Pferd und ritt nun im Schritt weiter. Lange blieben sie jedoch nicht auf dem Weg, da sein Meister querfeldein Richtung Meer abbog. „Sasori no Danna, wir erkunden nicht die Gegend, nicht wahr?“, hakte Deidara nach. Er vermutete einmal mehr, dass der Ältere einfach gelogen hatte.

Zustimmend nickte Sasori. „Gut erkannt.“ Deidara wunderte nicht, wieso sein Meister die Wachen angelogen hatte. Ihre privaten Angelegenheiten gingen diese Männer nichts an.

Nachdem sie das Wäldchen passiert hatten, empfing sie der helle Sand des Strandes. Sanftes Wellenrauschen umschmeichelte ihre Ohren. Die Sonne erhob sich gerade als riesiger, noch vom Schlaf matt schimmernder Ball aus dem dunklen Blau des Meeres. Deidaras Blick huschte einmal mehr zu seinem Meister. Er wirkte nun ein wenig entspannter. Die aggressive Gereiztheit war aus seinen braunen Augen verschwunden.

Eine kühle Brise verfing sich in Deidaras Haar und wehte es ihm ins Gesicht. Nachlässig schob er die Strähnen wieder über seine Schultern. Er genoss den Anblick ebenso, liebte er das Meer. Das Onsen in den Bergen war auch angenehm gewesen, vor allem im Winter tat das heiße Wasser der Quelle unheimlich gut. Doch wenn er die Wahl hatte, zog er das Meer vor. Kein Berg versperrte die Sicht und das Meer schien so weit zu reichen, dass es sich mit dem Horizont vereinte.

„Danna, ich hab Hunger, hm.“

Deidara glaubte nicht, dass sie in den nächsten Stunden zurückkehren würden. Und weil Sasori immer perfekt vorbereitet war, war er sich sicher, dass der Rotschopf auch etwas zu essen dabei hatte. Doch sein Meister sah lediglich in den Himmel und deutete auf die Vögel. „Dann nimm deinen Bogen und erleg etwas.“

Für einen Moment starrte Deidara den Rothaarigen überrascht an. Sasori hatte kein Essen dabei? Entweder war er noch gereizter gewesen als angenommen oder aber er hatte einkalkuliert, dass Deidara seinen Bogen mitnehmen würde. Sasori hatte schließlich immer einen Plan.

„Glotz nicht. Da sind die Vögel“, knurrte der Rothaarige und zeigte mit dem Finger in den Himmel.

„Jaaa, Danna, hm.“
 

Die Pferde banden sie an einen der nahe stehenden Bäume. Während Deidara seinen Bogen spannte und zwei Vögel vom Himmel schoss, suchte Sasori nach passendem Feuerholz, welches sie für ein Lagerfeuer verwenden konnten. Die Tiere zu rupfen und die Innereien zu entfernen nahm etwas Zeit in Anspruch, doch schließlich waren die Tiere auf je einen Stock gespießt und brieten über dem Feuer.

Deidara war seinem Meister dankbar, dass er ihn mitgenommen hatte. In den letzten Tagen hatten sie so gut wie keine Privatsphäre gehabt, nicht einmal nachts. Solange sie in der Burg des Daimyô verweilten, hatten sie wenigstens wieder ein Zimmer für sich, aber die ganze Situation forderte Nerven.

Während sein Blick über das ruhige Wasser schweifte, fragte er sich einmal mehr, warum Sasori eigentlich ihren Daimyô Gôza getötet hatte. In den letzten Jahren hatte ihn das herzlich wenig interessiert, war ihr Leben dadurch besser geworden, fand der Blonde. Vielleicht förderte ihre momentane Situation diese Wissenslücke erneut zu Tage.

„Sasori no Danna?“, begann der Blonde und als er seine Aufmerksamkeit hatte, fragte er: „Warum hast du Gôza umgebracht, hm?“

Als er vor drei Jahren gefragt hatte, war Sasori ihm die Antwort schuldig geblieben. Doch nach und nach hatte sein Meister sich ihm geöffnet, ihm Dinge aus seiner Vergangenheit anvertraut oder auch mal private Gedanken verlauten lassen. So wusste Deidara inzwischen, dass Sasori ihn zu sich genommen hatte, weil er seinen Meister an sich selbst erinnert hatte, ohne Eltern allein zurückgelassen zu sein auf der Erde.

Sasoris Blick verhärtete sich, sodass Deidara zu der Annahme kam, dass er ihm auch dieses Mal nicht erzählen würde, welche Gründe ihn zu der Aktion getrieben hatten. Doch dann sprach der Rothaarige: „Gôzas privates Interesse an mir war zu groß.“

Deidaras Augen weiteten sich erst überrascht, hatte er damit nicht gerechnet. Dann verzog er angewidert das Gesicht. Gôza war bereits über fünfzig Jahre gewesen, bevor Sasori ihn getötet hatte. „Der alte Sack. Ist ja widerlich, hm“, kommentierte er. Sasori deutete ein Nicken an und wandte sich dann seinem Vogel zu, um ihn über dem Feuer zu drehen, damit er von allen Seiten braun wurde. Erneut sah Deidara aufs Meer hinaus. Hätte sein Meister ihren Daimyô nicht getötet, hätten sich nur mehr Schwierigkeiten entwickeln können, wenn Gôza beispielsweise auf Sasoris Gehorsam gegenüber seinem Daimyô bestanden hätte. Sasori wäre in der Lage gewesen abzulehnen, doch dann hätte er ihn verbannen oder aber den Seppuku befehlen können. Allerdings war Sasori nicht dafür bekannt, andere über sich entscheiden zu lassen. Er konnte verstehen, warum der Rothaarige das Problem mit Stumpf und Stiel beseitigt hatte ohne Zeit zu vergeuden.
 

Nach ihrer schlichten Mahlzeit deckten sie die Überreste des Feuers mit Sand ab und schlenderten den Strand entlang. Ihre Pferde folgten ihnen locker am Zügel. Die Lüge über ihre Erkundungstour konnten sie aufrechterhalten, kam dem Blonden in den Sinn. Schließlich kundschafteten sie mehr oder weniger diesen Strand aus. Eher weniger als mehr, da keiner von ihnen sonderlich viel Elan hinein legte, sich zu intensiv mit ihrer Umgebung auseinander zu setzen. Es war eher ein sanftes Dahintreiben.

Am Nachmittag suchten sie Schutz vor der Sonne zwischen ein paar Bäumen. Deidara setzte sich an den Fuß eines Baumes und lehnte sich gemütlich gegen den rauen Stamm. Neugierig sah er Sasori an, als dieser etwas unter seinem Gi hervor holte. Er erkannte das kleine Ölfläschchen schnell und konnte sich das verruchte Grinsen nicht verkneifen. „Danna, was hast du eigentlich nicht dabei, hm?“, fragte er frech. Sasori hatte das hier geplant. Wie immer, wenn der Rothaarige etwas tat, steckte meist mehr dahinter.

Die trockene Antwort folgte prompt. „Ein Tuch.“ Deidara lachte. Das würden sie hier eh nicht brauchen, sollte das Gras genügen. Und sie waren weit genug vom Strand entfernt, sodass sich kein Sand an Stellen verirren konnte, wo es unangenehm werden würde. Außerdem fand Deidara den Gedanken aufregend, hier mit seinem Meister intim zu werden, denn bisher hatten sie sich lediglich den körperlichen Freuden hingegeben, wenn ihnen ein Zimmer zur Verfügung gestanden hatte. Sie könnten zwar im Gästezimmer miteinander schlafen, aber das hier war doch viel interessanter. „Wolltest du sichergehen, dass uns niemand stört, hm?“, fragte der Blonde neckend, während Sasori das Fläschchen neben sich ins Gras stellte.

Doch eine Antwort erhielt er nicht, weil sein Meister mit einer raschen Bewegung zwischen seinen Beinen kniete. Die Finger einer Hand legten sich um Deidaras Unterkiefer, während die andere sich neben seinem Kopf am Baumstamm abstützte. Forsch presste Sasori die Lippen auf seine eigenen und vereinte sie zu einem leidenschaftlichen Kuss. Ein gieriges Kribbeln zuckte durch Deidaras Körper. Er stand einfach zu sehr auf Sasoris dominante Art.

Die Entscheidung

Sasori hasste diese ewige Warterei. Der junge Daimyô hatte sich noch immer nicht entschieden, ob er Akatsukis Dienste annehmen wollte. Da ihm allerdings relativ egal war, wofür Gaara sich letztendlich entschied, solange er überhaupt eine Entscheidung traf, zog er es vor, weiterhin mit Deidara die Landschaft zu erkunden, um wenigstens eine sinnvolle Aufgabe zu verfolgen. Yahikos Ermahnung, ihm zumindest persönlich Bescheid zu geben, wenn sie sich aus der Burg entfernten, ignorierte Sasori einfach. Und Deidara hatte für Yahikos Neugier nur eine dreiste Bemerkung über. Dass sein Schüler gewisse Probleme mit dem Gehorsam hatte, war allgemein nichts Neues. Die Wachen bemerkten ohnehin, wann sie die Burg verließen und wieder zurückkamen. Yahiko war genug informiert, fand Sasori. Außerdem wusste Zetsu doch ohnehin über alles Bescheid, wenn er nur wollte. Und Sasori würde es nicht wundern, wenn ihr Spion auch ihnen nachstellte, um herauszufinden, warum sie die Burg verließen.

Eher überraschend war für ihn, dass es bisher keine ernstzunehmenden Probleme mit den anderen Rônin der Gruppe gegeben hatte. Denn zuvor war sein Schüler von einem Problem ins nächste geschliddert aufgrund seines mangelnden Sinns für Respekt. Sasori ging mittlerweile davon aus, dass man dem Blonden nur genug Aufmerksamkeit schenken und ihn ernst nehmen musste, damit sich das legte. Bei Akatsuki hatte es zumindest funktioniert. Die anderen nahmen Deidara ernst und sprachen auf gleicher Ebene mit ihm. Er hatte zwar öfter versucht, mit Itachi einen Streit vom Zaun zu brechen, doch wenn man keine richtige Angriffsfläche bot und nicht reagierte, wurde aus einem Streit nicht viel.

Während Sasori mit seinem Schüler die Umgebung von Matsuyama auskundschaftete, spielten sich in seinem Kopf verschiedene mögliche Strategien durch, die Orochimaru zum Angriff einsetzen könnte, und wie man angemessen darauf reagieren könnte. Fakt war allerdings, dass sie bei dem Schwarzhaarigen mit allem rechnen mussten, auch mit einem Hinterhalt oder einem verdeckten Angriff auf Gaara durch seine unmittelbaren Untergebenen.

Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen, als sie zurückkehrten und die Stadt Matsuyama in einiger Entfernung sichtbar wurde. Genau wie ein einsamer Wanderer. Sasori erkannte ihn schon von weitem an seiner Haltung und der Art sich zu bewegen, wie er scheinbar halb mit der Landschaft verschmolz. Seine Fersen drückten sich in die Flanken seines Pferdes und spornten es zu einem lockeren Trap an. „Danna?“, hörte er Deidaras Stimme knapp hinter sich, der die Gangart seines Pferdes ebenfalls änderte. Doch er gab ihm keine Antwort. Innerhalb weniger Minuten würde auch Deidara klar werden, wer dort vorn auf der Straße Richtung Stadttor schritt.

Schließlich zügelte Sasori sein Pferd neben Zetsu. Der Spion sah erst zu ihm, dann zu Deidara, der in diesem Augenblick neben dem Rothaarigen sein Pferd verlangsamte. Der Rotschopf hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf. „Zetsu, ich hoffe, du hast ein paar interessante Neuigkeiten, hm.“ Deidara grinste gespannt. Innerlich amüsierte Sasori sich über seinen Schüler. Wie immer. Hauptsache irgendwas passierte.

Zetsu nickte. „Ich habe so einiges herausgefunden.“ Nach einer kurzen Pause fügte seine dunkle Stimme hinzu: „Und das wird Gaara sicher nicht gefallen.“
 

Wieder hieß es zusammen mit dem Daimyô und dessen Gefolge gemeinsam zu speisen. Sasori mochte so viele Menschen um sich herum einfach nicht sonderlich. Inzwischen fragte er sich, wie er sein früheres Leben ertragen hatte, waren ihm die anderen Menschen damals nicht so derart lästig erschienen. Oder hatte er sich zu sehr an das Leben in den Bergen gewöhnt? Hin und wieder einen Auftrag ausführen und ansonsten konnte er tun und lassen, was er wollte.

„Das ist unser letztes Mitglied, Zetsu“, stellte Yahiko ihren Spion vor. Doch noch erwähnte niemand, welche Informationen Zetsu mitgebracht hatte. Natürlich wusste ganz Akatsuki bereits von den Neuigkeiten, doch bevor Gaara sich nicht entschieden hatte, würde niemand ein Wort darüber verlieren.

Sasoris Blick glitt zu dem Rotschopf, der auf der Stirnseite des Raumes saß und so den kompletten Überblick über die Anwesenden behielt. Alle anderen saßen sich in gut zwei Metern Entfernung gegenüber und wie üblich wurde Gaara von seinen älteren Halbgeschwistern flankiert. Vor jedem wartete ein Tablett mit einem delikaten Abendessen.

„Warum ist Zetsu erst jetzt zu Euch gestoßen?“, hakte Gaara ruhig nach.

Sasori bemühte sich, nicht genervt zu seufzen und wandte sich lieber wieder seiner Mahlzeit zu. Yahiko übernahm sowieso die meiste Zeit die Konversation mit dem jungen Daimyô, sobald es um das Geschäftliche ging.

„Er hat nach Informationen gesucht“, erklärte der Orangehaarige.

Gaara sagte dazu nichts weiter, aber Sasori war sich sicher, dass es hinter seiner Stirn arbeitete. Es war nicht unbekannt, dass Zetsu derjenige war, über den man normalerweise Kontakt mit Akatsuki aufnehmen konnte. Allerdings war dieses System momentan brüchig geworden durch das Fehlen ihres Rückzugsortes.

Schließlich erhob Gaara wieder seine Stimme. „Ich habe mich entschieden, Eure Dienste in Anspruch zu nehmen“, erklärte er stoisch. „Leiht mir Eure Stärke im Kampf gegen Orochimaru. Gewinnt mein Reich, werde ich Euch angemessen entlohnen. Bis dahin werdet Ihr weiterhin in meiner Burg untergebracht sein und alles erhalten, was Ihr benötigt.“

Na endlich! Das wurde ja auch langsam Zeit! Wieso hatte der Bengel so lange darüber nachdenken müssen? Oder seine Berater hatten sich tagelang gestritten. Bei solchen Greisen kam es oft genug vor, dass jeder stur auf seinem Standpunkt beharrte. Aber so traf man keine Entscheidungen.

Zufrieden nickte Yahiko. „Wir werden an Eurer Seite kämpfen.“ Damit war der Handel besiegelt. Und es vergingen vermutlich nur noch Augenblicke, bis Yahiko mit den Informationen herausrückte, denn sie waren wichtig für das weitere Vorgehen.

„Gaara-sama“, begann ihr Anführer auch nach einigen Herzschlägen. „Orochimaru wird beim nächsten Neumond mit seinen Schiffen übersetzen und dann Matsuyama angreifen.“

Sasori sah nun doch wieder zu dem jungen Herrscher, um seine Reaktion zu beobachten. Bisher hatte er keinerlei Emotion gezeigt, doch nun konnte man leichte Überraschung in seiner Mimik erkennen. Er fragte jedoch nicht, woher sie das wussten. Die jadefarbenen Augen musterten Zetsu dafür intensiv, ehe er sich wieder Yahiko zuwandte.

„Seid Ihr sicher?“, fragte er nun wieder völlig beherrscht nach. Yahiko nickte bestätigend. Zetsu hatte noch nie falsche Informationen gebracht. Wenn der Grünhaarige sich nicht sicher war, dann drückte er das auch so aus. Zetsu hatte ihnen berichtet, wie schwer es gewesen war, überhaupt an diese Information zu gelangen, weil Orochimaru sich mit seinem Gefolge umgab. Und wie gefährlich dieses war, wussten sie selbst zur Genüge.

„Dann bleiben uns nicht einmal mehr zwei Wochen“, mischte sich nun Kankurô ein, in dessen Gesicht sich Besorgnis spiegelte.

„Es war abzusehen, dass Orochimaru entweder noch vor der Regenzeit angreift oder bis zum Sommer beziehungsweise Herbst wartet“, wandte Gaara ein und hob seine Teeschale an die Lippen, trank ein paar Schlucke aus selbiger, bevor er weiter sprach. „Allerdings rechnete ich bereits mit einem baldigen Angriff.“

Sasori musste zugeben, dass der junge Daimyô recht clever schien. Orochimaru hielt seine Pläne so lange es ging geheim. Wenn also durchdrang, dass er ein Land einnehmen wollte, sollte man sich lieber schnell rüsten. Er ging davon aus, dass Gaara bereits erste Vorkehrungen getroffen hatte. Und Temari bestätigte seine Vermutungen auch. „Ich verstehe. Deswegen hast du bereits Nachrichten an alle Samurai-Clans senden lassen.“

Gaara deutete ein zustimmendes Nicken an. „Lasst uns alles weitere morgen früh besprechen.“

Würde es nach Sasori gehen, könnten sie das auch gleich besprechen, aber dazu waren natürlich wieder Landkarten nötig, um verschiedene Strategien anschaulich durchgehen zu können. Dass sich aber auch niemand eine einfache Landkarte merken konnte. Sasori hatte die Landkarte von Shikoku auch nach Jahren noch sehr genau im Kopf. Es gab für Orochimaru mehrere Möglichkeiten, wo er seine Schiffe anlegen lassen könnte. Er musste auf jeden Fall darauf achten, nicht zu früh entdeckt zu werden, damit seinen Männern der Übergang an Land nicht erschwert werden würde durch einen Angriff seitens Gaara. Sie sollten Wachen an jeder geeigneten Bucht postieren.

Die Unruhe des Heimatlosen

Itachi trainierte mit seinem Partner auf dem Trainingsplatz nahe dem Abschnitt der Burgmauer, der zum Meer gerichtet war. Die Schwertübungen mit Kisame halfen ihm, sein inneres Gleichgewicht zu finden, welches er seit dem Brand zunehmend vermisste. Nach außen hin war seine Ungehaltenheit kaum zu erkennen. Kisame war aber wie üblich aufgefallen, dass er seine Bewegungen weniger geschmeidig vollführte. Auch ließ er sich von Hektik oder Lärm beeinflussen, was er sonst gut ignorieren konnte. Hin und wieder hatte ein warnender Blick Hidan oder Deidara oder auch einen von Gaaras Wachmännern getroffen. Weder Deidara noch Hidan ließen sich davon beeindrucken. Käme der Blonde jetzt mit einer Herausforderung zu ihm, er würde sie wohl annehmen. Zudem schlief er nachts nicht mehr durch. Irgendwann zerrte ihn seine Ruhelosigkeit in den Wachzustand und dann fiel es ihm schwer wieder einzuschlafen. Der Verlust des Onsen, ihres Heims, machte ihm zu schaffen. Wo würden sie hingehen, wenn ihr Auftrag bei Gaara beendet war? Und was nun wohl aus seinem Raben wurde? Itachi hatte den Vogel am Morgen nach dem Brand nicht gesehen. Im Frühjahr und Sommer war es nicht ungewöhnlich, dass er das Tier tagelang nicht zu Gesicht bekam. Im Winter hielt sich der schwarze Vogel dafür gern in der Nähe auf, um ins Haus zu schlüpfen. Doch das war nicht mehr möglich. Verkohlte Trümmer ragten nun wie ein Mahnmal aus dem Boden. Nur noch die heiße Quelle konnte im Winter die Kälte aus den Knochen vertreiben. Sicher würde der Vogel auch ohne diese kleinen ‚Einbrüche‘ über den Winter kommen, dennoch vermisste Itachi ihn.

Diese Gedanken führten ihn weiter zu seinem kleinen Bruder, den er auf Kyûshû zurückgelassen hatte. Dorthin konnte er leider nie zurückkehren. Itachi wusste, dass er sich auf Sarutobi verlassen konnte. Sein ehemaliger Daimyô war immer ein gerechter Mann gewesen. Das Gefühl der Leere füllte ihn dennoch oft genug, wenn er an Sasuke dachte. Er würde vermutlich nie begreifen, wieso sein älterer Bruder ihren Clan ausgelöscht hatte und er als einziger noch lebte. Der Kleine hasste ihn bestimmt für seine Tat. Aber dieser Hass würde ihn davor bewahren, ihm zu folgen. Denn sollte Sasuke sich ihm anschließen, würde er auf der Insel ebenfalls nicht mehr willkommen sein.

Sein Katana wurde ihm aus den Händen geschlagen und er selbst zurückgestoßen. Mit einem dumpfen Aufprall fand Itachi sich auf den Boden wieder. Kisames Stimme drang an seine Ohren. „Du bist nicht bei der Sache.“ Stoisch richtete er sich wieder auf und hob seine Klinge auf. Der Blauhaarige hatte Recht. Wäre er mit den Gedanken bei dem Trainingskampf gewesen, wäre ihm das nicht passiert. Kisame war zwar stärker als er, deutlich stärker, aber wenn er ihn genau beobachtete, konnte er seine Bewegungen vorherahnen und ausweichen, um seinerseits anzugreifen.

Mit der freien Hand strich er sich ein paar störende Strähnen aus dem Gesicht. Für den Augenblick zeichnete sich ein schmales Lächeln auf seinen Lippen ab. Die unsanfte Landung war genau richtig gewesen, um ihn wieder in die Gegenwart zu befördern. Diese Grübeleien taten ihm nicht gut.

Seine Aufmerksamkeit wurde auf eines der Fenster des Hauptgebäudes gelenkt. Jemand stand an dem Fenster. Itachi kniff seine Augen zusammen. Wenn er sich nicht irrte, war das Gaara. Das kurze Haar wirkte selbst umhüllt von Schatten rötlich. Zwar konnte er dessen Augen bei dieser Entfernung nicht erkennen, aber seiner Haltung nach zu schließen sah der Daimyô zur Burgmauer. Der Schwarzhaarige folgte einer gedachten Linie durch die Luft und erblickte schließlich Deidara, der auf der Mauer saß. Dass der Blonde in der Nähe war, hatte er am Rande wahrgenommen. Schon eine ganze Weile saß Sasoris Schüler dort und beobachtete wohl das Meer. Etwas anderes konnte man von dessen Position aus nicht machen.

Itachi richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Kisame, der seinen Beobachtungen augenscheinlich gefolgt war und nun einen bedeutungsvollen Blick zu ihm warf. Itachi war längst aufgefallen, wie intensiv Gaara den kleinen Blonden musterte. Nachdem er Kisame von diesem Phänomen erzählt hatte, achtete sein Partner ebenfalls darauf. Wenn man nur ein bisschen aufmerksam war, war nicht zu übersehen, dass der Daimyô irgendein Interesse an Deidara hegte. Welcher Art selbiges war, konnte man allerdings nicht erkennen. Der Rothaarige zeigte sich äußerst beherrscht. Vermutlich würde sich noch zeigen, welchen Grund der junge Daimyô hatte.

Itachis zweite Hand umfasste nun wieder den Griff des Katana und er ging in seine Kampfhaltung über, um Kisame zu signalisieren, dass die kleine Pause beendet war.

Ryûjin, der Gott in Drachengestalt

Gaara hatte das Fenster seines Arbeitszimmers geöffnet, um ein wenig frische Luft hinein zu lassen. Die salzige Brise, welche vom Meer heran getragen wurde, erfrischte angenehm. Zudem befreite es den Geist, in die Ferne schauen zu können. Allerdings richtete sich seine Aufmerksamkeit sehr schnell auf langes, blondes Haar, das sich im sanften Wind verfing.

Gaara runzelte die Stirn. Deidara saß dort recht gefährlich. Der Abschluss der Burgmauer bestand aus Ziegeln. Sie war nicht dafür geeignet, sich dort hinzusetzen und die Beine baumeln zu lassen. Doch er musste zugeben, dass es bei dem Blonden spielerisch leicht wirkte. Und das helle Haar bot einen angenehmen Kontrast zu der dunklen See dahinter.

Gaara hegte keinen Groll gegen Akatsuki, obwohl sie Baki getötet hatten. Jedem klar denkenden Menschen war bewusst, dass Akatsuki lediglich Aufträge ausführte gegen Bezahlung und keine persönliche Meinung hinter ihren Taten stand. Meistens jedenfalls. Denn sie hatten Orochimarus Auftrag abgelehnt, waren stattdessen zu ihm gekommen und hatten ihm aus eigenem Antrieb ihre Dienste angeboten. Gaara war sich sicher, dass etwas zwischen dem schwarzhaarigen Daimyô und Akatsuki vorgefallen sein musste. Zudem hatte er noch nie von einer Frau bei den Rônin gehört. Allerdings wusste auch niemand, wo sie lebten. Sie konnte sich die ganze Zeit über in ihrem Versteck aufgehalten haben. Die Frage kam auf, warum sie Konan dieses Mal mitgenommen hatten. Gaara vermutete, dass ihnen keine Wahl geblieben war.

Eine kleine Pause tat ihm sicherlich ganz gut, beschloss er und verließ sein Arbeitszimmer. Gemessenen Schrittes stieg Gaara die Treppen hinab. Seine Schritte führten ihn in das angeschlossene Nebengebäude, um von dort auf den Wehrgang der Burgmauer zu gelangen. Belebender Wind empfing ihn, sobald er aus der Tür ins Freie trat.

Während er sich langsam dem blonden Rônin näherte, erfassten seine jadefarbenen Augen die Umgebung. Auf dem Trainingsplatz waren zwei weitere Akatsuki. Seine Wachen konnte er in einiger Entfernung ausmachen, die pflichtbewusst ihren Aufgaben nachgingen. Doch der Blonde auf der Mauer war von größerem Interesse. Deidara bemerkte ihn schließlich und wandte seinen Kopf zu ihm. Diese azurblauen Augen jagten ihm einen angenehmen Schauer über den Rücken, als sie sich in ihn zu bohren schienen. Sie ähnelten farblich dem Meer auf der anderen Seite der Mauer.

„Darf ich mich zu Euch gesellen?“, fragte Gaara ruhig.

Ein belustigtes Lachen verließ Deidaras Kehle. „Warum fragt Ihr überhaupt, Gaara-sama, hm?“, antwortete der Blonde mit einer Gegenfrage und spielte damit auf seinen Rang an. Als Daimyô stellte man in der Regel keine solchen Fragen an Rangniedere. Gaara hatte jedoch nicht vor, sich ihm auf offizieller Ebene zu nähern. Leicht runzelte der Rotschopf die Stirn. Wie Deidara das Höflichkeitssuffix aussprach, irritierte ihn. Er bezweifelte, dass er tatsächlich seinen Respekt bekundete. Auf Gaara wirkte es eher so, als wolle er ihn aufziehen. Doch diese Nuance war dezent gesetzt. Vermutlich hatte ganz Akatsuki von Yahiko die Anweisung, ihm gegenüber Respekt zu zeigen. Denn wie unhöflich sie sich teilweise untereinander benahmen, war ihm aufgefallen und von seinen Untergebenen zugetragen worden. Es brauchte trotzdem einen gewissen Mut, sich diese angedeutete Respektlosigkeit zu erlauben.

„Da mögt Ihr Recht haben, aber vielleicht möchtet Ihr in Euren Gedanken nicht gestört werden“, erwiderte der Rotschopf gelassen. Nun zeigte sich dieses freche Grinsen auf den Lippen des Rônin, welches ihm zuvor schon aufgefallen war. „Nun ist es sowieso zu spät, hm.“

Wieder eine Antwort, die wohl keiner gewagt hätte, ihm gegenüber zu äußern. Sein Interesse an Deidara wuchs. Anfangs hatte ihn nur dessen Funkeln in den Augen und die selbstsichere, fast schon unbeugsam wirkende Haltung angezogen und schließlich dazu bewogen, eine Pause zu machen und hier auf die Burgmauer zu kommen. Außerdem schien es einer der seltenen Augenblicke zu sein, in dem er tatsächlich einmal allein und nicht bei seinem Meister war. Sasori hatte Gaara bisher vergleichsweise selten in der Burg gesehen. Der Mann wirkte auf ihn recht unzugänglich. Seinen Ruf kannte Gaara allerdings, war er allgemein berüchtigt. Als Samurai musste Sasori äußerst gefährlich sein, nicht umsonst hatte sich der Name Akasuna no Sasori verbreitet.

Da Deidara nicht geäußert hatte, dass er gehen sollte, lehnte Gaara sich gegen die Mauer und sah auf die ruhigen Wellen hinaus, die mit beständigem Rauschen auf den Strand tief unter ihnen am Fuße der Steilküste rollten.

Aus den Augenwinkeln nahm Gaara wahr, dass Deidara seinen Blick wieder in die Ferne richtete. „Ihr mögt das Meer?“ Eigentlich war es mehr eine Feststellung als eine Frage, denn es war unwahrscheinlich, hier oben auf der Mauer zu sitzen und das Meer zu beobachten, wenn man kein Interesse daran hatte.

„Scharfsinnig“, kommentierte Deidara amüsiert. Sonderlich respektvoll gab der Rônin sich wirklich nicht. Jeder andere Herrscher hätte vermutlich bereits seine Geduld mit ihm verloren. Während der ersten Strategiebesprechung war der Blonde recht ruhig gewesen, sodass er nicht sicher sagen konnte, wie er sich im Beisein der anderen Akatsukimitglieder verhielt, ob er dann ähnlich respektlos wäre. Auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten schien Akatsuki sich relativ zurückzuhalten. Denn der Ton unter ihnen war ein anderer, das war ihm klar. Meist sprach auch lediglich Yahiko mit ihm, was nur verständlich war, immerhin war er der Anführer von Akatsuki.

Aber Gaara würde dieses Detail über Deidara auch noch herausfinden, war noch etwas Zeit bis zur Schlacht. Wenn Gaara könnte, würde er sie vermeiden. Doch Orochimaru ließ niemandem die Wahl, diplomatische Wege zu beschreiten. Beinhaltete dieser Weg seine Aufgabe, würde der ältere Daimyô wohl von einem Angriff absehen. Das war für den Rothaarigen jedoch keine Option. Gaara versank in seine Gedanken. Ihm behagte nicht, Krieg führen zu müssen. Einen Angriff musste er aber abwehren und sein Reich war stark. Zusätzlich mit der Kraft von Akatsuki sollten sie Orochimaru zurückschlagen und hoffentlich in Zukunft fernhalten halten können.

Ein paar Minuten herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Deidara schließlich wieder sprach. Seine unterschwellige Provokation war nun komplett versiegt. „Wo Ryûjin wohl seinen Palast hat, hm.“

Ryûjin, der Gott in Drachengestalt, dessen Palast irgendwo im Meer lag. „Das weiß kein Sterblicher“, sagte Gaara ruhig. Ob Deidara den Drachengott mochte? Man könnte es vermuten. Die Bewegung neben sich veranlasste Gaara dazu, sich dem Blonden wieder mehr zuzuwenden. Da war das Grinsen wieder. „Wer weiß, vielleicht ist sein Palast ganz in der Nähe.“

Gaara nickte langsam. Das wäre durchaus vorstellbar. Deidara sprach weiter. „Es heißt, man könne ihn bei einem Unwetter zwischen den Wellen sehen, wenn man genau hinsieht, hm.“ Die gewisse Faszination war aus seiner Stimme heraus zu hören. Deidara mochte Ryûjin, eindeutig.

Nachdenklich verweilte Gaaras Blick auf den kleinen Wellen der ruhigen See. „Solch ein Unwetter an Neumond wäre nicht verkehrt“, murmelte der Rothaarige vor sich hin. An sich wünschte er niemandem, auf See in einen Sturm zu geraten. Doch Orochimaru würde sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen. Und darum dachte er zuerst an das Wohl seiner Untergebenen. Wurde Orochimarus Flotte von den Wellen verschlungen, blieben seine Männer und sein Land verschont.

Deidara schnaufte. „Und was sollen wir dann machen?“, fragte er. „Ist ja langweilig, hm.“

Da liebte wohl jemand den Kampf. Aber Deidara musste sich auch nur um sein eigenes Wohl kümmern. Ihm hingegen war ganz Shikoku anvertraut und die Menschen wollte er schützen. „Aber es schützt Leben“, sprach Gaara schließlich.

„Orochimaru interessiert das herzlich wenig, hm.“ Deidara zuckte mit den Schultern und zeigte damit, wie wenig ihn interessierte, ob irgendwelche Leben geschont werden würden. Der Mann war Krieger durch und durch, das wurde Gaara klar. Und wohl einer von der stolzen Sorte. Er war nun doch gewissermaßen gespannt, wie der Blonde kämpfen würde. Dennoch hoffte er, dass ein Unwetter das Problem ohne Kampf aus dem Weg räumen konnte. Vielleicht könnte ein Gebet helfen, damit Ryûjin ihn erhörte.

„Da muss ich Euch zustimmen.“ Orochimaru interessierte sich nicht dafür, ob Gaaras Untergebene am Leben blieben. Um seine eigenen machte er sich vermutlich auch nicht sonderlich viele Gedanken, erweiterte er sein Reich sehr aggressiv.

„Ich werde mich nun zurückziehen“, erklärte Gaara schließlich. Die Pause war lang genug gewesen. Auf ihn wartete noch Arbeit. Ein letztes Mal blickte er in die azurblauen Augen. Das freche Grinsen wurde von einem flapsigen „Bis später, hm“, begleitet. Gaara zog es vor, nicht weiter darauf einzugehen und sich abzuwenden. Während er den Wehrgang zurück zur Tür zum Gebäude schritt, huschte ein kleines Lächeln über seine Lippen. Deidaras Mut gefiel ihm. Doch würde er immer noch so mit ihm reden, wüsste er, wozu er fähig war? Das Lächeln verblasste. Beinahe belastend spürte er einmal mehr den kleinen Flaschenkürbis, der an seinem Obi hing und von seinem Jin Baori verborgen wurde. Es war ein offenes Geheimnis hier auf Shikoku.

Die letzten Atemzüge

Kein Sturm wühlte in der Neumondnacht die See auf. Orochimarus Armee konnte demnach ungehindert übersetzen. Bei Matsuyama war bereits Gaaras Heer versammelt. Es aufgrund von wagen Vermutungen zu einem Strand zu führen, wo ihr Gegner vielleicht nie einen Fuß auf den Sand setzte, war sinnlos. Dafür waren an allen denkbaren Stränden Wachen postiert, die sofort Bericht erstatten sollten, wenn sich etwas tat.

In den frühen Morgenstunden, die Sonne würde jeden Moment über den Horizont klettern, trieben zwei Wachmänner ihre Pferde erbarmungslos durch die Straßen der Küstenstadt zur Burg des Daimyô, um ihm von der Ankunft des fremden Heeres zu berichten.
 

Unruhe wallte im Schloss auf wie Staub, den man zu eilig beseitigen wollte. Noch bevor die Nachricht von dem Eintreffen der gegnerischen Armee bis zu Akatsuki durchdrang, waren alle wach und angezogen. Es gab keinen anderen Grund für die plötzliche Hektik auf den Fluren. Und so versammelten sich, der General, die Hauptmänner und Akatsuki im großen Saal um Gaara, um die letzten Details zu besprechen.

„Sasori, ist der Raum präpariert?“, fragte Yahiko den Rothaarigen, welcher nickte. „Selbstverständlich.“ Normalerweise blieben immer ein oder zwei Akatsuki bei Konan, weil der Orangehaarige sichergehen wollte, dass es seiner Frau gut ging. Doch dieses Mal konnten sie sich nicht leisten, auch nur auf einen Mann im Kampf zu verzichten. Sie kannten die Stärke von Orochimaru und seinem Gefolge. Jeder Mann war entscheidend über Sieg und Niederlage. Also hatten sie ihn gebeten, einen Raum für die Frauen, Konan und Temari, mit Fallen zu sichern, sollte ein Attentäter ins Schloss eindringen und Geiseln nehmen wollen. Ein Teil des Nara-Clans würde ebenfalls im Schloss verweilen, um die Frauen zu schützen, wollte Shikamaru seine Frau Temari ebenso in Sicherheit wissen wie Yahiko Konan. Da ihr Anführer sich aber nicht auf Fremde verlassen wollte, hatte er Sasoris Vorliebe für Fallen und Gifte genutzt, um weitere Vorkehrungen zu treffen. Niemand würde den Frauen zu nahe kommen können, ohne zu sterben. Konan und Temari waren eingeweiht und von ihm selbst instruiert worden, damit sie sich nicht aus Versehen selbst vergifteten.

Und wenn Sasori bedachte, dass Zetsu vor wenigen Tagen die Nachricht überbracht hatte, dass Tobi irgendwo auf Shikoku rumrannte, sich aber nicht einfangen ließ, waren seine Maßnahmen definitiv notwendig.

Gaaras Blick wanderte einmal komplett durch den Raum, streifte jeden Anwesenden. Der junge Daimyô trug nun nicht mehr seine übliche Kleidung, sondern wie alle anderen auch eine Rüstung und seine Waffen. Er gehörte offensichtlich zu der Sorte Daimyô, die selbst am Geschehen des Kampfes teilhaben wollte. Der Flaschenkürbis an Gaaras Hüfte, der am Obi festgebunden war, wollte jedoch nicht in das Bild des verantwortungsbewussten Daimyô passen. Bedachte man, dass Gaara kein Wasser mit sich führen musste, weil er im Palast jederzeit welches ordern konnte, kam der Gedanke auf, er sei abhängig vom Sake. Doch Sasori war es unmöglich zu sagen, ob er den Flaschenkürbis zuvor auch bei sich getragen hatte, sah er Gaara zum ersten Mal ohne den prunkvollen Jin Baori, der viel verbarg. Vielleicht beinhaltete das Gefäß wirklich nur Wasser für den Kampf.

Diese Schlacht würde definitiv hart werden, da war der Rônin sich sicher. Selbst Akatsuki hatte leichte Rüstungen über Yukata und Hakama angelegt, welche teilweise von Haori oder Jin Baori verborgen wurden, wer die lockeren Kleidungsstücke noch darüber trug. Gaara hatte ihnen die Rüstungen angeboten und sie hatten nicht abgelehnt. Im Hinblick auf ihren Gegner war ein wenig Schutz am Körper durchaus ratsam. Orochimaru sollte man nicht unterschätzen und der Rothaarige rechnete es Gaara hoch an, dass er nicht den Fehler der Jugend beging und sich für stark genug hielt, sondern trotz des Wissens um seine Stärke alle möglichen Vorkehrungen traf, um seinen Sieg zu sichern.

„Es ist alles besprochen“, ertönte nun die ruhige Stimme des Daimyô. „Wir brechen auf.“
 

Deidaras explosive Geschosse erzielten leider wenig Wirkung, da Orochimaru diese Taktik bereits kannte und dagegen vorging, in dem er Gaaras Armee sehr schnell in einen Nahkampf verwickelte, weswegen auch ihre Bogenschützen nur geringe Erfolge verzeichnen konnten. Unbarmherzig prallten die beiden gegnerischen Heere aufeinander. Orochimarus direkte Untergebene hielten dabei Akatsuki in Schach. Das hatten sie allerdings nicht anders erwartet und genau so geplant. Zetsu blieb wie üblich im Hintergrund, da er selbst während des Kampfes vor allem als Informant diente.

Gaara kümmerte sich zusammen mit seinem Bruder Kankurô um Orochimaru selbst, während Shikamaru als oberster General Gaaras restliche Armee befehligte. Untereinander war bereits abgesprochen, dass sie möglichst einen bestimmten Samurai des gegnerischen Gefolges ausschalteten, um zu verhindern, dass sehr ungleiche Verhältnisse das Gleichgewicht kippen konnten. So prallte Kakuzu mit Jûgo zusammen, Kisame kreuzte sein Katana mit Jirôbô, Hidan fuchtelte vor Kidomarus Nase mit seiner Naginata herum, Yahiko prügelte sich banal mit Kimimaro, nachdem sie sich die Waffen aus den Händen geschlagen hatten, während Itachi Tayuyas Angriffe parierte und selbige für sich nutzte, um sie in die Enge zu treiben. Deidara und er selbst mussten sich mit den ordinären Zwillingen Sakon und Ukon herumschlagen.

Natürlich war Sasori aufgefallen, dass auch ihre Gegner versuchten, gezielt anzugreifen, um das Kräfteverhältnis so unfair wie nur möglich zu gestalten und auf die Art einen leichteren Sieg zu erringen. Doch Akatsuki erlaubte ihnen nicht, ihre Aufmerksamkeit auch nur eine Sekunde abzuwenden. Ihr Vorteil war, dass sie deren Kampftechniken zum Großteil kannten. Allerdings lag genau darin auch der Nachteil, denn Orochimarus Gefolge kannte umgekehrt auch ihre Fähigkeiten. Das beste Beispiel war wohl, dass der schwarzhaarige Daimyô sofort den Nahkampf provoziert hatte, um Deidaras tödliche Krüge zu umgehen. Große Fallen wie in Orochimarus Schlacht hatte Sasori nicht vorbereiten können, da unklar gewesen war, wo die Heere aufeinander treffen würden. Allerdings hatte Akatsuki eine entscheidende Überlegenheit. Sie waren fast alle älter als Orochimarus junge Gefolgsleute und konnten auf entsprechend mehr Erfahrung zurückgreifen.

Ein weiteres Detail grub sich beharrlich in seine Gedanken. Kabuto hatte er noch nicht gesehen. Von dem unscheinbaren Grauhaarigen wussten sie, dass er normalerweise immer in Orochimarus Nähe war, weswegen sie davon ausgegangen waren, dass Gaara und Kankurô auf den Schwarzhaarigen und seine rechte Hand träfen. Sasori war sich sicher, dass Kabuto in der Nähe war, irgendwo. Dahinter steckte ein Plan. Eine Falle vermutlich. Sie sollten wachsam sein.

Einmal mehr blockierte er das Katana des einen Zwillings. Er machte sich nicht die Mühe, sie auseinander halten zu wollen. Sie glichen sich wie ein Original dem Spiegelbild und es war unmöglich zu sagen, wer Sakon und wer Ukon war. Es interessierte auch nicht, sie würden beide sterben. „Zetsu“, schrie Sasori inmitten des Kampflärmes und wenige Augenblicke später tauchte der Grünhaarige neben ihm auf. Ruckartig zog der Rotschopf seinen vergifteten Draht aus der Unterarmschiene und machte einen Ausfallschritt nach vorn, duckte sich unter dem Angriff des Zwillings hindurch, um ihn an der ungeschützten Stelle seiner Schwerthand zu verletzen. Ein kleiner Ritz reichte, um ihn zu töten. Doch der Mistkerl zog seinen Arm rechtzeitig hoch. Knurrend wich Sasori zurück, ließ seinen Draht einrollen und parierte den nächsten Angriff.

„Kabuto ist nicht zu sehen. Die planen etwas. Finde ihn“, erklärte Sasori ihrem Spion knapp. Er sprach ungern so laut, aber anders konnte man sich nicht gegen das Klirren, Stöhnen und Schreien behaupten. Direkt hinter sich hörte er ein Schnaufen von Deidara, der vermutlich gerade selbst einen Angriff abblocken musste.

„Verstanden“, rief Zetsu und war auch schon wieder im Gewimmel der Kämpfenden verschwunden. Der Rotschopf konzentrierte sich nun wieder vollständig auf den Zwilling vor sich, der seitlich an ihm vorbei schlüpfen wollte, um Deidaras Kehrseite anzugreifen. Aber nicht mit ihm. Erneut griff er mit seiner linken Hand nach dem Draht, brachte sich hinter seinen Gegner und zog die Schlinge fest um seinen Oberkörper. Die Arme des Mannes wurden auf diese Weise an den Körper gepresst und mit jedem Ruck fraß sich der Draht langsam durch die Rüstung. Sasori musste allerdings darauf achten, dass der junge Bursche nicht eine seiner Ninjawaffen zog und nach ihm stach, denn die Kunai waren in so einer Situation nützlicher als ein Katana.

Umso größer war Sasoris Entsetzen, als ein starker Ruck durch seinen Körper ging, der ihn seitlich wegriss. Einen Herzschlag später strahlten Schmerzen von seinem linken unteren Rippenbogen aus, die ihm den Atem raubten. Die Kraft wich aus seinen Fingern und er war gezwungen, von dem Zwilling zurück zu taumeln. Sein linkes Bein knickte ein. Die Schmerzen zwangen ihn auf die Knie. Fassungslos sah er an sich hinab. Blut quoll zwischen den Rüstungsteilen hervor, die in den Seiten verschnürt wurden. Was auch immer ihn getroffen hatte, derjenige musste entweder sehr gut gezielt haben oder hatte einfach nur unverschämtes Glück gehabt. Sasori war sich gewiss, dass niemand in seiner unmittelbaren Reichweite gewesen war, um ihm ein Wakizashi oder ein Kunai zwischen die Rippen zu rammen. Ein Pfeil war genauso ausgeschlossen. Doch irgendwas war in seinem Körper. Und es musste auch seine Lunge erwischt haben, denn das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer.

Gequält sah er hoch. Noch immer hatte er einen Gegner, der nun triumphierend mit seinem Katana ausholte, um ihm den Kopf abzuschlagen. So leicht wollte der Rothaarige sich nicht geschlagen geben. Fest presste er seine Lippen aufeinander, stemmte sich mühsam hoch. Doch er war zu langsam. Der Schmerz raubte ihm den Atem und die Bewegungsfreiheit. Schwindel erfasste ihn, drängte ihn erneut auf die Knie zurück. Aus halb zusammengekniffenen Augen erkannte er Deidara hinter dem Zwilling, der seinen rechten Arm neben dessen Kopf vorschnellen ließ und ihm sein Wakizashi in den Hals rammte, es seitlich heraus riss und den Körper wutentbrannt beiseite stieß.

„Danna!“, hörte er die aufgebrachte Stimme des Blonden, der mit wenigen Schritten bei ihm war. Genervt bohrten sich seine braunen Augen in Deidaras. „Dein… Gegner!“, keuchte er. Wie konnte Deidara sich nur so sehr ablenken lassen! Was hatte er ihm denn all die Jahre beigebracht? Lass deine Gegner nicht aus den Augen!

Ein starker Hustenreiz überwältigte ihn. Sasori konnte wohl von Glück reden, dass niemand ihm den Gnadenstoß verpasste, während er sich hustend vom Boden abstützte. Der Geschmack von Blut breitete sich in seinem Mund aus. Und als er die Augen öffnete, hatte sich zwischen seinen Händen eine kleine Blutlache gebildet. Seine Lederhandschuhe waren mit schaumigem Blut bespritzt.

Sein Herz schlug heftig in seiner Brust und schien seinen Brustkorb sprengen zu wollen. Mit jedem Pochen fuhr neuer Schmerz durch seine Brust und Seite. Jedes kleine Geräusch wurde von seinen Ohren eingefangen, ob es nun das metallene Klirren von aufeinander prallenden Schwertern war, das atemlose Keuchen eines müden Samurai oder das dumpfe Knirschen einer Rüstung. Der Geruch von aufgewühlter Erde, Schweiß und Blut setzte sich in seiner Nase fest und löste Übelkeit aus. Vor seinen Augen begann die Umgebung zu flimmern. Kalte Gewissheit breitete sich in Sasori aus. Er würde sterben.

Die Prophezeiung des Heilers

Schrecken erfasste Deidara. Sein Meister kniete am Boden und er konnte seiner Mimik die Schmerzen ansehen, die er litt. Was war geschehen? Sasori war noch nie schwer verletzt gewesen! Ein kleiner Kratzer vielleicht, aber Deidara hatte noch nie erlebt, dass der Rothaarige den Schmerzen nachgeben musste.

Was hatte dieser nervige Zwilling getan? Unbändige Wut flammte in ihm auf. Ohne zu zögern stieß er seinen eigenen Gegner grob zurück, fuhr herum und stach Orochimarus Anhänger sein Wakizashi in den Hals, nur um es seitlich heraus zu reißen. Barsch schubste er den sterbenden Körper aus dem Weg und war mit wenigen Schritten bei seinem Meister. „Danna!“

Selbst jetzt noch konnte der Rothaarige sein typisch genervtes Gesicht aufsetzen, wenngleich es vom Schmerz verzerrt war. „Dein… Gegner!“

Leider hatte Sasori Recht. Deidara ruckte herum, gerade rechtzeitig. Denn der verbliebene Zwilling war nun ähnlich zornig wie er selbst und griff ihn erbarmungslos an. Allerdings hatte der Blonde nun keine Muße mehr, den Kampf länger andauern zu lassen. Er musste seinem Meister helfen. Deidara schlug eine Finte, durchbrach rücksichtslos die Verteidigung des verbliebenen Zwillings und rammte ihm seine Stirn gegen die Nase. Im ersten Moment sah er auch ein paar Sterne vor den Augen tanzen, doch er erholte sich deutlich schneller von der Attacke als sein Gegner. Denn als er wieder klar sehen konnte, war dessen Nase merkwürdig verschoben und dunkles Blut troff herab. Den Moment, in welchem der Mann noch abgelenkt war, nutzte Deidara. Er hob sein Wakizashi und stieß es ihm wie seinem Bruder davor in den Hals. Tief schnitt das harte Metall durch empfindliches Fleisch, zertrennte die Halsschlagader und glitt seitlich wieder heraus als hätte er ein Blatt zerschnitten. „Verrecke, hm“, zischte Deidara und trat dem fassungslos starrenden Mann gegen die Brust. Lag er erst mal, würde er nicht wieder aufstehen.

Sasori! Seine gesamte Aufmerksamkeit legte sich erneut auf seinen Meister. Kisame stand hinter dem Rothaarigen und hielt gegnerische Samurai ab, die Gelegenheit zu nutzen und den Verwundeten umzubringen. Offensichtlich war der Blauhaarige mit seinem Gegner auch fertig geworden. „Schaff Sasori weg“, rief Kisame dem Blonden zu.

Zittrig fanden seine Klingen den Weg in ihre Scheiden, dann kniete er sich zu Sasori. „Du musst hier weg“, erklärte er unruhig und vergaß vor Aufregung sogar sein sonst so typisches Satzanhängsel. Sasori war unnatürlich blass und Blut klebte an seinen Lippen und dem Kinn. Deidara betete, dass es kein Blut aus der Lunge war. Ein Blick auf dessen Hände und seine Hoffnung zerplatzte wie ein unrealistischer Traum. Schaumiges Blut war ein typisches Zeichen für eine Lungenverletzung. Trotzdem war er nicht bereit, den nahenden Tod seines Meisters hinzunehmen. Entschlossen griff er nach Sasoris Armen und zog ihn auf seinen Rücken. Der Blonde war stärker, er würde ihn tragen können. „Halt dich fest“, wies er den Rotschopf an, während seine Hände unter seine Kniebeugen griffen und ihn auf seinem Rücken stabilisierten. Es machte ihm Angst, wie schwach der Griff seines Meisters war.

„Mach schon.“ Kisames Stimme wurde drängend. Deidara deutete ein Nicken an und wandte sich ab, um sich einen Weg zwischen den Kämpfenden hindurch zu bahnen. Mit gewisser Überraschung fiel ihm auf, dass Kisame sich vor ihn drängte und ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Weg mit seinen Waffen frei räumte. Er war ihm dankbar dafür, denn Deidara hätte nun einen Angriff nicht parieren können, wollte er nicht riskieren, seinen Meister fallen zu lassen.

Vorsichtig stahl sich Erleichterung in seine Gedanken, sobald sie die letzten Reihen von Gaaras Männern durchbrochen hatten. Deidara rannte weiter. Kisame blieb nun hinter ihm, um eventuelle Pfeile oder einen Verfolger abzuwehren. Hinter dem nächsten Hügel war ein kleines, bewachtes Lager errichtet, um die Versorgung zu sichern. Zudem befanden sich dort Heiler, um die Verletzten zu pflegen. Im Lager angekommen, legte er Sasori unter einem der aufgestellten Pavillons ab. Durch das warme Klima auf Shikoku waren Pavillons sinnvoller, um vor der Sonne zu schützen. Durch die fehlenden Stoffwände konnte sich keine stickige Luft bilden.

„Ein Heiler, schnell“, rief Kisame einmal quer durchs Lager. Dann sah er zu Deidara. „Ich geh zurück, du bleibst hier.“ Angesprochener nickte hektisch und wandte sich wieder dem Rothaarigen zu, sobald Kisame sich umdrehte.

Deidara wartete gar nicht erst auf einen Heiler, sondern streifte seinem Meister zuerst die Lederhandschuhe ab, war ihm nur zu bewusst, dass an diesen Gift klebte. Anschließend zog er sein Wakizashi, um die Schnüren an der Rüstung zu öffnen, sodass er den Brustpanzer beiseite legen konnte. Nach der Verletzung musste er nun gar nicht mehr suchen, war der grüne Gi an Sasoris linker Seite bereits getränkt mit Blut. Im Stoff konnte er ein kleines Loch erkennen, wie von einem Pfeil. Allerdings konnte die Wunde nicht von einem Pfeil stammen. Selbst wenn Sasori den Pfeil hätte rausziehen können, hätte er in seiner unmittelbaren Nähe liegen müssen.

Mattes Husten lenkte seinen Blick zu Sasoris Gesicht. An seinem Mundwinkel rann helles Blut hinab. Deidara beugte sich mehr zu ihm und strich ihm die roten Strähnen aus der Stirn. „Die Heiler kriegen dich wieder hin“, erklärte Deidara leise. Er hoffte es. Etwas anderes wollte er nicht glauben.

Das leise Rascheln von Kleidung ließ ihn aufsehen. Einer der Heiler hatte sich auf die andere Seite neben seinen Meister gesetzt und maß ihn zuerst mit einem fachkundigen Blick. Ein Dolch schnitt den störenden Stoff einfach auf, um besser an die Wunde heran zu kommen. Kritisch besah er sich die unscheinbar wirkende Verletzung, wäre da nicht das viele Blut. Kundige Finger tasteten die Wundränder ab. In dem Moment schüttelte ein weiteres rasselndes Husten seinen Meister. Der Heiler sah Deidara ernst an. „Er wird nicht überleben.“

Die graublauen Augen weiteten sich. Seine Hand griff nach Sasoris und drückte sie leicht. Es würde ihn nicht wundern, wenn er mehr Angst hatte als der Rothaarige. „Aber, wieso? Gibt es keine Möglichkeit, ihm zu helfen?“, fragte er mit bebender Stimme.

Der Heiler schüttelte verneinend mit dem Kopf. „Er wurde von einer Kugel getroffen. Vorderlader sind zwar selten, aber ich erkenne eine Schusswunde, wenn ich sie sehe. An sich wäre es kein Problem, die Kugel zu entfernen, wenn sie nicht an einer solch prekären Stelle säße. Seine Lunge ist beschädigt. Selbst wenn ich die Kugel entferne, wird er sterben“, erklärte der Mann ruhig.

„Ka…buto“, mischte Sasori sich keuchend ein. Deidara beugte sich wieder mehr zu ihm, fing den unsteten Blick aus den braunen Augen ein. „Was ist mit Kabuto?“, fragte der Blonde nervös. Die Lider seines Meisters senkten sich und ein weiterer Schock durchfuhr ihn. „Danna?“, hauchte er leise. Doch langsam öffnete er wieder die Augen. „Er war… nicht da. Das… war der… Plan…“ Ein gequältes Husten durchbrach die ohnehin schon angestrengte Stimme.

„Hebt seinen Oberkörper an“, wies der Heiler Deidara an. Der Blonde glaubte zu verstehen. Wenn das Blut wenigstens aus dem Körper kam, verschluckte Sasori sich nicht so schnell daran. So könnte der unvermeidliche Tod noch ein paar Augenblicke hinaus gezögert werden. Behutsam schob sich sein freier Arm unter Sasoris Schultern und hob seinen Oberkörper an. Zugleich zog er ihn sanft näher an sich, sodass der Rothaarige seinen Kopf gegen seine Schulter lehnen konnte. Stetig strichen seine Finger über Sasoris Schulter. Kabuto hatte die Kugel auf Sasori abgefeuert? Es würde ihn nicht wundern. Aber das bedeutete, dass der Rest von Akatsuki, vermutlich auch Gaara und dessen unmittelbare Gefolgsleute in Gefahr waren. „Hast du das Zetsu gesagt?“, fragte er leise, als der Körper seines Meisters nicht mehr vom Husten geschüttelt wurde. Ein schwaches Kopfnicken deutete sich an. Wie immer hatte Sasori schon die Hälfte vorher durchschaut. Und Zetsu war zuverlässig. Er würde diesem heimtückischen Angriff ein Ende bereiten.

Der Heiler zog sich etwas zurück, um ihnen mehr Privatsphäre zu gewähren. Deidara fühlte sich so unglaublich hilflos. Bisher war das Leben immer irgendwie weiter gegangen. Sasori hatte immer gewusst, was als nächstes zu tun war und er war ihm einfach gefolgt. Und nun konnte nicht mal mehr ein Heiler sein Leben retten. Deidara schluckte hart. Seine Augen fühlten sich verräterisch feucht an. „Du darfst nicht sterben“, hauchte er aufgelöst. Was sollte er denn ohne seinen Meister machen? Deidara hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, dass einer von ihnen irgendwann sterben könnte. Mit dem Tod waren sie als ehemalige Samurai zwar vertraut, aber der Blonde hatte sich nie sonderlich ausführlich damit beschäftigt. Er hatte es verdrängt nach dem Verlust seiner Eltern. Sasori war ihm fast unverwundbar erschienen. Aus den meisten Kämpfen ging er ohne Verletzung als Sieger hervor. Wenn er verletzt gewesen war, hatte es sich lediglich um den ein oder anderen kleinen Kratzer gehandelt. Doch nun wirkte Sasori regelrecht zerbrechlich in seinen Armen, wie er rasselnd nach Luft japste und das helle Blut seine Lippen verfärbt hatte. Das Rinnsal an seinem Kinn und das Einschussloch zeigten nur zu deutlich, dass sein Meister auch nur aus Fleisch und Blut bestand und er genauso leicht sterben konnte wie jeder andere auch.

Langsam schob Sasori ihre ineinander verschränkten Finger näher an sich, sodass Deidara die bloße Haut seiner Brust an den Knöcheln spürte. Der Blonde konnte das mühevolle Pochen seines Herzens fühlen. Es schien sich gegen den Tod auflehnen zu wollen. „Deida…ra.“ Sasoris Stimme war nur noch schwach, kaum mehr als ein Hauchen. Selbst der übliche befehlsgewohnte Tonfall war verschwunden. Ein einnehmendes Gefühl von Beklemmung umschlang ihn. „Hm?“

So leise Sasoris Stimme war, seine Augen durchdrangen ihn wie immer. „Achte auf dich… versprich es… mir.“ Erneut schluckte der Blonde. Nein, er wollte ihm das nicht versprechen. Deidara wusste doch gar nicht, was er nach seinem Tod tun sollte. Er wäre allein… so allein wie nach dem Tod seiner Eltern. Was sollte er denn dann tun?

„Sasori… bitte…“, murmelte er nun selbst gequält, weil sein Meister ihm dieses Versprechen abringen wollte. Doch wenn der Rothaarige etwas wollte, setzte er sich durch. Und Sasori erinnerte ihn nun genau daran. „Versprich es!“ Sein Tonfall gewann für diesen Moment an Festigkeit. Deidara befürchtete, dass er sich nun überanstrengte, weswegen er schließlich lieber doch nachgab. „Ja, Danna“, flüsterte er ergeben.

Seine Antwort sorgte bei Sasori für Entspannung, denn der zierliche Körper wurde schwerer, lehnte sich mehr gegen ihn. Die braunen Augen blieben aber beharrlich auf ihn gerichtet. Ein müdes Lächeln zierte Sasoris Lippen. Wie konnte er in so einer Situation lächeln?! Sasori würde jeden Moment sterben und er lächelte! So selten hatte er Sasori überhaupt lächeln sehen. Wieso ausgerechnet jetzt?

Kraftlos zog er Deidaras Hand höher und zu seinen Lippen. Ganz leicht spürte der Blonde den Druck der sanften Lippen, nun feucht vom Blut, auf seinem Handrücken. Ein roter Abdruck zierte mahnend seine Haut. Sasoris Lider senkten sich langsam. Ein letztes Mal krampfte sich sein gesamter Leib zusammen in einem Hustenanfall. Röchelnd schnappte er nach Luft. Dann erschlaffte Sasoris Körper komplett. Ihre Hände sanken auf seine Brust und sein Kopf rutschte etwas hinab.

Fieberhaft tasteten Deidaras Finger nach dem Puls, doch er fand kein beruhigendes Pochen mehr. In diesem Moment brach der Boden unter seinen Füßen weg. Fest zog er den leblosen Körper seines Meisters an sich und vergrub sein Gesicht in dem kurzen, roten Haar. Tief sog er seinen typischen Eigengeruch ein, vermischt mit dem Geruch nach seinen Giftpflanzen. Die Tränen suchten sich ihren Weg zwischen seinen zusammengepressten Lidern hindurch und benetzten seine Wangen. „Sasori…“ Seine Stimme versagte gänzlich. Sein Danna durfte nicht einfach sterben

Eika

Orochimaru zog sich zurück. Ob Gaara ihn tödlich verwundet hatte oder nur leicht, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Im Kampf war der ältere Daimyô ihm haushoch überlegen gewesen. Der Rotschopf hatte nur dank seiner besonderen Fähigkeit, Sand nach seinem Willen zu steuern, eine Chance gegen ihn gehabt. Durch Kankurôs Unterstützung war ihm ein Treffer gelungen. Der Schwarzhaarige hatte anschließend so eilig zum Rückzug aufgerufen, dass Gaara keine Zeit geblieben war, ihm den Gnadenstoß zu geben. Dessen Untergebene scharrten sich um ihn wie ein lebender Schild. Orochimaru verschwand im Getümmel und war für sie nicht mehr sichtbar.

Sie beobachteten den Rückzug des gegnerischen Heeres. Die Schlacht war gewonnen. Vorerst. Doch er musste noch dafür sorgen, dass der andere Daimyô so schnell wie möglich sein Land verließ samt seiner Krieger. Apropos Krieger. Jadefarbene Augen wanderten suchend umher und fanden schließlich einen Teil von Akatsuki. Dass er Zetsu nicht sehen konnte, wunderte ihn nicht. Dem Mann fiel es augenscheinlich sehr leicht, zu verschwinden und wieder aufzutauchen wie es ihm beliebte. Doch gewisse Unruhe breitete sich in ihm aus, weil er weder den auffälligen kleinen Rotschopf noch seinen blonden Schützling ausmachen konnte. Nach außen ließ er nichts von seinen Gedanken durchdringen. Seine Gedanken kreisten aber um Deidara. War etwas passiert?

Auf dem Weg zum Lager erfuhr Gaara bereits von dem Angriff auf Sasori mit dem Vorderlader. Zetsu hatte Kabuto von weiteren gezielten Schüssen abhalten können, wären sonst vermutlich noch mehr von der Waffe beeinträchtigt worden. Deidara hatte seinen Meister vom Kampfplatz weg gebracht, um seine Verletzung behandeln zu lassen. Bei den offenen Zelten angelangt, musste Gaara sich allerdings zuerst mit seinem General Shikamaru beraten und die weitere Vorgehensweise festlegen, bevor er sich um privatere Angelegenheiten kümmern konnte.

In einem freien Moment suchte er Akatsuki auf. Sein Weg führte an vielen Verletzten vorbei, die versorgt wurden. Einige würden die nächsten Tage nicht überleben. Viele weitere Tote lagen noch auf dem Schlachtfeld und mussten geholt werden, um sie zu ihren Familien zurück zu bringen, damit ihnen eine anständige Bestattung zuteil werden konnte.

Am Rand des Lagers fand er die Rônin schließlich. Die Männer wirkten vermutlich auf die meisten Menschen erschreckend, blutbespritzt und mit diesen ernsten Mienen, die deutlich machten, dass diese Männer viele grausame Dinge erlebt hatten. Und Zetsu war immer noch verschwunden. Gaara würde es nicht überraschen, befände sich der Spion auf dem Weg zur Burg, um nach den Frauen zu sehen.

Der Schatten, der sich in den Augen eingenistet hatte, versprach Unheil. Dem Rothaarigen wurde der Grund auch klar, als er nur noch wenige Schritte entfernt war und die beiden am Boden liegenden Körper erkannte. Unauffällig schluckte Gaara und trat neben Yahiko. Sein Blick war weiterhin auf Deidara und Sasori gerichtet. „Was ist passiert?“, fragte er sachlich. Als Daimyô konnte er sich keine Schwäche erlauben. Aufmerksam betrachtete er die beiden Rônin. Sasori musste tot sein. Er war einfach zu bleich und das viele Blut an seinen Lippen, am Kinn und Hals deutete auf eine schwere Verletzung hin. Deidara dagegen war zwar auch mit Blut beschmiert, allerdings erkannte er an der Art der Flecken, dass es sich kaum um sein eigenes handeln konnte. Dessen Haut trug auch nicht die Blässe eines Toten. Er war also zumindest noch am Leben.

„Sasori wurde von Kabutos Kugel getroffen. Der Arzt sagt, seine Lunge war verletzt. Er hätte in keinem Fall überlebt. Deidara mussten sie anschließend ruhig stellen. Er wollte die Leiche einfach nicht loslassen und hat auch niemanden mehr an Sasori heran gelassen…“ Yahiko seufzte schwer. Gaara begann zu ahnen, wie wichtig der Rothaarige für Deidara gewesen sein musste. Die Zeit, die Akatsuki in seinen Mauern verbracht hatte, war ihm aufgefallen, dass der Blonde fast immer mit seinem Meister unterwegs gewesen war. Nur einmal hatte er ihn alleine gesehen und mit ihm kurz gesprochen. Gaara fragte sich, wie eng diese Beziehung wirklich gewesen war. Das Recht zu fragen, nahm er sich jedoch nicht heraus. Akatsuki war geschäftlich bei ihm. Sie standen sich nicht nahe genug für solch intime Themen. Selbst wenn er wollte, es wäre nur seltsam, würde er Deidara jetzt auf irgendeine Weise näherkommen wollen und sei es nur, um ihm Beistand anzubieten. Das einzige, was er für Deidara und Akatsuki tun konnte, war eine ordentliche buddhistische Bestattung auszurichten. Eine Ehre, die sich normalerweise kein Rônin erhoffen durfte.

„Sasori wird eine anständige Bestattung erhalten und ein Grab, welches einem Samurai würdig ist“, erklärte er ruhig. „Ihr habt meinem Land einen großen Dienst erwiesen und musstet dafür einen beträchtlichen Verlust hinnehmen. Es ist das Mindeste, was ich tun kann.“

Wenn einer der Rônin überrascht war, so zeigte es niemand. Außer Hidan. Der Mann war der einzige, der seine Gefühle anscheinend überhaupt nicht unter Kontrolle hatte. Doch bevor er irgendetwas sagen konnte, stieß Kakuzu ihn grob an. „Halt einfach die Fresse, Hidan“, knurrte der Ältere. Angesprochener brummte zwar, schwieg aber tatsächlich.

Yahiko deutete ein Nicken an. „Habt Dank.“
 

Gaaras Heer war nach Matsuyama zurückgekehrt. Die unversehrten Krieger hielt er allerdings noch in Bereitschaft, falls Orochimaru sich doch zu einem hinterhältigen Angriff nach seiner Niederlage entschloss. Der junge Daimyô beauftragte einen Diener, Akatsuki im Auge zu behalten. Den Grund behielt für sich. Vermutlich dachte der Mann, dass er die Rônin einfach nur beobachten wollte, weil sie nicht vertrauenswürdig waren. Tatsächlich wollte er aber auf diesem Weg herausfinden, wie Deidara sich nun benahm, sobald er wieder aufwachte.

Wie erwartet war Zetsu zu den Frauen gegangen. Bei ihnen hatte man Tobi tot aufgefunden. Offensichtlich hatte dieser den Auftrag erhalten, Konan und Temari als Geiseln zu nehmen. Dabei war er in eine von Sasoris zahlreichen Fallen getappt und an dem Gift gestorben. Akatsuki begrüßte diesen Umstand. Tobi war ihnen seit Jahren ein Dorn im Auge gewesen.

Allerdings war wohl für jeden die Anspannung der Rônin spürbar, der in ihre Nähe kam. Sie hatten einen langjährigen Kameraden verloren. Deidaras Verlust war ungleich größer, da war Gaara sicher. Sein Diener trug ihm zu, dass der Blonde seit seinem Erwachen kein Wort sprach und über Nacht die Totenwache bei seinem verstorbenen Meister gehalten hatte, wie es normalerweise die Familie tat.

Gaara hatte bei ihrer Heimkehr in die Burg angeordnet, Sasoris Körper von den Spuren des Kampfes zu reinigen und in das weiße Totengewand zu hüllen. Im Empfangssaal wurde er mit dem Kopf Richtung Norden aufgebahrt. Diese kleinen Riten gehörten bereits zur buddhistischen Bestattung. Gaara hatte Akatsuki eine ordentliche Beisetzung versprochen und er hielt sich an seine Worte. Ein Priester war ebenfalls verständigt worden, der am nächsten Morgen die Sutren lesen und die zeremonielle Verbrennung überwachen würde.

Gaara war kaum überrascht zu hören, dass Akatsuki Deidara die Totenwache allein überließ. Obwohl Konan wohl am Eingang der Empfangshalle gestanden und über den Blonden gewacht hatte. Als einzige Frau hielt sie die Männer vermutlich wie eine Familie zusammen.

Am nächsten Morgen erschienen alle Rônin, um bei der Lesung der Sutren anwesend zu sein. Gaara hielt sich mit Temari im Hintergrund. Er wollte gern anwesend sein, aber da sie Sasori nicht gekannt hatten, fühlte er sich nicht im Recht, Akatsuki zu stören.

Der schwere Duft von Räucherstäbchen waberte durch die Halle und unterstrich die bedeutungsvollen Worte des Priesters. Der Rothaarige ließ seinen Blick über die Rônin schweifen. Keiner von ihnen wirkte wie einer dieser ungewaschenen Krieger, die verwahrlost umherstreiften. Ihre Kleidung mochte ausgewaschen sein und an manchen Stellen geflickt, aber sie achteten dennoch auf ein würdevolles Auftreten wie die Samurai, die sie einmal gewesen waren. Ihren Stolz hatten sie nicht verloren.

Die Jadeaugen blieben schließlich bei Deidara haften. Die Miene des Blonden war versteinert. Kein Muskel regte sich. Starr hing sein Blick an dem Toten. Dieser Deidara schien ein völlig anderer zu sein als der, den er kennen gelernt hatte. Ein dreistes Grinsen auf den Lippen, mit einer Vorliebe für Gefahr und immer in der Nähe seines Meisters. Gaara verspürte Bedauern für den jungen Krieger. Sasori musste seine Bezugsperson gewesen sein und jetzt war er fort. Der Rothaarige konnte sich nur schwer vorstellen, wie es war, eine nahestehende Person zu verlieren. Seine Mutter war im Kindbett kurz nach seiner Geburt gestorben. Von seinem Vater gehasst und von seinen Geschwistern aus Angst gemieden, weil er anders war, hatte er Liebe nie richtig kennen gelernt. Lange war er allein gewesen, von Hass auf die Welt zerfressen, bis ein blonder Junge alles umgekrempelt hatte, als ein befreundeter Daimyô mit seinen Kriegern ein paar Tage in der Burg zu Gast gewesen war. Inzwischen konnte er tatsächlich so etwas wie eine Beziehung zu seinen Geschwistern vorweisen. Über den Tod seines Vaters getrauert hatte er allerdings nicht. Der Mann hatte ihm nie etwas bedeutet. Gaara war nur zum Daimyô ernannt worden, weil er der Sohn seiner Hauptfrau gewesen war, während Temari und Kankurô von einer Geliebten geboren wurden. Und vermutlich auch, weil der Rat seines Vaters Angst vor einem Rückfall in sein früheres Verhaltensmuster hatte, sollten sie ihm seinen rechtmäßigen Titel verwehren.

Gaara betrachtete den Toten. Ohne Blut und in dem weißen Totengewand machte Sasori zum ersten Mal einen friedlichen Eindruck auf ihn. Seine Gesichtszüge und auch sein Körper wirkten erschreckend jung, fast wie bei einem Jugendlichen, der noch nicht seine volle Reife erlangt hatte. Wie alt Sasori wohl gewesen war? Er schätzte ihn auf mindestens dreißig Jahre, da schon seit seiner Kindheit Nachrichten über Akasuna no Sasori durch Japan züngelten wie Nebel, der durch die Wälder und über Wiesen kroch und alles wie einen Mythos einhüllte. In seiner Vorstellung war dieser Krieger größer gewesen, mit einem furchteinflößenden Blick und einem von zahlreichen Kämpfen hart gewordenem Gesicht. Dieser Mann auf dem Totenbett hingehen war das genaue Gegenteil. Man erkannte seine Stärke erst, wenn er bei der Planung oder im Kampfgeschehen aktiv wurde.

Bewegung kam in die Gruppe. Sasori wurde aus dem Gebäude hinaus getragen. Im Hof war um ein Gerüst herum Holz aufgestapelt, auf welchem der Tote nun abgelegt wurde. Zwei Mönche traten hinzu. Einer trug eine Fackel, um später das Feuer zu entzünden. Der andere reichte dem Priester nun einen Zeremoniendolch. Traditionell erhielt der Verstorbene bei seiner Bestattungszeremonie eine symbolische Mönchsweihe. Um diese Weihe anzudeuten, schnitt der Priester eine der roten Strähnen von Sasoris Haupt und verkündete anschließend den buddhistischen Namen, den man bei einer solchen Weihe erhielt. Eika. Immerwährende Flamme. Der Name hätte nicht passender sein können, fand Gaara. Sasoris Name würde in Jahrhunderten noch bekannt sein, umschlungen von Geschichten, die mit jeder Erzählung abenteuerlicher ausgeschmückt wurden.

Bevor der Priester allerdings das Holz entzünden konnte, nahm ihm Deidara einfach die Fackel aus der Hand. Jeden Protest des Buddhisten ignorierend trat er zu seinem toten Meister. Einige Herzschläge stand der Blonde einfach da, betrachtete Sasori. Dann beugte er sich langsam zu ihm und küsste die bleichen Lippen. Nun wusste Gaara, welche Art von Beziehung die beiden Rônin geteilt hatten. Normalerweise hielt man sich in der Öffentlichkeit mit derlei Gefühlsbekundungen zurück. Selbst eine Ehefrau hätte das niemals öffentlich getan. Spätestens jetzt bemerkte Gaara, dass der Blonde Gebote, Riten und Zeremonien nicht sonderlich ernst nahm, wenn sie mit seinem Inneren in Kollision gerieten. Er musste den Rothaarigen sehr lieben, wenn er genau dies jetzt mit dem Kuss zeigte. In wenigen Stunden wusste die gesamte Burg davon, wurde hinter vorgehaltener Hand natürlich fleißig Informationsaustausch betrieben.

Deidaras Hand mit der Fackel senkte sich und entzündete das Stroh, welches zwischen die Holzscheite gestopft worden war. Die trockenen Halme knisterten, sobald die Flammen daran leckten. Zügig fraß sich das Feuer an dem Stroh entlang und sprang schließlich auf die größeren Holzscheite über. Das Feuer wuchs und hüllte den Toten allmählich ein, griff nach dessen Kleidung und Körper, um ihn ganz langsam zu einem Häufchen Asche zu verbrennen.

Der Priester übergab Deidara das Ihai[36], in welches Sasoris buddhistischer Name eingraviert war. Der Blonde behielt es in beiden Händen bis das Feuer langsam heruntergebrannt war. Er schien sich überhaupt nicht mehr zu rühren während der Zeit. Nur die ein oder andere Windböe brachte das lange Haar durcheinander. Schließlich verstaute er das Ihai in seinem Gi.

Die Asche des Toten wurde in eine Urne getan. Nun folgte der weniger zeremonielle Akt. Die Beisetzung. Sasori erhielt sein Grab neben anderen gefallen Samurai, die innerhalb dieser Mauern bestattet worden waren. Anschließend musste Gaara jedoch wieder seinen Verpflichtungen nachkommen. Von Temari erfuhr er am Abend, dass Deidara noch lange bei dem frischen Grab gesessen und mit seinem Dolch auf die Rückseite des Ihai etwas geritzt hatte. Ein Diener hatte ihn beobachtet.

Gaara wollte gern mit dem Blonden reden. Aber er wusste nicht, was man einem Trauernden sagte. Vielleicht ergab sich in den folgenden 49 Tagen eine Gelegenheit. Denn für die Trauerzeit gewährte er Akatsuki noch den Aufenthalt in seiner Burg. Er hielt seine Versprechen. Seine Chance auf ein Gespräch mit Deidara wurde ihm aber verwehrt, denn am nächsten Morgen erhielt er die Nachricht von seinem Diener, dass der Blonde noch vor Sonnenaufgang seine Sachen gepackt und die Burg zu Pferd verlassen hatte. Einzig sein Katana und das Wakizashi lagen noch in seinem Zimmer. Dafür fehlten Sasoris Schwerter.
 

____________________________________________________________

[36] Ihai: Täfelchen, wo der buddhistische Name drauf geschrieben wird. Es erhält später einen Platz im Hausalter.

Explosive Rache

Deidaras Weg führte ihn nach Nagoya. Da er allein reiste, war er natürlich vor Orochimaru und seinem Heer da. Eine Armee brauchte immer viel Zeit, um sich fort zu bewegen. Je weniger Menschen, desto schneller war man unterwegs. Die Zeit nutzte er, um gewisse Vorbereitungen zu treffen. Nagoya war eine Hafenstadt. Mit entsprechenden Argumenten – sei es nun Geld oder doch eher Gewalt, oder beides – war es ein Leichtes, an genug Schwarzpulver zu gelangen, um eine ganze Burg in die Luft zu jagen.

Solange niemand von den genauen Geschehnissen der Schlacht wusste, konnte Deidara sich recht ungehindert in Nagoya bewegen. Ohne seinen Partner Sasori erkannte niemand ihn als zu Akatsuki gehörenden Rônin. Sein Äußeres war noch nicht bekannt genug. Zwar waren sie schon einmal in der Burg gewesen und hatten auch für Orochimaru gekämpft, doch das lag Jahre zurück und das einfache Volk hatte Akatsuki gar nicht zu Gesicht bekommen. Die in der Burg und Stadt verbliebenen wenigen Krieger und Wachen zu umgehen, gestalteten sich als unwesentliches Problem.

Sein Ziel hatte er klar vor Augen. Kabuto und Orochimaru würden mit ihrem Leben bezahlen. Die erste Nacht in der Burg nach der Schlacht um Shikoku würde zugleich ihre letzte werden. Mit kalter Berechnung präparierte er das Schwarzpulver in unterschiedlich großen Gefäßen, deren Farbe der von Steinen glich. Steine, wie sie im Mauersockel der Burg zu finden waren.

In einer Nacht schlich er sich zur Burg und entnahm lose Steine aus dem Mauerwerk. Solche Mauersockel wurden traditionell ohne Mörtel erbaut und erhielten ihre Stabilität durch die richtige Bauweise. Doch bei Erdbeben konnte sich auch mal ein Stein minimal verschieben. Und schon lag kein Gewicht mehr auf einem anderen Stein und solche Steine suchte er sich gezielt, um sie gegen seine Gefäße auszutauschen. Deidara verband alle mit unscheinbaren Schnüren, die nur auffielen, wenn man nahe an das Mauerwerk heran trat und davon wusste.

Den Winkel, in dem er die Mauer der Burg wegsprengen würde, hatte er einkalkuliert. Die umherfliegenden Trümmer würden einen Großteil der inneren Burg zerstören. Und für das Hauptgebäude hatte er einen weiteren Plan.
 

Die Umsetzung seiner Strategie beanspruchte volle Konzentration. Es war seine Art, mit der Trauerzeit umzugehen. Deidara hatte sich geschworen, noch vor Ende selbiger Orochimaru und Kabuto ins Reich der Toten befördert zu haben und nach Matsuyama zurück zu kehren.

Doch legte er sich zum Schlafen hin, kreisten seine Gedanken sofort um seinen verstorbenen Meister. Noch immer konnte Deidara nicht richtig fassen, dass er ihn nie wieder sehen, nie wieder spüren und nie wieder mit ihm diskutieren konnte. Es gab niemanden mehr, der immer eine Lösung parat hatte, selbst wenn ihm diese nicht zusagte. Der Platz neben ihm fühlte sich schrecklich leer an. Oft wachte er nachts auf, von dem Gefühl geweckt, Sasori sei gerade aufgestanden und hätte den Raum verlassen. Wie sollte er sich jemals daran gewöhnen, dass sein Meister nicht mehr da war? Deidara vermisste ihn. Der Gedanke, dass er nie wieder bei ihm sein würde, fraß sich schmerzhaft in ihn. Gleichzeitig schob er ihn von sich, weil er es nicht wahr haben wollte.

Deidara war sich bewusst, dass ihm das Ableben von Orochimaru und Kabuto Sasori nicht zurück brachte, dennoch wollte er sich rächen. Sie sollten nicht weiterleben, während sie sein Leben zerstört hatten. Und dafür würde er in dieser Nacht sorgen.

Das Heer war zurückgekehrt, die Stadt entsprechend überfüllt von Kriegern. Orochimaru hatte er gesehen. Es schien ihm zumindest entsprechend gut zu gehen, um sich auf seinem Pferd zu halten. Kabuto wirkte auch nicht unverletzt. Vermutlich hatte Zetsu ihn ordentlich in die Mangel genommen. Allerdings waren der schwarzhaarige Daimyô und seine unmittelbaren Untergebenen nicht zu unterschätzen. Denn im Gegensatz zu einem Samurai waren diese zusätzlich in der Kampfkunst der Ninja ausgebildet, was sie noch gefährlicher machte. Deidara war aber auch nicht auf einen fairen Kampf aus. Er würde ihnen keine Chance lassen, sich verteidigen zu können. So wie Sasori keine Chance erhalten hatte, dieser Kugel auszuweichen.

Der Blonde hatte sich unauffällig zwischen die Bediensteten gemischt, welche den Tross begleiteten. Manche zogen entweder beladene Karren während andere anderweitig wichtige Materialien und Nahrungsmittel transportierten. Mit seinem einfachen grauen Umhang und dem Reishut fiel er nicht weiter auf. Auf dem Rücken trug er einen groben Sack. Verborgen darin war ein großer Tonkrug, randvoll mit Schwarzpulver.

Deidara schmuggelte sich auf die Art in Orochimarus Burg hinein und verzog sich dann in den weitläufigen Garten des Anwesens. Er war hoffentlich nicht weiter aufgefallen, aber auf geschäftig wirkende Bedienstete achtete man kaum. Zudem löste die Rückkehr des Daimyô mit seinem Heer genug Aufruhr aus, dass sich niemand für einen Diener interessierte, der einen Sack irgendwo hin schleppte.

Hinter ein paar hohen Büschen verbarg er sich. Deidara wartete auf die Nacht. Als der Mond bereits einige Stunden am Himmel stand, schritt er endlich zur Tat. Lautlos huschte er mit seiner Fracht in das Hauptgebäude. Ganz einfach war es nicht, erblickte er einige Wachen. Doch er fand einen schmalen Bediensteteneingang, der in tiefen Schatten lag. Im Inneren herrschte nächtliche Stille. Der Blonde schlich den Flur entlang und gelangte schließlich in bekannte Bereiche. In der Nähe war der prunkvolle Empfangsraum. Dieser befand sich recht mittig. Auch dort fand er niemanden vor, sodass er eilig seinen Krug aufstellte. Er schob ihn nah an eine der Innenwände. Deidara ging davon aus, dass diese Wand eine tragende Funktion hatte, wenn man den Rest des Gebäudes berücksichtigte. Wurde diese Wand bei der Explosion zusätzlich zerstört, geriet die Stabilität ins Wanken. Zusammen mit der Sprengkraft in dem Krug würde das Gebäude komplett einstürzen. Dass Deidara Unschuldige in seinen Rachefeldzug hineinzog, war ihm gleichgültig. Jeder, der für Orochimaru arbeitete, verdiente den Tod in seinen Augen. Hätte der Schwarzhaarige nicht derart aggressiv sein Territorium erweitert, wäre es nie so weit gekommen. Deidara legte die lange Zündschnur an der Wand entlang zum nächsten Fenster. Nur ein paar Millimeter schob er selbiges auf, um die Schnur hindurch zu stecken. Anschließend huschte er wieder hinaus und suchte nach dem richtigen Fenster, um die Zündschnur komplett hindurch zu ziehen.

Er griff nach dem kleinen Krug, den er sich um den Obi gebunden hatte. Mit einem Griff war er geöffnet. Kohlen glommen darin. Sobald die dünne Schnur mit der glühenden Kohle in Berührung kam, entzündete sie sich und begann abzubrennen.

Nun musste Deidara schnell sein. Er verschloss den Krug wieder und huschte durch die nicht beleuchteten Teile des Gartens zur inneren Mauer. Über einen Baum erreichte er die Spitze und ließ sich auf der anderen Seite einfach fallen. Geschickt rollte er ab und war wieder auf den Beinen. Kurz beobachtete er die Wachen auf der äußeren Mauer. Er musste es riskieren. Deidara lief zur nächsten Treppe und hinauf. Erst auf der Mauer selbst fiel den wenigen Wachen auf, dass etwas nicht ins Bild passte. „Hey, du! Wer bist du?“, wurde ihm zugerufen.

Doch Deidara reagierte gar nicht, sondern kletterte über den Abschluss der Burgmauer. Dunkelheit verschluckte ihn. Auf der Mauer wurde es unruhig. Ein böses Grinsen umspielte seine Lippen. Es war zu spät. Die Schnüre, welche er von Krug zu Krug gelegt hatte, umspannten die gesamte Burg. Er musste nur danach tasten. Die Schnur wurde auf dieselbe Weise entzündet wie die davor. Den Krug mit den Kohlen ließ er nun allerdings stehen, war er für ihn nicht mehr von Bedeutung. Erste Pfeile wurden nach ihm geschossen. Hastig wich er zurück und verschwand zwischen den Häusern von Nagoya. Er suchte sich den nächstbesten Baum und erklomm ihn, um einen guten Blick auf die Burg zu erlangen.

Wenig später jagte ohrenbetäubender Lärm über die Stadt hinweg zusammen mit den Druckwellen, welche von den Explosionen ausgelöst wurden. Deidara hielt sich am Baum fest, um nicht hinunter gefegt zu werden. Seine Augen blieben starr auf die Gebäude gerichtet. Mauersteine flogen in die Luft, zertrümmerten Dächer von anderen Burggebäuden – wie erwartet. Brände wurden entfacht von Funken oder Öllampen, die durch die einstürzenden Gebäude Nährboden fanden. Ein paar Überlebende rannten durch das inzwischen geöffnete Burgtor. Wachen; vermutlich hatten sie das Tor bewacht. Aus der geringen Entfernung konnte man eine Wache noch recht gut erkennen. Außerdem war es das einzige Gebäude, welches noch stand, da er nicht derart nahe an die Wachen hatte herantreten wollen. Sonst hätten sie ihn vielleicht erwischt beim Auswechseln der Mauersteine.

Der Anblick der brennenden Trümmer vor dem dunklen Nachthimmel war wunderbar. Kabuto hatte diesen Angriff ebenso wenig kommen sehen wie Sasori den Schuss erst bemerkt hatte, als es zu spät gewesen war. Es war nur gerecht, dass er auf diese Art gestorben war. Wer ihnen nach dem Leben trachtete, sollten sie wissen. Es gab nur einen Rônin, der mit Schwarzpulver arbeitete. Und nun würde sich diese Nachricht auch über das gesamte Land ausbreiten.

Die Gewissheit, dass Sasoris Mörder tot waren, befreite den Blonden jedoch nicht. Vielmehr befiel ihn nun Leere. Wo sollte er hin? Er würde Sasoris Grab besuchen gehen, um ihm zu sagen, dass er ihn gerächt hatte. Und dann? Deidara wollte nicht bei Akatsuki bleiben. Den Gedanken ertrug er einfach nicht, dass es einfach so weitergehen sollte, obwohl Sasori fehlte. Es machte ihm Angst, er könne ihn vergessen. Denn das hatte sein Meister nicht verdient.

Der Blonde konnte nun selbst entscheiden, wohin ihn sein Weg führte. Doch er fühlte sich nicht wohl. Für ihn war es natürlich gewesen, dass Sasori entschied, welchen Weg sie nahmen, welches Ziel sie hatten. Er war wie seine Heimat gewesen. Und nun… war ihm diese Heimat entrissen worden. Sasori hatte dem Blonden das Versprechen abgerungen, auf sich zu achten. Das war der einzige Grund, wieso er nun hier auf dem Baum hockte und zusah, wie die Bewohner der Stadt verzweifelt versuchten, die Brände zu löschen und zwischen den Burgtrümmern Überlebende zu finden. Er sah in seinem Leben keinen Sinn mehr. Aber er hatte es Sasori versprochen. Wenigstens am Leben bleiben musste er…

Erschreckendes Wiedersehen

Der Blonde kehrte kurz vor Ende der Trauerzeit nach Matsuyama zurück. Doch nur für eine Nacht. Dann verschwand er erneut. Und dieses Mal anscheinend endgültig. Akatsuki erklärte Gaara knapp, dass Deidara wohl ausgetreten sei. Der Rotschopf war sich nicht sicher, ob die Rônin mehr wussten als er selbst. Sonderlich gesprächig hatte Deidara nach wie vor nicht gewirkt.

Akatsuki gewährte er, auf Shikoku zu bleiben, da sie ihm eine große Hilfe gewesen waren. Außerdem war der junge Daimyô sich sicher, dass die Rônin sich sowieso dort niederlassen würden, wo sie es wollten. Solange sie ihm keinen Schaden zufügten, störte er sich nicht an der Bande. Jedoch hatte er Yahiko gegenüber klar gestellt, dass er sie von seinem Grund und Boden vertreiben musste, sollten sie einen Auftrag erhalten und annehmen, der sich gegen ihn oder seine Untergebenen richtete.
 

Fast ein Jahr verging, in welchem Gaara lediglich Gerüchte über Deidara hörte. Ein wenig mulmig war ihm geworden, als die Nachricht über die Zerstörung von Orochimarus Burg ihn erreicht hatte. Die Ausmaße von Deidaras Rachefeldzug waren beachtlich. Gaara hatte es nicht für möglich gehalten, dass ein einziger Mann eine ganze Burg in die Luft sprengen konnte.

Tausende Gerüchte umkreisten diesen Anschlag. Nur wenige waren sich sicher, dass Deidara hinter der Explosion stand. Umso mehr Geschichten begannen den Blonden zu umkreisen wie Bienen eine Blüte. Von Erzählung zu Erzählung wurde die Vernichtung von Orochimaru und seinem Gefolge abenteuerlicher. Die anderen Daimyô waren erleichtert gewesen, mussten sie nun nicht mehr den Angriff des Schwarzhaarigen fürchten. Gaara konnte nicht behaupten, er wäre traurig darüber, jedoch dachte er auch an die Unschuldigen, die Deidaras Zorn getroffen hatte. Sicherlich wären auch andere Wege möglich gewesen, sich zu rächen, ohne Unbeteiligte zu involvieren.

Was Deidara jetzt wohl machte? Seine Gedanken schweiften in freien Minuten oft zu dem blonden Rônin ab. Hin und wieder brachten seine Spione ihm Informationen, doch sie waren spärlich, weil ein Rônin selten von Interesse war für die politischen Belange des Landes. Nur, wenn Deidara in irgendeinen Kampf mit einer wichtigen Persönlichkeit verwickelt war, erfuhr Gaara davon. Ob er nun alleine Mordaufträge annahm? Einen anderen Grund konnte der Rothaarige nicht erkennen, waren die Kämpfe zu wahllos gestreut. In Fukui verlor ein Sohn des Matsudaira-Clans[39] bei einer Schlägerei sein Leben. Ein anderes Mal hatte Deidara in Edo[37] laut Hörensagen einen halben Straßenzug bei einem Kampf gegen mehrere Tokugawa-Samurai[38] zerlegt. Die Tokugawa hatten ein Kopfgeld auf den Blonden ausgesetzt, fühlten sie sich offensichtlich bedroht, was man ihnen kaum verübeln konnte.

Gaara war der Ansicht, dass Deidara unvorsichtig handelte. Zwar war auch auf Akatsuki ein Kopfgeld ausgesetzt, doch es war nur äußerst schwer, sie überhaupt zu bemerken, da waren sie schon wieder fort. Und die meisten Daimyô hielten ihre Hände schützend über die Bande Rônin, weil sie ihnen nützlich war und sie nicht selbst zur Zielscheibe werden wollten, sollte Akatsuki sich für einen Angriff revanchieren wollen. Daher wurde Akatsuki schlichtweg gebilligt. Nur für das einfache Volk erweckte man den Anschein, Gerechtigkeit walten lassen zu wollen. Deidara hingegen tötete zu auffällig, laut Erzählungen. Mehrfach hatte Gaara nun schon von seinen Spionen gehört, dass er eine richtige Show daraus zu machen schien. Und wer dem Blonden in die Quere kam, hatte die längste Zeit gelebt, egal ob unschuldig oder nicht.

Lärm kam hinter ihm auf. Gaara sah sich um und zügelte schließlich sein Pferd. „Halt“, rief er gut vernehmbar. Er war gerade von einem Besuch bei dem alten Daimyô Sarutobi Hiruzen, welcher seinen Hauptsitz in Miyazaki[40] hatte, zurückgekehrt und nur wenige Straßen trennten ihn von seiner Burg. Ein paar schaulustige Einwohner von Matsuyama verharrten am Rand der Straße und gafften zu dem Karren, um den sich einige Diener und Samurai gescharrt hatten. Sie verdeckten Gaaras Sicht, sodass er nichts Genaues erkennen konnte.

Bestimmt drückten sich seine Fersen in die Flanken seines Pferdes und er lenkte es zu der Quelle des Aufruhrs. „Was ist geschehen?“, verlangte der Daimyô zu erfahren. Respektvoll wichen seine Krieger und Diener ein wenig zurück und gaben den Blick frei. Für einen Herzschlag weiteten sich die jadefarbenen Augen überrascht, dann sah man ihm die innere Aufgewühltheit nicht mehr an. Augenscheinlich ruhig stieg er von seinem Reittier und übergab die Zügel einem Diener. Langsam trat er näher an den Rônin heran, der halb an einem Rad des Karrens lehnte, halb auf dem Boden lag. Gaara kniete sich neben ihn. „Gaara-sama?“, fragte einer seiner Männer vorsichtig, doch er gebot ihm mit einer knappen Geste zu schweigen.

Deidara. In einem erbärmlichen Zustand. Das lange blonde Haar war verfilzt, den Gi trug er schlampig. Bis zum Bauch erhielt man einen guten Einblick. Der eigentlich schwarze Hakama hatte vom Straßenstaub eine eher gräulich-braune Farbe angenommen. Selbst die Zori waren abgelaufen und im Umhang erkannte man einige Löcher. Nur die Waffen sahen gut gepflegt aus. Allerdings war es wohl kein Wunder angesichts der Tatsache, dass es sich nach wie vor um Sasoris Klingen handelte.

Gaaras Blick fiel auf die Scherben neben Deidara. Eine kleine Pfütze umrahmte selbige hinweisend. Der Art der Wölbung des zerbrochenen Gefäßes nach zu schließen musste es sich um eine Sakeflasche handeln. War der Blonde betrunken?

„Deidara?“, sprach Gaara den Rônin nun an. Das sichtbare Augenlid flatterte und hob sich unendlich langsam. Das andere Auge wurde vom Haar vollständig verborgen. Ja, er war eindeutig betrunken. Aus einer geweiteten Pupille starrte Deidara ihn an. Der leere Ausdruck darin erschreckte ihn noch weit mehr als der verwahrloste Zustand. Gaara konnte sich noch gut an das Funkeln in den graublauen Augen erinnern, an die Kraft, die dahinter steckte. Nichts schien davon geblieben zu sein.

Der Krieger war vermutlich gestrauchelt und gegen den Karren gefallen „Deidara, hört Ihr mich?“.

Angesprochener reagierte auch endlich. Der Rotschopf war sich jedoch sicher, dass dieses weiche, liebevolle Lächeln nicht ihm galt, hatte Deidara keinen Grund, ihm ein solches Lächeln zu schenken. Dennoch konnte er sich gegen den leichten Schauer nicht wehren. Erstaunlich schnell hob der Blonde seine Hand, legte sie in seinen Nacken und zerrte ihn mit einem Ruck an sich. Weiche Lippen pressten sich gegen seine. Gaara erstarrte für einen Augenblick. Deidara küsste ihn. Hier. Auf offener Straße mitten in seinem Gefolge. Die Leidenschaft und die Sehnsucht in diesem Kuss schnürten ihm beinahe die Kehle zu. Noch bevor sich ihre Lippen wieder lösten, wusste Gaara, wem dieser Kuss eigentlich galt.

„Sasssori“, nuschelte Deidara, bestätigte seine Gedanken nur. Dann senkte sich dessen sichtbares Lid und sein Kopf sackte auf seine bloße Brust. Die Hand in Gaaras Nacken rutschte kraftlos in seinen Schoß hinab. Deidara hatte ihn im Suff mit seinem toten Meister verwechselt. Ein wenig steif erhob Gaara sich wieder und wischte sich über die Lippen. Er musste dies tun für die Umstehenden. Als Daimyô durfte er nicht den Eindruck erwecken, dass ihm ein Kuss von einem besoffenen Rônin gefiel. Beherrschung und Würde zu wahren, gebot ihm weiterhin sein Titel.

„Gaara-sama?“, wurde er erneut angesprochen, dieses Mal von seinem General Shikamaru. Um wen es sich bei dem blonden Mann handelte, wusste dieser ganz genau, hatte er ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Ruhig wie immer sah er dem General in die Augen, ehe er sich an seine Diener wandte. „Nehmt ihn mit, gebt ihm eines der Gästezimmer und versorgt ihn.“

Der Rotschopf trat zu seinem Pferd und stieg in den Sattel. Shikamaru tat es ihm nach und lenkte sein Tier dicht neben Gaaras. „Gaara-sama. Was habt Ihr mit dem Rônin vor?“ Dass Shikamaru seine Handlungsweise nicht ganz nachvollziehen konnte, war verständlich. Denn eigentlich gab es keinen Grund, einen verwahrlosten Rônin, der obendrein völlig betrunken war, mitzunehmen.

„Es ist lediglich ein Gedanke“, erklärte Gaara leise, „Es bleibt abzuwarten, ob er Früchte tragen wird.“ Nach diesen Worten trieb der Daimyô sein Pferd an und ließ seinem General keine Möglichkeit zum Nachfragen. „Es geht weiter“, befahl er stattdessen. Der Rotschopf war sich sicher, dass es in Shikamaru arbeitete, weil er die Logik hinter seiner Erklärung zu verstehen versuchte. Tatsache war, dass er sich absichtlich wage ausgedrückt hatte, weil er selbst noch nicht genau wusste, was er mit Deidara anstellen wollte.

Gaara war froh, ihn wieder zu sehen. Aber ihn schmerzte der Zustand, in dem der Blonde sich befand. Warum er ausgerechnet jetzt in Matsuyama auftauchte, konnte Gaara sich denken. Morgen war Sasoris Todestag. Deidara wollte ihn besuchen. Es war offensichtlich, dass der Rônin den Tod seines Meisters noch immer nicht überwunden hatte.

Zumindest war er jetzt wieder hier. Vielleicht konnte Gaara ihm helfen. Zugegebener maßen tat er das nicht ganz uneigennützig, war sein Interesse an dem blonden Krieger nach wie vor nicht verraucht. Vielleicht konnte er Deidara aus diesem finsteren Loch, in das er gefallen war, herausziehen. Es war unwahrscheinlich, dass er sich ganz alleine aufrappeln würde. Schließlich hatte Deidara es in einem ganzen Jahr offenbar nicht bewerkstelligt. Aber er musste darauf achten, nicht als Ersatz für Sasori herzuhalten. Denn das wollte er nicht. Deidara in diesem Zustand sehen, wollte er aber auch nicht.
 

________________________________________

[37]Edo: der frühere Name von Tôkyô

[38]Tokugawa: berühmter Daimyô-Clan

[39]Matsudaira: Daimyô-Clan mit über 10 Zweig-Clans.

[40]Miyazaki: Stadt auf Kyûshû

Zweifel in der Nacht

Hämmernde Schmerzen und ein fieses Übelkeitsgefühl weckten den Blonden. Ein raues Stöhnen verließ seinen Mund. Seine Kehle war so ausgetrocknet wie eine Pfütze nach einer langen Trockenzeit. Die Folgen des Alkohols in Massen kannte Deidara inzwischen zur Genüge. Meistens ignorierte er sowohl die Schmerzen als auch die Übelkeit. Es war ihm schlichtweg egal.

Jedes Mal, wenn Deidara zur Sakeflasche griff, hoffte er, dass der Alkohol seine Trauer für ein paar Stunden wegspülen würde. Eigentlich sollte er doch inzwischen begriffen haben, dass es nichts brachte. Der Schmerz des Verlustes verging einfach nicht. Mit jedem Tag schien er nur noch stärker in ihm zu glimmen. Und nun drang Sasori schon in seine lausige Illusion ein. Dieser Kuss war ein Wunschtraum, hallte es in seinem Kopf wider. Nichts weiter. Der Traum eines Heimatlosen. Die fremden Lippen hatten sich so echt angefühlt. Deidara brummte leise. Seine Einbildung wurde allmählich zu lebhaft.

Müde hob sich seine linke Hand, um übers Gesicht zu reiben. Doch sie hielt inne. Irritiert tastete er über die Stirn, dann schoben sich seine Finger unter sein Haar, nur um festzustellen, dass auch über seinem linken Augenlid kein Stoff mehr war. Wo war der Stofffetzen hin? Erst jetzt lenkte seine Umgebung die Aufmerksamkeit auf äußere Umstände. Er lag auf einem Futon. Langsam öffnete sich sein rechtes Auge und er rappelte sich in eine sitzende Position auf. Mürrisch wanderte sein Blick durch das Zimmer. Er war nicht in einer Herberge. Dafür war der Raum zu groß. Ein flacher Tisch nicht weit von ihm verriet ihm allerdings auch nichts über seinen Aufenthaltsort. Das graublaue Auge huschte weiter zu Sasoris Waffen, seinem Bogen, dem dazugehörigen Köcher mit Pfeilen und einem kleinen Stapel ordentlich zusammengefalteter Kleidung neben dem Futon. Kritisch sah der Blonde an sich hinab. Jemand musste sich um seinen Körper gekümmert und ihn anschließend in einen Yukata gesteckt haben. Zudem war sein Haar ordentlich gekämmt. Nicht, dass ihn diese Tatsache sonderlich interessierte. Jedoch kam unweigerlich die Frage auf, wer ihn aufgelesen hatte. Er wusste von niemandem, dem dies einen Vorteil bringen würde. Was war überhaupt nach seinem Wunschtraum von Sasori passiert? War es wichtig? Nein.

Schwerfällig erhob Deidara sich. Die Decke rutschte von seinem Körper. Einen Augenblick taumelte er, bis sein Kreislauf sich soweit gefangen hatte, um einen Schritt vor den anderen zu tun. Beim Fenster angekommen, schob er selbiges auf. Selbst das schwache Licht des Mondes enthüllte ihm die Gebäude und Gärten der Burg von Matsuyama. Morgen war Sasoris Todestag… oder die Nacht war so weit fortgeschritten, dass es bereits heute war. Deidara war nach Matsuyama gekommen, um sein Grab zu besuchen. Doch seine Erinnerung setzte irgendwo mitten in der Stadt aus, nach der äußerst lebendig scheinenden Illusion seines Meisters. Wenigstens musste er sich nun keinen Zutritt mehr verschaffen, wenn er schon innerhalb der Burgmauern war. Und der Rest interessierte ihn einfach nicht.

Deidara schlurfte zum Futon zurück, öffnete den Obi und ließ ihn samt Yukata achtlos zu Boden fallen. Dann beugte er sich zu der frischen Kleidung hinab. Mehr schlecht als recht kleidete der Blonde sich an, verzichtete aber darauf, den Gi in den Hakama zu stecken, sodass der Stoff lose herab hing und tiefe Einblicke auf seinen Oberkörper zuließ. Es war Nacht. Also sah er nicht ein, sich angemessener zu kleiden. Wo war der Rest seines Hab und Guts? Die wenigen Gegenstände, die er in seinem Hirazutsumi mit sich getragen hatte? Da nichts weiter gut sichtbar im Raum lag, trat er zum Wandschrank und schob eine der Türen auf. Hier war nichts. Die nächste Tür wurde aufgeschoben und er wurde fündig. Sasoris Ihai, das Ihai seiner Eltern, die langstielige Pfeife, sowie seine hölzerne Reisschale, die Essstäbchen und das wenige Geld, welches er besaß, lagen ordentlich nebeneinander. Sein Hirazutsumi und die Decke waren dafür ebenfalls auf rätselhafte Weise verschwunden, wie seine Kleidung. Aber die waren auch nicht so wichtig.

Deidara nahm Sasoris Ihai und ließ es in seinem Ärmel verschwinden. Ohne den Wandschrank zu schließen ging er die wenigen Schritte zum Futon zurück. Die Waffen seines Meisters schob er unter den Obi. Unbewaffnet verließ er niemals ein Zimmer.

Da Deidara keine Lust hatte, anderen Personen zu begegnen, stahl er sich leise durch die Flure hinaus ins Freie. Beim Eingang streifte er sich irgendwelche Zori über. Wem sie gehörten, war ihm egal. Sein Weg führte ihn zu den Gräbern. Nur wenige Samurai waren tatsächlich innerhalb der Burgmauern bestattet. Die meisten Gräber gehörten Angehörigen der Daimyô-Familie. Deidara verharrte vor Sasoris Grab. Sein Blick streifte über die Schriftzeichen, welche in den schlichten Stein gemeißelt waren. Tief seufzte der Blonde und ließ sich im Schneidersitz vor dem Grab nieder. Ein Jahr war es her. So viel Zeit war vergangen. Die Monate hatten sich unendlich lang angefühlt. Jeder Tag war eine Qual für ihn gewesen. Allein, ohne Ziel, ohne Sinn zu leben. Wieso nur hatte Sasori ihm dieses Versprechen abgerungen? Er musste doch gewusst haben, was passieren würde, …oder? Seinem Meister musste doch klar gewesen sein, dass er Deidaras einzige wirkliche Bezugsperson gewesen war. Der Blonde hatte nie gelernt, sein komplettes Leben für sich selbst zu entscheiden. Sasori hatte das einfach getan und es war ok gewesen. Er hatte es nicht anders gekannt. Hätte die Kugel seinen Meister nicht getroffen, wäre es auch heute noch so. Und sie wären sicherlich noch bei Akatsuki.

Eher unbewusst griff Deidara in den Ärmel und zog das Ihai heraus. Seine Finger drehten es in seiner Hand um und strichen sanft über den Namen seines Danna, den er auf der Rückseite eingekratzt hatte. Für ihn war sein Name Akasuna no Sasori und nicht Eika. Deidara war wichtig gewesen, seinen wahren Namen auf dem Ihai lesen zu können. Die Schriftzeichen waren ihm vertraut.

Lange saß der Blonde auf dem Boden vor Sasoris Grab und starrte auf den länglichen Stein vor sich, während seine Finger gedankenverloren über das hölzerne Täfelchen strichen. Aber irgendwann fingen seine Ohren das Geräusch von leisen Schritten auf, die sich ihm näherten.

Mit einem Ruck wandte er seinen Kopf um und erkannte den jungen Daimyô in einem schlichten Yukata, wie man ihn zur Nachtruhe trug. In geringem Abstand verharrte Gaara vor ihm. „Ist es Euch recht, wenn ich mich zu Euch geselle?“, fragte der Rotschopf ruhig. Deidaras Augenbrauen zogen sich zusammen. „Was wollt Ihr?“ Unhöflichkeit schlug dem Daimyô entgegen. „Woher wisst Ihr, dass ich hier bin, hm?“ Vielleicht durch irgendeinen Wachmann oder einen Diener, der ihn doch gesehen hatte. Deidara war zwar achtsam gewesen, kein Aufsehen zu erregen, jedoch hatte er auch nicht darauf geachtet, ob jemand zu ihm herüber sah. Auf Gaaras Frage ging er nicht weiter ein. Als Daimyô konnte Gaara sowieso tun und lassen, was er wollte. Passte dem Blonden jedoch nicht, was dieser tat, würde er entsprechend reagieren. Allerdings hatte der Rotschopf Sasori eine anständige Beerdigung ermöglicht, auf die kein Rônin normalerweise hoffen durfte. Für Sasori sollte er sich vielleicht etwas zusammenreißen und nicht wie im vergangenen Jahr üblich kontern, mit einer ätzenden Antwort oder einer nonverbalen Reaktion in Form eines gepflegten Faust- oder Schwerthiebes.

Der Hauch eines Lächelns umspielte Gaaras Lippen. „Dies ist meine Burg. Es ist wohl selbstverständlich, dass ich weiß, was innerhalb dieser Mauern passiert“, erklärte er. An der Respektlosigkeit schien der Rotschopf sich nicht zu stören. Deidaras sichtbares Auge durchbohrte den anderen. Auf seine erste Frage antwortete Gaara nicht. Also wiederholte er sie. „Was wollt Ihr?“ Seine Stimme wurde von einem schneidenden Unterton durchdrungen.

„Ich sehe nach meinem Gast.“ Gaara setzte sich in gut einem Meter Entfernung neben ihm im Seiza auf den Boden. Irritation machte sich in Deidaras Gesicht breit. „Jetzt? Hier, hm?“, hakte er nach. Das war ihm unbegreiflich. Warum sollte der Daimyô mitten in der Nacht zu einem Rônin kommen, der bei den Gräbern herum hockte? Doch Gaara nickte lediglich, sein Blick lag jedoch auf Sasoris Grabstein.

„Zuvor wart Ihr unpässlich“, war die besonnene Antwort. „Ich nehme an, es geht Euch besser?“ Die jadefarbenen Augen richteten sich auf ihn. Im sanften Mondschien schimmerten sie dunkel. Deidara brummte nur. Unpässlich war nett ausgedrückt. Und auf die Frage musste er wohl nicht antworten. Laufen und klar denken konnte er offensichtlich wieder, sonst wäre er nicht bis zum Grab gekommen.

„Wieso bin ich hier, hm?“, fragte Deidara schließlich nach ein paar Augenblicken des Schweigens. Man sammelte einen Rônin nicht ohne Gründe irgendwo von der Straße. Und die folgenden Worte bestätigten ihm dies auch, teilweise. „Ihr seid in mein Gefolge hinein gelaufen und wart anschließend nicht mehr ansprechbar. Es war logisch, warum Ihr ausgerechnet jetzt in Matsuyama aufgetaucht seid.“ Gaara deutete ein Nicken Richtung Sasoris Grabstein an. Zugegebener maßen war Deidara überrascht, dass der Daimyô sich den Todestag gemerkt hatte. Allerdings war diese Tatsache wohl nicht halb so überraschend, denn vor genau einem Jahr hatte Gaara eine folgenreiche Schlacht gewonnen. „Nun müsst Ihr nicht mehr am Burgtor um Einlass bitten.“

Das stimmte. Deidara hätte vielleicht gar nicht am Burgtor um Einlass gebeten, sondern sich irgendwie anderweitig in die Burg gestohlen. Es wäre nicht das erste Mal, dass er ungesehen in eine Burg hinein gelangte. Wieder war nur ein Brummen seine Reaktion auf die Erklärung. So recht ergab selbige keinen Sinn für ihn. Ein Daimyô musste sich nicht um die Belange irgendeines umherstreifenden Kriegers scheren. Aber er verspürte momentan auch nicht das Bedürfnis, weiter nach zu bohren. Erneut wallte Schweigen zwischen ihnen auf. Des Blonden Blick fiel auf seine Hände in seinem Schoß, welche das Ihai umfassten. Wieso hatte die Kugel ausgerechnet seinen Meister treffen müssen? Hätte sie sich nicht ins Gras fressen können? Dort wäre harmlos gewesen. Noch immer hatte er das Gefühl zu spüren, wo Sasoris Lippen seinen Handrücken berührt hatten. Wie einen leidvollen Schatten meinte er das Blut sehen zu können, wie es sich rot von seiner Haut abhob. Mit den Fingern der anderen Hand rieb er über die Stelle. Er sollte an etwas anderes denken. Durch Gaaras Anwesenheit fühlte er sich gestört in seinen Gedanken an seinen Danna.

Gaara erhob sich inzwischen wieder, klopfte etwaigen Staub aus dem Stoff seines Yukata. „Wo sind meine Sachen, hm?“, fragte Deidara. Eigentlich war es egal, was er am Körper trug, aber er war seine eigene Kleidung gewöhnt. Und er wollte sie wieder haben.

„Sie wurden gewaschen. Sobald sie trocken sind, erhaltet Ihr sie zurück.“ Erneut brummte Deidara als einzige Bestätigung, dass er zugehört und verstanden hatte.

„Ich ziehe mich nun zurück“, erklärte der Rotschopf. „Es wäre mir eine Freude, würdet Ihr noch ein paar Tage mein Gast sein.“

Abschätzend schaute Deidara zu dem Daimyô hoch. Ach ja? Es wäre ihm eine Freude? „Abwarten, hm.“ Zweifel schwangen Gaara entgegen. Vielleicht schmiss er ihn schon morgen wieder vor die Tür, weil sein Gast doch nicht so angenehm war wie er hoffte. Der Blonde begriff sowieso nicht, wieso der Daimyô ihn als Gast duldete. Aber ihm konnte es egal sein, solange er bei Sasoris Grab sein konnte.
 

__________________________________________

Karte, die ich als Orientierung nutze:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c6/Azuchimomoyama-japan.png

Der Dämon in der Burg I

Gaara betrachtete seinen General ruhig. Dessen Atem ging geringfügig lauter, woraus er schloss, dass Shikamaru körperliche Anstrengung hinter sich hatte. Offensichtlich Ärger, gab es sonst kaum einen Grund, warum er ihn außer Atem in seinem Arbeitszimmer aufsuchen und um Gehör bitten musste.

„Sprecht“, bat der junge Daimyô den Mann und bedeutete ihm, sich gegenüber an den Tisch zu setzen. Shikamaru verbeugte sich höflich und ließ sich auf dem Sitzkissen im Seiza nieder. Da er der Ehemann seiner Halbschwester war, gingen sie im Privaten relativ vertraut miteinander um, doch nun handelte es sich um eine offizielle Angelegenheit, in der die Förmlichkeit gewahrt wurde, wie es die Etikette verlangte. Privates gehörte nicht in dienstliche Belange.

„Es geht um den Rônin“, begann der General sachlich. „Er hat sich mit einigen Eurer Samurai angelegt. Dabei kam es zu Ausschreitungen. Ich musste eingreifen und ihn bewusstlos schlagen, um die Angelegenheit zu beenden.“

Während Shikamaru sprach, blieb Gaaras Miene unergründlich. Nun allerdings zog sich seine Stirn leicht kraus. „Wie kam es dazu?“, hakte er nach. Der Rotschopf wollte gern so viele Informationen wie möglich erhalten, bevor er sich darüber ein Urteil erlaubte.

„Akimichi Chôji erklärte mir gegenüber, dass Deidara mitten auf dem Trainingsplatz lag und diesen auch nach wiederholter Aufforderung nicht verlassen hat, sodass die Übungseinheit nicht beginnen konnte. Er hat sie daraufhin provoziert und zum Kampf herausgefordert. Ich weiß nicht, wie er es fertig gebracht hat, aber selbst die erfahreneren Samurai hat er in diese Show verwickelt.“

Gaara erlaubte sich ein kaum hörbares Seufzen. Noch nicht einmal drei Tage waren vergangen und es gab Probleme mit dem Blonden. Ignorieren oder darüber hinweg sehen konnte er nicht. Der Rotschopf würde sich zügig darum kümmern müssen, damit solche Eskalationen sich nicht wiederholten.

„Ich werde mich des Problems annehmen“, erklärte Gaara schließlich nach ein paar Augenblicken. „Gibt es sonst noch etwas?“ Seine Frage war ein Hinweis, dass er das Gespräch als beendet ansah und sich wieder seiner Arbeit auf seinem Tisch zuwenden wollte. Zwar könnte er als Daimyô den Großteil der Arbeit Untergebenen überlassen, jedoch übergab er nur einzelne Aufgaben an andere und ließ sich die Ergebnisse aufführen. So behielt er den Überblick über das Ganze. Um sein Land richtig zu führen, musste er wissen, was geschah.

„Verzeiht, sollte meine Frage unhöflich erscheinen, aber was habt Ihr mit dem Rônin vor, Gaara-sama?“ Shikamaru sah ihm fest in die Augen. Dem Rotschopf wurde klar, dass sein General den Grund erfahren wollte, warum Deidara hier war. Und er würde nicht locker lassen, selbst wenn er ihn jetzt abwimmelte. Irgendwann würde diese Frage erneut zu ihm finden und wenn es über Umwege geschah. Über Temari zum Beispiel. Und seine Halbschwester war geschickt darin, ihm Informationen zu entlocken.

In seinem Kopf hatte sich inzwischen aber eine Idee geformt, die er seinem General erzählen konnte. Sollte sie sich umsetzen lassen, wäre das Ergebnis eine Bereicherung für seine militärische Stärke. „Ich beabsichtige Deidara in meine Dienste zu nehmen. Er ist ein sehr fähiger Krieger. Es ist Verschwendung, sein Talent auf der Straße verkommen zu lassen.“

Shikamaru wirkte für einen Moment erstaunt, dann fand die übliche Beherrschung in seine Gesichtszüge zurück. Langsam deutete sich ein Nicken an. „Er ist nicht nur sehr begabt…“, in den dunklen Augen des Generals schimmerte Unbehagen. „Ich habe ihn vor einem Jahr kämpfen sehen, doch sein Stil hat sich verändert. Ich würde nicht behaupten, er hat sich verbessert.“ Es war ungewöhnlich, dass Shikamaru sich dazu hinreißen ließ, seine Unruhe zu zeigen. Oder konnte er sie nicht verbergen? Was hatte der sonst so unerschrockene General gesehen? „Deidara kämpft wie ein Dämon. Er zeigt keinen Respekt vor gegnerischen Waffen. In seinen Manövern liegt keinerlei Achtsamkeit. Es ist ihm völlig egal, ob er verletzt wird. Der Mann hat keine Angst vor dem Tod. Es erlaubt ihm, ein Risiko einzugehen, welches jeder andere sich versagen würde. Und das macht ihn noch viel gefährlicher als er damals schon war.“ Unangenehme Stille erfüllte das Arbeitszimmer.

Unmerklich huschte ein Schauer Gaaras Rücken hinab. Auch er hatte die klassische Kriegerausbildung durchlaufen und wusste, dass man mit dem Tod konfrontiert wurde. Aber selbst wenn es immer hieß, dass ein Krieger keine Angst vor dem Tod hatte, so verspürte man zumindest innerlich Angst und handelte entsprechend. Nur zeigte ein Krieger diese Angst nach außen nicht und ging gefasst mit selbiger um. Und fürchtete ein Krieger nicht um sein eigenes Leben, dann um das seiner Liebsten, die er beschützen und ernähren wollte, für die er kämpfte. Doch ein Mann wie Deidara, der nichts mehr hatte, was hatte er zu fürchten? Gaara war in dem Moment, als er ihn betrunken an dem Karren liegen sah, klar gewesen, dass Deidara nicht einmal vor sich selbst noch Achtung hatte. Das einzige, was ihm wichtig war, war Sasori. Und sein Meister war tot. Wenn er so sehr an ihm hing, dass ihm sein Leben ohne den Rothaarigen nichts wert zu sein schien, wieso war er ihm dann noch nicht ins Reich der Toten gefolgt? Angst vor dem Tod konnte die Hand des Blonden nicht zurückgehalten haben. Nicht nach dem, was Shikamaru ihm soeben erzählt hatte.

„Was wollt Ihr mir damit sagen?“ Gaara war sich sicher, dass die Worte des Generals eine tiefere Bedeutung hatten und er nur nicht mit der Tür ins Haus fallen wollte.

„Er wird Unruhe stiften. Ganz zu Schweigen davon, dass die Samurai empört sein werden, wenn Ihr einen Rônin in Eure Dienste nehmt.“ Die Bedenken waren realistisch. Es würde zu Entrüstung kommen, sollte Gaara seine Idee wirklich in die Tat umsetzen können. Deidaras Verhalten allerdings konnte sich eventuell noch bessern. Vor einem Jahr war er schließlich deutlich umgänglicher gewesen, bevor Sasori getötet worden war.

„Soweit ich informiert bin, war Akasuna no Sasori derjenige, der Gôza damals umgebracht hat. Deidara hatte nichts mit dessen Tod zu tun. Meiner Meinung nach verdient er also durchaus eine zweite Chance“, erläuterte er seine Gedanken bedacht.

Ein Hauch von Zweifel wagte sich in Shikamarus Blick. Bei einem öffentlichen Treffen mit weiteren Anwesenden hätte der General sich dies nicht erlaubt. Gaara schätzte jedoch die Haltung des anderen, ihn auf Probleme hinzuweisen, anstatt nur wie andere ihm zum Munde zu reden, um in seiner Gunst nicht zu fallen oder gar seinen Zorn zu erwecken. „Es könnte ungewiss sein, ob der Rônin hier akzeptiert werden wird.“ Dessen war Gaara sich bewusst. Er würde seine Idee auch nicht sofort umsetzen. Dies musste umsichtig angegangen werden. Denn ein Großteil des Erfolges hing davon ab, ob Deidara bereit dazu war, wieder ein Samurai zu sein und seinen Lebensstil erneut zu ändern, wieder seinem früheren anzugleichen, bevor er zum Rônin wurde.

„Das ist mir bewusst.“ Nach einer kurzen Atempause deutete Gaara mit einer besonnenen Handbewegung an, dass Shikamaru sich entfernen konnte. „Ihr dürft Euch entfernen.“

Der General verbeugte sich förmlich, erhob sich und sagte: „Ich ziehe mich zurück.“ Erst dann wandte er sich um und verließ Gaaras Arbeitszimmer. Nachdem die Schiebetür geschlossen war, erlaubte der Rothaarige sich ein schweres Seufzen. Offenbar wartete doch mehr Arbeit auf ihn als erwartet in Bezug auf Deidara. Doch zuerst mussten diese Papiere fertig bearbeitet werden, bevor er sich um den Blonden weiter Gedanken machen konnte.
 

Wenige Stunden später sank die Sonne bereits hinter den Horizont und nächtliche Dunkelheit tauchte die Welt in erholsame Ruhe. Nachdem Gaara sich in sein Schlafgemach zurückgezogen hatte, nutzte er die Geheimgänge der Burg, um ungesehen zu Deidaras Gästezimmer zu gelangen. Leise schob er die Tür auf, trat in das schlichte Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Das matte Mondlicht, welches durch das Fenster drang, reichte aus, um alles Wichtige zu erkennen. Die jadefarbenen Augen fielen auf den Mann, der reglos auf seinem Futon lag. Die Decke war über ihn gebreitet. Ruhig hob und senkte sich seine Brust. Augenscheinlich war Deidara noch nicht wieder erwacht. Shikamaru verrichtete seine Arbeit stets gründlich. Eine Platzwunde konnte er nicht ausmachen, als er näher kam und sich neben dem Blonden niederließ.

Deidara wirkte so friedlich mit diesem entspannten Gesichtsausdruck. Jetzt konnte man kaum glauben, zu welcher Art Mann der Blonde geworden war. Was ihn wohl an die irdische Welt fesselte? Es musste mit Sasori in Verbindung stehen. Der Krieger hatte Deidara am meisten bedeutet.

Während Gaara darüber sinnierte, fiel ihm der Stoffstreifen auf, den Deidara um die Stirn gebunden hatte. Er hatte diesem keine weitere Beachtung geschenkt, als er den Rônin aufgelesen hatte. An Sasoris Grab war seine Kleidung noch nicht trocken gewesen und seine Stirn somit unbedeckt. Aber offenbar erfüllte dieser Streifen Stoff eine Funktion. Sein Haar hielt er aber nicht zurück, da seine Frisur sich nicht geändert hatte. Nach wie vor war es offen. Nur das obere Deckhaar fasste er in einem Zopf zusammen.

Neugier packte den Rotschopf. Er streckte seine rechte Hand nach Deidara aus und schob behutsam die langen Strähnen beiseite, welche die linke Gesichtshälfte immer verbargen. Irritiert runzelte er seine Stirn und zog die Hand zurück. Der Stoffstreifen verlief nicht gerade über Deidaras Stirn, sondern verbarg das linke Auge. Es gab nur wenige Gründe, wieso man sein Auge verbarg. Entweder eine Verletzung oder es war erblindet. Oder beides traf zu. Gaara war sich sicher, vor einem Jahr dann und wann das linke Auge gesehen zu haben, wenn der Blonde sich stark genug bewegt hatte, um einen Blick hinter das Haar werfen zu können.

Den Stoff ebenfalls beiseite zu schieben, wagte Gaara jedoch nicht. Er wusste nicht, wie tief Deidaras Schlaf war und er wollte ihn nicht wecken. Dann müsste er sich erklären, was er spät abends in seinem Zimmer machte. Für einen Daimyô war das hier definitiv der falsche Ort. Kam heraus, dass er um diese Uhrzeit allein bei dem Rônin im Raum war, würden wilde Gerüchte aufkommen. Seine private Sympathie, welche er für Deidara hegte, musste geheim bleiben.

Demnach hielt der Rotschopf es für klüger, sich vorerst in sein eigenes Schlafgemach zu begeben. Er musste sich sowieso mit Deidara unterhalten, sobald dieser wieder ansprechbar war. Denn er konnte nicht zulassen, dass weitere Unruhen in seiner Burg aufloderten.
 

_______________________________________________________

Wer die Realverfilmung des Anime und Manga "Kenshin" kennt, kann sich mal den Soundtrack anhören - ich nehme den in letzter Zeit gern als Hintergrundmusik zum Schreiben und er passt gut zur Stimmung der Geschichte :3

Der Dämon in der Burg II

Gaara erhielt vorerst keine Chance, mit Deidara zu sprechen. Denn am nächsten Morgen, als er einen Diener nach dem Rônin schickte, wurde ihm wenig später mitgeteilt, dass er nicht in seinem Zimmer war. Und seitdem eilte der Diener durch die Burg, um den Blonden zu finden. Nun, den Diener brauchte Gaara inzwischen nicht mehr, weil sein älterer Halbbruder Kankurô ihn soeben aufgesucht hatte. Dieser wusste offenbar sehr genau, wo Deidara anzutreffen war. „Gaara, der Rônin macht schon wieder Ärger“, begann er aufgebracht. „Wie lange soll das noch so weitergehen?“

Gaara ließ das Schreiben auf den Tisch sinken, welches er soeben an den Daimyô des Môri-Clans[41] verfasst hatte und noch einmal überflog. „Führ mich zu ihm. Ich wollte sowieso mit ihm sprechen.“ Seine Augen lasen die letzten Zeilen. Zufrieden faltete er das Schreiben und versiegelte es. Er erhob sich und rief nach einem Diener. „Maki[42] soll das Schreiben Môri Motonari überbringen“, wies er den Mann an. Ergeben verbeugte sein Diener sich, nahm dem Rothaarigen das Schreiben ab und zog sich zurück, um den Befehl auszuführen.

Der Daimyô richtete seinen Jin Baori und setzte sich Richtung Tür in Bewegung. Ein auffordernder Blick traf Kankurô, der ihn zu Deidara begleiten sollte. Dieser schloss sich ihm sogleich an. Während sie durch die Flure schritten, fragte Gaara seinen Halbbruder: „Was genau ist dieses Mal geschehen?“

Kankurô schnaufte. „Er übt Bogenschießen.“ Leicht überrascht hielt der Rotschopf auf der Veranda inne und betrachtete den Brünetten eingehend. Das war nun wirklich nicht das, was man erwartete, wenn es hieß, Deidara mache Ärger. „Und?“, bohrte Gaara nach. Irgendwas musste daran nicht in Ordnung sein. „Er schießt auf deine Samurai.“ Der Rotschopf musste sich arg zusammenreißen, damit ihm nicht die Gesichtszüge entglitten. Deidara schoss auf seine Samurai? Er wusste, wie gut der Blonde im Bogenschießen war. Er traf fliegende Gegenstände spielerisch. Wenn er jemanden treffen wollte, verfehlte der Pfeil sein Ziel nicht. „Hat er schon jemanden verletzt?“, fragte Gaara nach und setzte sich nun eiliger in Bewegung. Dieses Treiben musste aufhören. Kankurô hastete an seine Seite, hatte aber Mühe, mit ihm Schritt zu halten.

„Noch nicht. Ich hoffe, das hat sich in der kurzen Zeit nicht geändert.“ Der knurrende Unterton in der Stimme des Älteren blieb Gaara nicht verborgen. Innerlich war er nun doch etwas schockiert, dass nicht einmal einen ganzen Tag später die nächste mittelschwere Katastrophe in seiner Burg Einzug hielt.

„Hoffentlich“, murmelte Gaara vor sich hin, während sie den Weg zum Schießplatz nahmen. Schon von weitem war der Aufruhr zu hören. Sie kamen näher und die Büsche sowie Bäume gaben die Sicht auf den Platz frei. Fünf Samurai befanden sich dort, alle in Kampfbereitschaft. Zwei der Männer standen mit gespannten Bögen und an die Sehne gelegtem Pfeil. „Zum letzten Mal, Rônin. Lass den Bogen sinken!“, befahl einer der Männer Deidara. Dieser hatte in einigen Metern Entfernung ebenfalls seinen Bogen gespannt. Der Pfeil war direkt auf den näherstehenden Samurai gerichtet.

„Warum? Bringt ihr mich dann um?“ Deidaras Frage war provokant. Sein dazugehöriges Grinsen sollte aufstacheln. „Versucht es doch, hm.“ Ein leicht wahnsinniges Lachen hallte über den Platz und die feinen Härchen in Gaaras Nacken richteten sich auf. Das hier war eine Show. Man konnte nicht übersehen, dass Deidara seinen Spaß daran hatte, die Männer zu reizen. Doch warum tat er das? Wie respektlos sich die Männer gegenseitig ansprachen, war ein weiteres Detail. Seine Samurai sahen in Deidara nur einen Rônin, der am Rande der Gesellschaft existierte und dem man keinen Respekt zollen musste. Und Deidara erwies ihnen im Gegenzug für ihre unhöfliche Art vermutlich ebenso wenig Ehrerbietung. Denn ihn sprach der Blonde höflicher an.

Bevor der Rotschopf jedoch zu einer Reaktion fähig war, schnellte der Pfeil von der Sehne und auf Deidara zu. Das Grinsen hielt sich weiterhin hartnäckig auf dessen Lippen. Minimal zuckte der Rônin zur Seite. Der Pfeil streifte seine Schulter lediglich und riss ein Loch den Gi. Gaara kam näher, weil er nur auf kürzerer Distanz seine Gabe nutzen konnte. Sein Halbbruder folgte ihm. Dieser Pfeil musste ein Warnschuss gewesen sein, der auf die Schulter gezielt hatte. Dennoch sollten sich seine Samurai und Deidara nicht bekämpfen. Für seinen Plan war diese Show nicht förderlich. Und hätte er den ersten Schuss verhindern können, er hätte es getan. Dafür griff er jetzt ein. Deidara ließ seinen Pfeil von der Sehne fliegen. Allerdings zielte dieser auf eine tödliche Stelle, nämlich auf das eine Auge des Samurai. Ein Gedanke war nötig und der Sand im Flaschenkürbis drückte den Korken heraus. Mit einem leisen Geräusch fiel er zu Boden. Der Sand stob aus der Flasche und formte sich vor dem Gesicht des Samurai zu einer undurchdringlichen Wand. Die Spitze des Pfeils versank darin. Bebend blieb er stecken. Langsam lockerte Gaara die Kontrolle über seinen Sand und der Pfeil fiel herab.

Sein Krieger machte einen verstörten Eindruck, auch wenn er sich zu beherrschen versuchte. „Gaara-sama“, entwich es ihm und er senkte sofort seinen Bogen, trat ein paar Schritte zurück. Der andere Samurai ließ nun ebenfalls seinen Bogen samt Pfeil sinken, zeigte somit, dass er sich dem Willen seines Daimyô beugen und die Streitigkeit beenden würde. Auch in dessen Augen breitete sich Unruhe aus. Dem Rotschopf war es unangenehm, seine Untergebenen auf diese Art reagieren zu sehen. Es zeigte ihm nach wie vor, dass er anders war. Sie hatten ihn inzwischen akzeptiert, aber wenn er seine Fähigkeit so wie eben zeigte, dann hatten sie Angst vor ihm. Gaara wusste es. Sie konnten versuchen, es zu verbergen, doch der verstörte Ausdruck machte es deutlich.

Der Daimyô sah wieder zu Deidara. Von ihm erwartete er nichts anderes. Jeder reagierte verängstigt auf den Sand. Es war nicht normal, nur mithilfe der Gedankenkraft Sand zu steuern. Verwirrung zeigte sich in Deidaras Gesicht. „Ich muss Euch bitten, keine weiteren Kämpfe mit meinen Untergebenen zu provozieren. Senkt Euren Bogen“, sprach Gaara ruhig, aber befehlsgewohnt. Vielleicht konnten sie die Angelegenheit besonnen klären. Einen Moment noch schien der Blonde irritiert, dann begann er zu lachen. Die Stirn des Rothaarigen legte sich in Falten. Was war so amüsant? Immerhin sank der Arm mit dem Bogen tatsächlich. Deidara trat näher. Unweigerlich fragte Gaara sich, wieso es dem Blonden körperlich offenbar so gut ging. Shikamaru hatte ihn gestern bewusstlos geschlagen. Mindestens Kopfschmerzen oder Nackenschmerzen sollte der Blonde haben. Doch wenn er Schmerzen hatte, dann zeigte er es nicht.

Knapp einen Meter vor ihm blieb Deidara stehen. Kankurôs Anspannung neben sich war inzwischen greifbar. Eine falsche Bewegung seitens des Rônin und sein Halbbruder würde eingreifen. Das Lachen war inzwischen verklungen, aber noch immer konnte man das Amüsement in seinem Auge erkennen. „Der Kerl da“, Deidara deutete auf den Samurai, der den Pfeil auf ihn abgefeuert hatte, „hat mich als Monster bezeichnet.“ Den Blick, der nun an Gaara hinab glitt und wieder hinauf, um an seinen Augen kleben zu bleiben, konnte er nicht deuten. Aber er beunruhigte ihn. Das Schimmern erschien ihm starr. Belustigt? Vielleicht. „Wie bezeichnet er dann wohl Euch, hm?“

Wieder erscholl dieses amüsierte Lachen aus Deidaras Kehle. Der Blonde wandte sich ab, hob nachlässig wie zum Gruß die Hand und schlurfte Richtung Hauptgebäude davon. „Respektloser Mistkerl“, zischte Kankurô leise neben ihm, sodass nur er die Worte hören konnte.

Gaara sah Deidara nach. Zugegeben, dieses Verhalten irritierte ihn. Seine Miene machte zwar den Anschein von Undurchdringlichkeit, doch Deidara brachte ihn durcheinander. In seinen Augen und seiner Haltung hatte er nicht den Ansatz von Angst oder Unbehagen ihm gegenüber bemerkt. Verwirrung ja, aber sonst nichts. War der Blonde wirklich nur überrascht gewesen, weil es nicht üblich war, Sand nach seinem Willen lenken zu können? Deidara war sogar noch auf ihn zu gekommen. Nur ein Meter hatte sie noch getrennt. Seine Fähigkeit hatte ihn… amüsiert? Ob Deidaras Reaktion mit dem verlorenen Sinn für Risiko in Zusammenhang stand? Momentan konnte es ihm egal sein, denn das Gefühl war durchaus angenehm, nicht gefürchtet zu werden bei einer Vorführung seiner Kräfte.

„Gaara“, rief sein Halbbruder ihn wieder in die Gegenwart zurück. „Ich dachte, du wolltest mit ihm sprechen?“

Kankurô hatte Recht. Er wollte mit Deidara sprechen, um solche Eskalationen zu vermeiden. Wären sie nur einen Augenblick später gekommen, wäre der Samurai jetzt vielleicht tot. Ein toter Samurai ließ sich nicht so leicht vergessen. Dann hätte er Deidara zur Verantwortung ziehen müssen. Mindestens sein Kopf hätte gerollt.

„Das werde ich auch“, erklärte Gaara schließlich. Sobald der Diener Deidara in sein Arbeitszimmer schickte. Denn als Daimyô gehörte es sich nicht, anderen hinterher zu laufen. Ein weiterer Gedanke war nötig und sein Sand rieselte in den Flaschenkürbis zurück. Stoisch beugte er sich herab und hob den Korken auf. Nachdem der Flaschenkürbis ordentlich verkorkt war, schritt er gemächlich den Weg entlang, den sie zuvor gekommen waren. Kankurô gesellte sich erneut an seine Seite. Er war nach wie vor aufgebracht. „Gaara, er kann nicht hier bleiben. Er bringt alles durcheinander. Du hast gesehen, wie er mit den Samurai umgeht. Außerdem bedient er sich in der Küche, wann er will und eine Bedienstete hat mir gesagt, sie hat ihn beim Plündern der Sakevorräte erwischt.“

Leise seufzte Gaara. Das war ihm bereits zu Ohren gekommen. Auch ein Thema, was er ansprechen wollte Deidara gegenüber. Doch dazu musste dieser erst einmal bei ihm erscheinen. Sie erreichten die Veranda. Unerwartet hielt Kankurô ihn am Arm auf und sah ihn ernst an. „Was auch immer du mit dem Rônin vorhast, es ist keine gute Idee, wenn er bleibt“, sprach sein Halbbruder ruhiger. Natürlich ahnten seine Geschwister etwas. Seine Handlungen verfolgten schließlich ein Ziel. Und grundlos ließ niemand einen Rônin als Gast in seiner Burg wohnen.

„Er könnte uns als Krieger nützlich sein“, gab Gaara schließlich seine Idee Kankurô preis. Nun begriff der Ältere, was er plante. Begeisterung sah anders aus. Aber der Rotschopf hatte mit Widerstand gerechnet. „Das ist kein Krieger, das ist ein Wrack!“, war die entrüstete Antwort. Kankurô fuhr sich durchs Haar. „Ich zieh mich zurück“, erklärte er und trat ins Innere des Gebäudes. Gaara schloss einen Herzschlag lang die Augen und atmete durch. Ein Wrack konnte man bergen… und restaurieren. Das würde noch ein langer Weg werden.
 

__________________________________

[41]Môri: bekannter Daimyô-Clan, der unter anderem in der Gegend von Hiroshima herrschte. Einer der Daimyô war Môri Motonari.

[42]Maki: Kunoichi aus Sunagakure
 

Als kleiner Hinweis: Ich gebe keine Garantie auf die Richtigkeit der Zugehörigkeit von Samurai- und Daimyô-Clans zu ihren Gebieten. Es ist zum einen schwer, Informationen dazu zu finden, wo genau nun wer zu welcher Zeit saß, zum anderen verbaue ich ja auch die Naruto-Clans hinein, weswegen ich mich sowieso nicht 100%ig an die Geschichte halten kann.

Sasoris Vermächtnis

Irgendein Diener wollte unbedingt, dass er zu dem Daimyô kam. Dabei hatte Deidara ihn doch kurz zuvor erst gesehen. „Später“, brummte der Blonde. Er hatte jetzt keine Lust. Aber der Diener ließ sich nicht abwimmeln, sondern folgte ihm hartnäckig, beschwor ihn, dass er in das Arbeitszimmer kommen solle. Schließlich wandte er sich ruckartig zu dem Mann um, der sogleich erschrocken zurück zuckte. „Ist ja gut! Geh mir nicht auf die Nerven“, knurrte er den Boten an. Minimal ruhiger fügte er hinzu: „Los, führ mich hin, hm.“ Mit der linken Hand vollführte er eine wedelnde Handbewegung, die ihm bedeutete, vorne weg zu laufen.

Erleichtert wandte der Diener sich um und schritt vor ihm her, führte ihn in das Hauptgebäude, durch die Flure und eine Treppe hinauf. Vor einer Tür blieb er stehen und klopfte vorsichtig gegen das Holz. „Gaara-sama, der Rônin ist hier“, rief er halblaut. Eine blonde Augenbraue zog sich hoch. Ach, einen Namen hatte er also nicht? Noch während Gaaras Stimme dumpf durch das Holz drang, er könne ihn reinlassen, schubste er den Diener einfach beiseite. „Verpiss dich, hm.“ Ohne den Mann eines weiteren Blickes zu würdigen, schob er die Tür auf. Offenbar hatte der Diener es sehr eilig, sich zu entfernen, konnte er seine hastigen Schritte hören, die um der nächsten Ecke verklangen.

In der Tür verharrte Deidara, sah sich kurz um und grinste dann, als sein Blick an Gaara hängen blieb. „Welch eine Ehre, Gaara-sama“, sprach er mit einem spöttischen Unterton. „Ihr wollt mich sprechen, hm?“ Die nachlässige Verbeugung war ebenso respektlos wie der Tonfall.

Der Daimyô blieb langweilig ruhig und deutete ihm an, sich ihm gegenüber an den Tisch zu setzen. „Schließt bitte die Tür und setzt Euch.“ Deidara schnaufte. „Ganz wie Ihr wünscht“, erwiderte er, der höhnische Beigeschmack krallte sich beharrlich an seinen Worten fest. Ein wenig zu grob schob er die Tür wieder zu. Doch auch jetzt blieb Gaara völlig ruhig. Das ärgerte ihn. Seinen Kopf wiederrum erboste das Krachen, als Holz auf Holz traf. Aber das wurde völlig ignoriert. An Schmerzen war er gewöhnt, vor allem an Kopfschmerzen. Provokant langsam trat Deidara zum Tisch und ließ sich im Schneidersitz auf dem Kissen nieder. Gemütlich lehnte er sich zurück. Mit den Händen stützte er sich auf den Tatami ab. Unangenehm zog es in seinem Nacken. Auch darauf nahm der Blonde keine Rücksicht. Herausfordernd betrachtete er den Rotschopf. „Nun, ich bin da, hm.“

Gaara ließ sich etwas Zeit, betrachtete ihn eingehen, bevor er ansetzte. „Deidara, Ihr seid mein Gast. Doch Ihr tretet meine Gastfreundschaft mit Füßen. Ihr bedient Euch in der Küche und an den Sakevorräten, wie es Euch beliebt. Und Ihr provoziert meine Samurai.“ Leises Lachen entrang sich seiner Kehle. „Und? Wo ist das Problem, hm?“, fragte der Blonde amüsiert.

Einen Augenblick runzelte Gaara die Stirn. „Wenn Ihr Essen oder Trinken wollt, könnt Ihr einen Diener beauftragen, Euch etwas zu holen…“ Deidara fiel ihm ins Wort. „Ich bin alt genug und kann mir selbst besorgen, was ich brauche, hm.“ Desinteressiert drehte der Blonde seinen Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster. Dieses Gespräch war sinnlos in seinen Augen.

„Das will ich Euch auch gar nicht absprechen. Doch in einer Burg müssen alle Abläufe einem gewissen Plan folgen, um Chaos zu vermeiden. Ihr wisst das, Ihr wart selbst Samurai.“ Appellierte Gaara jetzt ernsthaft an frühere Zeiten? Mit einem vergnügten Schnaufen schüttelte er den Kopf. „Das ist vorbei… lange vorbei, hm.“

Das kaum hörbare Seufzen lenkte seine komplette Aufmerksamkeit nun doch wieder auf den Rothaarigen und er schaute ihn direkt an. „Darüber könnte man hinwegsehen, würdet Ihr meine Samurai nicht derart provozieren. Nur dank meiner Anwesenheit vorhin ist noch nichts Ernstes passiert. Ich hätte Euch vermutlich töten lassen müssen, hätte der Pfeil sein Ziel getroffen.“

Das unterschwellige Grinsen, welches bis eben auf seinen Lippen gesessen hatte, verschwand völlig. „Ihr hättet mich nicht aufhalten müssen, hm.“ Die Bemerkung war ihm völlig ernst und das zeigte Deidara nun auch.

Gaara wirkte leicht überrascht. Ihm wurde nun vermutlich klar, dass der Blonde absichtlich auf eine tödliche Stelle gezielt hatte. Wenn er die Burg nicht lebend verlassen hätte, wäre es auch nicht schlimm gewesen. Sein Versprechen zwang ihn zwar dazu, sich zu verteidigen, doch gegen eine Übermacht war auch er machtlos. Aber dann hätte Deidara sich vor seinem Tod noch einmal seinem Meister näher gefühlt. Der Blonde konnte ihn fühlen, in jeder riskanten Situation. Ein Hauch von Ausgeglichenheit erfasste ihn dann, aber nur für diesen Augenblick. Als würde man einem Pferd Hafer vorsetzen, aber den Strick zu kurz binden, sodass es nicht fressen konnte. Wenn sein Geist von der fleischlichen Hülle befreit wäre, konnte er wieder bei Sasori sein. Dann hätte er endlich wieder eine Heimat. Einen Ort, an dem er Ruhe finden konnte.

Warum nur hatte Gaara ihn aufhalten müssen. Er provozierte diese Situationen absichtlich. Irgendwann würde er unterliegen und nichts gegen seinen Tod machen können. Doch bisher war niemand stark genug gewesen, ihn ins Jenseits zu befördern. Wie armselig. Die ach so berühmten Samurai-Clans, die sich auf ihre Stärke derart viel einbildeten, versagten an einem einzelnen Rônin.

„Ihr musstest Eurem Meister etwas versprechen, oder?“, fragte Gaara schließlich. Deidaras Augenbrauen zogen sich zusammen. Woher wusste der Rothaarige das? Nie hatte er jemandem davon erzählt. „Was geht Euch das an, hm?“, brummte der Blonde abweisend.

„Eine Menge. Denn dieses Versprechen sorgt offensichtlich dafür, dass Ihr in meiner Burg Unruhe stiftet.“ Gaara lag goldrichtig. Allerdings war er wenig bereit, ihm das auf die Nase zu binden. Was ging es den Daimyô an? Niemand konnte daran etwas ändern. Abfällig schnaubend sah er wieder aus dem Fenster. Dieses Gespräch ging in eine Richtung, die ihm nicht gefiel. Vielleicht sollte er einfach gehen. „Ihr musstest ihm versprechen, Euch nicht umzubringen, liege ich richtig?“ Das war keine Frage mehr, sondern eher eine Feststellung. Genervt wandte Deidara sich seinem Gegenüber wieder gänzlich zu. „Schön, Ihr habt es herausgefunden. Bravo. Wirklich scharfsinnig von Euch.“ Ein ätzender Unterton begleitete seine Antwort. Zwar war es nicht ganz korrekt, denn er hatte Sasori versprechen müssen, auf sich aufzupassen, doch das Ergebnis war dasselbe. Auf sich aufzupassen, hieß automatisch dafür zu sorgen, dass er nicht starb.

„Wenn Euch das klar ist, könnt Ihr mich beim nächsten Mal einfach machen lassen. Dann ist endlich Ruhe, hm.“ Durchdringend bohrte sich sein azurblaues Auge in Jade. Allerdings wirkte Gaara wenig bereit, dieser Forderung nach zu kommen.

„Ich werde wieder eingreifen“, prophezeite der Rothaarige ihm.

Grimmig beugte Deidara sich mehr nach vorn, verkrampfte sein Nacken allmählich. Wenig später und seine Arme würden anfangen zu zittern. Er wollte vor Gaara nicht zeigen, dass er Schmerzen hatte. Mit der linken Hand schob er ein paar Haarsträhnen über die Schulter zurück.

„Kümmert Euch doch, verdammt noch mal, um Euren eigenen Kram, hm“, knurrte der Blonde schließlich ungehalten. Wie weit musste er Gaara noch reizen, damit dieser einfach seinen Tod befehlen würde? Er hatte Sasoris Grab besucht. Und noch ein weiteres Jahr wollte er nicht aushalten… und dann noch eins… und noch eins.

„Was würde Euer Meister sagen, wenn er Euch jetzt sehen könnte? Wenn er wüsste, was Ihr tut?“

Der Schock saß. „Ihr wagt es, Sasori hinein zu ziehen, hm?“, fuhr Deidara den Daimyô an. Doch dieser blieb ruhig, wie zuvor. „Was würde er sagen?“, wiederholte er stattdessen die Frage mit mehr Nachdruck. Es wurde deutlich, dass er gewohnt war, mittels Wortspielereien Druck auf andere auszuüben. Gaara hatte seinen Schwachpunkt erwischt. Denn genau das hatte er beharrlich verdrängt. Er wusste sehr genau, wie Sasori reagieren, was er sagen würde, wäre er noch am Leben. Sein Meister hätte mit ihm geschimpft, weil er so unachtsam mit sich selbst umging, weil er sich unnötig in Gefahr brachte, obwohl es nicht notwendig war. Vielleicht hätte er ihm sogar Strafarbeiten oder Strafübungen aufgebrummt.

„Was spielt es für eine Rolle? Er ist tot. Er kann nichts mehr sagen, hm“, murmelte Deidara resigniert. Der abschätzende Blick aus den jadefarbenen Augen, der an ihm hinab glitt und schließlich wieder in sein Gesicht sah, war ihm unangenehm. „Und sein Vermächtnis verkommt“, kommentierte Gaara ruhig.

Zornig sprang Deidara auf, legte seine Hand um den Griff des Katana. „Ich sagte, lasst Sasori…“

„Nein, lasse ich nicht!“ Zum ersten Mal erhob Gaara seine Stimme. Gebieterisch erhob er sich und schlug den Jin Baori weit genug zurück, um ihm einen guten Blick auf den Flaschenkürbis zu ermöglichen. Dort musste der Sand drin sein. Eine seltsame Fähigkeit, aber momentan nicht wichtig.

„Wagt es nicht, Sasoris Waffen auf mich zu richten“, warnte Gaara den Blonden. Er sprach wieder ruhiger, aber bestimmt. „Seht Euch an…“ Ein weicherer Unterton schwang nun in dessen Stimme mit. „Sasori hat Euch ausgebildet, Euch alles gelehrt. Aber was macht Ihr? Ihr besauft Euch und provoziert Kämpfe in der Hoffnung, irgendjemand möge Euch von Eurem Versprechen befreien, damit Ihr es nicht brechen müsst. Ihr tragt die Ideale eines Samurai noch immer in Euch. Dann solltet Ihr auch Euren Meister ehren wie es sich gehört. Tragt sein Wissen weiter, gedenkt ihm an O-bon[43] und bereitet ihm durch Euer Gebaren nicht länger Schande.“

Fassungslos starrte Deidara den Daimyô an. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, zornig auf die Worte reagieren, doch ihm fiel einfach nichts ein. Schweigend schloss er seinen Mund also wieder. Das konnte doch nicht wahr sein! Wieso mischte Gaara sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen? Er bereitete Sasori Schande? …Leider hatte Gaara recht. Solange niemand darüber sprach, konnte Deidara diesen Umstand ignorieren, sich einreden, er suche nur jemanden, der stärker war als er, damit er endlich sterben konnte. Aber diese Tatsache ins Gesicht geschmettert zu bekommen, tat schrecklich weh. Sein Griff um das Katana festigte sich. Wut wallte in ihm auf. Wie konnte Gaara es nur wagen?

Mit einem harten Ruck wandte er sich um, ließ Sasoris Katana los und rauschte aus dem Arbeitszimmer. Die Tür schloss er nicht hinter sich. Deidara musste raus hier. Er brauchte Abstand und er wollte allein sein.
 

___________________________________

[43]O-bon: buddhistische Feiertage, um den Ahnen zu gedenken - Ahnenverehrung

Gedanken

Gaara war hart zu dem Blonden gewesen, dessen war er sich bewusst. Und es tat ihm Leid. Doch seine Worte würde er nicht zurücknehmen. Sie entsprachen der Wahrheit und offensichtlich war es bitter nötig gewesen, dass jemand es mal aussprach. Denn seitdem benahm sich Deidara ausgesprochen friedlich. Ein paar Tage waren inzwischen vergangen. Er hatte ihn in Ruhe gelassen, damit er darüber nachdenken konnte. Doch nach wie vor ließ er sich berichten. So wusste er, dass Deidara direkt nach dem Gespräch die Burg verlassen hatte und erst am späten Abend zurück kehrt war. Die nachfolgenden Tage hatte er meistens auf irgendeiner Mauer oder im Park verbracht. Zwar bediente er sich noch immer nach Belieben in der Küche, aber die Sakevorräte blieben vorerst unangetastet und es gab keinen weiteren Zusammenstoß mit seinen Samurai. Er schien andere Menschen eher zu meiden.

Die neue Wendung beruhigte den Rotschopf nur teilweise. Es war gut, nicht mehr zu befürchten, Deidara vielleicht doch noch rausschmeißen oder gar zum Tode verurteilen zu müssen. Allerdings machte er sich Gedanken darum, wie es ihm nun ging, nachdem er ihn so unnachgiebig mit der Realität konfrontiert hatte.

Nachdenklich erhob er sich von seinem Tisch und trat ans Fenster, um dieses zu öffnen. Versonnen schweifte sein Blick über die Burg. Gaara würde gern in einer ungezwungenen Atmosphäre mit dem Blonden reden. Die Frage war, ob Deidara jetzt noch mit ihm sprechen wollte? Unbewusst blieben seine Augen an der Mauerstelle hängen, wo der Rônin vor über einem Jahr gesessen hatte. Sollte er überrascht sein, dass er ihn erneut dort vorfand? Wie damals wehte das lange Haar im Wind und bildete einen sanften Kontrast zum Meer. Der Drang, sich für eine Weile zu ihm zu gesellen, wuchs. Und wenn er nur herausfand, dass der Blonde sauer auf ihn war, wäre das zumindest ein weiterer Schritt. Wie er in dieser Situation vorging, konnte er dann entscheiden.

Gaara schloss das Fenster und verließ sein Arbeitszimmer. Über die Treppe hinab und durch das angrenzende Nebengebäude nahm er den üblichen Weg zum Wehrgang der Burgmauer. Der frische Wind, der vom Meer her milde über seine Burg hinweg wehte, verfing sich in seiner Kleidung und zerstrubbelte das kurze Haar.

Deidara bemerkte ihn aus dem Augenwinkel. Da Gaara sich nicht von seiner linken Seite näherte, musste er auch nicht deutlicher auf sich aufmerksam machen. Man konnte nie wissen, wie ein Krieger reagierte, der unerwartet aus seinen Gedanken gerissen wurde. Und da Deidara links nichts sah, bestand die Gefahr durchaus, ihn zu einer instinktiven Abwehrreaktion zu verleiten, sollte er sich erschrecken. Im schlimmsten Fall trennte dann ein Katana den Kopf vom Rumpf.

„Darf ich mich zu Euch gesellen?“, fragte Gaara ruhig. Er behandelte den Rônin nach wie vor höflicher als man von einem Daimyô erwartete. Auch wenn die meisten vor Akatsuki großen Respekt hatten, so gehörte Deidara nicht mehr zu der Bande und war damit alleine eine geringere Gefahr, im Normalfall. Den Blonden konnte man allerdings derzeit nicht als Normalfall bezeichnen. Für ihn änderte es jedoch nichts. Gaara wollte ihn außerdem freundlich behandeln, wollte er selbst schließlich auch so behandelt werden. Zwar gebot es sein Titel, niedere Klassen entsprechend zu behandeln, aber sie waren jetzt allein. Niemand hörte ihnen zu. Also konnte er selbst entscheiden, wie höflich er sein wollte.

Auf seine Frage erhielt Gaara zumindest ein angedeutetes Nicken, dann sah der Blonde wieder auf das Meer hinaus. Deidara duldete ihn in seiner Nähe. Das wurde als positiv gewertet. Gaara lehnte sich also in geringer Entfernung gegen die Mauer, legte seine Hände locker auf den Ziegeln des Mauerabschlusses ab und ließ seinen Blick über die blauen Wellen gleiten, die zum Ufer rollten. Damals hatten sie über Ryûjin gesprochen. So unbefangen würde ein heutiges Gespräch nicht werden, sollte Deidara bereit sein, mit ihm sprechen zu wollen.

Ob er etwas sagen sollte? Der Rotschopf war sich nicht sicher. Diese Lage konnte er schwer abschätzen. Allgemein fiel ihm die emotionale Ebene nicht leicht. Jahrelang hatte er sich inmitten einer Burg voller Menschen einsam gefühlt. Inzwischen achtete man ihn und er pflegte ein wohl recht normales Verhältnis zu den verbliebenen Familienmitgliedern, aber er hatte das Gefühl, es mangelte ihm an emotionaler Erfahrung.

Gaara machte sich wohl zu viele Gedanken darum, denn Deidara brach die Stille zwischen ihnen. „Ihr hattet Recht, hm.“ Die Stimme des Rônin war leise und verblüffend ruhig, so ganz ohne provokanten oder amüsierten Unterton. Überrascht betrachteten Jadeaugen den Blonden von der Seite. Doch dieser mied Blickkontakt und sah weiterhin aufs Wasser. Gaara hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Deidara ihm einfach so Recht gab.

„Solange niemand es ausgesprochen hat, war die Tatsache gut zu verdrängen… aber ich habe Sasori Schande bereitet, hm.“ Die Trauer war heraus zu hören und es tat Gaara Leid, ihn so rabiat mit diesem empfindlichen Thema konfrontiert zu haben. Vielleicht trug es aber zur Besserung bei.

„Ich denke, es ist ein Anfang, sich dessen bewusst zu sein. Dann kann man es auch ändern“, erklärte der Rothaarige nach ein paar Augenblicken des Nachdenkens. Deidara war bereit, sich seiner Worte anzunehmen, dann war bestimmt etwas von ihm zu retten.

Das leise Seufzen wurde vom seichten Wind beinahe fort getragen. „Aber was, wenn ich Sasori vergesse? Wenn alles, was er war, verschwindet, hm…“

Darauf wusste Gaara nicht sofort eine Antwort. Konnte man einen geliebten Menschen überhaupt vergessen? Er hatte noch nie jemanden geliebt, wusste nicht einmal, ob er überhaupt zu derartigen Gefühlen fähig war. Aber seinen Vater hatte er auch noch nicht vergessen und den hatte er gehasst. Demnach wäre es doch seltsam, jemanden zu vergessen, den man liebte. Oder?

Der Rotschopf glaubte nun jedoch, Deidaras Handeln etwas besser nachvollziehen zu können. Wenn er Angst hatte, Sasori zu vergessen, war es wohl nicht verwunderlich, sich von allen Menschen zurückzuziehen, allein herum zu reisen und um den Tod zu betteln, wie der Blonde es getan hatte.

„Das ist der Grund, weswegen Ihr Akatsuki verlassen habt?“, fragte Gaara nach. Nur, um sicher zu gehen. Eigentlich war es bereits deutlich erkennbar.

Ein zustimmendes „Hm“ war die Antwort. „Es kam mir… falsch vor, einfach weiter zu machen, obwohl er fehlt.“

Gaara bezweifelte, dass Akatsuki einfach so weiter gemacht hatte. Sie waren jahrelang Partner gewesen. Nicht nur bei Deidara hatte Sasoris Tod ein Loch gerissen, auch bei der Bande fehlte dessen Meister. Und durch das Verschwinden des Blonden war eine weitere Lücke hinzugekommen, an die man sich erst gewöhnen musste. Menschen brauchten eine gewisse Stabilität. Änderte sich etwas in ihrem Umfeld, musste man sich erst wieder daran anpassen.

„Ich bin mir sicher, dass Sasoris Tod für sie auch ein Verlust war“, murmelte er nachdenklich.

Endlich wandte der Blonde ihm sein Gesicht zu und sah ihn an. Die Trauer in dem azurblauen Auge versetzte ihm einen unangenehmen Stich in der Brust. Konnte er nicht irgendwas tun, damit Deidara wenigstens nicht mehr von dieser Trauer geplagt war und vielleicht zu seinem früheren Selbst zurückfand? Und wenn es nur ein wenig war.

Der Blickkontakt währte nicht lange, da wandte Deidara sich dem Meer wieder zu. „Mag sein, aber Akatsuki war nie meine Heimat, hm.“

Gaara runzelte die Stirn. Akatsuki? Deidara bezog sich auf Menschen, wenn er von Heimat sprach? Dann… „Sasori war Eure Heimat?“, hakte er nach, um seine These zu überprüfen. Ein Nicken bestätigte ihm seine Überlegung. Das machte die Tragödie noch komplizierter als sie bereits war. Deidara trottete seit einem Jahr durch Japan, ohne zu wissen, wo er hin sollte. Ein Ziel hatte er auch nicht, wenn man seine Versuche, sich töten zu lassen, außen vor ließ.

Und erneut wusste der Rotschopf nicht, was eine gute Antwort wäre. Denn ein paar tröstende Worte würden sicherlich nicht viel bringen. ‚Das Leben geht weiter‘ oder ‚Ihr werdet eine neue Heimat finden‘ klangen in seinen Ohren hohl. Grübelnd beobachtete Gaara die Wellen, die sich den Strand hinauf schoben, gemächlich, beruhigend summend.

Wie sollte man jemandem wieder einen gewissen Halt im Leben geben, der seine Heimat nach dem Grad seiner Zuneigung auswählte? Wie konnte er hoffen, Deidara je auf diese Art nahe zu sein? Er hatte an dem Blonden Interesse, doch er wagte nicht, auch nur annähernd so weit zu denken, dass er ihm je das bieten könnte, was dieser brauchte, um sich wohl zu fühlen.

Aber vielleicht konnte er ihm eine Aufgabe geben, bis Deidara eine neue Heimat gefunden hatte…

„Eine neue Heimat wird vermutlich nicht leicht zu finden sein“, begann er langsam, „aber ich könnte Euch derweil eine Aufgabe geben, die Euch die Suche erleichtern könnte.“ Es war nur ein Vorschlag. Gaara zweifelte daran, dass Deidara selbigen annahm. Jahrelang war der Blonde schon Rônin. Es würde hart für ihn werden, sich erneut an die steifen Gepflogenheiten des Burglebens und des Samuraidaseins zu gewöhnen. Aber einen Versuch konnte man durchaus wagen.

Da Gaara den Blonden nun wieder anschaute, um seine Reaktion zu verfolgen, fiel ihm der skeptische Seitenblick natürlich auf. „Was für eine Aufgabe, hm?“

Ernst blickte der Daimyô Deidara an. „Ihr könntet in meine Dienste treten. Als Samurai.“ Nun war es raus. Und die Mimik von Deidara reichte von schockiert über ungläubig bis hin kritisch. „Und mich wieder von den tausend Regeln lenken lassen wie eine Marionette, hm?“, brummte Deidara unwillig.

Immerhin schien ihm nicht völlig egal zu sein, wie er lebte. Dass der Blonde mit Regeln und Normen so seine Probleme hatte, war Gaara bereits aufgefallen und er war sich darüber im Klaren gewesen, noch bevor er ihm diesen Vorschlag unterbreitet hatte.

„Denkt darüber nach. Ihr müsst nicht sofort antworten“, erklärte Gaara und trat einen Schritt von der Mauer zurück. „Entschuldigt mich, ich werde mich jetzt wieder meinen Aufgaben widmen.“ Für einen Herzschlag deutete sich ein Lächeln auf den Lippen des Rotschopfes an, ehe er sich umwandte und entfernte.

Die Einladung

Die Regenzeit begann und Gaara wartete auf eine Entscheidung des Blonden. Er wollte ihn nicht bedrängen, weswegen er ihm kein zweites Mal vorschlug, in seine Dienste zu treten. Dass Deidara seine Worte vergaß, glaubte er nicht. Vermutlich brauchte er einfach Zeit. Derweil gestattete er dem Rônin, weiterhin in seiner Burg zu leben. Da er sich recht ruhig verhielt, beschwerte sich auch niemand mehr über ihn, nur die Küchenmägde trugen ab und an eine Beschwere an ihn, weil Deidara sich wieder einmal nach eigenem Ermessen an den Vorräten bedient hatte. Speiste der Daimyô mit seinen Samurai und weiteren Gästen gemeinsam und nicht nur mit seiner Familie, so war der Blonde ebenfalls eingeladen. Ihm war bewusst, dass seine Krieger ihn nur duldeten. Da Deidara die Männer nicht mehr provozierte, wagte jedoch niemand, sich offen gegen ihn auszusprechen.

Allgemein blieb Deidara eher für sich. Von seinen Dienern erfuhr Gaara, dass er manchmal auf einem der gut erreichbaren Dächer lag. Gern gesehen war es nicht, aber da der Daimyô nicht anordnete, ihn von dort zu vertreiben, ließ man den Rônin gewähren. Betrunken erlebte der Rotschopf Deidara glücklicherweise nicht mehr. Wenn er etwas Zeit für den Blonden fand, unternahm er mit diesem einen kleinen Spaziergang durch den burgeigenen Park, wandelte mit ihm unter den Kirschbäumen vor dem inneren Tor entlang oder spielte eine Partie Shôgi oder Go[44] mit ihm. Gegen ihn hatte Gaara sogar eine reelle Chance zu gewinnen. Sie schienen ungefähr gleich stark zu sein, daher war ihr Spiel generell recht ausgeglichen. Sein General war ihm in beiden Spielen überlegen. Aber der Mann stammte aus einer Familie erstklassiger Strategen, da war dieser Fakt nicht verwunderlich.

Shikamaru war auch der einzige, der sich offensichtlich mit Deidara auseinander setzte und ihn nicht einfach nur duldete. Er führte mit dem Rônin inzwischen regelmäßig Übungskämpfe durch. Gaara sah manchmal zu und er glaubte zu verstehen, wieso sein General mit Deidara kämpfen wollte, obwohl sein eigentliches Naturell eher gemütlich war und er Kämpfe gern mied, wenn es sich vermeiden ließ. Deidara war stärker und schneller als Shikamaru. Sein strategisches Können half dem Schwarzhaarigen zwar, allerdings schien auch sein Vorausdenken ihm manchmal nichts zu nützen. Gaara war bereits aufgefallen, dass Deidara etwas aus einer Laune heraus tat, ohne tieferen Hintergrund. Dies zeigte sich beispielsweise beim Shôgi und Go. Anscheinend kämpfte er auch auf diese Art. Änderte er mitten im Angriff einfach seine Taktik, aus Instinkt heraus, war das sehr schwer einzukalkulieren. Doch diese Trainingskämpfe machten seinen General auch stärker und würden ihm helfen, seinem Amt noch besser gerecht zu werden. Zudem würde er sich mit der Zeit an Deidaras Kampfstil gewöhnen und Gegenstrategien entwickeln.

Der Rotschopf bemerkte allerdings auch, was Shikamaru ihm erklärt hatte. Deidaras Kampfstil war verändert. Manche Manöver wirkten extrem gefährlich für das eigene Leben. Um seinen Tod bettelte der Blonde nicht mehr, dafür verhielt er sich zu ruhig, aber an seinem Kampfstil zeichnete sich anscheinend noch ein verbliebener Rest davon ab. Dieses Fragment an Todessehnsucht war es vermutlich, das ihm jedes Mal zu einem Sieg über seinen General verhalf.
 

Im Juli überbrachte ein Bote Gaara wie jedes Jahr eine Einladung zum Awa Odori[45] nach Tokushima. Der dort herrschende Hyûga-Clan gehörte ebenfalls zu den unter seinem Befehl stehenden Samurai-clans und verwaltete die Stadt für ihn, wodurch selbiger sehr wohlhabend und mächtig geworden war. Da der Daimyô letztes Jahr seinen Bruder Kankurô hingeschickt hatte, um ihn zu vertreten, erklärte er in einem Schreiben an Hyûga Hiashi, dem Oberhaupt des Clans, dass er die Einladung dankend annehme.

Anschließend wählte er sein Gefolge aus. Gaara wollte bis O-bon wieder in Matsuyama sein, weswegen er nur mit wenigen Männern reisen wollte. Sein General Shikamaru sollte ihn begleiten, fünf weitere seiner Samurai und Deidara. Doch in diese Entscheidung weihte er vorerst nur den General ein. Dieser zweifelte an dem Blonden, da er sich nicht sicher war, wie er in einer möglichen Gefahrensituation agieren würde, ob er Befehle annahm oder verweigerte, aber er sprach sich auch nicht dagegen aus. Deidara wäre eine Bereicherung, wenn es funktionierte.

Und Gaara verfolgte einen Plan damit. Er wollte den Rônin langsam stärker in das Leben hier einbinden, ihn auf diese Art beeinflussen, den Stand eines Samurai wieder anzunehmen. Zwingen konnte er den Blonden nicht. Aber schaffte er es, dass er sich hier wohler fühlte und vielleicht auch Kontakte knüpfte, könnte seine Entscheidung eher positiv ausfallen.

Jedoch galt es, Deidara erst einmal zu fragen, ob er ihn begleiten würde. Ihm konnte er keinen Befehl erteilen. Demnach lud er den Blonden zu einem nachmittäglichen Spaziergang durch den Park ein. Manchmal wunderte Gaara sich innerlich, wieso der Blonde seinen Einladungen einfach jedes Mal folgte. Deidara sprach nicht sonderlich viel. Nachdem er ihm Ende Mai seine Gedanken über Sasori offenbart hatte, waren kaum noch private Gedanken über seine Lippen gekommen. Der Rotschopf wollte kein Gespräch erzwingen. Für ihn war es auch ganz angenehm, schweigend nebeneinander her zu schlendern und sich von dem gestalterischen Können seiner Gärtner beeindrucken zu lassen. So geschah es auch jetzt, bis Gaara schließlich das Schweigen brach.

„Deidara, ich habe eine Bitte“, begann er ruhig, während sein Blick über die kunstvoll geharkte Kiesfläche schweifte, in dessen Mitte ein mit Moos bewachsener Fels seinen Platz gefunden hatte. Das leise Geräusch von hölzernen Geta, die auf einen steinernen Weg trafen, ertönte, als Gaara an meisterhaft in Form geschnittenen Büschen und Bäumen weiter den Pfad entlang schritt. Dann verharrte er am Teich. Gemächlich schwammen Kois unter der Wasseroberfläche umher.

Der Rônin hielt neben ihm inne. „Hm?“

Die Art der Bestätigung genügte Gaara, um sich gewiss zu sein, die volle Aufmerksamkeit zu erhalten. „Ihr könntet mich nach Tokushima zum Awa Odori begleiten.“ Er wandte sich dem Blonden nun zu, spürte er dessen Blick auf sich.

„Wozu?“, hakte Deidara nach. Er klang wenig überzeugt. Aber Gaara hatte bereits erwartet, dass Deidara nicht in Begeisterung ausbrechen würde. Es hätte nicht in sein momentanes Verhaltensmuster gepasst.

„Es wäre ein wenig Abwechslung. Bei dem Fest treten vortreffliche Künstler auf und das Theaterstück am Abend ist sehr unterhaltsam.“ Der Rotschopf wüsste jetzt gern mehr über Deidaras persönliche Vorlieben, weil er ihm dann gezielt Informationen geben könnte, die ihn zu einer Zustimmung verlocken würden.

Das azurblaue Auge schimmerte nachdenklich. Dieses Mal antwortete der Blonde nicht sofort, sondern beobachtete erst eine Weile die Fische im Wasser, ehe er schließlich zu einer Antwort ansetzte. „Wenn ich mitkomme, garantiert Ihr mir, dass ich nicht als Euer Untergebener reise. Ich gehöre nicht zu Eurem persönlichen Schutz, sondern kann mich frei bewegen, hm.“ Diese Forderung überraschte Gaara nicht. Der Rônin war an seine Freiheit gewöhnt.

„Ich bitte Euch, mich als mein Gast zu begleiten“, erwiderte der Rotschopf gelassen. „Jedoch muss Euch klar sein, dass ich Euch in der Burg der Hyûga nur so viel Freiheit gewähren kann, wie einem Gast gebührt.“ Die Hyûga würden nicht wagen, gegen Deidara zu sprechen, solange er seine Hand schützend über ihm hielt. Aber Gaara wollte im Gesamten vermeiden, dass es zu Problemen kam. Er schätzte den Hyûga-Clan, immerhin verwalteten sie den östlichsten Teil seines Landes für ihn.

Innerlich erleichtert registrierte der Daimyô das Nicken. „Das ist mir bewusst“, bestätigte der Blonde. Nach einer kurzen Kunstpause fügte er an: „Ich begleite euch.“ Der fragende Blick anschließend zeigte Gaara aber deutlich, dass seine Entscheidung noch nicht endgültig war. „Werden wir zu O-bon wieder hier sein, hm?“

Das war also der Grund. Deidara wollte O-bon feiern, um seinem toten Meister zu gedenken. Da er selbst es war, der den Blonden beschworen hatte, Sasori zu gedenken wie es Tradition war und ihm nicht länger Schande zu bereiten, stahl sich ein angedeutetes Lächeln auf seine Lippen. „Wir werden zu O-bon wieder zurück sein“, versicherte er Deidara. Es war ein wichtiges Fest für jeden. Immerhin wurde den Toten gedacht und in jeder Familie gab es Verstorbene, denen gedacht wurde. Dafür war das Fest da.

Deidara wirkte nun etwas entspannter und auch Gaara erlaubte sich ein wenig Entspannung. Sein vorläufiges Ziel, Deidara mit nach Tokushima zu nehmen, hatte er erreicht. Natürlich hoffte er, dass seine Bemühungen Früchte trugen. Denn dachte man ökonomisch, so war der Rônin bisher nur eine Last für seinen Geldbeutel. Der Daimyô selbst würde sich nicht daran stören, bliebe Deidara einfach weiterhin als sein Gast in seiner Burg. Doch die Gesellschaft zwang ihm gewisse Handlungsweisen auf. Sein privates Interesse an dem Blonden sollte nicht derart offensichtlich sein. Als sein Samurai konnte er in der Burg bleiben, ohne dass die wahren Hintergründe auffielen.

„Lasst uns zurück gehen“, schlug Gaara schließlich vor. Während er sich umwandte, behielt er den Blonden aus den Augenwinkeln im Blick. Deidara drehte sich ebenfalls vom Teich weg und machte Anstalten, ihm zu folgen. Einerseits war das gut, denn als Daimyô musste Gaara seine Autorität wahren und durfte sie nicht in Frage stellen lassen. Andererseits war es interessant zu beobachten, dass der offensichtlich so freiheitsliebende Rônin beinahe schon ergeben auf seine Worte einging.
 

_____________________________________

[44]Shôgi und Go: Shôgi ist ‚japanisches Schach‘; Go ist ein strategisches Brettspiel

[45]Awa Odori ist ein Fest, welches schon seit langer Zeit in Tokushima – auf Shikoku – gefeiert wird. Demnach existierte das Fest bereits in der Zeit, in der meine FF spielt. Awa Odori wird im August gefeiert, also am Ende der Regenzeit, im Sommer.
 

Außerdem habe ich mal wieder ein wenig recherchiert und bin auf diese Website gestoßen, wo man die Burg von Matsuyama sehen kann. http://www.japan-guide.com/e/e5501.html Ich finde sie wirklich sehr hübsch :D

Und ich habe die Inhaltsangaben zu den Charakteren überarbeitet und erweitert, falls jemand einen Blick hineinwerfen möchte ;3

Aufbruch nach Tokushima

Am Morgen der Abreise brachte ein Diener Deidara neue Kleidung vorbei. Irritiert nahm der Blonde den Stapel dem Mann ab und schob seine Zimmertür wieder zu. Nachdenklich betrachtete er das ordentlich zusammengelegte Kleiderbündel auf seinem Arm. Mit den Fingern strich er über den Stoff. Er war von höherer Qualität als das, was er die letzten Jahre getragen hatte.

Lange musste der Blonde nicht überlegen, warum Gaara ihm diese Kleidung bringen ließ. Die wenigen Sachen, die er besaß, waren allesamt aus einfachem, zweckmäßigem Stoff. An manchen Stellen sogar geflickt. Reiste er mit Gaara, würde es nur zu unangenehmen Fragen kommen, wenn einer seiner Gäste wie ein Landstreicher aussah, der er eigentlich auch war. Warum der Daimyô ihn unbedingt als Samurai wollte, verstand Deidara nicht. Und wieso er weiterhin seine Gastfreundschaft annahm, darüber war er sich auch nicht so recht im Klaren. Es war ganz… angenehm in seiner Gesellschaft. Der Rotschopf drängte sich nicht auf, verlangte von ihm nicht sonderlich viel und ließ ihn mit persönlichen Themen in Ruhe. Sasori hatte er auch nicht mehr angesprochen. Wollte er über seinen toten Meister reden, würde er schon von selbst den Mund aufmachen. Momentan war ihm aber nicht danach.

Deidara legte den Stapel Kleidung neben seinem Futon ab und streifte seinen Schlafyukata vom Leib. Nachdem er sich einen Überblick über die neuen Sachen verschafft hatte, zupfte er mürrisch an dem cremefarbenen Hadagi[46]. Seit Jahren trug er keinen mehr und jetzt wollte man genau das von ihm? Genervt seufzte er, schlüpfte aber einfach in das Kleidungsstück. Gaara hatte ihm versichert, dass er nicht als sein Untergebener reiste. Da sollte er sich vielleicht an die Gepflogenheiten des Samurai-Standes halten. Anschließend zog er den neuen, roten Gi über, band ihn mit dem schlichten Obi zusammen, um den ebenfalls cremefarbenen Hakama über zu streifen. Schlussendlich folgten die schwarzen Tabi[47].

Selbst an einen neuen Hirazutsumi hatte man gedacht. Das Stofftuch war in derselben Farbe gehalten wie der Gi. Allmählich fragte er sich, wie abgerissen er in seinen alten Kleidern ausgesehen haben musste. Zugegeben, er fühlte sich wohl in der neuen Kleidung. Der Stoff war weicher und somit angenehmer auf der Haut. Sein Blick fiel auf das breite, schwarze Band, welches ebenfalls in dem Stapel gelegen haben musste. Es ähnelte sehr stark dem Streifen, mit dem er sein linkes Auge verbarg. Nur war dieses hier ordentlich genäht und nicht einfach mit dem Dolch aus irgendeinem Stück Stoff heraus geschnitten. Demnach ersetzte Deidara seinen Stofffetzen durch das neue Band.

Leise seufzte er und packte sein weniges Hab und Gut in den Hirazutsumi, verschnürte ihn. Sasoris Waffen fanden ihren üblichen Weg unter den Obi und wurden von selbigem an seiner Seite gehalten. Seinen Bogen samt Köcher mit Pfeilen hängte er sich schräg über die Schulter.

Deidara griff nach dem roten Band. Selbst an das Haarband hatte man gedacht. Abwägend schaute er auf den Stoffstreifen in seiner Hand. Vielleicht war es Zeit für eine Veränderung. Damals hatte er für Sasori den Zopf anders gebunden, sodass mehr von seinem Haar offen über seine Schulter hängen konnte. Kisame hatte ihm erklärt, dass offenes langes Haar sanfter wirkte und durchaus dazu beitragen konnte, Sasori zu einer Annäherung zu verlocken. Und danach hatte der Blonde die Frisur aus Gewohnheit einfach beibehalten. Doch sein Meister war tot. Es gab niemanden mehr, den er mit diesem Kniff aus der Reserve locken oder dem er gefallen wollte. An sich war es auch egal, wie er sein Haar trug. Doch den alten Zopf im Nacken wollte er nicht mehr. Also stopfte Deidara das Haarband einfach in den Ärmel des Gi. Sollte es notwendig sein, konnte er es benutzen, ansonsten brauchte der Blonde eigentlich kein Haarband.
 

Im Innenhof angelangt, waren bereits die Pferde gesattelt. Der Blonde zählte zehn Tiere. Eines war für den Daimyô bestimmt. Ein weiteres für den General. Ihm war zu Ohren gekommen, dass er ebenfalls zum Gefolge gehörte, welches Gaara nach Tokushima begleitete. Ein Pferd würde Deidara erhalten. Fünf Samurai hielten sich bereits in der Nähe auf, also zählten sie zur Gruppe. Die letzten Tiere trugen große Taschen auf dem Rücken und waren demnach eindeutig als Packpferde zu identifizieren. Erstaunlich, dass Gaara mit so wenig auskommen wollte. Immerhin benötigten sie allein bis nach Tokushima vier Tage. Normalerweise reiste ein Daimyô mit deutlich mehr Gepäck, gehörte es zum einen zum Status dazu, zum anderen benötigte er luxuriöse Kleidung, um seinen Stand hervorzuheben. Deidara war sich sicher, dass Gaara diese Bräuche achtete, aber offenbar war er in der Lage, effektiv zwischen dem Nötigen und Überflüssigem wählen zu können.

Schritte näherten sich und der Blonde konnte Shikamarus Stimme hören, die gerade erklärte, dass Akimichi Chôji ihn als General in Matsuyama vertreten würde, bis sie wieder zurück waren. Halb wandte der Blonde sich um und ließ seinen Blick nur kurz über den General schweifen, verharrte dafür länger bei Gaara. Jetzt verstand er, warum dieser so wenig Gepäck benötigte. Der Rotschopf war ähnlich gekleidet wie er, selbst der Jin Baori fiel schlichter aus. Während der Reise verzichtete er auf Kleidung aus kostbaren Stoffen, die für diese Angelegenheit ungeeignet war. Deidara vermutete, dass Gaara erst am Tag ihrer Ankunft in Tokushima andere Kleidung anzulegen gedachte.

Die Samurai und Shikamaru dagegen trugen zusätzlich einen großen Teil ihrer Rüstung. Selbstverständlich, dachte der Blonde, sie waren schließlich zu Gaaras Schutz hier. Allerdings fragte er sich, wie viel Schutz der Rothaarige wirklich brauchte bei seiner Fähigkeit.

Inzwischen versammelte sich wohl der halbe Hofstaat auf dem Innenhof, um Gaara zu verabschieden. Darunter erkannte er unter anderen dessen ältere Halbgeschwister. Der dicke Samurai neben Kankurô war dann wohl Akimichi. Ab und an hatte er den Mann mit dem General zusammen gesehen. An seiner Seite stand eine Frau mit langem, blondem Haar, welches sie zu einem ordentlichen Zopf zusammengebunden hatte, während eine lange Strähne die rechte Gesichtshälfte umspielte. Vermutlich Akimichis Frau.

Allgemeine Bewegung kam nun in die Samurai. Sie saßen auf, nachdem ihr Daimyô und der General im Sattel saßen. Der Blonde war wohl der einzige, der einen Moment länger benötigte. Das Tier sollte zumindest einen kurzen Eindruck bekommen, wer auf seinem Rücken sitzen würde. Demnach ließ er das Pferd zuerst an sich schnuppern, ehe er sich ebenfalls in den Sattel schwang. Mit halbem Ohr lauschte er Shikamarus Ausführungen, der befahl, dass drei Samurai vor Gaara reiten würden, zwei hinter ihm. Die letzteren sollten je eines der Packpferde bei sich führen. Der General selbst bildete den Schluss. Deidara würde einfach irgendwo dahinter reiten. Sein Wunsch nach Gesellschaft war gering und die Aussicht, die nächsten Tage durchweg mit Kriegern zu verbringen, die einen Rônin für ein Abfallprodukt der Gesellschaft hielten, steigerte seine Begeisterung nicht gerade. Dabei könnte ihnen jederzeit dasselbe Schicksal zuteil werden. Ihr Daimyô musste sie lediglich aus seinen Diensten entlassen oder aber der Herrscherclan starb. Ohne Gaara hätte er sich überhaupt nicht angeschlossen. Was Shikamaru von ihm dachte, wusste er nicht und es war ihm auch egal, solange er ihm weiterhin das Gefühl gab, ein Krieger zu sein.

Der Tross setzte sich endlich in Bewegung. Deidara wollte gern weg von den vielen Menschen. Es war immer noch ungewohnt, unter all den Fremden zu leben, obwohl er bereits rund zwei Monate hier war. Der Blonde war zu sehr daran gewöhnt, sich nur mit wenigen anderen auseinander setzen zu müssen oder eben, wie im vergangenem Jahr, mit niemandem. Zugeben musste er jedoch, dass die Übungskämpfe mit Shikamaru recht anspruchsvoll waren. Von Mal zu Mal schien der General seinen Kampfstil besser zu durchschauen, machte es ihm auf die Art schwerer, ihn zu besiegen. Es war eine nette Abwechslung und er konnte sich weiter entwickeln.

Unweigerlich drifteten seine Gedanken zu dem Daimyô ab. Wie es wohl wäre, gegen ihn zu kämpfen? Dass er in der Kampfkunst unterrichtet worden war, stand außer Frage, gehörte das zur Ausbildung dazu. Zudem trug er heute ein Katana und das dazugehörige Wakizashi am Obi. Sah man genau hin, erkannte man im Jin Baori auch die leichte Wölbung, wo sich der Flaschenkürbis verbarg. Gaara war in der Lage gewesen, seinen Pfeil aufzuhalten und das auf einer sehr geringen Distanz. Sein Sand war unglaublich schnell gewesen. Er musste darüber eine hervorragende Kontrolle haben. Warum hatte er den ersten Pfeil, den seines Samurai, nicht aufgehalten? Die einzig logische Erklärung dafür war, dass er den Sand nur auf kürzeren Entfernungen manipulieren konnte. Dennoch war selbiger eine mächtige Waffe, konnte er den Rotschopf vor jedem Angriff bewahren und machte ihn quasi unverwundbar. Grübelnd wanderte sein Blick zu dem weiter vorn reitenden Daimyô. Ein Kampf gegen ihn wäre wirklich interessant. Sicherlich konnte man eine Mauer aus Sand auch durchbrechen. Die Frage war nur, auf welche Art dies möglich war. Deidaras Neugier war entflammt. In einer ruhigen Minute sollte er Gaara mal nach einem Übungskampf fragen. Dass er dem Daimyô vielleicht zu nahe trat oder es als Rônin ungebührlich war, ignorierte er völlig. Der Blonde hatte sich in den Kopf gesetzt, gegen Gaara kämpfen zu wollen. Und er würde seinen Willen bekommen, irgendwie.
 

_______________________________________________

[46]Hadagi: „Unter-Gi“, wie ein Unterkimono

[47]Tabi: Socken mit separatem großem Zeh

Awa Odori

Deidara wirkte verändert. Aber Gaara war sich sicher, dass dieser Umstand nicht nur der neuen Kleidung geschuldet war. Auf den ersten Blick erweckte der Blonde nun den Eindruck, einer seiner Samurai zu sein. Die Rüstung fehlte jedoch, weswegen man anschließend unweigerlich Fragen stellen würde, wieso ein Samurai in seinem Dienst auf der Reise keine Rüstung trug, obwohl er zum Schutz des Daimyô anwesend war.

Warum Deidara sein Haar jetzt komplett offen trug, würde ihn interessieren. Bisher hatte Gaara ihn nur einmal mit offenem Haar gesehen. In der Nacht an Sasoris Grab. Schlecht fand er es nicht, ganz im Gegenteil. So konnte der Wind ungehindert durch die langen Strähnen gleiten und mit ihnen spielen. Gaara gefiel der Anblick, weil es ihn an Windgeister erinnerte, die sich in dem blonden Haar verfingen und es tanzen ließen. Nur leider ritt Deidara immer hinter ihm und bis auf einen kurzen Blick ab und an, der offiziell zu seinem General glitt, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, durfte er sich nicht mehr erlauben.

Dafür schien der Rônin ihn umgekehrt mehr zu beachten. Jedes Mal, wenn er sich in seine Richtung wandte, fiel ihm der intensive Blick aus dem azurblauen Auge auf. Selbst abends und morgens beim gemeinsamem Mahl in der Herberge, in der die Gruppe die Nacht verbrachte, bohrte sich Deidaras Auge in ihn hinein. Warum? Innerlich freute er sich, dass Deidara irgendeine Art von Interesse an ihm zeigte. Doch welcher Art war es? An dem durchdringenden Schimmern konnte er keine Antwort ablesen. Gaara würde warten müssen, bis sich eine ruhige Gelegenheit ergab. Vielleicht nannte Deidara ihm auch bald selbst den Grund, dann müsste er nicht fragen.
 

Gaara befahl, am vierten Tag in einem Dorf vor Tokushima die Nacht zu verbringen. Sie hätten es bis zum Abend noch zu ihrem Ziel geschafft, jedoch musste er eine gewisse Würde bewahren. Und diese beinhaltete, dass er sich nicht hinter einem Busch vor Tokushima umzog, um mit seiner Kleidung den Stand des Daimyô zu unterstreichen. Nein, sie verbrachten die letzte Nacht in einer Herberge und er kleidete sich am folgenden Morgen in die luxuriöse Garderobe, die sein Titel verlangte.

Die Bewohner der Stadt verneigten sich vor ihm, als sie durch die Straßen zur Burg ritten. Neugierige Kinder sahen zu ihm auf und manche folgten ihnen auch die Straßen entlang bis zur Burg. Im Innenhof selbiger wurde der Rotschopf vom gesamten Hyûga-Clan empfangen. Hiashi, sein General hier in Tokushima, verneigte sich ehrerbietend vor ihm. Gaara, seine Samurai und Deidara stoppten ihre Pferde und saßen ab. Ein Diener nahm ihm die Zügel seines Pferdes ab. Gemessenen Schrittes näherte er sich Hiashi, während sein Blick über dessen Frau Mariko und die jüngere Tochter Hanabi glitt. Weiterhin erkannte Gaara Hinata mit ihrem Ehemann Inuzuka Kiba. Der Daimyô hatte ihrer Hochzeit und somit der Verbindung der beiden Clans selbst beigewohnt, war er selbstverständlich eingeladen worden. Hiashis jüngerer Bruder Hizashi stand bei seinem einzigen Sohn Neji, an dessen Seite eine junge Frau weilte. Wenn er sich recht erinnerte, musste dies Tenten sein. Vor kurzem erst waren sie den Bund der Ehe eingegangen. Gaara hatte Kankurô als Vertretung geschickt, weil er sich um andere Dinge hatte kümmern müssen.

„Es ist mir eine Ehre, Euch in Tokushima begrüßen zu dürfen, Gaara-sama“, sprach Hiashi förmlich.

„Seid gegrüßt, Hyûga Hiashi“, erwiderte Gaara die Begrüßung und Angesprochener richtete sich nun wieder zu seiner vollen Größe auf.

„Die Reise war bestimmt anstrengend. Eure Gemächer sind bereits vorbereitet. Bitte, folgt mir.“ Eine einladende Handbewegung bedeutete Gaara, dass er dem Schwarzhaarigen folgen konnte.

Wie es sich gehörte erhielt der Rotschopf ein geräumiges Schlafgemach. Seine Samurai wurden in der Nähe in Gästezimmer einquartiert, ebenso Deidara. Dass der Blonde jedoch nicht zum gemeinsamen Mahl erschien, wunderte Gaara selbst und seine Krieger nicht. Hiashis Familie dagegen war irritiert. Der Daimyô erklärte ihnen demnach kurz, dass Deidara lediglich sein Gast war und ihn begleitete, ansonsten aber seine Entscheidungen frei treffen konnte. Wo der Rônin wohl hingegangen war? Vielleicht in die Stadt oder in einen ruhigen Teil der Burg.

Dem Daimyô fiel Hizashis nachdenklicher Blick auf. Deidaras Name war nicht unbekannt. Vielleicht hatten sie den Blonden in der Schlacht gegen Orochimaru sogar gesehen. Spätestens seit den Gerüchten um die Zerstörung von dessen Burg kursierten zahlreiche Gerüchte um den Rônin. Niemand wagte allerdings, ihn zu fragen, was Deidara bei ihm machte. Sie könnten ihn erzürnen, würden sie die Wahl seiner Gäste in Frage stellen. Und er war nicht gewillt, seine Absicht, Deidara in seine Dienste zu nehmen, bereits öffentlich kund zu geben.

Der Tag verlief recht ruhig, begann Awa Odori erst beim Anbruch des nächsten Morgens. Daher luden die Hyûga-Brüder Gaara und Shikamaru noch zu einer Tee-Zeremonie ein. Richtig durchgeführt beanspruchte diese mehrere Stunden und verhalf zu einer angenehm entspannten und ruhigen Stimmung, um anschließend über die Politik und die neusten Entwicklungen des Landes diskutieren zu können. Innerlich hoffte der Rotschopf, dass Deidara sich hier nicht auch nach eigenem Belieben in der Küche bediente. Doch bis zum nächsten Morgen erhielt er keine Nachricht darüber und zum Frühstück war der Blonde anwesend. Kiba versuchte sogar, mit Deidara zu reden. Sonderlich ergiebig war das Ergebnis jedoch nicht, wie Gaara bemerkte. Die Antworten des Rônin fielen sehr einsilbig aus, sodass Kiba schnell die Lust verlor, sich weiter mit ihm zu beschäftigen. Gaara war ihm dankbar, weil er überhaupt reagierte. Seine Krieger hatte er sehr oft einfach ignoriert, wenn sie doch mal das Wort an ihn gerichtet hatten. In seiner Burg war man an die unhöfliche Art des Blonden inzwischen gewöhnt, doch hier würde er als Gast sehr unangenehm auffallen und die Verantwortung lag dann bei Gaara, da er ihn mitgebracht hatte.

Nach dem Frühstück verschwand Deidara wieder aus seinem Blickfeld und der Daimyô hatte nun auch keine Zeit mehr, sich viele Gedanken um den Blonden zu machen, weil das Fest feierlich eröffnet wurde und man von ihm erwartete, dass er eine Ansprache hielt. Die Parade begann auf dem riesigen Vorplatz der Burg, wo Pavillons für die Obrigkeit errichtet worden waren. Mitreißende Musik erscholl, als die Musiker ihre Instrumente zur Hand nahmen und sich in Bewegung setzten. Tänzer folgten ihnen in einer hervorragend einstudierten Abfolge von Bewegungen. Starke junge Männer trugen einen Schrein auf ihren Schultern und nach ihnen waren weitere Musiker, Tänzer, sowie Akrobaten und Schauspieler Teil der bunten Parade. Diese bewegte sich langsam in Richtung der Stadt. Gaara fragte sich, wie es wohl wäre, ein einfacher Bürger zu sein und die Parade vom Rand der Straße aus zu sehen. In der Stadt waren überall Stände aufgebaut, die Süßwaren oder andere Speisen verkauften. Manche boten auch Gegenstände oder Schmuck feil. Und überall erscholl Musik und es wurde getanzt. Auf manchen Plätzen waren auch Bühnen aufgebaut und Schauspieler führten ihre Stücke vor. Doch es würde ein Wunsch bleiben, sich bei solch einem Fest einmal frei bewegen zu können. Er war Daimyô. Sein Status verbot ihm, sich unter das einfache Volk zu mischen und zu feiern wie sie. Dabei würde er es gern selbst erleben, wie es war, inmitten dieser lebendigen, fröhlichen Menge zu sein. Stattdessen war selbst ein Fest wie dieses für ihn mehr eine Abfolge verschiedener Pflichten. Selbst das Theaterstück am Abend, welches auf dem Burginnenhof aufgeführt wurde, war eher Amtspflicht. Der Rotschopf bestritt nicht, dass die Theatergruppe außerordentliches Talent besaß und es eine Freude war, ihr zuzusehen. Aber selbst bei einem Fest wurde von ihm erwartet, dass er sich als Daimyô an gewisse Regeln hielt und immer abgeschottet vom Volk blieb. Er eröffnete das Fest, er war bei dem Theaterstück anwesend, er sah den Tänzern zu und den Akrobaten. Aber er durfte nicht mittanzen wie die Einwohner der Stadt auf den Straßen. Oder sich mit anderen gemeinsam betrinken. Erhaben sollte er sein. Zu ihm aufsehen sollte man. Sonst würde man seine Autorität irgendwann anzweifeln.

Sein Blick schweifte von den Tänzerinnen ab und huschte über die anderen Zuschauer. Wo Deidara wohl war? Seit dem Frühstück hatte er den Blonden nicht gesehen und inzwischen stand der Mond am dunklen Himmel. Ob dieser sich wohl wenigstens ein bisschen amüsiert hatte? Denn aus diesem Grund hatte er ihm vorgeschlagen, ihn zu begleiten. Ein wenig Abwechslung war für Deidara bestimmt gut. Und ein Fest half hoffentlich. Gaara zweifelte inzwischen jedoch ein wenig an dem Gedanken, dass er Deidara auf die Art besser integrieren konnte in das Burgleben. Allgemein ergaben seine Überlegungen Sinn und er würde sie auch fortführen. Da der Blonde aber die meiste Zeit einfach nicht anwesend war oder Gespräche gekonnt abwürgte und lieber für sich blieb, war ungewiss, wie viel diese Reise dazu beitrug, ihn nach und nach an sich zu binden und seine Entscheidung ins Positive zu beeinflussen.

Nach dem Ende der Tanzvorführung erhob Gaara sich und erklärte den Hyûga-Brüdern: „Ich werde mich nun zurückziehen.“ Beide verneigten sich vor ihm, sowie die anderen Anwesenden des Clans. „Wir wünschen Euch eine geruhsame Nacht“, erklang Hiashis Stimme. Wieder eine Situation, in der er über allen anderen stehen musste. Seiner unmittelbaren Familie durfte er eine angenehme Nacht wünschen. Doch würde es das jetzt tun, stellte er sich mit seinen Untergebenen auf eine Stufe. Demnach wandte er sich ab und kehrte in das Hauptgebäude der Hyûga-Burg zurück, gefolgt von seinen Samurai und Shikamaru. Morgen würde er noch einen ruhigen Tag hier verbringen, sodass er am Tag darauf mit seiner Eskorte und Deidara nach Matsuyama zurückkehren konnte. Verlief die Reise wie geplant, waren sie sogar ein paar Tage vor O-bon wieder in ihrer Heimat. Ihm blieb also noch etwas Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, was in seiner Abwesenheit geschehen war. Vielleicht gelang es ihm auch, ein etwas privateres Gespräch mit Deidara zu führen. Denn er wollte gern von dem Blonden wissen, ob er nun zumindest etwas Gefallen an Awa Odori gefunden hatte.

Überfall

Deidara fand das Fest ganz gut gelungen. Die Abwechslung war wirklich nett gewesen, auch wenn es sich ein wenig falsch angefühlt hatte, inmitten feiernder Menschen zu sein, obwohl sein Danna tot war. Er hatte sich etwas von den heimischen Spezialitäten gekauft und verzehrt, sich den ein oder anderen Tanz angeschaut und die Parade gesehen. Am Abend war er einer der vielen Zuschauer bei dem Schauspiel in der Burg gewesen. Zwischendurch hatte er zu Gaara geschaut. Wie für die Hochrangingen üblich, hatte man ihnen einen erhöhten Pavillon aufgestellt, unter dem sie Platz genommen hatten. Der Blonde konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, immer aus der Masse hervorgehoben zu werden, nie einfach in ihr versinken zu können. Aber er stellte es sich lästig vor. Neben Gaara saßen ein paar der Hyûga. Deidara fand es schwer, sie auseinander zu halten. Allesamt hatten sie schwarze Haare und beinahe unnatürlich hell wirkende Augen. Er glaubte, dass sie hellblau waren, jedoch hatte er sie nicht sonderlich ausgiebig gemustert bei ihrer Ankunft. Aus etwas Entfernung jedenfalls wirkten diese Augen beinahe mystisch.

Erleichtert atmete Deidara auf, als sie endlich den Rückweg antraten. In der Zeit, die er nun schon in Gaaras Burg lebte, hatte er jeden Tag Sasoris Grab besucht. Das fehlte ihm. Wenigstens einmal täglich wollte er die vertrauten Schriftzeichen im Stein lesen, die den Namen seines Meisters kundtaten.

Wenn es nach ihm ginge, könnten sie sich auch ruhig ein wenig mehr beeilen und die Pferde ab und an zu einer schnelleren Gangart als Schritt antreiben. Zwischendurch ein kleiner Galopp war kein Problem für die Tiere. Aber es war für einen Daimyô typisch, erhaben zu reisen. Diese ganzen Riten und Zeremonien würden ihn wahnsinnig machen, müsste er sich daran halten. Daher sah er auch keinen Grund, wieso er Gaaras Bitte annehmen sollte, in seine Dienste zu treten als Samurai. Denn damit gingen automatisch sämtliche rituellen Pflichten einher, die er so gehasst und ihnen nicht einen Tag nachgetrauert hatte. Es kam vor, dass er einen Brauch nutzte, aber das war sehr selten und nur, wenn er es für angebracht hielt.

Plötzlich flogen Pfeile aus dem unweit entfernten Gebüsch und trafen drei der Krieger. Zwei fielen wie gefällte Bäume vom Pferd, der dritte Pfeil bohrte sich lediglich zwischen die Schulterplatten der Rüstung des Kriegers. Ein vierter Pfeil verfehlte Gaara knapp, weil dieser soeben sein Tier angehalten hatte. Die Tiere scheuten, der getroffene Samurai konnte sich nicht mehr auf dem Rücken seines verängstigen Pferdes halten und stürzte. Die nun freien Tieren stoben davon, während drei Fremde hinter den Büschen hervor sprangen und mit gezogenen Waffen auf sie zu rannten. Die Reishüte waren tief ins Gesicht gezogen, sodass man nicht erkennen konnte, um wen es sich handelte. Doch ihren Bewegungen nach zu urteilen waren es vermutlich Männer. Einer von ihnen war besonders groß und kräftig.

Solch ein Überfall galt meist dem Ranghöchsten. Aber Gaara zu verwunden war nun wohl unmöglich, wo die Räuber sich zeigten. Ein weiterer Pfeil flog, dieses Mal in Richtung Shikamaru. Doch er traf sein Pferd, sodass der General gezwungen war, abzuspringen, um nicht von der Masse des Gewichtes begraben zu werden. Gaara und der verbliebene Samurai saßen ebenfalls von den scheuenden Tieren ab und Deidara tat es ihnen nach. Der General baute sich vor seinem Daimyô auf und fing das Katana des Hünen mit seinem eigenen ab. Ein heftiger Kampf entbrannte, in welchem Shikamaru nach und nach zurückgedrängt wurde, weil der Mann einfach deutlich stärker war.

Was mit dem verbliebenen Krieger war, konnte Deidara nicht genau erkennen, aber laut dem Klirren von aufeinanderschlagendem Stahl kämpften sie ebenfalls. Der dritte Angreifer kreuzte nun mit ihm die Klingen. In dem Schlag lag enorme Kraft, sodass der Blonde sich entschied, das Katana an seinem abgleiten zu lassen und eine Finte zu schlagen, die jedoch rechtzeitig von dem kleineren Wakizashi abgefangen wurde. In dem Moment kam der Fremde ihm sehr nah. Unter dem Reishut blitzten schwarze Augen hervor und im ersten Moment dachte er, es seien Itachis Augen, nur voller Hass. „Wo ist Itachi?“, zischte der Mann ihm entgegen. Irritation machte sich in ihm breit. „Keine Ahnung, hm“, knurrte er und stieß den anderen zurück.

„Lüg mich nicht an! Ihr habt zusammen gearbeitet!“

Genervt schnaufte Deidara. „Das war mal, hm!“ Er wich einem neuerlichen Angriff aus und wollte gerade ausholen, als sich ein dünner Ring aus Sand um die Kehle des Angreifers legte und zudrückte. Tonloses Japsen drang aus der Kehle des Mannes und seine eine Hand ließ das Wakizashi los, um sich an den Hals zu legen, den Sand zu lockern. Ohne Erfolg. Deidara sah zu Gaara rüber, der offensichtlich auch die beiden anderen Räuber auf diese Art in die Gewalt gebracht hatte. Zwei Pfeile lagen vor ihm auf dem Boden. Offenbar gab es mindestens vier und einer versteckte sich weiterhin hinter den Büschen. „Verschwindet sofort! Und ich lasse euch euer erbärmliches Leben.“ Gaaras Stimme durchschnitt befehlsgewohnt die Stille. Zugleich strahlte er jetzt die unnachgiebige Macht des Daimyô aus, der er war. Noch einen Augenblick ließ er die drei Männer zappeln, dann zog sein Sand sich zurück und röchelnd brachen sie in die Knie. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich aufrappeln und hastig zurückziehen konnten.

Deidara war unzufrieden. Zwar war das eine interessante Demonstration von Gaaras Kräften, jedoch wurde ein ordentlicher Kampf dadurch sehr langweilig. Oder die Männer waren einfach abgelenkt gewesen und das hatte der Daimyô ausgenutzt. Selbstverständlich. Denn irgendwo musste es eine Grenze bei dieser ‚Magie‘ geben. Deidara musste sie nur finden.

Nachdem sie sicher sein konnten, dass die Räuber wirklich verschwunden waren, fanden die Klingen ihre Wege zurück in die Saya. Deidara sah sich um. Der letzte Krieger war auch noch gefallen. Also waren sie nur noch zu dritt. Ein paar der Pferde waren in einiger Entfernung langsamer geworden und hatten angehalten. Die konnten sie also wieder zurückholen. Das würde den restlichen Weg erleichtern. Deidara sah zu Shikamaru und Gaara.

„Ich hol die Pferde, hm“, erklärte er knapp und schritt in die Richtung zu den noch immer aufgebrachten Tieren. Mit ruhigem Zureden fassten die fünf Pferde schließlich wieder genug Vertrauen, sich von ihm anfassen und führen zu lassen. Eines der Packpferde hatten sie wohl gänzlich verloren, aber vier Reittiere waren geblieben. Sie mussten das vierte schließlich nicht hier lassen, nur weil es momentan keinen Reiter mehr hatte. Mit etwas Glück fanden sie die anderen Pferde noch oder sie bewältigten allein den Weg zur Burg.

Wieder bei Shikamaru und Gaara angekommen, wickelte der General sich gerade einen Stoffstreifen um den Unterarm. Das tat man nur, wenn man verletzt worden war. „Kippt Sake drüber, das desinfiziert, hm“, kommentierte Deidara dessen Tun. „Wir haben keinen Sake dabei“, war die Antwort des Generals.

„Wir haben Sake.“ Gaara trat zu dem verbliebenen Packpferd und zog eine Kiste hervor. „War das nicht ein Geschenk von Hyûga Hiashi?“, fragte Shikamaru ungläubig, als Gaara die Kiste öffnete und eine verkorkte Flasche herauszog. „Ja, war es“, stimmte der Daimyô ruhig zu und reichte sie seinem General. „Aber deine Gesundheit ist wichtiger.“

Deidara hieß es gut, dass der Daimyô nicht so kleinlich war und sich mit Geschenken schmückte, anstatt seinen Männern zu helfen. Für die toten Krieger konnte man nichts mehr tun. Sie waren gründlich gewesen. Dem zuvor bereits vom Pfeil verletzten Mann war der Gnadenstoß gegeben worden.

Sie sollten vorsichtiger sein. Was wollte dieser Typ mit den schwarzen Augen? Diese Augen hatten ihn sehr an Itachi erinnert. Im ersten Moment hatte er sogar angenommen, Itachi würde ihn ansehen, doch mit einem tiefen Hass in sich. Dieser Hass galt vermutlich Itachi, denn der Mann hatte von ihm den Aufenthaltsort wissen wollen. Also galt dieser Angriff nicht Gaara selbst, sondern eigentlich ihm? Er war seit über einem Jahr kein Akatsuki mehr, woher sollte er wissen, wo sich die Bande Rônin aufhielt? Und dieser Hüne. Seine Bewegungen kamen ihm bekannt vor, doch der Blonde konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, woher.

Deidaras Blick wanderte zu Shikamaru, der offenbar endlich fertig war, seine Wunde zu versorgen und zu verbinden. „Wir sollten nicht hierbleiben, hm.“

Gaara stimmte ihm mit einem Nicken zu.

„Und wir sollten Dörfer meiden, hm“, fügte der Blonde an. Leichte Überraschung glänzte in den jadefarbenen Augen des Daimyô. „Aus welchem Grund sollten wir das tun?“

Deidara sah ihn ernst an. An solchen Feinheiten bemerkte man, dass der Daimyô recht behütet aufgewachsen war. Vermutlich hatte er noch nie eine Nacht im Freien verbracht. „Die wollen etwas von Akatsuki. Der eine hat mich gefragt, wo Itachi ist. Demnach werden sie nicht locker lassen, hm.“

Shikamaru verstand aber offensichtlich, was er damit bezwecken wollte. „Übernachten wir in den Dörfern, ist es leicht, unserer Fährte zu folgen. Und momentan sind wir angreifbarer, weil wir nur noch zu dritt sind. Aus diesem Grund können wir aber auch einfacher unsere Spuren verwischen.“

Gaaras Blick fiel auf die gefallenen Krieger. „Wir werden sie holen lassen, sobald wir in Matsuyama sind“, erklärte der General. Sie konnten sich jetzt nicht um sie kümmern. Außerdem wollten ihre Familien eine anständige Bestattung. Das einzige, was momentan möglich war, sie unauffällig hinter ein paar Büsche zu legen und mit Ästen abzudecken. Tiere würden die Leichen riechen, aber vielleicht hatten sie Glück und die Toten blieben unbeschadet.
 

Schweigend ritten sie schließlich weiter. Doch jetzt spürte Deidara förmlich die Gespanntheit. Shikamaru ließ seinen Blick öfter schweifen, ebenso wie Gaara. Der Blonde ritt nach wie vor hinter ihnen, während der General sich nun neben seinem Daimyô hielt. Bei einem kleinen Fluss ritten sie eine Weile im seichten Uferwasser, um ihre Spuren besser zu verwischen. Erst, als die Sonne bereits unterging, rasteten sie schließlich. Auf ein Feuer verzichteten sie, würde das die Angreifer nur schneller auf sie aufmerksam machen. Ein paar wenige Vorräte hatten sie auch noch dank dem verbliebenen Packpferd, so mussten sie zumindest nicht hungern oder sich von Beeren ernähren, die vielleicht in der Nähe wuchsen, wenn man danach suchte.

Deidara biss in eines der Reisbällchen. Sein Blick lag derweil auf Gaara. Jetzt war nur Shikamaru dabei. Also könnte er ihn fragen. Er schluckte, um ungehindert sprechen zu können. „Gaara-sama, kämpft gegen mich.“

Zwei Augenpaare richteten sich verblüfft auf ihn. „Jetzt?“, hakte der Rotschopf skeptisch nach. Deidara schüttelte mit dem Kopf. „Nein, in Matsuyama, hm“, präzisierte er. Shikamaru mischte sich nun ein. „Ihr meint einen Übungskampf?“ Bestätigend nickte Deidara, doch nun stahl sich sein Grinsen auf die Lippen. „Ich will aber, dass Ihr so kämpft, wie Ihr es in einem echten Kampf machen würdet, hm.“

Gaaras Augen weiteten sich für einen Augenblick. Der General sog scharf die Luft ein. Beide wussten, was der Blonde gerade verlangte. „Seid Ihr sicher?“, fragte Gaara nach ein paar Momenten der gespannten Stille, in der nur das leise Rauschen von Wind in den Blättern der Bäume zu hören war.

Deidara nickte. Ja, er wollte das. Wo war sonst die Herausforderung? Bohrend verharrte sein Blick auf dem Daimyô. Erst nach einigem Zögern gab dieser schließlich nach. „An einem Übungskampf habe ich nichts auszusetzen.“

„Gaara-sama…“, begann Shikamaru, doch Angesprochener schnitt ihm das Wort ab. „Es ist in Ordnung.“

Beginnende Veränderungen

Glücklicherweise verlief der Rest der Reise ruhig. Für Gaara war es jedoch ungewohnt, unter freiem Himmel auf dem harten Boden schlafen zu müssen. Mit Schmerzen zeigte sein Körper die Empörung über die ungewohnt grobe Behandlung. Erleichterung überkam ihm, als Matsuyama und seine Burg in Sicht kamen.

Wie erwartet, waren seine Untergebenen und seine Familie erschrocken, als sie von dem Überfall erfuhren. Der Daimyô musste sie mit gezielten Worten beruhigen. Noch bevor sie das Gebäude betraten, ordnete er an, die toten Samurai holen zu lassen, damit sie eine anständige Bestattung im Kreis ihrer Familien erhalten konnten.

Am Abend speiste der Rotschopf nur im kleinen Kreis mit Kankurô, Temari und ihrem Mann Shikamaru. Er wollte ihnen etwas sagen. Natürlich waren sie daran interessiert, was sich in Tokushima zugetragen hatte. Den Überfall hatte er zuvor schon mit dem General und seinem Halbbruder ausgewertet. Sie mussten in Zukunft wachsamer sein. Wenn diese Gruppe wirklich hinter Itachi her war, könnte es sein, dass sie Deidara oder auch die ganze Burg angriffen, um die Information zu erzwingen. Aber selbst Gaara wusste nicht, wo genau Akatsuki nun lebte. Irgendwo auf Shikoku. Das war alles.

„Hyûga Hiashi hat mir seine Tochter Hanabi als Ehefrau angeboten“, verkündete er ernst. Überraschte Blicke trafen ihn, während er ruhig weiter von seinem Reis aß.

„Aber sie ist doch erst 12 Jahre alt“, wandte Shikamaru ein. Besorgnis glomm in Temaris Gesicht. „Sie ist noch zu jung“, stimmte seine Halbschwester zu.

Bestätigend nickte Gaara und nahm sich etwas von dem Gemüse. „Natürlich würde die Hochzeit erst stattfinden, wenn sie erwachsener ist.“ Erst sollte Hanabis Körper zu dem einer Frau heran reifen, ehe sie verheiratet werden würde.

Kankurô überlegte laut: „Das wäre keine schlechte Partie. So würden die Hyûga enger an uns gebunden sein.“ Sein Blick richtete sich fragend auf den Rothaarigen. „Was hast du ihm geantwortet?“

Genau genommen hatte Gaara sich geschickt heraus geredet. „Ich habe ihm gesagt, ich werde sein Angebot überdenken.“ Somit hatte er Monate, wenn nicht sogar Jahre Zeit, um zu überlegen, ob er die Hochzeit mit der Hyûga-Tochter wollte oder nicht. Ihm war sowieso bewusst, dass er nicht aus Liebe heiraten konnte. Für einen Daimyô kam meist nur eine politische Hochzeit in Frage. Die Macht musste gestärkt, das Reich geschützt werden. Auf diese Art konnte man starke Verbündete schaffen, die einem in Zeiten der Not zur Seite stehen würden. Allerdings war der Hyûga-Clan ihnen seit Langem treu ergeben. Gaara sollte warten, ob es nicht noch eine günstigere Möglichkeit geben würde für eine politische Hochzeit. Wenn er schon eine Frau ehelichen musste, die er nicht liebte, sollte dieses Opfer zumindest für sein Reich so gewinnbringend wie möglich sein. Vielleicht konnte er Hiashi anbieten, Kankurô als Ehemann für Hanabi zu akzeptieren. So wäre der Hyûga-Clan nicht allzu verärgert und sie waren sich weiterhin ihrer Loyalität bewusst. Solange Kankurô sich nicht weigerte.

Eher unbewusst klinkte der Rotschopf sich aus der Unterhaltung aus, wie er es öfter tat, wenn er in seine Gedanken versank. Er dachte an Deidara. Vorerst wollte er sich gern näher mit Deidara beschäftigen und sich nicht weiter mit einer Hochzeit auseinander setzen. Es freute ihn, dass dieser wieder mehr Interesse an seiner Umwelt zeigte. Verblüfft war er trotzdem gewesen, als der Blonde von ihm verlangt hatte, bei dem Übungskampf all seine Fähigkeiten einzusetzen. Deidara war der erste, der das wollte. Alle anderen schreckten vor ihm zurück, sobald er seinen Sand einsetzte. Selbst Shikamaru und seine Halbgeschwister beunruhigte der Sand, obwohl sie inzwischen genug Vertrauen zu ihm hatten, dass er sie nicht angreifen würde. Früher war das nicht selbstverständlich gewesen, wurde der Sand von seinen Gefühlen gelenkt, wenn er diese nicht genug unter Kontrolle hatte. Hin und wieder war es zu furchtbaren Ereignissen gekommen. Hoffentlich mutete der Rônin sich nicht zu viel zu.

„…Gaara?“ Blinzelnd sah der Rotschopf zu Kankurô, der ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. „Hast du zugehört?“, fragte sein Halbbruder.

„Ich war in Gedanken“, erklärte Gaara. „Worum geht es?“ Sein Blick streifte Temari, auf deren Wangen nun ein sanfter Rotschimmer lag, während Shikamaru sehr glücklich schien. „Ich bin schwanger“, verkündete seine Halbschwester lächelnd.

Im ersten Moment war Gaara überrascht, war er in seinen Gedanken noch immer nicht ganz wieder bei dem gemeinsamen Abendessen mit seiner Familie. Dann lächelte er. „Das ist eine gute Nachricht. Du wirst bestimmt eine wunderbare Mutter.“

Shikamaru legte einen Arm um seine Frau. Man sah ihm seine Freude deutlich an.

„Eine strenge Mutter auf jeden Fall.“ Die kleine Neckerei konnte Kankurô sich wohl nicht verkneifen. Empört sah Temari zu ihrem Bruder. „Bei dir hat Mutter sich nie durchsetzen können. Einer musste schließlich dafür sorgen, dass du keinen Unfug treibst!“, gab sie streitlustig zurück.

Gaaras Lippen zogen sich zu einem Schmunzeln hoch. Temaris Worte entsprachen der Wahrheit. Ihre Mutter hatte mit Kankurô immer ihre liebe Not gehabt. Auch er war von ihr nicht verschont geblieben. Allerdings in einem anderen Maß. Früher hatte sie wie alle anderen Angst vor ihm gehabt. Doch nach seiner Veränderung hatte sie auch irgendwann Vertrauen gefasst. Genug, um ihm eine Hure vorzusetzen, damit er lernte, was er später für die Ehe wissen musste. Zugegeben, er war fassungslos gewesen. Mit 16 Jahren war er zwar alt genug, aber mit irgendeiner Frau zu schlafen, nur um es zu lernen, wollte er nicht. Die Mutter seiner Halbgeschwister hatte ihm versichert, dass sie keine Krankheiten hatte und aus einem guten Hurenhaus stamme. Das einzige, was er jedoch mit der Frau gemacht hatte, war reden. Er hatte Kankurôs und Temaris Mutter nicht verärgern wollen, demnach hatte er ihr vorgegaukelt, er hätte mit der Hure geschlafen. Vor kurzem war sie schließlich an einer schweren Erkrankung verstorben. So recht Trauer empfunden wie die anderen hatte er vermutlich nicht, war seine Beziehung zu ihr sehr oberflächlich gewesen. Für seine Halbgeschwister war es schwer gewesen, mit der neuen Situation klar zu kommen. Wie es wohl werden würde, wenn das Kind erst einmal geboren war?
 

Die getöteten Samurai waren inzwischen zurück gebracht und bestattet worden. Ein paar Tage später setzte er den Termin für den Übungskampf mit Deidara an. Gaara wollte so wenige Zuschauer wie möglich, weswegen er verlangte, beim ersten Sonnenstrahl zu beginnen. Deidara schien sich nicht daran zu stören, war er pünktlich auf dem Platz. Noch war es fast komplett dunkel. Nur im Osten lugte ein erster hellerer Schimmer über den Horizont, der den nahenden Sonnenaufgang verkündete. Angenehme Ruhe lag über der Burg. In den Bäumen erhoben die ersten Vögel noch zaghaft ihre Stimmen.

Deidaras Lippen zierte dieses leicht irre Grinsen, welches er seit Sasoris Tod nicht mehr gesehen hatte. Auch wenn ein solches Grinsen eher Anlass zur Beunruhigung bot, freute es ihn, bedeutete dies doch, dass der Blonde langsam zu sich selbst zurückfand.

Sie verbeugten sich voreinander, wie es die Tradition verlangte. Denn zogen sie ihre Waffen. Gaara hatte auf seinen Jin Baori verzichtet, störte der bei einem Kampf nur. Zudem trug er wie zur Reise praktischere Kleidung, war sie für einen Übungskampf einfach angebrachter als Kleider aus luxuriösen Stoffen. So war nun gut zu sehen, dass der Sand im Inneren des Flaschenkürbis den Stopfen heraus drückte.

Deidara nahm den leisen Aufprall des Stopfens am Boden offensichtlich als Angriffssignal. Er überwand mit schnellen Schritten die wenigen Meter zwischen ihnen. Metall prallte auf Metall und Funken stoben. Deidaras Grinsen hielt sich hartnäckig. Und im nächsten Moment blitzte am Rand seines Sichtfeldes dessen Wakizashi auf. Um die kürzere Klinge zu parieren, fehlte ihm die Zeit. Demnach rief er in Gedanken seinen Sand, der deutlich schneller reagierte. Zuverlässig fing der Sand das Wakizashi ab. Ein paar Körner stoben auseinander, doch sammelten sich nach dem Aufprall schnell wieder.

„Interessant“, hauchte Deidara, löste sich für einen Moment von ihm, aber nur, um erneut anzugreifen. Gaara hatte bereits gewusst, dass der Rônin schnell und stark war, aber es am eigenen Leib zu spüren, war ein Unterschied. Bei Shikamaru hatte ein Kampf gegen den Blonden leichter ausgesehen. Ohne seinen Sand hätte er schon längst gegen ihn verloren. Da es sich jedoch nur um einen Übungskampf handelte, sah Gaara davon ab, Methoden anzuwenden wie bei dem Überfall. Diese Taktik wendete er nur in solchen Notfällen an, aber er sah keine Notwendigkeit, sie im Übungsfall zu nutzen. Das würde den Effekt einer solchen Übung völlig zerstören.

Ein weiteres Mal schlug Deidara eine Finte und brachte sich nun hinter ihn. Das war schlecht! Gaara konnte seinen Sand nur lenken, wenn er sah, worauf er ihn richten musste. Eilig wandte er sich um. Zur rechten Zeit. Das fremde Katana war ihm bereits verflucht nahe. Im letzten Augenblick konnte sein Sand es abfangen, Millimeter entfernt von seinem Hals. Für den Moment erschien die Zeit erstarrt. Vor Schreck hielt Gaara die Luft an. Nach außen zeigte sich nur leichte Überraschung in seinen geweiteten Augen. Deidaras Grinsen wurde noch eine Spur breiter, das Funkeln in seinem azurblauen Auge triumphierend. „Ah, Ihr könnt den Sand nur lenken, wenn Ihr die Gefahr auch seht, hm“, hauchte er und sprang zurück.

Hart holte der Rotschopf Luft. Deidara war der Erste, dem das aufgefallen war. Vermutlich hatte er bewusst nach einer Schwäche in der Manipulation gesucht. Der entscheidende Hinweis war wohl gewesen, dass Gaara Deidaras Angriffe bisher deutlich früher aufgehalten hatte, um dessen Klingen nicht zu nah an seinen Körper zu lassen. Doch bei der letzten Attacke hatte sein Sand erst reagiert, als er sich bereits umgedreht und die Klinge gesehen hatte. Der Blonde war nicht einfältig, natürlich hatte er das bemerkt. Ab jetzt würde der Kampf schwerer für ihn werden, denn er war sich sicher, dass Deidara auf die toten Winkel zielen würde.

Aber er wollte nicht gegen ihn verlieren! „Das ändert für Euch wenig“, erklärte er ruhig und griff nun an, nahm seinen Sand zur Unterstützung, um Deidara das Wakizashi aus der Hand zu reißen. Mit nur einer Klinge konnte er weniger Angriffe vortäuschen. Beunruhigt wirkte der Blonde allerdings nicht. Vielmehr schien er ihren Kampf zu genießen. Da war dieses Funkeln in seinen Augen, welches er so mochte. Innerlich freute ihn das natürlich, bedeutete es für ihn, dass Deidara seine Andersartigkeit akzeptierte. Der Blonde setzte sich mit ihr auseinander und störte sich nicht daran, dass er Sand manipulieren konnte.

Mit dem Kommenden rechnete er jedoch nicht. Deidara machte einen Ausfallschritt nach vorn. Das Katana prallte hart gegen seines. Doch aus dieser Position konnte er nicht genug Kraft aufbringen, um ihm entgegen zu wirken. Vielmehr taumelte er haltlos nach hinten, war er auf den Ansturm an Kraft nicht gefasst gewesen. Und Deidara hatte diese Möglichkeit offenbar nicht einkalkuliert, da er ihm nach stolperte und drohte, sie beide zu Boden zu reißen.

Geistesgegenwärtig griff Gaara mit seinem Sand nach den Klingen und zog sie zwischen ihnen weg, damit sie nicht noch verletzt wurden. Der Aufprall auf dem harten Boden und der schwere Körper über sich pressten ihm jegliche Luft aus den Lungen. Einige Herzschläge tanzten Sterne hinter seinen geschlossenen Lidern. Die Benommenheit zog sich langsam zurück und Gaara hob seine Lider wieder. Sein Atem ging ein wenig keuchend. Aber sein Herz schlug nun nicht länger wegen dem unbeabsichtigtem Sturz in einem schnellen Takt, sondern weil Deidara direkt auf ihm lag. Zumindest stemmte er sich vom Boden ab, sodass er nicht mehr mit seinem kompletten Gewicht auf ihm lag. Das blonde Haar fiel ihm über die Schultern und kitzelte Gaaras unbedeckten Hals. Das noch schwache Morgenlicht legte einen sanften Schimmer auf den warmen Blondton. Mit aller Macht unterdrückte er den Schauer, der von der unmittelbaren Nähe des Rônin genährt wurde.

„Tja, ich würde sagen, ich hab gewonnen, hm.“ Dieses freche Grinsen. „Unentschieden“, erklärte Gaara. „Ihr seid ebenfalls gefallen.“ Es war ein erster Kampf gewesen. Sie hatten sich an ihr Gegenüber herantasten müssen. Folgende Übungskämpfe würden anders aussehen.

Der Blonde schnaufte und kletterte von ihm runter. Nun, wo er den fremden Körper nicht mehr auf sich spürte, beruhigte sich sein heftig schlagendes Herz auch wieder. Er erhob sich und klopfte den Staub von der Kleidung. „Meinetwegen“, hörte er Deidaras Stimme, während er sein Wakizashi in die Saya schob und sich nach seinem Katana bückte. „Aber nächstes Mal gewinne ich, hm“, prophezeite der Rônin. Gaara ließ sich einen Moment Zeit, den Blonden eingehend zu betrachten. Dann huschte ein angedeutetes Lächeln über seine Lippen. Das war wieder mehr der Deidara, den er kennen gelernt hatte. „Ihr könnt es versuchen“, gab Gaara ruhig zurück. Das leise Klacken erscholl, als sein Katana den Weg in die Saya fand.
 

___________________________________________________________________________

Wer Interesse hat, kann mir ja einen Vorschlag liefern, ob Temaris Kind ein Mädchen oder ein Junge werden soll - oder ob es Zwillinge werden sollen - und welche/n Namen es/sie bekommen könnten ;3 (Noch weiß ich nämlich gar nichts dazuXD)

O-bon

Deidaras Auge weitete sich verblüfft. Nachdem er seinen Raum sowie den Butsudan[48] in der Tokonoma für O-bon hergerichtet und den Verstorbenen dort kleine Opfergaben in Form von Speisen dargebracht hatte, wollte er Sasoris Grab besuchen. Schon vom Weiten waren ihm die Gestalten inmitten der Gräber bekannt vorgekommen. Und nun, wo er nur noch wenige Meter entfernt inne hielt, wusste er auch, warum. Akatsuki. Was machten die anderen Rônin hier? Sasori ehren? Es gab keinen anderen Grund für ihr Hiersein. Außerdem standen sie vor dessen Grab. Feiner Rauch stieg von in einer Sandschale steckenden Räucherstäbchen empor. Die mussten von den Rônin sein. Er hatte nämlich jetzt welche entzünden wollen.

Konan bemerkte ihn zuerst. Ihr wohlbekanntes Lächeln breitete sich auf den schönen Lippen aus und sie kam näher. „Deidara, es ist schön, dich zu sehen“, sagte sie. Die Männer sahen nun auch zu ihm. Es war wirklich ganz Akatsuki. Selbst Zetsu war dabei. Hidan maulte: „Sieht man dich auch mal wieder.“ Doch er ignorierte den Hellhaarigen. Sein Blick war auf Konan gerichtet. Wenigstens umarmte sie ihn nicht einfach, sondern blieb etwas auf Abstand. Über ein Jahr lang hatten sie sich nicht gesehen. Für ihn war die Situation nun seltsam. Er wusste auch nicht, was er davon halten sollte, dass Akatsuki extra für Sasori zu O-bon nach Matsuyama kam. Sie hätten sich doch wenigstens ankündigen können. Der Blonde fühlte sich übergangen und gestört. Eigentlich hatte er seinen toten Meister auf seine Art ehren wollen, für sich allein und wie es ihm als richtig erschien. Dieses Fest war für ihn etwas sehr privates. Dass die Rônin-Bande nun hier war, brachte ihn völlig durcheinander.

„Was macht ihr hier, hm?“, brummte Deidara schließlich unwillig. Yahiko trat neben Konan. Dessen mahnender Blick interessierte ihn nicht, ebenso wie seine Worte: „Du solltest etwas freundlicher sein.“ Daran hatte sich also nichts geändert. Er achtete immer noch darauf, dass niemand in einem falschen Ton zu seiner Frau sprach.

„Wir feiern O-bon, so wie letztes Jahr“, erklärte Konan, die ihm seinen Tonfall wohl schon verziehen hatte.

Sie waren das Jahr davor also auch schon hier gewesen. Warum hatte Gaara ihn nicht vorgewarnt, dass Akatsuki herkommen würde? Sicher hatte der Daimyô davon gewusst. Immerhin mussten die Rônin in die Burg, um das Grab zu besuchen. Nicht jeder wurde durch das Tor gelassen. Zu Festen stand dieses zwar offen, die Wachen achteten trotzdem darauf, dass das einfache Volk keinen Eintritt erhielt. Wie Akatsuki reingekommen war, war ihm schleierhaft. Es würde ihn jedoch nicht wundern, wenn Gaara es ihnen erlaubte, weil sie eine große Hilfe bei der Schlacht um sein Reich gewesen waren. Schließlich hatte er Sasori auch mit allen Ehren bestatten lassen.

„Dann viel Vergnügen, hm“, murrte der Blonde und wandte sich ab. Eilig entfernte er sich von den anderen. Konan rief ihm noch nach, aber er reagierte nicht. Deidara würde später noch einmal zu Sasoris Grab gehen, in der Hoffnung, dass er dann alleine mit ihm war und die Räucherstäbchen anzünden konnte.
 

Am Nachmittag war er an Sasoris Grab ungestört. Die Räucherstäbchen von Akatsuki waren längst abgebrannt. An einem Öllämpchen fachte er seine eigenen an und steckte sie in die Schale mit Sand. Sein Blick wanderte über die vertrauten Schriftzeichen. Wie es wohl im Jenseits war? Existierte das eigene Bewusstsein noch auf diese Art und Weise, wie er es kannte? Oder glich es einem tiefen, traumlosen Schlaf, bis man alles vergaß und die Seele in einem anderen Körper wieder geboren wurde? Vielleicht war Sasoris Seele bereits in einem neuen Körper. Leise seufzte Deidara. Der Gedanke gefiel ihm nicht. Denn wäre dem so, dann konnte er seinen Geist zu O-bon im Grunde nicht mehr auf der Erde Willkommen heißen und am Ende mit einer schwimmenden Laterne zurück in die Totenwelt geleiten. Mit seinen Eltern wäre es dann dasselbe. Die Überlegungen waren deprimierend. Deidara wollte zu O-bon wenigstens in der Vorstellung seinen Meister um sich haben.

Schließlich erhob er sich wieder und schritt Richtung Übungsplatz. Er würde ein wenig trainieren, das half ihm, seinen Geist zu klären. Auf dem Weg kam er am Hauptgebäude der Burg vorbei und hielt inne, als er aus den Augenwinkeln auf der Veranda Gaara und Shikamaru erkannte… mit Akatsuki. Was hatten sie mit den Rônin zu besprechen? Es konnte ihm gleich sein. Zwar bemerkte er, dass der Daimyô zu ihm sah, jedoch war das für ihn kein Grund, sich ihnen zu nähern. Deidara wollte jetzt niemanden in seiner Nähe wissen.
 

Am Abend des dritten und letzten Tages von O-bon fand sich ganz Matsuyama beim nahe gelegenen Fluss Shigenobu ein. Unweit der Brücke, die über das ruhige Wasser führte, mündete der Fluss ins Meer. Hier war ein idealer Ort, die Tôrô Nagashi[49] ins Wasser zu setzen. Die Laternen sollten den Seelen der Verstorbenen den Weg zurück ins Jenseits leuchten. Unzählige mitgebrachte Öllampen erhellten das dunkle Flussufer. Deidara hielt sich wie zuvor etwas abseits. Akatsuki hatte er bisher nicht noch einmal gesehen. Darüber war er froh. Er hatte keine Abneigung gegen die anderen Rônin entwickelt, er wollte sich nur einfach jetzt noch nicht wieder mit ihnen auseinander setzen. Der Blonde fühlte sich noch nicht bereit dafür. Sie erinnerten ihn an Sasori, an die gemeinsame Zeit, die sie alle verbracht hatten. Als seine Welt noch in Ordnung gewesen war. Mit Akatsuki ohne Sasori konnte er derzeit nicht umgehen. Hier in Matsuyama zu leben, war für den Blonden angenehmer. Kaum etwas erinnerte ihn an Sasori. Sein Grab stellte die Verbindung zu seinem Meister dar, die er jederzeit aufsuchen konnte, wenn ihm danach war. Zu den Menschen hier hatte er keine Beziehung, die ihm wegen seinem Danna schwer fallen könnte. Momentan störte sich Deidara nicht an dem Gedanken, länger hier zu bleiben. Ein Ziel oder wenigstens ein Weg fehlte ihm allerdings. Keine Aufgaben zu haben, wenn man nicht durch die Gegend reiste, erzeugte irgendwann unweigerlich Langeweile. Vielleicht… sollte er Gaaras Angebot annehmen. Dann würde er mit ihm jedoch erst noch ein paar Details aushandeln müssen. Deidara würde sich nicht erneut den hunderten von Riten und Zeremonien unterordnen, die er so sehr hasste.

Die ersten Tôrô Nagashi wurden entzündet und in das Wasser gesetzt. Dort musste der Daimyô und dessen Familie sein. Traditionell überließ man es dem Ranghöchsten, die erste Laterne auf ihren Weg zum Meer zu schicken. Und nun folgten nach und nach immer mehr leuchtende Laternen. Deidara zündete seine eigene an und trat ein paar Schritte in das flache Wasser. Behutsam setzte er die Papierlaterne auf der dunklen Wasseroberfläche ab. Gemächlich wurde sie vom Fluss mit getragen. Bald konnte er seine Laterne für Sasori nicht mehr zwischen den anderen ausmachen, so viele schaukelten inzwischen sanft im Strom. In warmem Orange wurde der Shigenobu erleuchtet und zeigte den Weg für die Geister ins Jenseits. Leise seufzte der Blonde und trat zurück ans Ufer.

Die ersten machten sich bereits auf den Weg zurück in die Stadt. Deidara wusste, dass traditionell Feuer auf allen Plätzen entfacht wurden. Dort tanzten viele gemeinsam den Bon Odori[50]. Jeder konnte hinzukommen und sich einreihen, da die Abfolge der Bewegungen einfach gehalten war. Sollten sie ruhig. Der Blonde setzte sich ins Gras und beobachtete weiterhin die schwimmenden Lichter, deren flackernder Schein sich auf der beinahe schwarzen Wasseroberfläche spiegelte. Irgendwann konnte er die ersten Laternen oberhalb von Matsuyama ausmachen, die ihn passierten. Sie stammten von Siedlungen und Dörfern flussaufwärts.

Nächtliche Ruhe war eingekehrt. Niemand war mehr am Fluss. Oder doch? Leise Schritte näherten sich ihm. Deidara schaute in die Richtung. Ein wenig überrascht war er, als er Gaara erkannte. „Darf ich mich zu Euch setzen?“, fragte der Daimyô. Leicht nickte er. Sein Blick ruhte auf dem Rothaarigen, während dieser sich neben ihm im Schneidersitz niederließ. Wie üblich war die Kleidung des Daimyô prunkvoll. Was machte er jetzt noch hier? Ganz allein? Nein, sicher war er nicht komplett unbeaufsichtigt. Deidara war sich recht sicher, dass irgendwo in der Nähe Wachen waren, selbst wenn er sie nicht sehen konnte.

„Was macht Ihr noch hier, hm?“, fragte der Blonde. Seine optische Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die schaukelnden Laternen im Fluss. Die anderen Sinne waren dafür alle auf Gaara gerichtet.

„Ich möchte ein paar Augenblicke die Ruhe genießen.“ Die Erklärung ergab durchaus Sinn. Als Daimyô war Gaara an mehr Verhaltensregeln gebunden als ein Samurai. Ruhe hatte er vermutlich nur selten. Deidara stellte sich das grausam vor.

„Warum habt Ihr Euch von Akatsuki fern gehalten?“ Die Frage löste Anspannung in Deidara aus. Einen Augenblick presste er seine Kiefer fest aufeinander, ehe sich seine Muskeln wieder lockerten. „Wieso habt Ihr mir nicht gesagt, dass sie kommen, hm?“, stellte er nun eine Gegenfrage.

„Ich konnte mir nicht sicher sein, ob sie wieder zu O-bon kommen würden. Außerdem haben sie sich nicht angekündigt.“ Gaaras Stimme klang so ruhig wie immer. Eigentlich konnte Deidara ihm auch keinen Vorwurf machen. Der Rothaarige hatte mehr zu tun, als sich um das Befinden eines einzelnen Rônin zu kümmern. Aber was machte er dann hier? Wenn er ein wenig Ruhe genießen wollte, hätte er auch einen anderen Teil des Ufers wählen können. Stattdessen setzte er sich zu ihm und begann ein Gespräch.

Deidara schwieg vorerst und folgte mit seinem Blick einer der inzwischen verstreuten Tôrô Nagashi. Etwas Zeit verging, bis er sich zu einer Antwort auf Gaaras vorige Frage entschloss. „Ich wollte O-bon für mich und für Sasori feiern“, begann er recht leise. Seine Stimme nun lauter zu erheben hätte ihm das Gefühl gegeben, die Stille der Nacht zu zerstören. „Durch ihr Auftauchen fühlte ich mich gestört. Sie erinnern mich an Früher… ich kann damit momentan nicht umgehen, hm.“

Deidara spürte den Blick aus den jadefarbenen Augen auf sich, aber er begegnete selbigem nicht. „Das erklärt natürlich Euer Verhalten.“ Nun sah er doch zu Gaara. Der Rothaarige hielt ihm keinen Vortrag, dass er unhöflich gewesen war oder dass er sich mit seinen alten Kameraden beschäftigen müsste. Er nahm seine Erklärung einfach hin. Diese Tatsache war äußerst angenehm.

Eine Pause entstand und jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Der Blonde schaute erneut vereinzelten Laternen nach und versank in seinen Gedanken, bis ein leichtes Gewicht auf seiner rechten Schulter ihn beinahe aufschrecken ließ. Verblüfft sah er hinab auf das Gesicht. Gaaras Haar kitzelte an seinem Hals. Der Daimyô hatte die Augen geschlossen. So wirkte er sehr müde. Gewissermaßen durfte er sich eine solche Geste auch gar nicht erlauben. Schon gar nicht bei ihm, einem herrenlosen Krieger. Oder er tat es gerade bei ihm, weil er zu sehr gefangen war in den streng vorgeschriebenen Abläufen der Gesellschaft? Für alle musste er immer stark und herrschaftlich auftreten. Was wohl der Grund für diesen Ausrutscher war?

„Deidara?“, die leise Stimme Gaaras riss ihn von seinen Fragen fort. „Hm?“

„Was ist eigentlich mit Eurem Auge geschehen?“

Die Frage hatte der Blonde nicht erwartet, aber er hatte keine Probleme damit, sie dem Daimyô zu beantworten. „Wurde bei irgendeinem Kampf verletzt und hat sich entzündet, sodass es entfernt werden musste, hm.“

Deidara spürte das Schlucken des Rothaarigen mehr, als dass er es hörte. Die Geschichte war auch nicht sonderlich angenehm gewesen. An den Kampf konnte er sich nicht einmal mehr erinnern. Vermutlich war er einfach zu betrunken gewesen. Mit höllischen Schmerzen war er aufgewacht und dann wohl noch ein paar Tage zwischen Leben und Tod gewandert. Ein altes Ehepaar hatte ihn aufgelesen und einen Arzt gerufen, der das entzündete Auge entfernt hatte. Damals hatte er sich geärgert, weil sie ihn gerettet hatten. Ob er jetzt immer noch darüber sauer sein sollte, wusste er nicht. Der Zorn auf das Ehepaar und den Arzt war verflogen. Vielleicht war es ja gut so.

„In Hiroshima soll es einen Mann vom Festland geben, der Glas formen kann. Er soll auch schon Glasaugen hergestellt haben“, sprach Gaara schließlich.[51]

Deidara schnaufte. „Solche Männer nehmen viel Geld für ihre Arbeit, hm.“ Solch eine ausgefallene Arbeit könnte er sich sowieso nicht leisten. Es sei denn, er bedrohte den Mann.

„Das ist wahr“, stimmte Gaara ihm zu.

Die leere Aughöhle war dem Blonden bisher recht egal gewesen. Wenn er jetzt aber darüber nachdachte, war dies bereits ein Bruch seines Versprechens. Er sollte auf sich aufpassen. Sasori wäre sehr sauer gewesen. Der Gedanke behagte ihm nicht. Vielleicht fand der Geist seines Meisters keine richtige Ruhe deswegen und blieb hier, in der Welt der Lebenden. Es wäre wohl besser, er kümmerte sich darum, damit Sasori im Tod seinen Frieden fand und nicht als ruheloser Geist sein Unwesen trieb. Als Samurai erhielt er eine gute Bezahlung…

____________________________________________

[48]Butsudan: buddhistischer Hausaltar. Ich habe keine Informationen darüber gefunden, wie üblich es ist, dass der Butsudan in der Tokonoma, Bildnische, steht, aber ich halte es für sehr unüblich. Deidara hat aber seine Gründe, wieso er das tut.

[49]Tôrô Nagashi: schwimmende Laternen

[50]Bon Odori: Tanz/Tänze, der/die zu O-bon getanzt werden

[51]Glasaugen: zu dieser Zeit gab es eigentlich noch keine Glasaugen. Die tauchen erst später auf. Aber da ich kein Holzauge für Deidara möchte, habe ich dieses Detail ein wenig angepasst.

Rückkehr zum Samurai

„Euer Angebot“, begann Deidara, „ich nehme es an.“

Gaaras Augen weiteten leicht vor Überraschung. Dass der Blonde sein Angebot, in seine Dienste zu treten, doch noch annehmen würde, hatte er nicht erwartet. Aber nun saß Deidara ihm in seinem Arbeitszimmer gegenüber. In seinem Blick erkannte er die Ernsthaftigkeit. Der Blonde musste sich diesen Schritt gut überlegt haben. Was ihn wohl veranlasst hatte, wieder Samurai werden zu wollen?

„Aber ich habe eine Bedingung, hm.“

Ganz so einfach würde es also doch nicht werden. „Die da wäre?“, hakte der Daimyô nach.

„Ich muss nicht allen zeremoniellen Krempel mitmachen, hm.“

Die Forderung wunderte ihn nicht. Es passte einfach zu Deidara. Dennoch konnte er nicht einfach zustimmen. An sich störte er sich nicht daran, wenn der Blonde nicht alles mitmachte, solange er seinen Befehlen folgte. Aber die Gesellschaft sah das etwas anders.

„Ich kann Euch diesen Wunsch nicht einfach erfüllen“, begann Gaara ruhig. „An meiner Autorität dürfen keine Zweifel aufkommen. Ignoriert ihr bestimmte Rituale und Zeremonien, könnte genau das passieren.“ Und er konnte nicht zulassen, dass sein Reich im Chaos versank, nur weil er eine gewisse Schwäche für den Rônin hatte. Einen Augenblick dachte er an den Abend vor einigen Tagen. Der Rothaarige hatte sich hinreißen lassen. Die Vorbereitungen und zeremoniellen Verpflichtungen zu O-bon waren anstrengend gewesen. Einen Moment Ruhe zu haben, war sehr angenehm gewesen. Was Deidara nun von ihm hielt, konnte er nicht wissen, aber er hatte zugelassen, dass er eine Weile seinen Kopf an dessen Schulter lehnen konnte. Eigentlich durfte er solche Schwäche nicht zeigen. Die Verlockung war zu groß gewesen. Und es hatte gut getan. Ob er wohl taktlos gewesen war? Deidara hatte ihm schließlich gesagt, dass er O-bon für Sasori und sich gefeiert hatte. Manchmal fiel ihm das Zwischenmenschliche schwer. Genau genommen war das Fest aber fast zu Ende gewesen, da die Seelen ins Jenseits zurückgekehrt waren und anschließend nur noch gefeiert wurde. Aber hätte er Deidara in irgendeiner Weise verletzt oder hätte er seine Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt abgelehnt, hätte er es ihm doch sicher zu verstehen gegeben? Der Blonde hatte bisher auch deutlich gemacht, was er wollte.

Was Shikamaru davon hielt, war ihm gleich. Gaara wusste, dass sein General in der Nähe gewesen war, um auf ihn zu achten. Ebenso wie er sie während des Übungskampfes unauffällig beobachtet hatte. Er würde darüber schweigen, konnte der Mann sehr gut einschätzen, was nicht an die Öffentlichkeit dringen durfte. Aber Shikamaru traute dem Blonden nicht so recht. Nachvollziehen konnte er seine Bedenken. Für ihn wäre es auch gesünder, sich nicht zu sehr um Deidara zu kümmern. Sein Interesse an ihm konnte und wollte er jedoch nicht begraben. Etwas an dem Rônin zog ihn an wie süße Milch eine Katze.

Deidara schnaufte und fuhr sich mit der Hand durch das offene Haar. „Das ist mir klar“, erwiderte er. „Ich werde Eure Autorität in der Öffentlichkeit nicht in Frage stellen. Aber ich will nicht den kompletten Hokuspokus mitmachen. Ich bin Krieger, kein Priester, hm.“

Gaara konnte das Schmunzeln nicht zurückhalten. Eigentlich bestand nur wenig Unterschied zwischen einem Samurai und einem Priester, wenn man die Riten bedachte. Ihr Alltag war durchdrungen von Riten, Pflichten und Zeremonien. Der Daimyô betrachtete es manchmal als ein großes Spiel. Um zum Ziel zu gelangen, musste man sich durch die Hindernisse möglichst geschickt hindurch manövrieren, ohne irgendwo anzuecken.

„Könnt Ihr mir ein paar Beispiele nennen?“, fragte er. Es mochte durchaus sein, dass Deidara eine andere Auffassung davon hatte, wie er ihm den Respekt erwies.

„Ich trage die Rüstung, wann ich es für richtig halte. Ich trainiere, wenn ich der Meinung bin, dass ich Training benötige. Ich kämpfe so, wie ich am besten kämpfen kann, nicht wie es als ‚ehrbar‘ angesehen wird. Ich möchte frei sprechen können, wenn ich darum bitte. Und ich möchte keine langweilige Arbeit als Verwalter oder Steuereintreiber, hm.“ Durchdringend bohrte sich das Azurblau in den Rotschopf hinein. Einen Augenblick hatte Gaara das Gefühl, gleich würde ein Drache aus dem Blonden hervorbrechen und ihn verschlingen, wenn die falschen Worte über seine Lippen kamen.

Der Daimyô dachte über die Forderungen nach. An sich stellten diese für ihn kein Problem dar. Sie beinhalteten nicht, dass er sich vor ihm nicht verbeugen wollte oder den Gehorsam verweigern würde, wenn es besser war, einfach nachzugeben. Denn er konnte immer noch sagen, dass der Blonde später frei sprechen konnte, wenn niemand anderes zuhörte. Aufgaben kamen ihm verschiedene in den Sinn, die Deidara ausführen konnte. Beispielsweise könnte er mit seinen Wachen Trainingskämpfe durchführen. Allein schon, weil Deidara nicht ‚ehrenhaft‘ kämpfte, war es eine gute Möglichkeit, die Fähigkeiten seiner anderen Krieger zu verbessern. Zudem gewann er nach wie vor gegen Shikamaru. Und niemand konnte annähernd so hervorragend mit dem Bogen umgehen wie der Blonde. Er könnte auch als Wache hier im Palast sehr nützlich sein. Der Daimyô beabsichtigte außerdem, Deidara auf Reisen mitzunehmen. Als Rônin kannte er das Gelände gut und der Angriff auf der Rückreise von Tokushima hatte ihm deutlich gezeigt, dass er mit solchen Situationen vertraut war und gut mit selbigen umgehen konnte.

„Einverstanden“, erklärte der Daimyô. „Ich weiß, Ihr haltet wenig von Zeremonien, aber Ihr werdet leider nicht um den Treueeid herumkommen. Ich setze die Zeremonie für übermorgen an.“

Genervt seufzte Deidara. „Meinetwegen, hm.“ Sonderlich begeistert klang er nicht, aber das konnte er ihm nicht verübeln. Wie schwer die Umstellung wohl war vom Rônin zurück zum Samurai?
 

Deidara kniete im Kiza vor ihm und starrte auf das Katana, welches der Daimyô ihm soeben übergab. Nachdem der Blonde seinen Treueeid geleistet hatte, wollte Gaara ihm ein Katana überreichen, um sein Wohlwollen auszudrücken. Ein besonderes Katana. Deidara erkannte es selbstverständlich wieder, denn es war sein eigenes. Jenes Katana, das er nach Sasoris Tod zusammen mit seinem Wakizashi einfach in der Burg zurückgelassen hatte und stattdessen mit Sasoris Waffen fortgegangen war. Gaara hatte Deidaras Waffen aufbewahrt. Was er mit ihnen machen wollte, war ihm jedoch unklar gewesen, bis sich der Gedanke in seinem Kopf geformt hatte, Deidara in sein Gefolge aufzunehmen.

Langsam umgriffen die schlanken Finger des Blonden die Saya und nahmen das Katana an. Er sah zu ihm auf. „Wieso habt Ihr es, hm?“, fragte er leise. Lediglich Shikamaru stand nahe genug, um seine Worte zu verstehen. „Eine solche Waffe braucht einen würdigen Besitzer“, erklärte Gaara nur und sprach dann wieder lauter, sodass alle im Saal anwesenden ihn gut hören konnten. „Erhebt Euch, Deidara. Von nun an seid Ihr Samurai in meinen Diensten.“

Natürlich war dies nicht der einzige Grund, wieso er diese Waffen hatte. Sie waren für ihn eine Art greifbare Erinnerung an den blonden Rônin gewesen. Er hätte sie niemals einem anderen Samurai ausgehändigt. Und sie hatten ihm auch eine gewisse Hoffnung geschenkt, er würde Deidara vielleicht eines Tages wiedersehen. Sein Wunsch war ihm erfüllt worden.

Deidara erhob sich. Eine Verbeugung folgte. Als Daimyô nahm er sie lediglich an, verbeugte sich aber selbst nicht. Sein Blick schweifte umher. Seine Familie war anwesend, ebenso einige seiner Samurai. Auch wenn sich nun niemand die Ablehnung anmerken ließ, er wusste, dass Deidara bei den meisten eher unbeliebt war. Er hielt sich an so manche Regel nicht. Als Samurai war er in den Augen der meisten eine Schande. Für Gaara spielte das alles keine Rolle. Deidara war ein äußerst fähiger Krieger. Nur das zählte. Und sein privates Interesse, welches er glücklicherweise mit dem ersten Argument verbergen konnte.
 

Nach dem Abendbrot unternahm Gaara noch einen Spaziergang durch den Garten. Die Natur zu betrachten, welche so kunstvoll gestaltet war und doch natürlich wirkte, half ihm zu entspannen. Über die Mauern wehte ein angenehmer Wind, der eine salzige Brise mit sich trug. Die Sonne war inzwischen untergegangen. Nur Öllampen und Fackeln erhellten die Burg noch. Gaara war auf dem Rückweg ins Gebäude, als ihm eine Gestalt auffiel. Ein genauer Blick offenbarte ihm Deidara, nur im Yukata, an einen Pfeiler der Veranda gelehnt und in den Himmel schauend. Während Gaara sich näherte, bemerkte er die langstielige Pfeife, die Deidara in der linken Hand hielt und daran sog. Feiner Rauch glitt beim Ausatmen über Deidaras Lippen.

Der Blonde drehte seinen Kopf leicht und sah zu ihm. „Darf ich mich zu Euch gesellen?“, fragte Gaara. Auf das Nicken hin trat er ebenfalls auf die Veranda und verharrte neben Deidara, blickte zurück auf den Garten, den er eben verlassen hatte. Privat sah der Daimyô keinen Grund, den Blonden nun anders zu behandeln als vorher. Nur in öffentlichen Situationen musste die Fassade bewahrt werden.

„Ihr raucht?“ Aufmerksam lag sein Blick nun auf Deidara. Dieser zuckte mit den Schultern. „Hin und wieder, hm.“ Nachdenklich betrachtete Gaara den Pfeifenkopf genauer. „Das ist eine außergewöhnliche Pfeife“, stellte er fest.

Deidara folgte seinem Blick. „Ich hab sie einem toten Tokugawa-Samurai abgenommen. Er brauchte sie sowieso nicht mehr, hm.“ Gaara deutete ein verstehendes Nicken an. Das musste zu dem Zeitpunkt gewesen sein, als Deidara in Edo für Aufruhr gesorgt hatte. Nachdem Orochimarus Reich zusammengebrochen war, hatten sich die Tokugawa in Edo ausgebreitet, da sowohl die Uesugi als auch die Hojo zuvor vernichtet worden waren.

Der Blonde blies eine weitere Rauchwolke in die Luft. Das Pfeifenkraut verströmte einen erstaunlich angenehmen, leicht süßlichen Geruch. Was Deidara genau rauchte, konnte er zwar nicht sagen, aber das war auch nicht weiter wichtig.

„Warum habt Ihr meine alten Waffen aufbewahrt, hm?“

Deidara nahm ihm also sein Argument nicht ab, welches er während der Zeremonie angeführt hatte. Sollte er die Wahrheit sagen? Sein Herz machte einen unruhigen Satz. Es war eine Sache, einer Frau Interesse gegenüber zu bekunden. Aber Deidara war ein Mann. Der Blonde hatte nichts gegen solche Beziehungen, hatte er selbst mit einem Mann das Lager geteilt. Mit diesem Wissen wurde die Situation allerdings nicht unbedingt leichter. Gaara war noch nicht gewillt, ihm offen zu erklären, dass er ihm gern näher kommen wollte. Antworten sollte er aber auch.

„Ich hoffte, Euch wieder zu sehen“, erklärte der Rothaarige schließlich äußerlich ruhig. Dafür rauschte jetzt sein Blut hörbar im Körper. Diese Worte konnten in mehrere Richtungen gedeutet werden. Sollte der Blonde eine Weile darüber nachdenken. Vielleicht kam er von selbst auf die richtige Antwort.

Momentan schlug ihm nur Überraschung und Verwirrung entgegen. Gaara gedachte, Deidara aber keine Zeit mehr zum Nachfragen zu geben. „Ich ziehe mich nun zurück.“ Er wandte sich um und schritt die Veranda entlang. Erst, als er die nächste Ecke genommen hatte und sich sicher war, dass Deidara ihn nicht mehr sehen konnte, erlaubte er sich ein kleines Lächeln. Aufregung schwoll in seinem Inneren an. Wie lange würde Deidara brauchen, um zu begreifen, was er ihm sagen wollte? Aber ob er sich auf ihn einlassen würde? Dieser Gedanke stimmte ihn unruhig.

Familienstreit

Einige Dorfbewohner rannten panisch an Kisame und Itachi vorbei. Bereits von weitem war ihnen die Unruhe aufgefallen, die im Dorf herrschen musste. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Auch ihre Pferde zuckten unruhig mit den Ohren und sahen sich aufmerksam um. Lange mussten sie nicht suchen, um die Quelle zu finden. Auf dem Dorfplatz erspähten sie vier Gestalten mit schmutziggrauen Umhängen und Reishüten, die ihre Gesichter verbargen. Eine von ihnen hielt einen der Bauern eisern fest. Harsche Fragen wehten an die Ohren der Rônin. Fragen, die der Bauer anscheinend nicht zur Zufriedenheit des Fragenden beantworten konnte.

Itachi kannte diese Stimme. Sasuke. Der Klang war deutlich tiefer, hatte er seinen Bruder verlassen, als dieser noch ein Kind gewesen war, doch er war sich absolut sicher. Gewisse Nuancen in seiner Stimme und die Art, wie er sprach, waren unverkennbar für Itachi. Akatsuki war von Gaara gewarnt worden, dass jemand hinter ihm her war. Der Schwarzhaarige hatte gebetet, dass es nicht sein kleiner Bruder war. Umsonst. Sasuke könnte auf Kyûshû ein gutes Leben führen. Sarutobi hatte ihm versprochen, gut auf seinen Bruder zu achten und der alte Daimyô war ein ehrbarer Herrscher, der zu seinem Wort stand. Itachi ahnte, warum Sasuke ihn suchte. Er wollte Rache nehmen für den Tod ihrer gesamten Familie. Der Kleine war damals zu jung gewesen, um zu verstehen. Itachi hatte ihm nicht die Wahrheit über die Intrigen des Uchiha-Clans gegen ihren Daimyô erzählt. Ein Kind hätte es niemals verstanden. Und jetzt war er anscheinend so sehr vom Hass zerfressen, dass er seinen älteren Bruder zur Rechenschaft ziehen wollte. Nachvollziehen konnte Itachi dieses Verhalten. Sasuke lebte in einer anderen Realität als er selbst. Für seinen Bruder zählte nur, dass er ihn seiner geliebten Familie beraubt hatte.

Doch wie hatte Sasuke sie gefunden? Niemand wusste von ihrem neuen Versteck, lag es gut verborgen hinter ein paar Hügeln in einem kleinen, verlassen Wald. Angeblich lebten dort Waldgeister, hatten die Dorfbewohner erzählt. Darum traute sich niemand hinein. Tatsächlich pfiff der Wind manchmal durch die Felsbrocken, die vor langer Zeit dort zu einer Art Unterschlupf oder heiligen Stätte aufgestapelt worden waren. Feine Ritzen in den Felsenblöcken erzeugten ein geheimnisvolles Summen und erweckten den Eindruck, Waldgeister hausten zwischen dem Gestein.

Akatsuki achtete sogar darauf, für die Einkäufe nicht immer in dasselbe Dorf zu gehen. In dieser Gegend hatten sie mehr Auswahl als früher in dem Onsen, auch wenn dieses Dorf am nächsten war. Itachi mochte es hier. Shikoku war wärmer und Schnee war hier ein höchst seltener Anblick. Seinem Körper tat das angenehmere Klima sehr gut. Gerade hatte er es geschafft, sich einigermaßen an die neue Heimat zu gewöhnen. Und nun musste er sich mit Sasuke auseinandersetzen.

„Sasuke, lass den Mann los.“ Ruhig hallten die Worte über den Dorfplatz. War es Zufall, dass Sasuke ausgerechnet hier auftauchte? So nahe an ihrem neuen Versteck? Vermutlich. Sein kleiner Bruder war schon immer stur gewesen und wenn er etwas wollte, hatte er alles daran gesetzt, es auch zu bekommen. Wahrscheinlich durchsuchte er einfach ganz Shikoku nach ihm und nun hatte er ihn gefunden.

„Itachi?“, fragte Kisame, während sie sich dem Dorfplatz näherten. Einer von Sasukes Begleitern war auf sie aufmerksam geworden und deutete auf sie. Sein Bruder ließ den völlig verängstigten Bauern los, der eilig davon taumelte.

„Kisame. Misch dich bitte nicht ein. Das ist mein kleiner Bruder.“ Itachi sprach leise, aber bestimmt. Seinen Liebsten wollte er in diese Geschichte nicht mit hinein ziehen. Kisame nahm die Zügel seines Pferdes und blieb etwas hinter ihm zurück. Ebenso verharrten die Begleiter seines Bruders, während selbiger ihm näher kam. Itachi ließ seinen Blick schweigen. Die große Statur des einen Mannes kam ihm bekannt vor. Sie erinnerte ihn an Jûgo. Hatte er etwa die Explosion überlebt? Akatsuki wusste selbstverständlich von Deidaras Rachefeldzug. Zetsu hatte den Blonden im Auge behalten. Fast immer hatten sie gewusst, wo Deidara sich gerade aufgehalten hatte. Aber wieso wusste Zetsu nichts von Jûgos Überleben? Kakuzu musste ihn doch schon während der Schlacht um Shikoku an den Rand des Todes gebracht haben. Waren die anderen beiden dann etwa auch aus Orochimarus ehemaligem Gefolge? Rotes Haar lugte unter einem anderen Reishut hervor. Der zierlichen Gestalt nach zu schließen könnte es sich um eine Frau handeln. Tayuya? Itachi war sich nicht sicher, da ihr Gesicht im Schatten lag. Die letzte Person wirkte männlich, aber mehr konnte er im Augenblick nicht erkennen.

Nur wenige Schritte trennten sie jetzt noch. Itachi verharrte und musterte Sasuke. Trotz des Schattens, den der Reishut auf Sasukes Gesicht warf, schienen dessen dunkle Augen wie wütende Kohlen zu glühen.

„Was machst du hier, kleiner Bruder?“, fragte Itachi ruhig, ließ Saskue jedoch nicht die Zeit, eine Antwort zu formulieren. „Du solltest auf Kyûshû sein.“

Sasuke löste das Band des Reishutes und warf ihn achtlos hinter sich auf den Boden. „Ich werde dich bestrafen für das, was du unserer Familie angetan hast“, zischte sein kleiner Bruder hasserfüllt. Er schlug den Umhang zurück und griff nach seinem Katana. Itachi tat es ihm nach. Der Reishut flog hinter ihn, doch er löste den Umhang komplett von seinen Schultern, ehe er seine Waffen zog. Hart prallten die Katana aufeinander. Sasuke ließ die Klinge abgleiten und attackierte seine Seite. Itachi wehrte auch diese Klinge ohne große Probleme ab. Kraftvoll stieß er seinen kleinen Bruder zurück. Dieser ließ keine Sekunde verstreichen, sondern griff sofort erneut an. Der Schwarzhaarige blockte jeden einzelnen Angriff ab oder wich aus. Sasuke war stark geworden. In seinem Inneren machte sich Stolz breit. Der Kleine war zu einem ernstzunehmenden Gegner herangewachsen. Aber er reichte nicht an sein Können und seine eigene Kraft heran. Noch nicht. Irgendwann würde sein kleiner Bruder vermutlich über ihn triumphieren. Doch bei seinen Bewegungen fragte Itachi sich auch, welchen Lehrmeister er gehabt hatte. Denn so geschmeidig hatte Sasuke sich früher nie bewegt. Und ihm fiel niemand unter Sarutobi ein, der einen solch schlangenartigen Kampfstil aufwies.

Itachi duckte sich unter Sasukes Katana hindurch, brachte sich hinter ihn und griff in seinen führenden Schwertarm. Mit einem kräftigen Ruck riss er ihn herum. Sein Bruder stolperte ein paar Schritte und landete auf den Knien. Aber er war auch sehr schnell wieder auf den Beinen. Den Umhang öffnete er nun auch endlich. Der Stoff störte bei einem richtigen Kampf nur.

„Geh zurück nach Kyûshû“, verlangte Itachi. Mit Schrecken wurde ihm bewusst, dass er bereits leicht keuchte. Noch dürfte er eigentlich nicht außer Atem sein von einem Kampf wie diesem. Er ahnte, warum sein Körper so schnell Erschöpfungssignale zeigte. Nach Beendigung ihres letzten Auftrages waren sie in einen Sturm geraten. Ein Dorf hatte es in der Nähe nicht gegeben, sodass sie lediglich unter Bäumen Schutz suchen konnten. Der starke Wind zusammen mit dem kalten Regen war eine Garantie für ihn, krank zu werden. Itachi war seit wenigen Tagen wieder gesund, aber sein Körper noch nicht wieder voll einsatzfähig. Er sollte diesen Kampf schnell beenden.

„Alles, was ich dort geliebt habe, hast du mir genommen!“, knurrte sein kleiner Bruder wütend. Ein neuer Vorstoß von dessen Seite folgte. Die Wucht, mit der Sasukes Katana gegen sein eigenes donnerte, ließ seine Arme erzittern. Er musste sich beeilen. Momentan war er viel zu schnell erschöpft, um einen solchen Kampf zu überstehen. Itachis linke Hand ließ von seinem Katana ab und griff nach dem Wakizashi. Selbiges stahl sich in einem toten Winkel an Sasukes Aufmerksamkeit vorbei. Scharfer Stahl schnitt durch Stoff und Fleisch. Die Wunde am Arm war nicht lebensgefährlich, aber sie sollte seinen Bruder schwächen.

„Geh zurück!“ Itachis Stimme wurde nachdrücklicher. Er wollte seinen kleinen Bruder bei Sarutobi wissen. Und nicht irgendwo in der Welt.

„Erst, wenn du tot bist!“

Schmerz krallte sich an Sasukes Tonlage, aber seine Entschlossenheit hatte er nun wohl noch weiter entfacht. Jeder folgende Angriff, den er abblockte oder der von Sasuke abgewehrt wurde, schwächte ihn langsam wie ein schleichendes Gift. Sein Atem kam inzwischen stoßweise über seine Lippen. Sasuke konnte sein Zustand nicht verborgen bleiben. Die besondere Auffassungsgabe lag in ihrer Familie. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis dessen Klinge ihm zu nahe kam. Als wolle Sasuke seine Gedanken unterstreichen, fraß sich Schmerz in seine linke Seite. Ein abgehacktes Japsen entrang sich seiner Kehle. Dabei hatte er das Katana doch aufgehalten! Nein, nicht ganz. Sasuke hatte die Klinge noch während der Abwehr heraus gedreht. Kniffliger Schachzug. Itachi taumelte ein paar Schritte zurück.

Sasuke folgte ihm und holte mit dem Katana zur finalen Attacke aus. Seine eigene Reaktionsfähigkeit ließ rapide nach. Noch während er seine Arme hob, um das Katana abzufangen, war ihm klar, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde. Die schwarzen Augen blieben auf Sasuke gerichtet. Itachi wollte seinem Tod ins Auge sehen. Und wenn sein kleiner Bruder dann endlich den Hass vergessen und frei leben konnte, starb er gerne.

Funken stoben. Eine andere Klinge hielt das Katana seines Bruders auf. Itachi musste nicht zur Seite sehen. Kisames Dôtanuki kannte er so gut wie seine eigenen Waffen. „Zieh dich zurück“, forderte der Ältere von ihm. Ergeben stemmte Itachi sich hoch und zog sich zurück. Er hatte nicht an seinen Liebsten gedacht. Ihn einfach allein im Diesseits zurücklassen war auch nicht richtig. Natürlich mischte Kisame sich ein, wenn es für ihn gefährlich wurde. Daran hätte er denken sollen. Es musste noch einen anderen Weg als seinen Tod geben, um Sasuke seinen Hass zu nehmen.

Itachi verstaute seine Klingen in der dazugehörigen Saya und presste seine Hand auf die blutende Wunde in seiner Seite. Zusätzlich zu dem Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen, schwächten ihn der Blutverlust und der Schmerz nun. Das Stehen bereitete ihm Mühe. Seine Sicht verschwamm immer wieder leicht und es fiel ihm schwer, dem Kampf zu folgen. Die drei Begleiter mischten sich nicht ein, aber Kisame war seinem Bruder deutlich überlegen, vor allem an Kraft und Erfahrung. Von dem Kampf mit Itachi war er schon angeschlagen, denn selbst in seinem Zustand fiel ihm auf, wie überlegen der Blauhaarige war. Laute des Schmerzes drangen an sein Ohr. Sasuke! Sein Bruderinstinkt alarmierte ihn. Kisame musste ihn getroffen haben. Itachi vertraute ihm zwar, dass er seinen Bruder nicht umbringen würde, wusste Kisame doch, dass er den Kleinen liebte, aber zimperlich ging er mit ihm offensichtlich nicht um. Und der Schwarzhaarige sorgte sich nun um den Kleinen.

Augenblicke später stieß Kisame Sasuke zu Boden und senkte sein Dôtanuki. „Nehmt ihn und verschwindet von hier.“ Der Unterton in Kisames Worten war ungewohnt in seinen Ohren. Selten hatte er den Größeren wirklich zornig erlebt. Doch nun klebte genau dieser zornige Ton an seiner Anweisung.

Sein Bruder rührte sich nicht mehr. „Sasuke!“ Undeutlich sah Itachi die Frau zu dem am Boden Liegenden eilen. Es war nicht Tayuya. Die Stimme passte nicht zu dem Kriegerweib.

Kisame wartete nicht, ob die vier seiner Aufforderung Folge leisteten, sondern kam zu ihm zurück, griff nach seinem freien Arm und legte ihn sich um die Schultern, um ihn zu stützen. Der Schwarzhaarige war ihm dankbar für die Hilfe. Allein wäre er nicht mehr sehr weit gekommen. Die Pferde hatten sich unruhig vom Kampfgeschehen entfernt und beäugten sie nun aus sicherem Abstand, während sie näher kamen. Bei den Pferden verfrachtete Kisame ihn auf eines der Tiere und saß hinter ihm auf. Stützend schlang sich ein Arm um seinen Oberkörper, die andere hielt die Zügel und die des zweiten Pferdes. Itachi schloss erschöpft die Augen und lehnte sich an den warmen Körper des Größeren. Er wusste, was Kisame vorhatte. Das Dorf verlassen, in eine Richtung reiten, die nicht direkt zu ihrem Versteck führte, und dort zuerst seine Verletzung notdürftig versorgen, damit er nicht noch mehr Blut verlor. Erst dann würde Kisame in sicherer Entfernung den Weg zum Geisterwald einschlagen.

Der Wächter

Kisame saß neben Itachi und beobachtete ihn still. Die ohnehin helle Haut trug eine ungesunde Blässe, die einen noch stärkeren Kontrast zu dem schwarzen Haar bot als im Normalfall. Das Schlimmste war wohl überstanden. Die Wunde in seiner Seite war tief, aber Zetsu hatte versichert, dass keine Organe verletzt waren. Obwohl Kisame die Verletzung notdürftig versorgt hatte, war Itachi nicht mehr bei Bewusstsein gewesen, als sie bei ihrem neu erbauten Haus eingetroffen waren. Zetsu hatte die Wunde gesäubert und genäht. Nun brauchte der Jüngere viel Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen. Mit einem leisen Seufzen strich er ihm eine der schwarzen Strähnen aus der Stirn.

Wäre Sasuke nicht sein jüngerer Bruder, er hätte ihn getötet. Noch immer schwelte der Zorn in ihm, dass er Itachi so schwer verletzt hatte. Aber ihm war auch bewusst, wie viel der Bengel Itachi bedeutete. Kisame hatte ihm noch eine tiefe Wunde am Bein verpasst, bevor er ihn mit dem Katanaknauf bewusstlos geschlagen hatte. Er sollte ruhig etwas Zeit brauchen, um sich davon zu erholen, damit er nicht zu schnell auf den Gedanken kam, Itachi weiter nachzustellen.

Der Blauhaarige machte sich große Sorgen um seinen Liebsten. Erst vor kurzem war er schwer erkältet gewesen wegen dem Sturm, in den sie geraten waren. Wäre er im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen, wäre dieser Kampf anders ausgegangen. Hoffentlich entzündete sich die Wunde nicht. Kisame befürchtete, dass er ein Wundfieber vielleicht nicht überlebte. Der Gedanke an Itachis möglichen Tod bereitete ihm großes Unbehagen. Er hatte sich in den Jahren so sehr an ihn gewöhnt. Itachi war immer in seiner Nähe, sie teilten intimste Momente miteinander, sie trainierten ihre Fähigkeiten gemeinsam und selbst einfache Tätigkeiten wurden oft gemeinsam verrichtet. Allein die Überlegung, möglicherweise bald an dessen Grab zu sitzen, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Hart schluckte Kisame. Das durfte nicht passieren!

Langsam konnte er zumindest ansatzweise nachvollziehen, wie Deidara sich damals gefühlt haben musste, als sein Meister gestorben war. Der Blonde hatte ihm Leid getan, aber dessen Verzweiflung erfasste er wohl erst jetzt, wo ihm das gleiche Schicksal drohen könnte. Der Unterschied war lediglich, dass Deidara einfach umgerissen worden war von den Geschehnissen, während er nur warten konnte, ob Itachis Körper sich wieder erholte… oder eben nicht. Er sollte nicht daran denken. Vielmehr sollte er daran glauben, dass sein Liebster die Verletzung überstand. Der Blauhaarige kümmerte sich gut um Itachi. Der Jüngere hatte alle Zeit der Welt, um wieder gesund zu werden. Und er achtete auf ihn. Vorerst war Sasuke kein Problem, da dieser selbst verletzt war. Zetsu wollte ihn im Auge behalten, damit sie seine nächsten Schritte verfolgen konnten. So ließ sich ein direkter Angriff auf ihre neue Behausung vermeiden. Denn niemand von Akatsuki wollte Sasuke hier wissen. Yahiko hatte bereits angedeutet, dass der Bursche nicht mit Nachsicht rechnen durfte, wenn er erst in ihrem Geisterwald auftauchte. Sie mussten ihr Versteck schützen und auf Itachis Gefühle für seinen verbliebenen Verwandten konnten sie dann keine Rücksicht mehr nehmen. Der Bursche war von seinem Bruder gewarnt worden, dass er zurückkehren solle. Folgte er diesen Worten nicht und rannte in die Arme der Rônin, besiegelte er seinen Untergang.

Zwar war Kisame wütend auf Sasuke, aber dennoch hoffte er, dass der Bengel klug genug war, keinen Fuß in ihren Wald zu setzen. Es würde Itachi sehr weh tun, wenn Akatsuki seinen kleinen Bruder umbringen müsste. Wieder ein leises Seufzen. Kisame griff nach der Hand, die auf der Decke lag, und umschloss sie sanft mit seiner eigenen. Sasuke gab bestimmt nicht so leicht auf. Zu stark hatte der Hass in seinen Augen gebrannt. Der Junge würde weitere Pfade beschreiten, um Itachi den Tod zu bringen. Kisame musste wachsam sein, wenn er seinen Liebsten nicht verlieren wollte.

Von echten Illusionen

Deidara erhielt ein anderes Zimmer. Da er nun den Status eines Samurai wieder inne hatte und in der Burg blieb, hatte er das Recht auf einen größeren Raum. Wenigstens war sein neues Zimmer ein wenig abseits und nicht in unmittelbarer Nähe zu den anderen hier untergebrachten Samurai. Viele waren es nicht, aber er war unbeliebt. Der Blonde interessierte sich zwar nicht für die anderen Krieger, waren sie für ihn keine Herausforderung, aber natürlich wusste er, was sie von ihm hielten. Ein Rônin, der wieder in den Rang eines Samurai aufstieg, war jedem ‚ehrbaren‘ Krieger ein Dorn im Auge. Vor allem, wenn er auch noch stärker war als der General des Daimyô. Vermutlich hatte man ihm dieses Zimmer gegeben, um mögliche Konflikte zu meiden. Deidara war das nur recht. Er hatte wenig Lust, sich mit den anderen Samurai hier auseinander zu setzen. Die einzigen Herausforderungen für ihn waren ohne nur Shikamaru und Gaara selbst.

Seine Aufgaben gestalteten sich bislang noch eher langweilig. Aber der General hatte ihm versichert, dass ihm anspruchsvollere Arbeiten übertragen werden würden, sobald er mit den allgemeinen Abläufen in der Burg vertrauter war. Derzeit hielt Deidara daher Wache auf der Burgmauer oder beaufsichtigte die Schießübungen der angehenden Samurai, weil er der beste Bogenschütze war. Sonderlich freundlich ging er mit den heranwachsenden Männern nicht um. Schonungslos warf er ihnen ihre Fehler an den Kopf, wofür sie ihn vermutlich hassten. Niemand hier sprach derart ehrlich. Aber wie sollten diese Burschen es lernen, wenn man sich erst überlegen musste, wie man ihre Fehler nett formulierte, damit sie sich nicht auf die Füße getreten fühlten? Deidara kannte es allerdings auch kaum anders. Sasori hatte ihn recht stark geprägt. Der Rotschopf war stets ein strenger und verdammt ehrlicher Lehrmeister gewesen. Unzählige Male hatte er ihm sein Katana aus der Hand geschlagen, weil er es falsch gehalten hatte oder weil der Angriff verkehrt ausgeführt worden war. Und Sasori war noch nie sonderlich geduldig gewesen. Eine verbale Rüge war immer gefolgt. Manchmal hatte er auch Strafarbeiten verrichten müssen, weil dem Älteren die Geduld ausgegangen war. Übel nahm Deidara seinem Meister dies nicht. Damals hatte er sich zwar ungerecht behandelt gefühlt, aber nach und nach hatte er begriffen, dass ihn all das stärker machte. Hinter jeder Strafe hatte ein tieferer Sinn gesteckt. Ganz so viel Mühe machte er sich mit diesen jungen Burschen nicht. Es war ein Unterschied, ob man sich ganz auf einen Schüler konzentrieren konnte oder seine Aufmerksamkeit auf mehrere aufteilen musste. Der ein oder andere junge Krieger bemerkte aber offensichtlich bereits, dass seine Art, ihnen direkt zu sagen, was sie falsch machten und wie sie beispielsweise den Bogen zu halten hatten, auch Früchte trug. Denn einige trafen die Mitte der Zielscheibe inzwischen häufiger.

Patrouillierte Deidara auf der äußeren Burgmauer, wanderten seine Gedanken zu Gaaras letzten Worten ihm gegenüber. Der Daimyô hatte gehofft, ihn wieder zu sehen. Wie genau sollte er die Aussage verstehen? Sie ließ sich in mehrere Richtungen deuten. Doch wieso sollte Gaara ihn in seiner Nähe wollen? Der Grund konnte nicht nur in seiner Stärke liegen. Wieder und wieder ließ der Blonde sich die einzelnen Situationen mit Gaara durch den Kopf gehen. Der Daimyô hatte ihn immer höflich behandelt. Selbst als er hier Unruhe gestiftet hatte, war er ruhig geblieben. Andere Daimyô hätten ihn mindestens aus ihrer Burg geworfen, aber eher hätten sie ihn hinrichten lassen. Mehrere Monate hatte er in seiner Burg gewohnt, ohne etwas dafür zu tun. Gaara spielte mit ihm Shôgi und Go. Manchmal schritten sie gemeinsam durch den Garten. Sogar nachts bis zu Sasoris Grab war er gekommen und am Ende von O-bon hatte er sich ebenfalls zu ihm gesellt. Wenn Deidara darüber nachdachte, war sein Verhalten einfach nur unpassend. Ein Daimyô kümmerte sich möglichst wenig um Rônin. Die gehörten zum Abschaum der Gesellschaft. Als Akatsuki Gaara gegen Orochimaru unterstützte, hatte er sich auch zurück gehalten. Ein kurzes Gespräch war nur ein einziges Mal aufgekommen. Wenn er tatsächlich irgendein Interesse an ihm hatte… aber wie sollte das sein? Sie kannten sich kaum. In dieser Burg regierten Verhaltensregeln, die es beinahe unmöglich machten, einen anderen Menschen gut kennen zu lernen. Wie konnte Gaara Interesse an ihm entwickeln, unwichtig welcher Art?

Dieses Interesse von Seiten des Daimyô musste auch schon länger vorhanden zu sein. Gaara hatte seine Waffen aufbewahrt. In der Hoffnung, ihn wieder zu sehen. Das bedeutete, er musste dieses Interesse bereits seit ihrem ersten Aufeinandertreffen in sich tragen. Das war eine lange Zeit. Die buddhistische Beerdigung für Sasori kam dem Blonden in den Sinn. Steckte dahinter auch eine tiefere Bedeutung? Mit keinem Wort hatte Gaara bisher erwähnt, ob ihm die Beziehung zu seinem Meister aufgefallen war. Eigentlich musste er davon wissen. Gegen jede Regel hatte Deidara Sasori während der Zeremonie vor aller Augen geküsst.

Seufzend stützte der Blonde sich leicht an der Mauer ab und sah hinaus aufs Meer. Ob Gaara an einer solchen Beziehung mit ihm interessiert war? Deidara wusste nicht genau, was er davon halten sollte. Er war sich momentan nicht sicher, ob er schon bereit war, sich auf jemand anderen einzulassen. Wenn Sasoris Geist wegen ihm wirklich noch in dieser Welt herumstreifte, dann war ihm bei dem Gedanken unwohl, wenn sein Danna sehen konnte, wie er sich mit einem anderen vergnügte, obwohl sein Geist keine Ruhe fand. Erst wollte Deidara Sasoris Seele keinen Grund mehr geben, Kummer zu haben. Daher war das Glasauge sein nächstes Ziel.

Unweigerlich drängten sich die lebhaften Bilder dieses einen besonderen Traumes in den Vordergrund, den Deidara vor ein paar Monaten gehabt hatte. Sasori war zu ihm gekommen. Nachdem er sich über ihn gebeugt hatte, hatte der Blonde ihn zu einem Kuss heran gezogen. Die Seele seines Meisters war bei ihm gewesen.

Unsicherheit schob sich in seine Gedanken. Was, wenn es nicht Sasoris Geist gewesen war, sondern eine reale Person? Gaara? Der Daimyô hatte auch rotes Haar. Aus einiger Entfernung konnte man ihn leicht mit Sasori verwechseln. Den Traum hatte er gehabt, bevor er in Gaaras Burg aufgewacht war. Noch nie zuvor hatte er seinen Danna nach seinem Tod so nah bei sich gespürt. Auch nicht nach mehreren Flaschen Sake und er hatte nicht mehr getrunken als sonst auch, wenn er vergessen wollte. Der Kuss hatte sich so echt angefühlt… nachdenklich hob Deidara die linke Hand und strich leicht über seine Lippen. Wie er in einem Traum normalerweise fühlte, passte nicht zu dieser speziellen Erinnerung. Gaara musste darauf bestanden haben, ihn mitzunehmen, nachdem er betrunken in dessen Eskorte getorkelt war und sein Bewusstsein verloren hatte. Andernfalls wäre der Blonde nicht in seiner Burg aufgewacht. Doch niemand hatte bisher auch nur eine Andeutung gemacht, dass währenddessen etwas Außergewöhnliches passiert war. Ein Rônin, der einen Daimyô in der Öffentlichkeit küsste, war definitiv nicht alltäglich. Allerdings sollte den Blonden nicht wundern, dass über solch ein Vorkommnis Stillschweigen bewahrt wurde. In dieser Umgebung sprach man nicht über derartige Verfehlungen.

Tief atmete Deidara durch. Seine Hand fuhr durch das offene Haar und schob ein paar Strähnen über die Schulter zurück. Er musste herausfinden, was der Wahrheit entsprach. Dieses Chaos in seinem Kopf machte ihn unruhig. Einfach jemanden fragen konnte er aber nicht. Es war ihm unangenehm, dass er nicht wusste, was genau passiert war. Selbst Gaara diese Frage stellen behagte Deidara nicht. Es gäbe jedoch einen anderen Weg, herauszufinden, ob er ihn tatsächlich geküsst hatte, weil er ihn für Sasori gehalten hatte. Zugegeben, es war nicht seine beste Idee, vielleicht riskierte er seinen Kopf… allerdings, hatte er schon immer einen Hang zu risikoreichen Situationen. Und er fand zunehmend Gefallen an dieser verrückten Idee. Ein amüsiertes Grinsen huschte über seine Lippen. Das würde spannend werden. Und er hatte dann hoffentlich auch die Gewissheit, die er brauchte, um sich weitere Gedanken zu machen. Zuerst musste Deidara aber mit Gaara allein sein. Der Daimyô wollte morgen mit ihm Go spielen. Das war die perfekte Gelegenheit.

Das unvollendete Spiel

Gaara schickte nach dem Abendessen einen Diener, Deidara Bescheid zu geben. Er sollte ihn zu dem Raum führen, in dem sie sich immer trafen, um Go oder Shôgi zu spielen. Ein paar Tage waren vergangen seit seinem Hinweis, dass ihm etwas an dem Blonden lag. Eine gewisse Neugier kroch durch seine Adern. Wie würde Deidara sich ihm gegenüber heute benehmen? Einfältig war er nun wirklich nicht. Zumindest etwas ahnen musste er doch.

Aus dem Wandschrank holte Gaara den Goban[52] und platzierte ihn in der Mitte des Raumes. Zwei Sitzkissen folgten. Der Rotschopf ließ sich auf einem der Kissen nieder und stellte die Behälter mit den Gosteinen neben den Goban. In diesem Moment kündigte der Diener an, dass Deidara nun da sei. „Tretet ein“, rief er halblaut. Der Diener schob die Tür auf und hinter dem Blonden wieder zu. Bei diesen Spielen wollte der Daimyô ungestört sein. Es diente zur Entspannung und er konnte sich nicht entspannen, wenn unauffällig Augenpaare auf ihn gerichtet waren, um auf einen Wink hin seine Wünsche zu erfüllen.

„N’abend, Gaara-sama.“ Deidara grinste, während er sich im Schneidersitz auf das zweite Kissen ihm gegenüber setzte. In letzter Zeit sah er ihn wieder öfter grinsen. Natürlich freute ihn das, bedeutete dies schließlich, dass der Blonde wohl allmählich mit dem Tod seines Meisters umzugehen lernte. Und an den fehlenden Verhaltensformen störte er sich nicht. Ihm waren selbige allerdings inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen, das die Anwendung für ihn natürlich war. „Guten Abend.“ Eine angedeutete seitens Deidara Verbeugung folgte, die bereits Teil des Spiels war, um seinem Gegner Respekt zu erweisen. Gaara erwiderte die Respektsbekundung mit einem Kopfneigen, während der Blonde bereits in seinen Behälter griff. Die geschlossene Faust hielt er über den Goban. Der Daimyô legte einen schwarzen Stein auf das Brett. Nun erst entließ Deidara die Steine in seiner Hand auf das Spielfeld und zählte sie kurz durch. „Gerade. Ich bekomme schwarz, hm“, kommentierte er. Sie tauschten die Behälter und nahmen alle Steine wieder vom Brett. Deidara hatte also den ersten Satz.

„Habt Ihr Euch schon etwas an Eure Aufgaben gewöhnt?“, fragte Gaara schließlich, nachdem bereits ein paar Steine auf dem Goban lagen und der Kampf somit eröffnet war.

Deidara zuckte mit den Schultern. „Einigermaßen. Sind halt normale Aufgaben, hm“, erklärte der Blonde. Bisher schien er sich nicht anders zu benehmen als sonst. Dass die übertragenen Aufgaben nicht sonderlich aufregend waren, konnte Gaara sich denken. Vor allem, wenn er bedachte, wie das azurfarbene Auge geleuchtet hatte, als sie gegeneinander gekämpft hatten. Deidara mochte offensichtlich die besondere Herausforderung. Anders konnte er auch nicht erklären, wieso er wahnsinnig genug gewesen war, eine ganze Burg in die Luft sprengen zu wollen… und diesen Plan auch noch erfolgreich in die Tat umgesetzt hatte. Oder warum er ausgerechnet mit ihm kämpfen wollte.

Verstehend nickte Gaara also und setzte einen weißen Stein auf den Goban, attackierte Deidaras Formation an. „Sagt, wisst Ihr zufällig, welchen Preis dieser Mann für ein Glasauge verlangt, von dem ihr gesprochen habt, hm?“, fragte Deidara nach weiteren Minuten der Stille.

„Nein, aber das kann man in Erfahrung bringen.“ Deidara machte sich anscheinend ernsthaft Gedanken darüber. Bisher schien ihm sein Körper relativ egal gewesen zu sein. Woher kam also das neue Interesse an seinem eigenen Befinden? Die Frage jedoch zu stellen, wagte der Rotschopf noch nicht, wäre dies eine sehr private Frage und könnte als aufdringlich empfunden werden. Solange er keinen Anhaltspunkt hatte, wie Deidara über seine Worte vom Abend vor einigen Tagen dachte, wollte er sich noch nicht zu weit vorwagen.

„Könnt Ihr einen Boten losschicken, hm?“ Die Frage war dreist. Allerdings passte sie zu Deidaras sonstigem Verhalten, was ihm ein kleines Schmunzeln entlockte.

„Das war mein Plan“, bestätigte der Daimyô und sah wieder auf den Goban, als Deidara ein paar seiner Steine schlug und vom Spielfeld nahm. Da hatte er wohl nicht gut genug aufgepasst. Gaara ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Es ging ihm nicht um das Gewinnen oder Verlieren, sondern lediglich um das Spiel an sich. Er konnte bei einem guten Spiel entspannen und eine lockere Konversation währenddessen war daher recht willkommen.

„Warum macht Ihr Euch diese Mühe, hm?“, fragte der Blonde unerwartet. Seine Miene war nun völlig ernst. „Eigentlich müsste ich einen Boten bezahlen, damit er mir diese Information bringt“, fügte er an. Abwartend lag Deidaras Blick auf ihm. Das Gefühl wuchs, dass der Krieger ihn nicht gehen lassen wollte, wenn er ihm keine Antwort darauf gab. Vielleicht erwuchs dieser Eindruck auch nur aus diesem leicht hypnotisch wirkenden Blick, den der Blonde manchmal zeigte.

„Meine Boten sind zuverlässig und ich kann Euch diesen Dienst vom Gehalt abziehen, wenn Euch das so wichtig ist.“ Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen. Natürlich war Deidara im Recht. Ein Daimyô würde einem Samurai normalerweise nicht zusagen, einen seiner Boten für eher private Belange abzustellen. Gaara wollte aber gern, dass Deidara ein Glasauge bekam. Selbst wenn es kein echtes Auge war, so konnte es eine Illusion erschaffen. Dann sah der Blonde auch wieder weniger wie ein Strauchdieb aus, wenn er den schwarzen Stoff nicht mehr brauchte, um die Augenhöhle zu verbergen. Die Vorstellung, nur in eine dunkle Höhle zu sehen, wo zuvor ein Auge gewesen war, behagte dem Rothaarigen nicht.

„Das beantwortet meine Frage nicht, hm.“ Beharrlich starrte Deidara ihn an. Leise seufzte Gaara. Wenn er seine Frage wahrheitsgemäß beantworten sollte, müsste er seine Gefühle offen legen, dass ihm etwas an dem Blonden lag. Das würde der Daimyô aber noch nicht tun. Oder war das eine Anspielung? War das die Veränderung, die er mit seinen Worten heraufbeschworen hatte? Vielleicht wollte Deidara Gewissheit haben. Aber wie konnte er ihm diese geben, wenn er im Gegenzug keinen Hinweis erhielt, wie der Krieger dazu stand?

Bevor Gaara sich zu einer Reaktion entschieden hatte, schob Deidara den Goban einfach zur Seite. Steine verrutschten und ein paar fielen mit einem dumpfen Laut auf die Tatami. Deidara war auf die Knie gegangen und beugte sich vor. Mit der linken Hand stützte er sich vom Boden ab, die rechte griff bestimmt in Gaaras Nacken und zog ihn näher. Jadeaugen weiteten sich erschrocken. Im nächsten Moment drückten sich weiche Lippen gegen seine.

Was geschah hier? Gaara fühlte sich überrumpelt. Seine Finger, die eher unbewusst nach Halt gesucht hatten, weil Deidara ihn mit dieser Aktion aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, gruben sich nun in dessen Gi am Arm, der ihm ein Zurückweichen untersagte. Ihre Blicke trafen sich und prompt durchfuhr ihn ein heißes Kribbeln. Deidara war sich völlig bewusst, was er hier tat. Dieser Kuss galt ihm. Nicht Sasori.

Lange währte dieser Augenblick nicht, da löste Deidara die Verbindung ihrer Lippen. Seinen warmen Atem konnte er aber noch deutlich spüren. Erst jetzt merkte er, wie schnell sein Herz in seiner Brust schlug. Seine Wangen prickelten. Hoffentlich war er nicht auch noch rot geworden. Jede Unsicherheit möglichst verdrängend erwiderte Gaara den noch immer intensiven Blick des Blonden.

„Das war damals kein Traum gewesen, nicht?“, fragte Deidara leise. „Ich habe dich geküsst… als ich in deine Eskorte gelaufen bin, hm.“

Gaara blinzelte. Einen Moment musste er nachdenken, um das ganze Ausmaß zu fassen. Deidara hatte ihn geküsst, um herauszufinden, ob er ihm damals wirklich seine Lippen aufgedrückt hatte und nicht Sasori im Traum.

„Hat dir das jemand erzählt?“ Gaara übernahm nun die vertrautere Anrede, passte sie besser zu der momentanen Stimmung, die den Raum erfüllte. Sie waren sich noch immer so nah. Die Hand des Blonden lag nach wie vor in seinem Nacken und die Wärme, die sie abstrahlte, fühlte sich angenehm an. Er hieß es gut, dass Deidara abgrenzen wollte zwischen seinem toten Meister und ihm. Jedoch wollte er sich noch nicht festlegen, was er von dieser Situation genau halten sollte.

„Nein.“ Nach einer kurzen Pause fuhr der Blonde fort. „Nach deinen letzten Worten, dass du mich wiedersehen wolltest, sind mir Zweifel gekommen. Solch einen ‚echten‘ Traum hatte ich noch nie. Daher kam mir der Gedanke, dass ich dich vielleicht verwechselt habe, hm.“ Langsam lockerte sich Deidaras Griff in seinem Nacken und er zog seine Hand zurück, setzte sich wieder auf sein Kissen. Gaara tat es ihm nach und sah auf den Goban. Das Spiel konnte er noch rekonstruieren. Aber wollte er das jetzt? Das Thema wühlte ihn zu sehr auf. Genug Konzentration für ein gutes Spiel könnte er nun nicht mehr aufbringen.

„Tschuldigung.“

Irritiert sah Gaara wieder zu dem Blonden. „Wofür entschuldigst du dich?“ Denn das war nicht eindeutig.

„Dass ich dich damals verwechselt hab, hm.“ Deidara entschuldigte sich also nicht für den jetzigen Kuss. Es war schon erstaunlich genug, dass er seine Handlung überhaupt wiederholt hatte und dieses Mal mit voller Absicht und im Bewusstsein, welche Konsequenzen dies haben könnte. Aber genau das gefiel Gaara an seinem Gegenüber, dass er sich nicht vor ihm erniedrigte, nur weil er einen Titel trug, sondern ihm auf gleicher Ebene begegnete. Und dass er sich Dinge traute, die kein anderer wagte.

„Ich nehme deine Entschuldigung an. Jedoch ist es wohl nicht sonderlich überraschend, dass du mich mit Sasori verwechselt hast, so betrunken wie du warst.“

Das schiefe Grinsen, welches auf seine Worte folgte, ließ Deidara jünger wirken. Er kam ihm nun fast wie ein Lausbub vor, der etwas Verbotenes getan hatte und das auch genau wusste. „Wird hoffentlich nicht mehr vorkommen“, erklärte der Blonde und seine Gesichtszüge wechselten erstaunlich schnell wieder. Ernsthaftigkeit übernahm die Führung. „Wo wir gerade von Hoffnung reden… warum wolltest du mich wiedersehen? Du weißt, welche Art Beziehung ich zu Sasori hatte… ist es das, was du willst, hm?“

Die Haut seiner Wangen begann zu glühen. Manchmal war es ein Fluch, dass Deidara so gnadenlos direkt war. Aber wozu leugnen? Es war das, was er wollte. Und Deidara war ja von alleine darauf gekommen. Anlügen würde er ihn nicht. Der Rotschopf kratzte all seine Beherrschung zusammen, um möglichst ruhig zu klingen.

„Ich kann noch nicht direkt sagen, ob es das ist, was ich will. Aber ich möchte dich besser kennen lernen und dir näher kommen. Vielleicht kann dann eine solche Beziehung daraus werden.“

Aufmerksam verfolgte Gaara, wie Deidara sich grübelnd über das Kinn rieb. Nach ein paar unruhigen Herzschlägen grinste er schließlich. „Du machst es dir aber auch nicht gerade leicht, hm.“ Das musste Deidara ihm nicht sagen. Sollte er zustimmen, mussten sie darauf achten, dass niemand etwas davon bemerkte. Aber Gaara war der Ansicht, dass dies im Bereich des Möglichen lag. Und seine Worte klangen nicht nach Ablehnung, was sein Herz aufgeregt stolpern ließ. Er schien in Erwägung zu ziehen, es mit ihm versuchen zu wollen.

„Aber…“ Erneut folgte das Mienenspiel zu einem völlig ernsten Gesicht. „Erst will ich das Glasauge. Ich möchte sichergehen, dass Sasoris Seele keinen Grund hat, hier im Diesseits zu bleiben, weil ich mein Versprechen nicht richtig gehalten habe, hm.“

Gaara dachte darüber nach. „Aber du bist doch am Leben“, gab er zu Bedenken. Er sah keinen Grund, warum Sasoris Geist keine Ruhe finden sollte.

„Ich sollte Sasori nicht versprechen, am Leben zu bleiben, sondern auf mich aufzupassen, was aber beinhaltet, dass ich am Leben bleibe. Der Schaden ist da, aber ich kann ihn reparieren, hm.“

Das war also der Grund für das Interesse am Glasauge. Nun hatte Gaara nicht einmal fragen müssen, um seine Antwort zu erhalten. Genau genommen hatte Deidara ihn auch nicht einmal direkt belogen, als er ihn gefragt hatte, was er Sasori hatte versprechen müssen. Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Man konnte den Schaden reparieren. Dieser Gedanke erleichterte Gaara sehr, bedeutete das schließlich, dass Deidara bereit war, sich wieder ganz auf das Leben einzulassen, welches noch vor ihm lag.
 

__________________________________________

[52]Goban: Das „Spielbrett“ für Go, allerdings das, was einem kleinen Tisch nicht unähnlich sieht.

Vergangenheit und Gegenwart

„Hättest du auf dich geachtet, bräuchtest du das Glasauge nicht.“

Verärgert blitzten die braunen Augen. Schuldbewusst senkte Deidara den Blick. „Ich weiß, Danna“, murrte er vor sich hin. Er hatte sein Versprechen nicht richtig eingehalten. Natürlich war Sasori sauer auf ihn, wie er es immer war, wenn der Blonde wieder einmal nicht aufgepasst hatte. Selbstzerstörerische Ader nannte sein Meister diese Verhaltensweise. So schlimm empfand Deidara sich gar nicht. Ein bisschen Risiko musste manchmal sein, sonst wurde das Leben doch einfach langweilig. Der Nervenkitzel berauschte ihn, wenn eine Gefahr sich vor ihm aufbaute oder wenn er eine andere Herausforderung überwinden wollte. Manchmal passierte eben etwas, was nicht berücksichtigt gewesen war. Aber Sasori kalkulierte immer alle Eventualitäten mit ein… nur Kabutos Kugel hatte er nicht erwogen.

„Wie oft soll ich dir noch erzählen, dass du nicht einfach losstürmen, sondern auch mal vorher nachdenken sollst, welche Konsequenzen dein Handeln haben kann.“ Wie ein Panther im Käfig schritt Sasori auf und ab, hielt schließlich vor ihm inne. Unter seinem zornigen Blick fühlte Deidara sich unwohl. „Du kannst es doch. Mach öfter Gebrauch hier von!“ Die schlanken Finger schnippten gegen seine Stirn. „Du hast deinen Kopf nicht nur zum Haare waschen.“

Bei diesen Worten war Deidaras Widerstand schnell wieder geweckt. Schnaubend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Jetzt übertreib es nicht. Nur weil ab und zu mal etwas passiert, was nicht vorhersehbar war, musst du nicht gleich so tun, als wäre ich dumm, hm.“

Sasori verringerte den Abstand zwischen ihnen und hob seine rechte Hand. Sanft strich er das helle Haar aus seinem Gesicht und sah dorthin, wo einmal sein linkes Auge gewesen war. „Gib mir doch keinen Grund dazu“, erwiderte der Rotschopf leise, aber durchdringend. Mit seinem Blick schien er ihm mitteilen zu wollen, dass er sein Auge nicht hätte verlieren müssen. Deidara brummte. Sein Meister hatte ja Recht, wieder einmal.

„Bring das in Ordnung“, verlangte der Rotschopf und ließ die Hand in seinen Nacken gleiten, zog ihn näher zu sich. Mit einem tiefen Seufzen lehnte Sasori seine Stirn gegen die des Blonden. Deidara spürte, wie sein Danna sich langsam entspannte und auch er erlaubte seinen Lidern, sich zu senken.

„Ja, Danna.“ Schließlich wollte er, dass Sasori endlich Ruhe finden konnte. Seine rechte Hand griff nach der seines Meisters und verschränkte ihre Finger miteinander. Die Nähe tat unheimlich gut.

„Und dann sieh zu, dass du dein Leben wieder auf die Reihe kriegst.“

Irritiert blinzelte Deidara. Verständnislos sah er in die braunen Augen, die sich ebenfalls wieder geöffnet hatten. „Wie meinst du das? Ich halte mein Versprechen doch… ich bin sogar wieder Samurai, hm.“ Gut, Samurai war für ihn nicht unbedingt das Erstrebenswerteste. Das Leben eines Rônin hatte ihm sehr gefallen. So viele Freiheiten hatte man nirgendwo.

„Das meine ich nicht…“, begann der Rothaarige genervt. „Hör auf, dich an mich zu klammern wie ein kleines Kind.“

Fassungslos starrte Deidara seinen Meister an. „Ich soll dich vergessen? Vergiss es, hm!“ Unweigerlich löste er sich von Sasori und verschränkte erneut stur die Arme vor der Brust. Sein Blick lag herausfordernd auf seinem Gegenüber.

Sasori rieb sich über die Stirn. Er konnte ihm ansehen, dass er um Beherrschung rang. „Das habe ich nicht gesagt. Muss ich dir ernsthaft ins Gedächtnis rufen, was du selbst immer gesagt hast? Dass du die Schönheit in einem Augenblick lieber magst als die Schönheit eines Bildes oder Gedichtes, welches man immer wieder genießen kann? Dann leb auch danach und klammer dich nicht länger an der Vergangenheit fest. Sie kommt nicht zurück. Kümmer dich lieber um das, was vor dir liegt.“

Deidaras Arme senkten sich wieder, die abwehrende Haltung löste sich auf. Selten sprach Sasori überhaupt so viel an einem Stück. Deidara war unsicher, wie er seine Worte deuten sollte. Es machte ihm Angst, dass sein Danna von ihm verlangte, tatsächlich auch bei ihm seine Ansicht von Schönheit anzuwenden. Wenn er ihn dann vergaß?

Der Rotschopf schien zu ahnen, was in ihm vorging, denn er strich ihm über die Wange und sagte leise: „Wir treffen uns zu O-bon.“

Deidara neigte seinen Kopf leicht, lehnte sich den Fingern entgegen. „Das ist nur einmal im Jahr, hm“, murmelte der Blonde vor sich hin. Seiner Meinung nach könnte O-bon ruhig mehrmals im Jahr gefeiert werden.

„Und den Rest des Jahres kannst du jemand anderem deine Aufmerksamkeit widmen.“

Ungläubig weitete sich das azurblaue Auge. Sasori hatte nichts dagegen, dass er jemand anderen die Aufmerksamkeit schenkte, die er ihm hatte zukommen lassen? Bevor er jedoch noch etwas sagen konnte, wich Sasori zurück, versank in den Schatten hinter ihm.

„Danna, warte!“, rief Deidara und griff nach ihm, um ihn aufzuhalten. Doch seine Finger erreichten seinen Meister nicht mehr. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte nach vorn in tiefe Dunkelheit.
 

Deidaras Lider hoben sich ruckartig. Das Gefühl von Erschöpfung und Trauer schlich durch seine Adern. Zittrig atmete er aus und fuhr sich mit einer Hand durch das Gesicht. Feuchtigkeit benetzte seine Wangen. Ein wenig erschrocken stellte er fest, dass er weinte. Das war doch erbärmlich. Wenigstens sah ihn so niemand. Den Unterarm legte er einfach komplett über seine Augen. Der Blonde brauchte Zeit, um diesen Traum zu verarbeiten. Es kam ihm vor, als hätte jemand Vergangenheit und Gegenwart in einen Topf getan, diesen verschlossen und einmal kräftig geschüttelt.

Oder war Sasoris Geist in seinen Traum gekommen, um ihm das zu sagen? Für ihn war dies die einzige Erklärung. Es gab Geschichten über Geister, die sich eines Körpers im Traum bemächtigten. Selten stellten sie mit dem übernommenen Menschen harmlose Dinge an. Aber sein Meister würde ihm nie etwas antun, da war er sich sicher.

Diese Unterhaltung im Traum machte Deidara klar, dass er Recht gehabt hatte. Sasoris Seele fand noch keine Ruhe. Erst, wenn er das Glasauge hatte, konnte sein Danna in die Welt der Toten zurückkehren. Doch warum sagte er ihm, er solle sich nicht mehr an ihn klammern und sich jemand anderem zuwenden? Er… doch, er klammerte sich an der Vergangenheit fest. Immer noch. Sein eigenes Katana und Wakizashi lagen schließlich auf der Halterung im Wandschrank. Nach wie vor kämpfte er mit Sasoris Waffen.

Hatte sein Danna bemerkt, dass Gaara Interesse an ihm hatte? Natürlich. Als Geist konnte er überall sein, ohne dass ihn jemand bemerkte. Wollte Sasori etwa, dass er sich dem Daimyô wirklich zuwandte? Bisher hatte er sich keine weiteren Gedanken dazu gemacht. Für ihn war das Glasauge wichtiger und was danach kam, war vorerst noch irrelevant. Es war lediglich eine Feststellung gewesen, dass Gaara es sich mit seiner Wahl nicht gerade leicht machte in mehrfacher Hinsicht. Aber ob er sich auf ihn einlassen wollte oder konnte, das wusste er momentan nicht zu sagen. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es hing davon ab, wie er sich fühlte, wenn er das Glasauge besaß.

Deidara wischte die feuchten Spuren der Tränen fort. Wenn sein Danna das so wollte, würde er sich wohl damit auseinandersetzen…
 

Am nächsten Morgen rief ein Diener ihn in den großen Saal. Gewissermaßen war der Blonde neugierig. Das bedeutete schließlich, dass irgendetwas Ungewöhnliches vor sich ging. Kaum betrat Deidara den Saal, huschte sein Blick aufmerksam umher. Neben Gaara waren Kankurô, Chôji und Shikamaru anwesend. Sämtliche wichtige Persönlichkeiten der Burg also. Irgendwas war passiert.

Deidara verneigte sich vor Gaara, wie es sich gehörte und trat dann neben Chôji und den General. Eigentlich müsste er seinem Rang entsprechend weiter hinter den beiden stehen, aber so genau nahm er es dann auch nicht und niemand schien sich groß an der kleinen Verfehlung zu stören. Demnach war es nichtig.

„Es traf ein Bote von Katô Dan ein“, begann Gaara ruhig. „In einem Dorf nahe Kochi gab es einen Vorfall. Ich möchte, dass dies genauer untersucht wird.“

Deidara sah den Daimyô interessiert an. „Was für einen Vorfall, hm?“

Die jadefarbenen Augen richteten sich auf ihn. „Die Situation wurde als ungewöhnlich beschrieben. Zwei Gruppen von Landstreichern sind aufeinander getroffen, je vier und zwei Personen. Gekämpft haben jedoch nur zwei Männer laut Aussagen der Bauern. Sie sahen sich recht ähnlich. Schwarzes Haar, schwarze Augen. Jedoch war das Haar des einen Mannes ungleich länger. Er wurde von seinem Begleiter geschützt, nachdem er verwundet wurde. Dieser hatte blaues Haar…“

Deidara musste bei dieser Beschreibung nicht lange überlegen. „Klingt nach Kisame und Itachi, hm.“ Gaara deutete ein zustimmendes Nicken an.

„Und nach der Gruppe, die uns auf der Rückreise von Tokushima angriff“, fügte Shikamaru hinzu.

Entsprach dies der Wahrheit, dann hatte dieser Typ, der ihn nach Itachi gefragt hatte, also sein Ziel erreicht.

„Verzeiht meine Frage, aber wieso sollten wir uns da einmischen, hm?“ Deidara wusste, dass Akatsuki sich sehr gut selbst verteidigen konnte. Es war eher erstaunlich, dass Itachi offenbar schwer verletzt worden war, denn andernfalls hätte Kisame wohl nicht eingegriffen, um seinen Partner zu schützen. So stark war der Kerl mit denselben schwarzen Augen nicht gewesen. Zwar hatte der Blonde nie selbst gegen Itachi gekämpft, aber er hatte bei Itachis Training mit Kisame ab und an zugesehen und konnte seine Stärke abschätzen.

Außerdem konnte man in Kochi kaum wissen, welche Landstreicher nun von Interesse für den Daimyô waren und welche nicht. Normalerweise wurden diese einfach umgelegt, wenn sie Ärger machten. Akatsuki verschwand aber immer sehr schnell wieder und war dann unauffindbar. Vermutlich hatte Gaara wegen dem Überfall Boten an alle Verwalter auf Shikoku geschickt, dass diese Vierer-Gruppe gefasst werden sollte, wenn sie sich zeigte. Offensichtlich war dem Verwalter in Kochi das nicht gelungen.

„Weil diese Gruppe mich und meine Eskorte angegriffen hat und ich nicht dulden kann, dass in meinem Reich weiterhin Unruhe gestiftet wird“, bestätigte Gaara seine Überlegungen. Aber das war noch nicht alles. Deidara erinnerte sich, dass Gaara Akatsuki gewährt hatte, sich auf Shikoku nieder zu lassen als Dank für ihre Hilfe und mit der Auflage, nicht gegen sein Reich vorzugehen, sollten sie einen derartigen Auftrag erhalten. Wenn er das so betrachtete, bedeutete dies gegenseitiger Schutz. Gaara konnte sich sicher sein, dass Akatsuki nicht ihn oder seine Untergebenen attackierte. Im Gegenzug konnte Akatsuki recht ruhig auf Shikoku leben. Denn um die Bande Rônin anzugreifen, musste man auf die Insel. Griff man hier jemanden an, wie diese Vier das getan hatten, gelangten sie unweigerlich in das Visier des Daimyô, der nun gegen sie vorging. Ein wissendes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Es ging nicht nur um den Angriff auf den Daimyô selbst. Dahinter steckte viel mehr. Und jeder hier im Saal wusste das auch.

„General Nara“, begann Gaara befehlsgewohnt. In solch offiziellen Versionen benutzte der Daimyô natürlich die distanzierten Anreden. „Ihr werdet nach Kochi reiten und diesen Fall untersuchen. Deidara wird Euch begleiten. Akimichi wird Euch in der Zeit vertreten. Solltet Ihr weitere Männer benötigen, sei es Euch freigestellt, diese auszuwählen. Solltet Ihr diese Vierer-Gruppe ausfindig machen, nehmt sie gefangen und bringt sie her.“

Deidaras Grinsen wurde noch eine Spur breiter. Er sollte mitgehen, weil er sich mit Akatsuki auskannte. Und vermutlich auch, weil er am ehesten diesen schwarzäugigen Kerl identifizieren konnte. Ein wenig Aufregung war genau das Richtige.

„Sehr wohl, Gaara-sama“, sprach Shikamaru förmlich und verbeugte sich.

Das Versteck im Geisterwald

Deidara stahl sich in der Nacht aus dem Gebäude. Unbemerkt würde er das Anwesen von Dan und seiner Frau Tsunade nicht verlassen können, da Wachen aufgestellt waren, aber er störte sich auch nicht sonderlich daran. Shikamaru konnte ruhig hören, dass er aufgebrochen war. Denn hier in Kochi würden sie wohl kaum weitere Informationen zu den Geschehnissen erhalten, die vor zwei Wochen vorgefallen waren.

Vielleicht sollte der Blonde warten. Sie waren erst gestern eingetroffen und hatten noch keine Gelegenheit gehabt, das Dorf zu besuchen und die Bewohner nach dem Kampf zu befragen. Allerdings war ihm jetzt bereits klar, dass sie das wohl nicht sonderlich viel weiter bringen würde. Deidara wollte Akatsuki suchen. Während des Gesprächs mit Dan war ein Geisterwald erwähnt worden, um dem General die genauere Position des Dorfes zu erläutern. Der Blonde war sich recht sicher, dass er dort höchstwahrscheinlich Akatsuki fand. Er kannte die Bande gut genug, um zu wissen, wie sie sich ein Versteck suchen würden. Die Rônin lebten dort, wo sich niemand hin traute. Ein Wald, der von Mythen umgeben war, vor dem die Menschen Angst hatten, war das perfekte Versteck. Und da Akatsuki keine Besucher mochte, wollte er allein auf die Suche gehen. Jetzt störte ihn der Gedanke nicht, die Rônin wieder zu sehen, aber es war auch nicht O-bon. Unterschwellige Unruhe kroch dennoch durch seine Adern, weil er so lange keinen Kontakt zu ihnen gehabt hatte und auch nicht so recht wusste, wie er auf die anderen Krieger reagieren sollte oder wie sie auf ihn reagierten. Vor allem nach dem Aufeinandertreffen zu O-bon.

Sein Pferd sattelte Deidara nicht extra. An der Trense führte er das Tier aus dem Stall und sprang im Innenhof auf dessen Rücken. Am Tor wurde er natürlich von den Wachmännern aufgehalten. „Wo wollt Ihr mitten in der Nacht hin?“

Deidara schnaufte. „Lasst mich durch. Ihr könnt General Nara Bescheid geben, dass ich Informationen zu dem Rôninvorfall suchen werde, hm.“ Auffordernd sah er Männer an. Zuerst zögerten sie, öffneten ihm dann aber das Tor. Die Männer wollten sich wohl nicht unbedingt den Vorwurf anhören müssen, die Untersuchungen durch halsstarriges Verhalten behindert zu haben.

Wo das Dorf lag, hatte er sich eingeprägt, da Dan ihnen selbiges auf einer Karte gezeigt hatte. Nicht weit entfernt war ein Wald eingezeichnet. Deidara ging davon aus, dass es sich um den Geisterwald handelte. Zielstrebig lenkte er sein Pferd Richtung des Dorfes.
 

Die ersten Vögel begannen zaghaft ihr Lied, als Deidaras Pferd in den Wald eintauchte. Bald würde die Sonne aufgehen. Der Blonde war müde, aber schlafen konnte er später. Wenn Akatsuki ihn nicht gleich wieder verjagte, weil sie sauer auf ihn waren, würde er dort vielleicht ein wenig ausruhen.

Augenscheinlich führte kein Pfad durch den Wald, aber Deidara hatte Übung darin, Spuren zu lesen. Wenn man wusste, wen man jagte, war es nicht schwer, die Fährte zu verfolgen. Akatsuki suchte sich ihren Weg durch den Wald. Hier und dort waren abgeknickte Zweige oder zertretene Äste am Boden. Sah man genau hin, erkannte man auch Abdrücke von Pferdehufen am Boden, wo kein Gras wuchs. Diese Hinweise führten ihn tiefer in den Wald und schließlich zu einer kleinen Lichtung. Das Haus, welches dort erbaut worden war, ähnelte ihrem früheren Onsen. Ebenso entdeckte er einen kleinen Schuppen und einen Pferdestall mit einem umzäunten Auslauf für die Tiere.

Deidara saß ab und führte sein Pferd am Zügel näher. An einem Baum nahe des Hauses band er das Tier an und schritt zum Eingang. „Oi, jemand wach?“, rief Deidara laut. Yahiko und Konan waren sicherlich bereits auf den Beinen. Sie waren stets die ersten gewesen, die aufgestanden waren. Da die Sonne bereits über den Horizont geklettert war, begannen die beiden bestimmt gerade mit ihren alltäglichen Aufgaben. Und wie erwartet hörte er kurz darauf Geräusche. Abrupt wurde die Tür geöffnet. Yahiko stand mit der Hand an seinem Katana vor ihm. Sein Blick wandelte sich innerhalb eines Augenblickes. War er zuerst kampfbereit gewesen, so zeigte sich nun Überraschung in den grauen Augen. „Deidara…“, murmelte er irritiert. Dann glitt sein Blick an ihm vorbei und suchte die Umgebung ab. „Bist du allein?“ Der Blonde nickte.

„Dir ist niemand gefolgt?“ Schnaufend verneinte er. Streng sah Yahiko ihn an, ehe er schließlich die Hand von seiner Waffe löste und zur Seite trat. „Komm rein.“ Das war schon mal kein Rauswurf und es beruhigte ihn. Deidara schritt an dem Älteren vorbei ins Haus und streifte seine Zori von den Füßen, um in den Vorflur zu treten.

„Wie hast du uns gefunden?“

Amüsiert grinste Deidara. „Ich habe drei Jahre zu euch gehört. Ich weiß, wie ihr denkt. Es war nicht wirklich schwer, euch zu finden. Wer geht schon in einen verfluchten Wald, hm?“

Schritte erklangen hinter ihm und der Blonde wandte sich um. Konan lächelte ihn an. „Schön, dass du uns besuchen kommst“, begrüßte sie ihn.

„Dieses Mal benimmst du dich“, warnte Yahiko. „Und ich will wissen, warum du ausgerechnet jetzt gekommen bist.“

Deidara sah den Anführer von Akatsuki an. „Ich nehme an, du kannst dir eh schon denken, warum ich hier bin. Der Kampf zwischen Itachi, Kisame und diesen vier Fremden blieb nicht unbemerkt, hm.“

Konan unterbrach sie. „Das wird nicht im Flur geklärt“, sagte sie streng und sah Deidara auffordernd an. „Setz dich ins Wohnzimmer. Das Frühstück ist gleich fertig und dann kommen auch die anderen.“
 

Zetsu, Kakuzu und Kisame waren überrascht, als sie den Blonden erblickten. Doch der einzige, der sich wirklich dazu äußerte, war Kisame. „Du bist sicher wegen dem Angriff hier?“, fragte er, während er das Tablett für zwei Personen füllte. Deidara nickte.

„Kisame, komm nach dem Frühstück wieder runter. Dann besprechen wir den Grund seines Hierseins“, sprach Yahiko. Verstehend nickte der Blauhaarige. Er nahm das Tablett und verließ das Wohnzimmer. Fragend sah Deidara zu Konan, welche seinen Blick verstand. „Itachi kann noch nicht wieder aufstehen. Daher isst Kisame zusammen mit ihm in ihrem Zimmer.“

Deidara nahm sich etwas von dem Gemüse, nachdem Konan die Schüsseln mit Reis gefüllt hatte. „Den hat’s ja ganz schön erwischt. Aber so stark war der Typ doch gar nicht, hm.“

Zetsu sah ihn an. „Du hast gegen ihn gekämpft?“

Deidara nickte. „Aber nur kurz. Er hat Gaaras Eskorte angegriffen und wollte von mir wissen, wo Itachi ist“, erklärte er. „Da passt man einmal nicht auf und dann sowas“, brummelte die unsichtbare Seite vor sich hin. Irgendwie tat es unheimlicher Weise ganz gut zu sehen und zu hören, dass alles noch so war wie früher. In Zetsus Körper lebten noch immer zwei Persönlichkeiten, die sich willkürlich abwechselten. Niemand wusste, wieso das so war, aber vermutlich hatte der Grünhaarige keine leichte Kindheit gehabt. Einen anderen Grund konnte Deidara sich nicht vorstellen.

„Itachi war kurz zuvor schwer erkältet gewesen“, erklärte Konan. „Kisame hat gesagt, dass dies der Grund war, wieso Sasuke es schaffen konnte, ihn so schwer zu verletzen.“

„Faffffke?“, hakte Deidara mit vollem Mund nach.

„Erst wird gegessen. Dann besprechen wir den Rest“, mischte sich nun Yahiko mit dem gebieterischen Tonfall eines Anführers ein. Genervt schnaufte Deidara, schwieg aber und aß weiter. Lange war trotzdem keine Ruhe, da schob sich die Schiebetür schwungvoll auf und Hidan platzte rein. „Habt ihr schon wieder ohne mich angefangen zu essen?“, blaffte er ungehalten und ließ sich auf seinen Platz fallen.

„Steh früher auf“, brummte Kakuzu nur, doch Hidans Aufmerksamkeit lag ganz woanders. Ungläubig starrten die lilafarbenen Augen zu Deidara neben sich. Die Reisschale abstellend grinste er Hidan an. „Oi“, begrüßte er ihn. Hidan kniff ihm kräftig in den Oberarm. „Eh, was soll der Scheiß, hm?“ Maulend rieb Deidara sich über die malträtierte Stelle.

„Du bist es ja wirklich“, war Hidans erste Reaktion. Dann folgte ein dreistes: „Stell dich nicht an wie ein Mädchen!“

Der Blonde griff nach seiner Reisschale. „Ja, ich hab dich auch vermisst, du Schnecke, hm.“

„Was machst du hier? Willst wieder zu uns zurückkommen? Das Samuraileben ist doch scheiße spießig.“ Hidan lachte und nahm sich nun auch etwas von seinem Reis, schob ihn zwischen die Zähne.

Im Hintergrund hörte man Kakuzu genervt seufzen. Niemand ging auf den Älteren ein. Eigentlich sollte der doch froh sein. Deidara konnte sich denken, wem Hidan auf die Nerven ging, seitdem er nicht mehr da war, um sich ab und an mit dem Silberhaarigen zu streiten oder Dummheiten anzustellen. Eigentlich war Hidan ganz in Ordnung. Ein bisschen anstrengend und einfältig, aber darüber konnte man meistens hinwegsehen. Deidara empfand ihn wie einen dummen älteren Bruder, den man aber trotzdem irgendwie gern haben konnte.

Und Zetsu hatte ihm hinterher spioniert. Ansonsten wüssten sie nicht, dass er wieder Samurai war. Deidara wunderte das jedoch nicht. Offensichtlich war niemand von Akatsuki ihm böse, dass er sie verlassen hatte und beim letzten Treffen so abweisend gewesen war.

„Nein, ich habe nicht vor, zurück zu kommen, hm.“

Hidan gefiel seine Antwort nicht. „Es ist stinklangweilig ohne dich. Die anderen sind alle so kleinlich. Immer nur blöde Hausarbeit, Putzen, Kochen, Pferde versorgen, Holz hacken… ab und an wen umbringen“, maulte der Größere.

Deidara lachte belustigt. Um solche Dinge musste er sich nicht mehr kümmern. Manche Aspekte des Samurailebens waren ganz angenehm. Er musste lediglich einen Diener anweisen, wenn er essen oder baden wollte. Die Burg wurde von Dienerinnen sauber gehalten. Er musste nur seine Pflichten erfüllen.

Ein Ellenbogen traf ihn zwischen den Rippen. „Lach nicht, Deidara-chan“, knurrte Hidan. „Es ist echt scheiße, dass du gegangen bist.“

„Ja ja, ist ja gut“, erwiderte er beschwichtigend. „Ich komm euch ab und zu besuchen, hm?“, schlug er vor. Wenn er es einrichten konnte. Aber er stellte fest, dass es doch ganz angenehm war, wieder bei Akatsuki zu sein. Was wäre wohl geschehen, wäre er nach Sasoris Tod bei ihnen geblieben? So wie er sich damals gefühlt hatte, wäre er vermutlich trotzdem gegangen. Es war schon gut so, wie es gekommen war. Mehr oder weniger. Sasoris Geist war sauer auf ihn wegen seinem Auge.

Nicht nur Hidan schien sich über diesen Vorschlag zu freuen. Aus den Augenwinkeln bemerkte der Blonde Konans Lächeln. Seine Sorgen waren also völlig unbegründet gewesen.
 

Nachdem Konan den Tisch abgeräumt hatte, gesellte auch Kisame sich wieder zu ihnen. Auffordernd sah Yahiko zu Deidara. „Erzähl, was du weißt.“

Knapp erklärte der Blonde, dass Gaara den General mit ihm nach Kochi geschickt hatte, um den Fall zu untersuchen. Er hatte sich heimlich davon gestohlen, um nach Akatsuki zu suchen und die Wahrheit zu hören. Denn Bauern erzählten nun einmal viel, was nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen musste. Außerdem erwähnte er zusätzlich den Überfall auf Gaaras Eskorte, was der Hauptgrund war, warum sich um den Fall überhaupt gekümmert werden sollte.

Kisame meldete sich anschließend zu Wort. „Die Sache ist kompliziert. Der Kerl, der dich und Itachi angegriffen hat, ist Sasuke, Itachis kleiner Bruder, der eigentlich in Kyûshû sein sollte. Bei ihm war mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Jûgo, ein weiterer Mann und eine rothaarige Frau. Erst dachte ich, es sei Tayuya, weil ihr Gesicht im Schatten des Reishutes lag, aber ihre Stimme passt nicht zu dem Kriegerweib.“

Überrascht weitete sich Deidaras Auge. Einerseits war die Information neu, dass Itachi einen lebenden Bruder hatte, war er davon ausgegangen, dass er seine gesamte Familie ermordet hatte, als ihm die Geschichte des Uchiha-clans zu Ohren gekommen war. Aber Jûgo? „Jûgo lebt?“ Deswegen war ihm der große Kerl so bekannt vorgekommen. Aber… wenn Jûgo lebte, hatten vielleicht noch andere die Explosionen überlebt? Der Blonde wandte sich an Zetsu. „Hat sonst noch jemand überlebt, hm?“

„Du meinst, als du in deiner Rachsucht Orochimarus Burg in Schutt und Asche gelegt hast?“, präzisierte dessen dunkle Seite, wie sie seine rauere, dunklere Stimme nannten. Deidara nickte grimmig.

„Ich ging bisher davon aus, dass niemand überlebt hat. Vielleicht ist Jûgo wirklich der einzige. Der Kerl war bei der Schlacht gegen Gaara schon verdammt zäh.“

Kakuzu deutete ein Kopfnicken an. „Ich hab’s nicht geschafft, ihm seinen Schädel vom Rumpf zu schlagen.“

Nachdenklich rieb Deidara über sein Kinn. „Zetsu, kannst du versuchen herauszufinden, ob sonst noch jemand überlebt hat, hm?“

Dessen unsichtbare Seite war offensichtlich wenig gewillt, seiner Bitte nachzugeben. „Was haben wir mit deiner Rache zu tun?“

Yahiko griff an dieser Stelle ein. „Es geht nicht um Deidaras Rache. Dir ist es in den letzten zwei Wochen nicht gelungen, Sasuke und seine Bande zu finden. Vielleicht hatten sie Hilfe. Wir sollten davon ausgehen, dass nicht nur Jûgo überlebt hat. Und das könnte auch für uns zum Problem werden. Immerhin haben wir Orochimaru unsere Hilfe verweigert und seinen Feind unterstützt. Außerdem sollten wir davon ausgehen, dass Sasuke Itachi weiter suchen wird, sobald er sich von seinen Verletzungen erholt hat.“

Deidaras Augenbrauen zogen sich zusammen. Zetsu hatte die Gruppe nicht gefunden? Es war selten, dass der Spion jemanden nicht ausfindig machen konnte.

„Was will Itachis Bruder überhaupt, hm?“

Konan seufzte bedrückt. „Rache.“

„Für seinen Clan“, fügte Kisame an.

Deidara erinnerte sich zu gut an diese hasserfüllten Augen. Solchen Hass hatte er gegen Kabuto und Orochimaru und dessen Untergebene verspürt. Er war sich sicher, dass Sasuke keine Ruhe geben würde, bis er sein Ziel erreicht hatte.

„Was habt ihr mit der Bande vor, wenn ihr sie findet, hm?“

Deidaras Blick schweifte fragend über die Runde. So unzufrieden wie Hidan dreinschaute, wollten sie wohl nichts unternehmen. Und Yahiko bestätigte ihm dies auch einen Augenblick später. „Wir beobachten sie. Solange sie nicht in unseren Wald kommen, werden wir sie nicht angreifen. Vorerst.“

Deidara rieb sich den Nacken. „Wenn Gaaras Männer sie finden, werden sie zum Tode verurteilt, hm.“ Yahiko deutete nur ein verstehendes Nicken an. Lediglich Kisame und Konan schien diese Aussage zu bedrücken. Kisame wohl wegen Itachi. Bedeutete dem Schwarzhaarigen sein kleiner Bruder so viel? Offensichtlich hatte er ihn bei dem Massaker nicht getötet. Irgendwas musste ihm an dem Bengel liegen. Und Konan besaß ein eher sanftmütiges Wesen. Da war es nur verständlich, dass sie nicht guthieß, wenn ein Mitglied der Familie sterben sollte.

„Immerhin habe ich ein bisschen mehr herausgefunden, hm“, murmelte Deidara vor sich hin.

Der Blick aus den grauen Augen des Orangehaarigen bohrte sich in ihn. „Du wirst niemandem erzählen, wo wir leben.“ Yahiko befahl ihm, als gehörte er immer noch zu ihnen. Es störte ihn aber nicht. Im Grunde seines Herzens war er nach wie vor Rônin. Deidara grinste. „Ich bin nicht bescheuert. Sie können froh sein, dass sie durch mich einen direkten Kontakt zu euch haben, hm.“

Und das war ein großer Vorteil. Denn jeder andere musste warten, ob Zetsu auftauchte und einen Auftrag an Yahiko heran trug.

Deidara gähnte. Allmählich konnte er die Müdigkeit nicht mehr zurückdrängen.

„Willst du dich nicht etwas ausruhen und dann zurückkehren?“, fragte sie schmunzelnd. „Wäre gut, hm“, stimmte der Blonde zu. Shikamaru würde sich ohnehin Gedanken machen, egal ob er nun ein paar Stunden früher oder später in Kochi eintraf.

Widerstand

Wollte Deidara sich über ihn lustig machen? Erst verschwand der Blonde mitten in der Nacht, um am Morgen des zweiten Tages wieder aufzutauchen und ihm zu erzählen, was wirklich vorgefallen war. Von den Dorfbewohnern konnte er diese Informationen nicht erhalten haben. Denn während der Krieger gestern den gesamten Tag verschollen gewesen war, hatte Shikamaru sich mit den wenigen Samurai, die er mitgenommen hatte, in das Dorf begeben, in dem der Kampf sich zugetragen hatte.

Nach Deidara hatte der General noch nicht suchen lassen. Wäre er aber am heutigen Tag nicht wieder aufgetaucht, hätte er die Suche nach ihm gestartet.

„Und woher wisst Ihr das alles?“, fragte Shikamaru mürrisch.

Dieses selbstgefällige Grinsen. Manchmal trieb der ehemalige Rônin ihn zur Weißglut. Aber Shikamaru konnte sich beherrschen, nichts davon nach außen dringen zu lassen. Als General war er der Befehlshaber und hatte die Verantwortung für diese Untersuchung. Es konnte nicht einfach jeder tun und lassen, was er wollte. Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass die Aufnahme des Blonden in Gaaras Gefolgschaft Probleme verursachen würde. Der Mann war eine Bereicherung durch seine Stärke, aber er brachte unweigerlich Unruhe mit, wohin er auch ging. Was genau sein Daimyô in dem Krieger sah, wusste er nicht genau, aber er hatte anscheinend eine Schwäche für ihn. Hoffentlich löste dessen Schwäche nicht einen riesigen Fehler aus.

„Zetsu, hm.“

Wieso überraschte Shikamaru das nicht? Er durfte nicht aus den Augen lassen, dass dieser Mann vor ihm einst ein Mitglied von Akatsuki gewesen war. Vermutlich stand er noch mit ihnen in Kontakt. Oder wieder. Wahrscheinlich eher letzteres, denn während O-bon hatte der Blonde sich von der Bande fern gehalten und er wagte zu bezweifeln, dass Deidara nach Sasoris Tod mit Akatsuki verkehrt hatte.

„Ihr wisst also, wo Akatsuki jetzt lebt?“, hakte er nach. Das würde bedeuten, dass sie sich maximal einen Tagesritt entfernt von Kochi niedergelassen hatten. Definitiv eine nützliche Information, sollte seine Theorie der Wahrheit entsprechen.

Deidara zog die sichtbare Augenbraue hoch. „Für wie einfältig haltet Ihr Akatsuki? Als ob sie jedem verraten würden, wo sie leben, hm?“, warf der Samurai ihm an den Kopf. Respektloser Kerl. Doch den Kommentar schluckte er. „Ich sagte, ich habe die Informationen von Zetsu. Ihr wisst selbst, dass Zetsu derjenige ist, der die Aufträge zu Yahiko bringt. Zetsu findet so ziemlich alles, hm.“

Shikamaru korrigierte: „Aber diese Vierer-Gruppe hat er offensichtlich noch nicht gefunden.“

Ein Schulterzucken war die Antwort. „Das ist nur eine Frage der Zeit, hm.“

Allerdings war der General mit Deidara noch nicht ganz fertig. Der Blonde hatte nicht direkt auf seine Frage geantwortet, ob er wusste, wo Akatsuki jetzt lebte. Deidara war bei weitem nicht ‚jeder‘ für Akatsuki. Und wenn er die Informationen von der Rônin-Bande hatte, war ihr Kontakt eng genug. Shikamaru war sich sicher, dass der Blonde mehr wusste als er zugab. „Zetsu hat Euch also gefunden?“

Wieder breitete sich das dreiste Grinsen auf den Lippen des Kriegers aus. „Was soll das werden? Ein Verhör, hm?“

Ruhig erwiderte Shikamaru den herausfordernden Blick. „Vielleicht“, erwiderte er stoisch, doch in diesem einen Wort schwang eine Warnung mit.

„Wäre es nicht sinnvoller, Ihr nehmt die Informationen und sucht nach den Vieren als Euch mit Akatsuki zu beschäftigen? Zetsu hat in der kurzen Zeit weit mehr herausgefunden als Ihr, hm.“

Damit hatte Deidara nicht Unrecht, jedoch gab Shikamaru sich nicht einfach geschlagen. „Es ist wohl kaum verwunderlich, da Uchiha Itachi selbst zu Akatsuki gehört und Zetsu die Informationen über Sasuke von ihm höchstpersönlich haben wird.“

Das freche Grinsen hielt sich hartnäckig in Deidaras Gesicht. „Bravo, Herr General, hm.“

Shikamaru seufzte. Dieses Gespräch war anstrengend. Er konnte sich Besseres vorstellen, als mit dem blonden Krieger zu diskutieren. „Deidara, muss ich Euch erst die Rangfolge erläutern?“ Der Blonde sollte wissen, dass er Shikamaru zu gehorchen hatte. Jeder andere hätte es gar nicht gewagt, ihm gegenüber Widerworte auszusprechen oder ihn gar zu verspotten. Nur weil Deidara unvergleichlich stark war und sich nicht einmal vor den Fähigkeiten Gaaras fürchtete, konnte er sich nicht über jede Regel hinwegsetzen.

Deidara kratzte sich am Ohr und wurde endlich wieder einigermaßen ernst. „Nein“, war die schlichte Antwort. Na immerhin etwas.

„Dann beantwortet endlich meine Frage. Wisst Ihr, wo Akatsuki sich aufhält?“

Nachdenklich betrachtete das azurblaue Auge ihn. „Hier und dort, das wisst Ihr doch selbst. Sie tauchen auf, erledigen ihren Job und verschwinden wieder, hm.“ Dieser Krieger trieb ihn wirklich noch in den Wahnsinn! Shikamaru war sich absolut sicher, dass Deidara genau wusste, wie er die Frage zu verstehen hatte, aber er gab ihm keine klare Antwort darauf.

„Ihr verweigert mir eine klare Antwort?“

Unverwandt lag der Blick des Samurai auf ihm. „Das ist die einzige Antwort, die ich Euch geben kann, hm.“ Deidara war es ernst. Shikamaru aber auch. Ihm wurden wichtige Informationen vorenthalten.

„Vielleicht wird ein Gespräch mit Gaara-sama Eure Zunge lockern.“ Es war keine richtige Drohung. Der General würde ihrem Daimyô wie üblich Bericht erstatten. Und über diese Ungereimtheit würde auch Gaara selbst stolpern.

„Ihr wollt mich beim Daimyô verpfeifen? Weil ich Euch nicht mehr sagen kann?“ Deidara zuckte reichlich unbeeindruckt mit den Schultern. „Viel Erfolg, hm.“ Dieser Bursche war sich seiner Position viel zu sicher. Irgendwas musste vorgefallen sein. Etwas, wovon er nichts wusste. Oder lag es einfach nur an Deidaras ganzem Wesen, die Gefahr als Herausforderung zu betrachten?

„Falsch. Ihr wollt nicht mehr sagen.“ Um die Anschuldigung, dass er ihn bei Gaara ‚verpfeifen‘ wollte, wie Deidara es so schön ausgedrückt hatte, kümmerte er sich nicht weiter. In seinen Augen war es nur eine Provokation mehr, auf die der General nicht einzugehen gedachte.

Deidara seufzte tief. „Zum letzten Mal, ich kann Euch nicht mehr sagen. Ihr müsst Euch schon mit dem zufrieden geben, was Ihr jetzt gehört habt, hm.“ Vorerst gab Shikamaru auf. Deidara war stur. Es würde ihn nicht wundern, wenn er sogar vor Gaara schwieg. Aber er wand sich geschickt um seine Fragen. Wie eine Schlange umging er gewisse Formulierungen und nutzte stattdessen Aussagen wie jene, dass er nicht mehr sagen konnte. Für ihn war der Hinweis eindeutig. Deidara wusste mehr, wollte aber nicht mehr äußern und behauptete daraufhin, er könne ihm nicht mehr sagen als das, was er ohnehin schon wisse.

„Für heute seit Ihr von Euren Pflichten entbunden. Ihr werdet Euch stattdessen um die Pferde kümmern.“ Eine kleine Erziehungsmaßnahme. Ein Samurai konnte sich in der Regel ohne Probleme um ein Pferd kümmern, aber es ging dabei darum, dass er auch gleichzeitig für alle sichtbar die Aufgaben eines Stallburschen übernahm, der im Rang natürlich unter den Samurai stand.

Der Blick des Blonden verfinsterte sich. Erneut leistete er Widerstand. Deidara war anstrengend, dachte Shikamaru zum wiederholten Mal. „Ihr seid nicht mein Meister. Wagt es nie wieder, mir Strafarbeiten aufbrummen zu wollen, hm“, zischte Deidara und erhob sich. Er verließ den Raum, ohne die Erlaubnis vom General erhalten zu haben, sich zurückzuziehen.

Genervt fuhr eine Hand durch sein Gesicht. Deidara untergrub seine Autorität. Nicht vor den anderen Kriegern, denn sie waren allein im Besprechungsraum gewesen. Aber der Blonde konnte sich nicht einfach über alles hinwegsetzen. Gaara davon direkt zu unterrichten, kam nicht in Frage, müsste er dann zugeben, dass er unfähig war, sich durchzusetzen. Für einen General war das eine Schande. Leider musste er sich aber eingestehen, dass er an Deidara scheiterte.

Die Antwort

Sie kehrten ohne die Landstreicher zurück. Deidara wunderte sich darüber nicht, den General schien es zu ärgern. Aber wenn selbst Zetsu Probleme hatte, die Gruppe zu finden, dann war es nicht erstaunlich, dass Shikamaru versagte. Katô Dan sollte in Kochi und seiner Umgebung aufmerksam sein. Mehr konnte man momentan kaum tun.

Deidara wusste, wie man gut verschwinden konnte. Jede Ansammlung von Hütten meiden, sich von dem ernähren, was die Natur hergab und nicht lange an einem Fleck verweilen. In dem Punkt waren die Samurai manchmal ein wenig hinterher. Doch der Blonde hatte sich dazu nicht geäußert. Stieß er die anderen darauf, dass sie auch mal die Wälder durchforsten sollten, wagten sie sich vielleicht doch noch in den Geisterwald und dann würde Akatsuki von dort weg gehen. Außerdem rechnete er den Rônin deutlich größere Chancen zu, Sasuke und seine Begleiter zu finden. Deidara würde lediglich warten müssen, bis Zetsu bei ihm vorbei schaute.
 

Ob Shikamaru berichtete, dass er ihm den Gehorsam verweigert hatte, war Deidara egal. Bei einem privaten Gespräch wurde ihm aber klar, dass Gaara von der Befehlsverweigerung nichts zu wissen schien, sondern nur an Akatsuki interessiert war. Der Daimyô stellte sich allerdings ein wenig geschickter an als der General. So strategisch begabt Shikamaru war, wenn er alles wissen wollte, dann würde er auch in Zukunft noch das ein oder andere Mal auf Granit beißen. Aus Gaara hörte man den Politiker heraus. Es ging ihm nicht direkt darum, wissen zu wollen, wo Akatsuki war. Ihm schien Deidara als Kontakt zu ihnen auszureichen. Schließlich hatte er ihnen gestattet, sich auf Shikoku aufzuhalten. Da war eine Kontrolle für ihn wenig notwendig, solange sich beide Seiten an ihren Teil der Abmachung hielten. Gaara ließ lediglich eine leise Warnung durchdringen, dass die Bande sich nicht gegen ihn wenden sollte.
 

Nach diesem Vorfall trug sich nichts Aufsehenerregendes mehr zu. Die kühleren Wintermonate zogen ins Land, von Sasuke und seinen Begleitern fehlte weiterhin jede Spur. Gaara hatte seinem General angeordnet, Akatsuki in Ruhe zu lassen und Deidara verrichtete seine Pflichten als Samurai. Nach wie traf er sich mit dem Daimyô, auch wenn sie vorerst kein weiteres Wort über ein Näherkommen verloren oder gar Körperkontakt aufbauten. Der Blonde war dankbar dafür, denn es bedeutete, dass Gaara seine Entscheidung akzeptierte. Erst das Glasauge, damit Sasoris Seele Frieden finden konnte.

Und genau das war sein Ziel, als der Blonde seinem Pferd die Fersen in die Flanken drückte und es sich in Bewegung setzte. Er hatte endlich genug Lohn zusammengespart, um sich ein Glasauge leisten zu können. Sein Weg führte ihn aus Matsuyama heraus und mit einer Fähre nach Honshû. Auf der Hauptinsel Japans war es etwas kühler, aber da er sich stets in Meeresnähe aufhielt, blieb er vorerst noch vom Schnee verschont. Den Mann in Hiroshima selbst zu finden, war keine Hürde, denn jeder kannte den Ausländer, der die prächtigen Glasgegenstände herstellte. Auf die Art erfuhr er auch seinen Namen, Johan Veenstra. Zugegeben, manchmal verstand Deidara ihn nicht ganz wegen seinem Akzent, aber das musste er wohl auch nicht, solange er seine Arbeit ordentlich verrichtete. Und als der Handwerker ihm eines dieser Glasaugen zeigte, war er erstaunt, wie echt es wirkte. Sogar ganz feine Äderchen waren zu erkennen. Wäre das Auge nicht kühl und hart, er hätte geglaubt, es sei echt.

Deidara musste die Hälfte des Preises anzahlen. Veenstra wollte sichergehen, dass die Ware auch wirklich gekauft wurde und er seinen Lohn erhielt. Dann hieß es warten. Ungefähr eine Woche sollte er ihm Zeit geben, hatte der Mann gesagt, um das Glasauge anzufertigen. Zuvor hatte er sich seine leere Augenhöhle eingeprägt. Ein Bild von seinem intakten Auge hatte Veenstra ebenfalls gezeichnet, um die Farbe anzugleichen. Die Geräte, die in dessen Werkstatt standen, waren interessant und Deidara hätte ihm auch bei der Arbeit zugeschaut, wenn der Mann das Glasauge herstellte, aber er schob ihn anschließend recht zügig wieder hinaus. Vermutlich wollte er sich seine Arbeitsweise nicht abschauen lassen. Denn soweit er gehört hatte, stand niemand mit dem Ausländer in Konkurrenz.
 

Die Woche über erkundete der Blonde Hiroshima. Während seine Füße ihn durch die Straßen und über Plätze trugen, schweiften seine Gedanken zunehmend öfter ab. Was machte er, sobald er das Glasauge hatte? Sein Meister hatte gesagt, er solle seine Aufmerksamkeit jemand anderem schenken. Wollte Sasori, dass er auf Gaara einging? Wollte er das selbst? Bisher war der junge Daimyô eine angenehme Gesellschaft. Auch er gehörte zu der eher ruhigen Sorte Mensch wie Sasori, aber diese Art der Ruhe war eine ganz andere. Sein Danna war stets ungeduldig und leicht reizbar gewesen. Diese Wesenszüge hatten ihn nie gestört, vielmehr waren sie an Sasori so natürlich gewesen wie ein Lebewesen Wasser zum Überleben brauchte. Gaaras Art der Ruhe hingegen… Deidara wusste es momentan nicht zu beschreiben. Aber wenn er darüber nachdachte, fühlte er sich bei ihren gemeinsamen Treffen ausgeglichener, vielleicht auch entspannter. Zudem war Gaara der einzige gewesen, der es gewagt hatte, an ihn heran zu treten, als er jeglichen Sinn im Leben verloren hatte. Der Daimyô hatte ihm vor Augen geführt, dass das, was er tat, Schande über das Erbe Sasoris brachte, und er hatte ihm eine neue Aufgabe gegeben. Außerdem war er der beste Gegner für Deidara. In ihren wenigen Übungskämpfen hatte er ihn noch nicht einmal besiegen können nach dem ersten Unentschieden. Einerseits gab Gaara ihm so etwas wie innere Ruhe, andererseits stellte er für den Blonden die perfekte Herausforderung dar.

Seine Gedanken führten ihn schließlich zu dem zweiten Kuss. Den ersten berücksichtigte Deidara nicht, hatte er ihn mit Sasori verwechselt. Warm und weich hatten sich Gaaras Lippen gegen seine geschmiegt. Wie er wohl schmeckte? Tief atmete der Blonde durch. Seine Neugier an dem Daimyô konnte er wohl nicht mehr bestreiten.
 

Kaum war Deidara zurück in der Burg von Matsuyama, führte ihn sein erster Weg zu Sasoris Grab. Er ließ sich vor dem schlichten Stein nieder und betrachtete den eingemeißelten Namen. „Ich hab das Glasauge, hm“, murmelte er. Sasoris Geist war sicher irgendwo in der Nähe, dieser würde ihn schon hören.

Veenstra hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Das Auge saß wie angegossen in der Höhle und wirkte auf einen Laien echt. Die Augenfarbe stimmte perfekt überein. Es war ganz angenehm, die Augenbinde nicht mehr tragen zu müssen, hatte sie ihn doch gestört, weil sie ab und an verrutscht war.

„Ich hoffe, du findest jetzt deine Ruhe, Danna“, fügte Deidara noch leise an, ehe er über die Kanji im Grabstein strich. Der raue Stein war nicht zu vergleichen mit der weichen Haut seines Meisters, aber irgendwas wollte er jetzt berühren und wenn es nur der Name auf dem Grabstein war, der ihn auf irdische Weise mit ihm verband. „Wir sehen uns zu O-bon, hm.“ Nach diesem Abschied erhob er sich wieder und schritt zum Gebäude. Auf dem Weg zu seinem Zimmer sprach ein Diener ihn an und richtete ihm aus, dass Gaara mit ihm gern nach dem Abendessen einen Spaziergang durch den Garten machen wollte. Verstehend nickte der Blonde. Dann würde er dort sein.
 

Es war bereits dunkel und nur Öllampen erleuchteten den Park hinter dem Hauptgebäude der Burg. Deidara wartete an den Torbogen gelehnt, der den Eingang zum Park markierte. Leise knirschten ein paar lose Kiesel unter den Geta, als Gaara zu ihm trat. „Guten Abend, Gaara-sama.“ Manchmal stahl sich in das Höflichkeitssuffix noch immer der herausfordernde Unterton, aber heute war dies nicht der Fall.

Mit einem seltenen, kleinen Lächeln erwiderte der Daimyô den Gruß. Deidara stieß sich vom Torbogen ab und sie schritten gemächlich den steinernen Pfad entlang in den Park hinein. Nächtliches Zwielicht umfing sie, verschmolzen mit dem warmen Glimmen der brennenden Öllampen und den dunklen Schatten, die die Sträucher und Bäume warfen.

Nach ein paar Augenblicken brach Deidara die Stille. „Eure Empfehlung war gut, hm.“ Die jadefarbenen Augen sahen ihn von der Seite her an. „Das freut mich.“ Gaara hielt inne. Ebenfalls verharrend wandte er sich dem Rotschopf gänzlich zu. In dessen Augen konnte er verhaltene Neugier entdecken. Der Daimyô trat näher an ihn heran. „Darf ich es sehen?“, fragte er leise. In dem Moment huschte ein Schauer seinen Rücken hinab. Seit wann löste Gaaras Stimme eine solche Reaktion aus? Ihm war vorher aber auch nie aufgefallen, wie angenehm dessen Klang war.

Deidara deutete ein Nicken an und beobachtete die Hand, die sich langsam zu seinem Gesicht hob. Sanft strich Gaara das lange Haar beiseite. Natürlich sah Deidara auf dem linken Auge dennoch nichts, war es nur eine Attrappe, aber er fühlte sich nun auch wohler. Die schwarze Augenbinde entlockte niemandem mehr wissbegierige Blicke und sollte sein Haar einmal nicht das Auge verdecken, wirkte alles ganz normal.

Deidara war geneigt, sich der Berührung entgegen zu neigen. Doch vorher wollte er das Verhältnis zwischen ihnen klären. Schließlich musste er noch auf Gaaras bekundetes Interesse antworten. „Gaara…“, begann er nun und wählte die privatere Anrede. Der Blonde würde den Daimyô nicht offiziell ansprechen, wenn es darum ging, sich anzunähern. Dessen aufmerksamer Blick weilte auf ihm, während er die Hand wieder sinken ließ. „Da ich das Glasauge jetzt habe… und Sasori no Danna hoffentlich seine Ruhe gefunden hat, wäre ich bereit, auf dein Interesse einzugehen, …denke ich, hm.“ Völlig sicher war der Blonde sich noch nicht. Eine gewisse Neugier war da, die hartnäckig in ihm kribbelte, aber leise Bedenken mahnten ihn dazu, nichts zu überstürzen. Der Gedanke war ungewohnt, sich nun jemand anderem auf eine Art zuzuwenden, von der er angenommen hatte, sie nur mit Sasori je zu teilen.

Erneut umspielte ein kleines Lächeln Gaaras Mundwinkel. Der warme Glanz in den jadefarbenen Augen hingegen nahm ihn gefangen. Das Gefühl, welches sich in ihm ausbreitete, konnte er nicht genau definieren. Milde Freude, Ausgeglichenheit und unaufdringliche Verlockung wanden sich zu einem aufgewühlten Tumult. Dass Gaara nun anscheinend so starke Reaktionen in ihm auslösen konnte, beunruhigte ihn ein wenig. Es war neuartig, anders. Aber irgendwo auch spannend.

Die Narbe

In dem kleinen Teehaus, welches sich am Ende eines Gartenpfades im hinteren Teil des Burggartens versteckte, waren sie völlig ungestört. Das durchscheinende Papier der Fenster ließ zwar genug Licht hinein, aber hindurchsehen konnte man nicht. Gaara schätzte solche Rückzugsorte, lag in diesen Momenten nicht die Aufmerksamkeit aller auf ihm. Dass er mit Deidara allein war, wunderte niemanden mehr nach ihren vielen gemeinsamen Spaziergängen und Spielpartien.

Gaara hatte diesen Ort absichtlich gewählt. Bei Betreten des Teehäuschens wurden alle gesellschaftlichen Unterschiede abgelegt. Zwar glaubte er nicht, dass der Blonde sich von seinem Status abschrecken ließ, doch er wollte hiermit einfach verdeutlichen, dass er ein ausgeglichenes Verhältnis bevorzugte, solange sie alleine waren. Momentan herrschte noch Schweigen, während er das heiße Wasser in die Teeschale zu dem Pulvertee gab und ihn mit dem Bambusbesen leicht schaumig schlug. Manchmal erstaunte ihn, dass Deidara sich so gut an bestimmte Regeln halten konnte, wenn er nur wollte. Selbst die Teezeremonie war von selbigen durchzogen, aber der Blonde wirkte momentan angenehm entspannt.

Gaara reichte ihm die erste Teeschale. Zwei mal drehte der Krieger sie in der Hand, ehe er sie in drei Schlucken leerte. Die Schale reichte er dem Rothaarigen zurück. Nun bereitete er für sich selbst Tee zu, den er in ruhigen Zügen trank. Eigentlich könnte er einen Teemeister in Anspruch nehmen, der die Zeremonie deutlich besser leiten konnte. Aber dann wäre er mit Deidara wieder nicht alleine. Und er hatte heute diesen Ort als Treffpunkt gewählt, weil er sich mit ihm unterhalten wollte, ohne dabei zeitgleich auf ein Spielbrett achten zu müssen. Noch immer kribbelte es aufgeregt in ihm, wenn er daran zurückdachte, was Deidara vor ein paar Tagen gesagt hatte. Er war bereit, auf ihn einzugehen.

„Der Tee ist gut, hm.“ Deidaras tiefe Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Gaaras Blick, der zuvor auf die Teeschale in seinen Händen gerichtet war, hob sich und sah in das sichtbare Auge. „Ich mag diese Sorte sehr gern“, erklärte der Rothaarige. Den Tee hatte er mit Absicht gewählt. Er wollte Deidara nach und nach kennen lernen und da sollte dieser schließlich auch die Möglichkeit erhalten, umgekehrt ihm näher zu kommen.

„Deine Lieblingssorte?“, hakte der Blonde nach. Langsam nickte Gaara. Er mochte dieses herbe Aroma mit dem süßlichen Nachgeschmack, der sich erst auf der Zunge ausbreitete, wenn man geschluckt hatte. „Hast du noch andere Vorlieben? Außer Go, Shôgi und die Teezeremonie, hm?“ Die Neugierde freute Gaara. Das bedeutete, dass Deidara mehr von ihm wissen wollte.

„Ich züchte Bonsai.“

Amüsiert schmunzelte der Krieger. „Alles eher ruhige Beschäftigungen“, kommentierte er. Zustimmend neigte Gaara den Kopf. Er mochte diese Tätigkeiten. Sie halfen ihm, innere Ausgeglichenheit zu finden und sich zu entspannen.

„Was machst du gern?“, fragte der Rotschopf nun. Von Deidara wusste er nur, dass er gern kämpfte und ein Ausnahmetalent im Bogenschießen war. Und er widersetzte sich gern mal den Regeln. Welche privaten Neigungen der Blonde ansonsten hatte, konnte er bisher nur rätseln.

Deidara stützte seine Hände hinter sich ab und nahm eine sehr lässige Sitzposition ein. „Jagen, Kämpfen, Töpfern… ich bade gern. Heiße Quellen sind schön, das Meer aber auch. Und ich schaue mir gern Kyôgen-Stücke an, hm.“

Das waren mehrheitlich aktive Tätigkeiten. Gaara war bereits zu Ohren gekommen, dass der Blonde öfters Tonkrüge herstellte und auch mit Schwarzpulver füllte. Wie der Krieger an selbiges gelangte, war ihm schleierhaft, aber offensichtlich hatte er gute Quellen. Momentan brauchten sie dessen extravagante Art des Kämpfens jedoch nicht. Deswegen lagerten die Krüge in einer der Waffenkammern. Shikamaru hatte dafür gesorgt, dass diese gefährlichen Waffen dort gelagert wurden, wo sie recht sicher standen.

Interessant fand Gaara die Erwähnung des Theaters. Kyôgen-Stücke waren meist dazu gedacht, die ernsten Stücke des Nô-Theaters in einer Pause aufzulockern. Sie sollten vor allem lustig sein. Dies verstärkte seinen Eindruck noch, dass Deidara im Grunde eine eher heitere Persönlichkeit besaß und selbige nur durch Sasoris Tod belastet worden war.

„Hast du schon einmal in einer heißen Quelle gebadet?“, fragte er. Da Deidara dies explizit erwähnte, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Gaara würde gern mal in einer heißen Quelle baden. Aber auf Shikoku gab es keine.

Der Blonde gab einen bejahenden Laut von sich. „Akatsuki hat in einem alten Onsen gewohnt, bevor wir dich gegen Orochimaru unterstützt haben, hm.“

Das musste schön sein, solch eine Quelle vor der Haustür zu haben und baden gehen zu können, wann man wollte. „Warum wohnt Akatsuki nicht mehr dort?“ Es war doch schade, ein Onsen aufzugeben. Deidara schnaufte. „Tobi hat unser Versteck entdeckt und angezündet, hm.“ Allmählich dämmerte ihm, warum Akatsuki komplett vor seinem Burgtor aufgetaucht war und das auch noch mit einer Frau, von der zuvor nie jemand etwas gehört oder gesehen hatte. Ihr Heim war zerstört worden und sie mussten sich zusammen auf den Weg machen. Gaara wusste nicht so recht, was er darauf antworten sollte. Deswegen deutete er nur ein verstehendes Nicken an und schwieg.

„Warst du schon mal in einer heißen Quelle, hm?“ Glücklicherweise wollte Deidara keine politischen Themen wälzen, was ihm sehr gelegen kam. Gaara schüttelte mit dem Kopf. „Auf Shikoku gibt es keine und bisher war ich bei meinen politischen Reisen nicht in einer Gegend, die heiße Quellen besitzt.“

Leichter Unglaube schlug ihm entgegen. „Du verpasst was“, erklärte Deidara. „Bei deiner nächsten Reise solltest du definitiv eine Nacht in einem Onsen einplanen, hm.“ Gaaras Mundwinkel hoben sich zu einem kleinen Lächeln. „Vielleicht werde ich das tun.“ Seine Antwort war unbestimmt. Eigentlich nutzte er seinen Rang nicht unbedingt aus, um sich jede Annehmlichkeit zu nehmen, die seinem Rand durchaus zustand. Er wollte sein Land verantwortungsbewusst regieren und da konnte er doch nicht immer nur an sich denken. Auf einer politischen Reise gab es genug andere Dinge, die er im Auge behalten musste. Aber sollte zufällig auf dem Weg ein Onsen sein, wäre er garantiert nicht abgeneigt, eine Nacht dort zu verbringen.

Jadefarbene Augen verfolgten aufmerksam Deidaras Bewegungen, als dieser näher kam. Dessen linke Hand hob sich zu seinem Gesicht und schob ein paar Strähnen beiseite, sodass die Narbe auf seiner Stirn freigelegt war. Unbehagen machte sich in ihm breit. Die Narbe gehörte einem Teil seines Lebens an, deren Erinnerung schmerzte.

„Wie kam es zu der Narbe, hm?“, fragte Deidara leise. Gaaras Blick senkte sich auf die Teeschale, die noch immer in seinen Händen weilte. Er wurde nur ungern daran erinnert. Aber ein Geheimnis war es nicht. Und es war ihm lieber, wenn Deidara seine Vergangenheit von ihm selbst erfuhr als von jemand anderem.

„Mein Onkel hat sie mir zugefügt.“ Seine Stimme kam ihm etwas kratzig vor, als er antwortete. „Er war der Meinung, dass ich keine Liebe von anderen verdiene, weil ich meiner Mutter das Leben genommen habe. Ich könne nur mich selbst lieben. Das Kanji soll mich daran erinnern.“ Gaara nahm sich zusammen, nicht unter dem Ansturm der Gefühle, die ihn in vergangenen Tagen so oft heimgesucht hatten, einzuknicken. Yashamaru war erst so freundlich zu ihm gewesen und dann hatte er ihn plötzlich angegriffen und ihn ein Monster genannt. Doch das war vorbei. Inzwischen war alles anders.

„Wie kommt er darauf, hm?“, erkundigte sich Deidara.

Tief atmete Gaara durch. „Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt. Er hat mir die Schuld am Tod seiner Schwester gegeben. Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, würde ich nicht den Sand nach meinem Willen steuern können…“

Abfällig schnaubte der Blonde. „Was für ein Unsinn. Als ob du etwas für den Tod deiner Mutter oder deine Fähigkeiten könntest, hm.“ Sanft strich Deidaras Daumen über die feinen Linien der Narbe. Noch nie hatte jemand sie berührt. Das Gefühl war seltsam.

„Es ist kein Unsinn“, widersprach Gaara gedämpft. „Ich hatte meinen Sand als Kind nicht richtig unter Kontrolle. Er hat auf meine emotionalen Zustände reagiert. Dadurch sind einige zu Schaden gekommen.“ Manche mehr, manche weniger. Und manche waren inzwischen vielleicht schon wiedergeboren worden.

Kurze Stille, dann erhob Deidara seine Stimme wieder. „Deine Mutter auch, hm?“

„Nein.“ Darüber war Gaara sehr froh. Seine Mutter war an den Blutungen gestorben, die nicht hatten enden wollen. Zu dem Zeitpunkt hatte noch niemand von seiner Fähigkeit gewusst.

„Ich hoffe, dein Onkel ist weggesperrt? Das ist doch krank, was er getan hat, hm.“ Langsam hob Gaara seinen Blick und sah in das azurblaue Auge. Deidara wirkte verärgert. Machte er sich so viele Gedanken um ihn? Die Vorstellung war… nett.

„Er ist tot.“ Nach einer kurzen Pause fügte er flüsternd an: „Ich hab ihn umgebracht.“ Bisher hatte er nie so direkt gezeigt, dass ihn seine Vergangenheit mitnahm, geprägt hatte. Als Sohn des Daimyô hatte er stets gelernt, nur Stärke und Selbstbewusstsein zu zeigen. Selbst als Kind war Weinen inakzeptabel gewesen.

Deidara kombinierte richtig, als er fragte: „Weil du deine Fähigkeit nicht unter Kontrolle hattest, hm?“ Gaara nickte. Es hatte ihm sehr wehgetan, dass sein Onkel, den er sehr gemocht hatte, so schlecht über ihn gedacht und ihm etwas vorgespielt hatte. Vor allem auch, weil er angenommen hatte, er glaube ihm, dass er andere nicht absichtlich angriff. Nach diesem Vorfall hatte sich das aber geändert. Dann hatte er bewusst nach seinem Sand gegriffen. Wenn er keine Liebe verdiente, wozu sollte er dann noch versuchen, die Liebe von anderen zu gewinnen? Offensichtlich war er vorher schon nicht dazu in der Lage gewesen. Diese Denkweise hatte sich dank Naruto gewandelt, dem Sohn eines Samurai, der in Matsuyama mit seinem Daimyô zu Besuch gewesen war. Aber unsicher war Gaara immer noch, ob er nun liebenswert war. Verdiente jemand wie er es, geliebt zu werden? Er wünschte es sich. Daher war er auch sehr dankbar, dass Deidara sich nicht an seiner Fähigkeit zu stören schien und auf sein Interesse eingehen wollte.

Dessen Hand löste sich langsam von ihm. „Wie konnte er dich überhaupt verletzen, hm?“ Die Frage war berechtigt, denn sobald er sah, was auf ihn zukam, schützte sein Sand ihn. „Ich… war schockiert und konnte erst nicht glauben, dass mein Onkel, der behauptet hatte, er würde mich lieben, mich so sehr verabscheute.“

Deidara fuhr sich mit den Fingern der linken Hand durchs Haar und schob es über die Schulter zurück. „Was für ein Idiot.“ Gegen seinen Willen musste Gaara leicht schmunzeln. Es wirkte, als sei das Thema für den Blonden damit abgeschlossen. Einfach so. Nach dem Motto, er wusste es nun, bildete sich seine Meinung dazu und legte es dann in eine Schublade, um das Wissen dort aufzubewahren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Die Menschen haben nun mal Angst vor Dingen, die sie nicht erklären können.“ Zauberei nannten manche seine Fähigkeit. Als Dämon oder Monster hatte man ihn auch schon oft betitelt. Definitiv war diese Macht widernatürlich. Davor fürchteten sich die Menschen. Und Furcht konnte schnell in Hass umschlagen.

Deidara lachte. Irritiert runzelte sich die Stirn des Rothaarigen. „Was ist so lustig?“, fragte er. Gaara konnte sich wirklich nicht erklären, warum Deidara seine Worte so erheiterten. Belustigt sah ihn das azurblaue Auge an. „Das sind alles Weicheier, hm.“
 

____________________________________________________

Ich habe die Geschichte ein kleines bisschen abgeändert, weil ich es für diese FF hier mit Gaaras Kanji auf der Stirn passender finde :)

Shôgatsu

Heute war Shôgatsu[53] und Deidara musste Wache schieben. Die meisten Samurai waren natürlich bei ihren Familien. Nur die ungebundenen Krieger hatten die Verpflichtung, ihren Aufgaben nachzukommen, damit keine Lücke im Schutz der Burg aufsprang. Eigentlich wäre Deidara gern zu Akatsuki geritten. Shôgatsu mit der Bande war immer lustig gewesen. Aber sie waren heute unterbesetzt. Ein Angriff würde fatale Folgen nach sich ziehen, sollte jemand den Festtag ausnutzen wollen.

Also hielt der Blonde gelangweilt auf der Mauer Wache, schritt langsam den Wehrgang seines Abschnittes entlang. Zeitlich versetzt war den wenigen Wachhabenden erlaubt, den Schrein zu besuchen[54]. Was Gaara wohl machte? Sicherlich verbrachte er den Tag mit seiner Familie wie es Brauch war. Gesehen hatte er den Daimyô bisher nur vom Weiten auf ihrem Weg zum Schrein.

Schnaufend lehnte Deidara sich gegen die Mauer und stützte seine Unterarme auf den abschließenden Ziegeln ab. Sein Blick glitt über die Matsuyama und die sich anschließende Landschaft. Die Natur erwachte gemächlich zum Leben. Die Winter waren auf Shikoku nicht so hart wie auf der Hauptinsel im Gebirge und Schnee fiel selten, aber deutlich erkannte man den Frühlingsbeginn. Die ersten Blumen sprossen und die Bauern begannen mit der Aussaat. Deidaras Auge richtete sich auf das Meer zu seiner Linken. Der Wind brachte eine gewisse Unruhe mit sich und trieb die Wellen vor sich her zum Strand.

Er könnte einfach abhauen und zu Akatsuki reiten. Aber das hätte er schon gestern machen sollen, da er mindestens einen Tag brauchte bis zum Geisterwald, wenn er schnell ritt. So oder so käme er erst morgen an, würde er jetzt noch losreiten. Leise seufzte er. Deidara fühlte sich ein wenig einsam. Alle waren hier immer so ernst und regelkonform. Eine gute alte Prügelei gab es nicht. Hidan war für den Spaß immer zu haben gewesen und sei es nur, weil Deidara irgendwo überschüssige Energie oder Frust abbauen wollte. Sogar Itachis Raben vermisste er ein wenig. Hier flog nie ein Vogel ins Gebäude und sorgte für Chaos. Was der Vogel nun wohl machte, wo das Onsen nicht mehr existierte? Oder Kisames Fürsorge. Manchmal war der Ältere nervig gewesen, wenn er immer gefragt hatte, was los war, aber hier interessierte das niemanden außer Gaara. Deidara wusste, dass er mehr oder weniger geduldet wurde, weil niemand die Entscheidung des Daimyô öffentlich anzweifeln wollte. Aber er bemerkte die Blicke der anderen Krieger. Sie sahen in ihm nach wie vor den Rônin. Und sie hatten Recht damit, denn innerlich fühlte er sich so. Als Rônin war man frei und konnte gehen, wohin man wollte. Bei Akatsuki gab es nur wenige Regeln. Sie hatten ihn nicht einmal gestört, waren sie keine wirkliche Belastung, wenn man eine Beziehung zu den anderen hatte und es irgendwo ein ‚Wir‘ gab. Und er gehörte auch immer noch zu ihnen. Yahikos letzte Worte waren eindeutig gewesen, bevor er das Anwesen im Geisterwald verlassen hatte.
 

„Leg endlich Sasoris Schwerter ab. Sonst kommst du nie über den Verlust hinweg.“
 

Der Anführer von Akatsuki sah ihn als zugehörig. Ansonsten hätte er das nicht gesagt. Deidara glaubte jedoch nicht, dass er jemals ganz über Sasoris Tod hinweg kommen würde. Sein Meister bedeutete ihm einfach zu viel und das würde auch so bleiben. Aber das Leben ging weiter, so weit war er inzwischen. Sasoris Waffen lagen nun auf der Halterung in seinem Wandschrank. Er hatte die Schwerter getauscht, nachdem er aus Hiroshima zurückgekehrt war. Es sollte ein Zeichen sein, dass er bereit war, sich wieder auf die Gegenwart und Zukunft einzulassen, was sie bringen würde. Aber gerade jetzt vermisste er seinen toten Meister. Und Akatsuki. Das Jahr nach der Schlacht war es ihm lieber gewesen, allein zu sein als zwischen den anderen Rônin ohne seinen Meister. Die Angst, dass es einfach ohne Sasori weitergehen würde, hatte tief gesessen. Doch nun, wo er sich wieder mehr und mehr seiner Umgebung öffnete… bemerkte er, dass er die ungezwungene Interaktion mit anderen vermisste.

Deidara fuhr sich mit der linken Hand durchs Haar und stieß sich von der Mauer ab, um seinen Weg über den Wehrgang fortzuführen. Er sollte schließlich Wache schieben.
 

Die Sonne war lange hinter den Horizont getaucht, als Deidara aus dem Bad kam und in sein Zimmer schritt. Das feuchte Haar hing ihm schwer über die Schulter. Ein paar letzte Wassertropfen wurden vom roten Stoff des Yukata aufgesogen. Die Öllampe stellte er neben seinem Futon ab, der bereits ausgebreitet an der äußeren Wand unter dem Fenster lag. Vielleicht ein Überbleibsel aus seiner Zeit nach Sasoris Tod. Eine Wand im Rücken konnte ihm ein wenig Halt geben, auch wenn es nur eine Illusion war.

Der Blonde sah zum Wandschrank. Nach ein paar Augenblicken des Starrens überwand er die wenigen Meter und öffnete ihn. Im Schneidersitz ließ er sich auf die Tatami sinken und betrachtete das elegant geschwungene Katana in der dunkelroten Saya. Man könnte meinen, sie sei in Blut getränkt. Behutsam, als handele es sich um ein lebendiges Wesen, nahm er das Katana in die Hände und zog die Klinge ein Stück weit aus ihrer Hülle. Nahe des Griffes prangte ein kleiner Skorpion auf der breiten Seite des Katana. Sein Daumen glitt sanft über die Gravur. Kalt schmiegte sich der Stahl gegen seine Fingerkuppe. Solange Sasori gelebt hatte, war er nie zu Shôgatsu allein gewesen. Tief seufzte der Blonde.

Ein leises Klopfen an der Schiebetür riss ihn aus seiner Trauer. Wer konnte das jetzt noch sein? Ein Diener mit einer wichtigen Mitteilung? Deidara schob die Klinge gänzlich zurück in die Saya. Das charakteristische Klacken erscholl. Sasoris Katana fand seinen Platz auf der Halterung. Schwerfällig erhob Deidara sich, schob die Schranktür zu und trottete zur Tür. Erst dort raffte er sich auf. Niemand sollte ihm seine Trauer ansehen. Er schob die Tür auf.

Überraschung zuckte durch sein sichtbares Auge. „Gaara…“, entkam es ihm leise. Der Daimyô stand mit einem Tablett vor seiner Tür und wirkte ein wenig unruhig. Sein Blick huschte durch den leeren Flur. „Kann ich reinkommen?“, fragte er. Es war offensichtlich, dass er nicht gesehen werden wollte. Bemerkte ihn jemand, wie er um diese Zeit in Deidaras Zimmer trat, würden unweigerlich Gerüchte aufwallen wie die Fahnen auf den Burgmauern von den Windböen aufgebauscht wurden.

Deidara wich einen Schritt zur Seite, damit der Rotschopf eintreten konnte. Hinter ihm schloss er die Tür und sah zu ihm. „Was machst du hier? Um diese Zeit, hm?“, fragte Deidara mit gedämpfter Stimme. Gemächlich folgte er Gaara zum Tisch, auf welchem dieser das Tablett abstellte, ehe er sich ihm zuwandte.

Der Daimyô war nur in einen beigefarbenen Yukata gekleidet. Am unteren Saum und auf den Ärmeln zogen große Chrysanthemen in warmem Rot die Aufmerksamkeit auf sich. Einzelne grüne Blätter umrahmten die stilisierten Blüten. Der Yukata wurde von einem ebenfalls roten Obi zusammen gehalten. Das war das erste Mal, dass Deidara den Rotschopf in eher privater Kleidung sah. Jadefarbene Augen erfassten ihn. „Ich möchte gern ein wenig Zeit mit dir verbringen“, erklärte Gaara. „An Shôgatsu sollte niemand alleine sein.“

Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Es war angenehm, dass der Rotschopf an ihn dachte. „Danke“, hauchte der Blonde. Das bedeutete ihm viel. Gaara verhinderte vermutlich gerade, dass er sich mit Sasoris Katana in den Armen im Bett zusammenrollte und in seiner Sehnsucht versank.

„Allerdings habe ich nur ein Sakeschälchen. Stört es dich, wenn wir uns das teilen? Es wäre aufgefallen, hätte ich zwei bestellt.“ Warf das Licht der Öllampe einfach nur einen seltsamen Schatten oder wirkte Gaara tatsächlich verlegen? Sicher war Deidara sich nicht.

„Stört mich nicht“, versicherte der Blonde. „Setz dich, hm.“ Er deutete auf das Sitzkissen. Während Gaara seiner Aufforderung nachkam, stellte er die Öllampe auf den Tisch und zog aus dem Schrank ein zweites Sitzkissen. Er setzte sich neben Gaara und betrachtete nun erstmals genauer, was er mitgebracht hatte. Mochi[55] und Thunfisch eingewickelt in süßen gekochten Seetang fanden sich neben einer Flasche Sake und einem zur Flasche passenden Schälchen. Traditionell war ihm heute zum Essen auch Mochi gereicht worden, zusammen mit Miso-Suppe. Aber es hatte sich nicht wie Shôgatsu angefühlt.

„Das ist für dich.“ Gaara deutete auf die Speisen. Irritiert sah er den Rotschopf an. „Du möchtest nichts, hm?“

Ein leichtes Kopfschütteln war die Antwort. „Ich habe vorhin gegessen.“ Deidara fand es nett, dass Gaara nicht extra erwähnte, dass er mit seiner Familie gegessen hatte. Denn das war klar. Der Blonde griff nach den Stäbchen und begann zu essen. Beim ersten Bissen fiel ihm der Unterschied auf. Die Köche veredelten selbstverständlich die Speisen der herrschenden Familie. Die Mahlzeiten der Krieger waren gut, das wollte er gar nicht bestreiten. Jedoch war der Seetang süßer und der Thunfisch zarter sowie mit weiteren Gewürzen verfeinert. Ein wohltuend harmonischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. „Ffmeckt lecker“, erklärte der Blonde. Gaaras Mundwinkel hoben sich zu einem kleinen Schmunzeln. In dem Moment wurde ihm bewusst, dass er wieder einmal mit vollem Mund sprach. Sasori hatte ihn immer dafür gerügt.

Schweigend aß Deidara weiter. Auf den Tellern blieben bestenfalls ein paar kleine Krümel zurück. Angenehm gesättigt legte der Blonde die Stäbchen zurück auf das Tablett. Das azurblaue Auge verfolgte die ruhigen Bewegungen, während Gaara Sake in das Schälchen goss. Auffordernd hielt der Rotschopf ihm selbiges hin. Ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. „Willst du mich besoffen machen, hm?“, fragte er, nahm ihm das Schälchen trotzdem ab und trank daraus. Der Sake war angewärmt. Und es musste sich um eine sehr edle Sorte handeln, denn solchen Sake hatte der Blonde noch nie getrunken. Samtig benetzte die Flüssigkeit seine Zunge und hinterließ ein anregendes Kribbeln.

Gaara schmunzelte. „Nein.“

Deidara hielt ihm das halbleere Schälchen hin. „Na dann trink, hm“, forderte er ihn amüsiert auf und beobachtete zufrieden, wie der Rotschopf nach dem Sakeschälchen griff und ebenfalls von dem warmen Sake trank. Da die Schale recht klein war, war sie auch entsprechend schnell leer, wenn man zu zweit trank, sodass Gaara bereits nachfüllen musste.

„Du bist heimlich hier, nicht wahr?“ Es war eher eine Feststellung denn eine Frage. Aber der Gedanke belustigte ihn, dass Gaara sich durch seine eigene Burg schlich, um mit ihm den ersten Abend des neuen Jahres zu verbringen. Ob das Prickeln in seinem Inneren nun von dem Sake kam oder doch eher von dem Gedanken, dass er Gaara wichtig war, da war er sich nicht ganz sicher. Er fühlte sich aber gerade zu wohl, um sich darüber nähere Gedanken zu machen.

Gaara nickte. „Ich möchte kein Gerede aufkommen lassen.“ Deidara konnte das sogar nachvollziehen. Wie viel Respekt hatte man vor einem Daimyô, der wegen persönlicher Belange einen Rônin bei sich aufnahm? Den normalen Maßstab konnte er zwar nicht bei Gaara anlegen wegen seiner Gabe, jedoch würden die Männer hinter seinem Rücken darüber reden.

Deidara trank erneut vom Sake. Über den Rand des Schälchens hinweg fixierte er die jadefarbenen Augen. „Und was, wenn dich jemand sucht, hm?“ Seine Stimme senkte sich und erhielt einen raueren Unterton. Ein Resultat des Sake vermischt mit Gaaras Anwesenheit. Denn dieser gab ihm erst einen Anreiz.

„Ich hoffe, dass es heute keinen Grund mehr gibt, mich aufsuchen zu müssen“, erwiderte der Rotschopf und nahm ihm das Schälchen aus der Hand, um es zu leeren. Als er es abstellte, verweilte Deidaras Blick auf den feucht glänzenden Lippen. Das Verlangen wuchs in ihm, diese schön geschwungenen Lippen zu vereinnahmen. Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte er seine Hand nach Gaara aus und schob sie in dessen Nacken, um ihn näher zu sich zu ziehen. Deutlich spürte Deidara dessen Hand, die sich auf seinem Oberschenkel abstützte und ein Prickeln auf seiner Haut auslöste. Aufmerksam lag der Blick des Daimyô auf ihm. Sie waren sich so nah, dass der Blonde seinen warmen Atem auf den Lippen spüren konnte. Ein zartes Rot breitete sich auf Gaaras Wangen aus und ließ ihn sanfter wirken. Deidara mochte diesen Ausdruck. Zusammen mit dem schummrigen Licht der Öllampe, welches den Rotschopf wohlig einhüllte, bot sich ihm eine Verlockung, der er nicht widerstehen wollte.

„Dann hoffe ich das, hm“, flüsterte er, ehe er seiner Begierde nachgab. Begehrend presste er seine Lippen gegen Gaaras.
 

_______________________________________________

[53]Shôgatsu: Neujahrsfest. Früher wurde es zu Beginn des Frühlings gefeiert. Erst seit 1873 stellte Japan auf den gregorianischen Kalender um und legte Neujahr auf den 1.1.

[54]traditioneller Neujahrsschreinbesuch: hatsumôde (wird nicht durchgeführt, wenn im vergangenen Jahr jemand in der Familie verstorben ist)

[55]Mochi: Reiskuchen.

Eine neue Situation

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Frühlingsmorgen

Am nächsten Morgen verließ der Rotschopf Deidaras Zimmer, bevor die Sonne aufging. Niemand sollte ihn auf dem Weg zurück in seine eigenen Gemächer erwischen. Zum Abschied teilten sie noch einen zärtlichen Kuss. Sobald der Blonde allein war, ließ er sich auf seinen Futon zurück sinken und starrte zur Decke hoch. Seine Gedanken schweiften ab zum vergangenen Abend. Er war überrascht gewesen, dass Gaara so unerfahren war. Aber es war niedlich. An dem sanften Rotschimmer auf seinen Wangen fand der Blonde sehr großen Gefallen. Darum hatte er sich auch nicht mehr so ganz zurückhalten können und ihn wohl doch etwas überfordert. Der herrlich erregte Ausdruck in den jadefarbenen Augen zusammen mit den rosigen Wangen war es ihm eindeutig wert gewesen. Außerdem war Gaara recht empfindlich. Ob er selbst anfangs auch so anfällig für jede Berührung gewesen war? Deidara konnte das nicht genau abschätzen.

Zugegeben, es war anders gewesen, mit dem Daimyô intim zu werden. Gaara reagierte auf verschiedene Berührungen anders als Sasori. Das war eigentlich völlig normal, schließlich war er nicht sein toter Meister. Ein wenig ungewohnt war diese Tatsache anfänglich gewesen. Daneben war es jedoch auch sehr aufregend. So unerfahren und vielleicht auch verlegen der Rotschopf gewesen war, mindestens so viel Neugier war in ihm verborgen, mit der er seinen Körper anschließend erkundet hatte. Für Deidara hatte es sich reizvoll angefühlt, nicht erahnen zu können, wo die Finger als nächstes hinwanderten, was Gaara vielleicht tat. Der Unterschied zu Sasori war gewaltig, aber sein Meister hatte zuvor schon Erfahrung in dem körperlichen Zusammenspiel gehabt. Anfangs war Gaara noch sehr vorsichtig und sanft gewesen, was für den Blonden beinahe zu einer Qual geworden war. Deidara hatte ihn schließlich mit dem ein oder anderen neckenden Spruch ein wenig aus der Reserve gelockt. Es kam einer Erlösung gleich, sobald Gaara darauf eingegangen war und ihn fordernder angefasst hatte.

Deidara war sich sicher, dass hinter der beherrschten Fassade mehr brodelte, was er auch schon bei ihren Übungskämpfen bemerkt hatte. So viele Empfindungen hatte er in der vergangenen Nacht in Gaaras Gesicht gesehen. Er war gespannt, wie es weiterging.

Ein wohliges Gefühl durchstreifte Deidaras Inneres. Es war angenehm, solche Gesten der Zuneigung wieder mit jemandem teilen zu können und anschließend gemeinsam einzuschlafen. Und es gefiel ihm, wie Gaara seinen Arm um ihn gelegt hatte. Sasori hatte sich selten auf Nähe beim Schlafen eingelassen. Der Ältere hatte eher geduldet, dass er sich an ihn geschmiegt hatte. Deidara fand das nie schlimm, es war eben Sasoris Art. Und er kannte es nicht anders, bis letzte Nacht. Die Erfahrung war schön gewesen. Das würde er gern wiederholen.
 

Sie leerten gemächlich die Sakeflasche, ehe Deidara die Öllampe löschte. Es freute ihn, dass Gaara über Nacht hier bleiben wollte. Deidara hatte seinen Yukata inzwischen einigermaßen gerichtet, ebenso wie der Rotschopf. Die Spuren ihres Tuns waren beseitigt. Auffordernd sah der Blonde Gaara an und wartete, dass dieser zu ihm unter die Decke kam. Kaum lag er, schmiegte Deidara sich an ihn wie er es früher bei Sasori getan hatte. Nach ein paar Herzschlägen tastete eine Hand an seinem Arm entlang und legte sich in seine Taille. Entspannende Wärme hüllte den Blonden ein. Müde schloss er die Augen. Es tat so gut, nicht allein zu schlafen. Er hatte fast vergessen, wie angenehm das sein konnte.

„Deidara?“ Leise drang Gaaras Stimme an seine Ohren. „Hm?“ Hoffentlich erwartete der Daimyô nun keine ausführlichen Antworten von ihm. Sein Geist driftete bereits ab.

„Woher stammen eigentlich die Narben an deinen Händen und Armen?“

Die Frage konnte der Blonde noch beantworten. Dafür musste er keine komplizierten Gedanken wälzen. Bisher konnte Gaara lediglich die Narben in seinen Handinnenflächen gesehen haben, aber vorhin, nachdem er ihm den Yukata vom Oberkörper gestreift hatte, waren auch die Narben an seinen Armen sichtbar geworden. „Bin beim Jagen einen Hang runtergestürzt, hm“, gab Deidara murmelnd von sich. Die Narben waren nach über vier Jahren auch nicht mehr so störend wie früher. Aber manchmal spannten sie unangenehm bei großer Hitze oder Kälte.

Gaara gab einen verstehenden Laut von sich. Vielmehr gab es dazu auch nicht zu sagen. Es war eine Geschichte aus der Vergangenheit, die ihre Spuren fühlbar auf ihm hinterlassen hatte, mehr nicht. Zufrieden schmiegte Deidara sein Gesicht gegen Gaaras Hals und atmete tief dessen betörenden Eigengeruch ein.
 

Nie hätte Deidara gedacht, jemals wieder einen Menschen anziehend zu finden oder mit ihm gar den Futon teilen zu wollen. Es war ihm erschreckend leicht gefallen, auf Gaara einzugehen. Lag es daran, dass sein Meister nun seinen Frieden hatte? Vielleicht war es das. Die Zeit trug sicherlich auch ihren Teil dazu bei, denn die Schlacht und Sasoris Tod waren fast zwei Jahre her. Die Erinnerung an seinen Danna war noch immer schmerzhaft, aber ertragbar geworden. Das Gefühl, in ein bodenloses Loch zu fallen, in dem er keinen Halt fand, war vergangen.

Deidara musste sich wohl eingestehen, dass Gaara daran nicht ganz unschuldig war. Ohne ihn würde er wahrscheinlich immer noch durch Japan trotten, ohne Ziel und den Willen zu leben. Vielleicht wäre er auch schon tot. Im Nachhinein betrachtet fragte der Blonde sich, wie er sich aus so mancher Situation lebend herausmanövriert hatte. Die Erinnerungen an dieses eine Jahr waren verschwommen und er war sich nicht sicher, in welche Reihenfolge die Situationen und Kämpfe gehörten. Wie oft war er betrunken gewesen, dass er keine rechte Ordnung hineinbringen konnte?

Was Gaara nur an ihm gefunden hatte zu diesem Zeitpunkt? Er war ein Wrack gewesen, als er in seine Eskorte hineingetaumelt war. Der Daimyô hatte sogar seine Laune ertragen …und ihn mit der Wahrheit konfrontiert, mit der Schande, die er Sasori bereitete. Gaara hatte ihm ein Seil in das dunkle Loch geworfen. Zuerst hatte es ihn einfach nur gehalten und davor bewahrt, noch tiefer zu fallen, bis er langsam daran emporgeklettert war. Nur in winzigen Etappen hatte der Blonde den Aufstieg nach und nach bewältigt, aber es war heller geworden. Aus seinem Loch war er inzwischen wohl ausgebrochen. Deidara gelang es wieder, sich am Leben zu erfreuen, hatte Spaß an einem guten Kampf und gutem Essen. Und er brauchte wieder zwischenmenschliche Kontakte. Es wäre schön, wäre Akatsuki näher. Dann könnte er die Bande öfter sehen. Denn bis auf Gaara hatte er hier niemanden, dem gegenüber er sich frei verhalten konnte. Und auch nur untereinander war eine ungezwungene Konversation möglich. Sobald sie nicht mehr allein waren, musste die Distanz des Anscheines Willen gewahrt werden.

Tief atmete der Blonde durch. Er sollte Akatsuki wieder besuchen. Immerhin waren mehrere Monate vergangen, seitdem er sie im Geisterwald aufgespürt hatte. Itachi lebte vermutlich auch noch. Deidara schnaufte. Für den Uchiha empfand er nach wie vor keine Sympathie, aber er war wohl inzwischen ruhiger geworden. Bei dem Gedanken an ihn verspürte er nicht mehr sofort das wütende Verlangen, gegen ihn kämpfen zu wollen. Vielleicht hatte Zetsu inzwischen etwas über Sasukes Verbleib herausgefunden. So lange konnte sich der Bursche wohl kaum vor ihrem Spion verbergen. Deidara ging allerdings davon aus, dass sie ihn unterrichtet hätten, würde etwas Bedeutendes vor sich gehen.

Der blonde Krieger rappelte sich auf. Es wurde langsam Zeit, das Bad aufzusuchen und sich für den Tag fertig zu machen. Um diese Zeit war im Bad noch nicht viel los. Nur wenige Samurai wuschen sich um diese frühe Stunde, was daran lag, dass der Schichtwechsel noch nicht nahe gerückt war. Der Blonde wollte allerdings noch Sasoris Grab besuchen, bevor er seiner Arbeit nachging. Anfangs hatte er sein Grab jeden Tag besucht. Der Ort war für ihn zum Anker geworden. Es hatte ihm geholfen, die Kanji zu sehen, die den Namen seines Meisters verkündeten und einen Platz zu haben, an dem er ihm nahe sein konnte. Irgendwann war der Weg zu Sasoris Grab für Deidara so alltäglich geworden wie das Essen und Trinken. Nach getaner Arbeit nahm er von der Mahlzeit immer eine Kleinigkeit von den Speisen, um sie als Opfergabe vor den Butsudan in die flache Schale zu legen. Auf die Art hatte er es geschafft, eine Art Frieden für sich zu finden, ohne befürchten zu müssen, seinen Danna zu vergessen.

Deidara schlüpfte in seine Zori und trat aus dem Gebäude. Unter seinem roten Gi lugte der cremefarbene Hadagi hervor und seine Beine wurden vom ebenfalls cremefarbenen Hakama bedeckt. Seine rechte Hand legte sich lässig auf dem Griff seines Katana ab. Ruhig schlenderte der Blonde den Weg zu den Gräbern entlang. Die ersten Sonnenstrahlen umfingen ihn. Noch war es morgendlich kühl, aber Deidara genoss den leichten Schauer und den salzigen Geruch des Meeres, den der Wind über die Burgmauern trug. Er fühlte sich angenehm lebendig.

Vor Sasoris Grab verweilte er. Sein Blick glitt über den eingemeißelten Namen seines Meisters. „Guten Morgen, Danna“, hauchte er.

Ein ruhiger Abend

Deidara lenkte sein Pferd durch das Burgtor. Ein paar Wochen waren seit Shôgatsu vergangen. Die letzten zwei davon hatte er bei Akatsuki verbracht. Für ihn war es Erholung vom Samurai-Dasein gewesen. Keine steifen Verhaltensweisen, weniger Regeln. Die Menschen mochten ihn. Mehr oder weniger. Ob Itachi ihn leiden konnte, wusste er nicht und es interessierte ihn auch nicht. Das gesamte Miteinander bei der Rôninbande war schlicht und ergreifend ungezwungener. Obwohl er sich fragte, wie es wohl gewesen wäre, wäre Gaara mitgekommen. Natürlich waren das nur hypothetische Gedanken, denn der Daimyô würde sich nicht nur mit ihm für ein paar Tage aus seiner Burg entfernen. Interessant wäre es schon, wie der Rotschopf sich bei Akatsuki einfinden würde. Aber zum einen war sein Reich dann angreifbarer und zum anderen müsste er wenigstens seine engsten Vertrauten in Kenntnis setzen, damit diese sich eine gute Lügengeschichte für die Öffentlichkeit ausdenken konnten. Ganz davon abgesehen, dass Shikamaru Gaara nicht mit nur einer Begleitperson aus der Burg herausließ. Sein Amt als General nahm er sehr ernst. Deidara wäre längst verrückt geworden, so wenig Freiheit zu haben. Dabei war Gaara der Herrscher. Irgendwie war das absurd.

Aus Gewohnheit sattelte Deidara sein Pferd selbst ab, überließ es aber den Stallburschen, sich um das Futter für das Tier zu kümmern. Der Blonde freute sich auf ein entspannendes Bad, eine gute Mahlzeit und seinen Futon. Ob er Gaara heute noch zu Gesicht bekommen würde, war schwer einzuschätzen. Seit Shôgatsu kam er öfters spät abends zu ihm und blieb über Nacht, aber einen Rhythmus hatte er noch nicht entdeckt, woran er festmachen konnte, wann der Daimyô kam. Doch zuerst wollte er Sasoris Grab besuchen, war ihm das während seiner Zeit außerhalb der Burg nicht möglich gewesen und er hatte es vermisst.
 

Der Blonde löschte die Öllampe und streckte sich auf seinem Futon aus. Müde gähnte er und rollte sich auf die Seite. Die Decke zog er bis über die Schulter. Allerdings hatte er die Lider noch nicht lange geschlossen, da vernahm er ein leises Klopfen an der Tür. Deidara schob die Decke zurück und erhob sich. Er trat zur Tür und öffnete sie. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, als er in den Schatten des Flures Gaara erkannte. Wortlos ließ er ihn herein und schloss die Schiebetür hinter ihm. Erst jetzt sprach er, wo niemand sonst ihn mehr hören konnte. „N’abend, hm.“ Deidara sprach gedämpft, fühlte er sich schläfrig, da er ja eigentlich schon in der Verfassung war, schlafen zu wollen.

Gaara erwiderte den Gruß leise und trat dicht an ihn heran, um sich einen Kuss von ihm zu stehlen. Es fühlte sich gut an, nach dem Heimkommen so begrüßt zu werden. „Du siehst müde aus“, sagte der Rotschopf leise, nachdem er ihn ausgiebig gemustert hatte. Deidara schnaufte beinahe amüsiert. „Der Ritt war anstrengend, hm.“

Sanft griff der Blonde nach Gaaras Hand und zog ihn einfach mit zum Futon. Er ließ sich darauf nieder und rutschte etwas, damit für den Rotschopf auch noch Platz war. Sobald sie lagen und die Decke über ihnen ausgebreitet war, schmiegte Deidara sich gegen den warmen Körper des Daimyô und schloss entspannt die Augen. Dessen Arm legte sich wie üblich um ihn. Viel war mit ihm heute nicht mehr anzufangen, aber das hatte Gaara schon verstanden. Ein paar Worte wechseln sollte aber kein Problem darstellen. Wenn er einschlief, merkte Gaara das schon.

„Wie war es?“, fragte dieser leise in die Stille hinein.

„Angenehm“, murmelte Deidara. „Konan ist schwanger und es machen sich schon alle Sorgen, dass Hidan einen schlechten Einfluss auf das Kind haben könnte, hm.“

Gaara stimmte ihm zu. „Bei Hidan kann ich mir das durchaus vorstellen.“ Selbst Gaara musste dessen rabiates Verhalten mitbekommen haben vor zwei Jahren. Apropos schwanger, da fiel ihm ein, Temari war kurz vor der Entbindung gewesen, als er zu Akatsuki geritten war. „Wie geht es deiner Schwester?“

Der Daimyô antwortete: „Temari geht es gut. Sie hat Zwillinge zur Welt gebracht. Ein Junge und ein Mädchen. Sie heißen Taki und Mika.“ Milde Freude schwang in seinen Worten mit. Das waren wirklich gute Neuigkeiten. „Das ist schön, hm.“ Und Deidara würde mit den Kindern so gut wie nichts zu tun haben, darum musste er sich nicht mit dem Zuwachs auseinandersetzen so wie Hidan. Konans und Yahikos Kind würde mitten unter Akatsuki aufwachsen. Das wurde bestimmt chaotisch.

Deidaras Gedanken wichen ab zu den eher weniger erfreulichen Dingen, die er gehört hatte. „Sasuke ist wieder aufgetaucht“, begann er ernst. Ein fragender Laut von Gaara zeigte ihm, dass er mehr dazu hören wollte.

„Er scharrt Orochimarus frühere Anhänger um sich und hat begonnen, die Burg in Nagoya wieder aufzubauen, hm.“

Einige Augenblicke herrschte Ruhe. Nur leises Atmen war zu vernehmen. Deidara wusste, dass Gaara ab und an in Gedanken versank und vermutlich Probleme wälzte. Als Daimyô musste man so viel beachten. Ignorieren konnte er den jungen Uchiha definitiv nicht.

„Wie hat er das geschafft?“, fragte Gaara schließlich.

Deidara seufzte. „Das hat Zetsu noch nicht herausgefunden. Aber Akatsuki ist sich sicher, dass er Hilfe hatte von jemandem, der in Orochimarus Gunst weit oben gestanden haben muss, hm.“ Es wurde immer deutlicher, dass Jûgo nicht der einzige Überlebende bei der Explosion gewesen war. Und das nagte an Deidara. Er hoffte, dass der Grünhaarige herausfand, wer noch alles unter den Lebenden weilte. Denn je nachdem, welche Nachricht der Spion brachte, war seine Rache nach wie vor unvollendet. Deidara ließ den Mörder Sasoris nicht ungestraft. Sollte der Falsche leben, würde er ihn umbringen!

Ebenso war klar, dass Gaara Sasuke und seine Begleiter wegen dem Angriff auf seine Eskorte nicht mehr so leicht zur Rechenschaft ziehen konnte. Die Decke raschelte leise, als der Rotschopf sich kurz bewegte. „Wir müssen das im Auge behalten“, erklärte Gaara schließlich. Zustimmend brummte Deidara. Wenn es sein musste, sprengte der Blonde die Burg auch ein zweites Mal in die Luft, aber dann so, dass selbst von dem zähsten Krieger nur noch ein paar undefinierbare Überreste blieben.

Beide hingen erneut ihren Gedanken nach. Eigentlich war Deidara körperlich müde und würde gern schlafen. Doch nun war sein Geist wieder hellwach und beschäftigte sich mit weiteren Gedanken, die er seit Wochen hin und herschob, aber keine Antwort darauf fand. Und wenn er Gaara nicht endlich danach fragte, fand er heute Nacht wohl auch keinen Schlaf mehr.

„Gaara?“, hauchte er nach einer Weile. Sollte der andere schon schlafen, wollte er ihn auch nicht mehr stören. Allerdings glaubte er nicht, dass der Rotschopf nach diesen Informationen schon Ruhe fand.

„Ja?“, war die ebenso leise Antwort.

Sollte er wirklich fragen? Ja, Deidara wollte es einfach wissen. „Warum hast du mich damals eigentlich aufgelesen und mir erlaubt, als Gast in deiner Burg zu bleiben? Ich hab dir nur Ärger gemacht, hm.“ Er bereute, dass er die Gutmütigkeit des Daimyô so ausgereizt hatte. Zwar könnte er sich mit seinem zu dieser Zeit instabilen seelischen Zustand herausreden, aber letztendlich war er trotzdem an seinen Taten schuld.

Die Antwort folgte nun recht zügig. „Ich wollte, dass du wieder zu deinem Selbst zurückfindest“, erklärte Gaara ruhig, aber mit einem Nachdruck, der deutlich machte, dass er sich von dem Vorhaben nicht hätte abbringen lassen. „Das Funkeln in deinen Augen hat mich von Anfang an fasziniert und deine furchtlose Art… zugegeben, manchmal bist du etwas respektlos, aber ich kann damit leben.“ Gaaras Stimme war weicher geworden. Wärme füllte sein Inneres aus. Schon seit ihrer ersten Begegnung musste Gaara ihn beobachtet haben. Das Gespräch auf dem Wehrgang damals war dann vermutlich auch kein Zufall. Aber zu dem Zeitpunkt hatte der Daimyô noch nicht wissen können, welches Verhältnis er zu Sasori gehabt hatte. Und als Deidara selbiges bei der Totenzeremonie für Sasori mit dem Kuss gezeigt hatte, hatte Gaara trotzdem nicht von ihm abgelassen.

„Danke…“, hauchte er. Es bedeutete ihm viel. Ohne den Rotschopf wäre er im Nichts versunken. Er hatte ihn ganz ähnlich vor der Einsamkeit und dem Tod gerettet wie sein Danna damals nach dem Verlust seiner Eltern. Deidara spürte, wie Gaara den Kopf drehte und einen Herzschlag später drückten sich dessen weiche Lippen gegen seine Stirn. Deidaras Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln und er kuschelte sich enger an Gaara. Das war ihm Reaktion genug. Entspannend durchströmte ihn das Gefühl der Geborgenheit. Für die Zweisamkeit mit dem Daimyô war es in Ordnung, hier in der Burg zu leben. Deidara kam mit den anderen schon zurecht. Sollten sie ihm auf die Nerven gehen, zeigte er ihnen einfach, mit wem sie sich angelegt hatten. Bisher wagte sich allerdings noch niemand zu nah an ihn heran, um wirklich seinen Zorn herauf zu beschwören.

„Schlaf gut, hm“, flüsterte Deidara gelöst. Gaaras Hand strich zärtlich über seinen Rücken. „Du auch.“

Sanfte Zuwendung

Heute war Sasoris Todestag. Gaara wusste, dass Deidara sich den Tag freigenommen hatte. Was der Blonde heute wohl machte? Er würde bestimmt nicht den ganzen Tag am Grab seines Meisters verbringen. Der Daimyô war sich unsicher, ob er den Krieger an diesem Tag aufsuchen durfte. Vielleicht fühlte Deidara sich gestört, wenn er ausgerechnet heute Zeit mit ihm verbringen wollte. Es wäre sicherlich unsensibel. Leise seufzte der Rotschopf und sah aus dem geöffneten Fenster. Leichter Wind drang in sein Arbeitszimmer. Die frische Brise erleichterte die mühselige Arbeit ein wenig. Mit den Gedanken war Gaara ohnehin nicht ganz bei der Sache. Sie entglitten ihm immer wieder und huschten zu Deidara. Er würde gern mehr für ihn da sein. Gerade heute. Aber er wusste auch nicht so recht, wie er das am besten in die Tat umsetzen konnte. Es würde sogar Aufsehen erregen, ginge er zu Sasoris Grab, um dort Räucherstäbchen zu entzünden. Offiziell hatte er keinerlei Verbindung zu dem toten Krieger zu haben. Auch wenn keine direkten Fragen an ihn gehen würden, so war die Erwartungshaltung vorhanden, die seine Untertanen ihm entgegenbrachten. Gaara musste sich seinem Rang entsprechend verhalten. Seine Beziehung zu Deidara durfte nicht bekannt werden. Sie konnten sich nur unter einem harmlosen Vorwand oder heimlich treffen. Eigentlich war es sogar unklug, nicht in seinem eigenen Schlafgemach zu nächtigen. Schlief er nicht in seinem eigenen Futon, erleichterte er möglichen Attentätern die Arbeit. Gaaras Raum war mit einem besonderen Boden ausgestattet. Bei jedem Schritt gab selbiger einen Ton von sich. Deswegen nannte man ihn auch den singenden Boden. Nur in der Mitte waren keine Holzdielen ausgelegt, sondern Tatami und dort befand sich sein Futon. Kam jemand in seinen Raum, weckte der singende Boden Gaara unweigerlich.

Natürlich gab es einen Weg, auch diesen speziellen Boden zu überlisten. Gaara kannte ihn und nutzte ihn jedes Mal, um zu Deidara zu gelangen. Doch sollte jemand bemerken, dass er ab und an woanders schlief, und diese Information drang an die falschen Ohren, wäre ein hinterhältiger Angriff auf ihn einfacher. Taktisch verhielt er sich falsch. Aber es fühlte sich gut an, mit Deidara den Futon zu teilen. Seit Gaara sich erinnern konnte, hatte er stets allein geschlafen wie es üblich war als Sohn eines Daimyô. Aber nun, wo er wusste, wie entspannend es sein konnte, gemeinsam einzuschlafen und nicht allein aufzuwachen, bemerkte er erst, wie einsam er die ganzen Jahre gewesen war.

Gaara legte den Bericht beiseite und nahm sich den nächsten vor. Sein Blick ging aber mehr durch die Schriftzeichen hindurch. Ihren Sinn erfasste er gar nicht richtig. Was wäre wohl geschehen, hätte Sasori überlebt? Deidara wäre jetzt bei seinem Meister und Gaaras Interesse an dem blonden Krieger im Sande verlaufen. Er fühlte sich schäbig, Sasoris Tod quasi ausgenutzt zu haben, um Deidara näher zu kommen. Doch wer hätte dem Blonden auf die Beine geholfen? Nicht einmal Akatsuki war in der Lage gewesen, Deidara Halt zu geben nach seinem Verlust. Dass Gaara es geschafft hatte, zu ihm durchzudringen, sah er als glückliche Fügung.

Abermals verließ ein leises Seufzen seine Lippen. Doch wie sollte es in Zukunft weitergehen? Was genau war das überhaupt zwischen ihnen? Gaara hatte Deidara erklärt, dass er Interesse hatte und ihm näher kommen wollte. Der Blonde war sogar darauf eingegangen. Und es fühlte sich richtig an. Eine klassische Beziehung wie ein Mann und eine Frau sie führen konnten, blieb ihnen jedoch verwehrt. Es graute ihm vor dem Tag, an dem er irgendeine Frau ehelichen musste, weil sein Status eine Hochzeit verlangte. Gaara würde mit ihr das Lager teilen und einen Erben zeugen müssen. Wie sollte er mit einer anderen Person intim werden, für die er nichts empfand? Und würde Deidara mit der Situation zurecht kommen? Mit seinem Meister war die Konstellation anders gewesen. Sie waren beide Rônin und die wollte niemand für gewöhnlich. Keine Pflicht hatte sich zwischen Sasori und Deidara gedrängt.

Gaara fuhr sich durch die Haare und erhob sich. Langsam trat er ans Fenster. Den Blick ließ er aufs Meer hinaus schweifen. Ohne sein bewusstes Zutun fokussierten seine Augen bald die Stelle der Mauer, wo Deidara öfters saß. Gaara konnte ihm vermutlich niemals das geben, was er brauchte. Wie könnte er? Er hatte es geschafft, für andere zu einer wichtigen Person zu werden. Sie brauchten ihn, doch als Daimyô, um ihr Land zu regieren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen zum Wohle aller. Aber wie konnte er gleichzeitig für einen bestimmten Menschen da sein? Für einen Menschen, den er erwählte, weil er es wollte und der seine Zuneigung annahm. Der Blick der Öffentlichkeit lag immerzu auf ihm. Jeder seiner Schritte wurde verfolgt. Gaara wollte gern, dass Deidara ihn brauchte, dass er für ihn wichtig war. Aber wie sollte ihr Verhältnis auf Dauer funktionieren, wenn er sich nach außen verhalten musste als wären sie nur Daimyô und untergebener Samurai, die ab und an ein paar Stunden mit einer Partie Shôgi oder Go und einem Spaziergang durch den Garten verbrachten? Das Fundament, auf dem er eine intime Beziehung zu Deidara aufbauen wollte, war so wacklig wie ein nachlässig aufgeschichteter Kleiderstapel. Stieß man dagegen oder zog ein Kleidungsstück unbedacht hervor, brach der gesamte Stapel in sich zusammen.

Es klopfte an seiner Tür. „Gaara-sama“, drang es untertänig durch das Holz. „Tritt ein“, befahl er halblaut. Sein Diener leistete Folge. Gaara wandte sich ihm zu und betrachtete den Mann ruhig, der sich vor ihm verbeugte. „Was gibt es?“, fragte Gaara.

„Deidara-san bittet um eine Audienz.“ Nach außen hin ließ der Rotschopf sich nichts anmerken, doch innerlich fragte er sich, welchen Grund der Blonde ausgerechnet heute für die Audienz haben könnte. „Hat er den Grund genannt?“ Der Diener verneinte.

Gaaras Blick wanderte zu seinem Tisch. Für die Berichte hatte er momentan sowieso keine Konzentration. Also konnte er Deidara auch empfangen. Schließlich war er es, um den sich seine Gedanken drehten. „Schick ihn rein.“

Gaara wartete und lauschte auf die Geräusche, die aus dem Vorzimmer drangen. Die Tür schob sich bald erneut auf und Deidara trat ein. Die Verbeugung fiel höflich aus, da der Diener noch neben ihm stand. „Du kannst gehen“, wies Gaara selbigen an. Dieser verbeugte sich und zog sich zurück. Einen Augenblick wartete der Rotschopf noch, bis er sicher war, dass auch die Tür zum Vorzimmer geschlossen war und der Mann nichts mehr hören konnte, was eventuell gesprochen wurde.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf Gaaras Lippen. „Deidara, setz dich“, bat er ihn und deutete zu den Sitzkissen auf der anderen Seite seines Tisches. Er selbst ließ sich auf seinem eigenen Kissen nieder. „Was möchtest… du?“ Seine Worte stockten leicht, weil der Krieger sich nicht ihm gegenüber setzte, sondern den Tisch einfach umrundete und es sich breitbeinig auf seinem Schoß bequem machte. Überrascht weiteten sich Gaaras Augen ein wenig und er sah auf das blonde Haar, welches Deidaras Rücken fast gänzlich bedeckte. Sein Gesicht schmiegte er gegen Gaaras Hals, sodass er den warmen Atem auf der Haut spüren konnte. Deidaras Hände wanderten in seine Taille und blieben dort locker liegen. Ein tiefes Seufzen verließ dessen Kehle.

Was geschah hier gerade? Nicht wissend, wie er die Situation deuten sollte, strich er das lange Haar ein Stück beiseite und ließ seine Hand über Deidaras Rücken gleiten. „Deidara, was ist?“, fragte er leise. Sein Verhalten erweckte bei Gaara den Eindruck, dass er betrübt war.

„Ich wollte nicht allein sein, hm“, murmelte der Blonde an seinem Hals. Die Worte wärmten Gaara innerlich, denn es bedeutete, dass er für Deidara wichtig genug war, um bei ihm Abhilfe gegen die Einsamkeit zu suchen. Außerdem kam er zum ersten Mal auf privater Ebene auf ihn zu. Bisher hatte Gaara ihre Treffen initiiert. Gerade heute war es doch von besonderer Bedeutung, wenn der Blonde seine Nähe suchte. Die freie Hand des Daimyô legte sich um Deidaras Hüfte, während die andere beständig weiter über seinen Rücken strich.

Etwas Zeit konnte Gaara sich für seinen Krieger ohne weiteres nehmen. Dennoch schmerzte der Gedanke, ihn später wieder hinausbefördern zu müssen, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf ihre Beziehung zu ziehen. Aber was er auf Deidaras Erklärung erwidern könnte, wusste er nicht. Etwas ratlos wanderte Gaaras Hand über den Yukatastoff hinauf, unter das schwere Haar und in Deidaras Nacken. Sanft begann er die weiche Haut zu kraulen. Nur Augenblicke später wurde der Blonde auf seinem Schoß schwerer, lehnte sich mehr gegen ihn und ein kaum hörbarer, gelöster Laut drang an seine Ohren. Offensichtlich hatte er eine empfindsame Stelle gefunden. Beständig kraulte er Deidara demnach weiter, schien diese Methode gut gegen seinen Trübsinn zu helfen. Gaara fand es interessant, wie anschmiegsam der Blonde wurde. Wenn man den Krieger allgemein erlebte, erwartete man eine solch eher sanfte Seite nicht unbedingt an ihm. Er hätte auch nicht gedacht, dass Deidara sich an ihn kuschelte, sobald sie unter der Decke lagen. Bei intimen Momenten war Deidara meist eher… aufreizend und manchmal sogar provozierend, als wolle er ihn locken. Doch wohin er ihn locken wollte, das leuchtete Gaara noch nicht ein.

Die Lider des Rotschopfes senkten sich. Er wollte die ungestörte Zweisamkeit genießen. Allzu lange konnte er ihr Beisammensein leider nicht währen lassen. Da wollte er jeden Augenblick auskosten. Was genau nun zwischen ihnen war, konnten sie auch noch später klären. Deidara schien seine Nähe jetzt zu brauchen und er wollte sie ihm gern geben, soweit es ihm möglich war. Ab und an meinte er, ein leises Schnurren zu hören, welches fast an eine Katze erinnerte. Ebenso eigenwillig war der Blonde auch.

Wie lange sie so saßen und Gaara den Krieger im Nacken kraulte, konnte er unmöglich sagen. Aber ein Blick aus dem Fenster, um den Stand der Sonne zu prüfen, teilte ihm mit, dass sie später weitermachen sollten, sollte Deidara einverstanden sein. Seine Finger lösten sich von der warmen Haut und glitten über Deidaras Rücken hinab. „Lass uns später weitermachen“, schlug er leise vor. Bewegung kam in den Blonden. Er zog den Kopf zurück, sodass Gaara in sein Gesicht sehen konnte. Deidara wirkte nun sehr entspannt. Es freute ihn, dass er einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hatte. Erleichtert beobachtete er das Nicken. „Wann, hm?“, fragte der Blonde nach.

Gaara strich ihm einige der weichen Strähnen über die Schulter nach hinten. „Heute Abend?“

Zärtlich berührten Deidaras Lippen die seinen. Gaara würde ihn von jetzt an definitiv öfters im Nacken kraulen. Diese sanfte Ader gefiel ihm sehr. Er konnte sie hervorbringen. Außerdem war ansonsten wohl niemand dazu in der Lage, sich auf seinem Schoß derartig zu entspannen. Und der Daimyô war einfach glücklich darüber, dass Deidara ihn behandelte als sei er völlig normal, obwohl er dem Sand seinen Willen aufzwingen konnte.

„Einverstanden“, hauchte Deidara. Ein Lächeln huschte über dessen Lippen, dann erhob er sich von ihm und verließ sein Arbeitszimmer.

Ein Abend in Uwajima

Deidara wartete in seinem Raum auf die einkehrende Ruhe bei voranschreitender Nacht. Das Gästezimmer, welches man ihm gegeben hatte, lag nicht allzu weit entfernt von Gaaras. Und das kam ihnen sehr gelegen. In den letzten Wochen hatte der Daimyô Vorbereitungen getroffen, eine Reise durch sein Reich zu unternehmen. Er wollte die einflussreichen Samurai unter seinem Kommando besuchen, präsent sein, hatte er ihm erklärt. Damit wollte er seinen Untertanen ein Zeichen setzen, dass er sich für sie interessierte und nicht nur in seiner Burg saß und von dort aus regierte. Deidara gefiel diese Einstellung. Der alte Gôza hatte sein Domizil nur verlassen, wenn es die daraus folgenden politischen Vorteile erforderlich machten. Außerdem sah er dann mal wieder etwas von Shikoku. Es war bisweilen ein wenig langweilig, ständig am selben Fleck zu sein.

Shikamaru sah diese Reise mit gewisser Skepsis. Vermutlich war es verständlich nach dem Angriff auf ihrem Rückweg von Tokushima. Darum war die jetzige Eskorte deutlich größer. Und sie kamen langsamer voran. Ganz zu schweigen von den Spuren, die sie hinterließen. Deidara fand, dass diese Strategie keine gute Idee war. Für einen General war es nur natürlich, seinen Herrscher schützen zu wollen. Aber umgeben von Kriegern konnte Gaara ein genauso gutes Ziel werden. Und sie fielen auf wie eine zweischwänzige Katze. Wollte jemand den Daimyô angreifen, war es ein Leichtes, seinen Weg durch Shikoku zu verfolgen und sich einen geeigneten Ort für seine Attacke auszusuchen. Deidara wäre mit deutlich weniger Männern gereist – aber seine Meinung zählte nicht. Er war nur der ehemalige Rônin. Ihn störte nicht einmal, dass er in dem Fall kein Mitspracherecht hatte. Was ihn daran nervte, war die Tatsache, dass man nicht querfeldein durch Wälder und über Wiesen reiten konnte, dass man ständig umgeben war von so vielen korrekten und ehrenhaften Männern, die das Leben seiner Meinung nach ein bisschen zu ernst nahmen.

Deidara lehnte mit einem Sakeschälchen in der Hand an einem der tragenden Balken neben der Schiebetür und lauschte auf die Geräusche im Gebäude. Das Anwesen in Uwajima war keine Burg, aber immer noch groß genug. Kam ihm jemand auf dem Flur entgegen, hatte er den Nachteil des Fremden. Er kannte sich hier nicht aus und musste improvisieren, damit man ihn nicht bemerkte. Schon eine Weile war niemand mehr an seinem Zimmer vorbei gekommen. Also leerte er seine Schale in einem Zug und stellte sie auf dem Tisch ab. Leise schob er die Tür auf. Aufmerksam huschte der Blick aus dem blaugrauen Auge durch den dunklen Flur. Er war allein. Hinter sich verschloss Deidara seine Tür, dann schlich er flink Richtung Gaaras Zimmer. Aus einem Seitengang, den er soeben passiert hatte, drangen leise Schritte. Vermutlich irgendeine Wache. Der Blonde ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Lautlos huschte er weiter, sparte sich aber das Klopfen an Gaaras Tür. Denn dafür hatte er nun keine Zeit. Einen Spalt breit schob er sie auf und zwängte sich hindurch. Sofort wurde die Tür wieder zugeschoben. Deidara lauschte noch auf die Schritte im Flur, während sein Blick sich auf den Daimyô richtete.

Der Rotschopf saß aufrecht auf seinem Futon, in der Hand seinen Flaschenkürbis, der immer in seiner unmittelbaren Reichweite war. Die Wache entfernte sich wieder. Offensichtlich hatte man ihn nicht gesehen. Gaara entspannte sich sichtlich, als er ihn erkannte, und legte den Flaschenkürbis zurück neben den Futon. Deidara grinste. „Entschuldigt, Gaara-sama, mein unangekündigtes Eindringen in Euer Zimmer.“ Die Worte perlten provokativ und amüsiert über seine Lippen. Langsam kam er näher. „Aber da ist jemand auf dem Flur herumgeschlichen, hm“, erklärte Deidara grinsend und hockte sich vor den Futon.

Matt erhellte das Mondlicht durch die Papierfenster Gaaras Züge. Die schlanken Finger rieben über seine Nasenwurzel. Trotz des mahnenden Blickes in seinen Augen umspielte ein kleines Schmunzeln seine Mundwinkel. „Du hast mich erschreckt“, gestand er.

„Dann werde ich das wohl wieder gutmachen müssen, hm?“ Der neckende Tonfall hatte sich aus seiner Stimme zurückgezogen. Deidara hob seine Hand und ließ sie in Gaaras Nacken wandern. Sanft zog er ihn näher, um ihre Lippen zu einem innigen Kuss zu vereinen. Ein wohliges Seufzen entkam ihm, sobald Gaara auf die zärtliche Berührung einging. Deidara genoss die ungestörte Zweisamkeit sehr, bis er einsehen musste, dass diese Position auf Dauer nicht sonderlich angenehm war. Also löste er sich von dem Rotschopf und krabbelte mit unter seine Decke, ohne auf eine Zustimmung zu warten.

Gaara hatte aber offensichtlich nichts dagegen. Er ließ sich nach hinten sinken und wandte sich ihm zu. „Jiraiya hat mir eine seiner Huren angeboten“, erzählte der Rotschopf ruhig. Deidara lachte leise. „Wieso wundert mich das bei dem nicht? Sein ganzes Anwesen ist voll von hübschen, jungen Dienerinnen, hm.“ Es war recht leicht, den alten Samurai zu durchschauen, der Uwajima verwaltete. Die Gegend war vor allem für ihren Sake bekannt. Außerdem war dem Blonden zu Ohren gekommen, dass anspruchsvolle Kundschaft in den Hurenhäusern hier voll auf ihre Kosten kam. Vermutlich blühte das Geschäft unter Jiraiyas Aufsicht. Und so wie er seine Dienerinnen ständig angegafft hatte, wäre es keine Überraschung, wenn er sie auf ganz persönliche Art auswählte.

„Er hatte schon immer eine Schwäche für junge Frauen“, erwiderte Gaara.

Deidaras Augen funkelten belustigt. „Und hast du sein großzügiges Angebot angenommen, hm?“, fragte er. Seine Stimme senkte sich leicht ab und die linke Hand strich am Saum von Gaaras Schlafyukata entlang.

Ein Kopfschütteln bestätigte Deidara, was er sich ohnehin schon gedacht hatte. Er hielt Gaara nicht für den Typ Mann, der solch ein Angebot annehmen würde. Frech glitten seine Finger unter den Stoff und strichen mit leichtem Druck über die bloße Brust. „Dann wirst du wohl mit mir Vorlieb nehmen müssen, hm“, hauchte der Blonde.

Ein Lächeln zeichnete sich auf Gaaras Lippen ab. „Das reicht mir völlig.“ Zufrieden schnurrte der Blonde. Seine Hand wanderte über die Seite des Daimyô und in seinen Rücken, um ihn näher an sich zu ziehen. Der Stoff verrutschte dabei und gab einen großzügigen Blick auf seine Brust frei. Ihre Lippen fanden wieder zueinander und begannen ein sinnliches Spiel, in welches sie bald ihre Zungen involvierten. Leise Laute des Wohlgefallens stahlen sich in den Kuss.

Gaaras Hand vollführte eine anregende Reise über seinen Körper, die herrlich entspannte und auch das Verlangen nach mehr weckte. Frech schob Deidara sein oberes Bein zwischen die des Rothaarigen, um noch mehr von seinem Körper zu spüren. Ein Prickeln folgte der Hand, die über seine Hüfte langsam zu seinem Hintern streichelte. Gaara wurde allmählich mutiger und dem Krieger gefiel das. Aber der Stoff wurde allmählich lästig.

Deidaras Hand rutschte wieder nach vorn, um sich am Obi-Knoten zu schaffen zu machen, als Gaara ihre Küsse unterbrach. Seine Lider, die sich zwischendurch gesenkt hatten, hoben sich wieder und er suchte Blickkontakt.

„Deidara…“ In Gaaras angenehmer Stimmer versteckte sich ein fragender Unterton. Dessen Hand lag nun auch ganz ruhig auf seinem Hintern und die jadefarbenen Augen schienen ihn gefangen zu nehmen. „Hm?“ Deidaras Finger blieben am Obi verhakt und er konzentrierte sich nun ganz auf das, was kommen würde.

„Du berührst mich überall… nur nicht hier.“ Um seine Worte zu unterstreichen, strich die Hand einmal über die Rundung seines Pos. Durch die Dunkelheit konnte Deidara nicht sehen, ob Gaara rot wurde, aber es würde ihn nicht wundern. „Wieso?“

Irritiert blinzelte der Blonde. „Ich…“, setzte er an, brach dann aber sofort ab. Es stimmte, er hatte Gaara noch nie am Hintern berührt. Das war ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgefallen. Tief seufzte er und ließ sich etwas zurücksinken. Nun auf dem Rücken liegend starrte er zur Decke hoch und rieb sich über die Stirn. „Sasori hat mir nie erlaubt, seinen Hintern anzufassen“, erklärte Deidara. Aber er hätte nie gedacht, dass ihm diese antrainierte Verhaltensweise so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass er sie unbewusst fortführte, obwohl Gaara ein ganz anderer Mensch war. „Das muss mir so zur Gewohnheit geworden sein, dass ich es bei dir nicht gemacht habe, hm.“ Jedenfalls war das die einzig logische Erklärung, denn nun, wo ihm dieses Detail bewusst war, wurde er sofort neugierig.

Gaara stemmte sich auf die Ellenbogen und sah in Deidaras Gesicht. „Hat er dir den Grund genannt?“, fragte der Rotschopf. Der Blonde nickte. „Er wollte die Abscheu, die er seinem Meister gegenüber empfunden hat, nicht mit mir in Verbindung bringen, hm.“ Deidara war sich sicher, dass Gaara niemandem davon erzählen würde. Wem sollte er es auch erzählen? Ihre Beziehung sollte schließlich geheim bleiben. Die Stirn des Daimyô legte sich in Falten. „Sein Meister hat ihn vergewaltigt?“

Die Frage war nicht so leicht zu beantworten. Denn bis zu einem gewissen Grad galt es schon als Vergewaltigung, wenn man vom persönlichen Willen ausging. „Offiziell nicht. Er hat ihm den Beischlaf beigebracht. Sasori hat sich gefügt, weil er keine Unterstützung erhalten hätte. Aber er selbst wollte das nicht, hm.“

Ein kaum hörbares „Oh“, verließ Gaaras Lippen. „Wolltest du… denn?“ Der Rotschopf schien einen Augenblick mit sich zu hadern, ehe er weiter sprach. „Also den Beischlaf?“ Unglaube breitete sich in Deidaras Gesicht aus. Was dachte Gaara denn? Ihm war doch klar, welche Gefühle er für Sasori gehabt hatte. Wie konnte er nur darauf kommen, dass sein Meister ihm den Beischlaf beigebracht hatte, ohne auf ihn Rücksicht zu nehmen? Nun, vermutlich war der Gedanke gar nicht so abwegig, war Sasori sicherlich kein Einzelfall. Sein Meister war nur von der radikalen Sorte gewesen, wenn es darum ging, ein Problem aus der Welt zu schaffen. Zugleich war er aber auch sehr sensibel gewesen in Bezug auf Körperkontakt mit anderen, denn ansonsten hätte es ihm wohl weniger ausgemacht, von seinem Meister in die Freuden der körperlichen Lust eingeweiht zu werden. Schließlich galt dieser Akt unter Meister und Schüler allgemein als üblich.

Leise lachte der Blonde. „Ich habe ihn wochenlang bearbeitet, weil er sich geweigert hat, mir den Beischlaf beizubringen. Er hat erst nachgegeben, als ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe und nicht nur als meinen Meister sehe, hm.“ Deidara war ein wenig erstaunt, wie leicht es ihm inzwischen fiel, über Sasori zu sprechen. Eine gewisse Schwermut kroch durch ihn hindurch, aber es war vertretbar. Dass er inzwischen relativ gut mit dem Verlust seines Meisters umgehen konnte, hatte er allein Gaara zu verdanken.

„Und …er?“, fragte Gaara langsam. So ruhig der Rotschopf meist wirkte, er war doch recht neugierig. Bisher hatte er kaum Fragen zu seinem Danna gestellt, aber es tat auch irgendwie gut, mal darüber zu reden.

„Er hat nie gesagt, dass er mich liebt, aber er hat auch selten über seine Gefühle gesprochen. Seine Gesten und Handlungen waren viel entscheidender. Nach meinem Unfall, wo ich die Narben her hab, hat er mir sein heißgeliebtes Buch über Gifte geliehen, damit ich mich nicht langweile. Ich konnte ja durch die Verletzungen nicht viel machen. Hätte ich es früher angefasst, hätte er mich dafür sicher bestraft.“ Nach einer kurzen Pause fuhr Deidara fort. „Er hat mich in seiner Nähe akzeptiert, selbst wenn er gereizt war von zu viel Gesellschaft. Sasori war nie sonderlich sozial. Und er war eigentlich immer recht ungeduldig. Aber er konnte seine Ungeduld auch zügeln, um mir nicht weh zu tun.“ Deidara musste schmunzeln. „Könnte daran gelegen haben, dass seine Finger beschäftigt waren, hm.“

Gaara senkte den Blick und wirkte nun doch etwas scheu. Das war niedlich. Irgendwie war es doch erstaunlich, wie sehr Gaara zwischen dem selbstbewussten Daimyô, der ihn angeherrscht hatte, zu dem unerfahrenen Liebhaber wechseln konnte.

Deidara störte sich nicht daran, solche privaten Dinge zu erzählen. Sie teilten das Nachtlager. Sie waren aneinander interessiert und Gaara würde darüber schweigen. In seinen Augen war also alles gut. Aber dem Rotschopf hatte es nun anscheinend die Sprache verschlagen. Er öffnete seinen Mund, als wolle er etwas sagen, schloss ihn dann aber wieder. Deidara strich mit den Fingern durch das rote Haar und endlich sah Gaara ihn auch wieder an. Sie hatten genug über Sasori geredet. Da war noch etwas, was er jetzt unbedingt tun wollte. „Wollen wir weitermachen, hm?“, flüsterte Deidara verheißungsvoll.

Gaaras langsames Nicken reichte ihm völlig. Seine Hand glitt in dessen Nacken und zog ihn zu einem leidenschaftlichen Kuss heran. Währenddessen wanderte die andere Hand an Gaaras Obi entlang zu seiner Kehrseite. Aufgeregt schlug sein Herz. Deidaras Finger strichen langsam weiter hinab und erreichten schließlich Gaaras Hintern. Neugierig erkundete er die kleinen Pobacken. Sie fühlten sich wunderbar an in seiner Hand. So ganz bremsen konnte er sich auch nicht. Einen Augenblick später gruben sich seine Finger dreist in das vom Stoff verhüllte Fleisch. Oh, das fühlte sich wirklich gut an, so schön fest. Aus Gaaras Kehle löste sich ein halb überraschter und ein halb angetaner Laut. Der Blonde grinste. Das würde er jetzt definitiv öfter tun!

Geister der Vergangenheit

Deidara ritt am Schluss. Er fühlte sich wohler, wenn hinter ihm niemand war. Außerdem hatte er einen besseren Überblick und konnte immer mal wieder zu Gaara schauen. Ansonsten betrachtete er ihre Umgebung. Ihr nächstes Ziel war Kochi. Also müsste ihm bald etwas bekannt vorkommen. Ob ein wenig Zeit blieb, um Akatsuki zu besuchen? Nein, das sollte er sich aus dem Kopf schlagen. Es wäre viel zu auffällig, würde er wieder verschwinden. Shikamaru war nicht dumm. Sicherlich ahnte er bereits, dass sie irgendwo in der Nähe sein mussten. Deidara wollte ihn nicht bestätigen, indem er schon wieder für zwei Tage nicht auffindbar war.

Ein lauter Knall durchbrach die Ruhe des frühen Nachmittags. Die Pferde erschraken. Einige keilten aus. Noch ehe Deidara erfassen konnte, was geschehen war, stürmten Krieger aus dem Wald, der wenige Meter neben dem sandigen Weg verlief. Der Blonde hatte Mühe, sein Pferd ruhig zu halten, während er zu durchschauen versuchte, was vor sich ging. Die Angreifer hielten auf die Mitte der Eskorte zu. Dort war Gaara. Sie wollten ihn allen Ernstes angreifen? Als ob der Daimyô auf herkömmliche Art zu besiegen wäre. Unter den Kriegern fiel ihm ein Hüne mit orangefarbenem Haar auf. Verdammt! Jûgo. Dieser Angriff war von Sasuke geplant. Trotzdem ergab es keinen Sinn. Wieso sollte der jüngere Uchiha Gaara angreifen lassen? Es wäre logischer, seinen Bruder zu suchen und an ihm Vergeltung zu üben.

Die Samurai zogen ihre Waffen. Manche von ihnen waren bereits von den unruhigen Pferden gestiegen, um die Attacke besser erwidern zu können. Undeutlich hörte Deidara über den Kampflärm hinweg Shikamarus Stimme. Er rief nach Gaara. Seinem Tonfall nach zu urteilen, musste irgendwas passiert sein. Ruhelosigkeit griff nach Deidara und er suchte nach dem Rotschopf. Zeitgleich zog er sein Katana. Er trieb das Pferd näher an das Zentrum und schlug einem unaufmerksamen Gegner von hinten den Kopf von den Schultern. Wo waren die roten Haare? Shikamaru erkannte er, aber Gaara war nicht zu sehen. Unbarmherzig stieß er seinem Reittier die Fersen in die Flanken und lenkte es näher zu dem General. Einen Angriff von der Seite parierte er. Jûgo setzte Shikamaru schwer zu. Ausgerechnet Jûgo. Der Mann war ein verdammt schwerer Gegner. Das war Absicht. Der General sollte beschäftigt sein und keine Gelegenheit erhalten, um seine Männer neu zu formieren. Wo war Gaara?

Am Rande seines Sichtfeldes tauchte etwas Rotes auf und sein Kopf ruckte herum. Eine in Grau gehüllte Gestalt hatte sich den Daimyô über die Schulter geworfen und zog sich eilig zum Wald zurück. Sorge krallte sich an Deidara fest. Gaara musste bewusstlos sein, andernfalls könnte dieser Mann ihn nicht wie einen Sack Reis wegschleppen. Der Blonde trieb sein Pferd durch die Kämpfenden hindurch, verschaffte sich mit dem Katana seinen Weg. Solange Jûgo sich ihm nicht in den Weg stellte, war hier niemand, der ihm ernsthaft zur Gefahr wurde.

Fest lag sein Blick auf dem Flüchtenden und Gaara. Soeben tauchten sie in den Wald ein. Endlich ließ Deidara das Kampfgetümmel hinter sich und spornte sein Pferd zum Galopp an. Ein Pfeil flog dicht an ihm vorbei. Man versuchte ihn also aufzuhalten. Tief beugte der Blonde sich über den Hals seines Pferdes. Die leichte Rüstung schützte lebenswichtige Stellen. Allerdings wäre es für seine Rettungsabsicht besser, sie träfen ihn gar nicht erst. Ein Ruck ging durch das Tier und es stieg mit einem schmerzerfüllten Wiehern. Eilig sprang Deidara von seinem Rücken. Ein Pfeil steckte knapp hinter dem Sattel im Fleisch fest. Aber dafür hatte er nun keine Zeit. Deidara rannte weiter und erreichte Augenblicke später den Wald. Zumindest war die Wahrscheinlichkeit nun deutlich geringer, ihn zu treffen.

Zwischen den Bäumen machte er das rote Haar des Daimyô aus. Zügig lief er hinterher. Die graue Gestalt warf Gaara soeben quer über den Rücken eines der im Wald angebundenen Pferde und schwang sich hinter ihm in den Sattel. Ohne zu zögern band Deidara eines der angespannten Tiere los und schwang sich auf seinen Rücken. Hart stieß er ihm die Fersen zwischen die Rippen. Mit einem Satz bewegte sich das Pferd vorwärts. Im Wald war ein Galopp schwer zu bewerkstelligen, da man Bäumen und Büschen ausweichen musste. Zudem konnten die Tiere leicht über eine Wurzel stolpern oder in ein Loch treten und sich vielleicht sogar ein Bein brechen. Aber Deidara war sich sicher, dass der Mann irgendwann auf einen Weg wechseln würde oder den Wald verließ. Und dann schoss er ihn von seinem Pferd.

Kurz sah die graue Gestalt zurück, doch die Kapuze verhinderte, dass Deidara sein Gesicht erkennen konnte. Ihn einzuholen war momentan nicht möglich. Aber der Blonde blieb beharrlich in einigem Abstand. Nie verlor er den Flüchtenden aus den Augen. Schließlich wich der Wald zugunsten ausgedehnter Wiesen zurück. Sofort verfiel das Pferd des Mannes in Jagdgalopp. Deidara tat es ihm nach. Erst musste er ihren Abstand ein wenig verringern, bevor er wirklich sicher schießen konnte. Fast hatte er den Abstand erreicht, den er brauchte, da wandte sich der Mann erneut kurz um und warf ihm etwas entgegen. Sein Pferd stolperte und fiel. Notgedrungen musste Deidara auch von dessen Rücken abspringen, um nicht unter dem Tier begraben zu werden. Er machte eine Rolle und stemmte seine Füße in den Boden. Während er nach seinem Bogen griff, sah er zu dem Pferd. In seinem rechten Auge steckte ein Kunai. Der Mann hatte Erfahrung in den Ninja-Künsten. Und um seinen Verfolger abzuschütteln, musste er sein Pferd außer Gefecht setzen. Denn ihn selbst hätte er nicht treffen können, hatte er sich zu tief über den Hals des Tieres gebeugt. Aber was er konnte, war für Deidara auch kein Problem. Der Blonde griff nach einem Pfeil und legte ihn an die Sehne. Geübt spannte er den Bogen und visierte sein Ziel an. Einen Reiter von hinten zu treffen, war kein Problem für ihn. Aber er musste auf die graue Gestalt zielen. Brachte er das Pferd zu Fall, könnte er Gaara noch mehr verletzen.

Der Pfeil flog von der Sehne und bohrte sich zwischen Schulter und Hals in das Fleisch. Der Mann verlor sein Gleichgewicht und fiel vom Pferd. Bei dieser Geschwindigkeit war es naheliegend, sich bei einer solchen Verletzung nicht mehr halten zu können. Deidara hängte sich den Bogen wieder schräg über die Schulter. Die Hand nun am Katana rannte er zu dem Gefallenen. Das Pferd wurde einige Meter weiter langsamer. Darum konnte er sich erst kümmern, wenn die Gefahr ausgeschaltet war. Der Mann versuchte sich gerade aufzurappeln, als er bei ihm war. Kräftig stieß er ihm sein Knie in den Rücken und legte sein volles Gewicht darauf, um ihn wieder auf den Boden zu drücken. Ein leises Stöhnen war die Antwort auf seine grobe Behandlung. Deidara riss dem Mann die graue Kapuze vom Kopf und starrte auf das vertraute Profil von Kabuto. Einen Augenblick benötigte er, um zu begreifen, dass der Mörder seines Meisters noch am Leben war und nun die zweite wichtige Person in seinem Leben mindestens verletzt hatte. Unbändige Wut stieg in dem Blonden auf. Er ließ dem Mann keine Zeit, sich weit genug zu erholen, um sich zu verteidigen. In einer fließenden Bewegung zog er sein Katana und zerteilte Fleisch und Knochen. Blut sickerte aus der sauberen Schnittwunde am Hals. Schwer atmend erhob Deidara sich. Den Lebenssaft wischte er an dem grauen Umhang ab. Dieser Mistkerl hatte auch überlebt… bis jetzt. Wieso war er nicht bei der Explosion gestorben? Wer lebte sonst noch? Aber wenigstens war Sasoris Tod endlich gesühnt, denn sein Mörder hatte durch seine Hand den Tod gefunden.

Gaara! Panisch sah er sich nach dem Pferd um. Jetzt war ihm klar, was für ein Knall das gewesen war. Kabuto hatte auf Gaara gefeuert so wie er auf Sasori geschossen hatte. Angst kroch durch seine Adern. Eilig lief er zu dem Tier, welches in einiger Entfernung stand und ihn misstrauisch ansah. Dieser Mistkerl durfte ihm nicht auch noch diesen Menschen nehmen!

Bei dem Pferd angekommen, holte er den Rotschopf von selbigem runter und legte ihn ins Gras. „Gaara?“, fragte er nachdrücklich und beugte sich über ihn, aber er erhielt keine Reaktion. Der Anblick war erschreckend. Blut sickerte aus einer Wunde seitlich am Kopf und zeichnete mahnende Spuren über sein blasses Gesicht und den Hals, fraß sich in seine Kleidung. Nun war ihm klar, warum dieser Angriff funktioniert hatte. Kabuto musste den Schwachpunkt in Gaaras Sandmanipulation gefunden haben. Eine Kugel aus einem Vorderlader war noch schneller als ein Pfeil. Wie hätte er das Geschoss rechtzeitig bemerken können? Zittrig drückten sich Deidaras Finger gegen die Halsschlagader des Daimyô. Schwach pochte es unter der Haut. Erleichtert atmete er auf. Gaara lebte noch. Behutsam schob er das rote Haar beiseite, um die Wunde genauer zu betrachten. Es war ein Streifschuss. Aber die Blutung war stark. Deidara zog seinen Dolch hervor und Riss Stoffstreifen aus Gaaras Jin Baori. Die Streifen wickelte er fest um seinen Kopf. Es würde den Blutfluss hoffentlich schnell stoppen. Gaara brauchte aber professionelle Hilfe. Er musste ihn zurück bringen. Nein! Dort könnte derzeit noch mehr Gefahr für den Rotschopf lauern. Momentan wusste niemand, wo er war. Aufmerksam blickte Deidara sich um. Die Gegend kam ihm bekannt vor. Etwas nördlich von hier musste der Weg sein, den er genommen hatte, um zum Geisterwald zu gelangen. Er war an dem Waldrand entlang geritten, den er recht weit entfernt erkennen konnte. Und mit ein bisschen Beeilung sah ihn auch niemand. Entschlossen nahm der Blonde Gaara auf die Arme, hievte ihn wieder auf den Rücken des Pferdes und setzte sich hinter ihn. Eine Hand umgriff seine Brust, damit er nicht nach vorne sackte, die andere fasste die Zügel und trieb das Pferd geschwind nach Norden. Sobald er erst einmal den Weg gefunden hatte, wäre er in kurzer Zeit bei Akatsuki.

Die Bande musste ihm helfen. Eine andere Möglichkeit hatte Deidara gerade nicht. Niemand würde Gaara bei Akatsuki vermuten, geschweige denn, dass jemand wusste, wo sich die Rônin aufhielten. Dort konnte er sich in Ruhe erholen. Warum nur hatte Sasuke Gaara angegriffen? Wollte er das fortführen, woran Orochimaru gescheitert war? Warum dessen Anhänger sich Sasuke angeschlossen hatten, war ihm nun klar. Kabuto musste dafür gesorgt haben. Aber dieser war glücklicherweise tot und würde es dieses Mal auch bleiben! War der Streifschuss Absicht gewesen? Deidara beantwortete sich die Frage selbst. Ja. Das Ziel war gewesen, den Rotschopf zu entführen. Aber warum? Um ihn dazu zu bewegen, sich Sasuke zu unterwerfen? Um sein Reich zu erpressen, sich dem Uchiha anzuschließen? Es wäre möglich. Fahrig tastete seine Hand nach Gaaras Puls. Das Pochen unter seinen Fingern half ihm, nicht komplett den Verstand zu verlieren. Gaara durfte nicht auch noch sterben.

Aufmerksam sah Deidara sich immer wieder um, doch niemand folgte ihm. Erste vorsichtige Erleichterung erfasste ihn, als er in den Geisterwald erreichte. Zielstrebig lenkte er das Pferd dem Anwesen der Bande entgegen. Wenige Stunden mussten seit dem Angriff vergangen sein, aber es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis er letztlich die Waldlichtung erreichte. Auf der Weide grasten nur wenige Pferde. Daraus schloss er, dass Mindestens die Hälfte von Akatsuki nicht da war. Seine Ohren fingen das Klirren von aufeinander treffenden Klingen auf. Hinter dem Haus wurde trainiert. Deidara stieg gar nicht erst vom Pferd, sondern trieb es um das Haus herum.

Hidan und Kakuzu hielten mit der Übung inne, noch bevor er um die Ecke kam. Sie hatten ihn gehört. Dem Silberhaarigen klappte der Unterkiefer hinab, während Kakuzu seine Waffe in die Saya steckte und zu ihm trat. „Was ist passiert?“, fragte er ernst. Sein Blick schweifte über Gaara. „Sasukes Männer haben Gaaras Eskorte angegriffen. Kabuto hat ihn angeschossen, hm“, erklärte er konfus. Mehr war momentan nicht wichtig. Langsam löste er seinen Arm von Gaara, damit Kakuzu ihn vom Pferd heben konnte. „Yahiko wird nicht begeistert sein, dass du ihn mitgebracht hast“, brummte der Ältere. Deidara stieg vom Pferd und sah Kakuzu erschöpft an. „Bitte, er braucht Hilfe. Ich weiß nicht, wo ich sonst mit ihm hin soll. Momentan ist es hier am sichersten, hm.“

Hidan trat neben Kakuzu. „Nur weil du hübsch bist, kriegst du hier keine Sonderbehandlung! Ich darf meine Weiber auch nicht mitbringen“, maulte er. „Hidan, halt die Klappe“, wies Kakuzu ihn zurecht. Durchdringend bohrte sich dessen Blick in Deidaras azurblaue Augen und knüpfte an seine vorigen Worte an. „Er gehört zu Seinesgleichen.“

Von Ängsten und Widerwillen

Deidara lehnte an einem der Pfosten der Veranda und sog an seiner Pfeife. Zittrig blies er den Rauch dem wolkenlosen Abendhimmel entgegen. Der süßliche Geschmack entfaltete sich auf seiner Zunge, doch es konnte ihn nicht beruhigen wie sonst. Konan hatte ihn aus dem Zimmer geworfen, nachdem Kakuzu den Rotschopf ins Haus gebracht und der Blonde sie knapp aufgeklärt hatte. Jedoch war sie der Ansicht, dass er momentan nur im Weg war. Und vermutlich hatte sie damit auch Recht. Seine Nerven waren völlig aufgerieben, nicht einmal die Finger konnte er ruhig halten. Beim Stopfen der Pfeife war Kraut daneben gefallen, begleitet von unkontrolliertem Fluchen, was eigentlich Hidan zu eigen war. Selbigen hatte er zuvor angefahren, als er sich einen Kommentar zu seinem Verhältnis zu Gaara erlaubt hatte. Nicht einmal Hidan war einfältig genug, um nicht zu begreifen, dass ihm der Rotschopf etwas bedeuten musste, wenn er mit ihm hier auftauchte. Glücklicherweise war Hidan damit beauftragt worden, sich um das Pferd zu kümmern, auf dem er her geritten war.

Ein weiteres Mal sog er den Rauch tief in seine Lungen, nur um ihn nervös wieder in die Freiheit zu entlassen. Zetsu war nicht hier. Das störte ihn. Konan hatte zwar erklärt, dass der Spion nicht mehr für den Daimyô tun könnte als sie selbst, aber ihm wäre wohler, wäre Zetsu anwesend. Der kannte sich mit Krankheiten und Verletzungen am besten aus und wie man sie versorgte.

Ruhige Schritte näherten sich ihm und der Blonde wandte sich um. Kakuzu trat zu ihm. „Wie geht es ihm, hm?“, fragte er sofort. Wieso fragte er überhaupt? Deidara überlegte es sich anders und wollte an dem Älteren vorbei, doch dieser legte ihm seine Hand auf die Schulter und hielt ihn auf. „Warte.“ Genervt drehte Deidara sich ihm mehr zu. „Was?“, fragte er scharf.

„Konan ist noch nicht fertig. Es gibt lediglich für mich nichts mehr zu tun“, erklärte Kakuzu. Mahnend lag dessen Blick auf ihm. Das bedeutete, er sollte noch nicht zu Gaara gehen. Schwer atmete Deidara durch und lehnte sich wieder gegen den Pfosten, verschränkte die Arme halb vor seiner Brust. Ein Zug an der langstieligen Pfeife folgte. Dem taxierenden Blick des Größeren wich er aus. Deidara war eigentlich jetzt nicht nach Gesellschaft. Aber er brauchte Akatsukis Hilfe.

„Du hättest ihn dort lassen sollen, wo er hingehört“, begann Kakuzu. Steil wanderte Deidaras sichtbare Augenbraue in die Höhe. „Du hast keine Ahnung, was passiert ist“, knurrte er. Die Antwort folgte prompt. „Klär mich auf.“

Der Blonde schnaufte abfällig, ließ sich aber doch zu einer Erklärung herab. Er war es ihnen schuldig. „Wie gesagt, seine Eskorte wurde angegriffen. Sie wollten ihn offenbar entführen. Der Streifschuss muss Absicht gewesen sein, um ihn außer Gefecht zu setzen. Den General haben sie mit Jûgo in Schach gehalten. Ich konnte Kabuto folgen und ihn töten. Momentan weiß ich aber nicht, was mit dem Rest der Eskorte ist. Es erschien mir sinnvoller, Gaara verschwinden zu lassen. Wenn niemand weiß, wo er ist, kann er sich in Ruhe erholen. Hätte ich ihn ins nächste Dorf gebracht, wäre es nicht schwer, ihn zu finden. In dem Zustand ist er ein leichtes Ziel, hm.“

Kakuzu begriff schnell die Tragweite der Schilderung. „Sasuke steckt dahinter.“ Mit der Hand fuhr er sich durch das wirre Haar. „Und für die Zwistigkeiten der Obrigkeit gibst du unser Versteck preis.“ Unwille sprach aus Kakuzu.

„Er wird es nicht verraten, hm.“ Deidara war sich sicher, dass Gaara niemanden etwas von ihrem Versteck berichten würde, wenn er ihn darum bat und ihm klar machte, wie wichtig das für die Bande war.

„Woher willst du das wissen?“, fuhr Kakuzu ihn an.

Störrisch verengten sich seine Augen. „Weil ich ihn gut genug kenne, hm!“

Und das war nicht die Antwort, die Narbengesicht hören wollte. „Du stellst deine Beziehung schon wieder über alles andere! Als Sasori gestorben ist, hast du uns verlassen. Und jetzt kommst du wieder, wo du unsere Hilfe brauchst. Mit deinem Vertrauen setzt du die Heimat von uns allen aufs Spiel. Aber wie kannst du dir sicher sein, dass er dein Vertrauen überhaupt verdient? Er ist ein Daimyô! Wir sind Rônin. Zwischen ihm und uns liegen Welten.“ Deidara wollte ihm ins Wort fallen, doch er ließ sich nicht unterbrechen. „Sag nichts. Du bist kein Samurai mehr, auch wenn du den Titel wieder trägst. Du bist genauso ein Rônin wie wir.“ Der Brünette stieß mit dem Finger unangenehm gegen seine Brust, um die Anspielung auf seine innere Einstellung zu verdeutlichen. „Er gehört nicht hierher. Du hättest ihn nicht mitbringen dürfen, selbst wenn er hier sicherer ist als anderswo.“

Deidara schlug die Hand weg. „Er hat uns nie wie Abschaum behandelt. Sasori hat er sogar mit allen Ehren bestatten lassen und er hat uns erlaubt, während der Trauerzeit in seiner Burg zu bleiben.“ Kein anderer Daimyô hätte das getan. „Warum sollte er uns verraten? Er profitiert doch von Akatsuki, hm!“ Schließlich konnte Gaara sich sicher sein, dass sie keinen Auftrag gegen ihn annehmen würden, dafür konnten sie irgendwo in seinem Reich leben. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

„Für sein Land würde er uns verraten!“ Kakuzu wandte sich zornig ab und stampfte um die Ecke der Veranda. Deidara blieb bebend zurück und musste an sich halten, nicht die Pfeife hinter ihm her zu werfen. Das brachte nichts. Sie würde nur kaputt gehen. Er tat einen letzten, hastigen Zug, dann klopfte er sie aus und verstaute sie in seinem Ärmel. Warum war Kakuzu sich so sicher, dass Gaara Akatsuki hintergehen würde?

Der Blonde wollte nicht mehr warten. Mögliche Konsequenzen ignorierend betrat er das Haus und ging hoch in das Zimmer, in welchem Konan den Rotschopf untergebracht hatte. Die Tür war offen, sodass er leise eintrat und sich auf die gegenüberliegende Seite des Futons setzte. Konan befestigte gerade den Verband. Kurz sah sie zu ihm hoch. Ihr Blick wanderte prüfend über sein Gesicht, dann konzentrierte sie sich wieder ganz auf den Bewusstlosen. Er war ihr dankbar, dass sie ihn nicht wieder bat, zu gehen.

Bei Gaaras Anblick zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Er war bleich und der weiße Verband am Kopf erzählte deutlich von dem Geschehenen und wie knapp der sofortige Tod an ihm vorbeigeschrammt war. Dennoch schwebte er unsichtbar über ihm wie ein böser Geist, der darauf wartete, sein Werk zu vollbringen. Deidara hatte das Gefühl, sein Sehvermögen spielte ihm einen Streich, als könne er noch immer genau sehen, wo das viele Blut an der Haut geklebt hatte.

„Hilf mir“, forderte Konan ihn auf und faltete einen Schlafyukata auseinander. Der Rotschopf trug momentan nur noch den Fundoshi. Die blutverschmierte Kleidung lag etwas weiter entfernt zu einem unordentlichen Haufen aufgeschichtet. Stumm nickte Deidara und ging ihr zur Hand, Gaara den Yukata anzuziehen und zuzubinden, damit er nicht fast nackt unter der Decke lag.

„Konan?“, begann Deidara schließlich vorsichtig. Fragend schaute sie ihn an und gab ihm stumm die Aufforderung weiter zu sprechen. „Ihr werdet ihn nicht rauswerfen, oder? Bevor er aufwacht, hm?“ Nach der Konfrontation mit Kakuzu befürchtete er, sie würden ihn jetzt wieder wegschicken. Solange Gaara bewusstlos war, bekam er nicht mit, wo er war. Aber der Rotschopf brauchte Ruhe. Auf einem Pferd fand er garantiert nicht die Erholung, die er benötigte.

Irritation zeigte sich in ihren schönen Augen. „Wie kommst du denn darauf? Es wäre unverantwortlich, ihn jetzt rauszuwerfen.“

Deidara biss sich auf die Unterlippe. „Aber wenn Yahiko auch so denkt wie Kakuzu, dass er nicht hier sein sollte, hm?“

Konan antwortete nicht sofort, was dem Blonden noch mehr Angst einjagte. Er sah hinab, weil er die Spannung nicht mehr aushielt. Langsam griff er nach Gaaras Hand. Zum einen wollte er eine Verbindung zu ihm, zum anderen beruhigte die Berührung ihn. Seine Hand war warm, ein eindeutiges Zeichen, dass er lebte.

„Mach dir keine Sorgen. Yahiko kann mir keinen Wunsch abschlagen“, meinte Konan schließlich und als er aufsah, zwinkerte sie. Deidara beruhigten ihre Worte jedoch nur geringfügig. In der Zeit, in der Yahiko nicht im Haus war, hatte seine Ehefrau das Sagen. Daran hatte sich nichts geändert. Ansonsten hätte Kakuzu ihm Gaara wohl in die Arme gedrückt und augenblicklich wieder fortgeschickt. Es war sein Glück gewesen, dass Konan gerade rausgekommen war, um vom nahen Fluss Wasser zu holen.

„Was denkst du, wie lange wird er bewusstlos sein, hm?“, fragte Deidara leise.

„Das kann ich dir nicht sagen. Der Streifschuss ging nicht sehr tief, aber er hat viel Blut verloren. Sein Körper wird Zeit brauchen, um sich davon zu erholen.“ Die Blauhaarige erhob sich. Deidaras Blick folgte ihrer Bewegung. Allmählich zeichnete sich unter dem Stoff bereits ihr wachsender Bauch ab. Yahiko würde seine Frau und das noch ungeborene Kind beschützen. Das war Deidara klar. Sobald der Anführer von Akatsuki wieder im Versteck war, war eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihm nicht zu umgehen.

„Ich hole dir etwas zu Essen und Wasser“, erklärte sie. Dann ließ sie ihn mit seinen Gedanken und dem bewusstlosen Gaara allein. Deidaras Blick glitt zu dessen Gesicht zurück. Traurig seufzte er. Es war die beste Möglichkeit gewesen, den Rotschopf zu schützen, aber nun zog er sich den Zorn Akatsukis zu. Konan ausgenommen. Noch immer hielt er seine Entscheidung für richtig, ihn in den Geisterwald gebracht zu haben. Aber die anderen Rônin sahen das anders. Für sie war Gaara nur eine Gefahr. Dabei konnte Gaara doch überhaupt nicht wissen, wo er sich befand, wenn er aufwachte. Sobald er kräftig genug war, um wieder zu reiten, gab es sicherlich einen Weg, ihn aus dem Wald zu bringen ohne ihn wissen zu lassen, wo genau das Verstand zu finden war. Dass Akatsuki in der Nähe von Kochi lebte, wusste der Rotschopf ohnehin schon. Leicht strich sein Daumen über Gaaras Handrücken. Hoffentlich überlebte er. Deidara wollte nicht wieder völlig allein im Nirgendwo versinken. Wie wichtig der Daimyô ihm inzwischen schon geworden war, bemerkte er erst jetzt wirklich, wo die Angst in seine Knochen kroch, dass er womöglich sterben könnte. Ob Sasori damals dieselbe Angst verspürt hatte, als er bei der Jagd den Unfall gehabt hatte? Und als er nach der Schlacht gegen Akahoshi zusammengebrochen war? Er war so achtlos gewesen, hatte keinerlei Gedanken daran verschwendet, ob er seinem Meister mit seinem Handeln Sorge bereitete. War das seine Strafe? Erst verlor er Sasori und nun musste er um Gaara fürchten, dabei stand ihre Beziehung gerade am Anfang. Deidara wollte nicht wieder den Boden unter den Füßen verlieren, den er langsam wieder gefunden hatte, dank Gaara. Hart schluckte er.

Bedächtig beugte der Blonde sich über Gaara und hauchte ihm einen Kuss auf die weichen Lippen. „Bitte wach wieder auf, hm“, flüsterte er.

Warten

Noch nie zuvor hatte Gaara so starke körperliche Schmerzen empfunden. Und nun war das beharrliche Pochen in seinem Kopf das erste, was ihn begrüßte. Allmählich sickerte Erschöpfung zu ihm durch. Er fühlte sich, als hätte er wochenlang nicht geschlafen und könnte nicht einmal mehr die Augen offen halten, geschweige denn, sich bewegen. Selbst seine Gedanken flossen zäh wie Sirup. Irgendwas war ganz und gar nicht in Ordnung. Sie waren doch auf dem Weg nach Kochi gewesen…

„Gaara?“, drang eine ihm wohlbekannte Stimme in seinen Geist. Deidara war bei ihm. Diese Erkenntnis erleichterte ihn. Nach zwei Versuchen gelang es ihm, die Lider zu heben und ihn anzusehen. Erleichterung und Besorgnis spiegelten sich in den Gesichtszügen des Blonden wider, der sich über ihn gebeugt hatte. Er wollte seinen Namen sagen, doch brachte nur ein Krächzen zustande. Seine Kehle fühlte sich ausgetrocknet an. Deidara schob vorsichtig seinen Arm unter seinen Kopf und hob ihn etwas an. Die Bewegung war ihm unangenehm, aber er verstand den Hintergrund, als ihm die Teeschale auffiel, die er ihm an die Lippen hielt. „Trink“, forderte der Krieger ihn leise auf. Langsam schluckte der Rotschopf die warme Flüssigkeit. Der Tee tat unheimlich gut, löschte er das Kratzen im Hals. Behutsam legte der Blonde seinen Kopf wieder ab und strich ihm über die Wange. „Ich bin erleichtert, dass du endlich aufgewacht bist, hm“, murmelte Deidara. Gaara wollte die Stirn runzeln, aber etwas verhinderte es. Unter Anstrengung konnte er seine Hand davon überzeugen, sich zu heben und darüber zu tasten. Seine Finger erfühlten Stoff. „Was… ist passiert?“, fragte er heiser. Jadefarbene Augen suchten Blickkontakt. Er war äußerst beunruhigt und die Befürchtung schwoll in ihm an, etwas sehr Wichtiges verpasst zu haben.

Deidara griff nach seiner Hand und hielt sie in seinen. „Kabuto hat mit einigen Männern deine Eskorte angegriffen. Er hat dich angeschossen. Zum Glück war es nur ein Streifschuss. Aber du warst fast drei Tage bewusstlos, hm“, erklärte der Blonde und schluckte.

Gaaras Augen weiteten sich. Er konnte nicht fassen, was Deidara ihm offenbarte. Sie waren angegriffen worden? Warum? Und wieso konnte er sich nicht daran erinnern? Kabuto lebte also noch? Hatte er nicht mit derselben Methode Deidaras Meister ins Jenseits befördert? Wie beängstigend musste der neuerliche Einsatz der neumodischen Waffe für ihn gewesen sein? Wenn er dem Blonden überhaupt so viel bedeutete wie es umgekehrt der Fall war.

Die anschwellenden Kopfschmerzen zwangen ihn, seine Gedanken ruhen zu lassen. Gänzlich loslassen konnte Gaara jedoch nicht. „Wo bin ich?“, fragte er schließlich. „Und was ist… mit den anderen?“

Seine Ohren erfassten ein schweres Seufzen. „Ich weiß nicht, was mit den anderen ist. Ich habe Kabuto verfolgt, als er dich entführen wollte und habe ihn umgebracht.“ Gaara konnte nicht verhindern, dass er sich Sorgen machte um seinen General und seine Männer. Hoffentlich hatten alle den Angriff überlebt. Sie suchten bestimmt nach ihm. Aber warum wollte man ihn entführen? Die Fragen häuften sich mehr und mehr.

Nach einer kurzen Pause fuhr Deidara fort. „Du bist jetzt bei Akatsuki, hm.“ Überrascht zwang der Daimyô seine Augen wieder auf. Er war bei Akatsuki? Das ergab keinen Sinn. „Aber… wieso?“ Deidaras Gesichtsausdruck zufolge war da auch noch irgendwas. Etwas, was er ihm hoffentlich sagen würde. „Weil ich es für sicherer hielt. Momentan weiß niemand, wo du bist. So kannst du dich erholen, ohne die Gefahr, dass Sasuke dich erneut angreifen lässt, hm.“ Kurz biss der Blonde sich auf die Unterlippe. Dann überwand er sich und sprach weiter. „Aber es wird da noch ein Problem geben. Außer Konan ist niemand sonderlich begeistert, dass du hier bist. Sie befürchten, dass du ihr Versteck verrätst, hm.“

Könnte Gaara die Stirn runzeln, hätte er es nun erneut getan. „Dazu… habe ich keinen Grund“, murmelte er müde. „Das habe ich auch gesagt, hm.“ Aber anscheinend glaubten sie Deidara nicht. Der Rotschopf konnte seine Augen nicht mehr offen halten. Immer stärker kroch die Müdigkeit in seinen Geist und zerteilte seine Überlegungen in zusammenhanglose Fetzen. Wieder spürte er Deidaras Hand sanft an seiner Wange. „Ruh dich aus, hm.“ Der liebevolle Unterton ließ seine Mundwinkel zu einem kaum sichtbaren Lächeln zucken. Augenblicke später war Gaara auch schon eingeschlafen.
 

Als er das nächste Mal erwachte, fühlte er sich schon ein klein wenig besser, immer noch schwach und die Kopfschmerzen mahnten ihn, nichts zu überstürzen, aber es gelang ihm zumindest, sich mit Deidaras Hilfe aufzusetzen und eine Suppe zu essen, die er ihm gebracht hatte.

Während er aß, begannen seine Gedanken erneut um die ganzen Probleme zu kreisen. Der Rotschopf kam sich wie aus dem Leben gerissen vor. Als habe man ihn für ein paar Tage einfach komplett in eine andere Welt gesteckt und nun ließ man ihn ohne Erinnerung oder Wissen in sein Leben zurücktaumeln. Hilflosigkeit rumorte in ihm. Ein Gefühl, das er hasste.

„Warum hat Sasuke das getan?“ Seine Stimme war leise und nachdenklich. Ihm wollte kein Grund einfallen, warum der selbsternannte Nachfolger von Orochimaru ihn ausgerechnet entführen lassen sollte. Ihn umzubringen ergab viel mehr Sinn, wenn er den alten Daimyô rächen wollte – ob nun für Kabuto und Jûgo oder aus einem anderen Grund.

Der Rotschopf sah Deidara von der Seite an, als sich der Arm um seinen Schultern leicht verkrampfte, mit dem er ihn stützte. Er wusste etwas. „Zetsu ist gestern wiedergekommen. Er hat herausgefunden, dass Sasuke deine Familie mit dir erpressen wollte, damit sie Akatsuki nicht mehr in Schutz nehmen und von Shikoku vertreiben. Es geht nicht mehr nur um die Rache an seinem Bruder. Zetsu ist der Ansicht, dass er sehr stark von Orochimarus ehemaligen Anhängern beeinflusst wurde, hm.“

Dass Akatsuki ihm nicht vertraute, konnte Gaara nachvollziehen, aber spätestens nach dieser Information war absolut verständlich, dass sie ihn nicht hier haben wollten und er für sie eine akute Gefahr darstellte. Gaara senkte seinen Löffel und lehnte seinen lädierten Kopf gegen Deidaras Schulter. Für ein paar Herzschläge schloss er die Augen und erlaubte der Überforderung die Oberhand zu gewinnen. Sasuke hatte ihn entführen wollen, weil er für das Reich wertvoll war. Niemand, der praktisch dachte, schützte eine Bande Rônin und riskierte das Leben seines Daimyô. Allerdings hätte er Orochimaru damals nicht besiegen können ohne die Hilfe von Akatsuki. In seinen Augen kam es Verrat gleich, sie jetzt quasi an Sasuke auszuliefern. Selbst wenn sie außerhalb der Gesellschaft standen. Für Gaara waren sie kein Abschaum. Sie waren Menschen wie alle anderen auch. Nur konnte nicht jeder das Glück haben, ein ehrliches oder zumindest akzeptables Leben zu führen.

„Ich muss Kontakt zu meiner Familie aufnehmen“, murmelte er schließlich. Sie sollten sich keine Sorgen um ihn machen. Und vielleicht erhielt er dann auch Informationen, wie es Shikamaru und dem Rest der Eskorte ging.

„Das geht momentan nicht“, erwiderte Deidara. „Zetsu ist schon wieder weg. Er will Informationen zu dem Überfall in Erfahrung bringen, hm.“

Hörbar atmete Gaara aus. Das beruhigte ihn nicht gerade. Ihm war bewusst, dass er seinem Körper Ruhe gönnen sollte. Aber sein Land brauchte ihn. Ein Körper ohne Kopf war zum Sterben verurteilt. Im Falle seines Todes würde Kankurô seinen Platz einnehmen, aber die Unsicherheit über seinen Verbleib würde erst einmal unweigerlich für eine Schwächung sorgen, die Feinde wie Sasuke ausnutzen könnten.

„Ich sollte mich mit Yahiko unterhalten“, erklärte der Rotschopf schließlich und setzte sich wieder einigermaßen gerade hin, um seine Suppe zu Ende zu essen. Sie sollten sich zusammen eine Lösung für das Problem Sasuke überlegen. Außerdem war dessen Bruder bei Akatsuki. Vielleicht war das ein Vorteil, den man zu ihren Gunsten nutzen konnte. „Yahiko ist noch mit Itachi und Kisame unterwegs. Niemand weiß, wann sie wieder hier sein werden. Da sie aber schon eine Weile weg sind, kommen sie vermutlich in den nächsten Tagen irgendwann zurück, hm.“

Dann musste das offensichtlich auch warten. Gaara mochte es nicht, wenn so wichtige Dinge nicht zügig geregelt werden konnten. Wenigstens hatte er inzwischen eine Vorstellung, wer im Versteck war. Konan, sowie vermutlich Hidan und Kakuzu. Es sei denn, Akatsuki hatte neue Mitglieder, von denen er nichts wusste. Aber der Blonde hätte ihm doch sicherlich davon erzählt.

Deidara nahm ihm die leere Schale samt Löffel aus der Hand und stellte das Geschirr beiseite. Der Blick aus dem azurblauen Auge jagte nahm ihn wie so oft zuvor gefangen. Gaara glaubte, er würde darin versinken und zugleich doch sanft umhüllt werden wie bei dem prickelnd kühlen Wasser des Meeres an einem heißen Sommertag. „Ich bin so froh, dass du lebst, hm“, hauchte Deidara. Unweigerlich huschte ein Lächeln über Gaaras Lippen. Diese Worte klangen herrlich in seinen Ohren. Er war dem Krieger wichtig und das bedeutete ihm sehr viel. Es war ein anderes Gefühl, für eine bestimmte Person wertvoll zu sein, auf privater Ebene. Zu wissen, dass es nicht um sein Amt ging, welches er ausführte, berührte ihn tief im Inneren. „Ich kann doch jetzt noch nicht sterben“, erwiderte er leise. Gaara wollte Deidara nicht allein lassen. Wer kümmerte sich um den Blonden, wenn er nicht mehr da wäre? So lange hatte der Krieger gebraucht, um wieder in sein Leben zurückzufinden, da konnte er ihn doch jetzt nicht verlassen. Außerdem genoss er die gemeinsame Zeit mit ihm zu sehr.

Allmählich wurde ihm bewusst, dass er wirklich hätte tot sein können. Dann wäre für ihn alles vorbei gewesen. Wie es sich wohl anfühlte? War es wie einschlafen und nie mehr aufwachen? Was geschah mit seiner Seele? Sie würde wieder geboren werden, aber hatte er in der Zeit bis dahin noch Erinnerungsvermögen? Oder konnte er seine Umgebung wahrnehmen? Lebte er dann als Geist im Jenseits und kam zu O-bon in die Welt der Lebenden? Gaara sollte sich Einhalt gebieten. Er war am Leben. Was wirklich nach dem Tod kam, konnte niemand so genau sagen.

Ein Gutes hatte dieser erzwungene Aufenthalt bei Akatsuki. Er musste sich weniger Gedanken darum machen, dass niemand ihr Verhältnis bemerkte, weil in diesem Anwesen deutlich weniger Menschen waren. Gaara hob eine Hand und schob sie unter das weiche Haar in Deidaras Nacken. Sanft zog er ihn näher, um ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss zu vereinen.

Die Entscheidung

„Du hast nicht nur unser Versteck verraten, sondern auch uns.“ Yahiko sah Deidara ernst an. Der Anführer von Akatsuki war erst gegen Mittag mit Itachi und Kisame zurückgekehrt und offensichtlich schon genausten über das im Bilde, was sich zugetragen hatte. Nun saß er mit dem Blonden allein im Wohnzimmer, um mit ihm über das Problem – Gaara – zu sprechen. Deidara machte es wütend, dass der Rotschopf wie ein Problem behandelt wurde, was es zu beseitigen galt. Störrisch verschränkte er die Arme vor der Brust. „Du weißt, wie jeder von Akatsuki, dass niemand in unser Versteck gebracht werden soll. Je mehr davon wissen, desto größer ist die Gefahr für uns.“

Als ob Deidara das nicht wusste. Dennoch würde Gaara sie nicht verraten. „Ich weiß nicht, wo das Problem ist“, erwiderte er stur. „Gaara wird Akatsuki nicht verraten, hm.“

Stoisch musterten ihn die grauen Augen. „Und das glaubst du wirklich? Vielleicht verrät er es nicht morgen oder übermorgen. Aber was ist in ein paar Jahren? Wir haben seine Armee unterstützt und ihn dafür bezahlen lassen. Es gibt keinen Grund, wieso er uns für nichts schützen sollte.“

Genervt verdrehte Deidara die Augen. „Seit wann ist es nichts, wenn ihr keine Aufträge annehmt, die sich gegen Gaaras Reich richten? Wenn er im Gegenzug das Versteck nicht verrät, herrscht doch ein Ausgleich, hm.“

Yahiko rieb sich über die Nasenwurzel. Das tat er nur, wenn er äußerst gereizt war. Allerdings war Deidara dieser Umstand völlig egal. Bis zu einem gewissen Grad konnte er sogar die Sorge der anderen nachvollziehen, aber Yahiko schien sich nicht einmal mit Gaara auseinandersetzen zu wollen. Für ihn war offenbar bloß wichtig, das Problem aus dem Weg zu räumen.

„Wir sind nur ein paar Rônin. Er hat die Verantwortung für ein ganzes Land. Begreif endlich, dass es ein Unterschied ist! Wenn sein Land in Gefahr ist und er selbige bannen kann, indem er uns verbannt oder sogar ausliefert, wird er es tun.“

Deidara reichte es. Ruckartig erhob er sich. „Würdest du dich mit ihm auseinander setzen wollen und ihn nicht nur als Problem betrachten, würdest du bemerken, dass er zu seinem Wort steht, hm!“, knurrte der Blonde aufgebracht und wandte sich zur Tür, um das Zimmer zu verlassen. Seiner Meinung nach machte es keinen Sinn, länger darüber zu diskutieren und sich als naiv darstellen zu lassen. Vielleicht war er manchmal etwas voreilig, aber ganz sicher nicht naiv!

„Deidara!“ Der scharfe Tonfall hielt ihn dazu an, wenigstens mürrisch über die Schulter zu schauen. „Er wird sein Zimmer nicht verlassen. Heute Abend werde ich mit ihm sprechen.“

Unwillig schnaufte der Blonde. „Das kannst du ihm selbst sagen, hm.“ Er verließ nun endgültig das Wohnzimmer. Am liebsten würde er jetzt Schießübungen machen, und zwar auf seine mit Schwarzpulver gefüllten Tonkrüge. Zu seinem Leidwesen hatte er nur seinen Bogen und die Pfeile hier. Außerdem wollte er Gaara nicht zu lange alleine lassen. Momentan traute er Akatsuki zu, dass sie den Rotschopf rauswarfen, auch wenn Konan gesagt hatte, sie konnte das verhindern. Aber Akatsuki schützte nur sich selbst. Lange genug hatte er unter ihnen gelebt, um sich dessen bewusst zu sein. Da er im Haus auch nicht rauchen durfte, nahm er sich aus der Küche eine Flasche Sake mit und ging hoch in Gaaras Zimmer, in welches er sich einfach mit einquartiert hatte.

Dort lehnte er sich an einen der tragenden Pfeiler und rutschte daran hinab. Aus der Sakeflasche nahm er ein paar tiefe Züge. Der Alkohol prickelte beruhigend auf der Zunge. Gaaras Blick spürte er auf sich, ignorierte ihn aber. Natürlich gefiel dem Rotschopf nicht, was er gerade tat. Schließlich hatte er ein Jahr mehr oder weniger im Suff verbracht. Eher mehr als weniger. Aber Deidara konnte jetzt nicht einfach ruhig bleiben und nichts tun. Irgendein Ventil brauchte er.

„Was ist passiert?“, fragte Gaara leise. Der Blonde sah nun doch zu ihm hinüber. Der Daimyô saß auf seinem Futon und erwiderte den Blick ruhig.

Genervt schnaubte Deidara. „Yahiko hat ein Problem damit, dass du hier bist. Wie nicht anders zu erwarten war.“ Nach einer kurzen Pause fügte er an: „Er will heute Abend mit dir sprechen… ach und er will, dass du das Zimmer nicht verlässt, aber das soll er dir schön selbst sagen, hm.“ Damit implizierte er, dass er Gaara keine Vorschriften machen wollte. Momentan durfte er ohnehin noch nicht aufstehen, aber da der Blonde hier nicht mehr wohnte, sollte Yahiko seine Vorschriften gefälligst selbst vortragen. Deidara setzte die Flasche erneut an und trank sie zur Hälfte leer.

„Deidara, kommst du her?“, bat Gaara. Sein Blick senkte sich kurz auf den Futon, der direkt neben seinem lag. Mit einem Seufzen stemmte der Blonde sich hoch und kam der Bitte nach. Auf seinem Futon ließ er sich nieder. Mit einem fragendem Glanz im Auge wartete er nun, was der Rotschopf wollte. Dieser griff bestimmt nach der Sakeflasche und nahm sie ihm aus der Hand. Unwillig ließ der Blonde es zu. Die Flasche fand ihren Platz außerhalb seiner unmittelbaren Reichweite. Langsam legte Gaara sich zurück. Dessen Hand wanderte über seinen Arm so hoch es ging. Dem leichten Zug gab er nach und streckte sich neben dem Rotschopf auf dem Bauch aus. Das war doch einfach nur frustrierend. Am liebsten hätte Deidara das Weite gesucht, wäre mit Gaara fortgeritten. Aber er wollte seine Genesung nicht gefährden. Und nun saß er zwischen den Fronten. Kühle Finger strichen sein Haar beiseite und begannen seinen Nacken zu kraulen. Langsam senkten sich Deidaras Lider und er kam nicht umhin, sich doch nach und nach zu entspannen. Der Rotschopf hatte sich verdammt gut gemerkt, wie er mit ihm umgehen musste, wenn er ihn beruhigen wollte. Die Methode hielt ihn auch erfolgreich vom Trinken ab. Den Alkohol spürte er nun zwar allmählich, wurde ihm ein wenig schummrig, aber gerade fühlte sich dies zusammen mit den Fingern in seinem Nacken, die beständig über seine Haut strichen, äußerst angenehm an.
 

Ungeduldig tigerte Deidara durch den Flur des oberen Stockwerkes. Yahiko hatte ihn doch tatsächlich aufgefordert, das Zimmer zu verlassen. Als ob er nicht wüsste, worüber die beiden sprechen würden! Unglücklicherweise waren sie leise genug, sodass er nicht lauschen konnte. Also musste er anschließend Gaara ausfragen. Es regte ihn auf, auf die Art ausgeschlossen zu werden.

Die Tür schob sich auf und augenblicklich beendete der Blonde seine Wanderung den Flur auf und ab. Ein giftiger Blick traf Yahiko, der diesen kühl erwiderte. Dann schritt er an ihm vorbei die Treppe hinab. Deidara trat in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Während er näher kam, betrachtete er Gaaras Miene. Wie meist ließ er sich nicht anmerken, was in seinem Kopf vor sich ging. „Also?“, fragte er ohne Umschweife, nachdem er sich zu ihm auf den Futon gesetzt hatte.

„Ich werde bleiben, bis ich wieder in der Lage bin, auf einem Pferd zu reiten. Solange habe ich eingewilligt, das Zimmer nicht zu verlassen und bis Kochi eine Augenbinde zu tragen.“

Im ersten Moment starrte Deidara den Rotschopf entgeistert an. Yahiko verlangte allen Ernstes, dass Gaara blind bis Kochi reiten sollte? Er öffnete den Mund, um sich darüber auszulassen, schloss ihn dann aber wieder und sagte vorerst nichts. Das war eine praktische Lösung, um zu verhindern, dass Gaara sich orientieren konnte. Wenn das Problem so leicht aus der Welt zu schaffen war, warum hatte Yahiko dann vorhin dieses Theater gemacht?

Mürrisch fuhr er sich durch das offene Haar. „Wieso macht er dann erst so einen Aufstand, hm“, brummelte Deidara vor sich hin.

„Ich kann ihn verstehen. Er will seine Frau und seine Kameraden beschützen.“ Gaara hatte ja Recht. Akatsuki musste vorsichtig sein. Sie waren immerhin gesuchte Verbrecher. Der Blonde verdrehte dennoch sein Auge und erhob sich wieder, um Hakama, Gi und Hadagi gegen den Schlafyukata zu tauschen, den man ihm geliehen hatte. In der legeren Kleidung legte er sich auf seinen Futon und sah zu Gaara, der sich zurücklegte und die Augen schloss. Er wirkte müde. Bedächtig rutschte Deidara näher. Seine Hand wanderte über Gaaras Oberkörper und verharrte nahe seiner Schulter, wo er leicht über den Stoff strich. „Sind deine Kopfschmerzen inzwischen besser geworden, hm?“, fragte er leise. Konan hatte gesagt, die Schmerzen würden zurückgehen mit der Zeit. Aber ob Gaaras Erinnerungen an den Angriff zurückkamen, wusste auch sie nicht.

„Etwas“, antwortete der Rotschopf leise. Na das war doch schon mal was. Die Wunde heilte auch gut. Mit etwas Glück blieb nur eine kleine Narbe, die vom Haar vollständig verdeckt wurde. Deidaras aufgeriebene Nerven lockerten sich allmählich, nun wo er nicht mehr fürchten musste, dass er samt Gaara fortgeschickt wurde, obwohl der Rotschopf noch gar nicht kräftig genug war, um sich ohne Hilfe auf einem Pferd halten zu können.

„Danke“, murmelte Gaara. Irritiert hob der Blonde wieder seine Lider und stemmte sich weit genug hoch, um in das vertraute Gesicht zu sehen. Seine Finger hielten inne, über den Stoff zu streichen. „Wofür?“, hakte er nach. Er konnte nicht einschätzen, aus welchem Grund Gaara sich plötzlich bei ihm bedankte. Dessen Augen öffneten sich und jadefarbene Iriden schimmerten nun sanft. „Dafür, dass du mich gerettet hast.“

Kurz zogen sich Deidaras Augenbrauen zusammen. „Das war doch selbstverständlich, hm“, erwiderte er noch immer irritiert. Gaaras Hand hob sich und glitt zärtlich über seine Wange, ehe sie in seinen Nacken huschte und ihn zu sich runter zog. Ein liebevoller Kuss traf seine Lippen. Es musste für Gaara eine besondere Bedeutung haben, dass er ihn gerettet hatte, oder? Nachdem sich ihre Lippen wieder trennten, konnte der Blonde ein Lächeln nicht verhindern. Er ließ sich wieder komplett neben dem Rotschopf nieder und schmiegte seine Stirn gegen Gaaras Schulter. Seinem Kopf wollte er momentan nicht zu nahe kommen, befürchtete er, ihm vielleicht weh zu tun. Dafür nahm seine Hand ihr Streicheln wieder auf. Deidara war so unendlich erleichtert, dass Gaara das Schlimmste überstanden hatte. Jetzt war die Wahrscheinlich gering, ihn doch noch zu verlieren. Dieses Gefühl, welches ihn durchströmte, wenn er in seiner Nähe war, ihn berührte oder wenn er an ihn dachte, näherte sich mehr und mehr der Liebe, die er für Sasori empfunden hatte. Deidara war sich dessen bewusst geworden, als er um Gaaras Leben gebangt hatte. Die Verlustangst war verzehrend gewesen und dem Moment sehr gleichartig, als sein Meister röchelnd in seinen Armen gelegen hatte. Hoffentlich konnte er den nächsten Angriff auf Gaara rechtzeitig von ihm abwenden. Der Rotschopf war alles andere als wehrlos, aber er kannte die Schwäche in seiner Sandmanipulation. Und sollte Kabuto diese Schwachstelle an jemand anderen weitergegeben haben, war eine weitere hinterhältige Attacke denkbar. Deidara würde alles tun, um nicht auch noch Gaara zu verlieren.

Zweifel

Gaara konnte Hidan selbst durch die geschlossene Tür noch hören, als er hinter Deidara her grölte. „Fang bloß nicht mit deinem Sasori-Ersatz auch noch an lautstark rumzuficken. Sonst schieb ich dir meine Naginata quer in den Arsch!“ Viel bekam Gaara nicht mit, das meiste über den Blonden, der ihm erzählte, was vor sich ging. Nur Konan kam regelmäßig hoch, brachte etwas zu Essen, kümmerte sich um seine Verletzung und sprach auch mit ihm. Sie war nett, er mochte sie. Aber Hidan war anscheinend ähnlich sauer, dass er hier war. Jedoch aus einem anderen Grund als Yahiko und Kakuzu. Er war eifersüchtig, weil er seine Weiber, wie Deidara es ausgedrückt hatte, nicht herschleppen durfte und immer irgendwo anders seiner Lust nachgehen musste. Von Itachi und Kisame dagegen hatte er kaum etwas gehört. Die beiden hielten sich aus der Angelegenheit bisher raus, wie es schien.

Allerdings war ihm das Gehörte sehr unangenehm. Bisher hatte Gaara sich keine Gedanken gemacht, aber wenn er nun so direkt als Sasori-Ersatz bezeichnet wurde, kam er nicht umhin, sich zu fragen, ob vielleicht etwas dran sein könnte. Von Sasori wusste er nicht viel, nur das, was er selbst mitbekommen und was Deidara ihm erzählt hatte. Und er fand nicht, dass sie sich ähnlich gewesen waren. Das einzige, was eine gewisse Ähnlichkeit aufwies, war ihre Körpergröße und die roten Haare. Konnte das ausreichen, um ihn ernsthaft als Ersatz für Deidaras toten Meister zu betiteln?

Der Blonde ließ sich von Hidans Kommentar reizen. Eigentlich wollte Deidara raus gehen und die Kleidung durchwaschen, aber jetzt ließ er sich offensichtlich erst mal auf einen verbalen Kampf mit dem Silberhaarigen ein. „Er ist kein Sasori-Ersatz, hm!“, blaffte er ungehalten. „Ach, aus fünf Metern Entfernung sieht man den Unterschied gar nicht mehr“, erwiderte Hidan lapidar.

Gaaras Stirn legte sich in Falten. Hidan sprach tatsächlich von seinem Äußeren. Zuvor war ihm schon aufgefallen, dass der Rônin nicht gerade mit Intelligenz gesegnet war, dennoch empfand er seine Anmerkung als unsensibel.

„Meinetwegen könnte er auch blonde oder schwarze Haare haben. Er ist kein Ersatz, hm!“ Stampfende Schritte entfernten sich nun rasch. „Ist mir egal. Fickt trotzdem leise! Es gibt Leute, die nachts schlafen wollen!“ Hidan musste unbedingt das letzte Wort haben. Danach kehrte wieder Ruhe auf der oberen Etage ein. Mit einem leisen Seufzen griff Gaara nach der Teeschale und trank einen Schluck. Nachdenklich sah er in die klare Flüssigkeit. Die Worte hatten Zweifel in sein Herz gesäht. War er wirklich kein Ersatz? Deidara hatte darauf bestanden. Sein Selbstwertgefühl war jedoch nicht stark genug ausgeprägt, um nicht ins Schwanken zu geraten. Konnte man ihn überhaupt lieben? Oder verrannte er sich unbewusst in einer Illusion? Und Deidara ebenso? Bis Gaara ihn darauf angesprochen hatte, hatte er nie seinen Po berührt – wie bei seinem Meister. War es wirklich nur Gewohnheit gewesen oder steckte mehr dahinter? Wie sollte er damit nun umgehen? Dieser kurze Disput, den er unfreiwillig belauscht hatte, verunsicherte ihn in seinem Umgang mit Deidara.

Ein Klopfen riss Gaara aus seinen Gedanken. Er atmete tief durch, sammelte sich und gestattete demjenigen anschließend Einlass. Die Tür schob sich auf und er war milde überrascht, als Itachi eintrat. Hinter sich schloss dieser die Tür wieder. Ruhig und durchdringend lag der Blick der schwarzen Augen auf ihm. „Setzt Euch“, bot Gaara dem Schwarzhaarigen an. Was Itachi wohl wollte? Bisher hatte er ihn vielleicht ein oder zwei Mal sprechen hören. Der Uchiha schien nicht gerade der sonderlich gesellige Typ Mensch zu sein. Im Hinterkopf rumorten die Erzählungen, die ihm zu Ohren gekommen waren. Itachi hatte seinen gesamten Clan umgebracht, nur sein kleiner Bruder war verschont worden. Und genau dieser Bruder machte dem Rotschopf nun erhebliche Probleme. Unweigerlich fragte Gaara sich, wieso der Schwarzhaarige seinen eigenen Clan, seine Familie getötet hatte. Grundlos verrichtete man keine solch grausame Tat. Wenn er ihn so betrachtete, machte er auch nicht den Eindruck eines Mörders. Aber Äußerlichkeiten konnten täuschen.

Itachi setzte sich in angemessener Entfernung neben seinen Futon, der Blick blieb beharrlich auf Gaara gerichtet. „Ich möchte mich für das Verhalten meines Bruders entschuldigen. Er hat Euch großes Leid zugefügt.“ Der Schwarzhaarige verbeugte sich tief vor ihm, um seiner Entschuldigung mehr Gewicht zu verleihen.

Erstaunt weiteten sich die jadefarbenen Augen leicht. Damit hatte er nicht gerechnet. Zu einem Clanmörder passte dieses Verhalten nicht. Denn es zeigte deutlich, dass ihm seine Familie doch wichtig sein musste. Da nur noch Sasuke am Leben war, war sein kleiner Bruder die einzige Familie, für die er sich noch verantwortlich fühlen konnte. Der Rotschopf nahm sich zusammen und schlüpfte wieder mehr in seine Rolle als Daimyô. „Ich nehme die Entschuldigung an“, erklärte er ruhig. Langsam setzte Itachi sich wieder richtig auf. „Ich werde tun, was ich kann, um weitere solcher Übergriffe zu vermeiden.“ Nach wie vor machte der Schwarzhaarige einen ruhigen Eindruck, aber in seinem Tonfall meinte er eine Entschlossenheit heraus zu hören, die jeglichen Zweifel an seiner Prophezeiung erstickte. Gaara deutete ein verstehendes Nicken an. Was nur war der Grund für den Clanmord? Die Uchiha waren ein angesehener Samurai-Clan gewesen. Er dachte an den alten Daimyô Sarutobi, den er bei einem Besuch kennen gelernt hatte. Der Mann trug sein Herz am rechten Fleck. Ob er diesen Mord hätte verhindern können?

Itachi schien fertig zu sein, denn er erhob sich. „Ich ziehe mich zurück.“ Allerdings wartete er nicht auf seine Erlaubnis, sondern wandte sich um und verließ das Zimmer. Gaara störte sich nicht daran, immerhin war er zu Gast und sein Status zählte hier wenig. Vielmehr schien selbiger sogar hinderlich. Gern hätte er nachgefragt, was genau damals vorgefallen war, aber die Frage wäre zu intim für flüchtige Bekannte.
 

Deidara kam erst am Abend wieder zurück. Anscheinend gab es gerade Abendessen, denn er hatte ein Tablett mitgebracht, welches er nun auf dem Tisch abstellte. Gaara durfte inzwischen auch aufstehen, worüber er sehr froh war. Die wenigen Schritte überwand er ohne Probleme und setzte sich auf eines der Kissen.

„Zetsu ist wieder da“, begann der Blonde ernst, während er die Schalen vom Tablett nahm und es beiseite stellte. „Sasuke blufft offenbar. Er versucht deine Familie zu erpressen, obwohl er dich gar nicht in seiner Gewalt hat. Shikamaru lebt und auch viele deiner Krieger. Sie reisen nach Matsuyama zurück, nachdem die Nachricht kam, hm.“

Einerseits war Gaara erleichtert, dass viele seiner Eskorte den Angriff überlebt hatten, andererseits war er schockiert. Sasuke erpresste seine Familie, obwohl er gar kein Druckmittel in der Hand hatte? Das war offensichtlich der Nachteil an seinem Verschwinden. Niemand konnte überprüfen, wo er nun war… und ob er überhaupt noch lebte. „Wie reagieren sie?“, fragte er. „Sie wollen ein Treffen aushandeln. Anscheinend möchten sie erst sichergehen, dass du tatsächlich lebst, bevor sie auf seine Forderungen eingehen, hm.“

Der Blonde griff nach seiner Reisschale und den Stäbchen. Während er zu essen begann, musste Gaara diese Informationen erst verdauen. Das war schwere Kost. Am liebsten würde er sofort zurückkehren. Die Wunde war inzwischen soweit verheilt, dass sie nicht wieder aufreißen konnte. Ein bisschen schwach fühlte er sich noch, aber er konnte schon wieder gehen ohne Schwindelanfälle. Auch Kopfschmerzen hatte er kaum noch. Einen Ritt sollte er doch wohl durchstehen. Der Rotschopf konnte nur nicht weiter hier im Nirgendwo warten, während sein Reich ihn brauchte. „Wir kehren morgen zurück“, entschied er schließlich.

Verblüfft hielt Deidara inne. „Ist es nicht noch etwas früh dafür, hm?“, hakte er nach. Entschieden schüttelte Gaara den Kopf. „Es geht mir einigermaßen gut. Mein Land braucht mich. Ich kann nicht länger warten.“

Man sah dem Blonden an, dass ihm nicht wohl bei dem Gedanken war. So sehr die Sorge ihn rührte, er konnte darauf jetzt keine Rücksicht nehmen. Schließlich brummte Deidara. „Gut, ich werde Yahiko Bescheid geben, hm.“ Gaaras Miene erhellte sich minimal. „Danke.“ Nun wandte auch er sich seinem Abendessen zu. Eigentlich war er Deidara in diesem Punkt nicht zu Dank verpflichtet. Schließlich war er sein Daimyô und er entschied, wann er für eine Reise bereit war. Jedoch war ihm einfach wohler, privat mit ihm auf derselben Ebene zu sprechen.

Eine Weile herrschte Schweigen, bis Gaaras Gedanken wieder zu seinem nachmittäglichen Besuch zurückkamen. „Deidara, weißt du, was genau geschehen ist, als Itachi seinen Clan umgebracht hat?“ Der Mimik des Blonden nach zu urteilen, war dieses Thema keine sonderlich gute Idee, denn er erschien unwillig. Deidara zuckte mit den Schultern. „Er hat seinen Clan umgebracht, nur seinen kleinen Bruder hat er verschont. Mehr weiß ich nicht und es ist mir auch egal, hm.“ Anscheinend war Deidara nicht sonderlich gut auf den Uchiha zu sprechen. Ob irgendwas zwischen den beiden vorgefallen war? „Du magst ihn nicht, oder?“

Ein Schnauben leitete die Antwort ein. „Er ist ein eingebildeter Mistkerl, der sich für etwas Besseres hält, hm.“ Das war aussagekräftig. Und Gaara wollte momentan nicht weiter darin bohren. Itachis stoische Art war wohl kaum der Grund, denn dann müsste der Blonde auch eine Abneigung gegen ihn haben. Es war definitiv etwas zwischen Itachi und Deidara vorgefallen. Mit der Zeit würde er das sicher auch noch herausfinden. Zuerst einmal musste er sich aber um die wichtigen Dinge kümmern. Nämlich seine Familie davon überzeugen, dass er noch lebte und dass sie nicht auf Sasukes Erpressung eingehen durften. Unruhe erfasste ihn. Er glaubte nicht daran, heute Nacht viel Schlaf zu finden. Während er völlig abgeschottet von der Welt war, musste er sich auf die Informationen von Akatsuki verlassen. Der Daimyô fühlte sich so schrecklich abhängig. Und Abhängigkeit machte schwach. Gerade jetzt, bei dieser Bedrohung, konnte er sich keine Schwäche erlauben. Er musste einen Weg finden, Sasuke von seinem Land fern zu halten, möglichst ohne dass noch weitere Menschenleben in Gefahr gerieten. Auf Itachi vertrauen wollte er nicht. Konnte dieser überhaupt etwas gegen seinen Bruder ausrichten? Der Kampf zwischen den Brüdern, von dem er gehört hatte, wäre beinahe sein letzter gewesen. Gaara bezweifelte, dass Sasuke inzwischen seine Meinung geändert hatte und auf seinen großen Bruder hören wollte.

Rückkehr über Umwege

„Die Augenbinde bleibt bis Kochi drum. Ansonsten hast du die längste Zeit gelebt. Haben wir uns verstanden, Deidara?“ Der Blonde musste sich arg beherrschen, nicht genervt das Auge zu verdrehen. Yahiko gab ihm die Schuld für Gaaras Hiersein, also machte er ihn für die Befolgung seiner Anweisungen verantwortlich. Je mehr der Orangehaarige ihm allerdings Vorschriften machen wollte, desto größer wurde sein Bedürfnis, sie nicht zu befolgen. Deidara empfand die Maßnahmen als übertrieben, auch wenn er begriff, warum sie nach Einbruch der Dunkelheit aufbrechen sollten. Gaara konnte sich nachts nicht am Stand der Sonne orientieren, die je nach Richtung eine bestimmte Seite seines Körpers erwärmte.

„Jaaa“, brummte er und drückte seine Fersen in die Flanken des Pferdes, mit dem er Gaara hergebracht hatte. Kurz nickte er Konan zum Abschied zu, dann konzentrierte er sich auf seine Umgebung. Der Rotschopf saß vor ihm, weil Deidara lieber war, wenn er selbst einen Pfeil im Rücken hatte als Gaara, der momentan ohne sein Augenlicht erschreckend hilflos war. Die Möglichkeit eines Angriffes war gering, da niemand wusste, wo sie waren, aber er wollte es nicht ganz ausschließen.

Einen Arm hatte Deidara um die Mitte des Daimyô gelegt, um ihm mehr Sicherheit zu geben und damit er nicht vom Pferd fiel. Mit der Hand des linken Armes hielt er die Zügel, allerdings nur locker, da er das Tier über die Beine lenkte. Sein Blick huschte immer wieder über die dunklen Schatten der Bäume und Büsche. Zetsu folgte ihnen. Er war sich sicher, selbst wenn er ihn nicht sah. Yahiko musste sich vergewissern, dass er sich an seine gestellten Regeln hielt. Nun, dann würde er dem Anführer von Akatsuki mal zeigen, warum er als Samurai eigentlich eine Fehlbesetzung war. Das typisch freche Grinsen stahl sich auf seine Lippen.

Am Rand des Geisterwaldes drehte der Blonde nach Norden ab, anstatt nach Osten zu reiten. Da Gaara sich ohnehin nicht orientieren konnte, wo sie waren, musste er nicht den vorbestimmten Weg einschlagen. Außerdem würden sie bis Matsuyama kein Dorf durchqueren. Der Rotschopf kannte sich in der Wildnis nicht aus. Höchstens Vermutungen könnte er über ihren Standort anstellen. Sollte Zetsu ruhig petzen, dass er Yahikos Befehl nur zum Teil ausführte. Das Risiko ging er ein.

Hin und wieder sah Deidara sich aufmerksam um. Es müsste Zetsu schwer fallen, ihm außerhalb des Waldes unbemerkt zu folgen. Allerdings sollte er auch dessen hervorragende Nachtsicht bedenken. Der Spion konnte ihn vermutlich auf deutlich größerer Distanz erkennen, während er noch zusätzlich durch sein fehlendes Auge eingeschränkt war. Yahiko hatte sie nicht nur wegen der nicht vorhandenen Sonnenstrahlen nachts losgeschickt, sondern auch, weil Zetsu ihn leichter beschatten konnte.

Je länger sie unterwegs waren, desto mehr lehnte Gaara sich gegen seine Brust. „Alles in Ordnung, hm?“, fragte Deidara leise. Gaara war den ganzen Tag über wach gewesen. Ob er auf einem Pferderücken schlafen oder wenigen ausruhen konnte, war fraglich. „Ich habe nur leichte Kopfschmerzen“, erklärte der Rotschopf. Deidara glaubte, eine gewisse Anspannung in seiner ansonsten ruhigen Stimme heraus zu hören. Allerdings konnte er ihm dies nicht verdenken. Er musste ihm praktisch blind vertrauen. Definitiv kein leichtes Unterfangen.

„Wenn du eine Pause brauchst, sag es, hm.“ Ein verneinender Laut war die Antwort. Deidara wunderte die Reaktion nicht. Gaara wollte schnell zu seiner Familie zurück und das Chaos, welches Sasuke erschaffen hatte, beseitigen.
 

Die ersten Vögel stimmten ihr Lied an, als Deidara in einen Wald eintauchte, der auf ihrem Weg lag. Die Entfernung zum Geisterwald betrug nun ungefähr dieselbe Distanz wie nach Kochi. Ein guter Moment, um eine Pause einzulegen. Der Blonde zügelte das Pferd. „Du kannst die Augenbinde abnehmen, hm“, sagte er und legte sein Kinn auf Gaaras Schulter ab. So konnte er sein Gesicht einigermaßen betrachten. Eine Hand des Rotschopfes hob sich und er streifte den Stoff von den Augen. Kurz blinzelte er, dann sah er sich um. „Wo sind wir?“, fragte er irritiert. Immerhin war ihr Ziel eigentlich Kochi gewesen. Deidara schnaubte amüsiert. „Nicht in der Nähe von Kochi, hm.“

Gaara drehte seinen Kopf etwas, sodass er ihn besser ansehen konnte. „Und wenn Yahiko davon erfährt?“ Machte der Daimyô sich etwa Sorgen um ihn, dass Akatsuki ihn umbringen könnte. Warm kribbelte es in seinem Inneren. „Das wird er sowieso. Glaubst du, er spricht solche Drohungen aus und vertraut dann darauf, dass ich tue, was er will? Zetsu hat uns verfolgt, hm.“ Die Stirn des Rotschopfes legte sich in Falten. „Wäre es dann nicht ratsam, Yahikos Forderungen zu erfüllen?“

Deidara löste sich langsam von Gaara und glitt aus dem Sattel, damit auch dieser vom Pferd steigen konnte. „Wichtig ist doch nur, dass du nicht weißt, wo Akatsuki genau lebt. Und der Teil ist erfüllt. Außerdem weißt du momentan sowieso nicht, wo wir sind, hm.“ Mit den Schultern zuckend band er das Tier an einem tief hängenden Ast an und setzte sich auf den Waldboden nahe des Baumstammes. Gaara setzte sich neben ihn, während er den Hirazutsumi öffnete und etwas vom Proviant an den Rotschopf weiterreichte. Onigiri waren für unterwegs immer eine gute Lösung. Hungrig wickelte er eines aus dem Blatt, welches als Verpackung diente, und biss herzhaft hinein.

Gaara schien sich mit seiner letzten Antwort zufrieden zu geben, denn er sagte nichts weiter und begann nun auch zu essen. Prüfend wanderte Deidaras Blick über den anderen. Er wirkte müde. Sie sollten ein paar Stunden rasten. Auch er selbst benötigte dringend etwas Zeit zum Ausruhen. Nach der Mahlzeit verstaute er ihren Proviant wieder und trank noch etwas aus dem mitgeführten Flaschenkürbis. Schweigend reichte er selbigen an Gaara weiter. Gähnend lehnte der Blonde sich gegen den Stamm hinter sich und senkte seine Lider. Neben sich hörte er, wie der Rotschopf das Wasserbehältnis wieder verschloss. Nur Augenblickte später schmiegte Gaara sich an ihn, legte seinen Kopf auf seiner Schulter ab. Deidaras Arm wanderte um ihn herum und schmiegte sich gegen seinen Rücken. Jetzt zu schlafen konnte der Blonde sich nicht leisten. Er würde nur ruhen, aber der Daimyô brauchte dringend etwas Schlaf.

„Deidara?“ Leise drang die samtige Stimme an seine Ohren. „Hm?“ Was Gaara jetzt wohl wollte? Eigentlich sollte er sich ausruhen. „Bin ich wirklich kein Ersatz für Sasori?“

Verblüfft hoben sich seine Lider wieder und er sah hinab, begegnete dem stoischen Blick aus den jadefarbenen Augen. Die Frage machte deutlich, dass Gaara den Disput mit Hidan mitbekommen hatte. Bei der Lautstärke war das leider kein Kunststück. Jedoch hätte er nicht erwartet, dass Gaara sich Hidans Worte so sehr zu Herzen nahm.

„Natürlich nicht. Ihr seid euch nicht ähnlich, hm“, erklärte Deidara ernst. Die einzige Ähnlichkeit waren die Größe und die Haarfarbe. Und vielleicht die ruhigere Art, aber selbst Gaaras Ruhe unterschied sich deutlich von Sasoris. Der Daimyô wirkte ausgeglichener als sein toter Meister.

„Aber…“, begann Gaara, doch Deidara ließ keinen weiteren Widerspruch zu. Seine Finger strichen über die weiche Wange. „Ich könnte niemanden ertragen, der Sasori ähnelt. Dann würde mich jede Handlung, jede Unterhaltung an meinen Meister erinnern. So würde ich nicht leben wollen. Es wäre nur eine Lüge, hm.“ Eindringlich sah er den Rotschopf an. Wie sollte er einen Menschen an seiner Seite dulden können, der ihn in seinem Verhalten täglich vor Augen führte, was er verloren hatte? Sein Meister war ein schwerer Verlust für ihn gewesen. Und auch wenn er allmählich gelernt hatte, damit umzugehen, Sasori durch einen anderen zu ersetzen war das Letzte, was er wollte. Ganz davon abgesehen, dass niemand seinen Danna ersetzen konnte.

Ein zartes Lächeln zeichnete sich auf Gaaras Lippen ab. Anscheinend hatte er seine Zweifel erfolgreich zerstreut. „Schlaf etwas, hm“, schlug er vor. Deidara drückte einen Kuss in das rote Haar und lehnte sich wieder mit geschlossenen Augen zurück. Wenn er Hidan wiedersah, würde er ihn für sein loses Mundwerk verprügeln. Er war sowieso schon sauer auf ihn gewesen, weil er ihm unterstellt hatte, sich einen Ersatz für Sasori zu nehmen. Aber auch noch in Gaara Bedenken zu sähen, fachte seine Wut auf den Rônin weiter an. Die Beziehung, die er zu dem Daimyô hatte, fühlte sich gut an. Trotzdem war sie einfach anders als die zu seinem Meister. Und das war gut so.
 

„Wieso soll ich mich in meine eigene Stadt schleichen wie ein Landstreicher?“ Gaara hielt den Reishut in der Hand. Ein skeptischer Blick lag auf dem Blonden. Deidara hatte den Reishut absichtlich von Akatsuki mitgenommen. Nicht für ihn, sondern für den Daimyô. Sein rotes Haar fiel einfach mehr auf als sein eigenes. „Weil vermutlich Spione von Sasuke in Matsuyama sein werden. Wenn sie dich erkennen, werden sie sicherlich versuchen, dich einzufangen, damit er sein Druckmittel hat, hm.“ Manchmal war der junge Daimyô noch erschreckend unwissend, was hinterhältige Taktiken betraf. Vermutlich lag es daran, dass er bisher nur einen Krieg direkt erlebt hatte.

Deidara band sein Haar am Hinterkopf zusammen, sodass nur noch ein paar zu kurze Strähnen seine linke Gesichtshälfte verdeckten. Mit ein bisschen Glück entging er auf diese Weise dem Spionagenetz des jüngeren Uchiha lange genug, um Gaara unerkannt zur Burg zu bringen. Der Rotschopf gab endlich nach und setzte den Reishut auf, zog ihn ins Gesicht, sodass selbiges nun in tiefen Schatten lag. Zufrieden betrachtete Deidara das Ergebnis. Durch die einfache Kleidung war das perfekte Bild eines Landstreichers erschaffen.

Das Pferd führte er nun am Zügel hinter sich her, während sie sich der Stadt näherten. Tatsächlich wurden sie von den meisten Menschen einfach ignorierte, wollte niemand etwas mit Landstreichern zu tun haben. Deidara führte Gaara eine der belebteren Nebenstraßen entlang, wollte er nicht zielstrebig auf das Tor der Burg zusteuern, weil auch das wieder zu auffällig sein könnte. Kurz hielt er an einem Imbiss an und kaufte zwei Dangospieße. Der Eindruck von Normalität musste erzeugt werden. Sie waren momentan nur Rônin, mehr nicht. Einen Spieß reichte er Gaara, während er bereits genüsslich an seinem knabberte. Vermutlich war der Rotschopf unruhig, aber nach außen bemerkte Deidara nichts.

Gemächlich bogen sie in eine Seitengasse nahe des Burgtores ein. Aufmerksam beobachtete der Blonde ihre Umgebung. So kurz vor dem Ziel wollte er nicht angegriffen werden. Das Tor kam in Sicht. Nur noch wenige Meter und das Schauspiel hatte ein Ende. Sie betraten die Brücke. Deidara ließ sich leicht zurückfallen und lief schräg hinter Gaara, um mit seinem Körper und dem des Pferdes, welches neben ihm her trottete, einen lebendigen Schild zu erschaffen. Sollte jemand sie erkannt haben und mit Pfeilen auf sie schießen, war die Gefahr gering, dass sie Gaara trafen, bevor dieser sich umgewandt hatte. War dies erst der Fall, konnte er sich sehr gut selbst verteidigen mit seinem Sand.

Tagsüber war das Burgtor meist geöffnet, sodass sie bereits einen Blick ins Innere werfen konnten. Aber zuerst wurden sie von den wachhabenden Samurai aufgehalten. Ihre Tarnung war gut. „Wer seid ihr und was wollt ihr?“ Der Blick der Männer glitt abschätzend über Gaara. Ihn beachteten sie noch nicht großartig, weswegen sie ihn wohl auch bisher nicht erkannt hatten. Deidara begann amüsiert zu grinsen. Gleich wurde es wirklich lustig. Der Rotschopf schob den Reishut weit genug nach oben, damit man sein Gesicht erkennen konnte. Als die Samurai ihren Daimyô erkannten, wurden sie bleich vor Schreck und verbeugten sich tief vor ihm. „Entschuldigt unsere Unhöflichkeit. Wir haben Euch nicht erkannt, Gaara-sama.“

Leise lachte Deidara. Diese entsetzten Gesichter waren herrlich amüsant. „Es ist Euch verziehen“, sprach Gaara ruhig und deutete mit einer knappen Geste an, dass die Männer wegtreten konnten. Diese beeilten sich, ihrem Herrscher Platz zu machen. Gemessenen Schrittes trat der Rotschopf ins Innere der Burg. Deidara sah sich ein letztes Mal um. Eine Bewegung auf einem der Dächer in der Nähe veranlasste ihn dazu, das Auge zusammen zu kneifen und genauer hinzuschauen. Jetzt wirkte dort alles normal. Trotzdem war er sich sicher, dort jemanden gesehen zu haben. Seine Entscheidung, sich bis zum Burgtor als Landstreicher zu tarnen, war demnach richtig gewesen. Aber nun war Gaara in Sicherheit. Der Blonde wandte sich der Burg zu und folgte dem Daimyô endlich.

Die Pflicht des Herrschers

Ein Tag war inzwischen vergangen, seitdem Gaara mit Deidara zurückgekehrt war. Seine Familie zu sehen, hatte ihn ungemein beruhigt. Sie waren alle wohlauf. Temari hatte ihn sogar gedrückt und in ihrer Freude seine Haare durcheinander gebracht. Zugegeben, so ganz konnte er mit solchen geschwisterlichen Zuneigungsbekundungen nicht umgehen. Gaara wusste nicht recht, wie er am besten darauf reagieren sollte. Vermutlich ein Überbleibsel seiner Kindheit. Aber das war wohl nicht schlimm, denn seine spärliche Reaktion trübte die Erleichterung seiner Halbschwester nicht. Glücklicherweise hatte der Rotschopf den Verband abnehmen können, bevor sie Matsuyama betreten hatten. Ansonsten wäre der schockierte Ausdruck auf den Gesichtern seiner Geschwister wohl noch ausgeprägter gewesen nach seinem Bericht, dass er angeschossen worden war. Denn was wirklich mit ihm passiert war, darüber hatte Shikamaru nur Spekulationen anstellen können. Der Angriff aus dem Hinterhalt war einfach zu schnell erfolgt, um einen kompletten Überblick zu behalten, selbst für den General.

Bevor Gaara am Abend erschöpft schlafen gegangen war, musste aber noch das weitere Vorgehen besprochen werden. Die Anzahl der Wachen wurde verstärkt, denn niemand wollte Spione in der Stadt wissen oder gar Shinobi. Sasukes Überfall war gescheitert. Jedoch herrschte Einigkeit. Diese Attacke war nicht die letzte gewesen. Wie der Rotschopf erwartete, hätten der General und seine Familie Akatsuki ohne zu zögern für seine Freilassung aus ihrem Land vertrieben. Doch er bezweifelte, dass sie damit tatsächlich ihre Ruhe vor dem Uchiha-Spross hatten. Zum einen könnten sie dann auch wieder zum Ziel Akatsukis werden. Zum anderen wäre es durchaus möglich, dass Sasukes Wunsch, die Rônin-Bande von Shikoku zu verbannen, nur der Anfang eines großen Planes war, den sie derzeit noch nicht durchschauen konnten. Der junge Uchiha war in Orochimarus Fußstapfen getreten, hatte dessen Untergebene um sich geschart und sein Einfluss war inzwischen groß genug, um ihn besser im Auge zu behalten. Vielleicht wollte er dort weitermachen, wo der schwarzhaarige Daimyô gescheitert war. Shikamaru und seine Geschwister zogen diese mögliche Entwicklung ebenfalls in Betracht. Und deswegen wollte Temari sich mit Kankurô und ihm heute allein treffen. Gaara fragte sich, was sie mit ihnen besprechen wollte, denn gestern hatte sie recht geheimnisvoll getan.

Sie saßen im Besprechungsraum. Eine Kanne heißer Tee stand in der Mitte des Tisches. Aus drei Schalen erhob sich ein feiner Schleier aus Dampf. Temari legte ein Schreiben auf den Tisch und schob es Gaara zu. Dieser runzelte kurz die Stirn, aber beim Überfliegen der Zeilen ahnte er, worauf die Blonde hinaus wollte. „Das habe ich zwischen den anderen Schreiben gefunden“, begann sie. Meist übernahm Temari die Verwaltungsarbeit, während Kankurô die koordinatorischen Aufgaben ausführte, wenn er nicht in der Burg war. Beim Durchsehen des Briefverkehrs musste ihr das Schreiben vom Daimyô aus Hiroshima aufgefallen sein. Das Angebot von Môri Motonari lagerte bereits einige Monate im Schrank seines Arbeitszimmers, aber Gaara hatte bisher kein Wort darüber verloren. Eine Antwort hatte der Môri-Daimyô auch noch nicht erhalten. Eigentlich kümmerte er sich umgehend um alle anfallenden Aufgaben und Probleme. Jedoch handelte es sich hierbei um ein Angebot, welches ihm durchaus unangenehm war.

„Wieso hast du uns nichts davon erzählt?“, fragte seine Halbschwester. „Die Hochzeit mit der Nichte des Môri-Daimyô wäre eine gute Wahl. Die Môri sind stark und grenzen an unser Land. Ein Bündnis mit ihnen könnte gerade jetzt Feinde abschrecken, uns anzugreifen.“

Gaara griff nach der Teeschale. Stoisch pustete er und trank dann einen Schluck der heißen Flüssigkeit. Ungern wollte er sich zu einer übereilten Antwort hinreißen lassen. Natürlich hatte Temari Recht. Vor ein paar Monaten waren die Umstände anders gewesen, sodass er sich einen Aufschub erlauben konnte. Doch nun sollte er seinen Geschwistern Gehör schenken. Trotzdem wäre er froh gewesen, hätte die Blonde das Schreiben nicht gefunden. Sie war gründlich in dem, was sie tat. Er hätte daran denken sollen. Aber Gaara hatte allein den Gedanken an eine mögliche Hochzeit in naher Zukunft verdrängt.

„Sie ist 18 Jahre. Also im Gegensatz zu Hanabi bereits alt genug für eine Hochzeit. Und sie soll sehr hübsch sein“, fügte nun Kankurô an. Der Blick seiner jadefarbenen Augen fiel auf das Geschriebene. Natürlich wusste Gaara diese Details schon, standen sie Schwarz auf Weiß vor ihm. Er war nur zwei Jahre älter als die junge Frau. Ob sie allerdings in seinen Augen attraktiv war, konnte er unmöglich sagen, da er sie noch nie gesehen hatte. Seine Gedanken drifteten zu Deidara ab. Ein Knoten bildete sich in seiner Brust. Er wollte nicht über Heirat sprechen, wenn es jemand anderes war, mit dem er dieses innige Bündnis eingehen musste.

Hätte Sasuke diesen zweiten Angriff nicht gewagt, hätte Gaara mehr Zeit gehabt, sich zu entscheiden. Denn wie Kankurô bereits erwähnt hatte, war die jüngste Tochter der Hyûga noch nicht in einem heiratsfähigen Alter, worauf er eine abwartende Haltung hätte schieben können. Durch die Bedrohung seines Landes konnte er aber nicht länger warten und musste eine Entscheidung fällen. Als Daimyô war es seine Pflicht, sein Land zu schützen und wenn dies mit einer Heirat gelang, musste er auch dieses Opfer bringen. Ein tonloses Seufzen erlaubte Gaara sich in Gegenwart seiner Halbgeschwister. Er stellte die Teeschale ab und sah sie fest an. „Ich möchte nicht die Treue des Hyûga-Clans mir gegenüber schwächen. Sie dienen uns schon seit Jahrzehnten. Schlage ich ihr Angebot aus, könnte eine beginnende Destabilisierung unserer eigenen Verteidigung die Folge sein.“ Die Hyûga wollte er nicht unbeachtet lassen.

Ernst nickte Temari. „Daran habe ich auch schon gedacht. Und darum schlage ich vor, dass wir ihnen Kankurô als Ehemann für Hanabi anbieten. Somit wären sie direkt mit der Daimyô-Familie verbunden.“ Anscheinend hatte sie diese Idee zuvor nicht mit ihrem Bruder besprochen, starrte dieser die Blonde nun entsetzt an.

„Sie ist zehn Jahre jünger“, widersprach er prompt. So ungern er Kankurô zu einer Ehe drängen wollte, weil er gerade selbst erfuhr, wie bitter und endgültig eine solche Entscheidung war, er musste Temari zustimmen. Auf diese Weise wäre der Hyûga-Clan hoffentlich nicht verärgert und sie konnten sich weiterhin auf ihre Treue verlassen.

„Das Alter spielt keine Rolle“, warf er ruhig ein. Es war nicht selten, dass eine Heirat trotz einer großen Altersdifferenz stattfand. Ebenso war Liebe zwischen zwei Menschen möglich, die viele Jahre auseinander lagen. Das beste Beispiel war wohl Deidara. Sasori war bei seinem Tod 35 Jahre gewesen, wie ihm der Krieger einmal erzählt hatte. Der Blonde war 16 Jahre jünger gewesen und es hatte ihn nicht abgehalten, seinen Meister zu lieben.

Schnaufend fuhr Kankurô sich durch das braune Haar. Sein Blick wanderte zwischen ihm und Temari hin und her. „Habe ich eine Wahl?“ Schief lächelte die Älteste der Geschwister. „Keine nennenswerte.“ Ein Seitenblick traf Gaara. „Dasselbe gilt übrigens auch für dich.“

Der Rotschopf trank einen weiteren Schluck aus seiner Teeschale, ehe er möglichst gefasst antwortete: „Ich weiß.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Noch heute werde ich ein Schreiben an Môri Motonari aufsetzen, dass ich an einer Hochzeit mit seiner Nichte Haruno Sakura interessiert bin.“

Die Blonde nickte zufrieden und schaute nun Kankurô auffordernd an. Dieser stürzte seinen Tee in einem Zug herunter. Die Schale kam etwas zu laut auf dem Tisch auf. „Ja, ich stimme zu. Unterbreite den Hyûga das Angebot, Gaara. Wenn Hanabi alt genug ist, nehme ich sie zur Frau.“ Nuschelnd fügte er hinzu: „Wenn sie mich alten Mann überhaupt will.“

Ein Schmunzeln stahl sich auf Temaris Lippen. „Keine Sorge. Dein Alter kannst du mit deiner Tatkraft wieder wettmachen. Sie wird gar nicht merken, dass du schon ein alter Mann bist.“ Amüsiert lachte die Blonde.

„Lach nur“, brummte der Brünette und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du liebst deinen Mann schließlich.“ Die kurze, heitere Stimmung verflog sofort wieder. Temari seufzte. Sie griff nach ihrer Schale und betrachtete die klare Flüssigkeit darin. „Ich hatte mich auf eine politische Hochzeit vorbereitet wie ihr auch. Das wisst ihr. Es war nur ein glücklicher Zufall, dass der Nara-Clan einen Mann hat, der mir gefällt.“ Sie nippte an ihrem Tee.

Der Rotschopf wollte das Gespräch gern beenden, bevor es weitere unangenehme Bahnen einschlug. Er nahm das Schreiben des Môri-Daimyô an sich. „Haben wir alles geklärt? Ich würde mich gern an die Arbeit machen.“

Temari nickte. Sich nach außen beherrscht gebend erhob Gaara sich. „Ich ziehe mich zurück.“ Er verließ den Besprechungsraum und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück. Das Schreiben legte er auf dem Tisch ab. Seine Füße trugen ihn zu einem der Fenster. Mit einem Ruck schob er es auf. Frischer Wind wehte vom Meer herein und brachte eine salzige Brise mit sich. Unweigerlich huschte sein Blick zu der Stelle des Wehrganges, auf dessen Mauerstück Deidara hin und wieder saß. Aber heute war der Platz verweist. Der Anblick des Blonden dort hätte ihn beruhigt. Unsicherheit nagte an ihm. Wie würde Deidara auf diese Neuigkeiten reagieren? Es führte kein Weg an einer Erklärung vorbei, allein schon, weil er es sowieso herausfinden würde. Gaara musste seinem Krieger begreiflich machen, dass es nur eine politische Hochzeit war und Gefühle keine Rolle spielten. Deidara war ihm sehr wichtig geworden. Dennoch wuchs Angst in seinem Inneren. Vielleicht wandte der Blonde sich von ihm ab. Sie trafen sich nur heimlich, niemand sollte von ihrem Verhältnis erfahren, schürte ein Aufdecken desselbigen Probleme. Es könnte den Anschein erwecken, er schäme sich für ihre Beziehung oder Deidara wäre nur ein Zeitvertreib. Dabei war der Krieger so viel mehr für ihn. Seine unbeugsame Haltung und der teilweise durchdringende Blick hatten ihn von Anfang an fasziniert. Deidara war nicht einmal vor ihm zurückgewichen, als er von seinen Kräften erfahren hatte. Manchmal hatte er das Gefühl, der Blonde war furchtlos wie ein Drache. Diese stolzen Wesen waren auf eine raue Art schön, stark und ließen sich von niemandem beherrschen. Zwar stand Deidara unter seinem Befehl, aber ihm war ebenso bewusst, dass er ausbrechen würde, wenn er ihn zu sehr einengte und ihm keinen Raum mehr gewährte.

Der Rotschopf ließ seinen Blick über das aufgewühlte Meer schweifen. Er erinnerte sich an ihr erstes Gespräch, als der Blonde ihm von dem Meeresgott erzählt hatte. Deidara war sein Ryûjin. Dieser Gedanke kam ihm unsagbar romantisch vor, aber es erheiterte ihn ein wenig. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein sanftes Lächeln ab. Drachen waren intelligent. Es ließ ihn hoffen, dass Deidara sich nicht von ihm abwenden würde wegen dieser arrangierten Ehe.
 

________________________________________

Innerhalb der Story sind schon fünf Jahre vergangen und weil ich inzwischen selbst ständig nachrechnen muss, wer jetzt wie alt ist, notiere ich für eine bessere Orientierung mal das aktuelle Alter der momentan wichtigsten Charaktere.
 

Deidara: 21 Jahre

Gaara: 20 Jahre

Kankurô: 23 Jahre

Temari: 24 Jahre

Shikamaru: 24 Jahre

Yahiko: 35 Jahre

Konan: 34 Jahre

Itachi: 23 Jahre

Kisame: 34 Jahre

Hidan: 27 Jahre

Hanabi: 13 Jahre

Sakura: 18 Jahre

Sasuke: 19 Jahre

Aufopferung und Liebe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Das Geheimnis des Daimyô

Irgendwas war heute anders. Deidara spürte, dass der Rotschopf nicht wie sonst auf seine Berührungen einging. Er wirkte fast vorsichtig, als wisse er nicht, ob er ihn wirklich küssen oder anderweitig anfassen durfte. Dies war der erste gemeinsame Abend seitdem sie wieder in Matsuyama waren. Natürlich hatte Gaara viel zu tun und musste die Ordnung wieder herstellen, die ins Schwanken geraten war. Aber da war noch mehr. Denn bisher hatte die Pflicht den Daimyô nicht davon abgehalten, sich ohne Vorbehalte auf ihn einzulassen.

Kaum löste Deidara seine Lippen von denen des Rotschopfes, drang dessen angenehme Stimme an seine Ohren. „Deidara.“ Angesprochener hob seine Lider und sah in die schönen, jadefarbenen Augen. Gaara lag auf dem Rücken, er selbst hatte sich eng an seinen Körper geschmiegt. Mit dem Ellenbogen stützte er sich neben ihm ab. Die freie Hand war bis eben über seine Brust gewandert, hielt nun aber inne. Erst, als seine volle Aufmerksamkeit auf dem Daimyô lag, setzte dieser erneut an. „Ich muss mit dir reden.“ Langsam setzte Gaara sich auf. Unruhe machte sich in dem Blonden breit und er stemmte sich ebenfalls in eine sitzende Position. Was musste der Rotschopf mit ihm besprechen? Er wirkte so ernst, als sei gerade jemand gestorben.

„Hm?“ Deidara war aufnahmebereit. Fragend weilte sein Blick auf Gaaras Gesicht. Dieser atmete einmal tief durch und schloss kurz die Augen, vermutlich um sich zu sammeln. Mit diesem Verhalten nährte er seine innere Beunruhigung. Hatte er Gaara verärgert? Wollte dieser ihn nicht mehr? Früher waren ihm nie solche Gedanken gekommen. Sasori war einfach immer sein Meister gewesen, immer da gewesen, ob er gewollt hatte oder nicht. Selbst, nach dem Streit wegen seiner Fragerei nach dem Beischlaf war er sich sicher gewesen, dass Sasori irgendwie noch da war. Aber mit dem Daimyô war alles anders. Was passierte, sollte Gaara sein Interesse an ihm verlieren? Er war im Grunde nur ein Krieger, niemand, mit dem ein Herrscher sich normalerweise sonderlich ausführlich beschäftigte. Was hielt ihn noch hier, wenn Gaara nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte? Und wo sollte er dann hin?

„Ich habe einer politischen Hochzeit zugestimmt.“

Der Blonde starrte ihn einige Herzschläge an, bis die Nachricht ihre volle Wirkung entfaltete. Die Unruhe, die sich zuvor aufgebaut hatte, wurde zur Angst. Gaara würde eine Frau heiraten und mit ihr Kinder bekommen. Für ihn war da kein Platz mehr. Kakuzus Worte schallten unheilvoll durch seinen Kopf. Er ist ein Daimyô! Wir sind Rônin. Zwischen ihm und uns liegen Welten. … Für sein Land würde er uns verraten! Er war dumm gewesen zu hoffen, Gaara könne seine neue Heimat werden. Dieser Mann würde sich niemals für ihn entscheiden. Das tat schrecklich weh. Er war nur ein Zeitvertreib bis der Daimyô heiratete. Hätte er von Anfang an auf ihren Standesunterschied geachtet und ihn nicht ignoriert, wäre ihm dieser Schmerz nun erspart geblieben. Vielleicht wäre er dann schon tot und bei seinem Danna. Sehnsucht nach Sasori fraß sich mit einer Intensität durch seine Adern, die ihn erzittern ließ. Sein Meister hätte ihn nie von sich gestoßen.

Was sollte er noch hier? Mit einem Ruck erhob der Blonde sich. Gaara länger anzusehen, ertrug er nicht. Deidara wandte sich dem Wandschrank zu. Hinter sich hörte er seinen Namen, undeutlich, als müsse dieser sich erst durch eine dicke Stoffschicht kämpfen. Der Krieger hatte das Gefühl, der Boden unter ihm sei wacklig. Jeden Moment gab er vielleicht nach. Er musste weg von Gaara, weg aus der Burg, einfach weit weg von allem und von diesem Spiel, an das sich seine Hoffnung geklammert hatte.

Deidara schob die Tür des Schrankes auf und griff nach seinem Hirazutsumi. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Augenblicklich brodelte Wut in ihm hoch. Der Krieger wirbelte herum und schlug die Hand weg. Außer sich fixierte er den Daimyô, der mit geweiteten Augen einen Schritt zurückwich. „Fass mich nicht an!“, knurrte Deidara.

„Deidara, lass mich doch erklären.“ Der bittende Unterton prallte an ihm ab. Warum sollte er noch zuhören? Um sich ausführlich vor Augen führen zu lassen, was er sich auch selbst denken konnte? Deidara hatte seinen Stolz. Er wollte nicht hören, dass er nur ein Lückenfüller war, bis Gaara heiratete. Es ärgerte ihn schon genug, auf den Daimyô herein gefallen zu sein.

„Es gibt nichts mehr zu erklären!“, fuhr er den Rotschopf an. „Glaubst du, ich lass mich benutzen und wegwerfen, wie es dir passt? Ich verschwinde, hm.“ Deidara wollte sich zum Schrank umdrehen, als sich die Hand erneut auf seine Schulter legte und bestimmt festhielt. Wütend stieß er Gaara zurück. Dieser taumelte und fiel. Sofort keimte Sorge in ihm auf. Eigentlich waren sie rein körperlich gleich stark. Aber Gaara war von der Schussverletzung noch angeschlagen. Mit aller Macht schob er seine Besorgnis zur Seite. Er bedeutete Gaara nicht so viel wie umgekehrt. Sorgen um ihn musste er sich nicht länger machen! Dennoch verharrte er, beobachtete, wie der Rotschopf sich langsam wieder aufsetzte. Als Gaara sich ihm wieder zuwandte, glühte Entschlossenheit in seinen Augen. Im nächsten Augenblick hörte er das leise Rieseln von Sand. Alarmiert ruckte Deidaras Kopf herum, um zu erfassen, wo sich selbiger befand. Aber es war schon zu spät. Eisern legte sich Gaaras Sand um seine Hand- und Fußgelenke. Daran hätte der Blonde denken sollen. Nur weil sein Flaschenkürbis neben dem Futon lag, bedeutete das nicht, dass er keine Macht über seinen Sand hatte. „Lass das“, fauchte Deidara und riss an den Fesseln, obwohl ihm bewusst war, wie sinnlos seine Befreiungsversuche waren. Er saß in der Falle. Aber er gab nicht auf!

Während Gaara sich langsam komplett erhob, kämpfte er weiter gegen die Sandfesseln. Der Rotschopf kam näher, blieb knapp eine Armeslänge von ihm entfernt stehen. „Du wirst mir zuhören.“ Gaara sprach nicht sonderlich laut, aber die Entschiedenheit in seiner Stimme ließ ihn tatsächlich inne halten. Flammender Zorn sprang dem Daimyô entgegen. Deidara war nicht bereit, nachzugeben und sich von lächerlichen Erklärungen täuschen zu lassen. Fest presste er seine Kiefer aufeinander. Momentan blieb ihm nichts anderes übrig, als still zu halten. Gaaras Sand hielt ihn unnachgiebig an Ort und Stelle. Aber irgendwann musste diese Manipulation auch nachlassen. Und dann würde er sich befreien.

„Diese Hochzeit findet nur aus politischen Gründen statt. Wenn ich einen möglichen Angriff auf diese Weise von meinem Land abwenden kann, werde ich das tun. Als du auf mein Interesse eingegangen bist, hätte dir klar sein müssen, dass das irgendwann passieren wird. Es war nur eine Frage der Zeit. Da Sasuke mein Land bedroht, muss ich mir Verbündete suchen und die Môri bieten mir mit dieser Hochzeit ein Bündnis an, welches Sasuke veranlassen wird, über einen möglichen Angriff noch einmal gründlich nachzudenken.“ Schwer seufzte Gaara. Sein Blick wurde weicher. „Wenn es möglich wäre, würde ich dich heiraten. Du warst für mich nie ein Zeitvertreib. Ich ließ dich ohne Gegenleistung in meiner Burg leben. Trotz des Widerwillens meines Rates habe ich dich zu meinem Samurai gemacht, damit du in meiner Nähe bleiben kannst. Glaube mir, würde ich nur einen Zeitvertreib suchen, hätte ich mir diese Mühe nicht gemacht und irgendjemand anderen genommen.“

Langsam trat Gaara noch näher und hob seine Hand. Zärtlich strich er über Deidaras rechte Wange. Der Blonde ließ es zu. Eigentlich hatte er ihm gar nicht zuhören wollen, doch nach und nach verrauchte seine Wut auf Gaara und auf sich selbst. Es stimmte. Eigentlich hätte er mit einer Hochzeit rechnen sollen. Aber er hatte es verdrängt und geglaubt, es würde so weitergehen wie bisher. Zudem hätte der Daimyô sich all die Mühe, die er mit ihm gehabt hatte, nicht machen müssen. Einen Zeitvertreib fand er in seiner Burg sicherlich problemlos. Doch der eine Satz über die Hochzeit, wog noch bedeutend schwerer. Wenn Gaara könnte, würde er ihn heiraten. Unweigerlich wurde Deidara abwechselnd heiß und kalt. Erneut schien der Boden unter ihm zu schwanken, nun aber aus einem anderen Grund. Der Gedanke, dass Gaara gern mit ihm diesen intimen Bund eingehen wollen würde, löste tiefe Freude in ihm aus. Dennoch wagte der Blonde noch nicht, überschwänglich zu reagieren. Die politische Hochzeit schwebte bedrohlich über ihnen.

„Und wie soll es weitergehen, hm?“, fragte Deidara schließlich. Denn ignorieren konnte er die Hochzeit nicht.

Langsam lösten sich die Sandfesseln. Gaara war sich zu Recht sicher, dass er momentan nicht wieder versuchte, zu gehen. Vorsichtig rieb der Blonde über seine strapazierten Handgelenke. Dort, wo die Körner gerieben hatten, fühlte seine Haut sich nun wund an. Gaara griff sanft nach seinen Händen und umschloss sie. „Ich möchte weiterhin mit dir zusammen sein“, erklärte er leise. Der Ausdruck in seinen Augen wurde zärtlicher.

„Du wirst mit dieser Frau das Nachtlager teilen, hm“, wandte Deidara ein. Der Gedanke, Gaara bei jemand anderem zu wissen, gefiel ihm nicht. Diese Frau würde eine Seite von dem Rotschopf kennen lernen, die auch er kannte, die er aber nicht teilen wollte. Bedrückt sah Gaara auf ihre Hände hinab. „Nur bis sie schwanger ist. Ich brauche einen Erben.“

Ein azurblaues Auge schaute ebenso auf ihre verschränkten Hände. Er war also das Geheimnis des Daimyô. Sollte er das hinnehmen oder als eine Art Verleugnung auffassen? Der Blonde war sich unsicher. Dieses Thema war kompliziert und egal, wie man es drehte oder wendete, eine richtige Antwort zeigte sich einfach nicht.

„Ich bin also dein Geheimnis, hm“, murmelte Deidara schließlich. Sasori hatte kein Geheimnis aus ihrer Beziehung gemacht. Zwar hatte er es nicht einfach erzählt, aber auch nicht geleugnet und sich ihm gegenüber immer eindeutig verhalten. Diese Wanderung zwischen den Wahrheiten dagegen war ungewohnt und erschien aufreibend.

„Du bist derjenige, der mir gezeigt hat, dass ich durchaus in der Lage bin, zu lieben.“ Überrascht sah Deidara auf. Mit solchen Worten hatte er nicht gerechnet. Ein leichter Rotschimmer lag auf Gaaras Wangen. „Und du bist der einzige, mit dem ich diese Liebe teilen möchte. Diese Hochzeit hat nur für mein Land eine Bedeutung.“

Intensive Wärme breitete sich in seinem Inneren aus. Gaara gestand ihm soeben, dass er ihn liebte. Und ihm fiel gerade nichts ein, was er erwidern könnte. So viel wütete in seinem Inneren. Die letzten Ausläufer seiner Hilflosigkeit und Wut, dass er nur ein Zeitvertreib war. Die Freude über Gaaras tiefe Zuneigung zu ihm. Die Unruhe, dass er mit einer anderen Person intim wurde. Hinzu kam die Angst, dass sich Gaaras Gefühle vielleicht doch noch änderten, wenn er erst mal mit der Frau das Nachtlager teilte.

„Ich“, begann der Blonde und brach sofort wieder ab. Er löste eine Hand aus Gaaras und fuhr sich durch das lange Haar. „Das… ist alles etwas viel gerade, hm“, gestand er schließlich. Ein kleines Lächeln huschte über die Lippen des Rotschopfes. Gemächlich zog er ihn zurück zum Futon und drückte ihn auf selbigen hinab. Anschließend setzte er sich neben ihn. „Verarbeite das erstmal“, schlug Gaara leise vor. „Aber versprich mir, dass du nicht ohne ein Wort verschwindest.“ Der Blonde schnaufte. Diese Sorge war wohl berechtigt. Hätte Gaara ihn nicht gegen seinen Willen zum Zuhören gezwungen, wäre er längst weg. „Ist gut, hm“, brummte Deidara und ließ sich tief durchatmend nach hinten sinken. Seine Lider schloss er. Es tat gut, den Futon in seinem Rücken zu spüren. Doch jetzt dachte er auch wieder daran, wie grob er eben zu Gaara gewesen war und sofort sah er den Rotschopf wieder an. „Ist alles in Ordnung? Ich wollte dir nicht weh tun, hm.“

Gaara deutete ein Nicken an. Erleichterung überkam Deidara und ein weiteres Mal senkten sich eine Lider. In seinem Kopf schwirrte es. Wie sollte er nur eine Ordnung in dieses Chaos hineinbringen?

„Deidara?“

Langsam hob der Blonde seine Lider und sah in Gaaras Gesicht. Er hatte sich über ihn gebeugt. Seine Finger strichen liebevoll ein paar seiner Strähnen aus dem Gesicht. „Wir könnten eine kleine Hochzeitszeremonie veranstalten… nur für uns beide. Was sagst du dazu?“

Gut, dass er schon lag. Spätestens jetzt wäre ihm wohl der Boden unter den Füßen entglitten. Heftig begann sein ganzer Körper zu kribbeln. Eine Hochzeitszeremonie nur für sie? Das klang schön. Deidaras Wangen fühlten sich plötzlich warm an. Jetzt wurde er auch noch rot. Das war wirklich alles zu viel für ihn. Und trotzdem breitete sich ein glückliches Lächeln auf seinen Lippen aus. Gaaras Vorschlag machte ihn sehr glücklich und half ihm, die gesamte Situation besser zu ertragen. „Das wäre schön, hm“, hauchte er. Seine linke Hand stahl sich in Gaaras Nacken und zog ihn zu einem leidenschaftlichen Kuss heran. Deidara wollte nicht mehr denken heute. Er konnte nur sicher sagen, dass er bei Gaara bleiben wollte. Mit dem Rest setzte er sich später auseinander.
 

______________________________

Wir haben auf der Connichi ein kleines Shooting zu dieser Fanfiction gemacht. Wer Interesse daran hat, kann hier mal reinschauen ;3

Link: http://animexx.onlinewelten.com/fotos/mitglied/389296/292312/

Die erste Hochzeit

Deidaras Reaktion war erschreckend gewesen. Er hatte wirklich angenommen, er sei für Gaara nur ein Zeitvertreib. Der Daimyô kannte Deidaras ausgeprägten Stolz, aber er war überrascht gewesen, in welche Richtung er seine erste Aussage interpretiert hatte. Sogar zum Zuhören hatte der Rotschopf ihn zwingen müssen. Als Deidara ihn zu Boden gestoßen hatte, hatte er ihm praktisch entgegengeschleudert, dass er körperlich noch nicht wieder vollständig gesund war, um es mit ihm aufnehmen zu können. Er wollte Deidara nie mit seinem Sand fesseln. Aber in diesem Augenblick war seine Angst groß gewesen, dass der Krieger einfach aus der Burg stürmte, ohne seine Erklärung abzuwarten. Wenn Gaara zu ihm durchdringen wollte, musste er ihm direkt sagen, was er wollte und wie viel er ihm bedeutete. Andernfalls hätte er ihn wegen dieser politischen Hochzeit wohl verloren. Deidara war mit solchen Angelegenheiten vermutlich kaum in Berührung gekommen. Allerdings war eine arrangierte Hochzeit üblich, vor allem in den höheren Kreisen. Ebenso gängig waren Haupt- und Nebenfrauen. Gaara könnte sich durchaus weitere Frauen nehmen. Jedoch reichte ihm bereits eine Frau. Über eine Nebenfrau machte er sich Gedanken, wenn seine erste Frau nicht schwanger wurde. Denn die Hochzeit war zu allererst für den Erhalt der Familie wichtig. Gaara sah in diesem Ritus aber auch die intime Verbindung zweier Menschen, die sie war. Und aus diesem Grund hatte er Deidara vorgeschlagen, eine Zeremonie nur für sie abzuhalten. Doch das war nicht alles. Er wollte ihm das Gefühl geben, kein Zeitvertreib zu sein, dass er ihn wollte und auch eine Frau seine Gefühle für ihn nicht ändern würde.

Vor zwei Tagen hatten sie während eines Spazierganges durch den Park den turbulenten Abend rekapituliert. Gaara war froh gewesen, dass Deidara von sich aus gefragt hatte, wann sie die Zeremonie durchführen wollten. Denn er wollte ihm selbige auch nicht aufdrängen. Gerade jetzt erschien es ihm aber besonders wichtig, dem Blonden deutlich zu zeigen, dass er ihn bei sich haben wollte. Darum hatte er schlussendlich den Entschluss gefasst, dem Blonden einen der Geheimgänge zu seinen privaten Räumen zu zeigen. Gaara wollte ihm die Möglichkeit geben, ihn jederzeit aufsuchen zu können. Dieses Privileg sollte niemand anderes erhalten. Er ging ein gewisses Risiko ein. Sollte Deidara sich jemals gegen ihn wenden, wäre er ein noch gefährlicherer Gegner. Gaara wollte den Blonden aber als seinen Liebsten, nicht als Feind. Und der zutiefst verletzte und wütende Gesichtsausdruck während ihrer Auseinandersetzung hatte ihm eines gezeigt. Er bedeutete Deidara viel. Wäre dem nicht so, hätte er sich bei der Annahme, Gaara wolle ihn loswerden, mit großer Wahrscheinlichkeit anders verhalten.

Wie so oft zuvor schritt der Daimyô durch den verborgenen Gang. An der unauffälligen Tür nahe Deidaras Zimmer lauschte er. Da keine Geräusche durch das Holz drangen, schob er die Tür weit genug auf, um sich hindurch zu zwängen. Rasch verschloss er selbige sorgfältig und beeilte sich nun, zu seinem Ziel zu gelangen. Aufmerksam wanderten Jadeaugen den dunklen Flur entlang. Er klopfte leise an das Holz von Deidaras Tür und wartete innerlich unruhig auf seine Antwort. Erst, als dieser die Tür aufschob und ihm Einlass gewährte, erlaubte er sich Entspannung. Diese nächtlichen Ausflüge zu Deidara waren immer ein wenig riskant. Sah ihn jemand, fachte er die Neugier der Menschen an, die in der Burg lebten. Es war dann nur noch eine Frage der Zeit, bis sich wirre Geschichten um ihn rankten, warum er sich spät abends durch seine eigene Burg schlich.

Sie teilten einen kurzen, aber intensiven Kuss zur Begrüßung. Anschließend huschte Deidaras Blick an ihm hinab und wieder hinauf. Fragend hob er seine sichtbare Augenbraue. „Wie wollen wir die Zeremonie durchführen, hm?“, hakte er nach. Obwohl sie die normale Form des Ritus abwandelten, benötigten sie dennoch ein paar Dinge. Aber Gaara hatte nichts dabei. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Wir werden die Zeremonie nicht hier abhalten“, erklärte der Rotschopf. Neugier schlich sich in das azurblaue Auge. „Wo dann, hm?“ Gaaras Lächeln verstärkte sich. Er war wahnsinnig, Deidara derart viel Vertrauen entgegen zu bringen. Und doch fühlte es sich richtig an. „In meinen Gemächern.“

Kurz war der Blonde überrascht, dann grinste er. „Das gefällt mir. Worauf warten wir dann … ah, warte kurz, hm.“ Deidara wandte sich um und trat zum Wandschrank. Was er dort heraus nahm und im Ärmel seines Yukata verstaute, sah Gaara nicht, weil sein Körper die Sicht versperrte. Was auch immer Deidara unbedingt mitnehmen wollte, wenn es wichtig war, würde er es sicherlich herausfinden. „Jetzt können wir gehen, hm.“ Deidara kam zu ihm zurück. Verstehend neigte er den Kopf und lauschte dann erneut, ob jemand im Flur unterwegs war. Alles war still. Die Tür wurde aufgeschoben und während Deidara selbige noch schloss, schritt Gaara möglichst lautlos voran. Der Krieger holte wie erwartet schnell auf. Beim Geheimgang angelangt, betätigte er den Mechanismus und die Tür gab den dahinter befindlichen Gang frei. Nachdem der Blonde hindurch getreten war, schloss Gaara die Tür hinter ihnen. Dunkelheit umfing sie. Da der Rotschopf sich hier auskannte, brauchte er kein Licht mehr, um sich in dem Gang zurecht zu finden. An eine Öllampe hätte er denken können, aber ihm gefiel der Gedanke, dass Deidara ihm blind vertrauen musste. Prompt meldete dieser sich leise, aber verstimmt zu Wort. „Hier ist es stockfinster. Wo sind wir, hm?“

Gaara tastete nach Deidaras Hand und umschloss sie bestimmt. „In einem der geheimen Gänge der Burg. Dieser hier führt zu meinem privaten Wohnzimmer.“ Seine Stimme blieb gesenkt, erschien in dieser vollkommenden Finsternis selbst das Atem unnatürlich laut. Er ließ dem Blonden einen Augenblick Zeit, die Tragweite seiner Worte zu erfassen. „Etwas Licht wäre schön“, brummte der Blonde. Gaara erlaubte sich ein amüsiertes Schmunzeln. Deidara konnte wirklich niedlich sein. Sein einziges Problem war das fehlende Licht. „Du kannst dir gern eine Öllampe mitnehmen.“ Dann wurde er allerdings ernst. „Niemand darf von diesem Gang erfahren“, informierte er ihn. Ein belustigtes Schnaufen leitete Deidaras Antwort ein. „Ich hatte nicht vor, es jemandem zu sagen, hm.“

Ein zufriedener Laut verließ seine Kehle. Dann zog er den Krieger sanft mit sich. Gaara lief nun deutlich langsamer, konnte er sich denken, wie schwer es war, sich in einer ungewohnten Umgebung zu bewegen, in der man nichts sah. „Wer weiß alles von diesem Gang, hm?“, fragte der Blonde. „Nur ich und jetzt du.“ Von ein paar anderen Geheimgängen wussten auch seine Geschwister, aber er bezweifelte, dass sie die Gänge kannten, die dem Daimyô erlaubten, sich in verschiedene Richtungen ungesehen aus seinen Räumen zu schleichen.

Vor den Stufen warnte er Deidara. Es ging mehrere Stockwerke hinauf, bis sie an ihrem Ziel angelangt waren und Gaara die Tür am Ende aufschob. Das warme Licht einer Öllampe hüllte sie ein. Der Rotschopf löste seine Hand von Deidaras und verschloss die geheime Tür. Bei einem Blick zu ihm, beschloss er, ihn sich in Ruhe umsehen zu lassen. Gaara schritt derweil zum Wandschrank und nahm eine kleine Holzkiste heraus. Mit dieser ließ er sich auf einem der weichen Kissen am Tisch in der Mitte des großzügigen Raumes nieder.

Leichter Wind blies ab und an durch die offene Veranda herein, die in einem Balkon endete, der die gesamte Breite der Etage einnahm. Durch den Ausblick zum Meer war Gaara recht abgeschottet. Außerdem lagen seine Privatgemächer weit oben. Niemand wohnte über ihm oder in seiner Etage, weswegen sie völlig ungestört waren. Die Privatsphäre benötigte er als Daimyô auch dringend, musste er die Möglichkeit haben, sich komplett ungestört ausruhen zu können.

Eine verschlossene Tür führte in den Vorraum seines Wohnzimmers, weiter ins Innere der Burg. Am Ende des Flures schloss sich die Treppe an. Ein weiteres Zimmer auf der anderen Seite des Flures diente als Ankleidezimmer.

Die andere Tür in seinem Wohnraum war weit aufgeschoben und gab einen guten Blick auf das Schlafzimmer preis. Dort hatte er die Türen zum Balkon geschlossen. Nur die schwachen Ausläufer der Öllampe erhellten das Zimmer ein wenig. Deidara fiel der Unterschied zum Boden sofort auf, waren in den meisten Zimmern Tatami ausgelegt. Aber in Gaaras Schlafgemach befanden sich lediglich in der Mitte Tatami. Eingerahmt wurden selbige von sauber gearbeiteten Schilfmatten, die von der Decke herabhingen und einen halb durchlässigen Sichtschutz boten. Bei Bedarf konnte Gaara sie mit einem einfachen Mechanismus aufrollen. Die beiden Seiten, die dem Balkon und der Tür zugewandt waren, rollte er allerdings nie hoch. Umgeben war seine Schlafstätte von passgerecht zusammengesteckten Dielen. „Dieser Boden ist ungewöhnlich für ein Schlafzimmer, hm“, kommentierte der Blonde. Sein Blick war weiterhin auf selbigen gerichtet, während er sich neben Gaara an den Tisch setze.

„Man nennt ihn den singenden Boden. Wenn man ihn betritt, gibt er Töne von sich.“ Gaara war sicher, dass der Blonde sich die Nützlichkeit dieses Bodens selbst denken konnte. Kurz legte sich Deidaras Stirn in Falten, dann grinste er. „Clever. Ein Attentäter wird an diesem Boden nicht vorbeikommen, hm.“ Der Rotschopf nickte zustimmend. Noch ließ er Deidara in diesem Glauben. Es bestand kein Grund, ihm von dem Trick zu erzählen, wie man diesen Boden überlisten konnte. Der singende Boden weckte lediglich ihn selbst, da außer ihm niemand nahe genug war, um die Laute hören zu können. Aber das reichte, um ihn vor einem hinterhältigen Angriff zu warnen.

Deidaras Aufmerksamkeit richtete sich nun auf den Tisch. Eine Sake-Flasche mit dazu passendem Schälchen stand dort. Abgerundet wurde das Arrangement mit einem Teller Jô-namagashi[56] und einem Kuromoji[57]. Eigentlich wurden diese Süßigkeiten eher bei einer Teezeremonie gereicht, aber Gaara empfand sie als passende Leckerei für ihr Hochzeitsritual. Er hatte angeordnet, die Jô-namagashi zu weißen Lotosblüten zu formen, weil sie ein Symbol für Reinheit und Treue waren. Die Süßigkeiten sollten die harmonische Verbindung und die Liebe unterstreichen. Drei filigrane Blüten strahlten auf einem dunkelgrünen Teller, der das reine Weiß erst angemessen zur Geltung brachte.

Wie üblich mussten sie sich das Geschirr teilen. Zum einen hatten sie das schon zuvor getan, zum anderen war Deidara überhaupt der einzige, mit dem er sich etwas teilte. Denn eigentlich aß und trank jeder aus seiner eigenen Schale. Nur zu besonderen Angelegenheiten wie etwa einer Hochzeit wurde eine einzige Schale benutzt, um die Verbindung der Personen zu symbolisieren.

Allmählich sollten sie wohl auch beginnen. Gaara öffnete die kleine Holzkiste und nahm die sorgfältig in Stoff gewickelte Sakeschale aus ihrem Strohbett. Sein Herz begann aufgeregt zu schlagen, als er die Schale aus ihrer feinen Stoffhülle befreite und zwischen ihnen auf der Tischplatte abstellte. Die Kiste schob er unter den Tisch.

Diese Schale war ein Erbstück der Familie, die nur für Hochzeiten benutzt wurde. In einem satten Rot glänzte das flache Schälchen. Ein goldener Kranich breitete im Inneren seine Flügel aus. Er sollte dem Paar Glück bringen, hatte Temari ihm bei ihren Hochzeitsvorbereitungen erzählt. Gaara griff nach der Sakeflasche. Angewärmt schmiegte sich die Keramik gegen seine Hand. Er entkorkte die Flasche und goss etwas von der klaren Flüssigkeit in die Schale. Einen Augenblick schien es, als wolle der goldene Kranich sich von der glatten Oberfläche lösen, durch den Sake brechen und davon fliegen. Dieses Schauspiel war faszinierend. Vielleicht brachte der Vogel auch ihnen Glück.

Die Flasche fand ihren Platz wieder auf dem Tisch. Fest sah er Deidara an. Auf dessen Wangen hatte sich ein leichter Rotschimmer gelegt. Es erinnerte ihn an den Moment, als er ihn gefragt hatte, ob er das Ritual mit ihm durchführen wolle. Ein wenig mussten sie die Zeremonie zwar verändern, da Mitwisser in Form eines Zeremonienmeisters und der Familie unmöglich waren, aber dafür waren sie auch an weniger Zwänge gebunden. Deidara gefiel das garantiert.

Behutsam nahm Gaara die Schale in die Hand. „Unsere Leben werden ab dem jetzigen Zeitpunkt verbunden sein.“ Und von diesem Sake zu trinken, würde seine Worte besiegeln. „Du hast mir gezeigt, dass ich zu lieben in der Lage bin. Meine ungeteilte Liebe gehört dir.“ Der Rotschopf hatte sich viele Gedanken um die Wahl seiner Worte gemacht. Was man einer Frau sagen musste, um sie zu bezaubern, hatte man ihn gelehrt, aber niemals, was ein Mann gern hören wollte. Darum hatte er überlegt, was ihm selbst gefallen würde, falls man ihn überhaupt irgendwie als Maßstab in Betracht ziehen konnte. Ihm war nur wichtig, geliebt zu werden wie er war, mit seiner Fähigkeit. Der Blonde gab ihm genau dieses Gefühl, was ihn für Gaara unersetzbar wertvoll machte. „Und vielleicht kann ich eines Tages zu deiner neuen Heimat werden.“ Diese Hoffnung war gewagt, doch sie war in den letzten Monaten in eine greifbare Nähe gerückt. Er wollte Deidara gern die Heimat bieten, die er brauchte, um glücklich zu sein.

Gaara kostete es viel Mut, dem Blonden weiter ins Gesicht zu sehen nach dieser seelischen Offenheit, die für ihn nicht selbstverständlich war. Deidaras Reaktion wollte er aber auf keinen Fall verpassen. Ein fast scheues Lächeln umspielte dessen Lippen und nun war er es, der für einen Moment den Blick senkte. Als der Blonde ihn wieder hob und Gaara erneut in das azurblaue Auge sehen konnte, lag ein unheimlich weicher Glanz darin. Obwohl noch kein Tropfen Sake den Weg über seine Lippen fand, hatte er das Gefühl, dass ihm schummrig wurde.

Langsam hob der Rotschopf das Schälchen an die Lippen und trank von der warmen Flüssigkeit. Der Sake war das Beste, was die Region Uwajima zu bieten hatte. Ein angenehm milder Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus und trotz der wohltuenden Wärme, die sich in seinem Inneren ausbreitete, könnte man den Sake als durchaus erfrischend bezeichnen.

Die Schale übergab er nun Deidara. Dieser betrachtete den goldenen Kranich und suchte anschließend seinen Blick. Da war es wieder, dieses Lächeln, welches man einem Krieger wie Deidara nicht zutraute. Die Widersprüche, die der Blonde in sich vereinte, waren durchaus fesselnd. Und Gaara fühlte sich geschmeichelt, dass er diese sanfte Seite kennen lernen durfte.

„Du bist dabei, meine Heimat zu werden, hm.“ Deidara sprach recht leise, was seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen schien in dieser besonderen Situation. Sein Lächeln wurde sicherer. „Ich liebe dich.“ Damit leerte er das Sakeschälchen.

Die Hitze, die in seinem Inneren aufflammte, war sicherlich nicht dem Sake geschuldet. Eigentlich sollte er allmählich an Deidaras Direktheit gewöhnt sein, dennoch überwältigte ihn sein Bekenntnis und hinterließ bei ihm den Eindruck, er würde schweben.

Der Blonde stellte die Schale auf dem Tisch ab und rutschte näher. Seine linke Hand wanderte in Gaaras Nacken. Bereitwillig ließ er sich zu einem zärtlichen Kuss heranziehen, der sich wunderbar in die Zeremonie einfügte. Der Rotschopf ließ seine Finger unter das dicke Haar wandern und strich zärtlich über seinen Nacken. In diesem Moment erschien ihm alles perfekt, so wie es war. Ihr Beisammensein fühlte sich richtig an. Es tat ihm unheimlich gut und Deidara ging es ähnlich, wie er eben erklärt hatte. Noch vor einem Jahr hätte Gaara nicht einmal in seinen Träumen zu hoffen gewagt, dem Blonden je so viel zu bedeuten.

Seine Augenlider öffneten sich langsam wieder, als sich ihr Kuss löste. Das Lächeln setzte sich hartnäckig auf seinen Lippen fest. Ob sich so Seligkeit anfühlte? „Ich habe noch eine Kleinigkeit“, hauchte Gaara leise. Es wäre Verschwendung, die Jô-namagashi nicht zu essen. Obwohl Deidara gerade süßer war als jede Leckerei. Gaara nahm seine Hand beinahe widerwillig zurück und zog den flachen Teller mit den weißen Lotosblüten heran. Welche Botschaft dahinter stand, wusste Deidara bestimmt. Auch er hatte eine klassische Ausbildung hinter sich und hatte diese nonverbale Form von Kommunikation zu deuten gelernt. „Du hast wirklich an alles gedacht, hm?“, fragte er gedämpft. Auch Deidara lächelte nach wie vor. Vielleicht ging es ihm wie Gaara und das Lächeln wollte einfach nicht mehr weggehen. „Bitte, greif zu“, bot er dem Krieger an.

Deidara nahm vorsichtig eines der Jô-namagashi in die Hand und biss davon ab. Der Rotschopf ignorierte, dass er das Kuromoji nicht benutzte. Sie waren unter sich. Gaara nahm das Stäbchen jedoch zur Hand und teilte eine Lotosblüte. Die erste Hälfte spießte er auf und schob sie sich in den Mund. Ein kaum hörbares, wohliges Seufzen entrang sich seiner Kehle. Die Süßigkeit schmolz richtig auf der Zunge. Sie rundete diesen besonderen Abend erstklassig ab. Und während sie die Jô-namagashi verzehrten, herrschte eine angenehme Stille im Raum,.

„Was machen wir mit der letzten, hm?“ Deidara grinste vergnügt und deutete auf die dritte Lotosblüte. „Teilen“, lautete Gaaras Antwort. Das Kuromoji glitt recht leicht durch den weichen Teig und hinterließ zwei Hälften, von denen sich Deidara nun eine nahm, während er die andere aufspießte. Genießend kaute der Rotschopf. Nebenbei fand das Stäbchen wieder seinen ursprünglichen Platz auf dem Süßigkeitenteller.

Deidara war mit seiner Hälfte anscheinend schon fertig, denn er kam wieder näher und schmiegte sein Gesicht gegen Gaaras Hals. Die Hand, mit der Deidara sich nicht abstützte, glitt über seinen Arm hinauf zu seiner Schulter. „Und was machen wir jetzt, hm?“, schnurrte der Blonde. Der warme Atem, zusammen mit dem verheißungsvollen Unterton ließen ihn schaudern. Hart schluckte Gaara seinen letzten Bissen hinunter. „Wonach ist dir denn?“, fragte er nach. Weiche Lippen drückten sich gegen seine Haut. Hörbar atmete der Rotschopf ein. Deidara nutzte seine Empfindsamkeit am Hals schamlos aus. „Ich möchte mit dir schlafen, hm.“ Kurz stockte Gaara der Atem. Sein Herz schlug plötzlich so heftig in seiner Brust, dass er befürchtete, Deidara könne es hören. Ein Gefühl von Trockenheit vereinnahmte seine Lippen. Unwillkürlich huschte seine Zungenspitze über selbige.

Sie waren noch nicht bis zum Äußersten gegangen, das wusste Gaara. In seiner Bibliothek hatte er aber keine Informationen gefunden, wie der Beischlaf mit einem Mann ablief. Denn Gedanken darüber hatte er sich bereits gemacht. Jedoch wollte er diesen Schritt nicht gehen, wenn er nicht wusste, wie. Bei einer Frau erschien dies nun so einfach, jedenfalls in der Theorie. Eine ihm ziemlich logisch erscheinende Vermutung hatte er, jedoch mangelte es an Klarheit.

„Ich… weiß aber nicht, wie“, gestand er leise. Es war ihm unangenehm, seine Unwissenheit zugeben zu müssen. Deidara zog sich etwas zurück und sah ihm in die Augen. Der verlangende Blick schickte ein Kribbeln in seinen Unterleib. Diese nahtlosen Übergänge von unterschiedlichem Verhalten machten Deidara definitiv zu einem privaten Abenteuer. Aus dem Ärmel holte er einen kleinen Flakon. Ein verruchtes Lächeln tanzte auf seinen Lippen. „Ich aber, hm“, hauchte der Blonde.
 

_______________________________________

Japanische Hochzeitsriten: Große Hochzeitszeremonien hatten in Japan lange keine Bedeutung. Früher war eine Einehe nicht verpflichtend. Besonders in den höheren Kreisen gab es verschiedene Formen von Haupt- und Nebenfrauen, Probeehen etc.. Ein gesetzliches Verbot der Vielehe gibt es erst seit der Meiji-zeitlichen Verfassung (1890). Eine entsprechende religiöse Zeremonie fehlte damals noch. Ein rituelles Element, das schon sehr lange Zeit bei Vermählungsfeiern dazu gehört, ist das gemeinsame Sake-Trinken des Brautpaares. Bei Hochzeiten vor der Meiji-Zeit wurde die Zeremonie aber noch nicht in einem Schrein oder im Beisein eines Priesters durchgeführt. Es war vielmehr eine häusliche Zeremonie ohne religiösen Bezug, die von einem weltlichen Zeremonienmeister durchgeführt wurde. (Btw. es war nicht ganz leicht, überhaupt etwas zur Ehe in dieser Zeit zu finden, in der die FF spielt. Daher beschränke ich mich auf das, was ich gefunden habe, und verarbeite es. Diese Form speziell in diesem Kapitel ist noch mal von mir angepasst, da Gaara und Deidara quasi nur für sich heiraten.)

[56]Jô-namagashi: traditionelle japanische Süßigkeit, die bevorzugt zur Teezeremonie gereicht wird. Besteht aus Nerikiri - weißer, marzipan-ähnlicher Teig -, der zart eingefärbt sein kann und dann in Form gebracht wird; mit süßer Bohnenpaste gefüllt. Die Form ist stark von den Jahreszeiten beeinflusst (Kirschblüten im Frühling z.B.), aber auch traditionelle japanische Motive oder Gedichte können als Vorlage für eine Form dienen.

[57]Kuromoji: sehen einem Essstäbchen recht ähnlich, allerdings ist am oberen Teil die Rinde noch dran

Zweisamkeit

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die perfekte Braut

Maki hatte ihm soeben die Reaktion vom Môri-Daimyô übergeben. „Du kannst gehen“, wies Gaara sie an. Sobald er allein in seinem Arbeitszimmer war, öffnete er das Schreiben und las die Zeilen. Eigentlich sollte der Rotschopf sich freuen, dass Môri Motonari sein Einverständnis begrüßte und die Einladung in seine Burg annahm. Für Gaaras Reich war die Hochzeit vorteilhaft, aber sie kollidierte auf privater Ebene mit seinen Gefühlen. Damit musste er fertig werden.

In ein paar Tagen lernte er Sakura also kennen. Eigentlich machte es keinen Unterschied, denn die Hochzeit fand sowieso statt. Weder er noch Motonari würden von dem Vorhaben abweichen, wenn nichts Gravierendes in den nächsten Tagen passierte, was ihre Meinung ändern könnte. Und die junge Frau besaß kaum Mitspracherecht. Außerdem wäre es dumm von ihr, Gaara zurückzuweisen, war sie als seine Frau für den Rest ihres Lebens finanziell abgesichert und durfte einen hohen Lebensstandard erwarten.

Von dem Hyûga-Oberhaupt hatte er vor ein paar Tagen bereits eine Antwort zu seinem Vorschlag erhalten. Der Clan war einverstanden mit Kankurô als Hanabis zukünftiger Ehemann. Somit war dieses Problem auch geklärt.

Leise seufzte Gaara. Er hoffte, dass seine Beziehung zu Deidara nicht instabil wurde, wenn der Blonde Sakura gegenüber stand. Für seinen Krieger würde es ebenso schwer werden wie für ihn selbst, nur standen sie an verschiedenen Stellen. Gaara musste den Spagat zwischen Deidara und Sakura meistern, obwohl er eigentlich nur mit ersterem wirklich zusammen sein wollte. Deidara dagegen musste ihn mit einer Frau teilen. Ihre Hochzeit bot Gaara eine gewisse Stütze, obwohl sie ein Geheimnis war. Ihre Beziehung war wie ein Schatz, den er im Meer gefunden hatte und nun vor den Augen der Welt verbarg, damit niemand diese Kostbarkeit aus seinen Fingern reißen konnte. Gaaras Gedanken wanderten weiter zu ihrer Hochzeitsnacht. Unweigerlich stieg Wärme in ihm auf.
 

Sein Geist war noch ganz vernebelt von den ausgiebigen Eindrücken, dem vielen Neuen und dem beinahe beängstigend starken Verlangen, welches unglaublich schwer unter Kontrolle zu halten war. Einerseits war die Tatsache etwas erschreckend, wie viel Vorbereitung es brauchte, um mit einem Mann zu schlafen, andererseits empfand Gaara es als sehr großen Vertrauensbeweis, dass Deidara mit ihm auf diese Weise das Nachtlager teilen wollte, obwohl er gar keine Erfahrung gehabt hatte. Jetzt noch zu liegen, den Blonden in seinen Armen zu halten, noch in ihm zu sein, erfüllte ihn mit tiefer Harmonie. Das Gefühl von Glück floss in seinen Adern. Einmal mehr zeigte Deidara ihm seine sanfte Seite, die nur er zu sehen bekam und die er genauso schätzte wie die rauen Kanten.

Allmählich wurde Gaara jedoch müde und so nackt war es auch ein wenig kühl. „Deidara…“, begann er leise, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als er jedoch keine Reaktion erhielt, stemmte er sich etwas hoch. Ein musternder Blick in Deidaras entspanntes Gesicht weckte eine Vermutung. Gaara lauschte auf den gleichmäßigen und tiefen Atem. Deidara war eingeschlafen. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. Manchmal war er wirklich niedlich. So bleiben konnten sie aber nicht. Möglichst vorsichtig zog Gaara sich aus ihm zurück. Zwar brummte der Blonde leise, aber er wachte anscheinend nicht auf. Eine notdürftige Säuberung folgte, dann breitete Gaara die Decke über sie. Dicht schmiegte er sich wieder an Deidara und legte seinen Arm um den warmen Körper. Dieses Mal musste er nicht bei Sonnenaufgang aufstehen, um rechtzeitig in seinen Gemächern zu sein. Niemand betrat ohne seine Aufforderung die Räume. Aber reagierte er gar nicht, würden die Diener nachschauen, weil sie sich sorgten. Nun blieben ihnen am Morgen noch ein paar Augenblicke. Zufrieden seufzend schloss Gaara seine Augen und gab sich seiner Müdigkeit hin.
 

Erst am Abend des nächsten Tages hatte Deidara ihm von den Verletzungen erzählt, die auftreten konnten, wenn man unvorsichtig vorging. Sorge war in ihm aufgekommen. Hatte er Deidara aus Versehen verletzt? Auf seine Fragen beruhigte der Blonde ihn, dass alles in Ordnung war. Er hatte ihn lediglich informieren wollen. Und mit den darauf folgenden Worten war Gaara ein weiteres Mal die Röte ins Gesicht geschossen. Deidara wollte ihm demnächst noch zeigen, wie intensiv sich der Beischlaf umgekehrt anfühlen konnte.

Nachdem der Blonde ihm in ihrer Hochzeitsnacht verdeutlich hatte, wo man eindrang, hatte Gaara zuerst angenommen, er wäre derjenige, der unten liegen sollte. Diese Option hatte ihm Angst gemacht, war er völlig unwissend gewesen. Inzwischen konnte er sich schon eher vorstellen, Deidara seinen Körper zu überlassen. Allerdings fühlte Gaara sich noch nicht ganz bereit, diesen Schritt zu gehen. Daher war er dem Blonden dankbar, dass dieser ihn nicht drängte.

Widerwillig löste der Daimyô sich schließlich von diesen intimen Gedanken. Es galt die Ankunft des Besuches vorzubereiten. Die Gästezimmer mussten vorbereitet werden, für Unterhaltung wollte gesorgt werden, besondere Speisen sollten ausgewählt werden und vieles mehr. Letztendlich ging es darum, den anderen Daimyô zu beeindrucken, ebenso seine zukünftige Braut. Gaara musste demonstrieren, wie wohlhabend Matsuyama und welche Vorteile sich bei einem Bündnis boten. All dies würde hoffentlich ausreichend von seiner Fähigkeit ablenken. Entweder wusste bei den Môri niemand davon, was problematisch werden könnte. Oder aber es war bekannt und wurde in Kauf genommen. Letzteres wäre Gaara lieber. Dann fiel die Erklärung weg, wenn sie davon erfuhren.

Leichte Schmerzen pochten hinter seiner Stirn. Gaara schloss tief ausatmend die Augen, rieb über seine Schläfen. Noch immer hatte er ab und an leichte Kopfschmerzen. An den Angriff konnte er sich auch nicht erinnern, obwohl schon viel Zeit vergangen war. Es beunruhigte ihn, auf solch ein wichtiges Ereignis keinen unmittelbaren Zugriff zu haben. Sein Leibarzt hatte ihn untersucht, aber auch dieser war unsicher, ob seine Erinnerungen je wiederkehrten. Vielleicht sollte er seinem Körper etwas Ruhe gönnen. Der Rotschopf erhob sich und verließ sein Arbeitszimmer.
 

Einige Tage später traf Môri Motonari mit seiner Nichte und seinem Gefolge ein. Matsuyamas Burg wurde von den abendlichen Strahlen der Sonne umschmeichelt und bot einen erlesenen Rahmen für die prunkvoll verzierte Sänfte der Môri. Stolze Samurai vervollständigten das Geleit. Einige Meter vor Gaara wurde die Sänfte behutsam auf dem Boden abgesetzt. Feierliche Stille wehte über den Innenhof der Burg. Nur das Scharren von Pferdehufen und das Flattern der Banner im seichten Wind waren zu hören. Hinter dem Rotschopf verharrten seine Geschwister sowie der General. Eine Handvoll seiner Krieger und Diener komplettierte den Empfang. Deidara befand sich nicht unter ihnen. So gern Gaara ihn nun in seiner Nähe hätte, er musste einen perfekten Eindruck erschaffen. Allein Deidaras Anblick würde Fragen aufwerfen, wirkte er nach wie vor mehr wie ein Rônin denn wie ein Samurai.

Ein Diener öffnete die Tür der Sänfte und zog sich mit einer Verbeugung zurück. Heraus trat ein älterer Herr mit langem, dunklem Haar. Teure Gewänder hüllten die stattliche Gestalt ein. Ihm folgte eine zierliche Frau. Rosafarbenes Haar war zu einer komplizierten Frisur hochgesteckt. Sie trug einen prächtigen Kimono in Himbeerrot. Das Smaragdgrün ihrer Augen fand sich in Form von kleinen Blättchen auf ihrem Obi wieder. Die junge Frau glich einem zarten Kunstwerk oder einer Frühlingsblume, die ihre Blüten der wärmenden Sonne entgegen reckte.

Höfliche Verbeugungen folgten auf beiden Seiten. Der Diener stellte seinen Herrn, Môri Motonari, und seine Nichte Haruno Sakura vor. Gaara konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass der Name hervorragend zu ihr passte. Motonari hatte nicht übertrieben, als er ihre Schönheit angepriesen hatte.

Gaaras eigener Diener verkündete nun seinen Namen und stellte anschließend seine Familie vor. Erst danach erhob der Rotschopf selbst das Wort. „Motonari-dono[58], Sakura-san, es ist mir eine Ehre, Euch in Matsuyama willkommen zu heißen. Ich hoffe, Eure Reise war angenehm.“ Motonari antwortete ähnlich förmlich. „Wir danken Euch für Eure Einladung, Gaara-dono. Die Reise war ruhig.“ Nun, das war erfreulich. Gaara deutete ein verstehendes Nicken an. „Bitte, folgt mir.“ Eine einladende Handbewegung gebot seinen Gästen, sich ihm anzuschließen. Der Rotschopf führte sie ins Innere der Burg. Seine Familie sowie der General der Môri folgten ihnen. Im großen Foyer verharrte Gaara und wandte sich an Motonari und Sakura. „Meine Diener werden Euch zu den vorbereiteten Gästezimmern führen. Sicherlich möchtet Ihr Euch etwas frisch machen.“ Sein Blick wanderte kurz zu Sakura. Ein zurückhaltendes Lächeln glitt über ihre Lippen. Anscheinend hatte er richtig vermutet. Eine junge Frau wollte ihrem zukünftigen Gatten gefallen und eine Reise war immer anstrengend. Ein wenig Zeit, um wieder alles zu richten und vielleicht auch den Kimono zu wechseln, war also genau das Richtige. „Das Mahl wird bereits vorbereitet. Ihr werdet dann in den Speisesaal geführt.“ Motonari bedankte sich höflich. Anschließend begleitete besagter Diener sie zu den Gästezimmern. Weitere Diener würden sich um die Pferde, die Sänfte und die Unterbringung der Samurai kümmern.

Kankurô trat neben Gaara. „Du hast wirklich Glück. Sie ist eine Augenweide“, sagte er leise, sodass nur der Rotschopf es hören konnte. Das schwere Seufzen verkniff der Rotschopf sich. Er wäre glücklich, müsste er Sakura nicht heiraten. Mit Freuden würde er sie an seinen älteren Halbbruder abtreten. Doch das war nicht möglich. „Hanabi wird sicherlich eine ebenso strahlende Schönheit. Sie muss nur noch erblühen“, erwiderte er aufmunternd. „Und bis dahin bin ich ein alter Mann.“ Das Brummeln seines Bruders war kaum zu hören. Gaara beschloss, nicht darauf einzugehen. Stattdessen wandte er sich nun auch an Temari und Shikamaru. „Wir sehen uns zum Abendessen“, sprach er. Kaum hatte er von allen die Zustimmung, wandte er sich ab und schritt in seine privaten Gemächer. Ein paar Augenblicke der Ruhe vor dem intensiveren Kontakt mit dem Môri-Daimyô und Sakura waren dringend nötig. Am liebsten hätte Gaara das Abendessen schon hinter sich. Dann könnte er sich auf seinem Futon niederlassen und sein Gesicht in Deidaras Haaren vergraben. Er hatte ihn gebeten, heute Nacht zu ihm zu kommen. Der Rotschopf brauchte seine Nähe mehr denn je und nicht nur, um Deidara zu zeigen, dass er ihm mehr bedeutete als seine zukünftige Braut, sondern auch um seine eigenen Nerven zu beruhigen. In der Nähe seines Kriegers konnte er sich entspannen und seinen Gedanken eine Pause gönnen. Wäre es nur schon Nacht.
 

Das gemeinsame Abendessen konnte man wohl als angenehm bezeichnen. Die Speisen waren passend zur Jahreszeit gewählt und appetitlich arrangiert. Zudem wurden Delikatessen seines Reiches serviert. Dazu schenkte ein Diener köstlichen Sake aus. Langsam lockerte sich auch die Stimmung und das ein oder andere ungezwungene Gespräch kam zustande. Unauffällig beobachtete Gaara die junge Frau, welche sich vorrangig mit Temari unterhielt. Der Gedanke, dass sie schon bald verheiratet waren, erschien ihm schlichtweg seltsam. Sie war hübsch, das wollte er gar nicht abstreiten. Und aus den Gesprächsfetzen mit Temari hörte er heraus, dass sie eine gute Bildung erhalten hatte. Aber er betrachtete sie eher wie ein Kunstwerk. Es machte Freude, sie anzusehen. Jedoch sexuelle Lust weckte sie nicht in ihm.

Das Mahl neigte sich allmählich seinem Ende und schließlich wandte Gaara sich an Sakura. „Darf ich Euch morgen zu einem Spaziergang im Garten einladen?“ Mit dem Môri-Daimyô war bereits besprochen, dass sie sich am kommenden Vormittag über die Details bezüglich der Hochzeit unterhielten, aber es sprach nichts dagegen, Sakura etwas kennen zu lernen, bevor sie den Bund der Ehe eingingen. Zartes Rosa legte sich auf ihre Wangen. Für einen Moment senkte sie schüchtern den Blick, dann lächelte sie. „Ihr dürft, Gaara-sama“, erklärte sie höflich. Bisher entwarf sie das Porträt der perfekten Braut. Hübsch, zurückhaltend, süß, gebildet und freundlich. Allgemein betrachtet war sie eine vortreffliche Wahl. Würde die Mutter seiner Geschwister noch leben, sie wäre sicherlich stolz auf ihn. Gaara bemühte sich ebenso, für sie einen begehrenswerten Mann darzustellen und eine gute Wahl für den Môri-Daimyô, war dessen finales Einverständnis ausschlaggebend für ihre Hochzeit. Aber wenn Sakura bis zu seinem Tod ein Teil seines Lebens war, wollte er auch unter ihre Oberfläche blicken. Vielleicht gab Sakura bei ihrem Spaziergang morgen bereits etwas von ihrem wahren Wesen preis.

______________________________

[58]-dono: „Fürst“

Eigenheiten von Braut und Bräutigam

„Wie wunderschön“, hauchte Sakura und betrachtete verzaubert den geschmackvoll angelegten Teich. Im klaren Wasser schwammen Kois ihre ruhigen Bahnen. Das Ufer wurde eingefasst von moosbedeckten Steinen, wucherndem Bambus und anderen Gewächsen wie Farnen und kleineren Pflanzen, die zwischen den Steinen ihren Platz gefunden hatten. Ein rotes Ahornbäumchen verlieh dem vielen Grün einen Farbtupfer. Dazu bot der kleine Wasserfall mit seinem leisen Plätschern eine entspannende Geräuschkulisse. Die steinerne Laterne erhob sich direkt neben den runden Trittsteinen, welche durch das flache Wasser führten. Auf diesem Weg gelangte man trockenen Fußes zu der kleinen Insel. Ein rot gestrichener Pavillon erhob sich dort. Sanft bog sich das Dach dem Himmel entgegen.

Gaara trat auf den ersten, vom Wasser umgebenen Stein und hielt ihr seine Hand hin. „Eure Schönheit vervollkommnet den Anblick“, sprach Gaara. Das Kompliment trieb ihr die Röte auf die Wangen. Lächelnd ergriff Sakura die Hand des Daimyô und ließ sich über die Trittsteine zum Pavillon führen. Eine steinerne Bank erwartete sie dort, die zum Verharren einlud. Gaara gab ihre Hand frei und setzte sich auf die Bank. „Setzt Euch doch“, bot er ihr freundlich an. Mit einem Kopfneigen deutete sie eine ergebene Verbeugung an. In gebührlichen Abstand ließ sie sich neben Gaara nieder.

Sakuras Blick schweifte über die herrliche Szenerie. Der junge Daimyô hatte eine gute Entscheidung für eine erste Annäherung getroffen. Allgemein war die Rosahaarige bisher sehr zufrieden. Seit Motonari ihr Gaara als Ehemann vorgeschlagen hatte, war sie nervös. Schließlich hatte sie den Mann zuvor noch nie gesehen. Vor Jahren war er einmal bei ihrem Onkel zu Besuch gewesen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte eine Krankheit sie an den Futon gefesselt. Inzwischen verstand sie aber, warum Motonari ihn ausgesucht hatte. Gaara war ein sehr zuvorkommender junger Mann. Und attraktiv obendrein. Beim Abendessen hatte sie ihn hoffentlich unauffällig beobachtet. Seine Worte waren stets gut gewählt. Zugleich strahlte er das Selbstbewusstsein eines Herrschers aus. Motonari hatte ihr erzählt, dass Shikoku ein wohlhabendes und starkes Reich war. Eine Allianz zwischen ihnen war für beide Seiten vorteilhaft und hielt machthungrige Daimyô davon ab, ihre Finger nach dem Besitz der Môri auszustrecken. Gaara hatte sogar den alten Daimyô Orochimaru in die Flucht geschlagen. Es kursierten Gerüchte, dass die berüchtigte Rônin-Bande Akatsuki einen gewissen Teil dazu beigetragen hatte. Jedoch schien er mit dem Emporkömmling Uchiha Sasuke Differenzen zu haben. Motonari und auch sie selbst vermuteten, dass dieser absichtlich Interesse an ihr bekundet hatte, um Gaaras Pläne zu durchkreuzen. Sakura wollte aber keinen Mann, der sich auf dubiose Art und Weise fremde, oder in diesem Fall verwaiste, Besitztümer angeeignet hatte. Besondere Achtsamkeit war angebracht, da selbige in Orochimarus Hand gewesen waren. Dieses Umfeld war nicht stabil. Gaaras Familie hingegen existierte seit Jahrhunderten und bot deutlich mehr Sicherheit.

„Wie gefällt es Euch in Matsuyama?“, fragte der Rotschopf. Obwohl Gaaras Blick ruhig auf ihr lag, hatte Sakura das Gefühl, er wolle bis in ihre Seele tauchen. Sein Interesse an ihr schien ehrlicher Natur und das gefiel ihr. „Es ist schön hier, ähnlich wie in Hiroshima“, erklärte Sakura lächelnd. Dieser Fakt würde ihr helfen, sich an die neuen Menschen zu gewöhnen.

„Sicherlich wird es noch mehr geben, was Euch helfen wird, Euch einzuleben, wenn wir…“ Gaara schien mit sich zu hadern, den Satz zu vollenden. „…verheiratet sind?“, schlug Sakura als Ende vor und lächelte. Zustimmend nickte der Rotschopf. Ob er auch aufgeregt war, so wie sie?

„Mit einem so aufmerksamen Mann an meiner Seite wird mir die Eingewöhnung leicht fallen“, erklärte die Rosahaarige freundlich. „Es wird mir eine Freude sein, Euch dabei behilflich zu sein, Sakura-san.“ Erneut zauberte Gaara ein Lächeln auf ihre Lippen.

„Darf ich Euch eine private Frage stellen?“ Wieder verharrte der Blick aus den jadefarbenen Augen intensiv auf ihr. Aufgeregt hüpfte ihr Herz. „Ihr dürft.“ Verhalten neugierig wartete sie nun darauf, dass Gaara preisgab, was ihn interessierte. „Welchen Neigungen geht Ihr gern nach?“ Sakura nahm sich einen Augenblick Zeit, um darüber nachzusinnen, was sie dem Daimyô schon verraten konnte und entschied sich, keine Geheimnisse aus ihren Vorlieben zu machen. Irgendwann würde Gaara es sowieso herausfinden. „Die Teezeremonie bereitet mir Freude. Außerdem lese ich gern Geschichten, unter anderem über die Götter.“

Der Rotschopf schien einen erfreuten Eindruck zu machen, soweit sie seine Mimik beurteilen konnte, denn er war mit selbiger äußerst sparsam. „Dann teilen wir die Freude an der Teezeremonie“, erklärte Gaara. Sakura lächelte. Es war schön zu hören, dass ihr Zukünftiger wenigstens ein Interesse mit ihr teilte. „Lest Ihr auch Gedichte?“, hakte Gaara nach. Bestätigend nickte die Rosahaarige. „Manchmal schreibe ich selbst welche“, fügte sie hinzu. „Ich würde gern einmal eines Eurer Gedichte lesen. Bestimmt sind sie ebenso lieblich wie Ihr es seid.“ Scheu lächelnd senkte Sakura ihren Blick. Gaara wusste die Komplimente richtig in eine Unterhaltung zu streuen. „Ich würde mich glücklich schätzen, wenn Ihr eines von meinen Gedichten lest.“ Allerdings befanden selbige sich in Hiroshima. Ihr Hab und Gut wurde erst im Anschluss an die Hochzeit nach Matsuyama gebracht.

Einmal mehr wanderte Sakuras Blick über die Wasseroberfläche und beobachtete einen besonders großen Koi, der nah am Pavillon vorbei schwamm. „Habt Ihr in der Burg auch einen Kräutergarten?“, fragte sie schließlich. Sie hoffte sehr auf eine positive Antwort, wäre es schade, könnte sie sich nicht mehr um Kräuter und Heilpflanzen kümmern.

„Ihr interessiert Euch für Kräuter?“ Obwohl sie innerlich nun etwas unsicher war, wie er diese Neigung wohl aufnahm, bestätigte sie seine Frage. „Ich habe in Hiroshima einen kleinen Garten. Dort kümmere ich mich um Kräuter und Heilpflanzen“, erklärte Sakura. „Die Heilkunde ist ein Gebiet, welches mich sehr interessiert.“ Sie wusste, dass es sich für eine Frau ihres Standes nicht gehörte, mit den Fingern in der Erde herumzuwühlen, aber ihr machte die Gartenarbeit Spaß. Der Arzt ihrer Familie hatte ihr schon viel über die heilende Wirkung einiger Pflanzen erzählt und wie man sie einsetzte. Wäre es ihr erlaubt, würde sie gern bei einem Heiler in die Lehre gehen.

Kurz weiteten sich Gaaras Augen, dann verschwand die Überraschung wieder aus seinem Gesicht. „Eine ungewöhnliche Vorliebe“, gestand er. Sakura sah auf ihre Finger hinab. Vielleicht hätte sie darüber doch noch schweigen sollen. Wollte Gaara keine Braut, die sich lieber die Finger im Garten schmutzig machte als ein Instrument zu spielen? Es wäre ihre Schuld, wenn er die Hochzeit nun ablehnte. „Einen Kräutergarten gibt es in der Burg noch nicht, aber wir finden bestimmt einen Platz, wo Ihr einen anlegen könnt.“ Erstaunt sah die Rosahaarige auf. Gaara störte sich nicht an ihrer außergewöhnlichen Vorliebe? Dankbar lächelte sie. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. „Vielen Dank.“

Der Daimyô wurde ihr zunehmend sympathischer. Aber eine Sache rumorte in ihrem Hinterkopf. Gerüchte waren ihr zu Ohren gekommen, dass Gaara eine seltsame Fähigkeit besaß. Eine Frage an ihren Onkel hatte ihr die Antwort gebracht. Angeblich konnte der Rotschopf Sand nach seinem Willen lenken. Für sie klang dies mehr nach einer Geschichte wie jene, die sie las. „Darf ich Euch auch eine persönliche Frage stellen?“ Ihre Neugier gab ihr den Mut, die Wahrheit herausfinden zu wollen. Da sie nun zugegeben hatte, keine perfekte Braut zu sein, war es für Gaara vielleicht auch im Bereich des Möglichen, ihre Frage nicht als Beleidigung aufzufassen. „Natürlich.“

Die Rosahaarige suchte bewusst Blickkontakt. „Ich habe Gerüchte gehört, Ihr beherrscht eine …besondere Fähigkeit?“ Gaara sah sie weiterhin an. In den Jadeaugen glomm keine Verärgerung. „Ihr habt richtig gehört.“ Sakura konnte ihre Verwunderung nicht gänzlich unterdrücken. Diese Geschichte entsprach der Realität? Ihre Fantasie reichte offenbar nicht aus, um sich bei einem normalen Menschen eine übernatürliche Kraft vorstellen zu können. „Ich möchte ehrlich zu Euch sein“, sprach Gaara weiter. „Seit meiner Geburt kann ich dem Sand meinen Willen aufzwingen. Es besteht allerdings kein Grund zur Beunruhigung. Ich habe diese Fähigkeit unter Kontrolle und setze sie lediglich im Kampf oder bei einem Notfall ein.“

Sakura war beeindruckt, wie souverän Gaara mit seiner Fähigkeit umging. Denn sie war alles andere als gewöhnlich. Ob er in jungen Jahren Schwierigkeiten gehabt hatte? Kinder konnten so grausam sein. Als sie klein gewesen war, hatten die anderen Kinder sie oft gehänselt wegen ihrer hohen Stirn. Oft war sie weinend in den Schoß ihrer Mutter geflohen. Wie schwer es da erst für Gaara gewesen sein musste? Aber ein Daimyô musste stark sein, selbst wenn seine merkwürdige Begabung zwischenmenschliche Probleme verursachte. Diese Charakterstärke machte ihn nur begehrenswerter. „Ich danke für Eure Ehrlichkeit“, sagte sie schließlich sanft und zeigte ihr Lächeln. Sakura würde mit dieser Fähigkeit zu leben lernen. Das war wohl das Mindeste, nachdem Gaara ihre Neigung zu Kräutern akzeptierte. Außerdem hatte er erwähnt, dass er den Sand nicht im Alltag benutzte. Sie würde die Fähigkeit also nicht allzu bald zu Gesicht bekommen. Ihr blieb genug Zeit, sich mental darauf vorzubereiten.

Gaara erhob sich und streckte ihr seine Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen. „Lasst uns zurückkehren. Euer Onkel wartet sicher bereits auf Euch.“ Vermutlich hatte der Daimyô Recht. Zu lange sollten sie nicht alleine bleiben, damit keine falschen Eindrücke entstanden. Sie ließ sich aufhelfen und über die Trittsteine zurück auf den gewundenen Kiesweg führen. Gemächlich schritt Sakura an Gaaras Seite zurück zum Eingang des Gartens. Nahe des roten Torbogens wartete ihr Diener auf sie, den sie zurückgelassen hatte. „Der Spaziergang war sehr schön“, gestand sie lächelnd. „Das freut mich zu hören. Ich wünsche Euch einen angenehmen Nachmittag, Sakura-san.“

Eine Verabschiedung folgte und Gaara entfernte sich von ihr. Glücklich sah sie dem Rotschopf nach. Motonari hatte wirklich einen tollen Mann ausgesucht. Langsam setzte nun auch Sakura sich in Bewegung, gefolgt von ihrem Diener. Während sie sich dem Hauptgebäude der Burg näherte, glitt ihr Blick neugierig umher. Hier würde sie also ihr restliches Leben verbringen. Der Gedanke war inzwischen gar nicht mehr ängstigend. Ihre Familie würde sie nur noch selten sehen, das war schade. Aber bestimmt durfte sie ihnen ab und an einen Besuch abstatten.

Sakura hielt inne, als sie jemanden auf der Mauer bemerkte. Wie konnte man sich dort halten? Der geziegelte Abschluss der Mauer war eine nicht ungefährliche Sitzgelegenheit. Langes, blondes Haar wehte leicht im Wind. Von hier aus war es Sakura nicht vergönnt zu erkennen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Allerdings vermutete sie einen Mann, hatte eine Frau auf dem Wehrgang, geschweige denn auf der Mauer, nichts zu suchen. Ein Samurai war zu pflichtbewusst, um auf solch müßige Art seinen Tag zu verbringen. Vielleicht war es irgendein Stallknecht, der sich von seiner Arbeit davon gestohlen hatte und den eine Strafe erwartete, sobald man ihn entdeckte. Sie beschloss, sich nicht weiter mit diesem Burschen zu beschäftigen und setzte ihren Weg zum Gebäude fort.
 

________________________________

Ich garantiere nicht dafür, dass Sakura in character ist. Mit ihrem Charakter hab ich so gar nichts am Hut. Aber ihr Innenleben und ihre Beweggründe werden im späteren Verlauf noch wichtig. Daher werdet ihr ihre Sichtweise nicht zum letzten Mal erleben ;3

Der letzte Abend

Gemächlich senkte sich die Abendsonne ins Meer hinab, tauchte das zerfurchte Wasser in ein blutiges Rot. Deidara stützte sich auf der Balustrade des Balkons ab und sah auf die unruhige See hinaus. Rauer Wind durchwühlte sein Haar und zerrte an dem unordentlich zugebundenen Yukata. Eigenwillig hatte er sich in Gaaras Gemächer geschlichen. Aber der Daimyô war noch nicht anwesend. Während Deidara auf ihn wartete, hatte er eine der Schiebetüren zum Balkon geöffnet und hoffte, der schöne Anblick könne ihn gefangen nehmen. Der beruhigende Effekt blieb aus. Allein bei dem Gedanken an Sakura gruben sich seine Fingernägel in das dunkle Holz der Brüstung. Zu wissen, dass sie jetzt gerade gemütlich mit Gaara und seiner Familie speiste, nährte das brodelnde Feuer in ihm. Bisher hatte er die junge Frau nur aus der Ferne gesehen. Überall in der Burg wurde ihre Schönheit gepriesen. Hübsch war sie wohl. Aber das war Ansichtssache. Und momentan wollte er gar nichts über sie erfahren. Gaara sprach in seiner Gegenwart glücklicherweise kaum über sie, wofür er dankbar war.

Diese arrangierte Hochzeit wäre vielleicht leichter zu ertragen, müsste ihre Verbindung nicht geheim gehalten werden. Deidara glaubte Gaara und vertraute auf seinen Schwur. Aber die Eifersucht nagte dessen ungeachtet an ihm, setzte ihm allerlei Szenarien vor, mit denen er sich eigentlich gar nicht beschäftigen wollte. Wie viele Rechte erhielt Sakura als Gaaras Ehefrau? Schlief sie ab morgen in seinen privaten Gemächern? Für ihre Beziehung wäre das der schleichende Tod. Veränderte sich Gaaras Verhalten zu ihm nach der zweiten Hochzeitsnacht? Vielleicht stellte er fest, dass er den Beischlaf mit einer Frau lieber mochte, da bald schon ein Vergleich möglich war. Oder erlebte er einen geistigen Wandel bei einer Schwangerschaft? Ein Kind veränderte viel, oder nicht? Es verband zwei Menschen miteinander auf intime Art und Weise. Unwirsch fuhr Deidara sich durch das Haar. Die meisten Antworten auf diese Fragen konnte ihm nur die Zeit bringen. Und diese Ungewissheit zehrte von seiner Selbstsicherheit.

Der Blonde griff nach dem mitgebrachten Sakeschälchen, welches er neben sich auf der breiten Brüstung abgestellt hatte, und trank es in einem Zug leer. Die dazugehörige Flasche wartete geduldig auf dem Tisch im Wohnzimmer. Deidara war sich darüber im Klaren, dass der Alkohol keine Lösung für seine Probleme war, doch er betäubte seine schwankenden Nerven etwas.

Das Geräusch einer sich öffnenden Tür erreichte ihn. Langsam drehte Deidara sich um. Gaara trat ein, in der Hand eine Öllampe. Das warme Licht umspielte angenehm seine Erscheinung. Die Tür schob er hinter sich wieder zu. Noch bemerkte Gaara ihn nicht. Ein müdes Seufzen verließ dessen Lippen. Die Öllampe fand ihren gewohnten Platz auf dem Tisch. Der Rotschopf verharrte, als sein Blick die Sakeflasche erfasste. Nun aufmerksam wanderten die schönen Jadeaugen umher und blieben schließlich an ihm haften. Gaara nahm die Flasche. Wieder entspannter schritt er zu ihm. Ein sanfter Kuss zur Begrüßung folgte. Erstaunt ließ Deidara sich die Schale aus der Hand nehmen und beobachtete, wie Gaara diese mit Sake füllte. Wie er zuvor trank der Daimyô das Schälchen in einem Zug leer. Deidara schmunzelte. „So schlimm, hm?“, fragte er, während er sich gegen die Brüstung hinter sich lehnte.

Gaara stellte die Flasche am Boden ab, die Schale auf der Balustrade. Der Rotschopf nahm dieselbe Haltung ein, in der Deidara bis vor wenigen Augenblicken gewartet hatte, und sah in die Ferne. Der Wind zerzauste währenddessen sein Haar. „Schlimm ist die falsche Bezeichnung“, sagte Gaara schließlich leise. „Bisher erscheint Sakura freundlich und nett. Aber es ist einfach anders.“ Deidara betrachtete das ebenmäßige Gesicht von der Seite. Anstrengend schien dieses anders trotzdem zu sein. Mehr und mehr gestattete Gaara ihm, hinter die Fassade des Daimyô zu blicken. Und jetzt wirkte er erschöpft. „Anders?“

Der Rotschopf deutete ein Nicken an. „Du kennst sicher das Verhalten, welches man gegenüber einer Frau erwartet, um sie zu erfreuen.“ Zustimmend brummte Deidara. Er wusste um diesen Eiertanz und er war froh, sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen, geschweige denn, dass er nicht einmal gewillt wäre. Gaara drehte seinen Kopf leicht und sah ihn an. „Bei einem Daimyô wird auf das Verhalten noch mehr Wert gelegt als bei jedem anderen Mann.“

Deidara ließ seinen Kopf in den Nacken sinken und schaute hinauf in den Himmel. Die ersten Sterne leuchteten mit noch schwacher Kraft über ihnen. „Wenn du die Nase voll hast, sag Bescheid. Dann hauen wir ab, hm.“ Ein kurzes Lachen entrang sich seiner Kehle. Ihm gefiel diese Vorstellung. Aber das würde nie geschehen. Gaara liebte sein Land und würde für selbiges sterben. „So verlockend der Gedanke manchmal auch ist, er wird nie Realität werden“, erwiderte Gaara seufzend.

Einige Herzschläge herrschte Schweigen. Dann fragte der Blonde ernst: „Wird Sakura ab morgen hier oben wohnen, hm?“ Ihre Blicke trafen sich. „Nein“, war die bestimmte Antwort. Erleichterung erfasste ihn. „Sie wird die Gemächer unter mir beziehen.“ Ein Lächeln stahl sich auf Deidaras Lippen. Zumindest war die Möglichkeit gesichert, Gaara jederzeit aufsuchen zu können. „Gefällt mir“, flüsterte der Blonde zufrieden. Er bückte sich nach der Sakeflasche, nahm das Schälchen in die andere Hand und sah den Daimyô fragend an. „Wollen wir uns hinlegen, hm?“ Nach dem zustimmenden Kopfneigen wandte Deidara sich um und trat ins Innere des Wohnzimmers. Seine Mitbringsel wurden auf dem Tisch abgestellt. Mit der Öllampe in der Hand schob er die Tür zu Gaaras Schlafzimmer auf, während der Rotschopf den Zugang zum Balkon verschloss. Das Pfeifen des rauen Windes erstarb.

Zuerst offenbarten ihm leise Schritte, wo Gaara war, dann verriet ihn der singende Boden. Neben dem Futon wurde die Lampe an ihrem üblichen Ort platziert. Deidara streckte sich auf Gaaras weichem Nachtlager aus. Mit dem Blick folgte er dessen Bewegungen, wie er sich neben ihn setzte und die Öllampe auspustete. Dunkelheit umfing sie. Sobald sich Deidaras Auge an den kümmerlichen Lichteinfall gewöhnte, nahm er auch Gaaras Umrisse wahr. Er legte sich zu ihm und zog die Decke über sie. Der Rotschopf rutschte näher, bevor er Gelegenheit dazu hatte. Ein Arm legte sich über seinen Bauch. Gaaras warmer Atem streifte über sein unbedecktes Schlüsselbein.

„Deidara?“ Leise brummte er, um ihm zum Weiterreden zu ermutigen. „Könntest du morgen bei der Hochzeitszeremonie dabei sein?“ Die Bitte kam unerwartet. Selbst als wachhabender Samurai wäre es wohl nicht gern gesehen, wäre ausgerechnet er bei der Zeremonie anwesend. Die Hochzeit wurde doch nur im familiären Kreis durchgeführt. Da es sich um die Hochzeit des Daimyô handelte, durften natürlich noch weitere in der Burg lebende hochrangige Adlige der Zeremonie beiwohnen. Aber er war dort völlig fehl am Platze. An sich war ihm das egal. Deidara lehnte diese Bitte aus einem anderen Grund ab. „Bitte tu mir das nicht an“, murmelte er. „Ich will nicht sehen, wie du mit Sakura aus derselben Schale trinkst, hm.“ Der morgige Tag würde schon schwer genug für ihn werden. Die Vorbereitungen begannen in aller Früh. Dann fand die Hochzeit statt. Es gab ein Festessen mit anschließender Unterhaltung. Zuletzt folgte am Abend die erste gemeinsame Nacht. Ihm drehte sich der Magen um, wenn er daran dachte, dass Gaara mit dieser Frau intim wurde. Dann wusste sie, wie der Rotschopf sich in Ekstase anhörte, wie er roch, wie sich seine verschwitzte Haut unter den Fingern anfühlte, was er auslöste, wenn er sich bewegte. Er war nicht länger der einzige, der diese ganzen Einzelheiten über Gaara wusste. Verzweifelt klammerte Deidara sich daran fest, dass Sakura ihn nicht auf gleicher Ebene kennen lernte. Sie würde immer unter ihm stehen.

„Ist in Ordnung.“ Gaaras Stimme klang matt. Für ihn war die Hochzeit wohl ähnlich nervenaufreibend. Aber Deidara war erleichtert, dass der Rotschopf ihn nicht dazu drängte, bei der zweiten Hochzeit zuzusehen. Er wüsste nicht einmal, ob er seine Gefühle weit genug im Zaum halten könnte, damit niemand von seinen Empfindungen für Gaara erfuhr. Denn er hätte nicht übel Lust, Sakura als Zielscheibe für seine Schießübungen zu missbrauchen. Sicher war es besser, wenn er abwesend war.

Eine letzte Sache schwirrte nur noch in seinem Kopf herum, die ihre Zweisamkeit gefährden könnte. „Zeigst du ihr den Geheimgang, hm?“ Deidara wollte gern Gewissheit, denn er konnte darauf verzichten, Sakura zufällig in die Arme zu laufen. „Nein.“ Wieder schwang der entschiedene Unterton mit. „Ich gehe zu ihr, wenn ich es für notwendig halte“, fügte er kaum hörbar an. Unter der Decke bewegte sich Deidaras Hand und legte sich auf Gaaras Unterarm. Beruhigt atmete er tief durch. Allmählich schlossen sich seine Lider. „Danke“, hauchte er. Ihre aufgebaute gemeinsame Privatsphäre blieb erhalten. Um ihre Beziehung fortzuführen, war dies zwingend erforderlich. Es lag in Gaaras Macht, sie zu bewahren oder zu zerstören. Hoffentlich trat Letzteres niemals ein. Dessen jetzige Entscheidung förderte Deidaras Vertrauen in ihre Verbindung. Im Gegensatz zu Sakura besaß er allein das Privileg, zu Gaara zu gehen, wann er wollte, und jederzeit neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen. Gaaras letzten Worten zufolge würde er Sakura nur aufsuchen, wenn er mit ihr schlafen wollte. Konnte man eigentlich von wollen sprechen, wenn die Handlung letztendlich ein Erfordernis war, um einen Erben zu zeugen?

Deidara lauschte auf Gaaras leisen Atem. Allmählich kam sein Geist wenigstens ansatzweise zur Ruhe. Das hier war real. Alles andere zeigte die Zukunft. Mit einem Daimyô war eine Beziehung nicht einfach, das musste er sich einmal mehr ins Gedächtnis rufen. Aber er wollte Gaara nicht verlieren. „Schlaf gut, hm“, flüsterte der Blonde.

Die zweite Hochzeit

Gaara wäre es lieber, Deidara wäre in seiner Nähe. Der Anblick des Kriegers hätte ihm vielleicht etwas mehr innere Sicherheit gegeben. Doch dem Blonden den Befehl zur Anwesenheit zu erteilen, war keine Option gewesen. Vermutlich konnte er nicht einmal erahnen, wie schwer die Situation auch für Deidara sein musste. Er stand lediglich auf der anderen Seite und musste zusehen, wie sein Liebster sich einer zweiten Person zuwandte. Diese Person saß in einem prachtvollen Brautkimono ihm gegenüber und lächelte ihn an. Der Rotschopf nahm einen Schluck aus dem flachen Schälchen. Für wenige Herzschläge sah er hinab auf den Grund der roten Schale, beobachtete die schöne Illusion des sich erhebenden Kranichs. Die noch äußerst frische Erinnerung an seine Hochzeit mit Deidara drang beinahe brutal an die Oberfläche. Wie frei diese Zeremonie gewesen war im Vergleich zu der jetzigen. Und wie viel wärmer erschien sie ihm. Die zweite Hochzeit fühlte sich dagegen kühl an, arrangiert. Das schwere Seufzen erstickte Gaara in seiner Kehle. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, er sei bedrückt.

Der Rotschopf hob seinen Blick und reichte seiner Braut das Schälchen. Kurz berührten sich ihre Finger, als Sakura ihm das edle Keramikgefäß abnahm. Sie hob die Sakeschale an ihre Lippen und trank den verbliebenen Inhalt. Anschließend fand die rote Schale ihren Weg zurück in die Hände des Zeremonienmeisters. Damit war die Verbindung besiegelt. Nun hatte er also eine Ehefrau. War es frevelhaft, diesen Gedanken als seltsam zu empfinden? Jadeaugen trafen auf leuchtende Smaragde. Zumindest Sakura machte einen glücklichen Eindruck. Sie strahlte regelrecht.

Doch der heikelste Teil der Hochzeit folgte erst noch. Die kommenden Stunden vergingen Gaaras Ansicht nach viel zu schnell. Das gemeinsame Festmahl, das aufgeführte Theaterstück, die Musiker. All das war zu einer wabernden Masse zusammengefallen. Was hatte er gegessen? Hatte er überhaupt irgendwas gegessen? Vermutlich, andernfalls hätte Temari ihn dazu gedrängt. An den Inhalt des Stückes konnte er sich nur sporadisch erinnern. Die Klänge, welche die Musiker ihren Instrumenten entlockt hatten, waren wohl erfreulich gewesen, hätte man zugehört. Wie hatte er auf die Glückwünsche zur Hochzeit reagiert? Mit wem hatte er gesprochen? Vermutlich war er wie üblich recht ruhig gewesen und hatte wenn, dann nur eine kurze Äußerung gesetzt.

Schließlich rückte der Abend näher und zwei Diener begleiteten ihn in sein Ankleidezimmer, um ihn aus der aufwändigen Garderobe zu helfen und in seinen Schlafyukata zu kleiden. Die Männer entließ der Rotschopf danach. „Ich brauche euch heute nicht mehr. Ihr könnt gehen.“ Kaum schloss sich die Schiebetür hinter seinen Dienern, atmete Gaara tief durch. Je näher die Hochzeitsnacht rückte, desto stärker fraß sich Aufregung durch seine Adern. Einerseits wollte er mit Sakura nicht intim werden, andererseits musste er seine Pflicht erfüllen. Vielleicht half es, sich vorzustellen, er würde Deidara berühren.

Es klopfte am Holz der Tür. „Gaara-sama“, sprach eine Dienerin. Ihre Stimme erscholl etwas dumpf durch die Trennwand. „Sakura-sama ist bereit.“ Gaara straffte sich. Es war also soweit. „Gut“, erwiderte er halblaut. Leise Schritte entfernten sich. Gaaras Lider senkten sich und er atmete bewusst tief durch in der Hoffnung, etwas von seiner sonstigen inneren Ausgeglichenheit zurück zu erlangen. Bisher war er bei seiner Pflichterfüllung auch immer sehr gewissenhaft gewesen. Aber mit einem anderen Menschen auf Tuchfühlung zu gehen, wollte sich schlichtweg nicht in die Kategorie der bloßen Pflicht pressen lassen. Entschlossen öffnete Gaara seine Augen. Er würde diese Nacht schon überstehen.

Seine Füße trugen ihn aus seinem Ankleidezimmer und hinab zu Sakuras Gemächern. Eine Dienerin erwartete ihn bereits und öffnete die Tür zum Vorzimmer. Gaara trat ein und ließ sich von der Frau ankündigen. Gedämpft hörte er Sakuras Erlaubnis, einzutreten. Die zweite Tür wurde von der Dienerin aufgeschoben. Langsam schritt er in das Wohnzimmer seiner Ehefrau. Das leise Schaben von sich schließenden Türen drang an seine Ohren. Sie waren allein.

Jadeaugen erfassten die Rosahaarige. Auch ihr Körper war in einen Yukata gehüllt. Offen floss ihr langes Haar über ihre Schultern. Sich darüber noch nicht ganz im Klaren begann Gaara sie mit Deidara zu vergleichen. Sie war kleiner als der Krieger, die Schultern schmaler und ihr Haar reichte nur bis knapp unter die Brust. Ihr Gesicht erschien weicher geformt. Der schlichte Schlafyukata enthüllte sanfte weibliche Rundungen. Errötend senkte sie ihren Blick. Hatte Gaara sie zu intensiv angesehen? Das galt als unschicklich. „Verzeih. Aber auch ohne prächtige Gewänder bist du eine Schönheit“, erklärte er leise. Der Rotschopf log nicht einmal. Sie war hübsch anzusehen, wie ein Kunstwerk. Und nun, da sie verheiratet waren, sprach er sie auch auf privaterer Ebene an.

Die Lider gaben die schimmernden Smaragde wieder frei. Sakuras Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. „Vielen Dank“, hauchte sie.

Langsam kam Gaara näher. Milde auffordernd hielt er seiner Frau die Hand hin. Es bedurfte keiner weiteren Worte, wussten sie beide, was folgte. Sakuras schmale Hand legte sich in seine. Er umfasste sie und führte sie in ihr Schlafgemach und zu ihrem Futon. Ein Blick in ihre Augen verdeutlichte dem Rotschopf, dass sie unsicher war. Gaara wandte sich ihr komplett zu. Sanft zog er sie näher und strich ihr ein paar der langen Strähnen über die Schulter. Ihre Haare waren feiner als Deidaras. „Wir lassen uns Zeit, in Ordnung?“ Es brachte nichts, sie zu bedrängen und ihr letztendlich Schmerzen zuzufügen, weil sie sich unwohl fühlte. Sakura nickte zustimmend. Zumindest einen Teil ihrer Unsicherheit hatte er ihr nehmen können. Für sie war das Kommende vermutlich eine völlig neue Erfahrung, wenn sie noch Jungfrau war. Allerdings ging er spätestens seit diesem unsicheren Blick davon aus. Zumindest hatten sie eins gemein, sie hatten beide noch nicht das Nachtlager mit einer Person vom anderen Geschlecht geteilt.

Gaaras Finger strichen an ihrem Unterkiefer entlang und hoben ihr Kinn etwas an. Sanft vereinte er ihre Lippen zu einem ersten Kuss. Die Lider senkend versuchte er sich auf die Berührung einzulassen. Sakuras Lippen schmiegten sich weich gegen seine eigenen. Sie waren voller als Deidaras und reagierten anders, zaghafter. Das war ungewohnt, denn der Blonde übernahm bei ihren Küssen nur zu gern die Führung, während Gaara sich darin treiben ließ.

Als sie sich allmählich entspannte und mehr auf seine Bemühungen einging, vertiefte Gaara ihren Kuss. Sie schmeckte anders, stellte der Rotschopf fest. Es war schwer zu beschreiben, aber er mochte Deidaras Geschmack lieber und seine Art, wie er seine Zunge aufreizend an seiner eigenen rieb. Gemächlich glitten Gaaras Hände in ihre schmale Taille und öffneten den Obi. Nachdem dieser zu Boden gefallen war, klaffte der Yukata auf. Gaaras Augen blieben geschlossen. Er hatte es nicht eilig, Sakura nackt zu sehen. Anscheinend war seine Entscheidung nicht verkehrt, denn er spürte die hauchzarte Berührung von Fingern, die an seinem Obi entlang strichen und den Knoten unendlich langsam öffneten. Das Stoffband gesellte sich bald zu dem ersten auf den Boden. Mit den Händen suchte er sich einen unverfänglichen Weg zu Sakuras Schultern, um ihr den Yukata abzustreifen.

Das hier war so anders als alles, was er zuvor mit Deidara erlebt hatte. Die Leidenschaft fehlte. Normalerweise war diese mit einem gründlichen Zungenkuss schnell geweckt. In seinem Kopf herrschte aber nach wie vor gläserne Klarheit. Gaara musste tatsächlich darüber nachdenken, welchen Schritt er als nächstes ging. Mit Deidara waren folgende Handlungen völlig natürlich. Doch zuerst überließ er Sakura, ihn von seinem Schlafyukata zu befreien.

Der Rotschopf löste nun ihren Kuss, griff nach Sakuras Händen und zog sie mit sich hinab auf den Futon. Als er sie ansah, breitete sich wieder der rote Schimmer auf ihren Wangen aus. Dieses Mal hielt sie seinem Blick jedoch stand. Ihre Augenfarbe war wirklich hübsch, aber Gaara vermisste Deidaras azurblaues Auge und den frechen Glanz darin. Wie sollte er sich nur auf Sakura einlassen? Ihr fehlte all das, was er begehrte. Aber er musste seine Pflicht als Ehemann erfüllen. Also beugte er sich für einen weiteren Kuss zu ihr. Eine Hand stahl sich in Sakuras Nacken. Langsam dirigierte er sie nach hinten und auf den Futon. Gaara rutschte näher, sodass sich ihre Leiber sacht berührten. Hinter seinen geschlossenen Augen beschwor er den Anblick seines Kriegers in Ekstase herauf. Sich vorzustellen, Deidara zu küssen, löste gewisses Verlangen in ihm aus. Doch seine soeben erschaffene Illusion zerriss, als ein leiser, aber durchaus angetaner Laut an seine Ohren wehte. Sakuras helle Stimme passte einfach nicht zu seinem mentalen Bild. Nach und nach schmiegte sie sich mehr an ihn. Die letzten Schleier seiner Illusion verblassten. Ihr Körper fühlte sich ganz anders an als Deidaras. Ihre Haut war weicher. Kleine Brüste drückten sich gegen seinen Oberkörper und zwischen ihren Schenkeln fehlte etwas Entscheidendes. Verzweifelt versuchte Gaara die Fantasie wieder aufleben zu lassen. Seine Finger strichen über Sakuras Schulter hinab, seitlich an ihrer Brust entlang. Die zarte Rundung brannte sich in seinen Geist wie ein heißes Eisen in die Haut eines jungen Pferdes, das gerade sein Brandzeichen erhielt. Es gelang ihm nicht. Gaara konnte sich nicht im Geiste vorstellen, mit Deidara intim zu werden, während sein Körper ihm nicht übereinstimmende Bilder sandte.

Der Rotschopf hielt inne und brach den Kuss. Unter den langen Wimpern kamen Sakuras schöne Augen zum Vorschein. Zunehmend spiegelte sich wieder Unsicherheit darin. „Gaara-sama, ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte sie leise. Schwer atmete der Daimyô aus. „Es tut mir Leid. Ich… kann nicht.“ Zügig erhob Gaara sich, hüllte sich in seinen Yukata. Er konnte und wollte Sakura nicht länger ansehen. Sein eigenes Versagen machte ihm zu schaffen. Bemüht, nicht hektisch zu wirken, bückte er sich nach seinem Obi und band ihn um die Hüfte. Ohne ein weiteres Wort verließ er Sakuras Gemächer. Erst auf der Treppe erlaubte er sich, seine Schritte zu beschleunigen. Die Türen schob er hastig auf. Hinter ihm kollidierten sie beim Verschließen vielleicht etwas zu laut mit dem Holz. Dunkelheit empfing ihn in seinem Wohnzimmer. Hier war keine Öllampe entzündet, da er die Nacht eigentlich bei Sakura verbringen sollte. Aber Gaara fühlte sich umringt von Schatten, die ihn verbargen, gerade wohler. Seufzend lehnte er sich gegen einen tragenden Pfeiler und fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. Wie lange war es her, dass er so versagt hatte? Erinnerungen an seine frühe Kindheit stiegen in ihm auf, als sein Onkel noch gelebt hatte. Er hatte sich bei einem Mädchen entschuldigen wollen, weil er sie und ein paar andere Kinder mit seinem Sand erschreckt hatte. Es hatte ihm sehr wehgetan, dass sie seine Entschuldigung nicht angenommen hatte. Trotz seiner guten Absicht hatte er versagt. Und jetzt wieder. Doch dieses Versagen wog deutlich stärker als das Versagen eines sechsjährigen Kindes. Gaara hatte seine eheliche Pflicht in der Hochzeitsnacht nicht erfüllt. Mit Deidara war alles so leicht gewesen.

Heftige Sehnsucht nach dem Blonden erfasste ihn. Seine Beine fühlten sich merkwürdig schwach an. Der Wunsch, von Deidara gehalten zu werden, umklammerte ihn. So falsch es vielleicht war, in seiner offiziellen Hochzeitsnacht den Krieger aufzusuchen, er entschloss sich dennoch genau dazu. Gaara stieß sich von dem Pfeiler ab und trat in den Geheimgang. Eilig stieg er die schmale Treppe in völliger Schwärze hinab. Zielsicher fand er den Weg zum Ende des verborgenen Ganges. Nur schwer ließ sein unbändiger Wunsch sich in Schach halten. Man durfte ihn nicht sehen. Erst, als er sich sicher war, dass er im Flur auf niemanden stieß, verließ er den Gang und huschte zu Deidaras Tür. Ohne zu klopfen schob er diese weit genug auf, um sich hindurch zu zwängen. Kaum war die Tür wieder zu, wandte er sich zu dem Blonden um. Dieser richtete sich soeben in eine sitzende Position auf. Zügig überwand er die verbliebene Entfernung zum Futon und ging vor Deidara auf die Knie. Er spürte dessen Blick auf sich, aber er wagte nicht, selbigem offen zu begegnen. Innerlich fühlte er sich gerade erschreckend verletzlich. „Was ist, hm?“, fragte Deidara leise. Die Irritation hörte er heraus. Der Blonde fragte sich garantiert, warum er heute überhaupt hier war. „Ich… habe versagt“, murmelte Gaara kaum hörbar und sank in sich zusammen. Seine Kraft verließ ihn. War es vermessen, zu Deidara zu kommen, nachdem er zuvor aus Sakuras Zimmer geflohen war? Durfte er überhaupt Trost erwarten?

Deidaras Arme schlangen sich um ihn und zogen ihn fest an sich. Seine Zweifel zerstreuten sich. Der Rotschopf schmiegte sein Gesicht gegen seinen Hals. Tief atmete er den vertrauten Geruch ein. Deidara mit allen Sinnen wahrzunehmen, tat unendlich gut. Es erschien in diesem Augenblick in Ordnung, dass er Schwäche zeigte, obwohl er als Daimyô immer Herr über jede Situation zu sein hatte. Doch wie sollte er über seine Gefühle bestimmen? Sie ließen sich nicht kontrollieren. Sein Innerstes lehnte es ab, mit Sakura intim zu werden. Sie war für ihn nicht mehr als ein lebendiges Kunstwerk, schön anzusehen, doch sie erregte kein Verlangen. Deidara hingegen wusste selbiges mit einer gezielten Berührung oder wenigen wohl gesetzten Worten unverzüglich zu wecken. Und ungeachtet jeder Vernunft fühlten sich dessen Arme um seinen Körper richtig an. Am liebsten würde Gaara diesen Tag gern vergessen und nur noch seinen Liebsten spüren. „Schlaf mit mir…“, hauchte er gegen Deidaras Hals. Mit jeder Faser seines Leibes wollte er seinen Krieger fühlen, so intensiv wie möglich.

Das Vertrauen des Liebsten

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Seltsame Begebenheiten

Ein paar Tage waren seit der Hochzeit vergangen. Ihr Onkel Motonari hatte gestern seine Heimreise angetreten. Sobald er in Hiroshima angelangt war, schickte er ihr Hab und Gut nach Matsuyama. Sakura seufzte leise. Gemächlichen Schrittes erkundete sie das Innere der Burgmauern. Da sie den Rest ihres Lebens hier verbringen würde, wollte sie sich gern mit ihrer neuen Umgebung vertraut machen. Gaara kümmerte sich gut um sie, wenn er nicht gerade seinen Pflichten nachging. Seine Familie war nett. Täglich verbrachte sie ein paar Stunden mit Temari. Momentan unterstützte sie Gaaras ältere Schwester bei der Führung des Burghaushaltes, worüber die Blonde auch recht froh war, konnte sie sich mehr um ihre Kinder kümmern. Taki und Mika hatte Sakura jetzt schon ins Herz geschlossen. Kinder waren etwas Wunderbares.

An sich konnte sie sich wirklich glücklich schätzen, wäre da nicht diese eine Sache. Ihre Hochzeitsnacht. Gaara hatte sich bei ihr entschuldigt und war ohne eine weitere Erklärung gegangen. Wieso konnte er nicht mit ihr schlafen? Sakura war aufgeregt und unsicher gewesen. Immerhin hätte es ihr erstes Mal sein sollen. Aber der Daimyô war sehr zärtlich gewesen. Hatte sie etwas falsch gemacht? Hatte sie ihn irgendwie verärgert? Gaara verhielt sich auch nach ihrer Hochzeit nicht anders ihr gegenüber. Doch bisher war er noch nicht wieder in ihr Schlafzimmer gekommen.

Vielleicht stand er unter großem Druck. Manchmal konnten die Verpflichtungen die Lust töten. Sakura kannte die Aufgaben eines Daimyô durch ihren Onkel sehr gut. An manchen Tagen hatte sie ihm die schlaflosen Nächte gut ansehen können, die er verbracht hatte, um ein Problem aus der Welt zu schaffen. Die Vorbereitungen für ihre Ankunft und die Hochzeit waren sicherlich anstrengend gewesen. Das musste es sein. Sie sollte nicht gleich enttäuscht sein. Gaara war bisher ein wirklich guter Mann. Er brauchte sicherlich nur etwas Zeit und Ruhe. Bestimmt schämte er sich für sein Versagen und war deswegen noch nicht wieder zu ihr gekommen. Sie sollte ihm etwas Sicherheit geben, dass sie ihn nicht verurteilte, weil er in ihrer Hochzeitsnacht seinen ehelichen Pflichten nicht nachgekommen war. Den Beischlaf konnte man nachholen. Inzwischen war der Alltag in die Burg zurückgekehrt. Sie könnte doch heute Nacht zu ihm gehen.

Dieses Vorhaben stimmte Sakura optimistisch und sie schritt nun gelöster den Weg entlang, der schließlich in einen Platz mündete. Zu ihrer Rechten erhob sich ein kleines Gebäude. Die Rosahaarige verharrte und beobachtete das Geschehen. Sie war auf dem Übungsplatz der Krieger angelangt. Die jungen Burschen schulten gerade ihre Qualitäten beim Bogenschießen. Eine tiefe, zornige Stimme wehte zu ihr herüber. Anscheinend hatte einer der angehenden Samurai einen Fehler gemacht. Jedoch fand sie es ungewöhnlich, dass ein Lehrer seinen Ärger so deutlich zeigte. Das war abnorm. Als Sakura den Lehrer erblickte, stutzte sie. Langes, blondes Haar wallte über den Rücken des Mannes. Diesen Wust an Haaren hatte sie schon einmal gesehen. Auf der Burgmauer vor ihrer Hochzeit. Sie hatte den Mann für einen Stallburschen gehalten. Die Schwerter an seinem Obi wiesen ihn jedoch ohne Zweifel als Krieger aus.

Der zurechtgewiesene Schüler beeilte sich, seinen Fehler auszumerzen. Währenddessen schlenderte der blonde Krieger weiter und musterte seine Schützlinge. Sakura fand ihn seltsam. Seine Haltung war anders als die der Samurai, die sie bisher kennen gelernt hatte. Ein Krieger hielt sich immer sehr gerade. Die Haltung des Blonden erschien eher lässig. Er machte einen beinahe loddrigen Eindruck. Yukata und Hadagi gaben einen guten Blick auf seine Brust frei. Sein Haar musste ihn doch beim Kämpfen behindern. Es verdeckte die linke Gesichtshälfte vollständig und schränkte sein Sichtfeld deutlich ein.

Unerwartet trat der Krieger einem der jungen Burschen in die Kniekehle. Der Junge fiel nach vorn, fing sich aber eilig wieder. „Wie oft hab ich schon gesagt, du sollst dich richtig hinstellen, hm? Wenn du dir mehr Gedanken darum machst, gut auszusehen beim Schießen, wirst du nie treffen“, blaffte er den Jungen an. Der Blonde nahm seinen eigenen Bogen von der Schulter und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Interessiert beobachtete Sakura, wie sich sein ganzes Auftreten änderte, während er den Bogen geübt spannte. Das war die Haltung, die man von einem Samurai erwartete, gerade, mit einer perfekten Balance zwischen Anspannung und Gelassenheit. Einen Augenblick verharrte der Krieger, dann flog der Pfeil von der Sehne und traf die Mitte der Zielscheibe, welche in einiger Entfernung aufgebaut war. Sakura musste zugeben, dass es ein herrlicher Anblick war, dem Blonden beim Bogenschießen zuzusehen.

So schnell dieses Gebaren erschienen war, so geschwind verblasste es wieder. „Wenigstens die Zielscheibe musst du treffen, sonst taugst du als Samurai überhaupt nichts. Hol mir meinen Pfeil zurück, hm.“ Der Junge lief los, um der Aufforderung seines Lehrers nachzukommen.

Minimal zuckte Sakura zusammen, als der Kopf des Blonden in ihre Richtung ruckte. Sein Blick schien sie durchbohren zu wollen. Der Mann war seltsam, stellte sie ein weiteres Mal fest. Das Grinsen, welches sich auf dessen Lippen ausbreitete, bereitete ihr Unbehagen.

Der Krieger nahm seinem Schüler den zurückgebrachten Pfeil aus der Hand. Erneut spannte der Mann seinen Bogen, doch dieses Mal zielte der Pfeil auf sie. Schockiert weiteten sich Sakuras Augen. Mit einem ängstlichen Schrei duckte sie sich. Ein dumpfer Laut erklang neben ihr. Vorsichtig sah sie auf. Der Pfeil hatte sich neben ihr in den äußeren Pfeiler des Gebäudes gebohrt und blieb zitternd im Holz stecken. Empört richtete sie sich wieder auf.

„Was fällt Euch ein, Krieger! Ich bin die Frau des Daimyô.“ Der Mann hatte auf sie geschossen. Er konnte froh sein, wenn er dafür nicht geköpft wurde. Doch der Blonde lachte einfach nur. Irritiert blinzelte sie. Er sollte sich vor ihr in den Staub werfen und um Vergebung bitten. Immerhin stand sein Leben auf dem Spiel.

Das Lachen erstarb langsam. „Verschwindet. Wir treffen uns morgen wieder, hm“, sagte der Krieger zu seinen eingeschüchterten Schülern. Diese waren ganz offensichtlich froh, sich zurückziehen zu können. Zwei wachhabende Samurai näherten sich, angelockt von ihrem Schrei. „Sakura-sama, ist alles in Ordnung?“, wurde sie gefragt.

Entrüstet wandte sie sich den Männern zu. „Nein. Dieser Mann hat auf mich geschossen.“ Der Blonde kam derweil näher und sie wich hinter die beiden Krieger zurück. Vergnügt zog er den Pfeil aus dem Holz und steckte ihn in den Köcher zurück. „Jetzt stellt euch mal alle nicht so an“, meinte der Blonde. „Ist schließlich nicht so, als würde ich mein Ziel verfehlen, hm.“

Die Aussage irritierte Sakura. Er hatte sie doch verfehlt!

Einer der Männer stellte sich dem Blonden in den Weg. „Dennoch habt Ihr auf Sakura-sama geschossen. Bis Gaara-sama entschieden hat, was mit Euch geschehen soll, werdet Ihr hiermit in Gewahrsam genommen.“ Und wieder lachte der blonde Krieger nur. Er trat an den anderen Samurai vorbei. „Versucht es nur, hm“, warf er ihnen an den Kopf, würdigte sie aber keines Blickes mehr.

„Du kannst dir nicht alles erlauben, Rônin.“ Von einem Herzschlag auf den anderen änderte sich die Atmosphäre. Sakura schauderte. Sie verstand nicht ganz, was vor sich ging, aber der Krieger hatte den Blonden definitiv beleidigt. Die Hände der Samurai legten sich um den Griff ihrer Katana. Langsam wandte der Blonde sich ihnen halb zu mit einem dreisten Grinsen auf den Lippen, aber auch seine Hand hatte ihren Weg zum Katana gefunden. Sakura konnte nicht erklären, woran es lag, aber sie verspürte plötzlich Angst vor dem Blonden.

„Wenn das eine Beleidigung sein sollte, Wachhund, so hat sie ihre Wirkung verfehlt, hm.“ Überheblichkeit schwang in der Stimme des Kriegers mit. Einen Moment verharrte er noch, dann wandte er sich endgültig ab und die beiden Samurai ließen ihn gehen. „Wieso lasst ihr ihn gehen?“, fragte Sakura verwirrt.

„Verzeiht, Sakura-sama. Wir geleiten Euch sicher zum Hauptgebäude zurück. Sorgt Euch nicht. Gaara-sama wird davon erfahren.“ Sie verstand überhaupt nicht mehr, was hier los war. Die Männer waren zu zweit. Warum gaben sie dem Blonden nach? Sie konnte nicht glauben, dass diese Krieger, die obendrein älter waren als der Blonde, Angst vor ihm hatten.

„Das wird er“, schwor Sakura. Und wie ihr Gemahl davon erfahren würde! Hoch erhobenen Hauptes schritt sie den Weg entlang. In gebührendem Abstand folgten ihr die beiden Samurai.
 

Nachdenklich kaute Sakura auf ihrem Reis herum. Nach dem Ereignis war sie umgehend zu Gaara gegangen und hatte ihm davon erzählt. Seine immerzu beherrschte Mimik war ihr inzwischen vertraut, aber sie hatte doch ein bisschen mehr erwartet als dieses Stirnrunzeln. Gaara hatte nur beunruhigt gewirkt. Dabei war sie angegriffen worden! Wenig später hatte ein Diener ihr berichtet, dass Deidara, so hieß der blonde Krieger, vorerst keinen Dienst innerhalb der Burg verrichten würde. Allerdings stellte sie das wenig zufrieden. Ihr Onkel hätte den Mann, der ihr Leben in Gefahr gebracht hatte, mindestens mit Schimpf und Schande vor die Tür geworfen. Warum durfte sich der Blonde so viel erlauben, ohne ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen?

Sakura sah von ihrer Reisschale auf. Temari, Kankurô und Shikamaru saßen mit ihr am Abendbrottisch. Nur Gaara fehlte. Bestimmt musste er noch arbeiten. „Könnt ihr mir etwas über Deidara erzählen?“, fragte sie.

Ein Blick in die Gesichter der Anwesenden gab ihr zu verstehen, dass keiner sonderlich erpicht auf Deidara schien. Kankurô ergriff schließlich das Wort. „Er ist seit einiger Zeit Samurai unter Gaara.“ Seine Schwester fügte an: „Aber es ist nicht nur das. Da sie jetzt bei uns lebt, sollte sie auch über ihn Bescheid wissen.“

Fragend sah sie Temari an. „Was ist an dem Mann anders?“ Denn dass er eigentlich nicht hierher zu passen schien, wurde immer deutlicher.

„Er gehörte zu Akatsuki“, begann Shikamaru schließlich. „In der Schlacht gegen Orochimaru hat Akatsuki auf unserer Seite gekämpft. Deidaras Meister wurde schwer verletzt und starb. Gaara hat ihn mit allen Ehren eines Samurai hier in der Burg bestatten lassen. Ein Jahr später tauchte Deidara wieder auf und lebt seitdem hier. Gaara wollte seine Kraft und bot ihm an, ihn als Samurai in seine Dienste zu nehmen. Deidara hat zugestimmt.“

Sakura war erstaunt, was ihr gerade enthüllt wurde. Die Gerüchte, Akatsuki habe in der Schlacht gegen Orochimaru einen Beitrag geleistet, entsprachen also der Wahrheit. Überraschend war jedoch, dass der Blonde zu dieser Bande gehört hatte. Jetzt verstand sie die Aussage des Samurais. Er hatte auf Deidaras früheren Rônin-Status angespielt. Noch nie zuvor hatte sie davon gehört, dass ein Rônin wieder in die Gesellschaft zurückgekehrt war.

„Ist er denn so stark, dass er sich sowas wie heute Vormittag erlauben kann?“, fragte Sakura. Selbst wenn der Mann außergewöhnlich fähig sein sollte, sie hieß es dennoch nicht gut, dass er auf sie geschossen hatte. Talent änderte nichts. Man musste selbiges auch mit der entsprechenden Verantwortung handhaben.

„Du ahnst nicht, wie stark er ist. Ohne ihn wäre Gaara vielleicht schon tot oder von Sasuke als Geisel genommen“, erklärte Shikamaru ruhig. „Wenn er dich wirklich hätte treffen wollen, hätte er dich nicht verfehlt.“ Diese Tatsache beruhigte Sakura in keinster Weise. „Er nimmt sich jedoch zu viel heraus“, fügte er missgestimmt hinzu.

„Aber ein Mann, der auf seine eigenen Leute schießt, ist unberechenbar. Er gefährdet die Sicherheit“, gab sie ihre Gedanken preis.

Zustimmend nickte Kankurô. „Ich war dagegen, ihn in unseren Reihen aufzunehmen. Man kann nie wissen, ob er sich nicht eines Tages gegen uns wendet.“ Grübelnd schob Sakura sich etwas von dem Fisch in den Mund. Deidara war Rônin gewesen. Deswegen dieses Gefühl, er war anders. „Er wirkt nicht so, als wolle er dem Stand der Samurai wirklich gerecht werden“, meinte sie nachdem sie geschluckt hatte. „Wieso ist er dann überhaupt hier?“

Temari nahm sich ihrer Frage an. „Zuerst dachte ich, er hat sich nur darauf eingelassen, weil er Geld brauchte. Aber nun, wo er das Glasauge hat, bin ich mir nicht sicher, was ihn noch hier hält. Vielleicht das Grab seines Meisters…“ Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder ihrem Abendessen zu.

Neuerliche Verwunderung machte sich in Sakura breit. „Er hat ein Glasauge?“

Shikamaru nickte. „Sein linkes Auge ist eine Attrappe.“ Sakura kam nicht umhin, innerlich über die Treffsicherheit des Blonden zu staunen. Mit nur einem Auge konnte er so sicher mit dem Bogen umgehen? Aber nun ergab auch seine nicht vorhandene Frisur Sinn. Da er links sowieso nichts sehen konnte, musste er auch keine freie Sicht haben.

Sakura versank wieder in ihre Gedanken. Den Erzählungen zufolge schien Deidara Gaara einigermaßen treu zu sein. Aber das galt anscheinend nur für den Daimyô selbst, nicht für sein Gefolge. Dieses war ihm offensichtlich gleichgültig. Eine sonderlich gute Meinung besaß hier auch niemand von dem Blonden. Sie konnte nicht nachvollziehen, wie man einen Mann wie Deidara überhaupt in sein Gefolge aufnehmen konnte. Nur wegen seiner beachtlichen Stärke sollte man nicht die Stabilität seiner Macht riskieren.
 

Die Sonne war schon vor einer Weile untergegangen. Soeben hatte ihre Dienerin ihr berichtet, dass Gaara in seine Gemächer gegangen war. Sakura wartete noch etwas, wollte sie ihren Ehemann nicht überfallen. Eine gewisse unruhige Vorfreude wuchs in ihr. Vielleicht wurde sie ja heute endlich zu einer richtigen Frau. Sie wollte Gaara gern ein Kind schenken. Dann wäre ihre Ehe vollkommen.

Schließlich verließ Sakura ihre Privaträume und strebte zur Treppe. Zwei Wachen waren an ihrem unteren Ende postiert und versperrten ihr den Zutritt nach oben. „Verzeiht, edle Dame. Aber niemand darf hier hoch“, erklärte einer der Krieger höflich, doch pflichtbewusst. Ein langer Blick traf die Männer. „Ich bin die Gemahlin des Daimyô, keine Dienerin. Und jetzt lasst mich vorbei.“ Selbstsicher erwartete sie, dass ihr Befehl ausgeführt wurde. Sie sollte ja wohl das Recht haben, ihren Mann jederzeit aufzusuchen. Immerhin waren sie verheiratet. Die Wachen wirkten zuerst unsicher, traten aber endlich beiseite. Zufrieden erklomm sie die Treppe. Am oberen Absatz sah sie sich um. Vermutlich war die Etage wie ihre eigene aufgebaut. Also müsste sein Schlafgemach zu ihrer Linken liegen. Sie ging zur Tür und klopfte. „Gaara-san?“, rief sie.

Die Rosahaarige wartete einige Augenblicke und rief ihren Mann erneut. Doch alles blieb still. Schlief er etwas schon? Viel Zeit war noch nicht vergangen. So schnell konnte doch niemand einschlafen. „Ich komme rein“, sprach sie und schob die Tür auf. Im Vorraum zum Wohnzimmer war alles dunkel. Durch die Papierwände drang kein Schimmer einer Lampe. Hatte Gaara sich schon schlafen gelegt? „Gaara-san?“ Vorsichtig schob sie auch die zweite Tür auf und blickte in das dunkle Wohnzimmer. Eine erloschene Öllampe stand auf dem niedrigen Tisch. Langsam trat sie in den Raum hinein. Die Tür zum Schlafraum war offen. Ein Blick hinein ließ Besorgnis in ihrem Inneren aufkeimen. Hier war niemand. Die Privatgemächer des Daimyô waren verwaist. Aber ihre Dienerin hatte ihr doch gesagt, dass er hochgegangen war. Wo sollte Gaara so spät noch hingehen?

Beunruhigt verließ sie die Räume ihres Mannes. Den Wachen berichtete sie nicht von ihrer Beobachtung. Sie wollte noch keine allgemeine Panik auslösen. Aber Shikamaru konnte ihr sicherlich helfen. Der General sollte definitiv davon erfahren. Vor den Gemächern Shikamarus und seiner Frau wurde sie erneut von zwei Wachmännern aufgehalten. „Ich muss mit dem General sprechen. Es ist wichtig“, erklärte sie. Einer der Männer verschwand hinter der Tür. Wenig später kehrte er zurück und ließ sie ein. Der Mann führte sie ins Wohnzimmer. Die Tür schloss er hinter ihr. Shikamaru setzte sich soeben nur in einen Schlafyukata gekleidet an den flachen Tisch. Das Haar hing offen auf seine Schulter herab. Mit einer Geste bedeutete er ihr, sich zu setzen. Aber Sakura blieb lieber stehen. Ihr Anliegen erschien ihr zu bedeutsam, um sich gemütlich an den Tisch zu setzen.

„Was ist so dringend?“, fragte er. Seine Stimme klang rau. Vermutlich hatte er bereits geschlafen. „Verzeih, dass ich dich wecken ließ, aber ich denke, das ist wichtig. Gaara ist nicht in seinen Gemächern.“

Shikamaru hob eine Augenbraue. „Er bleibt öfters bis spät in die Nacht in seinem Arbeitszimmer“, wandte der General ein. Doch Sakura schüttelte bestimmt den Kopf. „Meine Dienerin sagte mir vor wenigen Minuten ausdrücklich, dass er in seine Gemächer gegangen ist.“ Und endlich nahm Shikamaru ihre Sorge wahr. Der Schwarzhaarige stemmte sich hoch. „Vermutlich ist er noch mal in sein Arbeitszimmer gegangen. Aber ich werde nach ihm sehen. Bitte kehre in deine Räume zurück. Ich werde dich informieren, sobald ich ihn gefunden habe.“

Verstehend nickte Sakura. „Danke.“

Auseinandersetzungen

Gaara war schockiert. Sakura gegenüber gab er sich gefasst wie immer. Aber das Gehörte beunruhigte ihn zutiefst. Er hatte angenommen, sie hätten diese Provokationen lange hinter sich gelassen. Und nun schoss Deidara auf seine Frau. Ihm war bewusst, dass der Blonde sein Ziel nicht verfehlte und folglich nicht direkt auf Sakura geschossen hatte. Aber auf diese Handlung mussten Konsequenzen folgen. Wenn er nun nicht reagierte, führte dies zu weiteren, größeren Problemen.

Der Daimyô ließ nach Deidara schicken. Seufzend erhob er sich von seinem Sitzkissen, schritt zum Fenster und sah hinaus aufs Meer. Warum machte Deidara es ihnen schwerer als es ohnehin schon war? Seine damaligen Provokationen hatte er nachvollziehen können, als der Blonde sich erklärt hatte. Aber welchen Grund sollte dieser Schuss haben? Gaara hoffte für Deidara, dass er eine verdammt gute Erklärung anbieten konnte.

Der Diener kündigte den Blonden an. „Tritt ein.“ Die Tür wurde aufgeschoben. Gaara verschloss das Fenster und wandte sich um. Deidara betrat den Raum. Noch ließ der Rotschopf nichts von seinen Gefühlen durchdringen. Erst, als die Tür wieder geschlossen war, erlaubte er sich emotionalen Freiraum.

„Was sollte das?“ Die Verärgerung sah man ihm nun deutlich an.

Deidara verdrehte sein sichtbares Auge. „Sie hatte auf dem Übungsplatz nichts verloren, hm“, erwiderte der Blonde salopp. Gaara sah das ganz und gar nicht locker. „Du hast sie bedroht, nur weil du der Meinung warst, sie hat dort nichts verloren?“ Seine Stirn legte sich missbilligend in Falten.

„Ich hab sie nicht bedroht. Ich habe meinen Schülern vorgeführt, wie man richtig zielt, hm.“ In diesem Moment verfluchte Gaara Deidaras Starrsinn. Das war schon die zweite nicht akzeptable Erklärung, die er ihm lieferte.

„Dafür hättest du eine der dafür vorgesehenen Zielscheiben nehmen können. Dir muss doch bewusst sein, wie deine sogenannte Vorführung auf alle anderen gewirkt hat?“ Gaara zweifelte nicht an Deidaras Intelligenz. Der Blonde wusste ganz genau, was er angestellt hatte. Aber hatte er auch schon an die Folgen gedacht? Interessierte er sich überhaupt für selbige?

Deidara schnaufte. „Sie lebt doch. Ich hätte schon nicht direkt auf sie gezielt. Ich weiß gar nicht, was sich alle so aufregen. Ist doch alles in Ordnung, hm“, brummte Deidara vor sich hin. Mit wenigen Schritten war Gaara direkt vor dem Blonden und sah ihn wütend an. „Nichts ist in Ordnung!“, knurrte er ungehalten. „Man erwartet von mir, dass ich dich bestrafe. Und wenn ich das nicht tue, wird man sich fragen, wieso. Andere könnten anfangen ihre Aufgaben zu vernachlässigen, weil sie denken, es würde gebilligt. Ein anderer Daimyô würde dich vermutlich hinrichten lassen. Was du getan hast, kommt einem Verrat gleich.“

Der Blonde senkte seinen Blick. Begriff er endlich, in welche Lage er ihn gebracht hatte? Doch schon im nächsten Moment konnte er wieder in das graublaue Augen sehen. Trotz fraß sich in Gaara hinein. „Versuch es doch, hm.“

So sehr er Deidara dafür liebte, dass er ihm auf gleicher Ebene begegnete, jetzt war nicht der Zeitpunkt, dies so aggressiv zu zeigen. Gaara atmete tief durch und bemühte sich, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen, bevor er sie nicht mehr halten konnte. Fahrig glitt seine Hand durch das rote Haar.

„Deidara“, begann er nun ruhiger. „Ich will das nicht. Mit einer solchen Aktion gefährdest du unsere Beziehung. Und ich kann nicht dulden, dass du meine Frau, meine Familie oder jemand anderen meiner Untergebenen bedrohst. Ich will nicht deinen Tod befehlen müssen.“ Nach einer kurzen Pause fügte der Rotschopf an: „Du wirst vorerst keinen Dienst innerhalb der Burg verrichten. Über den Rest muss ich in Ruhe nachdenken.“

Deidara erschien weiterhin uneinsichtig. Was musste er sagen oder tun, damit sein Krieger ihn verstand?

„Pah, du kennst sie doch kaum“

Es juckte Gaara in den Fingern, Deidara etwas Vernunft einzuprügeln. Aber das führte zu nichts. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Sie ist meine Frau und gehört zur Familie.“

Der Blonde verschränkte seine Arme vor der Brust. „Was würdest du tun, hätte sie das gemacht, hm?“ Gaara blinzelte. Was sollte das? Wieso fragte Deidara ihn das? Er glaubte nicht, dass Sakura zu einer solchen Aktion im Stande war.

„Es geht hier nicht darum, was Sakura tut, sondern um deine Handlungen“, erwiderte Gaara. Allmählich bekam er das Gefühl, dieses Gespräch führte momentan nur zu weiteren Verstrickungen. Doch bevor er den Blonden hinausschicken konnte, um in Ruhe über alles nachzudenken, wandte dieser sich schon von selbst um. „Sag Bescheid, wenn du wieder eine Aufgabe für mich hast.“ Kurz sah Deidara ihn über die Schulter hinweg an. „Eine richtige Aufgabe, hm.“ Mit einem Ruck schob er die Tür auf und entfernte sich.

Gaara starrte grübelnd dorthin, wo Deidara eben noch gestanden hatte. Eine richtige Aufgabe? Konnte es sein…? War dem Blonden einfach nur langweilig?
 

Bis spät abends blieb Gaara in seinem Arbeitszimmer und zerbrach sich den Kopf. Wieso sagte Deidara ihm nicht einfach, dass ihm langweilig war? Warum musste er solch eine Show aufführen? Der Blonde wusste doch, dass er ihm zuhörte und auf ihn einging. Es wäre so leicht gewesen, wäre er zu ihm gekommen und hätte ihm einfach gesagt, dass er etwas anderes machen wollte.

War es wirklich nur Langeweile? Erst vor kurzem wäre Deidara beinahe aus der Burg gestürmt, weil er von der politischen Hochzeit erfahren hatte. Sie hatten eine Lösung gefunden. Aber vielleicht war Sakura dem Blonden dennoch ein Dorn im Auge. Gaara konnte es sogar nachvollziehen. Zwar befand er sich zwischen beiden Parteien, einfacher wurde dadurch allerdings nichts. Deidara durfte nicht einfach auf Personen schießen, die er nicht leiden konnte. Wie zwischenmenschliche Probleme bei Akatsuki gelöst wurden, wusste er nicht, aber selbst dort gab es Regeln des Miteinanders, soweit er das mitbekommen hatte.

Müde vom langen Grübeln zog Gaara sich schließlich lange nach Sonnenuntergang in seine Gemächer zurück. Die unbeantworteten Fragen in seinem Kopf ließen ihm aber keine Ruhe, weswegen er sich kurzerhand dazu entschied, Deidara aufzusuchen. Er wollte noch einmal in Ruhe mit ihm reden.

Wie inzwischen üblich klopfte Gaara an dessen Tür, trat aber ohne zu warten ein und schob die Tür hinter sich zu, damit ihn niemand auf dem Flur bemerkte. Im Raum war es dunkel. Nur schemenhaft erkannte er den Blonden auf seinem Futon sitzen. Sollte er ihn geweckt haben, so ignorierte er die Tatsache ausnahmsweise. „Ich möchte mit dir reden“, erklärte Gaara leise.

„Jetzt, hm?“, brummte der Blonde. Nein, geschlafen hatte er noch nicht. Wenn der Blonde gerade aus dem Schlaf erwacht war, klang seine Stimme rauer. „Ja, jetzt.“ Langsam kam er näher und setzte sich neben Deidara. Schnaufend zog der Blonde die Beine an den Körper. Seine Unterarme fanden ihren Platz auf seinen Knien und er bettete seinen Kopf darauf. Zwischen den Abstufungen von Schatten, die Deidaras Gesicht bildeten, erfasste Gaara den Glanz seines Auges und fixierte sich darauf.

„Du langweilst dich, hab ich Recht?“ Der Rotschopf hielt es für klüger, nicht am Anfang auf Sakura und Deidaras Vorführung zu sprechen zu kommen. Vielleicht blockte der Blonde dann sofort ab. Ein zustimmendes Brummen war die Bestätigung für seine These.

„Warum hast du mir das nicht einfach gesagt?“

Deidara setzte sich etwas mehr auf und schob sich ein paar der langen Strähnen über die Schulter. „Ich…“, begann der Blonde, brach aber wieder ab. Gaara drängte ihn nicht. Ruhig wartete er, dass Deidara weiter sprach. „Keine Ahnung“, murmelte Deidara. „Ich war schon lange nicht mehr in der Situation, hm.“ Vermutlich war er an Deidaras Mangel an Herausforderungen nicht ganz unschuldig. Sie hatten schon länger nicht mehr gegeneinander gekämpft. Erst war er verletzt gewesen, dann hatten der Besuch und die Hochzeit keinen Übungskampf zugelassen. Doch er konnte den Blonden nun nicht mit einem Kampf abspeisen. Wenn er bedachte, welche Arbeit er zuvor verrichtet hatte, wurde nur allzu deutlich, dass seine jetzigen Aufgaben ihm nicht genug Raum boten, all seine Fähigkeiten einzusetzen. Die derzeitige Lage war auch nicht mit der Zeit vergleichbar, in welcher Deidara in der Burg gelebt, aber sein Angebot noch nicht angenommen hatte. Der Blonde war damals in Trauer gewesen.

„Ich werde nach einer besseren Aufgabe für dich suchen“, versprach er. Damit war das Thema aber noch nicht beendet. „Ich vermute, das ist nicht alles. Du hast ein Problem mit Sakura, oder?“ Gaaras Unterton nahm einen weicheren Klang an. Deidara zurechtweisen wollte er jetzt nicht. Das hatte er bereits getan und er hoffte, dass der Blonde begriffen hatte, wie kompliziert ihre Lage nun geworden war.

Unwillig schnaufte der Blonde. „Sie nervt, hm.“ Diese klare Aussage verwunderte Gaara doch etwas. Soweit er informiert war, hatten Deidara und Sakura heute zum ersten Mal überhaupt etwas miteinander zu tun gehabt. „Ihr kennt euch doch überhaupt nicht“, wandte Gaara ein.

„Ihr bloßer Anblick regt mich auf“, präzisierte Deidara und ließ sich nach hinten auf den Futon fallen. Gaara wusste nicht recht, was er darauf antworten könnte. Aber sein Krieger schien auch momentan keine Antwort zu erwarten. „Sie ist offiziell deine Frau… mit ihr kannst du dich immer zeigen, hm.“

Der Rotschopf sah hinab in seinen Schoß, wo seine Hände lagen. Dieses Thema war vielschichtig. Es wäre einfacher, würde er öffentlich machen, dass er mit Deidara eine Beziehung hatte. Aber er wollte die Stabilität seiner Macht nicht riskieren. Nicht bei der Bedrohung seitens Sasuke. Natürlich hatte er bereits mit dem Gedanken gespielt, was wohl passieren würde, würde sein Verhältnis zu dem Blonden rauskommen. In diesem Bezug war Gaara aber derzeit wenig risikobereit. Außerdem erschien es ihm gerade jetzt klüger, wenn nicht bekannt war, wen er wirklich liebte. Immerhin musste er jederzeit mit einem neuerlichen Angriff rechnen. Deidara war stark, natürlich. Aber niemand war unbesiegbar. Er selbst war wohl das beste Beispiel. Wurde bekannt, dass Deidara ihm wichtig war, könnte sich Sasukes Aufmerksamkeit verschieben. Vielleicht kam er dann auf die Idee, Deidara als Geisel nehmen zu wollen. Den Blonden könnte er ohne größere Folgen töten. Einen Daimyô zu töten dagegen brauchte deutlich mehr Mut und genug Macht, es anschließend mit den rachsüchtigen Hinterbliebenen und deren Verbündeten aufzunehmen. Dann kämpften nicht nur einzelne Menschen gegeneinander, sondern ganze Reiche. Aber tötete man Deidara, verletzte man ihn persönlich. Gaara wollte nicht, dass seine Schwachpunkte offen sichtbar waren.

Der Rotschopf rutschte näher und beugte sich über Deidara. Sanft strich er ihm über die Wange. „Eigentlich ist es so besser“, erklärte Gaara leise. „Mein größter Schwachpunkt liegt im Verborgenen. Und Sakura ist der Vorhang, der ihn verbirgt.“ Er empfand einfach nichts für seine Frau außer gewisser Sympathie. Letztendlich war es eine politische Verbindung.

„Mach sowas nicht noch mal“, bat er. „Ich möchte dich bei mir haben, lebend.“ Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern. Sein Gesicht schwebte wenige Zentimeter über Deidaras. Aufmerksam betrachtete er ihn, strich derweil durch das offene Haar.

„Ist gut, hm“, murmelte Deidara. Er wirkte unwillig, aber er gab nach und nur das zählte gegenwärtig. Erleichterung breitete sich in Gaara aus. Der Rotschopf hoffte, dass Deidara wirklich die Tragweite seiner Handlung verstanden hatte. Denn mit einer weiteren Aktion diesen Ausmaßes beschwor er den Untergang ihrer Beziehung herauf.

Gaara beugte sich weiter hinab und vereinte ihre Lippen schließlich. Zuerst erwiderte der Blonde die Berührung behutsam, als wolle er sich herantasten. Wenig später vergrub sich eine Hand in seinem Haar, die andere legte sich in seinen Rücken und zog Gaara ganz auf ihn hinab. Ein Schauer erfasste den Daimyô. Seine Lider senkten sich. Der Tag war aufregend genug gewesen und die vertraute Nähe zu seinem Krieger tat unheimlich gut.
 

Shikamarus erster Weg führte ihn zu Gaaras Arbeitszimmer. Doch wider Erwarten fand er den Daimyô dort nicht vor. Nachdenklich verharrte er in der Tür. Sein Blick schweifte durch das dunkle Zimmer. Gaara war nicht in seinen Gemächern und nicht in seinem Arbeitszimmer. Das war sehr ungewöhnlich. Der General kannte die Gewohnheiten des Rotschopfes. Wo sollte er um diese Uhrzeit sonst sein?

Er würde nicht ziellos durch die Burg laufen und Gaara suchen. Noch wollte Shikamaru keine allgemeine Alarmbereitschaft auslösen. Wenn nichts Ernstes war, wollte er die Krieger nicht unnötig in Aufregung versetzen.

Wo also könnte Gaara sein? Shikamaru schloss die Tür hinter sich, um nicht gestört zu werden. Die Augen schließend begann er in seinen Erinnerungen zu wühlen und alle Informationen Revue passieren zu lassen, die er über den Daimyô besaß. Mehr und mehr drängten sich die Ungereimtheiten in sein Bewusstsein, die allesamt mit Deidara im Zusammenhang standen. Shikamaru erinnerte sich an das letzte O-bon. Unauffällig hatte er Gaara beobachtet. Dieser hatte seinen Kopf an Deidaras Schulter gelehnt. Gaara hatte den Blonden gegen den Wunsch des Rates zum Samurai ernannt. Deidara war noch immer hier, obwohl er eigentlich keinen richtigen Grund hatte. Oder? Zuvor war ihm das Grab seines Meisters auch nicht wichtig genug gewesen, um es täglich zu besuchen. Deidara passte nicht hierher und der Krieger zeigte dies auch deutlich. Er wollte sich gar nicht wirklich anpassen. Seit Deidara in der Burg lebte, traf Gaara sich regelmäßig mit ihm, allein. Mit niemandem zuvor hatte der Daimyô derart engen Kontakt gehabt. Bei Gaara konnte man dies durchaus schon als engen Kontakt bezeichnen, war dieser sonst eher zurückhaltend. Gaara hatte Deidara auf die letzten Auswärtsbesuche mitgenommen, obwohl Shikamaru es als ungewiss empfand, ob man Deidara überhaupt trauen konnte. Niemand vertraute dem ehemaligen Rônin, nur Gaara. Deidara hatte den Daimyô verborgen nach dem zweiten Angriff von Sasuke. Wo er ihn versteckt hatte, wusste Shikamaru bis heute nicht. Gaara schwieg sich über dieses Detail aus. Und nun folgte die neuerliche Ungereimtheit. Deidara war bisher ohne eine Strafe davon gekommen. Lediglich aus dem Dienst innerhalb der Burg hatte Gaara ihn herausgenommen. Eigentlich war es die Aufgabe des Generals, sich um die Krieger zu kümmern. Doch Deidara war mehr Gaara direkt unterstellt als ihm. Der Blonde nahm ihn auch nicht ernst.

Shikamaru öffnete seine Augen wieder. Entschlossen verließ er das Arbeitszimmer des Daimyô und schritt Richtung Deidaras Zimmer. Alle Merkwürdigkeiten standen mit dem Krieger in Verbindung. Demnach suchte er Gaara zuerst dort. Bisher lag er selten falsch mit seinen Überlegungen.

Bei Deidaras Raum angelangt verharrte er und lauschte. Dumpf konnte er keuchende Laute vernehmen, aber nur ganz leise. Achtete man nicht darauf, würde man vermutlich nichts hören. Shikamaru hoffte, dass er mit seiner Theorie nicht Recht behielt.

Der General klopfte und augenblicklich wurde es hinter der Tür still. Kurz sah Shikamaru den Gang entlang. Er war allein. Ein Wachhabender hörte ihn also nicht. „Deidara, ich suche Gaara-sama“, sprach er gerade laut genug, um ihn im Zimmer noch zu verstehen. „Ihr wisst nicht zufällig, wo er ist?“

Es blieb vorerst ruhig. Geduldig wartete Shikamaru, konnte er sich denken, was nun geschah. Unbekleidet würde Deidara die Tür vermutlich nicht öffnen. Endlich schob sich die Tür auf. Deidara sah ihn genervt an. Nach einem Herzschlag lehnte er sich gegen den Pfeiler, der als Türrahmen diente, versperrte ihm aber mit dem Arm den Weg in sein Zimmer. Dafür sah er nun Gaara, der am Tisch saß und soeben die Öllampe entfachte. „Du störst, hm“, warf Deidara ihm respektlos an den Kopf. Nur widerwillig senkte der Blonde seinen Arm, sodass der General eintreten konnte. Hinter ihm schloss Deidara die Tür und schlurfte zum Tisch. Der Krieger ließ sich auf eines der Sitzkissen fallen. Frustriert stützte er sich auf der Tischplatte ab und bettete sein Kinn in der Handfläche.

Shikamaru ließ sich nicht auf Deidaras Provokation ein. Langsam näherte er sich. „Setz dich“, bot Gaara ihm gefasst an. Während Shikamaru der Aufforderung nachkam, erfasste er mental die Situation, die sich ihm bot. Deidaras Yukata war schlampig gebunden. Das war allerdings nicht ungewöhnlich bei dem Krieger. Musternd wanderte sein Blick weiter. Gaaras Yukata verhüllte wie immer ordentlich seinen Körper, aber das Haar war zerzaust. Auf seinen Wangen lag ein verblassender Hauch Rosa. Seine Lippen waren gerötet und glänzten feucht, ebenso wie bei Deidara. Niemand musste etwas sagen. Shikamaru wusste nun, was hinter verschlossenen Türen ablief. Jetzt ergab Gaaras Nachsichtigkeit Deidara gegenüber Sinn. Wie lange ging das schon? Lange genug definitiv. Und er hatte nichts davon bemerkt. Warum Deidara Sakura bedroht hatte, fügte sich nun auch besser ins Bild. Der Blonde erschien ihm so oft unverständlich. Aber je länger er darüber nachdachte, desto mehr glaubte er, dass er ihn schlecht einschätzen konnte, weil er seine Beweggründe nicht kannte und sie teilweise nicht den gängigen Verhaltensmustern innerhalb der Gesellschaft entsprachen. Deidara verhüllte vermutlich einen großen Teil seines Selbst in sich. Wie viel wusste Gaara über den Krieger?

„Was führt dich zu mir?“, fragte der Daimyô. Shikamaru konzentrierte sich auf das Wesentliche. „Sakura kam zu mir, weil sie dich nicht in deinen Gemächern vorfand“, erklärte er knapp. Er sprach nun vertraut mit Gaara, da er ihn als Verwandten ansprach, war die Situation, in die er geplatzt war, privater Natur.

Der Rotschopf runzelte die Stirn. „Warum war sie in meinen Gemächern?“ Es war allgemein bekannt, dass Gaara niemandem Zutritt gestattete, nur in Notfällen.

„Das kann ich dir leider nicht sagen. Aber sie machte sich Sorgen und suchte mich auf.“

Gaara gestattete sich ein Seufzen. „Hat sie sonst noch jemandem von ihrer Beobachtung erzählt?“ Je mehr davon wussten, desto komplizierter würde die gesamte Situation werden, das war Shikamaru bewusst.

„Ich denke nicht, wäre sie andernfalls nicht persönlich zu mir gekommen.“ Der Schwarzhaarige hatte nicht vor, sich in Gaaras private Angelegenheiten einzumischen. Mit wem er intim sein wollte, war seine Entscheidung. Strategisch gesehen fand Shikamaru es jedoch unklug, ausgerechnet zu Deidara ein Verhältnis aufzubauen. Nun konnte er aber zumindest nachvollziehen, warum der Blonde immer noch hier war.

„Berichte ihr, ich bin in meinem Arbeitszimmer und möchte nicht gestört werden.“ Shikamaru wagte einen zweifelnden Blick. Gaara log? Das war neu. Offensichtlich wollte er nicht, dass Sakura von der Beziehung mit Deidara erfuhr. „Ich werde es ihr ausrichten.“ Als General würde er gehorchen. Doch als Familienmitglied fände er es besser, Gaara würde nicht solche wichtigen Details verheimlichen. Dadurch entstand eine Lücke im Schutz.

„Allerdings gehst du ein Risiko ein, wenn du nachts durch die Burg schleichst und niemand weiß, wo du bist. Gelangt diese Information in die falschen Hände, könnte dies zu einem erfolgreichen Attentat führen. Gerade jetzt.“ Sasuke schreckte bestimmt nicht vor einem Attentäter zurück.

„Dann sorge dafür, dass niemand hiervon erfährt“, befahl Gaara. Der warnende Unterton wies ihn darauf hin, wie ernst dem Rotschopf die Geheimhaltung war. Shikamaru war innerlich beunruhigt. Gaara wirkte beinahe rebellisch. War das Deidaras Einfluss? „Selbstverständlich.“ Der General neigte ergeben seinen Kopf. „Es wäre jedoch sicherer für dich, bliebest du nachts in deinen Gemächern“, wandte Shikamaru ein. Ein unbemerktes Eindringen in Gaaras Schlafzimmer war unmöglich.

„Shikamaru, du weißt jetzt, wo du mich findest, wenn ich nicht in meinen Gemächern bin. Das muss reichen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu. „Und ich wünsche, dass niemand, auch nicht meine Frau, Zutritt zu meinen Räumen erhält, wenn ich es nicht ausdrücklich erlaube.“

Auch diese Anweisung würde der General in die Tat umsetzen. Aber gut hieß er das nicht. Vor Deidara wollte er jedoch keine Diskussion mit Gaara beginnen. Er würde ihn später noch einmal darauf ansprechen. Vorerst ging er loyal auf den Wunsch des Daimyô ein. „Ich werde mich darum kümmern.“

Gaaras Blick verlor nun etwas von seiner Unnachgiebigkeit. „Du kannst gehen.“

Shikamaru erhob sich. Ein letzter Blick glitt zu Deidara, der ihn amüsiert angrinste. „Schönen Abend noch, hm.“ Der Blonde machte sich in Gaaras Beisein über ihn lustig. Das war demütigend und da half auch Gaaras mahnender Blick und das leise tadelnde: „Deidara“, nicht.

Der General verbeugte sich. „Ich ziehe mich zurück“, erklärte er und verließ den Raum. Tief atmete er durch. Bedächtig setzte er sich in Bewegung. Sakuras Sorge sollte immerhin bereinigt werden. Allerdings bereitete ihm das Erfahrene Kopfzerbrechen. Er würde gern mit seiner Frau darüber sprechen, schließlich war sie Gaaras Schwester. Seiner Meinung nach handelte der Daimyô unvernünftig und das war eigentlich nicht dessen sonstige Art. Deidara übte einen schlechten Einfluss auf Gaara aus. Aber sollte er riskieren, sich dem Befehl seines Daimyô zu widersetzen?

Veränderte Verhältnisse

Deidara lenkte sein Pferd in den Geisterwald. Da er in der Burg gerade sowieso nichts zu tun hatte, wollte er die Rônin-Bande wiedersehen. Vielleicht war es auch ganz gut, dass er für ein paar Tage verschwand, damit sich die Gemüter kühlen konnten und etwas Gras über die Sache wuchs.

Sicherlich war Yahiko noch immer nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen, aber er lebte noch. Also hatte er keinen gravierenden Fehler gemacht. Der Anführer von Akatsuki sollte nicht solch ein Drama aus der Angelegenheit machen. Gaara verriet nichts. Wie sollte er auch, wenn er nicht einmal wusste, wo er gewesen war?

Deidara gelangte auf die Lichtung. Sein Pferd zügelte er und betrachtete die zwei Fremden, die nahe des Hauses trainierten. Was hatte er verpasst? Der Blonde stieg vom Pferd. Langsam näherte er sich, sein Tier trottete am Zügel neben ihm her. In angebrachter Entfernung verharrte er. Die Fremden hatten ihn inzwischen bemerkt und richteten ihre Waffen nun auf ihn. Deidaras sichtbare Augenbraue hob sich. Die Statur des Größeren war ähnlich stämmig wie bei Kisame. Deidaras Blick fiel auf dessen Waffe. Zum Training verwendete er anscheinend ein Dôtanuki, doch dieses hatte er soeben gegen ein Zanbatô[59] eingetauscht, das bis dato an der Veranda gelehnt hatte. Eine solch sperrige Waffe war äußerst unpraktisch in einem richtigen Kampf. Man brauchte viel Kraft. Mit einem Katana konnte man sich deutlich schneller bewegen. Im Vergleich zu dem großen Kerl wirkte die junge Frau sehr zierlich. Aber sie war durchaus hübsch. Zwei lange Strähnen umrahmten das weiche Gesicht. Die restlichen Haare waren hochgebunden. Konan war vermutlich glücklich über eine zweite Frau bei Akatsuki, lebte sie nun nicht mehr allein zwischen einem Haufen Männer.

„Wer bist du?“, knurrte der große Kerl ihn an.

Betont langsam legte Deidara seine Hand an den Griff seines Katana. Das Interesse war geweckt. Wie gut waren die beiden wohl im Kampf? „Hat man euch denn nichts erzählt, hm?“, hakte Deidara belustigt nach. „Dass nicht alle Mitglieder hier wohnen?“

In diesem Moment streckte Kisame seinen Kopf aus der Eingangstür. „Zabuza, Haku, wartet!“, rief er. Zügigen Schrittes trat er zu ihnen. „Legt die Waffen nieder. Das ist Deidara. Er gehört zu uns.“ Triumphierend grinste der Blonde. Seine Hand ließ vom Katana ab. Sobald die Angesprochenen ihre Waffen gesenkt hatten, kam er näher. Amüsiert musterte er vor allem den Größeren, wirkte dieser deutlich gereizter von der Situation.

„Oi, Kisame. Wie geht’s?“, fragte der Blonde.

Kisame neigte zur Begrüßung leicht den Kopf. „Gut. Du besuchst uns wieder mal? Hast Glück, Yahiko ist mit Kakuzu und Hidan weg.“

Deidara zuckte mit den Schultern. „Ist er immer noch sauer? Er soll sich nicht so anstellen, hm.“ Es war nur ein bisschen schade, dass Hidan nicht da war. Dabei hatte er extra etwas besorgt auf dem Weg hierher, um sich an ihm für die Flausen zu rächen, die er Gaara in den Kopf gesetzt hatte. Aber ganz auf seinen Spaß wollte er nicht verzichten. Von dem Pulver hatte er genug, um noch jemand anderen in eine peinliche Lage zu bringen. Und ihm fiel auch direkt eine bestimmte Person ein. Das wurde amüsant.

Kisame machte eine abwägende Handbewegung. „Mehr oder weniger. Hidan nervt zurzeit ungemein, weil er seine Frauen herschleppen will. Du hast Gaara ja auch hergebracht.“ Deidara verdrehte die Augen. „Gaara war schwer verletzt. Wie dämlich ist Hidan eigentlich, hm?“

Kisame lächelte schief. „Du kennst Hidan.“

Zustimmend brummte Deidara. Dann wandte er sich endlich den beiden Neuen zu. „Ihr habt also wieder mal wen aufgegabelt, hm?“ Kisame deutete auf den Größeren. „Das ist Momochi Zabuza. Wir haben damals unter demselben Daimyô gedient.“ Deidara grübelte. Hatte er schon mal von ihm gehört? Der Name war ihm nicht völlig unbekannt. Es gab einen Rônin, der mit einem Zanbatô kämpfte. Offensichtlich war das besagter Mann. „Und das ist seine Frau, hm?“ Deidara musterte die Schwarzhaarige. „Das sagt der Richtige“, grollte Zabuza.

Kisame schüttelte den Kopf. „Haku ist ein Mann.“

Überrascht sah er zu Itachis Partner. Das war ein Mann? Deidara näherte sich Haku und musterte die Gesichtszüge eingehend. Die braunen Augen bargen einen sanften Glanz in sich. Seine Haut wirkte sehr rein, die Nase zierlich und der Kiefer war sanft geschwungen. Haku war sogar kleiner als er. Forsch griff Deidara seinem Gegenüber in den Schritt. Entschieden schlug dieser die Hand sofort weg. „Eindeutig Mann, hm“, kommentierte der Blonde.

„Deidara… du kannst mir ruhig glauben.“ Kisame seufzte.

„Gibt es noch mehr Akatsuki-Mitglieder, die nur ab und zu vorbeikommen?“, fragte Haku an Kisame gewandt. Selbst seine Stimme war recht hell und leicht mit der einer Frau zu verwechseln. „Ich möchte nicht noch mal eine Hand zwischen meinen Beinen haben.“ Kisame verneinte, während Deidara belustigt lachte. Er spielte sicherlich auf Hidan an. Kein anderer wäre hier so dreist. „Was denn? Dass Hidan dich mit einer Frau verwechselt, ist nicht verwunderlich. Der hat sogar mich verwechselt.“

Kisame sah ihn schräg an. „Ich hoffe, Hidan färbt nicht auf dich ab.“ Abwinkend wandte der Blonde sich dem Stall zu. „Nicht mehr als früher, hm.“

Hinter sich hörte er Zabuza etwas brummen, was er aber nicht mehr verstand. „Wenn du dein Pferd auf die Weide gebracht hast, komm rein“, rief ihm Kisame noch nach.
 

Am Abend trat Deidara in die Küche. Konan war mit dem Essen beinahe fertig. Haku half ihr. Jetzt trug er sein Haar komplett offen. Der Kleine wirkte wie eine Frau. Selbst seine Bewegungen hatten eine Eleganz und Anmut an sich, die Frauen inne sein sollte. Bestimmt hatte Haku seine Wirkungsweise bereits gegen Feinde ausgespielt. Es wäre einfältig, nicht davon Gebrauch zu machen.

Deidaras Blick fiel auf das Tablett. Teeschalen und die Kanne waren bereits darauf platziert. „Ich bring den Tee schon mal rein, hm“, bot er an und nahm das Tablett in die Hände. Konan sah zu ihm. „Danke, das ist nett von dir.“ Eigentlich halfen Männer im Haushalt nicht. Aber sie waren kein normaler Haushalt. Es war nicht sonderlich unüblich, dass jemand Konan beim Kochen zur Hand ging, obwohl es sich meist um dieselben handelte. Haku hatte sich anscheinend neu dazu gesellt.

„Ist die Sitzordnung wie immer, hm?“, fragte Deidara. Jeder hatte seine eigene Teeschale, sodass er definitiv das Pulver in die richtige Schale schüttete. Aber am Tisch gab es eine gewisse Sitzordnung, die nur leicht geändert wurde, wenn nicht alle anwesend waren.

„Zabuza sitzt neben Kisame, Haku daneben.“ Deidara gab ein verstehendes Brummen von sich und brachte das Tablett ins Wohnzimmer. Also saß Zabuza regulär neben Kisame, kannten sich die beiden von früher. Oder er saß jetzt nur dort, weil Kakuzu nicht da war. Die Teeschalen verteilte er auf dem Tisch. Dann lauschte er kurz. Die Tür hatte er hinter sich geschlossen. Überraschen konnte ihn niemand. Mit einem hinterhältigen Grinsen holte er das sorgsam gefaltete Papiertütchen hervor und öffnete es. Die Hälfte vom Inhalt gab er in Itachis Teeschale. Geschwind verstaute er das Mittelchen wieder in seinem Gi. Als sei nichts gewesen, goss er nun in jede Schale Tee hinein. Vergnügt brachte er das leere Tablett in die Küche zurück.

Gemeinsam trugen sie die Speisen auf. Dann rief Konan Zabuza, Kisame und Itachi zum Abendessen herein. Entspannte Ruhe begleitete das gemeinsame Mahl. Deidara musste sich allerdings jedes Mal zusammenreißen, keinen verräterischen Laut von sich zu geben, wenn Itachi nach seiner Teeschale griff. Die alte Kräuterfrau hatte ihm gesagt, dass die Wirkung etwas Zeit brauchte, um ihre Wirkung zu entfalten. Aber da sie sich immer Zeit ließen mit dem Abendessen, war er sich recht sicher, den Anfang noch mitzukriegen.

Und tatsächlich. Sie waren gerade alle fertig und tranken noch ihren Tee, da hörte er Kisames leise Stimme an Itachi gerichtet fragen: „Alles in Ordnung?“ Deidara blickte nun auf, wie alle anderen auch. Am liebsten hätte er gelacht. Itachis Wangen waren gerötet und offensichtlich bemühte er sich, ruhig zu atmen. Aber man sah ihm die Erregung deutlich an. Um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen, schnaufte der Blonde genervt. „Was denn, schon wieder krank? Und Zetsu ist nicht da, was für ein Pech, hm.“ Gehässig grinste Deidara. Jeder wusste hier, dass er Itachi nicht leiden konnte. Wurde dieser krank, hatte er immer einen Kommentar für den Schwarzhaarigen. Und wie üblich ignorierte Itachi ihn. Ohne ein Wort erhob Itachi sich und verließ das Wohnzimmer.

Kisame sah Konan kurz ratlos an. „Ich sehe besser nach ihm.“ Sie nickte zustimmend. „Wenn du etwas brauchst, sag Bescheid.“ Deidara biss sich auf die Zungenspitze. Die mussten sich wirklich keine Sorgen um Itachi machen. Es war ja nicht so, als hätte er niemanden, der Abhilfe schaffen konnte. Kisame würde heute Nacht sicher seinen Spaß haben. Ob Itachi allerdings mit der Lust zurechtkam, über die er keine Gewalt hatte, war fraglich. Der Uchiha hatte doch immer so gern alles unter Kontrolle.
 

Die Nacht war wirklich amüsant. Noch nie zuvor hatte Deidara Itachi stöhnen hören. Manchmal hatte er sich gefragt, ob Kisame überhaupt ein Sexleben mit dem Schwarzhaarigen hatte. Vermutlich, aber sie hatten sich bisher immer bemüht, niemanden zu stören. Und jetzt waren sie lauter als er damals mit Sasori. Der Blonde empfand seinen Streich als einigermaßen angemessene Entschädigung, weil er sich noch nicht an Hidan rächen konnte. Der Silberhaarige mit einem Aphrodisiakum, aber ohne Möglichkeit, die angestaute Lust abzubauen, wäre die Krönung gewesen. Dann hätte Hidan, der sich so viel auf seine Weibergeschichten einbildete und sich immer über Sasori und ihn beschwert hatte, selbst Hand anlegen müssen. Nun den ach so gefassten Uchiha seine Beherrschung verlieren zu hören, war eine ähnlich amüsante Genugtuung.

Grinsend stopfte er sich Stofffetzen in die Ohren und drehte sich auf dem Futon um. Schließlich wollte er noch etwas schlafen. Seine letzten Gedanken huschten zu seinem Rotschopf. Vielleicht sollte er das Zeug auch irgendwann mal mit Gaara probieren. Dann aber wissentlich. Deidara war schon daran interessiert, wie es sich anfühlte.
 

Am nächsten Morgen konnte Deidara sich das Lachen wirklich nicht mehr verkneifen, als Itachi sich zu ihnen an den Tisch setzte. Kisame wirkte bereits übermüdet von der offensichtlich langen Nacht. Aber Itachi sah einfach nur fertig aus. Und er lief etwas steif. „Wie lang habt ihr’s getrieben, hm?“, fragte Deidara. „Seid froh, dass Hidan nicht da ist. Der hätte sich auf euch gestürzt.“

Der böse Blick, der ihn traf, war überraschend. Bisher hatte Itachi ihn fast immer einfach ignoriert. Aber der Schwarzhaarige war nicht dumm. Wenn man eins und eins zusammenzählen konnte, war klar, wer das Zeug mitgebracht und ihm untergejubelt hatte. Deidara störte sich nicht daran, Itachis Zorn möglicherweise geweckt zu haben. Er beachtete ihn endlich. Das war es ihm wert gewesen.

Konan räusperte sich. „Ich hoffe, das wird keine Gewohnheit.“

Itachi schwieg sich wie meist aus, während Kisame den Kopf schüttelte. „Nein, keine Sorge.“

„Hoffentlich“, brummte Zabuza. Da hatte wohl jemand die Nacht wach gelegen. Mit Stofffetzen in den Ohren schlief es sich dagegen wirklich angenehm. Warum Hidan das nie gemacht hatte. Vermutlich, weil er sich beschweren wollte, fand er es unfair, wenn sich manche im Versteck vergnügen konnten, während er außerhalb seinen Leidenschaften nachgehen musste. Kakuzu nahm auf ihn schließlich wenig Rücksicht.

Nach dem Frühstück fragte Kisame ihn, ob sie die Pferde zusammen versorgen wollten. Deidara war klar, dass der Ältere mit ihm reden wollte. Dieses Mal drehte der Spieß sich um. Bisher hatte Deidara immer danach gefragt, wenn er einen Rat von ihm gewollt hatte.

Kaum waren sie im Stall, begann Kisame ohne Umschweife. „Deidara, ich muss mit dir reden.“ Während der Blonde das Heu verteilte, wartete er, was folgen würde. „Du kannst nicht einfach anderen ohne ihr Wissen ein Aphrodisiakum untermischen.“ Dreist grinste der Blonde. „Du kannst mir nicht erzählen, dass es dir nicht gefallen hat. Im ganzen Haus hat man euch gehört.“

Kisame brummte. „Es war… unbeschreiblich“, murmelte er. „Aber ohne das Wissen der betreffenden Person war es trotzdem nicht in Ordnung. Du machst dir damit selbst nur Probleme.“ Deidara zuckte mit den Schultern. „Ist dem feinen Herrn Uchiha aufgefallen, dass ich existiere, hm?“, hakte er abfällig nach.

Tief seufzte Kisame. „Ich weiß, du hast ein Problem mit Itachi, aber lass das in Zukunft trotzdem sein. Wir müssen uns nicht untereinander das Leben schwer machen.“

Deidara stemmte die Mistgabel in den Boden und sah Kisame zweifelnd an. „Wann ist Akatsuki zu einem Haufen Weicheiern verkommen, hm?“ Genervt knallte er die Mistgabel gegen die Wand, an der sie normalerweise lehnte und marschierte aus dem Stall. Das war ja nicht zum Aushalten. Nirgendwo wurde ein bisschen Risiko noch geschätzt. Konan war schwanger und aus Akatsuki wurde eine langweilige Großfamilie.

Eine Hand packte Deidara unvermittelt am Hals und zerrte ihn um die Ecke. Schwarze Augen bohrten sich in ihn. Hart drückte Itachi ihn gegen die Stallwand. Der Druck seiner Finger war schmerzhaft. Aber noch wehrte Deidara sich nicht. Dafür war er zu neugierig, was der Schwarzhaarige vorhatte. Dafür, dass er eine harte Nacht hinter sich hatte, schien noch recht viel Kraft in ihm zu sein. „Wage es nie wieder, mir irgendwas in meine Nahrung zu mischen.“ Itachis Stimme war wie immer leise, doch der Unterton gefror einem das Blut in den Adern. Ein eisiger Schauer durchzog Deidara. Frech grinste er. Das war nach seinem Geschmack. Mit einer flinken Bewegung befreite er sich aus dem Griff. Itachi ließ es zu. „Abwarten, Uchiha-sama, hm“, erwiderte Deidara und verbeugte sich spöttisch vor ihm. Absichtlich nannte er nun Itachis Nachnamen und hing auch noch die Respektsbekundung dran. Doch sein höhnischer Tonfall strafte die höfliche Anrede eine Lüge. Vielmehr hatte Deidara eine Basis erschaffen, um von Itachi beachtet zu werden. Und das war dem Blonden sehr viel wert. Ob Itachi ihn leiden konnte, war ihm egal. Man konnte sich auch leidenschaftlich hassen. Dann wurde es immerhin nicht langweilig.

____________________________

[59]Zanbatô: Zabuzas Schwert: ein sogenannter „Pferdeschlächter“

Mangel an Herausforderungen

Nach ein paar Tagen kehrte Yahiko mit Kakuzu und Hidan zurück. Für Deidara ein Segen, denn Hidan hatte nichts Besseres zu tun, als sich mit ihm prügeln zu wollen. Er war immer noch sauer, weil er Gaara mitgebracht hatte und wollte partout nicht begreifen, dass er dies aus einem guten Grund getan hatte. Umso besser für ihn. Denn endlich konnte Deidara wieder mit seinem Kampfstab ohne Rücksicht auf Verluste auf Hidan einschlagen. Der Silberhaarige genoss ihre Kämpfe ebenso wie der Blonde, auch wenn es immer noch eher ein sinnloses Eindreschen auf Hidan war, aber Deidara tat das gut. Und Hidan störte sich nicht an blauen Flecken und Prellungen.

Von seinem Plan ließ Deidara trotzdem nicht ab. Er mischte Hidan das Aphrodisiakum in den Tee. Natürlich hätte er es geschickter anstellen können, sodass niemand davon erfuhr. Allerdings wäre das doch langweilig. Überdies war es lustig, wie Hidan fluchend vom Tisch aufsprang und das Wohnzimmer mit rotem Kopf verließ. Die einzigen, die begriffen, was geschehen war, waren Kisame und Itachi. Der Schwarzhaarige testete offenbar einmal mehr seinen bösen Blick an ihm, während Kisame mahnend zu ihm sah. Wortlos schüttelte der Blauhaarige leicht den Kopf.

Yahiko blieb die stille Kommunikation nicht verborgen. „Was ist hier los?“, fragte er. „Deidara hat Hidan Aphrodisiakum untergemischt.“ Itachis Stimme war wie immer monoton, aber dass er nun zur Petze wurde, machte die Situation noch amüsanter.

Graue Augen erfassten ihn. „Ist das wahr?“ Deidara grinste nur und zuckte mit den Schultern. „Ist es“, bestätigte Itachi. Mit einem vielsagenden Grinsen sah er zu dem Schwarzhaarigen. „Du musst es ja wissen, nicht wahr?“ Itachis Miene verfinsterte sich noch weiter. Ja, das gefiel Deidara.

„Deidara, ich muss nach dem Essen mit dir reden.“ Genervt verdrehte der Blonde die Augen. Was wollte er ihm bitte sagen? Dass er niemandem ein kleines Lustmittel in den Tee kippen sollte? Glaubte Yahiko, das wusste er nicht? Genau deswegen tat der Blonde es doch.
 

Gelangweilt legte Deidara seinen Kopf auf dem Tisch ab, während die anderen den Raum verließen. Nur noch Yahiko saß auf seinem üblichen Platz und wartete, bis die Tür geschlossen und sie alleine waren. „Das kann so nicht weitergehen. Erst bringst du Gaara her, obwohl du genau weißt, dass niemand von unserem Versteck erfahren soll. Jetzt verabreichst du Hidan irgendwelche Mittel. Was kommt als nächstes?“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Du entwickelst dich zu einer Gefahr für Akatsuki.“

Der Blonde stützte seinen Kopf nachlässig auf seine Hand. „Welche Gefahr? Gaara schweigt und ein Aphrodisiakum ist nun wirklich nicht gefährlich, hm“, erwiderte er.

Yahiko rieb sich die Nasenwurzel. Da war wohl jemand gereizt. „Was hast du für ein Problem? Früher hast du uns auch keinen Schaden zugefügt! Das kann so nicht weitergehen.“

Spielte er etwa auf die Zeit mit Sasori an? Da hatte Deidara auch genug Herausforderungen gehabt. Jetzt musste er sie selbst initiieren, damit das Leben nicht eintönig wurde. „Und was willst du tun, hm?“, fragte Deidara herausfordernd nach. „Mich rausschmeißen? Oder umbringen lassen von einem der anderen? Itachi hätte sicherlich Vergnügen daran, wenn er es überhaupt schafft, hm.“ Abwartend betrachtete er Yahiko.

Einige Augenblicke geschah nichts, dann erhob Yahiko sich und packte ihn am Kragen, zerrte ihn durch den Flur und zur Eingangstür. Schwungvoll schubste er ihn hinaus. „Du schläfst im Stall und wirst kein Essen von Konan bekommen. Denk über dein Verhalten nach. Du kannst zu mir kommen, wenn du weißt, was du falsch gemacht hast.“

Deidara verschränkte die Arme vor der Brust. Störrisch erwiderte er Yahikos Blick, bis dieser die Eingangstür schloss und er allein im Dunkeln zurück blieb. „Pah, als ob du mich bestrafen könntest, hm“, murmelte Deidara vor sich hin. Yahikos Strafe interessierte ihn nicht. Als ob es ihm etwas ausmachte, im Stall oder unter freiem Himmel zu schlafen. Selbst Nahrung konnte er sich alleine beschaffen. Sasori hatte ihn ausgebildet. Was glaubte Yahiko eigentlich, wen er vor sich hatte?

Dennoch nervte ihn das alles ungemein. Mürrisch trottete er zum Stall und lehnte sich gegen das Gatter, welches die Box eingrenzte. Da es dunkel war, sah er nur Schemen von seinem Tier. Langsam kam es näher und schnupperte an ihm. Leise seufzte der Blonde. Er hob eine Hand und strich durch das warme Fell am Hals. Wenigstens sein Pferd war hier.

Deidara vermisste Gaara. Aber er hatte die Burg verlassen, um den steifen Regeln für kurze Zeit zu entkommen und damit Gras über die Sache mit Sakura wuchs. Und nun ging es hier weiter. Er mochte die anderen Rônin, die meisten zumindest. Aber es war einfach nicht mehr dasselbe wie früher. Da er nicht mehr hier wohnte, bekam er logischerweise auch keine Aufträge. Sasori war nicht mehr da, der wusste, wie man ihn beschäftigen konnte und was in ihm vorging. Herausforderungen waren rar geworden. Wie Zetsu immer all diese wunderbaren Aufträge beschaffte, behielt der Spion für sich. Deidara konnte sich also nicht einfach selbst auf die Suche nach einer passenden Aufgabe machen. Zudem durfte er nicht gegen Gaaras Untergebene vorgehen, hatte er zugesagt, das nicht mehr zu tun. Er müsste Shikoku verlassen. Aber dann war er wieder allein. Deidara genoss die Zeit mit Gaara. Nach ein paar Tagen vermisste er ihn ja bereits. Sasori war immer bei ihm gewesen. Mit dem Daimyô wäre das nie möglich. Erneut verließ ein Seufzen eine Lippen. Deidara trat in die Box. Dort setzte er sich ins Stroh und lehnte sich gegen die Trennwand. Warmer Atem wurde ihm ins Haar geblasen. Vorsichtig spürte er die weichen Lippen des Pferdes. Aber es ließ schnell wieder von seinem Haar ab.

Das Tier nahm ihn einfach, wie er war. Keine Strafen oder Maßregelungen. Wieso glaubte Yahiko, er würde seine Strafen akzeptieren? Der Anführer von Akatsuki war nicht sein Meister. Als ob jeder ihn einfach rumschubsen könne, wie es ihm beliebte.
 

Am nächsten Morgen holte Deidara seine Waffen aus dem Haus und zog sich in den Wald zurück. Er sollte sich sein Essen selbst beschaffen, also bitte. Das war kein Problem für ihn. Aber so profitierte auch niemand von Akatsuki von seinen Jagdkünsten und er aß das zarte Kaninchen ganz allein, nachdem er es über dem Feuer gebraten hatte. Ein paar Waldbeeren und frisches Wasser aus dem Fluss rundeten seine Mahlzeit ab.

Nachdenklich saß er am Gewässer und beobachtete das ruhig dahinfließende Wasser. Ob er nach Matsuyama zurückkehren sollte? Was brachte es momentan, hier zu bleiben? Eine Aufgabe bekam er doch nicht. Aber einfach umher ziehen und Streit provozieren war auch nicht das Wahre. Deidara wollte eine richtige Aufgabe, als Krieger. Seine Natur war nun einmal das Kämpfen. Frieden gut und schön, aber dann war er arbeitslos.

Mürrisch schulterte er seinen Bogen und den Köcher mit den Pfeilen, deckte das heruntergebrannte Feuer ab und kehrte gemächlich zum Anwesen zurück. Kakuzu wusch seine Wäsche. Kisame trainierte mit Zabuza, während Haku zuschaute. Die anderen sah er nicht. Langsam näherte er sich. Vielleicht könnte er gegen Haku kämpfen. Irgendwas musste der Zwerg doch können. Bevor er ihn allerdings fragen konnte, unterbrachen Kisame und Zabuza ihren Kampf.

„Deidara. Kann ich mit dir reden?“, fragte Kisame. Der nächste, der ihm erzählen wollte, dass er Mist gebaut hatte? Allmählich ging ihm das wirklich auf die Nerven. Seine Laune sank noch weiter. Er brummte nur und wandte sich Richtung Weide. Wenn Kisame unbedingt mit ihm reden wollte, musste er ihm schon folgen. Schwere Schritte hinter ihm teilten ihm genau das mit.

Am Weidenzaun angelangt, setzte er sich einfach auf die Latten. Sein Blick fiel auf die grasenden Pferde. Kisame lehnte sich neben ihn gegen den Zaun. Aus dem Augenwinkel sah er ihn, aber er zog es vor, die Pferde zu beobachten.

„Was ist los?“, fragte der Ältere.

„Was soll los sein?“, brummte Deidara. „Alles in Ordnung, hm.“ Er war wenig gewillt, seine Probleme von Akatsuki auseinandernehmen zu lassen.

„Das glaube ich dir nicht. Wir kennen dich schon recht lange. Irgendwas ist nicht in Ordnung. Wir machen uns Sorgen.“ Bis auf Itachi, dachte er abfällig. Doch er schwieg. Das war sein Problem, nicht das der anderen.

„Gaara hat geheiratet?“ Unwirsch sah er Kisame an. „Das wisst ihr doch sowieso schon, wieso fragst du überhaupt noch, hm?“ Als ob Zetsu ihnen von der Hochzeit nicht längst berichtet hätte.

Ernst sah der Größere ihn an. „Ist es das? Bist du deswegen ausgerechnet jetzt zurückgekommen?“ Die Schlussfolgerung war vermutlich gar nicht so abwegig. Deidara sah wieder zu den Pferden. „Wenn du es genau wissen willst, haben Gaara und ich vor der Hochzeit mit Sakura geheiratet… allerdings ohne Zeugen. Niemand weiß sonst davon. Du kannst dir sicher vorstellen, was in der Burg passieren würde, käme das raus.“ Ein paar Herzschläge schwieg Deidara, dann entschied er sich, Kisame den Grund seines Hierseins zu erklären. „Ich habe an Sakura vorbeigeschossen, weil sie mir auf die Nerven geht. Gaara musste mich aus dem Dienst in der Burg nehmen.“

Hörbar atmete Kisame aus. „Deine Probleme hier sind also nicht die ersten“, fasste er zusammen. „Es hat demnach nicht direkt etwas mit uns zu tun.“ Kisames taktvolle Art in Ehren, aber Deidara war einfach gereizt. Zornig wandte er sich ihm zu. „Spar dir dein Herantasten. Mir ist langweilig, kapiert?“, fuhr er ihn an. „Nichts passiert. Den ganzen Tag nur Wache halten und irgendwelchen untalentierten Bengeln zeigen, wie man den Bogen richtig benutzt. Und hier ist es auch nicht besser, hm!“

Deidara sprang vom Zaun und lief eilig zu seinem Pferd. Kisame rief ihm noch nach, aber er ignorierte ihn. Der Blonde wollte jetzt seine Ruhe haben. Er sprang auf den Rücken seines Tieres. Die Hände griffen in die Mähne, um besseren Halt zu haben. Unnachgiebig bohrten sich seine Fersen in die Flanken und er trieb sein Pferd auf den Zaun zu. Es war überhaupt kein Thema, ohne jegliche Hilfsmittel zu reiten. Sasori hatte ihn auch das gelehrt, es könnte irgendwann wichtig sein. Jetzt zum Beispiel. Das Pferd überwand den Zaun mühelos und galoppierte mit Deidara auf dem Rücken in den Wald. Momentan ging ihm einfach alles auf die Nerven.

Alte Verhaltensmuster

Kisame beunruhigte Deidaras Verhalten sehr. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr bekam er den Eindruck, der Blonde trug eine selbstzerstörerische Ader in sich. Dachte er an die Vergangenheit, wurde es umso deutlicher. Nach dem großen Streit mit Sasori damals hatte er sich immer weiter angetrieben, obwohl er an seine Grenzen stieß. Die jetzige Situation war zwar anders, aber das Ergebnis dasselbe. Er fügte sich selbst Schaden zu, aber nicht nur sich selbst, auch den Menschen in seiner Umgebung. Und dieses Mal war anscheinend niemand mehr in der Lage, Deidara davon abzubringen.

Strafen wirkten bei dem Blonden nicht. Auf Sasori hatte Deidara gehört, aber dessen Meister war tot. Außerdem glaubte Kisame, dass Yahikos Strafen derzeit das Gegenteil von dem bewirkten, was er anstrebte. Unter den Rônin war Gaaras Hochzeit mit der Frau vom Môri-Clan bekannt. Aber niemand hatte sich Gedanken um Deidara gemacht, was in ihm vorgehen musste, obwohl sie inzwischen alle von seiner Schwäche für den Daimyô wussten.

Zu der emotionalen Last kam die Langeweile. Deidara war schon immer recht risikobereit und an jeder Herausforderung interessiert gewesen. Bei Akatsuki gab es regelmäßig Missionen, die für etwas Nervenkitzel sorgten. Aber als Samurai in einer Burg konnte es eintönig werden, gerade für einen Menschen wie Deidara, der für den Kampf geboren schien.

Vielleicht konnte er Yahiko für die Probleme des Blonden sensibilisieren. Er mochte Deidara. Möglicherweise fanden sie eine Lösung, zumindest für Deidaras Mangel an Abwechslung.

Nach dem Abendessen bat Kisame den Anführer von Akatsuki um ein Gespräch. „Was gibt es?“, fragte Yahiko, sobald sie allein im Wohnzimmer saßen. „Ich mache mir Sorgen um Deidara“, begann Kisame ruhig. „Er schadet momentan denen, die ihm nahe stehen, und sich selbst.“ Abwartend betrachtete der Orangehaarige ihn. Yahiko wollte zuerst genauere Erläuterungen, bevor er sich zu dem Thema äußerte.

„Ich habe vorhin mit ihm gesprochen. Gibt es keine Möglichkeit, ihn in Aufträge zu involvieren? Als Samurai gibt es für ihn derzeit wenig zu tun.“

Yahiko zog seine Augenbrauen zusammen. „Wie du gerade selbst erwähntest, schadet er sowohl sich selbst als auch seiner Umgebung. Zum einen ist es kompliziert, ihn in Aufträge zu einzubeziehen, da er meistens nicht hier ist, zum anderen kann ich mir momentan nicht sicher sein, was er als nächstes tut. Hinzu kommt, dass er Befehle missachtet. Deidara sollte allmählich reif genug sein, sich über sein Verhalten im Klaren zu sein und welche Auswirkung es haben kann.“

So einfach war es leider nicht. „Ich denke, er weiß sehr wohl, was er tut.“

Ruhig wie meist betrachtete Yahiko ihn. „Wieso tut er es dann?“ Wie sollte Kisame diese Frage beantworten? Er kannte Deidaras Inneres nicht. „Das weiß ich nicht. Aber ihm ist langweilig.“

Eine Augenbraue zuckte leicht. „Das hätte er auch einfach sagen können. Es ändert leider nichts daran, dass er endlich lernen sollte, sich mehr einzufügen. Sasori mag ihn vieles gelehrt haben, aber seien wir ehrlich. Sasori war unsozial. Und das hat er an seinen Schüler weitergegeben.“

Kisame schüttelte den Kopf. „Deidara ist vielleicht ungeschickt, aber nicht unsozial. Ich denke, er hat mehr als nur das eine Problem.“ Wäre es nur die Langweile, hätte Deidara vielleicht etwas gesagt, oder? Manchmal war es wirklich schwer, den Blonden einzuschätzen. Seine Handlungen wirkten teilweise spontan und nicht durchdacht, dann aber wieder schien er sich genau bewusst zu sein, was er tat und dachte weit voraus.

„Zetsu hat uns doch berichtet, dass Gaara geheiratet hat. Deidara hat aber weiterhin eine Beziehung zu Gaara. Sie haben vor der Hochzeit mit der Môri-Frau heimlich geheiratet. Das ist sicher nicht leicht für ihn.“

Überraschung zeigte sich in den grauen Augen ihres Anführers. Eine Hochzeit unter Männern war noch nie bekannt geworden. Nichtsdestotrotz machte dieser Bund eine ernsthafte Beziehung zwischen Deidara und dem Daimyô deutlich.

„Deidara wusste, auf wen er sich einlässt. Als Daimyô muss Gaara eine Frau ehelichen und Erben zeugen“, gab Yahiko weiterhin relativ ungerührt zurück. Das mochte stimmen. Aber Gefühle ließen sich nicht von der Logik in Schach halten.

„Wie würdest du dich fühlen, wenn Konan einen anderen Mann heiraten müsste, weil ihr Stand das vorschreibt, ihr beide aber weiterhin zusammen sein wollt?“, fragte Kisame hypothetisch. Yahiko war derzeit noch besorgter um seine Frau als zuvor, was zweifellos an ihrer Schwangerschaft lag. Er wollte sie und das ungeborene Kind beschützen. Dennoch durfte er nicht blind werden für die Belange der anderen Rônin von Akatsuki. Als Anführer hatte er eine gewisse Verantwortung für die Bande, selbst für Deidara.

Yahikos Blick verhärtete sich augenblicklich. „Ich würde ihn töten wollen“, grollte er leise. Langsam wechselte die harte Miene zu Nachdenklichkeit. Kisame wartete geduldig. Begriff Yahiko allmählich die Tragweite der Situation? Würde Deidara die Frau wirklich töten, würde er mindestens verbannt werden aus der Burg. Gaara müsste eine andere Frau ehelichen und ihre Beziehung wäre noch weitaus komplizierter. Also musste Deidara die Ehefrau ertragen, während diese öffentlich an Gaaras Seite stand, während er nur den Status eines Kriegers des Daimyô innehatte. Es ging letztendlich nicht darum, dass Deidara einen anderen Partner hätte wählen sollen. Gefühle waren nicht derartig kontrollierbar. Vielmehr war es relevant, mit den Schwierigkeiten zurecht zu kommen. Und als Gruppe sollten sie zusammenhalten und sich gegenseitig Rückhalt geben, schließlich hatten die Rônin nur einander. Aber dieser Rückhalt wurde Deidara momentan verwehrt und er versuchte die Bürde komplett allein zu stemmen.

Schwer seufzte Yahiko. „Ich rede morgen mit ihm.“ Kisame neigte leicht den Kopf. Das hatte er erreichen wollen. „Aber dennoch sollte er über seine Probleme reden, anstatt sie an uns auszulassen“, brummte Yahiko, während er sich erhob und das Wohnzimmer verließ. Leider musste Kisame ihm bei Letzterem Recht geben. Deidara hätte einfach mit ihnen reden sollen. Allerdings verstand er auch, dass er es nicht einfach getan hatte. Als Mann wollte er seine Probleme allein bewältigen und nicht um Hilfe bitten oder zugeben müssen, Schwierigkeiten mit der Handhabung der eigenen Gefühle zu haben.
 

Bis auf Yahiko und Zetsu saßen bereits alle am Frühstückstisch. Wie üblich war der Spion unterwegs. Ihr Anführer sprach vermutlich gerade mit Deidara, nahm Kisame an. Konan verteilte gerade den Reis auf die Schalen, als ihr Mann in den Raum trat und sich auf seinen Platz setzte. Er kam allein.

„Deidara ist weg“, sprach Yahiko ruhig.

„Ach, der rennt sicher nur wieder im Wald herum“, erwiderte Hidan. Hungrig nahm er Konan seine Reisschale ab. Yahiko schüttelte den Kopf. „Seine Sachen sind weg, ebenso Zaumzeug, Sattel und Pferd.“ Kaum hörbar seufzte Kisame. Also war Deidara in der Nacht abgehauen, wieder einmal. Konnte Deidara nicht einmal etwas warten, anstatt gleich eine Entscheidung zu fällen und loszurennen? Es war genauso wie damals nach Sasoris Tod. Ohne ein Wort war der Blonde verschwunden.

„Du hättest nicht so hart zu ihm sein sollen“, tadelte Konan ihren Mann. Dieser schwieg dazu. Unrecht hatte sie nicht, aber Yahiko hatte mit Deidara reden wollen. Leider war es nun vorerst zu spät. Kisame hoffte, dass der Blonde nicht wieder irgendeine Dummheit machte.
 

Deidara ließ sein Pferd mehr oder weniger Richtung Matsuyama trotten. Auf den Weg achtete er nur gelegentlich. Es bestand kein Grund zur Eile. Wenn sein Pferd eben falsch abbog, korrigierte er irgendwann die Richtung. Er musste schließlich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Burg sein. Sicherlich rechnete Gaara nicht einmal jetzt schon wieder mit ihm.

Deidara hatte geplant, länger bei Akatsuki zu bleiben als nur ein paar Tage. Er hatte sich wirklich auf die Bande gefreut. Doch seine Freude war sehr schnell umgeschlagen. Mehr und mehr hatte ihn dort alles gereizt. Er war sich nicht einmal sicher, warum er so genervt von ihnen war. Aber er sah keinen Sinn darin, länger im Geisterwald zu bleiben, sich Vorschriften machen und seine Beziehung auseinanderpflücken zu lassen. Akatsuki konnte ihm sowieso nicht helfen. Er musste allein mit Sakura fertig werden. Das war seine Angelegenheit.

Die Langeweile hätte die Bande ändern können. Aber das hatte nicht funktioniert, wie er sich das gedacht hatte. Dieser Fehlschlag gesellte sich zu dem Knäul an Zorn in seinem Inneren. Früher war alles so einfach gewesen. Sasori war sein Meister gewesen. Er hatte entschieden, was getan wurde und wo sie hingingen. Deidara bereute nicht, eine Beziehung zu Gaara aufgebaut zu haben. Er vermisste ihn gerade sehr. Aber genauso sehnte er sich nach seinem Meister. Die Umstände waren so viel verworrener. Es gab kein klares Ja oder Nein mehr. Die Grenzen verschwammen. Das Schlimmste daran war, dass er kein Ventil hatte, nichts, worauf er all seine Konzentration fokussieren konnte, wo all seine Fähigkeiten verlangt wurden, um die Situation zu meistern. Deidara wollte endlich wieder einmal richtig kämpfen. Ein Kampf auf Leben und Tod wäre herrlich. Verdammt, er war Krieger! Kein fetter Verwalter, dessen einzige Sorge eine schlechte Ernte war.

Ein Tropfen traf seine Hand, ein weiterer seine Wange. Mürrisch sah Deidara in den Himmel hinauf. Graue Wolken boten einen tristen Anblick. Genervt schnaufte er. Jetzt fing es auch noch an zu regnen. Seine Laune sank noch tiefer.

Unbeirrt ritt Deidara weiter. Der Regen nahm zu, durchnässte sein Haar und seine Kleidung. Nicht lange und der Stoff klebte unangenehm an der Haut. Schwer hingen die hellen Strähnen über seine Schulter. Selbst wenn Deidara hätte Schutz suchen wollen, weit und breit war nur Wiese. Die paar mickrigen Bäume, die er in einiger Entfernung undeutlich durch den Regenvorhang erkennen konnte, boten keinen Schutz. Außerdem war es sowieso zu spät.

Deidaras Stimmung fügte sich wunderbar in die beginnende Regenzeit. Grau, rastlos, verschwommen, unangenehm.

Pläne im Verborgenen

Der Blick aus den schlangengleichen Augen wanderte musternd über die Knieenden. Er war stolz auf seine Schützlinge. Allesamt Waisenkinder. Er hatte sie von der Straße geholt, ihnen ein neues Leben ermöglicht, ihnen eine neue Aufgabe gegeben und eine Chance, sich einen guten Platz in seinem Gefolge zu verdienen. Sie hatten Kleidung und Nahrung von ihm erhalten, sowie eine erstklassige Ausbildung. Dafür waren sie ihm treu ergeben. Im Gegensatz zu einem Samurai, der neben seinem Daimyô auch seiner Familie gegenüber eine Verpflichtung hatte, waren seine Untergebenen ihm bedingungslos ergeben. Er könnte ihnen alles befehlen und sie würden seinen Befehl ohne zu zögern ausführen.

Nur auf diese Weise war es Orochimaru bis jetzt gelungen, unentdeckt zu bleiben. Ohne Kabuto wäre er vielleicht nicht mehr am Leben. Sein engster Vertrauter hatte ihn aus den Trümmern befreit, seine Verletzungen versorgt und ihn versteckt. Nach einem geeigneten Nachfolger hatte er gesucht. Der junge Uchiha-Sprössling war perfekt. Er sann auf Rache an seinem älteren Bruder, der zu Akatsuki gehörte. Doch Akatsuki stand unter dem Schutz von Gaara. Allerdings hatte die Bande sich viele Feinde gemacht. Hinterbliebene ihrer Opfer sannen auf Rache. Einige dieser Rachesuchenden gehörte zu seinem Gefolge, weitere hatte Sasuke bei seinen Streifzügen gefunden und für sich gewonnen.

Sasuke war leicht zu manipulieren. Nur etwas ungeduldig war der junge Mann noch. Aber allmählich lernte er, seinen Gedankengängen zu folgen. Ihr Plan, Gaara zu entführen und auf diesem Wege Akatsuki von Shikoku zu vertreiben, um sie leichter angreifen zu können, war gescheitert. Kabutos Tod war sehr bedauerlich. Aber Orochimaru war noch lange nicht am Ende mit seinen Plänen. Es war nur eine Frage der Zeit. Er wollte immer noch ein vereintes Japan erschaffen. Doch dazu musste er erst die anderen Daimyô stürzen. Durch Shikoku hatten die anderen Reiche wieder Mut geschöpft. Wurde Shikoku besiegt, war die Übernahme der restlichen Fürstentümer ein Kinderspiel.

Zuerst wollte Orochimaru jedoch Akatsuki aus dem Weg räumen.

„Anko, Sai, Shin“, begann er mit wohlwollender Stimme. „Ihr erhaltet eine besondere Mission. Geht nach Matsuyama und stiftet Unruhe. Führt die Samurai von Gaara an der Nase herum, provoziert sie, gebt ihnen das Gefühl, machtlos wie Kinder zu sein. Irgendwann wird Gaara sich an Akatsuki wenden müssen. Doch seid vorsichtig. Er hat einen ehemaligen Akatsuki in seinem Gefolge. Ein blonder Mann namens Deidara. Mit ihm tut ihr dasselbe wie mit Gaaras anderen Kriegern. Bringt ihn aber nicht um. Diese Ehre gehört Karin.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Sobald Akatsuki aktiv wird, verschwindet ihr und folgt ihnen. Findet ihr Versteck heraus und brennt es nieder.“

Ein triumphierendes Lächeln umspielte Orochimarus dünne Lippen. Mit Feuer trieb man Ratten aus ihrem Versteck. Sicherlich erinnerte Akatsuki sich noch sehr genau an damals. Die Rônin-Bande fiel deutlich mehr auf, wenn sie komplett in Erscheinung trat. Ohne Rückzugsmöglichkeit war es deutlich leichter, sie anzugreifen.

„Wartet auf einen geeigneten Augenblick. Bis auf Itachi dürft ihr jeden umbringen. Aber achtet auf ihren Spion. Er darf euch nicht bemerken.“

War Akatsuki erst einmal aus dem Weg geräumt, konnte er sich in aller Ruhe Gaara zuwenden. Der kleine Bengel war clever, sich ausgerechnet eine Môri-Braut zu nehmen. Sasuke hatte auf sein Geheiß den Versuch unternommen, ihm Sakura streitig zu machen, um das Bündnis zu verhindern. Daran waren sie gescheitert. Aber auch das war kein vernichtender Rückschlag.

„Und nun geht“, wies er Anko, Sai und Shin an. Ergeben verneigten sie sich vor ihm. „Wie Ihr wünscht, Orochimaru-sama“, sprach Anko. Seine Untergebenen erhoben sich, traten respektvoll zurück und verließen den Raum.

Orochimaru sah auf seine bandagierten Arme hinab. Darunter verbargen sich hässliche Brandnarben, die seine zuvor makellose Haut von den Oberarmen bis zu den Fingerspitzen verunstalteten. Ein Schwert konnte er nicht mehr führen. Selbst alltägliche Bewegungen bereiteten ihm Mühe. Sein Körper mochte beeinträchtigt sein, aber sein Geist war klar. Deidara hatte einen gewaltigen Fehler gemacht, sich nicht zu vergewissern, dass er, Orochimaru, wirklich tot war. Der Schwarzhaarige würde nach und nach jeden Widersacher unter seinen Füßen zerquetschen wie eine lästige Kakerlake. Und Sasuke war seine Waffe.

Rückkehr

„Gaara-san, warte bitte.“ Angesprochener hielte inne und wandte sich seiner Frau zu. Gaara wollte nach dem Abendessen nur noch zu Deidara. Dieser war unerwartet früh von Akatsuki zurückgekehrt. Er hatte angenommen, der Blonde bliebe länger weg. Eine Strafe hatte er auch noch nicht ausgesucht. Gaara wollte ihm keine aufdrücken. Wäre er der Burg noch einige Tage fern geblieben, wäre es vielleicht einfacher, die Strafe einfach ins Vergessen zu schicken.

Was wollte Sakura nun? Ihn an die Strafe für Deidara erinnern? Inzwischen hatte sie ihn eingeholt. Nah trat die Rosahaarige an ihn heran. „Teilst du heute das Lager mit mir?“, fragte sie leise, damit nur er die Worte verstand. Eindringlich, und doch mit einem schüchternen Glanz, musterten ihn die smaragdfarbenen Augen.

Ihr Anliegen überrumpelte ihn. Gaara hatte nicht erwartet, dass sie die Initiative ergriff und ihn direkt nach dem Beischlaf fragte. Es war ihm unangenehm, so unvermittelt auf sein Versagen angesprochen zu werden. Außerdem lag es ihm fern, einen erneuten Versuch zu starten. Gaara glaubte nicht, dass sich irgendetwas in seinem Körper regte. Sie war nicht Deidara und genau das war das Problem. Daran würde sich auch in ein paar Wochen oder in einem Jahr nichts ändern.

„Es tut mir leid“, erwiderte Gaara ebenso leise. „Ich bin müde.“ Er gab ihr keine Gelegenheit, das Thema weiter auszuführen, sondern wandte sich ab und schritt zielstrebig zur Treppe, um in seine Gemächer zu gelangen.

Erleichterung überkam den Rotschopf, sobald er seine Etage erreichte. Während er seine Kleidung gegen den Schlafyukata tauschte, grübelte er über Deidaras verfrühte Rückkehr nach. Ob es mit Akatsuki Streit gegeben hatte? Ein paar der Rônin waren nicht erfreut über Deidaras eigenmächtiges Handeln gewesen, als er ihn nach dem Angriff in deren Versteck gebracht hatte.

Gaara schloss seinen Yukata und knotete den Obi. Anschließend trat er in sein Wohnzimmer. Mit wenigen Schritten war er bei der geheimen Tür und stieg die schmalen Stufen hinab. Zielstrebig wanderte er den verborgenen Gang entlang. Eine gewisse Routine schlich sich mittlerweile ein, wenn er über den Flur zu Deidaras Tür huschte, anklopfte und sich in dessen Zimmer stahl.

Es war noch nicht sehr spät, aber in seinem Raum war die Öllampe bereits gelöscht. Im ersten Moment hörte Gaara nur das dumpfe Rauschen des Regens von draußen. Dann raschelte die Decke und der Schemen, der Deidara war, bewegte sich.

Gaara trat zum Futon und setzte sich daneben. „Guten Abend“, hauchte er leise. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er freute sich, Deidara wieder zu sehen.

„Nabend“, wurde seine Begrüßung weniger formvollendet erwidert. Wie selbstverständlich schob sich Gaaras Hand in Deidaras Nacken und zog ihn zu einem Kuss heran. Diese Berührungen hatte er in den letzten Tagen vermisst.

„Wie war es?“, fragte Gaara leise, nachdem sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten. Seine Finger strichen leicht über die warme Haut unter dem langen Haar. Kam es ihm nur so vor oder war Deidara wärmer als sonst?

„Nicht so wie erhofft. Gab ein paar Probleme, hm“, murmelte Deidara. Gaara runzelte die Stirn. Der Krieger klang erschöpft. „Was für Probleme?“, hakte er nach. Seine Finger glitten derweil über seinen Hals hinauf. Hörbar atmete der Blonde aus. Heute schien er ziemlich empfindlich zu sein. Und immer noch hatte er das Gefühl, Deidaras Haut war wärmer als er es gewohnt war.

„Ach, naja. Ich hab Itachi und Hidan einen harmlosen Streich gespielt. Da sind sie ein bisschen ausgerastet, hm.“ Wenn Deidara von Streichen sprach, waren diese wohl eher weniger harmlos. Allerdings irritierte ihn, dass er bei Akatsuki Schwierigkeiten zu haben schien.

Deidara erzitterte unter seinen Fingern leicht. Das war definitiv nicht normal, fand der Rotschopf. Er ließ von Deidara ab und erhob sich. Am Tisch kniete er sich hin. Die Öllampe war schnell entfacht. Sanftes Licht erhellte den Raum. Mit der Lichtquelle kam er zu Deidara zurück und musterte ihn gründlich.

Zuerst kniff der Blonde die Lider etwas zusammen, musste sich an die Helligkeit gewöhnen. Aber dann bemerkte Gaara den fiebrigen Glanz in dem azurblauen Auge. Er legte seine Hand auf Deidaras Stirn. Trocken und definitiv zu warm schmiegte sich dessen Haut gegen seine Handinnenfläche. „Du hast Fieber“, murmelte Gaara. Die Lampe stellte er neben sich ab. Es wäre besser, ein Arzt sah nach ihm.

Doch Deidara schnaufte nur gleichgültig. „Das geht auch wieder weg, hm.“ Diese Einstellung hieß der Daimyô nicht gut. Er machte sich Sorgen um seinen Krieger. „Du solltest einen Arzt rufen lassen.“ Würde er das jetzt machen, gäbe er seine nächtlichen Ausflüge preis. Der Blonde ließ sich zurücksinken und rutschte ein Stück zur Seite. Die stumme Aufforderung verstand er, aber er wollte Deidaras körperlichen Zustand nicht ignorieren.

„Wozu? Ich bin in den Regen geraten. Passiert halt. Da kann ein Heiler auch nichts machen, hm.“

Gaara seufzte. Sanft strich er die langen Strähnen aus seinem Gesicht. Zwingen würde er ihn nur ungern. Noch war das Fieber nicht sonderlich hoch. Vermutlich war es die Folge einer leichten Unterkühlung. Vielleicht übertrieb er auch ein wenig. „Hast du noch andere Beschwerden?“ Deidara deutete ein Kopfschütteln an. Dann konnte man wohl abwarten, ob die Temperatur von selbst zurückging. „Aber wenn es morgen früh nicht besser ist, rufst du einen Arzt“, beharrte er.

Unwillig murrte Deidara. „Meinetwegen. Und jetzt mach die Lampe aus und komm her, hm.“ Der Rotschopf kam der Aufforderung nach und löschte das Licht. Anschließend schob er sich neben Deidara unter die Decke. Er lag noch gar nicht richtig, da kuschelte der Blonde sich eng an ihn. Wieder erfasste ein kurzes Beben dessen Körper. Gaara schloss seine Arme um ihn. Eine Hand suchte sich erneut ihren Weg in Deidaras Nacken und kraulte ihn dort.

Der Blonde war ziemlich warm, aber so nah an ihn geschmiegt bemerkte er schneller eine Veränderung. Gaara hoffte, dass es nur ein leichtes Fieber war und schnell wieder sank.

„Was hast du ihnen denn für einen Streich gespielt?“, fragte Gaara, benutzte absichtlich Deidaras Wortwahl.

„Hab ihnen Aphrodisiakum untergemischt. War lustig“, erklärte der Blonde. Ein erheiterter Laut erklang. „Ich hab Itachi noch nie zuvor stöhnen hören… und schon gar nicht wie ein brunftiger Hirsch. Nur bei Hidan weiß ich nicht genau, was passiert ist. Theoretisch müsste er ziemlich angefressen gewesen sein mit Erektion, aber ohne seine Weiber, hm.“

Gaara hörte mit unterschwelliger Beunruhigung zu. Harmlos war dieser Streich wirklich nicht, wie er vermutet hatte. Was Deidara daran so amüsant fand, konnte er nicht nachvollziehen. „Ich hoffe, du machst das nicht hier in der Burg“, kommentierte der Rotschopf.

Deidara bettete sein Gesicht an seinem Hals. Angenehm streifte dessen Atem über seine Haut nahe des Schlüsselbeins. Der Krieger wirkte kuschelbedürftig heute. Lag das nur an dem Fieber oder auch an den Problemen, die er derzeit hatte? Es würde ihn nicht wundern, wäre es eine Mischung aus beidem.

„Ich hab überlegt, das irgendwann mal zu probieren… mit dir, hm.“ Die Worte rissen Gaara aus seiner beginnenden Müdigkeit. Überrascht öffneten sich seine Augen. Für einige Herzschläge starrte er einfach in die Dunkelheit und zu der Wand, die er hinter Deidara erahnte. Deidara wollte mit ihm ein Aphrodisiakum ausprobieren? Das ergab wenig Sinn. Sie hatten keine Schwierigkeiten, ihre Lust zu wecken. „Ich finde nicht, dass wir das brauchen.“ Manchmal fragte er sich, wie Deidara auf derlei kam.

„Darum geht es nicht“, erklärte der Blonde. „Es interessiert mich, wie es sich anfühlt. Dich nicht, hm?“

Langsam senkten sich Gaaras Lider wieder. Die Frage beantwortete er nicht sofort. Noch nie hatte er sich Gedanken über die Anwendung von Aphrodisiakum gemacht. Interessierte ihn, wie es sich anfühlen könnte? Der Rotschopf war sich nicht sicher. Irgendein Mittel ausprobieren ohne Kenntnisse darüber zu haben, wollte er nicht. Demnach würde er sich zuerst informieren, bevor er überhaupt sagen konnte, ob Neugier vorhanden war oder nicht. „Weiß ich nicht“, antwortete er ehrlich.

„Dann informier dich, hm“, nuschelte Deidara an seinem Hals. Allmählich zeigte das beständige Kraulen in seinem Nacken Wirkung. Der Blonde entspannte sich zunehmend in seinen Armen und dessen Stimme nahm einen abwesenden Unterton an.

Die Aufforderung entlockte Gaara ein Schmunzeln. Deidara kannte ihn inzwischen recht gut. Ohne Informationen äußerte er sich nicht zu einem Thema. In diesem Punkt zog er die Sicherheit der Spontanität vor. Wenn er etwas Zeit hatte, kam er Deidaras Wunsch wahrscheinlich nach. Momentan gab es jedoch Wichtigeres als sich mit Aphrodisiakum zu beschäftigen. Beispielsweise weiterhin die Strafe von dem Blonden abwenden. Er war sich recht sicher, dass sie eine Kerbe in ihre Beziehung schlug. Es war schon kompliziert genug.

Sakura musste abgelenkt werden. Sie durfte nicht auf die Durchführung der Strafe beharren. Der Kräutergarten! Genau. Er beschäftigte sie mit dem Kräutergarten, den sie gern wollte. Mit etwas Glück vergaß sie über ihrem Hobby Deidara. Shikamaru konnte er in Schach halten. Dieser war auch der einzige, der das Ausbleiben einer Bestrafung nachvollziehen konnte. Dass er sein Verhalten nicht gut fand, wurde konsequent ignoriert. Gaara wollte die Liebe, die er mit Deidara teilte, nicht verlieren.

Sanft drückte der Rotschopf seine Lippen gegen Deidaras Haar. Gleichmäßiger, tiefer Atem und das ein oder andere leichte Zucken deuteten darauf hin, dass der Krieger gerade einschlief.

Gaara war der Daimyô. So ungern er seinen Status ausnutzte, dieses Mal beschloss er von seinem Titel Gebrauch zu machen. Niemand hatte seine Entscheidung anzuzweifeln. Es war seine Entscheidung, Deidara nicht zu bestrafen. Der Blonde war momentan schon gestraft genug, weil er keine seiner Fähigkeiten entsprechende Aufgabe durchführen konnte. Und um dieses Problems musste er sich auch noch annehmen.

Von Strafen und Flüchen

Sakura tauchte ihre Hände in den Eimer Wasser, den ihre Dienerin auf Geheiß geholt hatte. Erfrischend benetzte das kühle Nass ihre Haut. Sorgfältig wusch sie die Erde ab. An dem mitgebrachten Tuch rieb sie ihre Hände trocken. Seufzend wandte sie sich von der Dienerin ab, die sich nun darum kümmerte, den Eimer und das Tuch wegzubringen.

Smaragdgrüne Augen ließen den Blick über den kleinen Garten schweifen. Gaara hatte ihr freundlicherweise gestattet, einen Kräutergarten anzulegen. In einer ungenutzten Ecke des großen Parks hatte sie dieses Fleckchen gefunden. Nicht zu sonnig, nicht zu schattig. Es war gut geeignet für den Anbau verschiedener Kräuter. Manche vertrugen das direkte Sonnenlicht nicht, weswegen sie diese im schattigen Teil des Gartens anbauen wollte. Aus der von der Sonne beschienenen Erde reckten sich derweil bereits die ersten zarten Halme. Der Anblick bereitete ihr Freude.

Doch Sakura war nicht einfältig. Mit dem Garten wollte ihr Ehemann sie ablenken. Deidara war seit über einer Woche zurück und noch immer lief er ohne Strafe in der Burg umher. Sie hatte nicht direkt Angst vor dem blonden Krieger. Wie sie sich verteidigen konnte, war ihr beigebracht worden. Unter ihrer Kleidung verbarg sich immer ein Dolch und die Haarnadeln, mit denen sie ihr Haar gern hochsteckte, konnten auch als Waffe benutzt werden. Jedoch waren ihr diese Waffen nur in unmittelbarer Nähe nützlich. Auf Distanz hatte Deidara den Vorteil, sollte er erneut einen Pfeil auf sie abschießen.

Warum bestrafte Gaara seinen Samurai nicht? Sakura mochte sinnlose Gewalt nicht, aber ohne Disziplin versank alles im Chaos. Es reichte manchmal nicht aus, die Ordnung nur mit Worten zu verteidigen. Entschlossen wandte sie sich dem Hauptgebäude zu. Sie entschied, Gaara noch einmal zu fragen, wann er zu handeln gedachte. Beim letzten Mal hatte er sie abgewiesen mit der Begründung, er sei beschäftigt.
 

„Gaara-san, wann wirst du Deidara bestrafen für sein Vergehen?“

Ihre Frage löste unbehagliche Stille am Abendbrottisch aus. Aufmerksam lag Sakuras Blick auf ihrem Mann, der für einen Augenblick erstarrt schien, dann aber stoisch weiter kaute. Gaara schluckte und sah sie mit diesem ruhigen Blick an, den sie nicht deuten konnte. Allgemein war es unheimlich schwer, in diesen jadefarbenen Seelenspiegeln zu lesen. Was in ihm vorging, war ihr ein Rätsel.

Dabei bemühte sie sich, ihm eine gute Ehefrau zu sein. Aber mehr und mehr bekam sie das Gefühl, er ließ sie nicht an sich heran, hielt sie am ausgestreckten Arm auf Abstand. Warum? Gaara war höflich und freundlich zu ihr. Er machte ihr auch immer noch Komplimente, allerdings glaubte sie seinen Worten nicht mehr. Wenn Gaara sie wirklich so hübsch fand wie er behauptete, wieso teilte er dann nicht mit ihr das Lager?

„Er ist bereits genug bestraft“, erwiderte der Rotschopf. Verwirrung machte sich in Sakura breit. Das verstand sie nicht. „Wie meinst du das?“

Gaara stellte seine Reisschale auf dem Tisch ab und schien sich ihr nun mit seiner vollen Aufmerksamkeit zu widmen. „So, wie ich es gesagt habe.“ Er antwortete ihr nicht direkt. Sakura kannte die Spielarten der Politik. Irgendwas verbarg er vor ihr. Bestrafte er Deidara nicht, weil dieser ihm das Leben gerettet hatte?

Kurz sah sie zu Temari. Zuerst war dessen Schwester genauso fassungslos über Deidaras Handlung gewesen wie sie, aber dann hatte sie sich nur noch knapp zu dem Thema geäußert und hielt sich raus. Ebenso wie der General.

Einzig bei Kankurô fand sie noch Unterstützung, der sich nun auch einmischte. „Gaara. Du solltest ihn richtig bestrafen. Sonst passiert so etwas vielleicht wieder. Wer weiß, das nächste Mal trifft der Pf…“

Gaara knallte seine Stäbchen unerwartet auf den Tisch. Kankurô verstummte augenblicklich. Langsam erhob er sich. Kalt bohrte sich Gaaras Blick erst in den Brünetten, dann in sie. Eingeschüchtert senkte sie ihren Kopf. Es war nicht ihr Ziel gewesen, ihren Mann wütend zu machen.

„Ich entscheide, was angemessen ist. Und ich will kein Wort mehr zu diesem Thema hören.“ Gaaras normalerweise angenehme Stimme fuhr durch den Raum wie ein Katana Papier zerteilte. Der Befehl war endgültig. Leise Schritte entfernten sich vom Tisch. Die Tür wurde aufgeschoben und schloss sich wieder. Sakura schaute betrübt auf ihre Reisschale hinab. Sie verstand Gaara einfach nicht. Bedeutete sie ihm so wenig?
 

Temari sah ihrem Halbbruder nach, dann tauschte sie einen Blick mit Shikamaru. Sie war ihm dankbar für sein Vertrauen zu ihr, obwohl Gaara ihm verboten hatte, darüber zu sprechen. Doch sie durfte sich nicht einmischen, obwohl sie die Entwicklung nicht gut hieß. Zeigte sie Gaara, dass sie von der Beziehung zu Deidara wusste, brachte sie ihren Mann in Schwierigkeiten, weil er einen Befehl missachtet hatte. Sie konnte ebenso wie der General die Handlungsweise Gaaras nachvollziehen, wollte man einem nahestehenden Menschen keine Schmerzen zufügen. Doch sollte Gaara seinen Titel weiterhin ausnutzen, um Deidara zu schützen, wenn dieser erneut derartig Unruhe stiftete, musste sie ein ernstes Wort mit ihm reden. Ihr Bruder war als Daimyô sehr verantwortungsbewusst und darauf bedacht, dass es allen gut ging und sie in Sicherheit leben konnten. Wegen privater Gefühle sollte seine Herrschaft nicht aus den Fugen geraten.

Die einzigen am Tisch, die Gaara nicht verstanden, waren Kankurô und Sakura. Sie hatte Mitgefühl mit der jungen Frau. Temari hatte sie in der kurzen Zeit, die sie hier lebte, lieb gewonnen. Sie war klug und sehr fähig, ihr bei einem so großen Haushalt unter die Arme zu greifen, sodass Temari sich mehr um ihre Kinder kümmern konnte. Mit Gaara als Mann hatte sie es bestimmt nicht ganz leicht. Ihr Bruder war noch nie sonderlich redselig oder aufgeschlossen gewesen. Es dauerte vermutlich eine Weile, bis die beiden sich auf geistiger Ebene annäherten. Sanft legte sie ihre Hand auf Sakuras und drückte sie. Als die Rosahaarige aufsah, lächelte sie aufmunternd. „Lass uns weiteressen“, sagte sie. Sakura nickte langsam.
 

Gaara entzündete in seinem Arbeitszimmer eine Öllampe. Mit einem schweren Seufzen ließ er sich am Tisch nieder und stützte den Kopf in seine Hände. Wieso konnte Sakura sich nicht einfach mit ihrem Kräutergarten ablenken lassen? Es war ja gut, dass er kein Naivchen zur Frau hatte, aber in dieser Angelegenheit wäre es ihm lieber, sie würde sich um ihre Kräuter kümmern und nicht weiter auf der Strafe beharren. Hoffentlich hatte sich das Problem endgültig geklärt. Gaara wollte kein Wort mehr darüber hören.

Am Esstisch eben hatte der Rotschopf das Gefühl bekommen, Kankurô und Sakura bereitete es Freude, einen Menschen bestraft zu sehen. Bei seinem Bruder konnte er sich das nicht vorstellen. Dafür kannte er ihn zu gut. Gaara war sich bewusst, dass die Ordnung nicht ins Schwanken geraten sollte. Doch nun hatten die beiden ihm einen Grund geliefert, die Strafe erst recht nicht durchzuführen. Gaara duldete nicht, sich an den Schmerzen anderer zu ergötzen.

Außerdem hatten sie gerade dringlichere Probleme als Deidaras Ungehorsam. Gaara setzte sich etwas auf und blickte auf die Berichte hinab, die sich seit wenigen Tagen bei ihm aufstapelten. Diebstähle häuften sich. Läden wurden zerstört. Menschen verschwanden und wurden später tot aufgefunden. Irgendjemand fügte Matsuyama Schaden zu. Seine Samurai sollten sich darum kümmern. Aber bisher scheiterten sie. Vielmehr hatten sie bereits ein paar Verletzte und einen Toten zu verzeichnen.

Mit den üblichen Methoden kam man hier offensichtlich nicht weiter. Sie hatten es nicht mit einer gewöhnlichen Räuberbande zu tun, sondern mit geschickten Verbrechern, die immer wieder den Fingern der Gerechtigkeit entgingen und sich dabei noch über sie lustig machten, indem sie am Ort des Geschehens einen kleinen Zettel zurückließen. Darauf waren Provokationen gekritzelt. Gaara nahm einen dieser Zettel in die Hand. Nachdenklich betrachtete er das Zeichen, welches auf jedem dieser Zettel prangte und wahrscheinlich das Markenzeichen dieser Bande darstellte. Drei Punkte mit einem nach außen gerichteten Schweif waren im Kreis angeordnet. Niemandem hier war dieses Zeichen bekannt. Aber Fakt war, dass sich die Übeltäter ihrer Sache sehr sicher waren, wenn sie in diesem Maße auf sich aufmerksam machten.

Gaara legte den Zettel zurück zu den anderen und rieb sich über das Kinn. So wie sein General und seine Samurai war auch er ratlos, wie sie am besten vorgehen könnten gegen diese Bande. Seine Krieger patrouillierten verstärkt in den Straßen von Matsuyama, aber die Verbrechen gingen unvermindert weiter.

Deidara. Der Blonde wollte doch eine richtige Aufgabe. Die Täter zu fassen wäre bestimmt die passende Herausforderung für den Krieger. Oder nicht?
 

Am nächsten Morgen ließ Gaara nach Deidara schicken. Der Blonde wirkte noch etwas verschlafen, als er sich ihm gegenüber am Tisch niederließ. Aber auf Deidaras persönliche Neigungen nahm Gaara nun keine Rücksicht. Diese Bande musste so schnell wie möglich dingfest gemacht werden. Ohne Umschweife kam er zum Punkt.

„Ich habe eine Aufgabe für dich.“ Interessiert blitzte das azurblaue Auge auf. „Du hast sicher schon von den Verbrechen gehört, die sich in den letzten Tagen in Matsuyama gehäuft haben?“

Deidara nickte. Ein dreistes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. „Sind deine Krieger überfordert, hm?“ Gaara ging auf die Frage nicht ein, fand er das nämlich alles andere als lustig.

„Es sind vermutlich mehrere Personen, die Diebstähle begehen, Läden zerstören, Menschen verschleppen und töten. Sie hinterlassen immer einen Zettel am Tatort.“ Gaara legte einige dieser gesammelten Zettel auf den Tisch, damit Deidara einen Überblick erhielt. Der Blonde beugte sich etwas vor und begutachtete die Zettel. Schließlich nahm er einen in die Hand, betrachtete ihn von allen Seiten. Dann ließ er ihn zurück auf die Tischplatte fallen. „Das Zeichen auf den Zetteln ist ein altes Fluchsymbol. Es wird Jûin[60] genannt, hm.“

Gaaras Augen weiteten sich minimal. „Was weißt du darüber?“

Seufzend stützte Deidara sich auf dem Tisch ab. „Nicht so viel wie Sasori wusste. Es heißt, dass Menschen mit seltsamen Fähigkeiten früher mit diesem Symbol gebrandmarkt wurden, um für jeden erkennbar zu machen, dass sie verflucht sind, hm.“

Der Blick aus jadefarbenen Augen fiel auf das gemalte Zeichen. Ein Fluchsymbol also. War dieses Zeichen Zufall oder sollte es etwas sagen? Seine Fähigkeit war ein offenes Geheimnis. Wer sich etwas umhörte, wusste bald, dass er Sand kontrollieren konnte. Sollte dies eine Anspielung auf ihn sein, so galten die Verbrechen als Provokation, um ihn aus der Reserve zu locken. Sicher sein konnte er sich aber nicht.

„Das hier sind die Berichte der bisherigen Taten“, erklärte Gaara und schob Deidara nun auch den Papierstapel zu. Es war sicherlich nützlich, einen Überblick über die vergangenen Verbrechen zu erhalten, sparte man so kostbare Zeit, in der man das Verhalten nicht von Anfang an studieren musste. „Mach die Schuldigen ausfindig. Wenn du kannst, fang sie lebend. Vielleicht wurden sie angeheuert. In dem Fall ist es wichtig, die Namen der Auftraggeber herauszufinden.“

Jetzt schien der Blonde endgültig wach zu sein. „Endlich mal ein bisschen Abwechslung, hm“, kommentierte Deidara. Trotz der Umstände beruhigte Gaara das freudige Grinsen in Deidaras Gesicht. Die Aufgabe gefiel ihm anscheinend und war hoffentlich das, was er brauchte, um sich wohl zu fühlen. Gaara war es recht, solange Matsuyama bald wieder ruhig schlafen konnte. Dennoch machte er sich um seinen Krieger Sorgen. Die Verbrecher waren gefährlich. Gaara machte sich Gedanken, ob Deidara sich nicht vielleicht übernahm. Er wollte seinen Liebsten nicht demnächst bestatten müssen.
 

_________________________________

[60]Jûin – Speziell hier das Fluchmal von Sasuke und Anko. Ich wandle die Bedeutung für meine Zwecke jedoch etwas ab.

Dono

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Shinobi versus Samurai

Der Schwarzhaarige hieß diesen Alleingang nicht gut. Anko war ihre Anführerin und sie sollten ihre Befehle befolgen. Shin gefährdete womöglich die Mission mit seinem Plan.

Stoisch wanderte sein Blick von der belebten Straße zu dem Älteren. Das helle, fast weiße Haar wurde unter dem schwarzen Tuch verborgen, welches um den Kopf geschlungen war und nur einen Schlitz für die Augen offen ließ. Auch der Rest des Körpers war in schwarze Kleidung gehüllt. Sai hatte ebenfalls seine Arbeitskleidung angelegt. Er konnte seinen Bruder nicht im Stich lassen. Obwohl sie nicht blutsverwandt waren, war es Shin gewesen, der sich seiner angenommen hatte, nachdem seine Eltern getötet worden waren und er auf der Straße um sein Überleben gekämpft hatte. Seine nächste Mahlzeit hatte er sich stehlen müssen. Ein Dach über dem Kopf war selten gewesen. Meist hatte eine Brücke oder ein leerstehendes Gebäude ihm Schutz geboten, manchmal auch nur ein Baum.

Andere Menschen verjagten Straßenkinder, weil sie nur Ärger machten. Aber Shin war wie er gewesen. Er hatte ihm überlebenswichtige Tricks beigebracht. Sie hatten alles geteilt, Essen, Kleidung, Schlafplatz. Dann hatte Orochimaru-sama sie gefunden und mitgenommen. Der alte Daimyô hatte ihnen ein neues Leben geschenkt. Sai würde jeden Befehl ausführen. Aber vor allem anderen kam sein Bruder Shin. Er war das Wichtigste in seinem Leben, sein Licht in der Dunkelheit. Und darum folgte er ihm, obwohl er diesen Plan nicht gut fand.

Sai wusste, das Shin sich langweilte, weil sie keinem richtigen Gegner gegenüber traten. Seit Wochen brachten sie Menschen hinterrücks um und zerstörten fremdes Eigentum oder stahlen. Als Shinobi war es ihre Aufgabe, ungesehen zu bleiben. Doch sein Bruder hatte von dem ehemaligen Akatsuki mehr erwartet.

Dabei war es nur verständlich, dass dieser im Dunkeln tappte, im Dunkeln tappen sollte. Sie hinterließen immer nur die von ihm geschriebenen Zettel. Ihre Taten folgten keinem besonderen Muster, weil ihr Ziel ein anderes war. Ohne Wissen um ihr Ziel wurde es nahezu unmöglich, ihren nächsten Zug voraus zu ahnen. Wann wandte Gaara sich endlich an Akatsuki?

Offensichtlich verließ Deidara soeben die Burg, denn sein Bruder gab seinen Beobachtungsposten auf und machte sich jeden Schatten zunutze, um mit selbigem zu verschmelzen und sich auf diese Art fort zu bewegen. Sai folgte ihm lautlos.

Shin hatte seinen Plan erklärt. Da der blonde Krieger nicht durch ihre Hand sterben durfte, wollte er ihn lediglich angreifen, um herauszufinden, wie stark er wirklich war. Shin war ein auszeichnender Shinobi, aber manchmal fragte Sai sich, ob der Weg des Samurai für ihn nicht geeigneter gewesen wäre. Eine gute Herausforderung schätzte der Ältere sehr. Der Mangel einer solchen in den vergangenen Wochen trieb ihn letztendlich aus dem schützenden Schatten heraus. Sai selbst fühlte sich als Shinobi sehr wohl. Nur selten musste er einem Opfer direkt ins Gesicht sehen. Gefühle waren für ihn mehr eine Bürde, rannen sie wie Wasser durch die Finger. Und in den Augen seiner Gegner selbige zu sehen, verunsicherte ihn innerlich.

Wenn Shins Aktion von Erfolg gekrönt war und sie Deidara verletzten, führten sie Gaara einmal mehr vor Augen, wie machtlos seine Untergebenen waren. Vielleicht bat er dann endlich die Rônin-Bande um Hilfe. Jedoch durfte ihnen kein Fehler unterlaufen. Ihre Gesichter mussten unbedingt verborgen bleiben. Die Techniken ihres Gegners kannten sie nur vom Hörensagen. Er sollte ein hervorragender Schwertkämpfer und Bogenschütze sein. Mit Schwarzpulver hatte er Erfahrung, allerdings bezweifelte Sai, dass er das explosive Pulver ständig mit sich herum trug. In der Stadt nützte dem Blonden sein Bogen wenig. Also blieb Deidara vorrangig der Nahkampf.

Sais Finger strichen über den kalten Griff eines Kunai, die sich in seiner Kleidung verbargen. Selbst auf kurzer Distanz waren die kleinen Messer wunderbare Waffen. Um seinem Gegner in einer verlassenen Gasse nicht zu nahe kommen zu müssen, definitiv geeignet.

In eine solche Gasse bog Deidara nun ab und blieb stehen. Seine linke Hand näherte sich den Schwertgriffen. Er hatte also bemerkt, dass er verfolgt wurde. Gute Instinkte besaß der Krieger anscheinend. Langsam wandte Deidara sich um. Sai drückte sich tiefer in den Schatten, um seinem Blick zu entgehen.

Shin stahl sich um den Samurai herum. In dessen Rücken verließ er den sicheren Schatten. Das war sein Zeichen, sich ebenfalls zu erkennen zu geben. Kaum bewegte Sai sich außerhalb des vertrauten Zwielichts, erfasste Deidaras Blick ihn. Wut schwappte aus dem sichtbaren Auge und schien ihn niederringen zu wollen. Gefühle, schon wieder Gefühle.

„Für ein Mitglied von Akatsuki bist du…“

Mit einem Ruck fuhr Deidara herum. Blondes Haar flog durch die Luft, zog einen Halbkreis um den Krieger. Er riss das Wakizashi aus der Saya und schleuderte es seinem Bruder entgegen. Shins höhnende Worte erstarben, als die Klinge sich tief in seine Brust bohrte. „Halt die Fresse, hm“, knurrte der Krieger.

Sai blieb keine Zeit, das Geschehene zu realisieren. Im nächsten Augenblick stürmte Deidara auf ihn zu, zog sein Katana und wollte ihm den Kopf von den Schultern trennen. Die jahrelange Routine ergriff von ihm Besitz. Seine Hand umfasste den Griff seines Wakizashi, das er auf dem Rücken trug. Metall prallte an Metall ab. Es klirrte grausig. Sai stolperte zur Seite. Deidara hatte erstaunlich viel Kraft. Er durfte sich nicht auf ein reines Kräftemessen mit ihm einlassen.
 

Diese Maden! Endlich hatten sie einen Fehler begangen. Natürlich bemerkte Deidara, wenn man ihn verfolgte. Das Gefühl war unangenehm, als sei man die Beute eines unsichtbaren Jägers, der im Verborgenen lauerte und nur auf einen falschen Schritt wartete, um hervor zu springen und seine Klauen schmerzhaft ins Fleisch zu graben.

Allerdings hatte er seine Jäger nun aus ihren Schatten gelockt. Warum sie ihn angriffen und auch noch bei Tag, war ihm schleierhaft. Momentan interessierte ihn aber nur eins. Sie sollten bezahlen für ihre Taten. Wochenlang hatten sie ihn an der Nase herumgeführt. Der Zorn brodelte heiß in ihm. Endlich hatten sie dem Blonden das begehrte Ventil gegeben, um sich Luft zu machen. Und er genoss es. Der Mann vor ihm war geschickt. Immer wieder entging er seinem Katana. Doch er wich ihm aus, ließ sich nicht auf ein Kräftemessen ein, weil er beim ersten Block bemerkt hatte, dass Deidara ihm überlegen war.

Aus den Augenwinkeln fiel ihm die schnelle Bewegung der Hand seines Gegners auf. Schatten flogen auf ihn zu. Instinktiv wich Deidara zur Seite aus. Neben ihm erklangen dumpfe Laute. Ein kurzer Blick offenbarte ihm zwei Kunai, die in der Hauswand steckten. Wie erwartet benutzte sein Gegner Shinobitechniken. Den kleinen Messern auszuweichen, war einfacher als vermutet. Es war viel schwerer, Sasoris dünnen Stahlseilen zu entkommen. Sein Meister hatte sie in Übungskämpfen auch gegen ihn angewandt. Netterweise waren diese nicht vergiftet gewesen. Aber Sasori hatte ihn immer wieder mit dieser Waffe angegriffen, bis er in der Lage war, ihr zu entgehen.

Deidara grinste und führte einen weiteren Angriff gegen den Kämpfer. „Du willst ein Shinobi sein? Das ist ja schon fast zu leicht, hm“, warf er ihm an den Kopf. Deidara ließ sein Katana an dessen Klinge abgleiten, griff unter seinen Gi und zog den dort verborgenen Dolch hervor, stach nach dem Gesicht des anderen. Dieser zuckte zurück, aber sein Ziel hatte Deidara erreicht. Die scharfe Klinge zerriss den Stoff des Tuches und enthüllte ein blasses Gesicht. Letzte kindliche Rundungen ließen die Konturen weicher erscheinen. Sein Gegner musste jünger sein als er selbst. Schwarze Strähnen fielen ihm in die Stirn.

Ein leises Geräusch hinter ihm alarmierte Deidara. Mit einem Sprung zog er sich zu einer Wand zurück und musste sich sogleich ducken. Dieses Mal bohrten sich jedoch keine Kunai, sondern Senbon in die Wand knapp über ihm. Der feuchte Glanz bestätigte seine Vermutung. Gift.

Sein Blick schnellte zu der ebenfalls in schwarz gekleideten Gestalt, die bei dem Toten hockte. Zwei Shinobi waren ungleich schwerer in Schach zu halten. Vor allem sollte er darauf achten, nicht mit Gift in Berührung zu kommen. Lästigerweise war Gift eine sehr beliebte Methode unter Shinobi.

Abwartend huschte sein Blick zwischen dem Jungen und der dritten Person hin und her. Doch anscheinend wollte der Neuankömmling nicht kämpfen, denn er zog Deidaras Wakizashi aus der Leiche und warf sich den toten Körper über die Schulter. Ein angedeutetes Rucken des Kopfes und der Bengel verschwand in den Schatten der Gasse. Das hier war also der Anführer dieser verfluchten Bande. Ihre Blicke trafen sich. Etwas fiel auf den Boden. Zischend breitete übelriechender Rauch sich aus, zwang Deidara, zurück zu weichen, um eine einigermaßen klare Übersicht zu behalten. Er wollte sich nicht hinterrücks die Kehle aufschlitzen lassen.

Nur langsam verlor sich das stinkende Gemisch und gab den Ort des Geschehens wieder frei. Deidara war allein in der Gasse. Verborgene Blicke spürte er auch nicht mehr. Sein Wakizashi lag verwaist nahe der Blutlache. Der Rauch hatte ihre Flucht tarnen sollen.

Knurrend stieß Deidara sein Katana in die Saya. Mit langsamen Schritten trat er zu der Stelle, an der eben noch der Tote gelegen hatte. Während er sich nach dem kürzeren Schwert bückte, waren seine Sinne aufmerksam auf die Umgebung gerichtet. Er durfte auf keinen Fall nachlässig werden. Shinobi griffen normalerweise aus dem Hinterhalt an. Aber auf einen langen Kampf hätten sie sich ohnehin nicht einlassen können, wurden inzwischen die ersten Bürger aufmerksam aufgrund der Unruhe in der Gasse. Warum hatten sie ihn also so offen herausgefordert?
 

Unter einer alten Brücke legte Anko Shins toten Körper ab. Sai kniete sich neben seinen Bruder und zog das schwarze Tuch von seinem Kopf. Sein Herz schmerzte in der Brust bei dem Anblick der weit aufgerissenen Augen. Mit zitternden Fingern strich er ein paar der hellen Strähnen aus dem Gesicht.

Anko zog den Stoff von Nase und Mund weg. „Was habt ihr euch dabei gedacht?“, fuhr sie ihn an. Ihre Strafpredigten fielen normalerweise lauter aus. Aber niemand durfte sie hier bemerken, weswegen sie ihre Lautstärke arg im Zaum hielt. Dafür bohrte sich ihr Blick vernichtend in ihn.

Sai schluckte und sah wieder auf Shin hinab. Den leeren Blick ertrug er nicht länger. Sanft schloss er seine Augen. Nun hatte es zumindest den Anschein, als schliefe er lediglich. Wäre da nicht das viele Blut. Keiner von ihnen hatte erwartet, dass der Samurai sie sofort und ohne eine verbale Warnung angriff. Eigentlich hätte er sie in Gewahrsam nehmen sollen, anstatt einfach mit einer tödlichen Attacke den Kampf zu eröffnen.

„Wir wollten den Samurai nur etwas vorführen“, murmelte Sai tonlos. Er steckte genauso in dieser Sache drin. Seinen Teil der Schuld wälzte er nicht auf seinen toten Bruder ab. Er hätte ihn aufhalten müssen, dann würde er jetzt noch leben.

Kälte kroch durch seinen Körper. Nur allmählich erfasste er die Tragweite der Situation. Shin war tot. Er war wieder allein. Sein Bruder, der immer bei ihm gewesen war, ließ ihn allein in der Welt der Lebenden zurück. Hatte Sai nicht immer zu ihm gesagt, er solle sich mehr in Geduld üben? Er hätte ihn aufhalten müssen. Mit dieser Aktion war nicht nur ihre Mission empfindlich gefährdet, sondern ihm war auch innerhalb eines Wimpernschlags das Wichtigste in seinem Leben entrissen worden.

„Deidara gehörte zu Akatsuki. Und er war der Schüler von Akasuna no Sasori. Was glaubst du, wieso wir vorsichtig sein sollen? Akatsuki besteht zwar aus ehemaligen Samurai, aber allesamt sind es herausragende Krieger“, knurrte Anko. Genervt entließ sie die Luft zwischen den Zähnen. „Wieso hat mir Orochimaru-sama nur halbe Kinder mitgegeben?“ Die ältere Frau hockte sich zu ihm, griff grob nach seinem Kinn und drückte es hoch, sodass er sie ansehen musste. „Diese Mission ist kein Kinderspiel. Wegen eurem Ungehorsam ist Shin jetzt tot und sie kennen dein Gesicht. Von jetzt an wirst du genau das tun, was ich dir sage, ist das klar?“ Die letzten Worte waren nur noch ein Zischen, einer aggressiven Schlange gleich, die zubiss, sollte er sich weigern.

Abgehackt nickte Sai. Shin war tot und in ihm schien auch das letzte bisschen menschliches Gefühl zu erkalten. Die Mission musste zu Ende geführt werden. Etwas anderes hatte er nicht mehr. Nur noch die nächste Mission war von Bedeutung. „Können wir ihn bestatten, Anko-sensei[62]?“, fragte er leise. Sein Bruder sollte wenigstens ein Grab erhalten.

„Er hätte es verdient, im Fluss versenkt zu werden für diese Dummheit und du gleich mit“, erwiderte sie. Fest presste Sai die Lippen aufeinander. Nein, das wollte er nicht! Shin sollte nicht wie unliebsamer Ballast entsorgt werden, um Spuren zu verwischen.

Anko stand wieder auf. „Nimm ihn. Wir schaffen ihn aus der Stadt und suchen einen Platz, wo wir ihn begraben können.“ Ihre Stimme klang jetzt etwas weicher. Schweigend schob Sai seine Arme unter die Schultern und in die Kniebeugen seines Bruders und hob ihn vom Boden auf. Fest drückte er den schlaffen Körper an sich. Seine Finger gruben sich in den Stoff der schwarzen Kleidung. Shin war immer sein Licht gewesen. Wie sollte er ohne Licht seinen Weg in der Dunkelheit finden?
 

_________________________________________

[62]-sensei: Suffix für die Anrede von Lehrern u.a.

Abendliche Audienz

Gaara war froh, dass Deidara endlich Fortschritte machte. Laut seiner Aussage war einer der Shinobi tot und von dem anderen hatten sie eine detaillierte Zeichnung. Der Daimyô hatte angeordnet, sie zu vervielfältigen und die Zettel überall in Matsuyama aufzuhängen. Auf diese Art fiel es den Shinobi deutlich schwerer, sich unbemerkt in der Stadt zu bewegen.

Im kleinen Kreis hatten sie sich über den Angriff unterhalten und waren zu dem Schluss gekommen, dass selbiger wohl nicht geplant gewesen und hinter dem Rücken des Anführers geschehen war, der den Kampf unterbrochen hatte.

Seitdem hielten sich diese Verbrecher bedeckt. Keine neuen Leichen tauchten auf. Es wurde auch nicht mehr randaliert. Genau genommen war es beunruhigend still geworden. Ob sie aufgegeben hatten? Daran glaubte Gaara nicht. Aber sie hatten es nun sehr schwer, weil sie nur noch zu zweit waren und das Gesicht dieses jungen Mannes an jeder fünften Hauswand prangte.

Ein Diener kündigte Deidara an. „Lass ihn herein.“ Gaara legte seinen Pinsel nieder, mit dem er gerade noch ein Schreiben an Sasuke verfasst hatte. Der jüngere Uchiha schien seinen Vorschlag bezüglich der Verhandlungen wirklich ernst zu meinen. Sogar einen neutralen Ort hatte er Gaara angeboten. Der Rotschopf begrüßte dies, da er nicht bereit war, sich in ein Wespennest zu begeben, das jeden Moment von hinten zustechen könnte. Umgekehrt würde Sasuke sich garantiert nicht seiner Gnade ausliefern, sollte ihm einfallen, dass es weniger Arbeit machte, den Uchiha einfach umzubringen anstatt mit ihm zu verhandeln. Sakai lag zwischen ihren Reichen an der Küste von Honshû, der Hauptinsel Japans, und bot einen neutralen Boden für eine hoffentlich friedliche Einigung.

Der Daimyô tauchte aus seinen Gedanken auf, als Deidara sich auf der anderen Seite seines Tisches niederließ. „Was gibt es?“, fragte er ruhig. Abwartend betrachtete er den Blonden.

„Zetsu möchte mit dir reden“, erklärte Deidara und hielt sich wie üblich nicht mit einleitenden Floskeln auf. „Er erwartet uns heute Abend nach Sonnenuntergang im Garten, hm.“

Gaara runzelte die Stirn. „Wenn er eine Audienz wünscht, kann er diese ganz legal erhalten.“ Akatsuki wurde in seinem Land nicht verfolgt. Selbst der Spion musste sich nicht zu ihm schleichen wie ein Verbrecher.

Leise lachte Deidara. „Zetsu ersucht niemanden um eine offizielle Audienz. Er taucht auf und verschwindet wieder, ohne Zeugen. So läuft das bei Akatsuki, hm.“ Ein Schulterzucken folgte.

„Worum geht es denn?“, fragte Gaara. „Keine Ahnung. Das hat er nicht gesagt, hm.“ Nachdenklich wanderten die jadefarbenen Augen zurück zu dem Papier, das vor ihm lag. Was könnte Akatsuki von ihm wollen? Deidara hatte nicht um ihre Hilfe gebeten. Dafür war sein Widerwille zu ausgeprägt gewesen bei der bloßen Erwähnung. Vielleicht beabsichtigten sie, ihm ihre Hilfe anzubieten? Spekulieren brachte nichts. Er musste bis zum Abend warten, um den Grund herauszufinden.

„Wann geht‘s los, hm?“

Fragend sah Gaara auf. Mit einem Nicken deutete Deidara auf das Schreiben. „Nach O-bon. Die Reise braucht viel Vorbereitung.“ Er musste präsentieren. Sasuke sollte sehen, wie stark und wohlhabend sein Reich war. Dementsprechend groß musste der Hofstaat sein, den er mitnahm. Nach Tokushima hatte er bereits eine Nachricht geschickt, da er von dort aus in See stechen wollte. Einige der Hyûga Krieger würde er bei seiner Durchreise in sein Gefolge aufnehmen. Auch seine Frau begleitete ihn. Eigentlich war Gaara dagegen gewesen. Aber als Repräsentantin der Môri war es ihr gutes Recht, zu verlangen, in Vertretung ihres Onkels mitreisen zu dürfen.

„Gut“ kommentierte Deidara. Seinem Krieger war das Totenfest sehr wichtig, das wusste er. Aber nicht nur ihm, für jeden Menschen war O-bon ein bedeutendes Fest. Niemand wollte während dieser Tage unterwegs sein, sondern die Seelen nahestehender Menschen wieder treffen.

Deidara stemmte sich hoch. „Wir sehen uns dann heute Abend, hm.“ Zustimmend nickte Gaara. Einen Augenblick sah er dem Blonden nach, bis sich die Tür hinter ihm zuschob. Dann wandte er sich wieder dem Schreiben an Sasuke zu.
 

Nach Sonnenuntergang schritt Gaara den steinernen Weg durch den Park entlang. In unregelmäßigen Abständen waren Laternen aufgestellt, in denen Kerzen flackerten und die Schatten zum Leben erweckten. Am Teich hielt er inne und setzte sich auf eine Bank aus massivem Stein. Stetig plätscherte das Wasser des kleinen Wasserfalls. In den Blättern verfing sich der Wind und löste leises Rascheln aus. Die Laterne neben ihm warf orangefarbenes Licht auf das dunkle Wasser.

Schritte näherten sich ihm. Gaara drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der er gekommen war. Wenige Augenblickte später trat Deidara aus der Dunkelheit. Neben ihm blieb er stehen und ließ seinen Blick schweifen. „Ist schön hier um diese Zeit, hm.“ Die Stimme des Blonden war gesenkt, sodass nur Gaara sie hören konnte.

„Nachts sieht alles anderes aus, fast wie eine andere Welt“, murmelte der Rotschopf. Eine ruhige Welt, die vieles in Schatten versteckte. Der Rest seines früheren Ichs mochte die Nacht, weil sie auch ihn erfolgreich verborgen hatte vor den Blicken anderer. Er hatte sich freier gefühlt. Noch immer war sein damaliges Ich in ihm, doch es rumorte nicht mehr vor Zorn auf die Menschen, sondern blieb ruhig und entspannte sich bei der Dunkelheit.

Hinter ihnen raschelte es, als schleiche ein Tier durch die Büsche. Gaara sah sich wie Deidara um. Aus den Schatten des Gesträuchs löste sich eine Gestalt. Langsam erhob der Daimyô sich. Zetsu. Der Mann bewegte sich beinahe lautlos. Gaara war sich sicher, dass er sich ohne ein verräterisches Geräusch nähern könnte, wenn er gewollt hätte.

„Guten Abend, Gaara-sama“, sprach Zetsu und verneigte sich. Sein Blick glitt kurz zu dem Blonden. „Deidara.“ Angesprochener brummte nur eine Begrüßung.

„Nun“, begann der Daimyô. „Weswegen habt Ihr mich zu dieser Stunde an diesen Ort gebeten?“ Aufmerksam musterte Zetsu ihre Umgebung, ehe er den Mund wieder öffnete. „Wegen dieser Bande, die in letzter Zeit so viel Unruhe gestiftet hat.“ Eine Pause folgte und Gaara ließ die Worte auf sich wirken. Zumindest ein Teil seiner Vermutungen war nun bestätigt.

„Ihr Ziel ist Akatsuki.“ Überrascht weiteten sich Gaaras Augen. Einen Herzschlag später hatte er sich wieder völlig in der Gewalt. „Ihr habt sie belauscht?“ Zetsu nickte bestätigend. „Mit der Zeichnung war es nicht schwer, den Burschen zu finden“, fügte er mit dunkler Stimme an. Zetsu war ein merkwürdiger Geselle, fand Gaara. Er schien mit der Tonlage auch seine Persönlichkeit zu wechseln.

„Wieso Akatsuki? Und was ist mit ihrem Anführer, hm?“, hakte Deidara nach. „Anführerin“, verbesserte Zetsu. Sie hatten es also mit einer Frau zu tun. „Sie ist sehr vorsichtig. Keine Erwähnung, wer der Auftraggeber ist. Sie wollen erreichen, dass Ihr“, Zetsu sah Gaara direkt in die Augen und ihm lief ein Schauer den Rücken hinab bei dem durchdringenden Blick, „Euch an uns wendet. Aber der Grund fiel mit keinem Wort.“

Diese Informationen brachten endlich einen gewissen Sinn in diese ganzen Verbrechen. Sie wollten, dass er Akatsuki zu Hilfe rief. Doch warum? Was wollte diese Gruppe von den Rônin?

„Jetzt, wo ihr davon wisst, was werdet ihr tun?“, fragte Gaara den Spion. „Nicht eingreifen“, verkündete die nun wieder tiefe Stimme des anderen. „Selbst wenn Ihr uns dafür bezahlen würdet.“

Gaara konnte diese Entscheidung nachvollziehen. Die Falle war sichtbar. Man lief nicht wissend in eine Falle, wenn man es verhindern konnte.

„Kannst du uns eine Zeichnung der Frau geben, hm?“

Zetsu nickte und holte unter seinem Gi einen geknickten Zettel hervor, den er Deidara reichte. Der Blonde faltete ihn auseinander und betrachtete die Zeichnung. „Mit den Zeichnungen haben die beiden es sehr schwer, sich noch frei in der Stadt zu bewegen“, kommentierte Zetsu. Im nächsten Augenblick wechselte seine Persönlichkeit erneut. „Ihr werdet ja wohl allein damit fertig werden.“

Deidara wirkte recht zufrieden. „Damit werde ich fertig, hm“, erklärte sein Krieger zuversichtlich. Hoffentlich. Gaara wollte keine weiteren Toten und zerstörte Existenzen in seiner Stadt.

„Ich danke Euch für die Informationen.“ Akatsuki hätte ihm diese Hinweise nicht zukommen lassen müssen. Da sie nun aber endlich nennenswert vorankamen mit diesem Fall, konnte er damit leben, dass die Rônin sich weigerten einzugreifen, sollte er darum bitten.

Durch die zweite Zeichnung war ihre Chance noch einmal gestiegen, die Shinobi einzufangen. Jeder Samurai sollte sich zusätzlich zu dem Gesicht des jungen Mannes auch das der Frau einprägen. Die Wachen in Matsuyama waren nach wie vor verdoppelt. Niemand gelangte ungesehen in die Stadt oder hinaus. Entweder mussten die beiden sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Fähigkeiten einsetzen oder sie flogen auf. Aber irgendwann begingen sie einen Fehler, weil sie ständig auf der Hut sein mussten und sich nicht mehr als harmlose Reisende tarnen konnten.

Zetsu verneigte sich leicht. „Ich wünsche einen angenehmen Abend.“ Mit diesen Worten zog der Spion sich in die Büsche zurück. Kurz raschelte es noch, dann verlor Gaara die Präsenz des Spions. Kein Laut und keine Bewegung machten mehr auf ihn aufmerksam.

„Er ist verdammt gut“, sagte Gaara leise.

Deidara nickte.

„Warum hat er die beiden nicht umgebracht, wenn er sie doch gefunden und belauscht hat?“ Das verstand er nicht ganz. Zetsu war vermutlich unbemerkt geblieben. Die Gelegenheit wäre doch günstig gewesen.

„Akatsuki mischt sich nicht ohne triftigen Grund ein, hm.“

Dieser Grund hieß Geld. Denn letztendlich war die Bande ein Haufen Söldner, die man kaufen konnte. In den meisten Fällen. Würden sie sich strikt an das Söldnerdasein halten, hätten sie damals Orochimaru unterstützt und nicht ihn. Aber in einem vereinten Japan ohne größere Fehden und Kriege war das Leben der Rônin überflüssig, da kaum noch Gelegenheiten zum Geldverdienen gegeben waren. Letztendlich hatte Akatsuki ihm damals aus Eigennutz ihre Hilfe angeboten. In Zeiten des Friedens brauchte man keine Söldner oder Shinobi. Es war vielleicht keine sonderlich positive Denkweise, aber sie hatte Gaaras Reich vor der Verwüstung und der Angliederung an Orochimarus Land bewahrt.

„Lass uns reingehen.“ Gaara rieb sich den Nacken. Der Tag war lang gewesen. Inzwischen war er recht müde und wollte sich auf seinem Futon ausstrecken mit seinem Liebsten im Arm.

Die Waffen des Meisters

Deidara schmiegte sein Gesicht gegen die Halsbeuge des Rotschopfes. Fest schlossen sich seine Arme um den schlanken Körper. Endlich. Endlich stieg ihm wieder der vertraute Geruch von Giftpflanzen vermischt Sasoris typischem Eigengeruch in die Nase. Tief atmete Deidara ein. Ein Beben erfasste ihn. Noch immer vermisste er seinen Meister und jetzt, wo er ihn wieder mit allen Sinnen wahrnehmen konnte, überrannten ihn seine Gefühle für ihn.

Sasori erinnerte ihn an früher, als die Welt klar strukturiert gewesen war und an all das, was sie miteinander geteilt hatten. Fest krallten sich seine Finger in den schwarzen Haori. Deidara schluckte. Seine Augen brannten verräterisch.

„Fang jetzt bloß nicht an zu heulen.“ Leise drang die samtige Stimme zu ihm durch. Selbst der leicht genervte Unterton löste nun Freude in ihm aus, weil selbiger schlichtweg zu Sasori gehörte wie seine Vorliebe für Gifte jeglicher Art.

Zittrig atmete Deidara durch. Wenigstens ein bisschen zusammenreißen wollte er sich. „Ist gut, Danna“, murmelte er brüchig. Es tat so gut, wieder mit Sasori reden zu können. Langsam beruhigte der Blonde sich auch wieder. Die Hand auf seinem Rücken, die gemächlich auf und ab fuhr, trug einen entscheidenden Teil dazu bei.

Schließlich gelang es Deidara, sich zumindest so weit von seinem Meister zu lösen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Sasori hatte sich überhaupt nicht verändert. Das strubbelige Haar verdeckte seine Stirn fast vollständig. Der tendenziell gelangweilte Blick lag abwartend auf ihm und die reine, helle Haut ließ ihn deutlich jünger wirken als er war.

Für wenige Herzschläge umspielte ein seltenes Lächeln Sasoris Mundwinkel. „Hast du gut gemacht“, sagte er leise. Überrascht weitete sich Deidaras Auge. So vereinzelt er Sasoris Lächeln zu Gesicht bekam, genauso rar war ein Lob aus seinem Mund. Wenn er etwas zu seiner Zufriedenheit tat, war ein kurzes Nicken oder ein zufriedenes Brummen die übliche Reaktion.

Deidara strahlte. Vermutlich bezog Sasori sich darauf, was er in dem vergangenen Jahr erreicht hatte. Aber in diesem Augenblick war sein Lächeln und die Anerkennung viel wertvoller.

Sein Meister wurde wieder ernst. „Aber du hättest es dir wirklich einfacher machen können.“ Schwer seufzte der Blonde. „Ich weiß, hm.“ Für Sasori gab es nur zwei Wege, Ja oder Nein, Richtig oder Falsch, Freund oder Feind. Diese Auffassung war angenehm klar. Doch Deidaras Gefühle interessierten sich nicht für den einfachen Weg.

„Bring sie doch um“, schlug Sasori ungerührt vor. Diese Empfehlung konnte auch nur von seinem Danna kommen. Lebendige Hindernisse hatte er stets auf diesem Weg entfernt. Langsam brach Deidara den Körperkontakt und fuhr sich mit der Hand durch das blonde Haar. „Und was dann? Er muss sich eine neue Frau nehmen und das Theater geht von vorn los, hm.“

Missbilligend zogen sich Sasoris Augenbrauen zusammen. „Was hast du eigentlich behalten von dem, was ich dir beigebracht habe?“, hakte er unwirsch nach. „Es existieren langsam wirkende Gifte. Sie schleichen durch den Körper und zerstören ihn langsam von innen. Bis der Tod einsetzt, können Monate vergehen, in der richtigen Dosierung sogar Jahre.“

Deidara schnaufte. „Und dann muss er sich trotzdem eine neue Frau nehmen, hm“, beharrte der Blonde. Minimal neigte Sasori den Kopf. „Bist du dir da sicher, dass er sich nicht über die Gesellschaft hinwegsetzen wird? Irgendwann wird er dieses Versteckspiel Leid sein.“ Irritiert sah er seinen Meister an. „Woher willst du das wissen, hm?“

Gewissheit spiegelte sich in den braunen Iriden wider. „Was man wirklich …liebt, …kann man nicht verstecken.“ Deidara war zugegebenermaßen erschrocken, aus Sasoris Mund eine Form des Wortes Liebe zu hören. Es war eines dieser mit Emotionen beladenen Worte, die der Rotschopf immer sorgfältig mied. Und nun wollte auch gar nicht zu ihm passen, dass er es aussprach.

Allerdings hatte Sasori auch sehr allgemein gesprochen. Was man wirklich liebt, hatte er gesagt. Der Blonde dachte an Früher zurück. Kurz nachdem Sasori ihn zu sich genommen hatte, war er seiner Schwäche für Gifte noch heimlich nachgegangen. Niemand hatte davon gewusst, nur sein Schüler. Und er hatte darüber schweigen müssen. Mit der Zeit jedoch war Sasoris Vorliebe an die Oberfläche durchgesickert. Er hatte seine Waffen mit seinen Giften präpariert und als einer der Samurai den Unterschied bemerkt hatte, war dieser Umstand bald in aller Munde gewesen. Von da an war Sasori von den anderen als ehrloser Samurai bezeichnet worden. Sie hatten ihn noch mehr gemieden als zuvor. Gift war keine Waffe für einen Samurai, sondern nur etwas für hinterhältige Shinobi.

Dachte er heute daran zurück, so fiel ihm auf, dass es Sasori danach besser gegangen war. Er hatte einfach getan, was ihm wichtig war und hatte kein Geheimnis mehr aus seinen Giften gemacht. Als habe er sich von einer Last befreit.

Ihn und ihre Beziehung zueinander hatte er auch nie verborgen. Unweigerlich breitete sich ein liebevolles Lächeln auf seinen Lippen aus. Ungestüme Wärme durchströmte ihn. Auf Umwegen hatte Sasori ihm soeben ein Liebesgeständnis gemacht. Nach so langer Zeit erhielt er endlich die Antwort auf sein eigenes Geständnis.

„Hör auf zu grinsen wie ein Idiot. Befass dich lieber mit deinem Problem“, brummte der Rotschopf. Das Lächeln wandelte sich in ein schiefes Grinsen. Sasori konnte mit der Gefühlsduselei, wie er es nannte, nicht umgehen. Und er wollte es ihm nicht unnötig schwer machen.

„Wieso bist du dir so sicher, dass Gaara unsere Beziehung irgendwann öffentlich macht, hm?“ Denn der Daimyô hatte ihm selbst gesagt, dass es ihm lieber war, seinen größten Schwachpunkt im Dunkel zu belassen, während Sakura selbigen verschleierte mit ihrer Anwesenheit.

„Überleg doch mal“, erwiderte Sasori. „die ausgebliebene Strafe wegen des Pfeils.“ Deidara dachte daran zurück. Gaara war ziemlich sauer gewesen. Später hatten sie in Ruhe darüber geredet und er glaubte, der Rotschopf habe seine Beweggründe verstanden. Aber… Überraschung machte sich in ihm breit.

„Bemerkst du es endlich? Er hat bereits angefangen, indem er dich nicht bestraft wie er es hätte tun müssen.“ Natürlich! Die Abneigung der anderen Samurai gegen ihn war weiter gewachsen nach diesem Vorfall und dem Ausbleiben der Strafe. Manchmal belauschte er sie unabsichtlich, weil er auf einem der Dächer lag, unter dem sie gerade standen. Sie glaubten, Gaara bevorzugte ihn. Um sein Hiersein kursierten verschiedene Gerüchte. Die einen vermuteten, er sei das Bindeglied zu Akatsuki, weswegen er so viele Freiheiten besaß, weil man die Rônin nicht verärgern wollte. Andere waren der Ansicht, er sei eine Art Pfand, um vor Akatsuki sicher zu sein. Allerdings war die zweite Theorie sehr löchrig, da er immer wieder für eine Weile die Burg verließ. Im Scherz hatte einer der Krieger sogar mal behauptet, er schliefe mit Gaara. Obwohl der Mann die Wahrheit nicht kannte, war er schon sehr nah dran gewesen.

Shikamaru wusste bereits von ihrer Beziehung. Ihm war sogar aufgetragen worden, Sakura anzulügen, um ihre Zweisamkeit nicht unnötig zu gefährden.

„Dann ist es doch nicht mehr nötig, Sakura zu vergiften, hm“, meinte der Blonde schließlich. Sie hatte sowieso verloren. Gaara hielt sie auf Abstand. Außerdem bevorzugte er einen Kampf oder wenigstens einen schnellen Tod. Jemanden qualvoll und langsam sterben zu lassen passte eher zu Sasoris Methoden. Er wusste um die Rachsucht seines Meisters. Den Rotschopf sollte man nicht verärgern, wenn man nicht Deidara war. Denn er war sich sicher, dass Sasori ihm nie etwas Derartiges antun würde.

„Du musst mit ihr leben.“ Sasori hieß seine Entscheidung nicht gut, das hörte er aus seiner veränderten Stimmlage heraus.

„Es ist nicht meine Art, jemanden auf diese Weise zu töten. Das weißt du, hm.“ Sasori brummte. „Nein, deine Art ist es, alles in die Luft zu jagen.“ Breit grinste der Blonde. Wie gern würde er das mal wieder tun. Es war einfach zu friedlich. Die Shinobi waren auch wie vom Erdboden verschluckt, seitdem ihre Gesichter bekannt waren.

„Deidara“, begann Sasori und der Blonde wurde wieder ernst. „Setz dich.“ Ohne Hast ließ sein Meister sich im Seiza auf dem Boden nieder und sah ihn auffordernd an. Warum war plötzlich diese Förmlichkeit von Nöten? Deidara ließ sich ihm gegenüber nieder. Leichte Aufregung kroch durch seine Adern.

„Meine Schwerter sollen nicht ungenutzt einstauben.“ Sasori ließ die Worte einen Moment wirken, ehe er weitersprach. „Ich möchte, dass du sie wieder trägst.“ Verblüffung erfasste Deidara. „Du…“ Bevor er jedoch die richtigen Worte finden konnte, vervollständigte Sasori seinen Satz. „Ich vererbe sie dir.“

Deidara hatte die Schwerter seines Meisters bei sich getragen, um eine Erinnerung an ihn zu haben, die immer bei ihm war. Er hatte sie abgelegt als Zeichen, dass er bereit war, sich wieder mit der Welt auseinander zu setzen und nicht in der Vergangenheit zu verweilen.

Und nun wollte Sasori, dass er seine Waffen wieder trug. Es war üblich, ein Katana über Generationen hinweg weiter zu reichen. Sasoris Schwerter waren jedoch jung, da sie eine Spezialanfertigung für ihn gewesen waren. Seine eigenen Waffen hingegen hatte er von seinem verstorbenen Vater übernommen. Doch Sasoris Schwerter bedeuteten ihm weit mehr.

Er wollte seinen Wunsch gern erfüllen. Außerdem fühlte er sich geehrt, dass Sasori ihm seine kostbaren Waffen freiwillig überließ. Zuvor hatte er sie nach seinem Tod einfach an sich genommen. Das war eine völlig andere Ausgangssituation gewesen.

„Ich werde sie in Ehren halten, hm“, versprach Deidara. Mahnend erwiderte Sasori seinen Blick. „Das rate ich dir auch.“ Die darin versteckte Drohung ließ ihn vermuten, dass sein Meister als Heimsuchung aus dem Totenreich zurückkehrte, sollte er sich nicht daran halten.

Der Rotschopf beugte sich vor und schob seine Hand unter das lange Haar, griff bestimmt in Deidaras Nacken und zog ihn zu sich heran. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und nach vorn gegen Sasori zu kippen, stützte er sich auf dessen Oberschenkel ab. Genießend schlossen sich seine Lider, sobald er die warmen und fordernden Lippen seines Meisters spürte. Bereitwillig ging er auf ihn ein. Diese forsche, vertraute Art ließ ihn wohlig erschaudern. Deidara vergrub seine freie Hand in dem kurzen Haar, damit Sasori ihren Kuss nicht zu schnell brechen konnte. Sie hatten nur noch zu O-bon Gelegenheit zu derlei Intimitäten. Da wollte er alles von ihm so intensiv wie möglich spüren, was er kriegen konnte.
 

Müde hob der Blonde seine Lider. Abwesend starrte er hoch zur Decke. Die Sonne musste gerade über den Horizont kriechen. Das Licht, welches durch das Fenster drang, tauchte seinen Raum in morgendliches Zwielicht. Der Geruch von Weihrauch waberte durch das Zimmer. Es war ein Überrest von den Räucherstäbchen gestern Abend, welche er vor dem Butsudan angezündet hatte.

Seufzend rieb er sich übers Gesicht. Sasoris Geist hatte keine Zeit verschwendet seit das Totenfest gestern begonnen hatte. Deidara freute sich, seinem Meister zumindest auf diese Art noch nahe sein zu können. Aber es stimmte ihn auch traurig, weil er ihm im realen Leben nie wieder nahe sein konnte.

Gerade jetzt war es angenehm, allein zu sein. Deidara hatte Gaara kurz vor O-bon gesagt, dass er während des Festes nicht mit ihm das Lager teilen wollte. Das Totenfest war für ihn nach wie vor ein sehr persönliches Fest. Es verband ihn mit Sasori und diese letzte Verbindung zu ihm wollte er auf keinen Fall zerreißen lassen.

Deidara stemmte sich in eine sitzende Position und schob die Decke zurück. Nachlässig schob er das wirre Haar über seine Schulter. Anschließend erhob er sich. Gähnend streckte er sich und schlurfte zum Wandschrank. Nachdem er die Tür aufgeschoben hatte, fiel sein Blick auf Sasoris Schwerter. Er nahm das Katana von der Halterung. Glatt und vertraut schmiegte sich die Saya gegen seine Handinnenflächen. Deidara legte seine Finger um den Griff. Langsam zog er die Klinge ein Stück weit aus der Hülle und betrachtete den eingravierten Skorpion.

Ein bitteres Lächeln huschte über seine Lippen. Sasori hatte ihm seine Waffen vermacht. Er sollte sie jetzt tragen. Könnte sein Meister seine Schwerter doch nur selbst mit sich führen.

Geheime Absprachen

Gaara erwartete, dass Akatsuki wieder zu O-bon auftauchte. Und wie die Male zuvor standen sie am ersten Tag des Totenfestes unangekündigt vor seinem Burgtor. Der Daimyô ließ die Rônin ein, wusste er, aus welchem Grund sie gekommen waren. Wie Deidara wollten sie Sasori gedenken.

Sein Krieger zog sich jedoch auch dieses Jahr zurück und wollte für sich allein bleiben. Gaara respektierte dies und ließ ihn in Ruhe. Brauchte Deidara seine Nähe, würde er zu ihm kommen. Er konnte dieses Verhalten sogar nachvollziehen. Kehrte die Seele seines Meisters in die Welt der Menschen zurück, fühlte Deidara sich sicherlich nicht wohl, wenn er seine Aufmerksamkeit nicht ganz Sasori widmen konnte. Er hatte seinen Danna geliebt und Gaara wollte sich nicht zwischen diese Liebe stellen. Deidara hatte ein Leben gehabt, bevor sie sich begegnet waren. Er war einfach froh, dass ihre Leben inzwischen miteinander verbunden waren. Demnach verstand er Deidaras Wunsch, zum Totenfest der Vergangenheit und Sasori zu gedenken.

Gaara hatte über die Festtage wie üblich viele Termine, an die er sich halten musste, weswegen er sich auch nicht nennenswert um Akatsuki in seiner Burg kümmern konnte. Er gewährte ihnen für ein paar Tage Unterkunft, aber er ging davon aus, dass sie ihren eigenen Beschäftigungen nachgingen. Schließlich waren sie nicht wegen ihm hier. Seit ihrer Begrüßung hatte er sie auch noch nicht wieder gesehen. Zugegeben, Gaara war erstaunt, dass Konan dabei war. Ihr runder Bauch verriet ihre Schwangerschaft. In ein paar Wochen war es vermutlich soweit. Warum ließ Yahiko seine hochschwangere Frau mit ihnen reisen? Nun, das sollte nicht sein Problem sein. In einer Stunde stand der Besuch beim Tempel an. Dafür musste er allmählich die nötigen Vorbereitungen treffen.

Gerade erhob Gaara sich, da klopfte ein Diener an seine Tür. Sein Ziel waren sowieso seine Gemächer, also schob er die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf und sah den Mann ruhig an. „Was gibt es?“, fragte er. Der Diener verbeugte sich höflich vor ihm. „Gaara-sama. Yahiko wünscht Euch zu sprechen in der Angelegenheit Uchiha Sasuke.“ Der Rotschopf fragte sich, was Yahiko mit ihm besprechen wollte, doch er ließ seine Grübelei nicht nach außen dringen. „Sag ihm, ich werde mir heute Abend etwas Zeit für ein Gespräch mit ihm nehmen.“

Erneut verbeugte sich sein Diener tief vor ihm. „Ich werde es ausrichten, Gaara-sama.“ Mit diesen Worten zog der Mann sich zurück und Gaara strebte die Treppe zu seinen Gemächern hinauf. Er hatte jetzt keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, worüber genau Yahiko mit ihm reden wollte. Das musste bis heute Abend warten. Seine volle Konzentration wurde bei der Zeremonie im Tempel verlangt.
 

Der Abend war bereits weit fortgeschritten. Sein Arbeitszimmer wurde inzwischen nicht mehr vom Licht der Sonne, sondern von der Öllampe erhellt, die auf dem Tisch stand. Gaara wollte sich am liebsten nur noch schlafen legen, aber vorher stand noch das Gespräch mit Yahiko an. Der Anführer der Rônin wurde soeben von seinem Diener angekündigt. „Tretet ein“, rief er halblaut. Die Tür wurde geöffnet und Yahiko betrat den Raum. Nachdem die Tür sorgfältig geschlossen worden war, bot er dem Orangehaarigen den Platz auf der gegenüberliegenden Seite seines Tisches an.

Yahiko ließ sich auf dem Sitzkissen nieder. „Entschuldigt, dass dieses Gespräch zu einer so späten Stunde stattfinden muss. Aber vorher war keine Zeit“, erklärte Gaara kurz. Der Rônin deutete ein Kopfschütteln an. „Ich habe nicht erwartet, dass Ihr während O-bon viel Zeit erübrigen könnt. Allerdings ist diese Angelegenheit zu wichtig, um nicht darüber zu sprechen.“

Gaara zügelte seine innere Neugier und sah seinen Gast abwartend an, was er zu sagen hatte.

„Es ist schwer, nicht zu bemerken, dass sowohl in Nagoya als auch in Matsuyama Vorbereitungen für eine größere Reise getroffen werden. Ihr wollt mit Sasuke verhandeln.“ Dass die Rônin davon wussten, war nicht erstaunlich. Spätestens seit dem Gespräch mit Zetsu im Garten konnte er ungefähr abschätzen, wie effektiv ihr Spion war. „Wir vermuten, dass Orochimaru noch lebt und hinter all dem steckt. Die Shinobi, die Eure Stadt bedrohten, wurden wahrscheinlich von ihm geschickt. Wir haben keine Beweise dafür, aber es ist wahrscheinlicher als andere Möglichkeiten.“

Yahiko machte eine Pause und ließ diese Information wirken. Sollte er Recht haben und Orochimaru noch leben, war das Ausmaß der Auseinandersetzungen größer als bisher angenommen. Zog der alte Daimyô im Hintergrund die Fäden, wurde Sasuke zu einem wirklich gefährlichen Gegner, weil er von der Erfahrung Orochimarus profitierte. Der Schwarzhaarige hatte also vermutlich eine Marionette auf seine Position gesetzt, die nun für ihn agierte. Hinzu kam Sasukes persönlicher Groll gegen seinen älteren Bruder.

Langsam setzte sich die Situation zusammen. Orochimaru hatte im Krieg gegen ihn verloren. Akatsuki hatte dem alten Daimyô die Hilfe verweigert. Seine Burg und viele seiner Untergebenen waren Deidaras Rache zum Opfer gefallen. Sasuke hasste seinen Bruder, der zu Akatsuki gehörte. Sicher ließ er sich mit der richtigen Taktik leicht manipulieren. Das Ziel der Shinobi war es gewesen, ihn dazu zu bewegen, sich an die Rônin zu wenden.

Zusammengefasst ging es letztendlich um alte Rechnungen, die beglichen werden sollten. Mit Rache als Motiv für Kriegshandlungen wurde eine Verhandlung schwer. Er sollte sich auf Fallen und hinterhältige Angriffe in Sakai vorbereiten.

„Ihr berichtet mir davon doch nicht einfach so“, kommentierte Gaara schließlich. „Was ist Euer Anliegen?“

Zustimmend neigte Yahiko den Kopf. „Wir vermuten, dass Akatsuki Teil Eurer Verhandlungen sein wird. Aber wir sind niemandem verpflichtet und werden nicht andere für uns verhandeln lassen.“ Gaara hatte bereits Überlegungen zu den Verhandlungen angestellt. Eine mögliche Option war, dass Sasuke auch in Bezug auf die Rônin eine Vereinbarung treffen wollte. Noch hatte er kein Konzept, wie er angemessen dagegen vorging. Aber der ehemalige Samurai verschaffte ihm nun vielleicht eine passende Lösung.

„Was schlagt Ihr vor, sollte dieser Fall eintreten?“

Die grauen Augen des Anführers bohrten sich in seine hinein. Der Mann strahlte eine Autorität aus, die der eines Daimyô in nichts nachstand. Genaugenommen begannen die Verhandlungen bereits jetzt, aber hinter verschlossenen Türen.

„Wir werden während der Verhandlungen ebenfalls in Sakai sein. Sobald Akatsuki Erwähnung findet, werdet Ihr über Deidara mit uns Kontakt aufnehmen. Ab diesem Zeitpunkt werden wir als dritte Partei an den Verhandlungen offiziell beteiligt sein. Wir sprechen für uns selbst.“ Yahikos Unterton ließ keinen Widerspruch zu. Aber Gaara lag nicht daran, ihm einen anderen Vorschlag zu unterbreiten. Akatsuki stand nicht unter seinem Schutz. Sie benutzten einander, mehr nicht. Also sollte die Bande das Recht haben, für sich selbst zu sprechen. Gaara konnte und wollte nicht über Menschen bestimmen, die nicht zu seinem Reich gehörten.

„Habt Ihr darüber schon mit Deidara gesprochen? Er gehört zu Euch, steht aber zugleich unter meinem Schutz“, wandte Gaara ein.

Yahiko verneinte. „Deidara gehört offiziell zu Euch.“ Gaara konnte nicht abschätzen, ob dies entschieden worden war, weil Deidara letztens Probleme mit den Rônin gehabt hatte oder weil er sein Samurai war und Akatsuki eine Bande herrenloser Krieger. Da Deidara unter seinem Banner ritt und seinen Befehlen gehorchte, war es eigentlich nur logisch, dass er über ihn entscheiden musste. Denn nun konnte Deidara selbst ein Teil der Verhandlungen werden, sollte Orochimaru nicht nur an Akatsuki allgemein Rache ausüben wollen, sondern auch an einzelnen Mitgliedern im Speziellen, selbst wenn sie nicht mehr zu Akatsuki gehörten. Es war eine Tatsache, dass Deidara die Burg in Nagoya in die Luft gesprengt hatte.

„Mir ist bekannt, dass Sasuke Itachis kleiner Bruder ist“, leitete Gaara einen zweiten wichtigen Punkt ein, der berücksichtig werden musste. „Und ebenso, dass Sasuke eine Abneigung gegen seinen Bruder hat. Es wäre nicht förderlich, wäre Itachi zugegen, sollte Akatsuki wirklich Teil der Verhandlungen werden.“

Ein stoisches Nicken folgte. „Itachi und Kisame werden nicht in Sakai dabei sein.“ Wie schwer musste es für Itachi sein, sich dieser Entscheidung zu beugen? Sein kleiner Bruder war ihm sehr wichtig, das hatte er aus dem kurzen Gespräch herausgefiltert, das er während seines unfreiwilligen Aufenthaltes bei Akatsuki mit dem Uchiha geführt hatte.

Gaara schlussfolgerte aus Yahikos Antwort, wer von den Rônin in Sakai auftauchen würde. Konan blieb definitiv in ihrem Versteck. Sie konnten mit Kakuzu, Hidan, Zetsu und den beiden Neuen, von denen Deidara berichtet hatte, sowie dem Anführer rechnen. Soweit er beurteilen konnte, stufte Akatsuki diese Verhandlungen als relativ gefährlich ein, agierten sie üblicherweise in Zweier- oder Dreiergruppen. Auch dieses Detail kannte er von Deidara. Nur bei wirklich großen Aufträgen trat Akatsuki fast vollständig in Erscheinung. Eine Ausnahme war der Krieg gegen Orochimaru gewesen, weil ihr Zuhause niedergebrannt worden war.

„Gut“, kommentierte Gaara. „Wenn O-bon vorbei ist, solltet Ihr bezüglich der Kontaktaufnahme mit Deidara sprechen. Gibt es noch etwas?“ Yahiko verstand den Hinweis sicherlich, dass er ihre Unterredung gern beenden würde, sofern der Anführer von Akatsuki nicht noch ein Detail bisher für sich behalten hatte, was von Belang war.

„Nein“, beantwortete der Orangehaarige seine Frage und erhob sich. Er zeigte ihm auf diese Weise, dass er nicht zu seinen Untergebenen gehörte und sie zumindest in diesem Raum ungefähr gleichrangig waren. Beide trugen sie die Verantwortung über Menschen, nur dass Gaara ein ganzes Land regierte. In der Öffentlichkeit respektierte Yahiko ihren Standesunterschied. „Ich wünsche eine geruhsame Nacht.“ Mit diesen Worten verabschiedete Yahiko sich und verließ das Arbeitszimmer des Daimyô.

Abendessen mit heimtückischem Beigeschmack

Sakai. Die Stadt, in der die Verhandlungen stattfinden sollten. Deidara war sich sicher, dass Akatsuki bereits hier war. Die Gruppe Rônin reiste deutlich schneller als ein Daimyô mit Gefolge. Zetsu beobachtete garantiert den Marsch durch die Straßen zur angemieteten Herberge.

Samurai der Hyûga trieben ihre Pferde voraus und sorgten für eine freie Straße. Auf diese Weise konnte man einen besseren Überblick gewährleisten. Gaara wurde von Shikamaru und Neji flankiert. Heute trug der Rotschopf ausgesprochen kostbare Gewänder. In den schwarzen Jin Baori waren goldene Fäden eingewoben, die sich über den edlen Stoff rankten. Der schwere Kimono war in dieselbe Farbe wie sein Haar getaucht. Hell hob sich der jadefarbene Obi ab und betonte Gaaras Augenfarbe. An der Seite lugten seine Schwerter unter dem Jin Baori hervor, gehalten von der Schnürung des schwarzen Hakama. Und wer darauf achtete, konnte die unscheinbare Ausbeulung erkennen, die der Flaschenkürbis verursachte.

Deidara fand Gaara heute besonders attraktiv gekleidet. Er würde ihn zu gern später aus der Kleidung schälen. Doch zuerst die Arbeit, danach das Vergnügen. Ein gemeinsames Abendessen mit Sasuke stand an. Morgen würde die eigentliche Verhandlung beginnen.

Deidaras Blick fiel auf Sakuras Sänfte vor ihm, die von General Hizashi und Kiba begleitet wurde. Obwohl Sakura als Vertreterin der Môri dabei war, empfand Deidara sie als überflüssig. Die Môri und Shikoku hatten dasselbe Ziel, von Sasuke nicht weiter behelligt zu werden. Demnach reichte eine Person, die ihre Ansichten vertrat.

Die hinter ihm reitenden Samurai kamen näher. Deidara drückte seine Fersen in die Flanken seines Pferdes. Das Tier beschleunigte seinen Schritt und holte wieder mehr auf. Sein Blick schweifte über die Einwohner der Stadt. Sie verweilten am Straßenrand und schauten dem Tross nach, teils mit Neugier, teils mit Beunruhigung und Angst in den Gesichtern. Vielleicht war Sasuke bereits in Sakai und den Bürgern wurde klar, dass etwas vor sich ging. Pessimisten vermuteten Auseinandersetzungen, die ihr Leben zerstören könnten. Deidara musste grinsen. Allein bei dem Gedanken an einen ordentlichen Kampf stieg die Vorfreude in ihm wie eine unaufhaltsame Flut. Er hätte nichts gegen eine kämpferische Entscheidung. Die Shinobi in Matsuyama waren eine gute Aufgabe gewesen, doch er wollte endlich wieder einen anständigen Kampf gegen Krieger bestreiten. Leider durfte er keinen Kampf provozieren. Gaara hatte solche Gedanken bei ihm erahnt und ihm das Versprechen abgerungen, niemanden zu Kampfhandlungen zu provozieren.

Der Tross durchquerte ein Eingangstor und kam auf dem großzügigen Innenhof zum Stehen. Sie waren bei der Herberge angelangt. Deidara saß ab und betrachtete das Gebäude. Akatsuki kehrte immer in unscheinbaren Herbergen ein, aber diese hier war für die höhere Gesellschaft bestimmt. Das Gebäude besaß mehrere Stockwerke und machte einen gepflegten Eindruck. Es war definitiv genug Platz für das gesamte Gefolge. Zwei Dienerinnen erwarteten den Daimyô und seine Frau am Eingang. Tief verbeugten sie sich vor der herrschenden Klasse. Deidara bemerkte Shikamarus ernsten Blick in seine Richtung. Amüsiert grinste er. Der General hieß die Beziehung zu Gaara nicht gut. In einem ihrer Übungskämpfe hatte er ihn gewarnt, Gaara nicht ins Unheil zu stürzen.

In geringem Abstand folgte Deidara dem Daimyô und dem namhaften Gefolge ins Innere der Herberge. Was wusste Shikamaru denn schon über ihre Beziehung? Nichts. Er sollte sich raushalten und seine Aufgaben als General ausführen.
 

Sasuke ließ sie warten. Dabei hatte eine schlichte Frage bei dem Hauspersonal ihrer Herberge ans Licht gebracht, dass der Uchiha bereits seit gestern in der Stadt war. Sasuke nächtigte mit seinem Gefolge in einer anderen Herberge. Für das erste Treffen war bewusst ein neutraler Ort gewählt worden, ein Lokal im Zentrum der Stadt, damit niemand die territoriale Oberhand besaß. Ebenso sollten morgen die Verhandlungen ablaufen, auf unparteiischem Boden außerhalb ihrer jeweiligen Herberge.

Und obwohl der Uchiha zweifellos ausgeruht sein musste, verspätete er sich. Auf diese Weise beleidigte er Gaara. Sasuke zwang den Rotschopf auszuharren, bis er Zeit für ihn einräumte. Theoretisch müsste der Uchiha auf Gaara warten, denn er war derjenige, der den Titel rechtmäßig erhalten und sich nicht ergaunert hatte.

Endlich öffnete sich die Schiebetür. Ein Mann mit kurzem, schwarzem Haar trat ein. Deidara erkannte ihn sofort wieder. Dieses stoische Gesicht und diese schwarzen Augen würde er immer erkennen, war die Ähnlichkeit zu Itachi nicht zu übersehen. Sasukes Gewänder standen Gaaras in nichts nach. In seinem Clan schien allerdings eine starke Neigung zu den Farben Blau und Weiß zu herrschen. Ein indigofarbener Kimono hüllte ihn ein. Dazu trug er einen weißen Hakama und schwarzlackierte Geta. Auf dem Jin Baori prangte in Brusthöhe auf jeder Seite ein kleines Wappen. Ein rotweißer Fächer, das Wappen der Uchiha. Deidara kannte es zur Genüge, zierte dasselbe Wappen das Rückenteil von Itachis Haori.

Hinter dem Uchiha betrat sein engstes Gefolge den Raum. Der weißhaarige Mann erinnerte Deidara zuerst an Kimimaro, aber er war jünger und entblößte beim Grinsen zwei Reihen spitzgefeilter Zähne. Dagegen war er selbst noch normal, fand Deidara. Jûgo hier zu sehen, war überraschend. Soweit Deidara wusste, hatte nur Kimimaro dieses Monster unter Kontrolle gehabt. Der Mann nahm von niemandem sonst Befehle an. Aber er schien Sasuke zu folgen. Aus Jûgos Schatten trat eine junge Frau. Das feuerrote Haar fiel offen über ihre Schultern und biss sich mit dem fliederfarbenen Kimono, der von einem schwarzen Obi ordentlich zusammengehalten wurde. Das musste die Gruppe sein, die sie damals auf dem Rückweg von Tokushima angegriffen hatte. Der Weißhaarige und die Frau waren demnach nicht zur Zierde hier.

Optisch schien die Seite Sasukes in der Minderheit zu sein, als sie sich zur Begrüßung gegenübertraten. Aber Deidara ließ sich davon nicht täuschen. Er musste einen Trumpf im Ärmel haben, wenn er sich so gelassen geben konnte und mit nur drei Untergebenen zum gemeinsamen Abendessen erschien. Eigentlich bräuchte er Schwarzpulvergeschosse, die er auch ohne einen Brandpfeil entzünden konnte. Vielleicht sogar welche, bei denen es möglich war, sie in einem Raum wie diesen zu zünden. Daran sollte er mal arbeiten.

Höfliche Verbeugungen wurden ausgetauscht. „Verzeiht die Verspätung. Zwei Karren haben sich ineinander verkeilt und die Straße blockiert“, sprach Sasuke ruhig. Deidara verkniff sich ein abfälliges Schnauben. Als ob das einer von ihnen glaubte!

„Ein ungünstiger Zufall“, kommentierte Gaara. „Nun, dafür wird morgen die Wahrscheinlichkeit gering sein, dass etwas Euch aufhält, Sasuke-dono.“ Eine versteckte Warnung lag in diesen Worten. Der Rotschopf zeigte, dass er Sasuke keinen Glauben schenkte. Gaara wollte die Auseinandersetzungen auf friedliche Art beenden, aber er ließ sich von Sasuke nicht auf der Nase herumtanzen.

„Setzen wir uns, Gaara-dono.“ Sasuke deutete auf die Sitzkissen. Dienerinnen brachten weitere Kissen für Sasuke und sein Gefolge, sodass alle einen Sitzplatz hatten. Wie für solche Lokale üblich war der Raum länglich. Auf der einen Seite blieb der Raum frei. Dieser Teil diente als Bühne für kleine Aufführungen. Am anderen Ende des Raumes saßen die Daimyô und Sakura der freien Fläche frontal zugewandt. Gaara erhielt den Platz in der Mitte. Zur Rechten seiner Frau saß sein Gefolge, Sasukes Untergebene setzten sich zu dessen Linken. Sie mussten ihren Kopf extra drehen, wenn sie dem Schauspiel folgen wollten. Dafür hatten sie aber die Gefolgsleute der jeweils anderen Seite gut im Blick.

Dienerinnen stellten nun vor jedem einen kleinen Tisch auf und reichten Tee. Bevor das Abendessen aufgetragen wurde, führte eine Koto-Spielerin[63] ihre Kunst vor. Deidara lehnte sich etwas zurück. Gelangweilt blickte er in seine Teeschale hinab. Vielleicht hätte er sich doch Sake bestellen sollen. Der Abend versprach lang zu werden. Er hätte lieber ein Kyôgen-Stück angesehen, als dabei zuzuschauen, wie jemand an einem Instrument herum zupfte. Zweifellos war die Frau sehr gut. Die Melodie klang schön in den Ohren. Aber Deidara bevorzugte einfach eine andere Art der Unterhaltung.

Als die Künstlerin geendet hatte, verbeugte sie sich tief und zog sich zurück. Diese Darbietung sollte für eine angenehmere Atmosphäre sorgen und als harmloser Gesprächsstoff dienen, um eine erste Annäherung zu gewährleisten.

Diener brachten kleine Schälchen mit Reis, Gemüse und Fisch hinein, appetitlich angerichtet, um auch das Auge zu erfreuen. Deidara bevorzugte das Abendessen, während er die Konversation anderen überließ. Schließlich war er nur zu Gaaras Schutz dabei und als Bindeglied zu Akatsuki. Dennoch wanderte sein Blick immer wieder beobachtend über die anderen. Im Laufe des Abends fiel ihm der Blick auf, den Sakura dem Uchiha hin und wieder zuwarf. Da war ein Funkeln in ihren moosgrünen Augen, dasselbe Funkeln, mit dem sie Gaara oft bedachte. Sie schien Interesse an Sasuke zu entwickeln. Innerlich grinste Deidara siegessicher, nach außen regte sich kein Muskel. Er sollte beten gehen. Vielleicht erhörten die Götter ihn und Sakura ging fremd. Wenn der Ehebruch rauskam, konnte Gaara sich von ihr trennen und sie waren ihr Problem los. Zumindest eine Weile. Allerdings könnte das auch problematisch werden, sollten die Môri sich dann Sasuke anschließen. Verzwickte Angelegenheit.

Jemand beobachtete ihn. Er fühlte sich unwohl unter diesem Blick. Deidara suchte nach dem Urheber und fand bei der Rothaarigen die Schuldige. Wenn er sich recht erinnerte, hatte Sasuke sie bei der Vorstellung Karin genannt. Ihr Blick war mörderisch. Am liebsten würde sie ihn auf der Stelle umbringen. Doch warum? Deidara hatte noch nie etwas mit dieser Frau zu tun gehabt. Sie war keiner der Shinobi gewesen. Diese hätten einen Grund, ihn zu hassen. Waren sie sich früher begegnet? Deidara konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Aber ihr lag definitiv nichts am Frieden. Ein herausforderndes Grinsen stahl sich auf Deidaras Lippen. Sollte sie nur den Anfang machen. Dann hatte der Blonde einen Grund, sich zu prügeln.

Deidara rief eine Dienerin zu sich und verlangte Sake. Genug der Enthaltsamkeit. Eine Flasche vertrug er ohne Probleme. Wenig später kam die Frau mit einem Tablett zurück. Von den drei kleinen Sakeflaschen und den dazugehörigen Schälchen stellte sie ihm je eines davon auf seinen Tisch. Die Dienerin wollte ihm eingießen, doch Deidara verscheuchte sie mit einem Murren. Er konnte das selbst. Das konnte sie bei den anderen machen.

Während er etwas von dem heißen Sake in sein Schälchen goss, beobachtete er aus den Augenwinkeln, dass die anderen Sakeflaschen für Sakura und Gaara gedacht waren. Also war die Gesellschaft zumindest entspannt genug, um sich etwas Alkohol zu genehmigen, wenn man diese sonderbare Stimmung überhaupt entspannt nennen durfte.

Deidara hob das Schälchen an die Lippen. Lieber hätte er aus der Flasche getrunken, war das bequemer. Aber man musste ja die Etikette wahren. Genießend trank er von dem heißen Sake. Doch schon nach zwei Schlucken hielt er irritiert inne. Deidara leckte sich über die Lippen. Der Geschmack, der seine Zunge benetzte, war verfälscht durch eine an sich unscheinbare Note. Jemand, der nicht auf die Erkennung beigefügter Substanzen trainiert worden war, würde den Unterschied nicht bemerken und den Sake als geschmacklich originell einstufen.

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Deidara warf das Schälchen für alle gut sichtbar auf die Tatami. Der verbliebene Sake spritzte durch die schnelle Bewegung. Karin zuckte zurück und wischte sich über die Wange. Ein Tropfen musste sie erwischt haben.

Augenblicklich verstummten die Gespräche. Sämtliche Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Deidara erhob sich und schritt hinter den Hyûga und Shikamaru vorbei. Bei Gaara angelangt beugte er sich über ihn. Er griff nach dessen Sakeschälchen und schnupperte daran. Der Sake roch normal. Um kein Risiko einzugehen tauchte er kurz seine Zunge in die heiße Flüssigkeit. Nein. Der Sake des Daimyô war sauber. „Deidara“, drang Gaaras Stimme zu ihm durch. „Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung für dein Verhalten.“

Kurz sah er in die jadefarbenen Augen. „Euer Sake ist in Ordnung, hm“, murmelte er nur. Sakuras Sake interessierte ihn nicht weiter. Langsam richtete Deidara sich zu seiner vollen Größe auf und sah auf Sasuke herab. „Glaubt Ihr etwa, ich merke nicht, wenn man mich zu vergiften versucht?“, fragte er unverhohlen. Eine Spur von Überraschung zeigte sich im Gesicht des Uchiha. „Das ist eine schwere Anschuldigung. Wie kommt Ihr darauf?“

Deidara schnaufte beinahe amüsiert. Als ob Sasuke nichts davon wusste. Die Dienerin, die den Sake gebracht hatte, stand mit erschrocken aufgerissenen Augen an der Tür. Mit einer flinken Bewegung war er bei ihr, riss sie zu sich heran und verbog ihren Arm auf den Rücken. Ein Laut des Schmerzes entkam ihrer Kehle. „Wie viel haben sie dir bezahlt, damit du das Gift in den Sake mischt, hm?“, fragte er sie. Eisern hielt er die Frau fest, während er sich wieder an Sasuke wandte. „Mein Lehrmeister war Akasuna no Sasori. Es war einfältig von dir, zu glauben, mich so einfach ausschalten zu können mit seiner liebsten Waffe, hm.“ Stolz schwang in seinen Worten mit.

Manchmal hatte Deidara die Methoden seines Danna angezweifelt, doch heute retteten diese merkwürdigen Methoden ihm vermutlich das Leben. Sasori hatte ihm beigebracht, wie er Gifte auf verschiedene Arten erkennen konnte. Die Gifte, die einen Geschmack und Geruch hatten, hatte er kosten müssen. Zuerst hatte er seinen Meister für irre erklärt. Aber auf Sasori war stets Verlass gewesen. Er hatte ihm anschließend immer sofort das Gegenmittel gegeben, damit dieses das Gift neutralisieren konnte.

Allmählich kam Leben in die anderen. Sie erhoben sich. Offiziell trug in diesem Raum niemand Waffen, gehörten selbige nicht an den Tisch. Aber die Krieger machten sich kampfbereit. Deidara sah es in ihren Augen und an ihrer Haltung.

„Wagt es nie wieder, mich zu beleidigen, Krieger“, erwiderte Sasuke kalt. Deidara reizte die Arroganz in seiner Stimme. Dieser Bengel war wie sein älterer Bruder.

„Ich rede so mit dir, wie es mir passt, Uchiha“, spuckte er ihm entgegen. „Du bist nur ein falscher Daimyô, der sich den Titel ergaunert hat. In Wahrheit bist du bloß ein Landstreicher, hm.“ Deidara weigerte sich, einem ehemaligen Samurai, der Gaaras Eskorte wie ein Straßenräuber angegriffen hatte, den Respekt zu zollen, den ein wahrer Daimyô verdiente.

Die Frau in seinen Armen wand sich. Prompt verdrehte Deidara ihren Arm weiter. Sie keuchte. Wenige Herzschläge später stieß er sie von sich. Die Dienerin war nicht weiter wichtig. Sie war nur die ausführende Hand gewesen. Der Kopf musste abgetrennt werden. Sie taumelte und fiel auf den Boden. Eilig rutschte sie zur Tür, um den aufgebrachten Parteien nicht im Weg zu sein.

„Jûgo.“ Sasuke hob seine Hand und bedeutete dem Angesprochenen mit einer lässig wirkenden Geste, vorzutreten. Der Hüne folgte diesem Befehl umgehend und baute sich neben dem Uchiha auf.

„Genug“, erscholl Gaaras Stimme. „Es ist nicht unser Ziel, einen Krieg zu beginnen. Wir ziehen uns jetzt zurück.“ Nach einer gewichtigen Pause fügte er mit dunklem Unterton an: „Doch sollte Deidara dem Gift erliegen, dann sehe ich es als das, was es ist, eine Kriegshandlung und werde entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ Gaara wartete nicht mehr Sasukes Reaktion ab, sondern wandte sich um. Bevor er den Raum verließ, huschte sein Blick sorgenvoll zu Deidara. Dieser deutete ein Nicken an. Bis zur Herberge würde er ohne weiteres kommen. Das Gift des Stechapfels war keines der sehr schnell wirkenden Sorte.
 

___________________________________________

[63]Koto: japanisches Musikinstrument

Die Wirkung setzt ein

In der Herberge angekommen ließ Gaara sofort nach seinem Leibarzt schicken. Shikamaru hatte sein Gefolge weise gewählt. Bei einem Treffen mit derartigen Spannungen war es immer klug, einen Mann in Reichweite zu haben, der sich mit der Heilkunst auskannte.

Der Rotschopf wandte sich an General Hizashi. „Ich übertrage Euch die Organisation der Nachtwache.“ Kein Spion von Sasuke sollte auch nur in die Nähe der Herberge gelangen. Der Hyûga verbeugte sich und entfernte sich mit Kiba und Neji, um die ihm anvertraute Aufgabe auszuführen.

Gaaras Blick glitt weiter zu seiner Frau. „Bitte ruh dich aus. Der Tag war anstrengend.“ Sakura neigte leicht ihr Haupt. „Wie du wünschst.“ Innerliche Erleichterung überkam Gaara, hatte er jetzt keine Geduld, sich nennenswert mit ihr auseinander zu setzen. Dafür saß seine Sorge um Deidara zu tief. Sakura schritt den Gang entlang und zog sich in ihr Zimmer zurück.

Nun waren sie nur noch zu dritt. „Wir gehen in Deidaras Raum“, befahl Gaara mit leiser Stimme, die jedoch nichts von ihrer Durchsetzungskraft verloren hatte. Der Blonde führte sie. Nach einem Knick schob Deidara die dritte Tür auf der rechten Seite auf und trat ein. Gaara folgte ihm. Hinter ihnen schloss der Shikamaru die Tür und verharrte.

Mit zunehmender Sorge beobachtete der Rotschopf, wie Deidara sich im Schneidersitz neben den flachen Tisch setzte. Sasoris Schwerter zog er aus dem Obi und legte sie neben sich. Erst hatte er sich gewundert, warum er plötzlich wieder die Waffen seines toten Meisters trug, aber Deidara hatte ihm erklärt, dass Sasoris Geist sie ihm vererbt hatte. Sein Krieger schien inzwischen auch bereit dafür, war der Stolz auf seinen Meister in seiner Stimme im Gasthaus deutlich zu hören gewesen.

Gaara kniete sich Deidara gegenüber und sah ihn ernst an. „Was für ein Gift ist es?“, fragte er. Noch schien es keine Anzeichen einer Vergiftung zu geben. Zumindest keine sichtbaren. Genervt seufzend fuhr die Hand Deidaras durch das lange Haar. „Es wird aus dem Stechapfel gewonnen. Ich weiß nicht, wie es hergestellt wird. Hab mich nie sonderlich für Gifte interessiert. Aber ich wurde darauf trainiert, sie wenigstens zu erkennen. Ich weiß das passende Gegenmittel, hm.“

Es klopfte an der Tür und eine Dienerin kündigte den Arzt an. „Tretet ein“, sprach Shikamaru. Die Tür wurde geöffnet und ein älterer Mann mit halb ergrautem Haar betrat den Raum. Hinter ihm schob die Dienerin die Tür wieder zu.

Gaara winkte seinen Leibarzt näher. „Deidara wurde vergiftet“, erklärte er das Problem. Der Daimyô stemmte sich hoch und trat zurück, um dem Mann Platz zu machen, damit er Deidara in Ruhe untersuchen konnte. Shikamaru trat neben ihn. Aus den Augenwinkeln sah Gaara ihn an. „Die Verhandlung wird verschoben, bis es Deidara wieder besser geht. Stirbt er, wird es keine Verhandlungen mehr geben. Ein Bote soll Sasuke darüber in Kenntnis setzen“, sprach er leise.

„Ich dachte, du wolltest einen Krieg verhindern“, wandte Shikamaru mit ähnlich gedämpfter Stimme ein. Der Arzt und Deidara mussten nicht unbedingt mithören. „Das ist wahr. Aber Sasukes Seite hat einen meiner Männer vergiftet. Ich kann das nicht ignorieren. Es ist ein hinterhältiger Angriff. Ich gebe ihm sogar noch eine Chance, die Situation zu retten, wenn Deidara überlebt.“

Der Heiler trat zu ihnen und beendete das Gespräch, dem sowieso nichts mehr hinzuzufügen gewesen wäre aus Gaaras Sicht. „Wie sieht es aus?“, fragte er.

„Das Gift beginnt allmählich zu wirken. Die bisherigen Symptome passen zu dem, was Deidara-san mir gesagt hat. Ich werde eine Dienerin in eine Apotheke schicken. Dann bleibt nur zu hoffen, dass er Recht behält und nicht genug zu sich genommen hat, um in eine lebensbedrohliche Situation zu geraten.“ Verstehend nickte Gaara und machte einen Schritt beiseite, um seinen Arzt vorbei zu lassen, damit dieser eine Dienerin mit seinem Auftrag betrauen konnte.

„Shikamaru, ich bleibe bei ihm“, erklärte Gaara mit fester Stimme. Angesprochener hieß seine Entscheidung nicht gut. Er erkannte es an dem Zweifel in dessen Blick. „Dein Arzt wird sich gut um Deidara kümmern“, gab er zu Bedenken.

Lautlos seufzte der Rotschopf. „Ich diskutiere darüber nicht. Geh.“ Ergeben verbeugte Shikamaru sich und verließ das Zimmer. Tief atmete Gaara durch, als er endlich allein mit Deidara war. Zumindest solange, bis sein Heiler zurückkehrte.

Gerade wollte er sich wieder zu seinem Krieger setzen und seiner Sorge etwas Raum gewähren, als es klopfte und der Heiler sich ankündigte. „Tretet ein“, sprach Gaara ruhig, innerlich aber unwillig. Ein paar Augenblicke Zweisamkeit waren doch nicht zu viel verlangt, oder?

„Was wollt Ihr noch hier? Ihr könnt sowieso nichts tun, bis Ihr nicht das Gegenmittel habt! Also kommt wieder, wenn Ihr es habt, hm!“, knurrte Deidara den älteren Mann streitlustig an. Überrascht weiteten sich Gaaras Augen für einen Moment.

„Gaara-sama?“ Sein Arzt hoffte nun auf seine Entscheidung. Schließlich hatte er ihn beauftragt, Deidara zu untersuchen und zu helfen. Er deutete ein Nicken an. „Ich rufe Euch, sollte sein Zustand sich rapide verschlechtern“, versicherte er dem Mann. Mit einer Verbeugung ließ er sie allein.

„Ich hoffe für dich, dass du die Situation richtig einschätzt.“ Gaaras Worte waren leise und nun, da sie endlich unter sich waren, voller Sorge. Musternd glitt sein Blick über den Blonden. Deidara stützte sich auf dem Tisch ab. „Mach dir keine Gedanken. Das bisschen wird mich nicht umbringen. Hätte ich allerdings die Schale leer getrunken, sähe es anders aus, hm.“ Die Erklärung mochte logisch erscheinen, aber die Sorge des Rotschopfes konnte dennoch nicht zerstreut werden. Tief atmete Gaara durch.

„Wie lange wird die Wirkung anhalten?“

Während Deidara aufstand und zur Tür trat, antwortete er: „Kann mehrere Tage anhalten.“ Die Tür wurde aufgeschoben und der Krieger rief einmal quer über den Flur nach einer Dienerin. „Bring mir Wasser, hm“, wies er die Frau an. Mit einem leisen Geräusch trafen Tür und Rahmen wieder aufeinander und Deidara kam zu ihm zurück.

„Solltest du nicht woanders sein, hm?“, fragte er mit diesem typischen Grinsen. Irritation machte sich in Gaara breit. „Wieso?“

Sein Samurai beugte sich vor. Das blonde Haar fiel sanft über seine Schultern nach vorn. „Ich bin bloß einer deiner Krieger. Du wirst Aufsehen erregen, wenn du bei mir bleibst, hm.“ Deidara hatte seine Stimme gesenkt. Die Worte waren nur noch ein Flüstern. Doch an dem Funkeln in seinem Auge erkannte er, dass Deidara seine Anwesenheit wollte.

Natürlich hatte er Recht. Jeder seiner Untergebenen erfuhr früher oder später über Gerede, dass er bei Deidara geblieben war, obwohl sich sein Heiler um ihn kümmern konnte. Wäre seine Frau vergiftet worden, wäre sein Verhalten angemessen. Nicht aber bei Deidara. Doch Gaara konnte sich nicht vorstellen, in seinem Zimmer zu warten bis ihm eine Dienerin die Nachricht von Deidaras Genesung oder seinem Tod brachte. Er würde wahnsinnig vor Sorge werden, nicht genau zu wissen, wie es ihm ging. Gaara wollte bei ihm bleiben. „Das ist mir egal“, erwiderte er schließlich fest.

Die Dienerin klopfte. „Ich bringe das Wasser, Deidara-sama.“ Gedämpft drang ihre Stimme durch die Tür.
 

Deidara war so heiß. Er wollte sich in einen eisigen Fluss werfen, damit das kalte Wasser seinen Körper kühlen konnte. Der Lappen auf seiner Stirn half kaum. Für nur wenige Augenblicke verschaffte das feuchte Tuch Kühlung, welches über seinen Oberkörper strich. Doch ihm fehlte die Kraft, sich von seinem Futon zu erheben. Seine Glieder fühlten sich unendlich schwer an, als lägen Steine auf ihm, die ihn niederdrückten.

Wie sehr er sich doch viel Wasser wünschte. Es würde auch gegen diese Trockenheit in seinem Mund helfen, der sich so ausgedörrt anfühlte, als hätte er seit zwei Tagen nichts mehr getrunken. Nicht einmal das Schlucken gelang ihm noch richtig.

Der Blonde hörte sein Herz pochen. Durch seinen gesamten Leib hallte das hektische Schlagen. Wieder fühlte er das kühle Tuch auf seiner Haut. Mühsam hoben sich seine Lider. Grelles Licht einer Öllampe stach in sein Auge, sodass er es gezwungenermaßen wieder schloss. Einen Moment hatte er rotes Haar gesehen… Gaara…
 

Sasori…
 

Danna! Ruckartig stemmte Deidara sich auf seine Ellenbogen hoch. Aus zu einem Schlitz zusammengekniffenen Lidern sah er auf. Sasoris braune Augen betrachteten ihn mit seinem üblich leicht genervten Ausdruck. Das feuchte Tuch hielt er in der Hand.

Ein müdes Lächeln verfing sich in Deidaras Mundwinkeln. „Ich… hab’s …er…kannt“, murmelte er rau. Seine Stimme klang seltsam fremd in seinen Ohren, die Worte auseinander gerissen wie ein alter Stofffetzen.

Er hatte das Gift erkannt. Sasori war bestimmt stolz auf ihn! „Du hättest es schon am Geruch erkennen müssen“, erklangen die tadelnden Worte seines Meisters.

Zitternd gaben Deidaras Arme unter ihm nach und zwangen ihn wieder auf den Futon. Sasori beugte sich langsam tiefer über ihn. Sanft strich er über seine erhitzte Haut an der Wange. Der Blick des Rotschopfes wandelte sich. Sorge und tiefe Zuneigung brachen über ihm herein wie ein lautloser Sturm. „…Saso…ri“, hauchte Deidara brüchig. Sasoris seltenes Lächeln huschte über dessen Lippen. Schwach hob der Blonde seine Hand und strich träge über die Seite seines Danna.

Ein roter Schimmer legte sich auf Sasoris Lippen. Zuerst glänzten sie in einem satten rot wie ein Robin, dann rann ein Tropfen Blut aus dem Mundwinkel und am Kinn hinab. Eine mahnende Spur des Lebenssaftes blieb zurück. Deidaras Finger begannen zu beben. Sie tasteten höher, erfühlten durchnässten Stoff. Furcht grub sich in sein Innerstes. Kaum richtete sich sein Blick auf Sasoris Seite, weitete sich sein Auge schockiert. Der dunkelgrüne Stoff des Gi war getränkt mit dem Blut seines Meisters. Aus dem Einschussloch sickerte es unaufhörlich weiter.

Panisch legte Deidara seine Hand darüber, um die Blutung zu stoppen. In Sasoris Gesicht spiegelte sich Schmerz wider. Sein Danna wirkte plötzlich so zerbrechlich wie eine fein gearbeitete Porzellanpuppe. Die Kraft wich aus Sasoris Körper. Als verlangsame eine höhere Macht die Zeit, sackte der Rotschopf über ihm zusammen.

Deidara spürte das Gewicht auf sich. Warmes Blut troff auf seine bloße Haut und die lebendige Wärme verließ Sasoris Leib ganz allmählich, aber unaufhaltsam. „Sasori“, brachte Deidara erstickt über die Lippen. Verzweifelt presste er seine Hand weiter auf die Schusswunde, in der Hoffnung, die Blutung würde endlich versiegen. Sein anderer Arm schlang sich um die schmalen Schultern, die Finger drückten sich in den Gi. Noch einmal durfte sein Meister nicht sterben. Er musste ihn retten und fühlte sich zugleich unendlich nutzlos. Sein Blut rann durch Deidaras Finger wie Sand. Sasori hatte ihn stets beschützt. Aber der Blonde konnte seinen Danna nicht schützen, nicht ein einziges Mal. Sasori starb in seinen Armen, während er ihn nur hilflos festhalten konnte.

Tränen sickerten aus seinem Augenwinkel. „Sasori…“, hauchte Deidara verloren.

Hilflos

Jadefarbene Augen waren auf das glänzende Gesicht des Blonden gerichtet. Der Arzt tupfte einmal mehr mit einem feuchten Lappen den Schweiß von Deidaras Haut. Wo blieb nur die Dienerin mit dem Gegenmittel? Wieso dauerte das so lange? Inzwischen waren schon ein paar Stunden vergangen und der Zustand seines Kriegers hatte sich rapide verschlechtert. Gaaras Besorgnis war zu massiver Angst heran gewachsen, als Deidara seine Arme um ihn geschlungen und ihn nicht mehr losgelassen hatte.

Der Heiler war der Meinung gewesen, er halluzinierte. Ein übliches Symptom bei dem Gift. Der Name von Deidaras altem Meister war an sein Ohr gedrungen, zutiefst verzweifelt, während sich die Hand in seine Seite gepresst hatte. Genau auf die Stelle, wo Sasori von der Kugel getroffen worden war. Gaara konnte sich anhand dieser Details denken, welche Bilder vor Deidaras innerem Auge schwebten.

Glücklicherweise war der Blonde wieder etwas ruhiger geworden, sodass sie ihn auf den Futon zurücklegen konnten. Zumindest blieb sein Zustand zurzeit stabil. Gaaras Finger zuckten. Er wollte dem Krieger durch das Haar streichen und seine Hand halten, um ihm zu vermitteln, dass er bei ihm war. Aber vor seinem Heiler konnte er sich diese Zuneigungsgesten nicht erlauben. Eigentlich sollte er nicht einmal in diesem Raum sein.

Gaara betete, dass Deidara Recht behielt und das Gift ihn nicht umbrachte. Verlieren wollte er ihn nicht. Deidaras Tod wäre seine Schuld. Als Daimyô trug er für seine Untergebenen die Verantwortung. Es lag an ihm, dass es ihnen gut ging. Er musste darauf achten, dass er niemanden der Gefahr aussetzte. Im Krieg war das leider nicht vermeidbar, aber der Gedanke, für den Tod seines Liebsten verantwortlich zu sein, löste ein scharfes Stechen in seiner Brust aus.

Es klopfte. Die Dienerin kündigte sich an, die in die Apotheke geschickt worden war. „Tretet ein“, sprach der Arzt und sah auf. Die Frau kam der Aufforderung nach. Sie wirkte außer Atem. Vermutlich war sie gerannt. Niedergeschlagen senkte sie den Kopf. „Ich war in jeder Apotheke der Stadt, aber keine einzige hatte das Gegenmittel da. Es tut mir Leid.“

Während sich die Augen des älteren Mannes überrascht und irritiert weiteten, verhärtete sich Gaaras Blick. „Wie schwer ist die Herstellung dieses Gegengiftes und wie üblich ist es, dass keine einzige Apotheke es zur Verfügung hat?“, fragte er seinen Leibarzt.

Der Mann begann seinen Gedankengang zu erfassen. „Die Herstellung dauert nicht lange, wenn man alle grundlegenden Zutaten bereits vorbereitet hat. Eine Apotheke besitzt diese Zutaten und es wäre kein Problem, das Gegenmittel zusammen zu stellen. Wollt Ihr damit sagen…“

Gaara nickte. „Jemand hat die Apotheker bestochen.“ Jemand aus Sasukes Reihen. Der Kampf war also noch nicht vorbei. Die andere Seite wollte Deidara um jeden Preis umbringen. Wie gingen sie nun am besten vor? Einfach warten wollte er nicht. Dem Blonden ging es schlecht und Gaara war nicht bereit, Deidaras Überleben dem Zufall zu überlassen. Er könnte sich an Akatsuki wenden. Sie waren in der Stadt. Doch wie sollte er mit ihnen Kontakt aufnehmen? Deidara war der Mittelsmann. Ob Shikamaru in der Lage war, Akatsuki aufzuspüren? Ihnen lag bestimmt auch etwas an dem Blonden und sie konnten garantiert das Gegenmittel beschaffen. Gaara würde selbst nach ihnen suchen, aber damit machte er sich nur zur Zielscheibe. Das durfte nicht passieren. Er musste auch an seine Untertanen denken.

„Gebt General Nara Bescheid. Ich will ihn sofort sehen“, wies er die Dienerin an. Diese verneigte sich höflich und verließ den Raum. Es wurde wieder leise. Nur Deidaras schnelle Atmung war zu vernehmen, bis leises Plätschern das Geräuschmuster störte. Gaaras Blick fiel auf die Hände des Arztes, der soeben das Tuch über der Schüssel mit Wasser auswrang. Ein weiteres Mal tupfte er mit dem Tuch den Schweiß von Deidaras Haut.
 

Deidara hörte seinen Namen undeutlich, als trenne ihn eine Wand von demjenigen, der ihn ansprach. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Wer war das? Der Blonde wollte die Lider heben und sich aufsetzen, doch sein Körper war schwer wie ein Stein und fühlte sich unangenehm steif an. Noch immer schien ein Feuer in seinem Inneren zu brodeln und ihn verbrennen zu wollen. Etwas Wasser könnte die verzehrenden Flammen löschen.

Ein Arm schob sich unter seine Schultern und hob seinen Oberkörper ein kleines Stück an. Kühl schmiegte sich Keramik gegen seine Lippen. Instinktiv öffnete Deidara den Mund. Sein Wunsch wurde offensichtlich erhört, denn herrlich kaltes Wasser schwappte über seine Zunge und rann seine Kehle hinab. Aber warum nahm man ihm nach nur wenigen Schlucken die Schale wieder weg? Er wollte mehr trinken. Der Wille verlieh ihm genug Kraft, mit etwas Anstrengung seine Hand zu heben und nach demjenigen zu tasten, der ihm das erfrischende Nass wegnahm. Mühsam zwang Deidara sein Auge auf. Zuerst sah er nur verschwommene Flecken in verschiedenen Farben, die sich schließlich zu einem Gesicht ausdifferenzierten, umgeben von rotem Haar. Jadefarbene Augen sahen ihn an. Gaara. Ein mattes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Deidara wollte den Namen seines Liebsten aussprechen, aber nur ein unklares Krächzen kam über seine Lippen.

Der Rotschopf beugte sich tiefer über ihn. Dessen Lippen formten Worte. Worte, die seine Ohren nicht erreichten. Um ihn herum wurde es merkwürdig still. Nur das hektische Pochen seines eigenen Herzens erklang in dieser unangenehmen Stille.

Eine Bewegung in Gaaras Haar lenkte seine Aufmerksamkeit von dessen Augen ab. Ein paar Strähnen sogen sich mit Wasser voll. Deidara konnte diesem Phänomen zusehen, so langsam spielte es sich vor seinem Auge ab. Ein Tropfen bildete sich an einer nassen Haarspitze. Die Strähne wurde schwerer, der Tropfen runder und schließlich löste er sich und fiel auf ihn herab. Blutrot schimmerte er.

Vollkommene Stille umgab Deidara, selbst das Pochen seines Herzens war verloschen und setzte erst wieder schmerzhaft ein, als der Tropfen Blut seine Stirn berührte. Ein eisiger Schauer erfasste den Blonden. Immer mehr dieser tödlich schillernden Perlen lösten sich aus Gaaras Haar, tropften auf ihn herab, tauchten seine Sicht in unheilvolles Rot. Der Geschmack von Eisen setzte sich auf seinen Lippen fest. Die Tropfen vereinten sich zu Rinnsalen, die schreckliche Spuren in Gaaras Gesicht zeichneten.

Zwischen dem blutigen Schleier tanzten Gaaras Augen wie zwei Jadesterne über ihm. In seiner Verzweiflung hielt Deidara seinen Blick fest auf sie gerichtet, um nicht komplett haltlos zu fallen. Denn das würde er, davon war er fest überzeugt. Jeder neue Bluttropfen, der auf ihn fiel, jagte einen elektrisierenden Schmerz durch seinen Körper. Deidara wollte Gaara helfen. Die Blutung musste gestoppt werden. Doch seine Arme bewegten sich einfach nicht. Unsichtbare Fesseln hielten ihn in seiner Position gefangen. Er konnte nichts tun, um das Leid seines Liebsten zu lindern. Gaara durfte nicht sterben. Nicht auch noch er!

Das Strahlen der jadefarbenen Augen verblasste. Erst wurden sie fahl wie die grauen Wolken an einem regnerischen Tag, um schließlich auch von dem blutigen Rot verschlungen zu werden. Der Boden unter ihm brach auf. Deidara stürzte in undurchdringliche Finsternis. Und noch immer fielen funkelnde Blutstropfen auf ihn hinab, färbten seine Kleidung und benetzten seine Haut. Schwer zerrten sein vollgesogener Hakama und Gi an ihm, rissen ihn weiter in die Tiefe. Obwohl er ein starker Krieger war, hatte er nicht denjenigen beschützen können, der ihm am Herzen lag. Welchen Sinn hatte sein Leben dann?

Tiefe Erschöpfung griff nach ihm. Seine Lider senkten sich. Unnachgiebige Finger umklammerten seinen entkräfteten Körper. Ausgehend von seinen Gliedern kroch Kälte in seinen Körper und drang bis zu seinem Herzen vor. In einem letzten verzweifelten Kampf bäumte er sich auf. Lautes Pochen hallte in ihm. Doch mit jedem Schlag verlor sein Herz an Kraft. Es wurde immer leiser bis es gänzlich erstarb. Deidara blieb im Nichts zurück.

Politische Entscheidungen und Gefühle

Die Nacht war hereingebrochen. Nur noch schwach wurde der Flur von einer Öllampe erleuchtet. Sakura verharrte an die Wand gelehnt und lauschte. Direkt neben ihr machte der Flur eine Biege. Niemand bemerkte sie, lag sämtliche Aufmerksamkeit auf Deidara. Vor kurzem hatte Shikamaru einen Fremden in Deidaras Zimmer geführt. Grünes Haar stand strubbelig von seinem Kopf ab. Die helle Haut wirkte fahl wie der Mond. Passend dazu war der Mann ganz in Schwarz gehüllt. Wer war dieser Mann? Sie glaubte, solch grünes Haar bereits gesehen zu haben. Doch wann? Und wo?

Die junge Frau wagte sich nicht näher heran, wollte sie nicht entdeckt werden. Sie musste warten. Nach einigen Minuten verließ der rätselhafte Mann den Raum wieder. Shikamaru geleitete ihn zum Eingang. Ein Schauer kroch durch ihren Körper. Er bewegte sich wie ein Geist. Nicht einmal seine Schritte hörte sie. Dabei war es nach Sonnenuntergang im Anwesen ruhig geworden. Aber nur das gleichmäßige Auftreten des Generals ertönte.

Sakura starrte noch lange um die Ecke zum anderen Ende des Flures, wo sie den Grünhaarigen zuletzt gesehen hatte, bevor er aus ihrem Blickfeld getreten war. Welche unheimlichen Menschen kannte Gaara nur? Sie fühlte sich an O-bon erinnert. Diese Rônin-Gruppe, Akatsuki, war in der Burg gewesen und nach dem Totenfest so unbemerkt verschwunden wie sie aufgetaucht war. Temari hatte ihr erklärt, dass sie jedes Jahr kamen, um Sasori zu Gedenken.

Der grüne Haarschopf! Natürlich. Bei Akatsuki war ein Mann mit grünem Haar gewesen. Deidara war selbst ein Mitglied dieser Bande gewesen. Gaara musste die Rônin um Hilfe gebeten haben. Das bedeutete sicher, es gab größere Probleme. Der Arzt konnte Deidara offensichtlich nicht helfen. Der Gedanke mochte unrecht sein, doch sie hoffte auf den Tod des blonden Kriegers. Gaara wich nicht von seiner Seite. Ihr Ehemann machte sich offensichtlich große Sorgen um ihn. Es gab keinen anderen Grund, warum er nicht von seiner Seite wich. Deidara erhielt die Aufmerksamkeit, die sie sich von Gaara wünschte. Die beiden verbrachten mehr Zeit miteinander als Gaara mit seiner Frau. Zu ihr war er unverändert höflich, aber genauso unverändert distanziert wie vor ihrer Hochzeit. Nichts hatte sich zwischen ihnen gewandelt. Gaara teilte nachts nicht das Lager mit ihr. Fragte sie ihn nach einer gemeinsamen Nacht, lehnte er aus verschiedenen Begründungen ab. Manchmal schob er seine Arbeit als Daimyô vor. Manchmal erklärte er, er sei sehr müde von einem anstrengenden Tag. Beim letzten Mal hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht, eine Erklärung abzugeben. Gaara hatte einfach abgelehnt.

War sie denn so hässlich? Die Komplimente, die der Rotschopf ihr regelmäßig machte, erschienen ihr allmählich hohl. Sie piesackten Sakura, jedes Mal, wenn er sie abwies.

Das leise Scharren der Tür zerrte Sakura aus ihren trübsinnigen Gedanken. Vorsichtig lugte sie um die Ecke. Der Heiler verließ mit einer Schüssel Deidaras Zimmer. Eigentlich könnte eine Dienerin das Wasser wechseln. Allerdings hatte sie den Arzt in den letzten Monaten bereits kennen gelernt. Wenn es die Zeit erlaubte, kümmerte er sich auch um einfache Aufgaben gern selbst. Das bedeutete wohl, dass Deidara nicht mehr in akuter Gefahr schwebte. Ihr unmoralischer Wunsch zerstreute sich wie Pollen im Wind.

Die Schritte des Heilers erstarben bald und sie blieb allein zurück. Ein weiteres Mal huschte der Blick der smaragdgrünen Augen durch den Flur und blieb an der geschlossenen Tür haften. Es war spät. Die meisten hatten sich zur Ruh gelegt. Momentan war niemand außer ihr in der Nähe. Sakura beschloss, einen Blick zu riskieren. Sie wollte den Grund erfahren, warum Gaara nicht von der Seite des Blonden wich. Leise schlich sie den dämmrigen Flur entlang und verharrte neben der Tür. Behutsam legte sie ihre Finger an den Rahmen und drückte mit wohldosierter Kraft dagegen. Ein winziger Spalt tat sich auf.

Sakura verharrte. Ihr Herz pochte laut in ihrer Brust. Sie befürchtete, Gaara könne es hören. Doch nichts geschah. Die Rosahaarige fasste wieder Mut und spähte durch den schmalen Spalt. In diesem Moment setzte ihr Herz einen Augenblick aus, um anschließend schmerzhaft seinen Takt wieder aufzunehmen.

Ihr Mann war tief über Deidara gebeugt. Eine Hand strich liebevoll durch die blonden Strähnen. Sie konnte den warmen, besorgten Glanz in den jadefarbenen Augen sehen. Gaara beugte sich weiter hinab und berührte sanft die Lippen des Kriegers mit seinen eigenen.

Sakura wandte sich ab. Sie ertrug diesen Anblick nicht länger. Leise zog sie sich zurück, doch nicht in ihr eigenes Gemach. Einengende Wände ertrug sie nun nicht. Sakura brauchte frische Luft, um ihren Geist zu klären. Sie stahl sich ungesehen an den wachhabenden Samurai vorbei nach draußen. Kühle Nachtluft umfing sie. Ihre Füße trugen sie in den Garten der Herberge. Wohltuende Dunkelheit umfing sie. Nur die schmale Mondsichel leuchtete den Weg vor ihr matt aus. Bei einer steinernen Bank hielt sie inne. Kraftlos ließ sie sich auf den glatt geschliffenen Stein sinken. Ihre Hände legte sie in ihrem Schoß ab.

Sie musste das Knäul von Gefühlen beruhigen, das in ihr wütete und ihr riet, ihrer Empörung und ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen. Jetzt verstand sie Gaaras distanzierte Haltung ihr gegenüber. Er brauchte nicht einfach nur Zeit, um sich an sie zu gewöhnen, wie Temari behauptet hatte. Alle Geduld brachte nichts, wenn der Mann, den sie begehrte, gar kein Interesse an ihr hatte. Wie lange ging diese Beziehung mit Deidara schon? Wahrscheinlich existierte sie bereits vor ihrer Hochzeit. Nun wurde auch klar, warum Gaara in der Hochzeitsnacht so plötzlich gegangen war. Er hatte nicht mit ihr schlafen können, weil er jemand anderen liebte. Und dann auch noch einen Mann.

Was fand Gaara nur an dem Krieger? Er war gestört! Und ein Krüppel. Warum hatte Gaara sie überhaupt geheiratet? Aus politischen Gründen, gab sie sich die Antwort selbst. Wütend gruben sich ihre Finger in den Stoff ihres Schlafyukata. Sie hatte sich so sehr eine glückliche Ehe gewünscht und gedacht, mit Gaara habe ihr Onkel einen guten Ehemann für sie ausgesucht. Den warmen Blick voller Gefühle hatte sie sehen wollen, wenn Gaara sie ansah. Doch dieser war Deidara vorbehalten.

Ihre Augen brannten. Langsam verschwamm ihre Sicht und Tränen rannen ihre Wangen hinab, tropften auf ihre verkrampften Hände. Sie war naiv gewesen, hatte geglaubt, ihr Leben könne so schön werden wie in einer ihrer Geschichten, die sie so gern las. Einen liebevollen Ehemann hatte sie sich erträumt, dem sie eine fürsorgliche Frau sein konnte. Kinder hatte sie ihm schenken wollen.

Das hier war das wahre Leben. Man bekam nicht das, was man ersehnte. Ein Mann hatte ihr den Platz genommen, von dem sie gedacht hatte, er gehöre ihr. Sakura war lediglich Gaaras Vorzeigefrau. Doch sie würde nie in seinem Herzen sein.

Sie schniefte. Nun wurde ihr auch klar, warum Deidara so gut wie nicht bestraft worden war, nachdem er auf sie geschossen hatte. Einen geliebten Menschen konnte man nicht verbannen oder gar töten lassen. Ihre Eifersucht auf Deidara fraß sich tief in sie hinein. Wie gern würde sie ihn eigenhändig erwürgen. Zugleich hüllte Resignation sie ein wie ein drückender Kokon. Welche Chance hatte sie bei Gaara, selbst wenn Deidara tot wäre? Sie war eine Frau, aber ihr Mann fand anscheinend keinen Gefallen an weiblichen Rundungen. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, einen Menschen umzubringen. Auch nur der Gedanke daran, ein Leben auszulöschen, versetzte sie in eisige Angst. Doch wie sollte sie mit dem Wissen umgehen? Sie wollte Deidara nicht akzeptieren, sie konnte es nicht.
 

Gaara sah nicht auf, als der Heiler zurückkehrte. Die Schale mit frischem Wasser stellte er neben dem Futon ab. Wie zuvor saß der Rotschopf im Seiza neben Deidara und betrachtete ihn. Die wenigen Augenblicke allein mit ihm hatten unheimlich gut getan. Ihn zu berühren, hatte seine Sorge um ihn etwas besänftigt, ihm bestätigt, dass Deidara lebte und bei ihm war. Seine Haut war noch immer heiß vom Fieber, aber seit Zetsu das Gegengift gebracht und es Deidara eingeflößt hatte, war der Blonde ruhiger geworden. Die Halluzinationen kehrten hoffentlich nicht zurück. Der Anblick von Deidaras verkrampftem Leib, in die weit aufgerissenen Augen zu sehen und diese markerschütternden Schreie zu hören, hatte ihn zutiefst erschüttert. Überhaupt nichts hatte er tun können. Was hatte Deidara nur so Schreckliches gesehen? Zwischen den verzweifelten Schreien glaubte Gaara, seinen Namen gehört zu haben.

Zu diesem Zeitpunkt war glücklicherweise nur sein Leibarzt im Zimmer gewesen und dieser wusste, wann es klüger war zu schweigen und sich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen. Selbiger nahm das Tuch und tauchte es in das frische Wasser. Leises Plätschern erfüllte den Raum, während er den Stoff auswrang. Gaara beobachtete die routinierten Handgriffe. Das Tuch fand ordentlich gefaltet seinen vorigen Platz auf Deidaras Stirn.

War es ein günstiger Zufall gewesen, dass Shikamaru Zetsu so schnell gefunden hatte? Oder hatte der Spion ihn gefunden? Vermutlich wusste Akatsuki sehr genau über die Geschehnisse Bescheid. Momentan war ihm gleichgültig, wie Zetsu von der Vergiftung erfahren hatte und wie er in den Besitz des Gegenmittels gekommen war. Wichtig war nur, dass Deidaras Zustand sich stabilisierte und er nun auf dem Weg der Besserung war.

„Gaara-sama. Ihr solltet Euch ausruhen“, sagte sein Arzt höflich. Der Rotschopf hob seinen Blick und sah dem alten Mann ins Gesicht. Ehrliche Sorge spiegelte sich in dessen dunklen Augen wieder. Er hatte Recht. Gaara sollte sich ausruhen. Am liebsten würde er sich einfach neben Deidara legen, damit er bei ihm sein konnte, wenn er ihn brauchte. Aber das war nicht möglich. Tief atmete er durch. Ein letztes Mal sah er in die nun ruhigen Züge seines Kriegers. Dann erhob er sich steif vom langen Sitzen. „Ich gebe General Nara Bescheid. Er soll Wache halten“, erklärte er knapp. Gaara traute momentan kaum noch jemandem, nicht nach dem heimtückischen Mahl. Shikamaru war der einzige, der von seiner Beziehung zu Deidara wusste. Er würde seine Entscheidung verstehen. Außerdem gehörte der Mann zu seinen besten Kriegern. Bis morgen früh sollte er auf Deidara achten, damit kein weiterer hinterhältiger Angriff dessen Leben endgültig beenden konnte.

Gaara verließ den Raum und schritt zum Zimmer des Generals. Nach einem kurzen Klopfen öffnete Shikamaru die Tür. Sein Haar fiel offen auf seine Schultern und der Schlafyukata verriet, dass er sich gerade schlafen legen wollte. „Bitte achte auf Deidara bis morgen früh. Ich möchte einen möglichen weiteren Angriff verhindern“, erklärte er leise. Gaara formulierte eine Bitte, wollte er ihm ungern den Befehl erteilen, über seinen geheimen Liebsten zu wachen. Würde es nicht so viel unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wäre Gaara auch über Nacht an Deidaras Seite geblieben. Sollte jedoch Sasukes Seite auch nur eine Beziehung zwischen ihm und Deidara erahnen, könnte sich das negativ auf ihre Verhandlungen auswirken. „Den verlorenen Schlaf kannst du morgen nachholen“, fügte er an.

Der General ließ ausnahmsweise seine Gefühle erkennen, sprachen sie gerade auf recht persönlicher Ebene miteinander. Shikamaru hieß das Verhältnis zu dem Krieger nach wie vor nicht gut. Der Dunkelhaarige nickte allerdings zustimmend. Innerlich breitete sich Erleichterung in Gaara aus. Auf seinen General war Verlass. „Geh dich ausruhen. Du brauchst deine Kräfte“, sprach Shikamaru.

Unsicherheiten

Erschöpfung drückte schwer auf seine Brust und Glieder, schien ihm das Atmen schwer zu machen. Zusätzlich plagte ihn Übelkeit. Sein Mund fühlte sich so trocken an, als habe er mindestens einen Tag nichts mehr getrunken. Ein heiseres Brummen verließ seine Kehle. Was war geschehen? Seine Gedanken ließen sich so schwer fassen wie ein glitschiger Fisch. Griff er nach ihnen, wollten sie ihm sogleich wieder entgleiten.

„Deidara?“, drang eine wohlbekannte Stimme in sein Bewusstsein. Langsam hob der Angesprochene seine Lider. Gleißendes Licht stach in sein Auge und er war gezwungen, selbiges zusammen zu kneifen. Nur langsam gewöhnte er sich an die Helligkeit, sodass er einigermaßen sehen konnte. Allmählich setzte sich das verschwommene Bild zusammen. Rot… wie Blut. Im Schockmoment weiteten sich seine Augen. Deidara wollte auffahren, doch seine Arme knickten sofort unter ihm weg und Schwindel zwang ihn zurück auf den Futon.

„Deidara-san, hört Ihr mich?“, fragte nun eine andere Stimme. Der Blonde konnte sie nicht sofort zuordnen. Es dauerte einige Herzschläge, bis er sich beruhigt hatte, seine Sicht sich nicht mehr drehte und er sein Auge wieder öffnen konnte. Die zuvor verschwommenen Umrisse erhielten allmählich klare Strukturen. Was er zuerst für Blut gehalten hatte, war nur Gaaras rotes Haar gewesen. Tief atmete er aus. Seinem Liebsten ging es gut.

Erneut drängte sich die fremde Stimme in sein Aufmerksamkeitsfeld. Leicht neigte er seinen Kopf in die Richtung, in der er den Mann zu der Stimme vermutete. Auf seiner linken Seite saß der Leibarzt des Daimyô. Mit diesem hatte er bisher wenig zu tun gehabt. Er wusste, wer er war und ab und an waren sie sich bereits in der Burg über den Weg gelaufen.

„Euch wurde das Gegengift verabreicht. Die Symptome lassen nach und Euer Zustand ist stabil. Allerdings solltet Ihr Euch die nächsten Tage noch ausruhen“, erklärte er mit der typisch ruhigen Stimme eines Arztes.

„Geht bitte“, wies Gaara seinen Heiler an. Dieser verbeugte sich ergeben vor ihm und zog sich aus dem Raum zurück. Kaum war die Schiebetür hinter ihm verschlossen, huschte ein Lächeln über Gaaras Lippen. In den jadefarbenen Augen spiegelte sich Erleichterung wieder. Angenehm kühl war die Hand, die über seine Wange strich.

„Hab doch gesagt, …die Dosis bringt mich nicht um, hm“, murmelte Deidara müde. Er fühlte sich völlig erschöpft. Die zärtlichen Berührungen verleiteten ihn, seine Lider wieder zu schließen und sich etwas Entspannung zu erlauben.

„Zetsu hat das Gegenmittel gebracht.“ Gaaras Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. „Die Apotheker wurden bestochen. Sie wollen deinen Tod.“ Die Besorgnis hörte er deutlich heraus. Deidaras Hand tastete sich unter der Decke hervor und in Gaaras Richtung. Nur Augenblicke später ergriff dieser seine Hand. „Die sind nicht die ersten, hm.“ Momentan wollte er auch nicht genauer darüber nachdenken, noch nicht. Seine Gedanken flossen zäh wie alter Honig.

Deidara spürte, dass Gaara sich zu ihm hinab beugte. Sein Auge öffnete sich einen Spalt breit. Ihre Blicke trafen sich. Dann vereinte der Rotschopf ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss. „Ich werde nicht zulassen, dass es weitere Anschläge auf dich gibt.“ Das Versprechen war nur ein Murmeln, doch die Entschlossenheit hinter seinen Worten ließ keinen Zweifel aufkommen.

Deidara seufzte tief. Die Welt schien verkehrt. Er war Gaaras Samurai und es war seine Aufgabe, ihn zu schützen. Seine Finger zuckten, wollten Gaaras Hand fester umschließen, doch ihm fehlte momentan die Kraft. „Ich sollte dich schützen… nicht umgekehrt, hm.“ Es nagte tief in seinem Inneren, versagt zu haben. Erst bei Sasori, dann war Gaara dem Tod nur knapp entkommen. Die Träume hatten sein Versagen aus den Tiefen seines Geistes an die klare Oberfläche gezerrt.

Sanft strichen die Finger des jungen Daimyô über seine Stirn. Ernst lag dessen Blick auf ihm. „Das stimmt. Doch es liegt in meiner Verantwortung, eine größtmögliche Sicherheit für alle meine Untergebenen zu gewährleisten… und für meinen Liebsten.“ Der warme Glanz ließ die jadefarbenen Augen schimmern wie Edelsteine, in denen sich die weiche Abendsonne brach. Ein weiterer zärtlicher Kuss streifte seine Lippen. „Ruh dich aus“, murmelte Gaara.
 

In den folgenden Tagen war Deidara nie alleine. Wenn Gaara seine Zeit nicht bei ihm verbrachte, teilten sich Shikamaru und die Hochrangigen des Hyûga-Clans die Wache. Sein Liebster wollte nur einen weiteren Angriff auf ihn verhindern, doch diese totale Überwachung schürte Aggressionen in ihm. Er war weder hilflos noch unfähig, sich selbst zu verteidigen. Gaaras Maßnahme kränkte seinen Stolz. War er eine Frau, die beschützt werden musste? Der junge Daimyô erklärte sein Handeln mit Deidaras langsamer Genesung. Noch war er geschwächt und ein leichteres Ziel. Die gegnerische Seite würde diesen Umstand vielleicht ausnutzen, um ihn endgültig ins Reich der Toten zu schicken.

In der zweiten Nacht nach seinem Erwachen keimte Unruhe auf dem Gelände der Herberge auf. Später erfuhr Deidara, dass Neji einen Eindringling gesichtet hatte. Doch der Versuch, diesen zu fassen, war gescheitert. Der Hyûga war fest davon überzeugt, dass es sich um eine Frau gehandelt hatte. Allerdings hatte sie die typische Shinobikleidung getragen, sodass sie unkenntlich geblieben war. Die Frau war über die Mauer der Herberge entkommen und mit den tiefen Schatten der Gassen verschmolzen.

Natürlich vermutete man, der neuerliche Angriff galt ebenfalls dem Blonden. Und Deidara würde viel dafür geben, dass sich dieses Miststück zeigte. Wie sehr sehnte er sich nach einem anständigen Kampf, einem Kampf ohne Regeln ums nackte Überleben.

Vermutlich konnte er froh sein, zu dem nächsten Treffen mit der gegnerischen Seite mitgenommen worden zu sein. Gaaras Sorge war noch nicht zerstreut, obwohl es ihm wieder einigermaßen gut ging. Aus Vorsicht war eine Wiese nahe von Sakai gewählt worden. Ein neutrales Lokal war nicht ausreichend gewesen. Also wurde bei dem nächsten Verhandlungsversuch gänzlich auf die Bequemlichkeit von Verköstigung und Unterhaltung verzichtet.

Während alle anderen mit ihrer Sitzhaltung Aufmerksamkeit suggerierten, lümmelte Deidara sich auf seinem eigenen Stuhl so gut es ging. Ein Bein war lässig über das andere geschlagen. Den Arm stützte er auf dem Knie ab. Der Blonde gab sich nicht einmal Mühe, der Verhandlung zu folgen. Am liebsten würde er diese Fehde mit einem Kampf beenden, noch lieber mit einer großen Explosion. Und dieses Mal achtete er darauf, dass niemand überlebte. Die Wurzel des Übels musste ausgebrannt werden. Aber die Wurzel war nicht Sasuke, der Gaara gegenüber saß und blasierte Reden hielt. Der Meister hinter den Figuren auf dem Feld war Orochimaru. Den mussten sie vernichten. Mit dem kleinen Uchiha brauchten sie sich eigentlich gar nicht beschäftigen. Das war Zeitverschwendung. Es sei denn, er konnte ihn einen Kopf kürzer machen. Diese Aufgabe würde Deidara mit dem größten Vergnügen übernehmen.

Genervt wanderte sein Blick einmal mehr über die ihnen gegenüber sitzenden Personen. Erneut fiel ihm der brennende Blick des rothaarigen Weibes auf. Sein Auge verengte sich zu einem Schlitz. Was gab es da zu glotzen? Sie strahlte schon wieder diese Kampfbereitschaft aus. Ein provozierendes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Na los, sie sollte ihn angreifen. Eine ordentliche Prügelei wäre das Highlight dieses langweiligen und frustrierenden Tages. Und diese Frau sah sehr willig aus. Doch leider tat sie nichts außer ihn weiter mit ihrem Blick zu töten.

Der Name der Rônin-Bande drang an Deidaras Ohren und er zwang sich nun doch, zuzuhören. „Als Bedingung für Friedensverhandlungen erwarte ich, dass Akatsuki nicht länger unter Eurem Schutz steht, Gaara-dono“, erklärte Sasuke selbstbewusst. Die schwarzen Augen streiften für einen Herzschlag den Blonden.

Amüsiert schnaufte Deidara. Aus diesen Verhandlungen wurde nichts. Gaaras Wunsch nach Frieden war löblich, aber nicht realisierbar. Außerdem wäre eine friedliche Welt sterbenslangweilig für einen Krieger wie ihn.

„Akatsuki steht nicht unter meinem Schutz“, erwiderte der Rotschopf ruhig.

Langsam lehnte Sasuke sich zurück und verschränkte die Finger zu einer abwartenden Geste in seinem Schoß. „Dann werden wir zu keiner Übereinkunft kommen.“

Gaara ließ sich von der Antwort nicht beeindrucken. „Akatsuki spricht für sich selbst. Wir sollten an dieser Stelle die Verhandlungen unterbrechen und vertagen.“

Einige Augenblicke herrschte angespanntes Schweigen auf beiden Seiten. Schließlich ließ der feine Uchiha sich dazu herab, dem Vorschlag zuzustimmen. Tief atmete Deidara durch. Noch so eine langweilige Verhandlung. Und Hidan war nicht in der Stadt. Also durfte er auch nicht auf eine mögliche Eskalation während des nächsten Treffens hoffen. Das wäre zu schön gewesen.

Mürrisch stemmte er sich von seinem Stuhl hoch. Deidara würde gern jagen gehen, den Kopf einfach mal wieder frei kriegen von den politischen Verzweigungen und nur auf sein Geschick als Jäger vertrauen. Doch gerade in Sakai war dies gefährlich. Er war immer noch Gaaras Samurai und wollte seinen Liebsten beschützen… falls er denn überhaupt dazu in der Lage war.

Der Blonde erhielt von einem Diener Sasoris Waffen zurück, die er vor dem Treffen hatte ablegen müssen so wie alle anderen auch. Nachdenklich weilte sein Blick auf der lackierten Saya des Katanas. Konnte er mit seinen Fähigkeiten Gaara denn überhaupt angemessen beschützen?

Der Brief

Sakura lauschte aufmerksam der Verhandlung. Bisher war die Sprache nicht auf die Môri gekommen, sodass sie schwieg. Vielmehr hing sie ihren eigenen Gedanken nach. Kurz huschte ihr Blick zu Deidara. Der ehemalige Rônin hatte sich leider wieder von der Vergiftung erholt und war ihrer Meinung nach zu munter. Warum war er überhaupt aktiver Teil der Verhandlung? Der Kerl taugte doch nur als Krieger etwas. Seit der ersten Begegnung war ihr der Blonde suspekt gewesen, doch seit sie die Wahrheit über die tatsächliche Beziehung zu Gaara kannte, brodelte in ihr unbändige Eifersucht. Was für eine Schande. Sie wollte einem Mann entreißen, was dieser besaß. Mit diesem Gedanken konnte sie nicht umgehen.

Ihre grünen Augen glitten zu Sasuke. Der Uchiha musterte sie so intensiv. Das war ihr bereits bei dem ersten Treffen aufgefallen. Ob sein Heiratsinteresse aufrichtig gewesen war und er nicht nur seine Machtposition durch die Verbindung zu den Môri sichern wollte, wie sie angenommen hatte? Wie wäre eine Ehe mit ihm? Er konnte nicht auf eine präsentable Familiengeschichte wie Gaara verweisen. Die Uchiha waren ein beinahe ausgestorbener Samurai-Clan aus dem Süden und der Grund dafür war sein älterer Bruder.

Aber jetzt, wo sie den wahren Grund ihrer Ehe mit dem Rotschopf herausgefunden hatte, fragte sie sich unwillkürlich, ob sie Sasuke nicht eine Chance hätte geben sollen. Vielleicht wäre sie mit dem Uchiha glücklich gewesen? Der Schwarzhaarige war attraktiv und in diesen schwarzen Augen drohte man zu versinken. Außerdem waren seine Argumente klug gesetzt. Durch sein kühles, selbstbewusstes Auftreten stand er als Daimyô Gaara in nichts nach. Doch es war zu spät. Sie war in einer hohlen Ehe gefangen, ohne Möglichkeit sich zu befreien.
 

Sakura seufzte. Sie sah von ihren Händen im Schoß hoch zu dem kleinen Teich, der im Garten der Herberge angelegt worden war. Der Abend war bereits hereingebrochen und die Bäume warfen lange Schatten. Ein paar Grillen zirpten. Ein hohles Schilfrohr klackte in regelmäßigen Abständen auf einen runden Stein und entließ Wasser in den Teich. Das Geräusch beruhigte sie normalerweise, doch seit sie von Gaaras Zuneigung zu Deidara erfahren hatte, wollte keine Ruhe mehr in ihrem Inneren einkehren. Sie fühlte sich fehl am Platze und zutiefst ausgenutzt.

Warum wurde sie mit dieser Last gestraft? War sie nicht immer folgsam gewesen? Sie hatte sich stets bemüht, ihre Familie stolz zu machen.

Ein leises Rascheln lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Gebüsch nahe des Teiches. Wahrscheinlich nur ein Vogel oder ein Eichhörnchen, dachte sie. Im nächsten Augenblick erhob sich eine ganz in Schwarz gekleidete Gestalt und trat zwischen dem belaubten Geäst hervor. Haar und Gesicht wurden unter der typischen Shinobi-Maskierung verborgen. Durch einen schmalen Schlitz blitzten die Augen hervor. Erschrocken fuhr sie von der steinernen Bank hoch. Die Wachen hatte sie weggeschickt, weil sie allein sein wollte. Niemand außer ihr sah den Eindringling.

Gerade wollte sie nach den Wachen rufen, da hob der Shinobi die Hand zum Mund und bedeutete ihr, still zu sein. Unwillkürlich spannte die Rosahaarige sich an. Sie war keineswegs unbewaffnet. In ihrer kunstvollen Frisur und im Kimono verbargen sich scharfe Senbon, die bei richtiger Anwendung tödliche Wunden verursachten.

Was wollte der Fremde von ihr? Der Shinobi kam nicht näher, sondern zeigte gut sichtbar einen Brief, auf dem Sakuras Name geschrieben stand. Langsam ging der Schwarzgekleidete in die Knie und legte das Schreiben im Gras ab. Wenige Herzschläge hielt der Shinobi den Blickkontakt zu Sakura. Doch der Schatten der Bäume war zu beherrschend, um die Augenfarbe zu erkennen. Jäh kam Bewegung in ihr Gegenüber. Mit flinken Bewegungen verschwand die Person im Gebüsch. Kurz raschelte es, dann verstummten sämtliche verräterischen Geräusche.

Wild klopfte Sakuras Herz in ihrer Brust. Ängstlich sah sie sich um. War sie wirklich allein? Nur zögerlich näherte sie sich dem am Boden liegenden Brief. Ein letzter prüfender Blick zuckte zu der Stelle, wo der Shinobi verschwunden war, dann griff sie nach dem Papier und hob es auf. Diese Schrift. Sie kam ihr bekannt vor.

Sakura kehrte zur Bank zurück und ließ sich darauf nieder. Ihre Angst wandelte sich in Neugier. Ein geheimnisvoller Brief. Spannung wallte durch ihre Adern. Sie öffnete den Brief und entfaltete das Papier. Zeile für Zeile las sie das Schreiben. Zunehmend umfingen die Worte sie und ließen Ergriffenheit in ihr zurück. Als sie den Absender des Briefes ganz am Ende sah, begann ihr Herz aufgeregt zu klopfen. Sasuke.

Obwohl sie verheiratet war, hatte der Uchiha immer noch Interesse an ihr. Seit ihrer ersten Begegnung hier in Sakai war seine Zuneigung für sie neu entflammt, erklärte er. Es sei sehr bedauerlich, dass er sie nicht zu seiner Frau nehmen konnte, doch er wolle sie trotzdem gern näher kennen lernen.

Sie konnte es kaum glauben. Sasuke schlug ihr ein heimliches Treffen vor. Vor lauter freudiger Erregung bebten ihre Finger. Das Gefühl, dass ein Mann sich aufrichtig interessierte, erfüllte sie mit Entzücken. Nach den Monaten der in schöne Worte gekleideten Ablehnung seitens Gaara und der neuesten Erkenntnis, dass ihr Mann sich nie für sie interessieren würde, waren Sasukes Zeilen Balsam für ihre Seele.

Ein Treffen war doch nicht zu viel verlangt, nicht wahr? Sakura würde ihrem Mann nicht untreu sein, aber auch sie hatte ein Bedürfnis nach ehrlich gemeinter Aufmerksamkeit und romantischer Hingabe. Ein geheimnisvoller Brief und ein unbemerktes Treffen ließen ihre verträumte Ader entflammen. Bisher hatte sie nur in ihren Geschichten von solchen Begebenheiten gelesen und sich vorgestellt, wie es sich wohl anfühlte. Nun wusste sie es. Berauschend.

Sakura faltete den Brief zusammen und steckte ihn in ihren Kimonoärmel. Ihre Trauer und Wut waren in eine winzige Ecke ihres Bewusstseins gedrängt. Entschlossen erhob sie sich von der Steinbank und schritt ins Innere der Herberge. Unverzüglich zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Ihre Dienerin wies sie an, Papier und Tinte zu bringen.

Wenigstens diese kleine romantische Freude sollte ihr vergönnt sein. Eine kleine Illusion, vielleicht aufrichtig gemocht zu werden. Auf dem Tisch richtete ihre Dienerin alles her, dann verließ sie das Zimmer. Sakura blieb allein zurück.

Die Rosahaarige setzte sich an den Tisch und nahm den Pinsel zur Hand. In Gedanken legte sie sich ihre Worte zurecht. Schließlich tauchte sie ihren Pinsel in das Tintenfässchen, strich ihn sorgfältig ab und begann ihre vorformulierten Gedanken niederzuschreiben.

Im Schutze des Schreins

Am folgenden Abend wartete Sakura am Teich. Im Ärmel verbarg sie den Brief, den sie geschrieben hatte. Die junge Frau hoffte auf das erneute Auftauchen des unbekannten Shinobi. Sasuke wollte bestimmt ihre Antwort auf seine Zeilen erfahren. Daher plätscherte in ihrem Inneren Zuversicht und Vorfreude auf das verbotene Abenteuer.

Immer wieder huschte ihr Blick zu den Büschen, zwischen denen der Schattenkrieger hervorgetreten war. Einem Déjà-vu gleich löste sich nach einer gefühlten Ewigkeit aus den tiefen Schatten eine dunkle Gestalt. Mit klopfendem Herz erhob Sakura sich von der steinernen Bank und wandte sich dem Shinobi zu. Dieser verharrte an derselben Stelle vom Vortag. Bis auf zirpende Grillen und dem gleichmäßigen Klacken des mit Wasser gefüllten Bambusrohres herrschte Stille.

Langsam griff die Rosahaarige in den Ärmel ihres Kimono und legte den Brief auf die Bank. Da sie nicht erwartete, dass der Shinobi ihr nahe kam, wandte sie sich ab und schritt langsam den gewundenen Kiesweg zurück. Nach einigen Metern hielt sie inne und sah sich um. Im sanften Licht des Mondes schimmerte der Teich. Der Brief war von der Bank verschwunden, ebenso wie der Shinobi nicht mehr zu sehen war. Mit einem zufriedenen Lächeln setzte sie ihren Weg zum Haupthaus der Herberge fort.
 

Die Verhandlung mit Akatsuki am nächsten Tag wurde verschoben. Sasuke ließ Gaara eine Erklärung zukommen, er sei unpässlich. Allerdings schenkte niemand diesem Schreiben Glauben. Sasukes Taktik wurde schnell durchschaut. Er wollte die Verhandlungen hinauszögern. Über den möglichen Grund diskutierte Gaara mit seinen Generälen hinter verschlossenen Türen.

Vielleicht hätte sie sich daran stören sollen, als Repräsentantin der Môri ausgeschlossen zu sein, doch sie war mit ihren Gedanken woanders und interessierte sich momentan wenig für die Politik. Sie konnte den Sonnenuntergang kaum erwarten, sehnte sie sich nach einem neuen Brief von Sasuke. Die Romantik, welche sie sich von Gaara gewünscht hatte, wurde ihr endlich zuteil. Nicht von ihrem Ehemann, dafür von seinem Feind. Was könnte aufregender sein? Sie fühlte sich wie in einer ihrer Liebesgeschichten, die sie oft vor dem Einschlafen las.
 

Der Mond stand bereits hoch am Himmel, als Sakura sich in einem schlichten Yukata auf bloßen Sohlen durch den dunklen Flur der Herberge schlich. In einer Hand trug sie ihre Geta. Aufmerksam huschte ihr Blick umher. Sie lauschte auf jedes verdächtige Geräusch. Niemand durfte sie sehen. In ihrem Ärmel verbarg sich ein neuer Brief von Sasuke. Er hatte ein Treffen vorgeschlagen, noch in dieser Nacht im Schrein von Sakai.

Da die junge Frau niemals ungesehen an den Wachen vorbeigelangen würde, beschloss sie, über die Mauer des Gartens zu klettern. Als Kind war sie immer auf Bäume geklettert. Ihrer Familie hatte diese Vorliebe nie gut geheißen, kletterte ein Mädchen nicht auf Bäumen herum.

Einer der Bäume im Garten stand sehr nah an der Mauer, die sich schützend um das Gelände der Herberge schlang. Ihre Geta band sie am Obi fest. Entschlossen griff sie nach einem niedrigen Ast und schwang sich hinauf. Konzentriert tastete sie sich im Dunkel der Nacht voran, bis sie auf einem Ast nahe genug an die Mauer herangerutscht war, um auf selbige zu wechseln. Durch die Schräge war es schwer, Halt zu finden. Natürlich sollte sie ein Eindringen von außen verhindern. Einen Fuß setzte sie auf die kalten Ziegel. Dann suchte sie mit den Fingern Halt und zog sich vom Ast hinüber auf die Mauer. Die Ziegel hielten ihr Gewicht. Langsam streckte sie ihre Beine aus und ließ sich schließlich fallen. Schmerzhaft kam sie auf dem Boden auf. Der gepflasterte Weg war unangenehm an ihren nackten Füßen. Doch es war geglückt. Niemand war auf sie aufmerksam geworden, wie sie nach einer kurzen Überprüfung feststellte. Sakura löste die Geta vom Obi und streifte sie über ihre Füße.

Eilig machte sie sich auf den Weg in Richtung des Schreins. Sie wusste, wo das heilige Gebäude lag, waren sie bei ihrer Ankunft in der Stadt daran vorbeigeritten. An einem Abzweig hielt sie kurz inne und suchte nach der richtigen Straße. Schließlich erkannte sie die Aufschrift eines Ladens wieder und bog ab. Um diese Zeit glich Sakai einer Geisterstadt. Alles war ruhig. Das Zirpen der Grillen war mit dem letzten schwachen Sonnenstrahl verstummt. Man hörte nur ab und zu das Rufen von ihr unbekannten nachtaktiven Vögeln. Im Schatten einer Hauswand huschte eine Katze entlang. Hoffentlich war es keine Bakeneko[64].

Endlich tat sich vor ihr der schmale Pfad auf, der auf den kleinen Hügel führte. Der Schrein wirkte im schwachen Mondschein erhaben und mystisch. Ihr Treffen mit Sasuke würde ein Geheimnis bleiben, gut bewahrt an diesem Ort.

Mit jedem Schritt, den sie sich dem kleinen Schrein näherte, klopfte ihr Herz schneller in ihrer Brust. Sie war so aufgeregt wie bei ihrem ersten Treffen mit Gaara. Allerdings wusste sie bereits, dass Sasuke ein stattlicher Mann war. Von dem Rotschopf hatte sie zuvor lediglich gehört.

Vor der überdachten Veranda, die den Schrein umgab, schlüpfte sie aus ihren Geta. Sakura blickte zurück. Der steinerne Pfad wand sich einer schimmernden Schlange gleich den kleinen Hügel hinab. Niemand war ihr gefolgt.

Tief atmete sie durch, richtete ihr offenes Haar und betrat die Veranda. Leise schob sie die Tür des Schreins auf. Warmes Licht einer Lampe empfing die Rosahaarige. Das Innere war schlicht gehalten. Nichts lenkte von dem Mann ab, der im Seiza auf den Tatami saß und seine Augen geschlossen hielt. Im warmen Licht der Lampe wirkte er ganz anders als während der Verhandlung, friedlicher, als meditiere er. Hinter ihm erhob sich der hölzerne Altar, auf dem ein Räucherstäbchen entzündet worden war. Ein betörender Duft nach Frühlingsblumen kitzelte ihre Nase.

Der Schwarzhaarige hob seine Lider. Schwarze Augen erfassten sie. „Sakura-san welch Freude. Ihr seid meiner Einladung gefolgt.“ Seine Stimme erklang ruhig und relativ leise, als wolle er die nächtliche Atmosphäre nicht stören. „Bitte schließt die Tür.“

Sakura schob die Tür zu und trat näher. Mit einer erhabenen Geste bot er ihr an, ihm gegenüber auf den Tatami Platz zu nehmen. Den Yukata zurecht streichend ließ sie sich ebenfalls im Seiza nieder. „Ich danke Euch für die Einladung, Sasuke-dono.“

Der intensive Blick aus diesen dunklen Augen machte sie ganz nervös.

„Ich hoffe, Ihr kommt nicht in Schwierigkeiten. Euch nachts wegzustehlen, war sicher nicht leicht?“

Sakura lächelte verlegen. „Ihr habt Recht, es war nicht ganz einfach, aber Euer Brief hat meine Neugier geweckt.“

Schlanke Finger strichen ein paar störrische schwarze Strähnen aus der Stirn. Sasukes Mundwinkel zuckten. Fast erweckte die Regung den Eindruck eines Lächelns.

„Ihr seid eine wirklich mutige Frau, nachts alleine hinaus zu gehen. Das schätze ich sehr. Aber die Lobreden auf Eure Schönheit werden Euch bei weitem nicht gerecht. Ich bedaure, Euer Herz nicht erobert haben zu können.“

Ein Schauer huschte ihre Wirbelsäule hinab. Sasukes Blick bohrte sich regelrecht in sie hinein. „Oder ist vielleicht doch nicht alles verloren?“ Samtig umschmeichelte seine tiefe Stimme ihren Willen. Ein zarter Schimmer breitete sich auf ihren Wangen aus.

„Ihr macht mich verlegen“, gab sie zu. Im Unrecht war Sasuke jedoch nicht. Allein ihre Antwort auf seinen Brief und ihr Erscheinen zu diesem privaten Treffen sprachen eine eindeutige Botschaft aus, ohne ein Wort über die Lippen gebracht zu haben.

Sasuke beugte sich vor. Eine Hand hob sich langsam und strich eine der hellen Strähnen über ihre Schulter zurück. Sie ließ es mit klopfendem Herzen geschehen.

„Es war mein inniger Wunsch, Euch zur Frau zu nehmen.“ Seine Stimme senkte sich weiter ab, glich nur noch einem Flüstern.

„Ist Gaara wenigstens ein guter Ehemann?“, fragte er. Sasuke war ihr so nahe. Sie konnte ihr Spiegelbild in seinen glänzenden Augen sehen, als sei sie in seinen Gedanken.

„Er bemüht sich“, erklärte sie leise. Ihre Zunge glitt kurz über ihre Lippen, fühlten sie sich schrecklich trocken an. Der junge Uchiha sah so unglaublich attraktiv aus. Unter seinem dunkelblauen Yukata ließen sich Muskeln erahnen. Wie es wohl wäre, von diesen Armen gehalten zu werden? Sakura sehnte sich nach echter Zuneigung, die ihr Mann ihr verwehrte, weil er sie jemand anderem schenkte. Diesem Krüppel.

Sasuke musste ein sehr aufmerksamer Beobachter sein. Ihm fiel der kurze Umschwung ihrer Gefühle auf.

„Er verdient Euch nicht, wenn er nicht in der Lage ist, Euch glücklich zu machen, edle Dame.“

Sanft strichen seine Fingerspitzen ihren Hals entlang. Ihre Haut prickelte angeregt. Was geschah hier nur? Sie wollte sich doch nur mit Sasuke treffen und zumindest einen Augenblick erfahren, wie sich ehrliche Zuneigung anfühlte. Ein romantisches Abenteuer erleben. Doch wollte sie, was hier gerade im Begriff war zu geschehen? Ihre Vernunft ermahnte sie. Sollte rauskommen, was sie hier tat, erwartete sie eine harte Strafe. Aber ihr Herz schrie nach Sasukes Zuwendung.

Die Eifersucht auf Deidara und ihre tiefe Enttäuschung lösten schließlich ihre Zunge. „Gaara macht jemand anderen glücklich…“, murmelte sie und senkte ihren Kopf. Sie hasste diesen ungehobelten Rônin. Er war niemand, nur ein sittenloser Krieger. Welches Recht hatte er schon, an Gaaras Seite zu sein?

„Es ist eine Schande, dass er eine prächtige Blume wie Euch verdursten lässt“, hauchte Sasuke. Bestimmt legte sich seine Hand unter ihr Kinn und hob es an. „Seht mich an“, bat der Uchiha. Langsam hob Sakura ihren Blick und versank in diesen schwarzen Augen. Sasuke konnte in ihre Seele schauen, glaubte sie.

„Ich kann Euch geben, wonach Ihr Euch sehnt.“ Dieses Angebot huschte über seine Lippen wie ein sanfter Windhauch zwischen duftenden Blumen hindurch huschte. Zärtlich strich sein Daumen über Sakuras Wange.

In den schwarzen Augen glomm ein Funke. Der Anblick erinnerte sie an schwarze Kohlen, in denen sich die warme Glut verbarg, die im Winter vor der Kälte schützte.

„Aber...“, begann sie, wusste jedoch kein passendes Argument. Ihr Geist war erfüllt von diesen fesselnden Augen. Sie konnte sich Sasuke nicht widersetzen, wollte es gar nicht.

„Sorgt Euch nicht. Anko wird Euch nachher sicher und ungesehen in Eure Herberge zurück geleiten“, flüsterte Sasuke. Er kam ihr noch näher, langsam, gewährte ihr die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Seine Finger umfassten ihr Kinn nur locker.

Ihr Wunsch nach wahrhaftiger Zuneigung und der Schmerz ihres verletzten Herzens stifteten sie an zu bleiben. Sie wollte sich wenigstens einmal wie eine richtige Frau fühlen, wie eine Frau, die ihre Liebe einem Mann schenken konnte, der diese annahm und schätzte.

Sakura antwortete nicht verbal. Sie überbrückte die wenigen verbliebenen Zentimeter zwischen ihnen und vereinte ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss.
 

__________________________________

[64]Bakeneko: höherer Dämon der japanischen Mythologie. Eine Katze mit magischen Fähigkeiten, oft zur Gestaltwandlung fähig; in der Regel bösartig.

Gescheiterte Verhandlungen

„Nein.“ Yahikos graue Augen musterten Sasuke stoisch.

Der rothaarige Daimyô verkniff sich ein genervtes Seufzen. Wie die anderen beiden Verhandlungspartner verzog er keine Miene. Aber dies führte zu nichts. Sasuke beharrte darauf, dass er Akatsuki von seinem Land vertrieb. Leistete er dieser Aufforderung Folge, verärgerte er die Rônin-Bande und sein Land könnte erneut Angriffsziel für selbige werden.

Weiterhin hatte er keinen Einfluss auf Yahiko, der in wenigen Sätzen deutlich gemacht hatte, dass es keine Rolle spielte, wo Akatsuki lebte. Für ihre Aufträge war ihr Wohnort nicht relevant. Ebenso waren sie nicht auf Sasuke angewiesen. Es gab genug Einflussreiche in Japan, die hohe Summen bezahlten, um die Drecksarbeit an die Rônin abzugeben.

Auch für Akatsuki war der Sitz auf Shikoku vorteilhaft. Gaara ließ sie in Ruhe im Gegenzug für die Ablehnung von Aufträgen, die sein Land involvierten. Dass Konan schwanger war und ein Umzug nicht in ihrem Sinne, wussten in dieser Verhandlungsrunde die wenigsten.

Der Uchiha blieb jedoch eigensinnig und passte seine Forderungen nicht an. Er verlangte die bedingungslose Umsetzung seiner Wünsche zur Gewährleistung des Friedens zwischen ihren Reichen. Und mit der Vertreibung Akatsukis von Shikoku nicht genug, auch Deidara war eingeschlossen als ehemaliger Rônin und Mitglied dieser Bande.

Gaara schmetterte diese Forderung jedoch ab mit der Erklärung, dass der Krieger offiziell zu seinen Untergegebenen gehörte und kein Grund bestand, ihn aus seinen Diensten zu entlassen.

Einige Augenblicke herrschte eisiges Schweigen. Der Rotschopf ließ seinen Blick schweifen. Wie zuvor wurde Sasuke nur von Suigetsu, Jûgo und Karin begleitet, die ihn flankierten. Akatsuki dagegen war beinahe vollständig. Lediglich Kisame und Itachi fehlten. Gaara war sich sicher, dass diese Verhandlung eskaliert wäre, würde der ältere Uchiha anwesend sein. Kurz verweilte sein Blick bei den beiden jüngsten Mitgliedern von Akatsuki. Zabuza und Haku. Hätte Deidara ihm nicht versichert, dass es sich bei letzterem um einen Mann handelte, er hätte den Schwarzhaarigen für eine Frau gehalten.

Gaara sah zu seiner Ehefrau. Sakura verhielt sich während der gesamten Verhandlung sehr schweigsam. Vermutlich lag es daran, dass die Môri bisher nicht erwähnt worden waren. General Hizashi sowie Neji und Kiba saßen zu Sakuras Rechten. Shikamaru hatte links von ihm Platz genommen. Deidara lümmelte wie beim letzten Mal in seinem Stuhl und schien diese ganze Diskussion mit seiner zur Schau gestellten Langenweile zu verspotten.

Sasuke erhob schließlich seine Stimme. „Ich schlage einen Tausch vor.“ Jadefarbene Augen richteten sich erneut auf sein Gegenüber.

„Fahrt fort, Sasuke-dono.“ War Sasuke doch bereit, ihnen ein wenig entgegen zu kommen? Gaara glaubte jedoch nicht, dass ihm gefallen würde, was auch immer Sasuke ihm anbieten wollte.

„Ich lade einen Eurer engsten Vertrauten ein, dauerhaft in meiner Burg zu leben. Im Gegenzug wird einer meiner Vertrauten Euer Gast werden.“

Zwar umschrieb Sasuke seinen Wunsch geschickt, doch Gaara wusste, was diese Gäste tatsächlich waren. Geiseln. Sollte einer den Vertrag brechen, würde die Geisel leiden. Gaara konnte sich unmöglich sicher sein, wie viel dem Schwarzhaarigen seine engsten Vertrauten bedeuteten. Familienangehörige hatte er nicht mehr. Sasuke könnte ihnen jemanden geben, der wichtig wirkte, aber der ihm nichts bedeutete. Im Gegenzug hätte er freie Hand, während Gaara um seinen Angehörigen bangen musste.

„An wen denkt Ihr?“, fragte er ruhig nach, zeigte sich zumindest bereit zuzuhören. Er wollte so viele Informationen wie möglich erhalten, bevor er eine Entscheidung fällte.

Sasuke ließ sich einige Herzschläge Zeit, ließ die unangenehme Spannung wirken, die sie einhüllte wie die stehende Luft dieses heißen Sommertages.

„Eurer liebreizenden Frau, Sakura, würde es bei mir sehr gut gehen“, gab Sasuke schließlich seine Gedanken preis. Gaara konnte in den schwarzen Augen nicht erkennen, ob er sie begehrte oder ob er lediglich versuchte, seinen größten Schwachpunkt zu finden. Doch sie schien nicht die einzige zu sein, an der Sasuke Interesse zeigte. Sein Blick wanderte weiter über Shikamaru und schließlich zu Deidara. „Oder Ihr überlasst mir Deidara.“

Der Blonde brach in schallendes Gelächter aus. Gaaras Gedanken rasten derweil. Ahnte Sasuke, in welchem Verhältnis sie zueinander standen? Oder wollte er den ehemaligen Rônin haben, damit Orochimaru Rache üben konnte? Warum er Sakura vorschlug, ergab Sinn. Die eigene Ehefrau gab man nur sehr ungern in die Hände eines anderen. Man würde sich definitiv an den Pakt halten. Aber ausgerechnet ein Krieger, der noch nicht einmal einen hohen Rang inne hatte? Dahinter steckte definitiv mehr.

Gaara äußerte sich nicht zu der Wahl, sondern stellte eine Gegenfrage: „Wen wollt Ihr mir im Gegenzug als Gast in meine Burg schicken?“

„Suigetsu.“ Die Antwort kam zügig. Er musste sich darüber bereits Gedanken gemacht haben. Allerdings wusste der Weißhaarige dem Anschein nach nichts davon. In seinen Gesichtszügen erkannte Gaara Überraschung. Er holte Luft, um sich zu der Entscheidung zu äußern, da hob Sasuke Hand und gebot ihm zu schweigen.

„Das ist eine Falle“, mischte sich Zabuza mit tiefer Stimme erstmalig in die Verhandlung ein. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf den großen Mann, der beinahe die Hälfte seines Gesichts hinter Verbänden verbarg. „Suigetsu und sein Bruder Mangetsu waren Schüler von mir, bevor ich meinen Herrn verlor.“ Die kalten Augen Zabuzas erfassten den Weißhaarigen. „Suigetsu war schon immer ein redseliger Nichtsnutz. Was ist mit deinem Bruder geschehen? Hat er sich für dich geopfert? Er war sowieso zu nett zu dir und hat dich verhätschelt.“

Suigetsu fuhr von seinem Stuhl hoch. „Mein Bruder…“

„Es reicht!“, schnitt Sasuke seinem Untergebenen hart das Wort ab.

Doch es war zu spät. Gaara hatte Informationen sammeln können. Zabuza kannte Suigetsu also. Seine Zeit als Lehrer des jungen Mannes mochten Jahre zurücklegen, aber das grundlegende Verhalten eines Menschen änderte sich nur selten drastisch. Diese Aussage verstärkte Gaaras Befürchtung, dass Sasukes Untergebene nur als Schachfiguren eingesetzt wurden, um sein Ziel zu erreichen.

Sasukes Groll schien nun geweckt und richtete sich gegen Akatsuki. Also musste an Zabuzas Worten etwas Wahres sein.

„Würdet Ihr mir meinen Bruder aushändigen, wäre mein Interesse an Euch nichtig und Ihr könntet Eurer Wege ziehen.“

Yahiko rieb sich über die Nasenwurzel. Er machte den Eindruck, als versuche er in einer sinnlosen Diskussion mit einem störrischen Jungen seine Fassung zu wahren. „Es ist Itachis freie Entscheidung, bei uns zu bleiben.“

„Dann schickt ihn weg“, forderte Sasuke bestimmt, woraufhin Yahiko ein weiteres Mal verneinte, ohne jede Erklärung. Man merkte, wie wenig Erfahrung Sasuke in politischen Geschicken hatte. Er war nicht in die Rolle des Daimyô hineingewachsen. Man hatte ihn hineingestoßen, aber er war nicht bereit dafür, würde es vielleicht nie sein. Seine Denkweise war zu gradlinig und starr. Außerdem fehlte ihm die nötige Reife, besonnen Entscheidungen zu fällen.

„Lasst uns die Verhandlung unterbrechen, unsere Gemüter kühlen und über das Angebot nachdenken“, schlug Gaara vor. „Morgen kommen wir erneut zusammen und fällen eine Entscheidung.“

Er blickte zu Yahiko. „Ich denke nicht, dass Eure Anwesenheit weiter notwendig ist. In den aktuellen Prozess sind lediglich noch Nagoya und Shikoku involviert.“

Der orangehaarige Krieger nickte zustimmend.

Alle Parteien erhoben sich von ihren Stühlen. Sasukes Blick bescherte Gaara ein eisiges Gefühl. Würden sie überhaupt zu einer friedlichen Lösung kommen? Allmählich schwand seine Hoffnung.

Nach der formellen Verabschiedung zogen sie sich in ihre jeweiligen Unterkünfte zurück. Gaara musste sich mit seinen Generälen, mit Sakura und Deidara beraten, wie sie vorgingen. Er wollte keinen der beiden der Schlange ausliefern, die hinter Sasuke die Fäden zog.
 

Der nächste Morgen kam nach langen Stunden der Überlegungen viel zu schnell. Hoffentlich kamen sie heute endlich zu einem Abschluss, denn die Verhandlung zog sich zunehmend in die Länge. Der Aufenthalt in Sakai erschuf unnötig Kosten und sein Reich war angreifbarer im Augenblick während seiner unerwartet langen Abwesenheit.

Akatsuki erschien wie vereinbart nicht, doch Gaara war sich sicher, dass sie noch in der Stadt verweilten. Seine gesamte Konzentration lag auf Uchiha Sasuke, der in diesem Augenblick mit seinem kleinen Gefolge eintraf. Die Begrüßung lief höflich und routiniert ab. Anschließend nahmen sie auf den vorbereiteten Stühlen Platz.

„Zu welchem Ergebnis seid Ihr gekommen, Gaara-dono?“, begann Sasuke ohne Umschweife.

Gestern hatte er mit keinem Zucken gezeigt, dass ihm der Vorschlag nicht gefiel. Und nach reiflicher Überlegung war er zu einer Entscheidung gelangt. Er lehnte einen Geiselaustausch schlichtweg ab, da Sasuke nicht vertrauenswürdig genug war und ihm im Gegenzug keine entsprechende Geisel geben konnte.

„Ich lehne Euren Vorschlag ab“, verkündete er ernst. „Ihr könnt mir keinen gleichwertigen Gast im Tausch gegen meine Ehefrau anbieten. Und Euer Interesse an Deidara ist von einer anderen Person motiviert. Bedenkt zudem, wie absurd Eure Forderung ist. Vor wenigen Tagen wurde er von Eurer Seite vergiftet. Ich werde Euch keinen meiner Untergebenen ausliefern und ein wertloses Pfand annehmen.“

Es mochte hart klingen, doch letztendlich waren Sasukes Untergebene nicht mehr als genau das, für ihn wertlose Geiseln. Sakura würde vermutlich überleben, aber alle auf seiner Seite waren sich einig, dass Deidaras Leben nicht mehr lange wehrte, wenn sie ihn an Sasukes Seite auslieferten. Zumal er seinen Liebsten nicht herausgab.

Einmal mehr wurde ersichtlich, dass die Menschen, mit denen Sasuke sich umgab, noch weniger mit den politischen Ränkespielen vertraut waren als der Uchiha selbst. Karin blickte Gaara zornig an. „Wir sind nicht wertlos!“, widersprach sie und schwieg auch nicht trotz Sasukes eindeutiger Geste. „Unser Leben ist mehr wert als das dieses Mörders!“ Sie zeigte auf Deidara, der die junge Frau mit seinem provokanten Grinsen nur noch weiter reizte. Oh, der Blonde war überhaupt nicht dumm. Zwar hatte er auch reichlich Temperament, aber er wusste meistens, wann er seine Gefühle im Zaum halten musste oder wie er sie gezielt einsetzen konnte, um einen Menschen zu provozieren, so wie jetzt.

„Und Ihr?“, sprach Shikamaru. „Wessen Leben habt Ihr bereits beendet?“

Karins Augen funkelten vor Zorn. „Wir töten keine Unschuldigen für Geld.“ Glaubte sie wirklich daran? Es gab mehrere Arten, Unschuldige umzubringen, auch ohne dafür Geld zu nehmen. Niemand auf Gaaras Seite schenkte ihren Worten Glauben. Orochimaru räumte auch Unschuldige aus dem Weg, wenn sie sein Ziel gefährdeten und er gehörte zu der zahlenden Fraktion. Doch offensichtlich war er gänzlich dazu übergegangen, sich seine eigenen Untergebenen heranzuzüchten, die ihm bedingungslos gehorchten.

„Ihr habt bereits getötet für das, woran Ihr glaubt. Wo ist der Unterschied?“ Ruhig erwiderte Gaara den Blick aus den roten Augen. Gaara behauptete nicht, dass das, was Akatsuki tat, gut war. Doch ob man für Rache tötete oder um zu überleben, war eine Entscheidung des Glaubens. Was letztendlich verwerflicher war, sei dahingestellt.

Sasuke erhob seine Stimme. „Wir haben eine Seite gewählt und verkaufen uns nicht an den Meistbietenden.“ Schwarze Augen bohrten sich warnend in Gaara. „Und Ihr solltet Euch mit Anschuldigungen zurückhalten, ohne Beweise vorlegen zu können.“

Der Rotschopf überging diese Warnung. Selbst ohne Beweise war sichtbar, dass man Deidara um jeden Preis töten wollte und aktuell kam nur eine Partei für diese Tat in Frage, Orochimarus Marionetten. Wie am Tag zuvor kochten die Gefühle allmählich hoch und verhinderten eine ernste Argumentation.

„Sasuke-dono, ich erwarte Eure Antwort“, erinnerte Gaara an den Grund ihres neuerlichen Treffens. Angesprochener lehnte sich vor, stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab und verschränkte die Finger ineinander. Nachdenklich betrachtete er den Rotschopf.

„Dann wird es keinen Frieden zwischen Nagoya und Shikoku geben.“

Das hatte der junge Daimyô befürchtet. Anfangs hatte er wirklich Hoffnungen gehabt, die Verhandlungen könnten erfolgreich verlaufen, doch je länger er Sasuke beobachtete und analysierte, desto klarer wurde es. Der Uchiha wollte gar keinen Frieden. In seinen Augen brannte das Verlangen nach Krieg.

„Ich bedaure Eure Kurzsichtigkeit“, erwiderte Gaara ruhig und erhob sich. „Meine Anwesenheit ist nicht länger von Belang. Ich wünsche Euch eine angenehme Heimkehr.“ In seinen jadefarbenen Augen spiegelte sich eine unausgesprochene Warnung wieder. Sollte Sasuke ihn angreifen wollen, durfte er keine Gnade erwarten.

Sasuke lächelte kalt. „Seid achtsam, Gaara-dono. Nicht, dass einer Eurer kostenbaren Angehörigen zu Schaden kommt.“

Die Drohung schüchterte ihn nicht ein. „Meine Männer sind stark.“ Ein letztes Mal betrachtete er die gegnerische Seite. Der brennende Blick Karins fiel ihm auf, der Deidara wohl in Flammen setzen würde, wäre sie der Magie mächtig. Sie musste einen Grund haben, einen solch intensiven Zorn auf den Blonden zu hegen.

Gaara hatte richtig entschieden, befand er für sich. Er hätte seinen Liebsten in den Tod geschickt nur für den Frieden. Auch er war wohl doch nur ein Mensch und kein Dämon, denn er konnte das nicht tun.

Späte Rache

Das kaum vernehmbare Knistern der Tatami weckte Deidara auf. Seit Sakai war sein Schlaf noch leichter geworden, nagte die Möglichkeit eines Überfalls an seinem Unterbewusstsein ebenso wie die Nutzlosigkeit seiner Aufgabe, Gaara effektiv zu schützen. Sein Liebster konnte sich ohne weiteres selbst verteidigen. Aktuell sorgte er sogar eher umgekehrt für den Schutz des Blonden, indem er ihn nicht an Sasuke ausgeliefert hatte.

Ein weiteres Knistern, so leise, dass man es für einen Luftzug am Fenster halten könnte, drang an seine Ohren. Der Blonde spürte eine fremde Präsenz in seinem Raum. Seine Lider blieben geschlossen, die Atmung hielt er bewusst tief. Während seine Hand unter der Decke das Wakizashi fester umgriff, gab er weiter den Schlafenden.

Jemand war in seinem Raum, der ihm schaden wollte. Wären die Absichten ehrlich, würde er sich nicht wie ein Verbrecher hereinschleichen.

Deidara lag auf der Seite mit dem Rücken zur Tür. Er konnte spüren, dass die Person hinter ihm war. Jedes noch so unbedeutende Geräusch filterte er heraus. Schließlich konnte der Blonde leisen Atem hören. Das war nahe genug. Im nächsten Moment spannte er seine Muskeln, sprang auf und zog noch in der Bewegung das Wakizashi aus der Saya. Mit einem Satz stürzte er sich auf den Fremden und drückte ihn zu Boden. Die linke Hand mit der Klinge holte aus, um selbige durch die Schulter zu stoßen und den unerwünschten Besuch auf dem Boden fest zu pinnen.

Doch dieser reagiere schnell. Der Körper unter ihm wand sich geschickt. Es handelte sich um eine Frau, stellte er fest. Die Konturen fühlten sich weich an, die Rundungen verrieten ihr Geschlecht, wenngleich die schwarze Kleidung, die sie einhüllte, dieses Detail zu verbergen versuchte.

Deidaras Wakizashi sauste hinab und bohrte sich in die Tatami. Die Frau hatte sich wie eine Schlange seitlich weggewunden. Aber die Klinge musste das Tuch erwischt haben, welches ihr Gesicht und die Haare verbarg. Der Stoff rutschte herab, als sie sich hastig erhob und ein paar Schritte zurückwich. Im schwachen Licht des Mondes erkannte Deidara langes Haar und wütend glimmende Augen. „Uchihas kleines Anhängsel, hm“, kommentierte er, zog das Wakizashi aus der Tatami und richtete sich auf.

Karin zog zwei Dolche unter ihrer Shinobi-Kleidung hervor. „Ich bring dich um, Mörder“, zischte sie unversöhnlich.

Der Krieger grinste provokant. Endlich ein Kampf. Er würde ihn ausgiebig genießen! Allerdings fragte er sich schon, warum sie ihn so sehr hasste. In den wenigen Tagen, die sie den Verhandlungen beigewohnt hatten, hatte er nichts getan, um solch einen immensen Hass zu schüren. Doch seit sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, brannte ihr Blick sich in ihn.

„Versuch es nur.“ Kaum waren die Worte über Deidaras Lippen gelangt, war er mit einem Satz bei ihr und griff sie an. Ein heftiger Schlagabtausch folgte. Klirrend trafen die scharfen Klingen aufeinander. Ihr Kampfstil war gut. Mehrfach gelang es ihr beinahe, ihn mit ihrem zweiten Dolch zu verletzen. Aber er wich der Klinge gerade so weit aus, dass sie ihn nicht verletzte. Sein Schlafyukata erhielt dafür ein paar ungewollte Schlitze. Doch sie hatte eindeutig weniger Kampferfahrung als der Blonde. Deidara fand einen Schwachpunkt in ihrer Verteidigung. Er griff in ihren rechten Arm hinein, drehte sich um sie herum und beugte sich abrupt vor. Sie rollte schwungvoll über seinen Rücken, krachte gegen die dünne Wand und brach durch selbige hindurch.

Deidara ließ das Wakizashi lässig in der Hand kreisen. Mit der rechten rieb er sich über den Nacken. „Ist das alles, was du zu bieten hast? Ich hab mich noch nicht mal aufgewärmt, hm.“

Der Lärm weckte natürlich alle in der Herberge auf, die sie nahe der Küste als Übernachtungsgelegenheit auserkoren hatten. Nur wenige Augenblicke später öffnete sich die erste Tür und Shikamaru streckte seinen Kopf hervor. Zwei wachhabende Krieger eilten um die Ecke des Flures und zogen ihre Schwerter bei dem Anblick der Überreste seiner Wand, zwischen denen sich gerade Karin emporkämpfte. Einige Schrammen zierten ihr Gesicht. Ihre Kleidung war am Arm aufgerissen. Durch die Lampen im Flur konnte man nun deutlich mehr erkennen. Das rote Haar fiel ihr wild über die Schultern. Ihr Gesicht war vor Zorn verzerrt. Krampfhaft hielt sie ihre Dolche in der Hand.

Deidara warf den Samurai einen warnenden Blick zu. „Bleibt zurück. Das ist mein Kampf, hm“, sagte er entschlossen.

Weitere Türen wurden aufgeschoben, aber der Blonde machte nicht den Fehler, hinzusehen. Eine kurze Ablenkung konnte schon genügen, seine Gegnerin einen erfolgreichen Angriff ausführen zu lassen. Während er Karin nicht aus dem Auge ließ, bückte er sich langsam und tastete nach einem schmalen Holzstück in den Trümmern der Wand. Er fand etwas Passendes und richtete sich wieder gänzlich auf, nun mit einem ungefähr drei Fuß langen zerbrochenen Holzrahmen in der Hand. Diesen legte er locker auf seiner Schulter ab. Die Spitze des Wakizashi zeigte Richtung Boden.

„Also, Karin…“, begann er ernst. „Was soll dieser miserable Versuch, mich umzubringen? Schickt Orochimaru dich?“ Nach einer kurzen Denkpause sprach er weiter. „Nein, dafür ist dein Hass auf mich zu stark. Das ist was persönliches, hm.“ Auch in den tiefsten Winkeln seiner Erinnerung konnte er einfach keinen Zusammenhang finden. Sie waren sich erstmals zu den Verhandlungen begegnet. Deidara wollte wenigstens wissen, was sie derartig antrieb. Sterben würde sie ohnehin durch seine Klinge. Ihr Leben hatte sie in dem Moment verwirkt, als sie unerlaubt in diese Herberge eingedrungen war.

„Uzumaki“, knurrte die Rothaarige.

Deidaras sichtbare Augenbraue zuckte in die Höhe. Unbekannt kam ihm der Name nicht vor, aber wann hatte er ihn schon mal gehört?

„Geht’s auch noch etwas präziser?“, kommentierte er abfällig.

Seine Reaktion brachte sie offensichtlich komplett aus der Fassung. Sie sprang vor. Mit ihren Dolchen holte sie aus. Was sie plante, erkannte er sofort. Sie wollte ihm die Kehle durchschneiden. „Du hast meinen Cousin umgebracht, du Mistkerl!“, schrie sie außer sich.

Deidara drehte sich im letzten Moment zur Seite. Sie flog an ihm vorbei. Er duckte sich und schwang den Holzrahmen. Schmerzhaft prallte das Holz gegen ihre Schienbeine. Mit einem Aufschrei fiel sie zu Boden. Damit sie nicht noch einmal aufstehen konnte, rammte er ihr sein Knie in den Rücken. Atemlos japste sie. Der Blonde verharrte über ihr, das Knie drückte sich weiterhin in ihren Rücken. Das Holzstück ließ er achtlos fallen und griff in ihr langes Haar, zerrte ihren Kopf in den Nacken.

Sich tiefer über sie beugend, legte er die Klinge des Wakizashi an ihren Hals. Noch berührte der harte Stahl nur ganz leicht ihre Haut. Er wollte eine Antwort.

„Du musst schon konkreter werden. Ich erinnere mich nicht an jeden Jammerlappen, den ich umgebracht habe, hm“, knurrte er dunkel.

Statt um ihr Leben zu betteln, sah sie ihn aus den Augenwinkeln hasserfüllt an. Solange sie lebte, würde sie immer wieder den Versuch unternehmen, ihn umzubringen. Zu schade, dass sie sich nicht geschickter angestellt hatte. Wunsch nach Rache blieb unerfüllt.

„Uzumaki Naruto.“ Trotz der Schmerzen kamen die Worte scharf wie Dolche über ihre Lippen. „Du hast… ihm in Ôsaka die Kehle durchgeschnitten… dafür bezahlst du!“ So ungünstig ihre Lage war, sie stieß den Dolch in ihrer rechten Hand nach hinten, in der Hoffnung, ihn zu erwischen. Deidara war gezwungen, ihr Haar loszulassen und die Hand abzublocken. Augenblicklich umgriff er das Handgelenk eisern und verdrehte es, bis sie keuchend den Dolch fallen ließ.

Aber endlich erinnerte er sich. Sie sprach von dem einfältigen, blonden Bengel, den Sasori und er umbringen sollten. Dieses Ereignis lag ein paar Jahre zurück.

Seine Finger gruben sich erneut hart in die roten Haare. „Wer nicht stark genug ist, geht drauf… genau wie du.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das irre Züge annahm. „Freu dich, du stirbst auf dieselbe Weise wie dein schwächlicher Cousin, hm.“

Deidara ließ ihr keine Zeit mehr, darauf zu antworten. Erbarmungslos schnitt seine Klinge durch Fleisch. Blut spritzte auf den Boden. Ein abscheuliches Gurgeln erfüllte die Luft. Karins Körper zuckte noch einige Augenblicke, dann erschlaffte sie. Langsam ließ der Krieger von ihr ab, wischte sein Wakizashi an ihrer Kleidung ab und erhob sich.

Sein Lächeln verblasste, während er sich umsah. Es war totenstill auf dem Flur. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Unverhohlene Beunruhigung schlug ihm entgegen, teilweise sogar Angst. Doch das interessierte ihn nicht. Er wusste, dass er in den Reihen von Gaaras Gefolgsleuten nicht erwünscht war.

Deidaras Blick blieb an den jadefarbenen Augen seines Liebsten hängen. Er glaubte, Entsetzen darin zu erkennen. In der Öffentlichkeit konnte er sich jedoch nicht im besonderen Maße dem Daimyô zuwenden, obwohl ihn dieser Blick sehr beunruhigte. Baldmöglichst sollte er mit Gaara sprechen, um den Grund für das Entsetzen zu erfahren.

Deidara wandte er sich zwei verstörten Dienerinnen zu, die der Krach angelockt hatte. „Ich brauche ein neues Zimmer“, verlangte er, als wäre nichts passiert.

„Und jemand muss diesen Müll hier wegräumen, hm.“ Deidara deutete auf die Leiche am Boden. Ein Feind weniger. In seinen Augen war das ein kleiner Erfolg. Außerdem hatte er endlich wieder einen Kampf ausgetragen. Der Blonde fühlte sich gerade wirklich gut. Dieser Kampf zeigte, dass er als Krieger etwas taugte. Immerhin hatte er erfolgreich einen Störenfried beseitigt. Er war nicht nutzlos!

Der Einfluss der Vergangenheit

Gaara versank während des verbliebenen Weges ihrer Rückreise nach Matsuyama oft in seinen Gedanken. Der Überfall von Sasukes Untergebener hatte ihn weit weniger getroffen als die Enthüllung des Todes von Naruto.

Der Rotschopf erinnerte sich sehr gut an den aufgeweckten Jungen. Wenn er die Augen schloss und an die Tage zurückdachte, in denen Naruto in seiner Burg gewesen war, hatte er das Gefühl, er könne nach ihm greifen, so klar erschien das Bild des Blonden vor seinen Augen. Naruto hatte ihm deutlich gemacht, dass man sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen konnte. Nur weil man anders war, musste man nicht allein bleiben. Obwohl Naruto damals auch erst Angst vor ihm gehabt hatte, hatte er ihn zum Kampf herausgefordert und sogar gewonnen. Am allerwenigsten hatte er selbst damit gerechnet. Auf Gaaras Frage hin, warum er so stark war, hatte Naruto ihm erzählt, dass er durch die Liebe zu seiner Familie und zu seinen Freunden stark geworden war. Er wollte sie beschützen können. Diese Ansicht hatte Gaara in seinen Grundfesten erschüttert, hatte er jahrelang angenommen, nur allein konnte man wirklich stark sein, ohne Klotz am Bein.

Dank Naruto hatte sich für Gaara vieles zum Positiven gewendet. Sein Verhältnis zu seiner Familie war Stück für Stück zu einem gesunden Zusammenleben gewachsen. In der Burg war er ganz allmählich respektiert und nicht mehr gefürchtet worden. Der Rotschopf hatte viel dafür getan. Es war nicht leicht gewesen, sich wieder zu öffnen und den Menschen gegenüber freundlich zu sein, sich nicht zurückzuziehen, weil sie Angst zeigten. Er hatte begriffen, dass es Zeit brauchte, bis die Menschen verstanden, dass er ihnen keinen Schaden zufügen wollte. Wie ein Besessener hatte er trainiert, um seinen Sand unter Kontrolle zu halten, damit er nie wieder einen Menschen unabsichtlich damit verletzte.

Er war inzwischen sogar zu Liebe fähig und führte eine Beziehung, zugegeben heimlich, aber sie funktionierte gut. Doch nun hatte er erfahren, dass der Junge, der den Grundstein für diese Entwicklung gelegt hatte, tot war und der Mörder niemand geringeres als Deidara, sein Liebster.

Gaara fühlte sich betäubt. Wie sollte er mit der Situation umgehen? Naruto war für ihn sehr wichtig gewesen. In ruhigen Augenblicken hatte er sich gefragt, wie er jetzt wohl aussah, wie es ihm ging, ob er schon ein Samurai war. Er hatte ihm ein glückliches Leben gewünscht. Aber Naruto war tot.

Wie sollte er sich Deidara gegenüber verhalten? Er liebte ihn und wollte ihn in seinem Leben nicht missen. Das Bild, als Deidara über Karin gekniet und ihr die Kehle durchschnitten hatte, war unnachgiebig scharf in sein Gedächtnis eingebrannt. Karins Worte hallten in seinem Geist wider. Deidara hatte Naruto die Kehle durchtrennt. In seinen Träumen gestalteten die Worte und die frischen Erinnerungen schmerzhafte Bilder von Deidara, der irre grinsend Naruto das Knie in den Rücken rammte und mit dem kalten Stahl dessen Leben beendete.

In den letzten Tagen war er dem Blonden aus dem Weg gegangen. Aufgrund der Reise gestaltete sich diese Taktik als leicht. Er ließ vor seinem Zimmer nachts eine Wache aufstellen, um zu verhindern, dass Deidara sich in sein Zimmer schlich. Gaara war noch nicht bereit, ihm in die Augen zu sehen. Shikamaru gegenüber hatte er diese Anweisung als Vorsichtsmaßnahme definiert nach dem misslungenen Überfall. Sein General war jedoch alles andere als einfältig. Sicherlich stellte er bereits seine eigenen Überlegungen an über Gaaras Verhalten.
 

Tief seufzte der Rotschopf und tauchte aus seinen verworrenen Gedanken auf. Der herbstlich kühle Wind strich um seine Beine und ließ den Schlafyukata ab und an aufklaffen. Schwer stützte er sich auf dem Geländer seines Balkons ab, in der Hand ein Schälchen Sake.

Er nahm einen Schluck aus der Schale. Natürlich war der Sake inzwischen kalt geworden hier draußen. Sein Blick weilte auf der aufgewühlten See. Der Meeresgott Ryûjin war heute wieder besonders aktiv und durchpflügte das Wasser wie der Mord an Naruto seinen Verstand.

„Was ist los, hm?“

Die tiefe Stimme hinter ihm erschreckte ihn zutiefst. Das Sakeschälchen glitt dem Rotschopf aus den Händen und er fuhr herum. Mit einem leisen Klirren zerbrach die zarte Schale auf dem Holzboden. Deidara stand im Rahmen der Schiebetüren. Sein Blick zeigte eine Mischung aus dem Wunsch nach einer Antwort und Entschlossenheit, eben jene zu erhalten.

Gaara fiel auf, dass er unbewusst seinen Sand gerufen hatte. Der Stopfen des Flaschenkürbisses lag neben selbigem auf dem Boden und es rieselten kleine Körner, die sich hinter Deidara aufrichteten, bereit zuzuschlagen.

Deidara hörte das Rieseln zweifellos ebenfalls, aber sein Auge blieb unbeirrt auf ihn gerichtet. Eilig befahl er den Sand mental zurück in seine Flasche. „Du hast mich erschreckt“, erklärte er bemüht ruhig. Sein schneller Herzschlag fand nur langsam den Weg zu einem ruhigeren Takt.

Gaara hätte bedenken müssen, dass Deidara den geheimen Weg in seine Privatgemächer kannte. Natürlich war ihm sein Rückzug aufgefallen. Sein Krieger war aufmerksamer als er manchmal den Anschein machte, und nicht der Mensch, der lange wartete, sondern Probleme lieber frontal anging.

„Gehen wir rein und du erklärst mir, was dein Problem ist, hm.“ Deidara streckte ihm die Hand entgegen. Einen Augenblick zögerte der junge Daimyô, ehe er die dargebotene Hand annahm. Warum war es plötzlich so kompliziert? Der Mensch vor ihm hatte sich nicht schlagartig verändert.

Der Blonde zog ihn ins Innere und schloss die Balkontür. Das warme Licht einer Öllampe auf dem Tisch erhellte den Raum. Gaara ließ sich zum Tisch führen und setzte sich auf eines der Kissen, nachdem Deidara seine Hand losgelassen hatte. Um das Gespräch kam er nicht herum. Er war Deidara eine Erklärung schuldig. Und er konnte ihn fragen, warum er Naruto umgebracht hatte.

Gaara suchte Blickkontakt. Dann atmete er tief durch und ordnete seine Gedanken. „Uzumaki Naruto ist der Grund dafür, dass ich so bin, wie du mich kennst.“ In dem blaugrauen Auge erkannte er die noch unausgesprochene Frage. Deidara verstand noch nicht. Natürlich nicht. Die Hintergründe musste er ihm erst erläutern.

„Ich war zwölf Jahre alt, als ich Naruto kennen lernte. Er war der Sohn eines Samurai, der unter Befehl des Daimyô von Ôsaka stand. Während eines Besuches haben sie in der Burg genächtigt. Damals war ich… anders.“ Gaara senkte den Blick. Es war ihm unangenehm, sich an diese Zeit zu erinnern. Er wollte nicht sonderlich ausführlich werden, hatte er Deidara bereits davon erzählt. „Naruto hat mich trotz der Angst, die er vor mir hatte, zum Kampf herausgefordert und gewonnen. Ich verstand nicht, warum ihm das gelungen war, was kein Erwachsener zuvor geschafft hatte. Er erklärte mir, dass er stark sein will für seine Familie und seine Freunde, um sie zu schützen. …für mich hat diese Begegnung vieles verändert. Ich habe begonnen, zu trainieren, damit ich meine Fähigkeit immer unter Kontrolle habe, um niemanden mehr ohne meinen ausdrücklichen Wunsch anzugreifen. Es hat Jahre gedauert, das Vertrauen meiner Familie und der Burgbewohner zu erhalten, aber ich wollte nicht länger der Auslöser für ihre Angst sein und ich wollte stärker werden, um das schützen zu können, was mir etwas bedeutet. Ich wollte auch gebraucht werden.“

Gaara hatte lange nicht mehr darüber gesprochen. Nur seine Geschwister kannten diese Gedanken. Und jetzt auch Deidara in vollem Umfang.

„Der hat dich besiegt? Wie er das geschafft hat, ist mir schleierhaft, hm.“ Der Rotschopf sah auf. Seine Augen weiteten sich leicht. Das war Deidaras einziges Problem? Bevor er jedoch darauf eingehen konnte, sprach er weiter.

„Und ich habe ihn umgebracht… jetzt verstehe ich zumindest deine Reaktion bei dem Überfall. Du hast mir zuvor schon beim Töten zugesehen. Der Grund für dein Verhalten musste woanders liegen, hm.“

Deidara hatte nun Klarheit, er jedoch nicht. Gaara wollte wissen, warum Naruto hatte sterben müssen. „Wieso hast du ihn getötet?“ Sein Blick bohrte sich in das sichtbare Auge hinein. Diese Antwort wollte er um jeden Preis erhalten.

„Der Daimyô von Ôsaka hat Akatsuki den Auftrag gegeben, ihn umzubringen. Naruto war der Kopf eines Putschversuches, um den Daimyô zu stürzen, hm.“

Gaara hatte bereits geahnt, dass Akatsuki einen Auftrag erhalten hatte und nun bestätigte sich dieser Verdacht. „Aber… warum hat Naruto das getan?“ Er hoffte zu verstehen, warum Naruto hatte sterben müssen.

Deidara zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Für Akatsuki war das nicht relevant, hm.“

Es tat dem Rotschopf innerlich weh, dass Naruto auf diesem hinterhältigen Weg aus dem Leben geschieden war. Hätte dessen Daimyô sich ehrenhaft zum Kampf gestellt, wäre vieles anders gekommen. Viel zu oft griffen hohe Würdenträger zu derlei Methoden, um unbequeme Menschen aus dem Weg zu räumen. Selbst er hatte schon unter einem Auftrag Akatsukis gelitten, als sein Verwalter Baki umgebracht worden war. Ebenso hatte er Akatsuki benutzt, um sein Land zu verteidigen. Warum könnte Naruto sich gegen seinen Daimyô gestellt haben?

Hatte er ein Recht, den Daimyô für sein Handeln zu verurteilen? Oder Akatsuki? Yahiko hätte jeden der Rônin-Bande für diesen Auftrag entsenden können. Es hatte Deidara nur zufällig getroffen. Dem Blonden bedeutete dieser Auftrag nicht mehr als einer der anderen Aufträge, die er erledigt hatte. Auch dieser Gedanke schmerzte. Naruto war für ihn ein Licht gewesen, das ihn auf einen besseren Weg geführt hatte. Zu hören, dass er nur ein Auftrag gewesen war und seine Beweggründe niemanden interessierten, als wäre er unwürdig, tat weh.

„Wird sich etwas zwischen uns ändern deswegen, hm?“ Die Frage war leise und Gaara hörte die Unsicherheit heraus.

Seine Finger strichen ein paar der roten Strähnen aus der Stirn. Sie fanden jedoch gleich wieder ihren alten Platz. „Ich… weiß es nicht“, gestand er nach einigen Herzschlägen. „Ich brauche Zeit.“

Deidara sank in sich zusammen. Seine Beklommenheit war greifbar. Gaara konnte sich denken, dass der Blonde fürchtete, ihre Beziehung zueinander könnte daran zerbrechen. Er wollte seinen Liebsten nicht so geknickt sehen, doch er konnte ihm momentan einfach nichts anderes sagen. Wie er mit dem neuen Wissen umgehen sollte, wusste er noch nicht. Konnte er so weitermachen wie zuvor? Er musste in Ruhe darüber nachdenken.

Schwerfällig erhob Deidara sich. „Sag mir Bescheid, wenn du mir eine Antwort geben kannst, hm.“ Seine Stimme kam ihm kraftlos vor. Der Krieger warf ihm noch einen letzten Blick zu, dann wandte er sich ab und öffnete die Geheimtür, verschwand im Dunkel des geheimen Tunnelsystems.

Lebensunsicherheiten

Gemütlich trottete Deidaras Pferd über die Wiese, dem Geisterwald entgegen. Die Sonne strahlte widerlich hell auf ihn hinab und bildete einen drastischen Gegensatz zu seinen beklommenen Gedanken. Als wolle sie ihn verhöhnen.

Der Blonde hatte es in der Burg nicht mehr ausgehalten. Wenige Tage nach seinem Gespräch mit Gaara war er aufgebrochen in den Süden. Obwohl es die letzten Male mit der Rônin-Bande Schwierigkeiten gegeben hatte, an denen er nicht immer unschuldig gewesen war, so war er jetzt gerade lieber dort als in Matsuyama, wo er nicht wirklich hingehörte. Nur Gaara hielt ihn dort. Aber von einem Augenblick zum anderen war ihre geheime Ehe dem Zerfall nahe.

In Deidara wühlten die verschiedensten Gefühle. Ungerechtfertigter Zorn auf Yahiko, der Sasori und ihm die Mission damals gegeben hatte. Auf diesen Trottel Naruto war er wütend, weil er den Putschversuch unternommen hatte. Seine Cousine war genauso einfältig gewesen. Was musste sie auch vor Zeugen herumposaunen, dass er Naruto umgebracht hatte. Unsicherheit gesellte sich zu der grellen Wut. Würde ihre Beziehung diese Offenbarung überstehen? Die Hilflosigkeit aber war das Schlimmste an allem. Wie hätte er ahnen können, dass ein so altes Ereignis alles umwerfen konnte? Für ihn war Narutos Tod nichts weiter als ein Auftrag gewesen. Er bereute den Mord an ihm nicht. Dieser Bengel hatte ihm nichts bedeutet. Dass er ihm die Kehle durchgeschnitten hatte, war nichts weiter als ein fataler Zufall. Wer hätte ahnen können, dass der blonde Schreihals Gaara so viel bedeutete, geschweige denn, dass dessen Tod alles zum Einsturz bringen könnte?

Liebte der Rotschopf ihn überhaupt noch, jetzt wo er davon wusste?

Deidara lenkte sein Pferd in den Wald hinein. Angenehme Schatten hüllten ihn ein. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das dichte Blattwerk. Das weiche Moos dämpfte die Schritte des Tieres. Deidara wusste nicht, was er sich von Akatsuki erhoffte. Auf keinen Fall wollte er Mitleid von den anderen. Ablenkung traf es eher. Und er hatte eine Beschäftigung. Bliebe er in der Burg, würde er wahnsinnig. Außerdem schmerzte der Anblick Gaaras, wenn er ihm begegnete, aber genau wusste, dass ihr gemeinsames Leben in den Sternen stand.

Der Blonde näherte sich der Lichtung. Nachdem er die letzten Bäume passiert hatte, erhoben sich vor ihm das Haus und der Pferdestall. Während sein Pferd auf den freien Platz trottete, zählte er die Tiere auf der Koppel. Offensichtlich waren alle da außer Zetsu.

Ein dumpfer Schlag weckte seine Aufmerksamkeit. Deidara stieg aus dem Sattel und nahm die Zügel in die Hand. Das Pferd folgte ihm um die Ecke des Hauses. Kisame und Zabuza hackten im Schatten der Veranda Holz. Deutlich sah er die Muskeln arbeiten, als Kisame die Axt hob und anschließend auf den Holzscheit niedersausen ließ.

Zabuza bemerkte ihn zuerst und murmelte Kisames Namen. Dann deutete er mit einem Kopfneigen in seine Richtung.

Der Blauhaarige wandte sich um. Er lächelte. „Deidara. Schön, dass es dir gut geht. Ich habe gehört, was in Sakai passiert ist.“

Deidara brummte nur. Sakai war für ihn zu einem Fluch geworden. Wären sie nicht zu den Verhandlungen aufgebrochen, hätte Gaara vielleicht nie von Narutos Tod erfahren. „Ich bleibe eine Weile… es sei denn, Yahiko will mich nicht mehr hier haben, hm.“ Abwartend wanderte sein Blick zwischen den beiden kräftigen Kriegern hin und her.

Zabuza zuckte nur mit den Schultern und nahm seine Arbeit, die er unterbrochen hatte, wieder auf. Sich das Kinn reibend legte Kisame die Axt gänzlich beiseite. „Ich denke nicht. Aktuell kann ihm nichts und niemand die gute Laune verderben. Zwei Tage, nachdem wir von Sakai zurückgekehrt sind, hat Konan ihr Kind geboren. Er heißt Nagato. Sie haben ihn nach einem alten Freund benannt, der in einer Schlacht gefallen ist, hat mir Konan erzählt.“

Das bedeutete, er musste sich auch noch mit glücklichen Menschen auseinandersetzen. Zweifellos gönnte Deidara ihnen das gemeinsame Glück, aber wie sollte er sich für sie aufrichtig freuen, wenn sein eigenes Leben zu zerbrechen drohte? Schon wieder. Nur dieses Mal wurde es nicht von einem plötzlichen Sturm hinweggefegt, sondern stürzte allmählich in sich zusammen wie ein verwahrlostes Haus.

Bevor Deidara eine Antwort formulieren konnte, hörte er eilige Schritte hinter sich und schon legte sich ein Arm stürmisch um seine Schultern. „Hast du auch mal wieder hergefunden, Deidara-chan?“, fragte Hidan und drückte ihn an sich.

„Mit dir kann man wenigstens ein bisschen Spaß haben!“ Das Gute an Hidan war, dass er kein nachtragender Mensch war. Irgendwann würde er ihm das Aphrodisiakum unter die Nase reiben so wie den Sex mit Sasori, bei dem er unfreiwillig hatte lauschen müssen, aber ansonsten war er immer noch der alte Trottel.

Und er kam gerade recht. An ihm konnte Deidara seinen angeschlagenen Gemütszustand wunderbar auslassen. Eine gute, alte Prügelei war genau das, was er jetzt brauchte. Er konnte seine Gedanken für ein paar Augenblicke abschalten und sich komplett verausgaben. Danach fühlte er sich zwar nicht besser, aber seinen Emotionen hatte er ein wenig Raum gegeben.

Er entwand sich Hidans Griff, drückte Kisame die Zügel seines Pferdes in die Hand und sah den Silberhaarigen herausfordernd an. „Hol zwei Knüppel, hm.“

Die lilanen Augen seines Gegenübers funkelten höchst erfreut. „Schlechte Laune, was?“ Und schon lief er irre lachend los zu dem kleinen Schuppenanbau.

„Deidara…“, begann Kisame, aber er schnitt ihm mit einer harschen Geste das Wort ab. „Nicht jetzt, hm“, knurrte er und folgte Hidan langsam. Auf dem Platz vor dem Haus verharrte er. Nur Augenblicke später erschien der Hellhaarige mit zwei Kampfstöcken. Einen warf er Deidara zu. Der Blonde fing den Stock geübt aus der Luft.

„Diese Prügeleien mit dir habe ich echt vermi…“ Deidara ließ Hidan keine Zeit, seinen Satz zu Ende zu bringen. Er sprang vor und schwang den Stock. Mit Wucht krachte er gegen die andere Waffe, die gerade noch rechtzeitig zum Block hochgerissen wurde. Hidan mochte langsam sein und oft genug einen direkten Treffer einstecken müssen, aber dafür konnte er erstaunlich viel einstecken und er war dem Blonden an Kraft überlegen. Wenn Deidara wollte, könnte er jedem Schlag von Hidan ausweichen. Allerdings parierte er manche Angriffe absichtlich, um zu testen, wie viel er aushielt. Oft genug brach er in die Knie, weil er die von Hidan eingesetzte Kraft abfedern musste. Der Hellhaarige wähnte sich dann immer in Sicherheit, zu früh. Denn Deidara änderte seine Taktik und schlug ihm den Stock zwischen die Beine, sodass er automatisch stolperte oder gar auf dem Boden landete.

Deidara nutzte jede Lücke in Hidans Verteidigung, um einen Treffer zu erzielen. Am nächsten Tag würde der Krieger mit blauen Flecken und Prellungen übersäht sein. Er selbst hatte auch schon den ein oder anderen Treffer einstecken müssen. Aber Hidan sah morgen definitiv schlimmer aus. Nicht, dass ihn das störte.

Wie lange sie sich primitiv mit den Kampfstöcken prügelten, wusste Deidara nicht. Es interessierte ihn auch nicht. Irgendwann setzte die Erschöpfung ein. Der Schweiß rann über seine Stirn, seine Finger waren feucht, erschwerten den festen Griff um den Stock und sein Atem ging schwer. Die Muskeln in seinen Armen begannen zu schmerzen wegen der übermäßigen Beanspruchung.

Einmal mehr holte er aus und schlug mit aller Kraft, die er noch aufbieten konnte, auf Hidan ein. Dessen Stock brach entzwei, als er versuchte, seinen Schlag abzufangen. Hidan reagierte zu langsam. Deidara traf seine Schulter. Ein Laut des Schmerzes entkam dem anderen und er fiel nach hinten.

Empört sah er zu Deidara hoch. „Das tut weh, du Arsch!“ Langsam entspannte der Blonde sich und senkte seinen Stock. „Du stehst doch auf Schmerzen, hm“, erwiderte er keuchend, aber deutlich ruhiger.

Hidan rieb sich über die malträtierte Schulter. Gebrochen war garantiert nichts. Dann hätte der Größere mehr gejammert.

„Du kannst dir auch wen anders zum abreagieren suchen!“, schnaufte Hidan. Deidara hielt ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen.

„Mit dir prügelt sich hier aber so primitiv keiner. Deswegen musst du mit mir Vorlieb nehmen, hm“, warf Deidara ihm ungerührt an den Kopf. Der Hellhaarige nahm seine Hand an und ließ sich hochziehen. Nach wie vor rieb er über seine Schulter.

Deidara nahm das Gejammer nicht ernst. Das machte Hidan jedes Mal und dann griff er doch wieder mit Freude zum Kampfstock, wenn Deidara es brauchte.

Ein gehässiges Grinsen bildete sich auf Hidans Lippen. „Was denn, befriedigt dich dein Ehemann nicht mehr und hat mit seiner Frau Spaß? Fehlen dir die Titten?“

Augenblicklich verfinsterte sich Deidaras Miene. Hidan hätte keinen größeren Fehler begehen können. Ohne Vorwarnung rammte er ihm ein Ende des Stockes in den Magen. Röchelnd sackte Hidan vor ihm zusammen. Die Unterarme presste er gegen den Bauch. „Kein Wort über Gaara!“, zischte Deidara. Sein Liebster war derzeit ein sehr empfindliches Thema.

Trotz der starken Schmerzen rang er sich ein gequältes Grinsen ab. „Also… stimmt’s. Willst’e zurück…kommen?“

Deidara knurrte und hob erneut den Stock. Er wollte Hidan einfach nur zum Schweigen bringen. Schließlich war er nicht hergekommen, um sich seine Probleme vorhalten zu lassen. Auch wenn Hidan nicht ganz ins Schwarze getroffen hatte, so war Gaara allgemein gerade kein gutes Gesprächsthema. Aber er würde seine eigene Unsicherheit nicht zeigen. Lieber verprügelte er Hidan, der so dumm war, ihn auf seinen Liebsten anzusprechen.

Bevor er erneut seine Wut und Angst an Hidan auslassen konnte, griff Kisame in seinen Schlag und hielt den Stock fest. Ernst sah er ihn an. „Das reicht jetzt, Deidara. Du kennst doch Hidan so gut wie wir alle. Es mangelt ihm an Einfühlungsvermögen.“

Besagter Rônin rappelte sich derweil wieder auf. „Ey, ich bin… noch da“, schnappte er.

Wütend starrte Deidara den Älteren an, dann ließ er den Stock los. Stattdessen nahm er Kisame wortlos die Zügel seines Pferdes ab und führte es zum Stall. Hätte Hidan doch nur nicht Gaara angesprochen! Jetzt hatte er das Gefühl, der Kampf gegen ihn war völlig sinnlos gewesen. Nun war sein Körper erschöpft, aber sein Innerstes nach wie vor aufgewühlt und nicht kurzeitig ruhig gestellt.
 

Die darauffolgenden Tage verliefen wenigstens ruhig. Hidan war vermutlich eingetrichtert worden, dass er ihn nicht mehr auf sein Verhältnis zu dem jungen Daimyô ansprechen sollte, wenn er nicht von selbst darüber sprach.

Kisame hatte Recht behalten, Yahikos Stimmung war noch nie so friedlich und freundlich gewesen. Deidara sah das Kind, mit dem er nichts anfangen konnte. Aber das musste er auch nicht, weil Konan sich schließlich darum kümmerte als seine Mutter. Es hatte rote Haare… warum ausgerechnet rote Haare? Es erinnerte ihn an Gaara und Sasori.

Die Geburt war nur wenige Tage her, weswegen Haku und Itachi Yahikos Frau die Küchenarbeit noch abnahmen, damit sie sich erholen konnte. Argwöhnisch musterte der Uchiha ihn, sobald er die Küche zur Essenszeit betrat. Er wollte sicherlich vermeiden, dass Deidara wieder jemandem etwas ins Essen mischte. Itachi zum Beispiel. Der feine Herr beachtete ihn. Das hob seine Stimmung minimal.

Deidara beschaffte sich im nächsten Dorf etwas Ton. Schwarzpulver hatte er noch. In Matsuyama kannte er einen zwielichtigen Händler, Gari, der an alles herankam, wenn man ihm nur genug Yen anbot. Sogar an Schwarzpulver. Bei Hofe hatte er kaum Gelegenheit, sich um seine besonderen Waffen zu kümmern. Hier bei Akatsuki konnte er so viele Stunden mit seinen Tonkrügen verbringen, wie er wollte.

Die meiste Zeit verbrachte Deidara mit dem Töpfern von verschiedenen Gefäßen. Er testete verschiedene Formen und Größen aus, um die für seine Idee passende zu finden. Während seiner Reise zum Geisterwald hatte er den Einfall gehabt, dass es vorteilhaft wäre, könnte er seine explosiven Gefäße anzünden und dann auf den Gegner werfen. Niemand müsste den gefüllten Tonkrug werfen, damit er mit einem Brandpfeil darauf schießen konnte.

Natürlich war den anderen Rônin aufgefallen, dass ihn etwas bedrückte. Nur Haku und Zabuza konnten das nicht an seinem Verhalten erkennen, weil sie ihn kaum kannten. Allerdings waren nur Kisame und Konan fürsorglich genug, um an ihn heranzutreten. Deidara wollte aber nicht darüber sprechen. Vielmehr streifte er durch den Geisterwald und jagte Wild für ihre nächste Mahlzeit.

Ansonsten versank er völlig in seiner Idee, Gefäße herzustellen, die er anzünden und werfen konnte, die aber erst explodierten, wenn sie beim Gegner angelangten. Während er den feuchten Ton bearbeitete, wanderten seine Gedanken auch oft zu seinem Meister Sasori. Manchmal war ihm dann, als könne er den blutigen letzten Kuss auf seinem Handrücken sehen. Gerade vermisste er ihn wieder besonders. Es war nicht so, dass er Gaara nicht mehr liebte. Seine Gefühle für ihn hatten sich nicht geändert. Aber durch die Unsicherheit, wie es weiterging, sehnte er sich nach der Sicherheit zurück, die Sasori ihm gegeben hatte. Jeden Abend stellte er eine kleine Opfergabe vor den Butsudan und zündete Räucherwerk an. Obwohl er von traditionellen Bräuchen allgemein wenig hielt, war es ihm wichtig, einen greifbaren Bezug zu seinem toten Meister zu behalten. Und diese Riten des Gedenkens an Verstorbene halfen ihm dabei.

Zerstörerische Taten

Gaara saß über einigen Dokumenten. Eigentlich wollte er heute noch die nötigen Entscheidungen treffen, damit sie abgearbeitet waren. Doch immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Seit Tagen fiel es ihm schwer, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Deidara war wieder einmal ohne ein Wort verschwunden. Der Rotschopf war sich sicher, dass er zu Akatsuki geritten war. Das machte er immer, wenn er sich in der Burg nicht mehr wohl fühlte. Der junge Daimyô war sich bewusst, dass er daran Schuld trug. Deidara lebte nur wegen ihm hier und nun hatte er ihm seine Liebe entzogen.

Die Situation war verzwickt. Einerseits konnte er nicht mit dem Wissen um Narutos Tod weitermachen wie bisher, andererseits sorgte er sich um seinen Krieger. Er wusste, wie er sich damals gefühlt hatte nach Sasoris Tod. Gaara hatte Deidaras neue Heimat sein wollen und nun hatte er ihn praktisch vor die Tür gesetzt für eine ungewisse Zeit. Hoffentlich machte der Blonde nichts Dummes.

Die Stimme seines Dieners drang dumpf durch die Tür. Sakura bat um Einlass. Gaara blickte zum Fenster. Es war bereits dunkel. Das Abendessen hatte er also mal wieder verpasst. Sicherlich machte seine Frau sich Sorgen um ihn.

„Lass sie eintreten“, rief er halblaut.

Die Tür wurde aufgeschoben und Sakura trat mit einem Tablett in den Händen ein. Hinter ihr schloss der Diener die Tür. Sie lächelte. „Gaara-san. Ich habe Süßigkeiten für dich gemacht“, erklärte sie. Langsam näherte sie sich.

Ihr kirschblütenfarbenes Haar trug sie heute offen. Sanft fiel es über ihre Schultern. Ein milchweißer Kimono bedeckte ihren Körper und wurde von einem breiten sonnengelben Obi gehalten, auf dem rote Ahornblätter tanzten. Sie sah hübsch aus, wie immer.

Sakura ließ sich ihm gegenüber an dem Tisch nieder. Das Tablett stellte sie neben sich auf den Tatami ab. Wortlos schob der Rotschopf seine Dokumente beiseite, damit sie etwas Platz hatte. Er würde sie gewiss nicht wegschicken, wenn sie ihm eine kleine Freude machen wollte. Vielleicht konnte sie ihn von seinen Gedanken ein wenig ablenken.

Seine Frau platzierte zwei Teeschalen auf dem Tisch sowie eine flache Schale in erdigem Braun, in der Wagashi [65] in Form kleiner Herbstblumen drapiert waren. Sie musste sich viel Mühe gegeben haben, denn die Wagashi sahen sehr lecker aus.

„Da du beim Abendessen nicht anwesend warst, wollte ich sie dir gern bringen. Eine kleine Pause von deiner Arbeit wird dir gut tun“, sagte Sakura und goss Tee aus einer flachen Kanne in die Schalen. Kleine dampfende Wölkchen erhoben sich von der klaren Flüssigkeit.

„Vielen Dank“, sagte Gaara höflich und nahm eines der Wagashi. Er biss ab und kaute. Die Süßigkeit schmeckte köstlich. Nachdem er das erste Stück verzehrt hatte, zuckten seine Mundwinkel zu einem kaum wahrnehmbaren Lächeln. „Sie sind lecker.“

Sakura freute sich sichtlich über das Lob. „Das erleichtert mich sehr, dass du sie magst.“ Sie griff nach ihrer Teeschale und pustete behutsam. Während sie trank, nahm Gaara sich ein weiteres Wagashi. Er betrachtete Sakura. Zugegeben, ein wenig vorsichtig war er geworden, mit ihr allein zu sein. In regelmäßigen Abständen fragte sie ihn, ob er mit ihr den Futon teilte. Wollte sie heute wieder fragen? Bisher machte es den Anschein, als wolle sie einfach nur ein wenig Zeit mit ihm verbringen. Diese besondere Frage kam immer ohne Umschweife über ihre Lippen, ohne eine gewisse Vorbereitungszeit.

„Wie wird es jetzt weitergehen, nach den gescheiterten Verhandlungen?“, fragte sie schließlich.

Das war in der Tat ein kompliziertes Thema. Gaara schob sich ein weiteres Wagashi in den Mund und sprach erst, nachdem er es hinuntergeschluckt hatte.

„Wir warten ab und beobachten Sasukes Handlungen.“ Mehr konnten sie aktuell nicht tun. Aber sollte der Uchiha sie angreifen wollen, würden sie sich verteidigen. Gaara würde keinen Krieg aus eigenem Antrieb beginnen, der absolut unnötig war und nur seine Untergebenen in Gefahr brachte.

Sakura gab einen verstehenden Laut von sich. „Ich hoffe, es kommt nicht zum Krieg“, sagte sie leise, bedrückt.

„Ich hoffe es auch, aber wenn wir angegriffen werden, muss ich unser Land verteidigen“, gab er zu bedenken. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Von Sasuke ließ er Shikoku nicht überrennen. Dafür hatte er sich nicht erfolgreich gegen Orochimaru behauptet.

Gaara nahm die Teeschale in die Hand. Der heiße Inhalt hatte die Keramik erwärmt, die sich nun angenehm in seine Handflächen schmiegte. Ihm war, als fühle er die lackierte Oberfläche der Schale deutlicher als sonst. Allgemein wurde ihm wohlig warm. Das lag sicher an dem Tee. Gaara trank einen weiteren Schluck des schmackhaften Getränks. Langsam rann es seine Kehle hinab. Nein, irgendwie fühlte sich der Tee anders an. Er fühlte sich, als hätte er Alkohol getrunken und verspüre nun das Verlangen nach körperlicher Nähe. Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zu Deidara. Prompt kribbelte es in seinem Unterleib und ein hartnäckiges Pochen setzte ein.

Minimal weiteten sich seine Augen für einen Herzschlag. Viel zu deutlich spürte er die aufkeimende Erregung, die gegen den Stoff des Fundoshi unter seinem Hakama drückte. Das war sehr ungewöhnlich! Sein Körper hatte noch nie so stark auf eine bloße Erinnerung an seinen Liebsten reagiert. Was war nur los mit ihm?

„Gaara-san?“ Sakuras Stimme drang leise an sein Ohr, schmeichelnd.

Als er aufsah, war sie ihm erstaunlich nahe. Sakura hatte den Tisch umrundet und kniete nun dicht neben ihm. Sie hob ihre Hand und strich über seine Wange. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie.

Natürlich war nicht alles in Ordnung. Aber das wollte er ihr gewiss nicht sagen. Unglücklicherweise senkte sich ihr Blick. Seine Erregung konnte ihr nicht verborgen bleiben. Als sie ihm wieder in die Augen sah, umspielte ein Lächeln ihre Lippen. „Ich nehme das als Kompliment…“, hauchte sie. Langsam beugte sie sich vor. Ein lieblicher Blütenduft streichelte seine Sinne. Ihre Lippen berührten sich. Zum einen fachte diese zärtliche Berührung seine Begierde nach den körperlichen Freuden an, zum anderen machte es ihm Angst. In ihrer Hochzeitsnacht hatte Sakura nichts in ihm auslösen können und nun war er erregt, obwohl sie lediglich mit ihm im selben Raum war. Nein, etwas war grundlegend falsch!

Aphrodisiakum! Wie ein Blitz am gewitterschweren Himmel schoss ihm der Gedanke durch den Kopf. Deidara hatte ihm davon erzählt, dass er Hidan und Itachi heimlich Aphrodisiakum in den Tee gemischt hatte. Der Tee konnte es jedoch nicht gewesen sein. Auch in ihrer Schale war Tee aus derselben Kanne. In den Wagashi musste ein Mittel sein, denn sie hatte bisher keines davon angerührt.

Gaaras Blick verhärtete sich. Bestimmt schob er sie von sich. Die Teeschale stellte er auf dem Tisch ab. „Ich schätze es nicht, dass man mir ohne mein Wissen ein Aphrodisiakum unter das Essen mischt“, sprach er verstimmt.

Erschrocken blickte Sakura ihn an. Sie hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass er diese List durchschaute. Dann schäumten ihre smaragdgrünen Augen vor Zorn. „Du lässt mir keine andere Wahl. Noch nicht ein einziges Mal hast du deine eheliche Pflicht erfüllt!“, fuhr sie ihn an.

Gaara schluckte hart. Sie sprach eine sehr empfindliche Stelle an. Natürlich war ihm das bewusst, aber er konnte es einfach nicht. Er spürte keinerlei Verlangen nach ihr. Jetzt könnte er zwar ihrem Wunsch nachkommen, war er zumindest erregt, aber er wollte schlichtweg nicht mit ihr intim werden.

„Was hat Deidara, was ich nicht habe? Wieso liebst du ausgerechnet ihn? Ich bin deine Frau! Er ist nur irgendein Krüppel!“

Gaara war sprachlos. Sie wusste von ihm und Deidara? Wann hatte sie davon erfahren? Sie gaben sich solche Mühe, dass ihre Beziehung geheim blieb.

An ihrem Wissen konnte er nun nichts mehr ändern, jedoch machte ihn diese Beleidigung extrem zornig. Sie wusste überhaupt nichts von Deidara. Warum er so war, wie er war. Warum er nur noch ein Auge hatte. Sie hatte kein Recht, abfällig über ihn zu sprechen.

Heiß brannte die Wut in seinen Adern und verleitete ihn in alte Verhaltensmuster. Er hob eine Hand, rief seinen Sand aus dem Flaschenkürbis an seiner Hüfte. Leises Rieseln erklang im Raum. Japsend wich Sakura zurück, doch die Sandkörner formten sich unnachgiebig um ihren Hals. Gaaras Finger zuckten und der Ring aus Sand zog sich langsam zusammen. Sakuras Hände flogen zum Hals, kratzten über den Sand, erfolglos. Sie schnappte röchelnd nach Luft.

Langsam erhob sich der junge Daimyô und sah auf seine Frau hinab.

„Sprich nie wieder in diesem Ton über Deidara. Du weißt gar nichts.“ Seine Stimme war nicht laut, doch durchdringend und von einer Kälte, die ihn selbst erschreckte. Ihm wurde bewusst, was er gerade tat. Augenblicklich befahl er seinen Sand zurück in den Flaschenkürbis.

Sakura atmete hörbar ein. Hustend rieb sie über die geschundene Haut. Rote Würgemale schimmerten zwischen ihren Fingern. So rasant seine Wut seinen Geist vernebelt hatte, rasch verflog sie wieder. Es tat ihm Leid, dass er ihr das angetan hatte. Nie wieder sollte jemand unter seinem unkontrollierten Temperament leiden. Lange war ihm das gelungen. Und nun hatte er ausgerechnet seine Frau so sehr verängstigt. Wie ein zu Tode erschrecktes Reh hockte sie vor ihm und sah ihn aus großen Augen zitternd an.

„Es tut mir Leid“, hauchte Gaara kraftlos. Langsam kniete er sich zu ihr, um ihr aufzuhelfen. Sie rutschte zurück und kam stolpernd auf die Beine. „Fass mich nicht an“, brachte sie mit kratziger Stimme hervor. Sie drehte sich um und rannte aus dem Raum.

Gaara sackte in sich zusammen. Sein Blick fiel auf seine Hände in seinem Schoß. Nun hatte er auch noch seine Frau von sich gestoßen. Er war wohl einfach nicht geschaffen für eine Beziehung jeglicher Art.

Unangenehm zog es in seiner Lendengegend. Sein Körper war noch immer erregt… und ihm war überhaupt nicht danach, sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Allerdings wurde es allmählich unangenehm. Wäre dieser Abend nur schon vorbei.
 

Temari war sich sicher. Sakura aß seit ein paar Tagen morgens nur noch wenig. Auf ihre Fragen nach dem Grund erklärte sie, dass ihr übel war. Ihr Gesicht erschien ihr weicher. Und gerade übergab sie sich nur eine Stunde nach dem Frühstück. Eine Dienerin half der Rosahaarigen, sich wieder herzurichten, während Temari die Teeschale füllte, die auf dem Tisch stand. Die Haushaltsausgaben konnten warten. Zuerst wollte sie sich um Sakura kümmern.

Als die junge Frau sich wieder zu ihr setzte, war sie noch etwas bleich. Sie zupfte das hellgrüne Seidentuch zurecht, welches sie heute um den Hals trug. Hoffentlich erkältete sie sich nicht. Temari reichte ihr die Teeschale, die sie dankend annahm. Langsam trank sie daraus.

„Ich weiß, was mit dir los ist“, begann Temari ruhig. „Du bist schwanger.“ Sie lächelte. Das war wunderbar. Gaara wurde Vater.

Sakura wirkte nicht überrascht, vielmehr erwiderte sie das Lächeln. Sie wirkte dabei jedoch melancholisch. „Ich wünschte, mein Onkel wäre hier… und meine Eltern würden noch leben, um ihr Enkelkind kennen zu lernen“, sagte sie leise.

Temari rückte näher und nahm Sakura in den Arm. „Du kannst deinem Onkel einen Brief schreiben. Er wird dich bestimmt gern besuchen kommen. Und wir sind ja auch da. Wir sind jetzt auch eine Familie“, sagte sie aufmunternd.

„Du hast Recht“, stimmte Sakura nach ein paar Augenblicken des Schweigens zu und sah sie wieder direkt an. „Aber verrate Gaara noch nichts. Ich möchte es ihm selbst sagen.“ Verstehend nickte Temari und schmunzelte dann. „Die Überraschung verderbe ich dir gewiss nicht.“
 

________________________________________________________________________

[65]Wagashi: traditionelle japanische Süßigkeit

Wahrheiten

Ihre Gefühle warfen Sakuras Gedanken umher, als spielten Kinder mit einem Ball. Ihre Periode war ausgeblieben. Zusammen mit der morgendlichen Übelkeit und den leichten Schwindelanfällen wurde ihr die Ursache schnell klar. Sie war schwanger. Tiefe Freude durchfuhr sie, hatte sie sich ein Kind gewünscht, eine richtige Familie. Doch nur einen Herzschlag später jagte Angst durch ihren Körper. Dieses Kind war nicht von Gaara. Sobald bekannt wurde, dass sie schwanger war, hatte ihr Mann jedes Recht, ihre Ehe scheiden zu lassen, weil sie ihn betrogen hatte. Die Schande, die sie über Gaaras Familie und ihre eigene gebracht hatte, würde öffentlich werden.

Sakura fand das ungerecht. Gaara durfte ihr fremdgehen, aber sie nicht. Nur, wenn er mit einer verheirateten Frau Unzucht trieb, hatte sie einen berechtigten Scheidungsgrund.

Die Rosahaarige ertrug den Gedanken nicht, ihrer Familie solche Schande zu bereiten. Eher würde sie den ehrenvollen Freitod wählen, als weiterzuleben mit dem Wissen, das Ansehen ihrer Familie beschmutzt zu haben. Doch das Kind in ihr war unschuldig. Es sollte seine Chance auf Leben erhalten. Wie sie ihm dieses Leben ermöglichen wollte, musste sie noch überlegen. Aber sie würde einen Weg finden.

Wenn sie in den nächsten Tagen mit Gaara schlief, würde er das Kind offiziell als seines anerkennen. Eine Frühgeburt war immer möglich. Sie war erst seit drei Wochen schwanger. Sakura fasste neuen Mut. Sie würde mit ihrem Mann den Futon teilen und dieses Mal würde sie nicht auf seine Entscheidung hoffen, da sie wusste, dass diese negativ ausfiel. Sie entschied dieses Mal. Dazu benötigte sie lediglich ein Aphrodisiakum aus einer Apotheke.

Vor ein paar Tagen hatte Deidara die Burg verlassen. Einen besseren Zeitpunkt gab es nicht. Sicherlich fühlte Gaara sich einsam. Sie würde die liebevolle Ehefrau sein, die sich um ihn bemühte. Für ihren Onkel hatte sie oft kleine Wagashi in zu der Jahreszeit passenden Formen gemacht. Über die Süßigkeiten hatte er sich stets sehr gefreut und sie für ihr Talent gelobt. Ein wenig Aphrodisiakum darin veränderte den Geschmack bestimmt nicht. Vielleicht bekam sie doch noch die Familie, die sie sich erträumt hatte, auch wenn es nicht Gaaras Kind war.
 

Gaara ließ am nächsten Morgen das Frühstück ausfallen und zog sich sogleich in sein Arbeitszimmer zurück. Den Diener wies er an, dass er unter keinen Umständen gestört werden wollte. Die vergangene Nacht war furchtbar gewesen. Sakuras Unwissenheit gepaart mit der Dreistigkeit, die er ihr nicht zugetraut hatte, wühlten ihn schrecklich auf. Bisher war sie der Etikette immer treu geblieben. Sie war eine vorbildliche Ehefrau. Vielleicht hätte er sich von diesem makellosen Verhalten nicht täuschen lassen sollen. Jeder Mensch vereinte ein paar Eigenheiten in sich. Oder hatte er sie dazu getrieben? Trug er Schuld daran, dass sie ihm heimlich Aphrodisiakum untergemischt hatte? Zweifellos kam er seiner ehelichen Pflicht auf dem Nachtlager nicht nach, doch das war für ihn kein Grund, ihm etwas ins Essen zu geben ohne sein Wissen.

Wann hatte sie nur von Deidara erfahren? In Sakai? Oder vorher? Sie waren immer darauf bedacht gewesen, dass man sie nicht sah. Vielleicht sollte er Sakura fragen, wie sie es herausgefunden hatte.

Wenigstens war die von der Mischung hervorgerufene Erektion nach einigen Bemühungen zurückgegangen. Aber diese Berührungen waren alles andere als angenehm gewesen. Gaara hatte keinerlei Lust verspürt, zu viele Gedanken verursachten einen Tumult in seinem Geist. Zwischendurch war er sogar zu Deidara abgedriftet. Er vermisste ihn und fragte sich, wie es ihm wohl ging bei Akatsuki. Hoffentlich gab es nicht wieder Probleme.

Der junge Daimyô konnte nicht abstreiten, dass ihm der Krieger nach wie vor sehr am Herzen lag. Er wollte nicht, dass es ihm schlecht ging. Und er wollte ihn gern bei sich haben. Doch er glaubte auch nicht, dass Deidara so schnell zu ihm zurückkehrte. Es würde Zeit brauchen, bis sie mit der neuen Situation zurechtkamen.

Hatte Sakura ausgenutzt, dass Deidara nicht in der Burg war? Das Geschehene musste gemeinsam problematisiert werden, befand er. Etwas dergleichen durfte nicht erneut passieren. Aber erst sollten sich die Gemüter ein wenig abkühlen. In ein paar Tagen würde er Sakura zu einer Teezeremonie einladen. In einer entspannenden Atmosphäre, abgeschiedenen im Teehaus, konnten sie sich in aller Ruhe ihren Differenzen widmen und eine Lösung für ihr weiteres Zusammenleben finden.
 

Gaara goss etwas von dem frisch zubereiteten Tee in eine rotbraune Teeschale. Nachdem er die Kanne beiseite gestellt hatte, reichte er die Schale seiner Frau. Sie nahm das edle Stück dankend an. Drei Mal drehte Sakura die Teeschale in ihren Händen, bevor sie einen Schluck des erlesenen Tees trank.

Sie waren gänzlich ungestört in dem kleinen Teehäuschen. Bisher entwickelte sich ihr Treffen so, wie der junge Daimyô sich das vorgestellt hatte. In einer harmonischen Atmosphäre konnten sie über alles sprechen. Dennoch empfand er es als schwierig, einen Anfang zu finden. Schließlich entschied er sich für die direkte Art und Weise.

„Wie lange weißt du von meiner Beziehung zu Deidara?“, fragte er sie mit seiner üblich beherrschten, sachlichen Stimmlage.

Sakura senkte die Teeschale. Ihre Fingerspitzen rieben nervös über die gebrannte Keramik. Gaara wartete, bis sie bereit war zu sprechen. „Seit Sakai. Als Deidara vergiftet wurde“, antwortete sie nach einigen Augenblicken.

Der Rotschopf dachte kurz nach. Sie wusste es also noch nicht lange. Nachdenklich griff er nach der Kanne und goss sich in eine zweite Teeschale etwas der heißen Flüssigkeit. „Als meine Frau hast du ein Recht darauf, mehr zu erfahren.“ Gaara wollte Sakura die Wahrheit sagen. Er glaubte, dass er auf diese Art ihre Beziehung zueinander verbessern konnte. Immerhin wagte sie sich immer noch in seine Nähe. Sie war sogar allein mit ihm und erstarrte nicht vor Angst. In ihrer Brust schlug ein mutiges Herz. Dennoch fiel ihm die Wachsamkeit in ihren Augen auf, je näher er ihr kam.

„Ich führe seit Monaten mit Deidara eine intime Beziehung. Vor unserer Hochzeit haben wir eine private Hochzeitszeremonie durchgeführt.“ Gaara ließ diese Erklärung wirken. Überraschung zeigte sich in Sakuras Antlitz.

„Wieso?“, brachte sie nach einigen Herzschlägen bemüht gefasst hervor.

Leise seufzte Gaara. Das war schwer zu erklären. „Deidara faszinierte mich vom ersten Augenblick. Er hat keine Angst vor mir gezeigt, obwohl er auch schon mit meiner Fähigkeit konfrontiert wurde, ähnlich wie du. Es fühlt sich richtig mit ihm an.“ Mehr war er nicht bereit, ihr gegenüber zu erklären.

In Sakuras Gesichtszügen spiegelte sich Trauer wieder. Sie nahm einen weiteren Schluck aus ihrer Teeschale. „Ich habe mir immer einen liebevollen Ehemann gewünscht, dem ich ein Kind schenken kann“, murmelte sie schließlich. „Zuerst dachte ich, du wärst perfekt. Bis ich feststellte, dass niemand perfekt sein kann.“

Sie sprach über ihre Gedanken. Nun konnte Gaara sie zumindest besser verstehen, warum ihr der Beischlaf so wichtig war.

„Ich bin schwanger.“

Der Rotschopf erstarrte. Sein Blick bohrte sich in Sakuras Augen. Obwohl es ihr unangenehm schien, senkte sie nicht ihre Lider, um der Konfrontation auszuweichen. Gaara brauchte einige Momente, um das Ausmaß des schlichten Satzes zu begreifen.

Als er seine Stimme wiederfand, fragte er: „Von wem?“ Seine Stimme hörte sich fremd in seinen Ohren an. Seine Frau war schwanger von einem anderen Mann. Noch wusste er nicht, wie er angemessen darauf reagieren sollte. Andere Männer wären sicherlich äußerst erbost und würden sich von ihr trennen.

„Uchiha Sasuke.“

Die feinen Härchen in seinem Nacken richteten sich auf. Ausgerechnet Sasuke. Er kam nicht umhin, beeindruckt von ihr zu sein. Niemand hatte bemerkt, dass sie Kontakt zu dem Uchiha gehabt hatte. Tief atmete Gaara durch. Er könnte sich umgehend von ihr scheiden lassen. Allerdings waren dann ihre freundschaftlichen Beziehungen zu den Môri nachhaltig gestört. Vielleicht war es genau das, was Sasuke sich von seiner Liebschaft mit Sakura erhoffte, einen Keil zwischen ihre Reiche zu treiben. Shikoku ohne die Unterstützung der Môri war leichtere Beute.

Wählte er tatsächlich den Weg der Scheidung, müsste er sich irgendwann eine neue Frau nehmen. Das Thema Deidara würde dann unweigerlich erneut auftauchen, wenn sie ihre Beziehung wieder in den Griff bekamen.

Sakura wusste von dieser Bindung. Doch sie konnte nichts dagegen tun. Die gesamte Macht lag nun bei ihm, ihr Gnade zu gewähren oder sie aus seiner Burg zu vertreiben und der öffentlichen Schande auszusetzen. Zog er das Kind aber auf, wäre es möglicherweise eine Geisel, die er irgendwann gegen Sasuke einsetzen konnte. Natürlich würde er diesem Kind niemals sein Erbe anvertrauen. Er müsste Temaris Sohn adoptieren, was ohnehin sein Plan gewesen wäre, wenn Sakura ihm keinen Nachfolger geboren hätte. Da er nicht mit ihr schlafen wollte, wäre dieser Fall eingetreten. Gaara hatte sich bereits ausführlich Gedanken über das Adoptionsthema gemacht.

Sakura spielte ihm genau genommen sogar in die Hände mit ihrem Fehltritt. Dieses Kind konnte er zu seinem Vorteil nutzen. Allmählich beruhigte sein Inneres sich wieder. Dem Ritual folgend drehte er die Teeschale in den Händen, bevor er sie leerte. Anschließend sah er seine Frau an.

„Ich werde mich nicht von dir scheiden lassen. Das Kind darf in meiner Burg leben und wird offiziell als mein Kind präsentiert. Euch beiden wird es an nichts mangeln.“

Ein erleichtertes Lächeln zierte Sakuras Lippen. Sie wirkte nun sehr glücklich über seine Worte. Gaara vermutete, dass bereits Pläne in ihrem Kopf Gestalt annahmen, was sie getan hätte, wäre er zu einer anderen Entscheidung gekommen. „Aber dein Kind wird nicht mein Erbe. Ich werde Temaris Sohn Taki als meinen Erben einsetzen. Bete, dass du ein Mädchen bekommst, damit sich die Öffentlichkeit über diese Eigentümlichkeit nicht wundert.“ Nach einer kurzen Pause fügte er an. „Und du wirst meine Beziehung zu Deidara akzeptieren.“

Ihre Teeschale stellte Sakura beiseite und verbeugte sich tief vor ihm. „Das werde ich. Vielen Dank für deine Güte, Gaara-san“, hauchte sie.

Putsch in Morioka

Fest griffen seine Finger in den rauen Stoff des Gi. Der Verkäufer duckte sich. Fast glaubte man, sein Kopf sei mit den Schultern verwachsen. Hastig gestammelte Entschuldigungen flossen über bebenden Lippen. Dieser Jammerlappen fachte Deidaras Zorn noch weiter an. Grob stieß er den Mann zurück. Zwei drei Schritt taumelte er nach hinten und fiel auf einen der niedrigen Tische seines Ramenimbisses. Krachend gab das Holz unter dem plötzlichen Gewicht nach.

Deidaras Hand zuckte zu seinem Katana. In einer ruckartigen Bewegung zog er die Klinge und richtete sie auf den völlig verängstigten Mann. Er hielt inne, wagte nicht, sich weiter aus den Trümmern des Tisches zu erheben. Die kinnlangen Haare bildeten einen zitternden Rahmen für sein aschfahles Gesicht. „Das sind keine anständigen Ramen, du bist ein mieser Koch, hm!“, knurrte Deidara mit tiefer Stimme.

Kakuzu, Zabuza und Haku saßen weiterhin an ihrem Tisch, an dem sie sich zum Mittag niedergelassen hatten. Nur Hidan war johlend aufgesprungen und feuerte ihn an. „Mach den Wurm fertig. Schneid ihm das Fleisch von den Knochen, spalte seinen Schädel…“

„Halt den Rand“, fuhr Kakuzu zwischen das derbe Grölen. An dem dunkelroten Kusazuki[66] zerrte er Hidan zurück auf sein Sitzkissen. Wie der Blonde trugen auch die anderen Rônin geklaute Samurairüstungen des Nanbu-Clans.

„Ver..verzeiht mir, w…werte Samu…rai“, stammelte der Verkäufer. „Ich… mach… mache sofort… neue. Ihr… braucht nicht… z…zahlen.“

Deidara trat drohend näher. Die Spitze des Katana war nur noch haaresbreit von der Kehle des Mannes entfernt. Versteinert kniete dieser vor ihm. „Wie wärs, wenn ich dich in ganz dünne Streifen schneide und zu Ramen verarbeite? Schmeckt sicher besser als deine Pisse, die du anbietest, hm.“ Bedrohlich leise wallte Deidaras Stimme durch den kleinen Raum, in dem nur noch das hastige Atmen des Verkäufers zu hören war. Ein paar andere Gäste hockten wie Buddhastatuen auf ihren Plätzen und versuchten möglichst keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Dieses Weichei machte ihn so unglaublich zornig. Er wehrte sich nicht einmal, konnte es gar nicht. Der Mann war kein Krieger. Man sah es ihm an, kaum Muskeln, ein furchtsamer Blick. Keinerlei Kampfgeist glomm in den dunklen Augen.

Knurrend holt Deidara aus und schlug zu, wollte dieser Schande seinen Kopf spalten wie einem Fisch. Abrupt endete sein Schlag. Wutentbrannt ruckte sein Kopf herum. Wütend starrte er Kakuzu erst in die Augen, dann auf die große Hand, die sich eisern um seinen Unterarm schloss und den Verkäufer vor einem schnellen Tod bewahrt hatte. Dieser hockte gebeugt vor ihnen, den Kopf gesenkt. Eng waren die Arme um seinen bebenden Körper geschlungen.

„Es reicht“, sprach Kakuzu bestimmt.

Deidara zischte. Der verdammte Sack ließ ihn nicht los. Er kannte ihn zu gut. Deidara hätte den Mann jetzt erst recht umgebracht. Natürlich war ihm bewusst, dass sie nur den Zorn der Bewohner von Morioka gegen den Nanbu-Clan kanalisieren sollten. Nur deswegen trugen sie diese anstrengenden Samurairüstungen. Deidara war die tausend Rüstungsteile am Körper Leid. Seit Tagen verkleideten sie sich, um bei dem kleinsten Vergehen übertrieben zu reagieren und sei es nur ein falscher Blick oder eine miese Schüssel Ramen. Doch sie durften nie zu weit gehen. Drohungen waren in Ordnung. Ein netter Fausthieb oder ein ordentlicher Rempler. Im besten Fall eine geschmackvolle Prügelei, aus der Akatsuki natürlich als Sieger hervorging. Aber Tote waren nicht erlaubt. Eine Leiche stellte die Glaubwürdigkeit ihres Schauspiels in Frage.

Ein letztes Mal spannten Deidaras Muskeln sich an, dann zwang er sich zur Lockerung selbiger. Endlich ließ Kakuzu ihn los. Die Klinge in die Saya zurückzuschieben, erschien ihm endlos mühsam, bis er das leise Klacken hörte, den der Handschutz am Rand der Saya auslöste.

„Verschwinden wir“, kommentierte Zabuza. Die anderen stemmten sich von ihren Plätzen hoch. Hidan brummelte vor sich hin. Und er konnte ihn nur zu gut verstehen. Das hier war absolut unbefriedigend. Sie waren Krieger, keine Spione und für einen Putschversuch nicht geeignet. Der Silberhaarige und er selbst jedenfalls.

Deidara brauchte dringend ein Ventil für seinen angestauten Frust auf Naruto und Karin. Kaum wandte Kakuzu sich von ihm ab, langte er nach seiner kaum angerührten Ramenschüssel und warf sie dem Verkäufer ins Gesicht. Es schepperte. Keramik barst. Erstickt schrie der Mann auf, als die heiße Suppe sein Gesicht und den ungeschützten Hals verbrannte. Splitter bohrten sich in seine Haut.

Noch in der Bewegung hob Deidara ein Stück des gesplitterten Tisches auf, schleuderte es nach dem armen Kerl, der sich stöhnend auf dem Boden wand und gar keine Chance hatte, dem fliegenden Holz auszuweichen. Ein weiterer Schrei erfüllte den Laden.

„Jashin, endlich ist wirklich was los!“, kommentierte Hidan begeistert das Geschehen.

Die anderen Gäste waren erschrocken aufgesprungen. Hatten sie zuvor versucht, mit möglichst unauffälligem Gebaren nicht in die Schusslinie zu geraten, wollten sie jetzt nur noch das Weite suchen.

„Ja, haut ab, ihr feigen Ratten, hm!“, rief Deidara ihnen nach. Zum zweiten Mal hielt Kakuzu ihn auf. Grob packte er ihn am linken Oberarm und schleifte ihn aus dem kleinen Imbiss. „Du Spinner!“, schnauzte Kakuzu ihn an. Deidara stemmte sich gegen den Größeren, trat nach ihm, ballte seine rechte Hand zur Faust, um sie ihm ins Gesicht zu donnern. Leider befand Kakuzu sich in seinem toten Winkel, was ihm einen guten Treffer erschwerte. Darüber hinaus schien dessen Körper aus Stahl zu bestehen. Seine Angriffe ignorierte Kakuzu einfach und stieß ihn in die nächste Seitengasse. Hidan und Zabuza folgten ihnen mit Haku.

Im Schatten der Häuser drückte Kakuzu den Blonden hart gegen die Hauswand, fing seine Arme ein und presste sie gegen die Holzbretter hinter ihm. „Lass los!“, blaffte Deidara entrüstet, wehrte sich mit aller Kraft. Warum musste der Arsch nur so kräftig sein? Scheinbar mühelos hielt Kakuzu ihn in Schach. Zabuza trat neben ihn und schlug ihm ins Gesicht. Deidaras Kopf flog zur Seite. Sterne tanzten für einige Augenblicke hinter seinem Auge. In seinen Ohren klingelte es.

Deidaras Widerstand erlahmte. Der Schmerz löste tiefe Resignation aus. Nicht einmal richtig abreagieren konnte er sich. Er konnte einfach nichts richtig. Erst wollte Gaara Abstand, jetzt bekamen sie nicht einmal einen richtigen Auftrag. Dabei hatte er sich doch so sehr darauf gefreut. Mehrere Wochen waren vergangen, nur um von Shikoku in den Norden Honshus zu gelangen. Der Fûma-Clan plante einen Aufstand zu provozieren mithilfe von Akatsuki, um die Herrschaft der Nanbu zu beenden. Aber sie durften nicht einmal ihre Fähigkeiten richtig einsetzen!

Die Kälte des nahenden Winters kroch durch seine Kleidung und entlockte ihm ein kurzes Beben.

„Hör mit diesem Scheiß auf, Deidara.“ Eindringlich bohrte sich Kakuzus Stimme in ihn hinein. „Das hier ist ein Auftrag. Versau das nicht.“

Jegliche Kraft wich aus ihm. Deidara hing nur noch schlaff in Kakuzus Griff. Sein Blick ging irgendwo an die gegenüberliegende schmutzige Wand. Eine Hand löste sich und Deidaras Arm sank herab. Finger gruben sich in sein Haar und zogen unangenehm daran, nötigten ihn, Kakuzu anzusehen. „Reiß dich zusammen!“

Ein freudloses Lachen entrang sich seiner Kehle. „Was sonst?“, fragte der Blonde monoton. „Schmeißt ihr mich raus, hm?“

Die Antwort blieb Kakuzu ihm schuldig. Dafür ließ er von ihm ab. Sie würden ihn also rausschmeißen, wenn er nicht mehr gut genug war… ein weiterer Stich in seinem Herz. Die unbändige Wut kehrte zurück. Deidaras Schultern strafften sich. „Dann soll Yahiko mir, verdammt noch mal, Aufgaben geben, die meinen Fähigkeiten entsprechen, hm!“

Hidan verleierte die Augen. „Deidara-chan, man kann sich auch echt anstellen. Du kannst wenigstens ficken! Mir gibt Kakuzu nicht mal mein Geld für Huren!“

Wie konnte Hidan nur einen festen Partner mit einer Hure vergleichen? „Vergleich Gaara nicht mit deinen billigen Huren!“

Zabuza brummte entnervt. „Ich kann das nicht mehr hören.“ Ohne weitere Vorwarnung traf Deidara erneut dessen Faust, dieses Mal so hart, dass sein Kopf gegen die Holzwand hinter ihm prallte. Heißer Schmerz explodierte hinter seiner Stirn und sein Bewusstsein versank in Finsternis.
 

Deidara schreckte mit aufgerissenem Auge hoch. Pochende Kopfschmerzen begrüßten ihn, verleiteten ihn zu einem matten Keuchen. Gleißendes Licht stach unbarmherzig bis in seinen Geist. Gequält kniff der Blonde die Lider zusammen, Die letzten Bilder seines Traumes umklammerten ihn noch immer fest, nicht bereit, ihn in die reale Welt zu entlassen. Das verhängnisvolle Rot von Blut hatte ihn umhüllt. Erst Sasori, dann Gaara. Beide waren in Blut getränkt zusammengesunken, hatten ihn allein zurückgelassen.

Eine Hand legte sich auf seinen Rücken und strich beruhigend darüber. „Es ist alles gut.“ Den Worten lag ein besänftigender Tonfall zugrunde. Das war Haku. Irritiert hob Deidara seinen Kopf und blinzelte den Schwarzhaarigen mit den weichen Gesichtszügen an. Allmählich gewöhnte sein Auge sich an das Tageslicht. „Was machst du hier, hm?“, fragte er rau.

Deidara sah sich um. Doch den Raum, in dem sie sich befanden, war ein anderer als er erwartet hatte. Die Tatami waren abgenutzt, an den Holzrahmen und Balken erkannte man große Kerben. Der Futon unter ihm war hart. „Wo sind wir? Was ist mit Gaara und den anderen, hm?“

Hatte sein Liebster Akatsuki um Hilfe gebeten? Die Rônin wollten doch vor Sasuke unabhängig bleiben und keinen direkten Bezug zu dem jungen Daimyô herstellen.

In Hakus schwarzen Augen blitzte Verwirrung auf. „Ich habe mich um deine Kopfwunde gekümmert. Wir sind in der Herberge, in der wir auch die letzten Wochen genächtigt haben…“, erklärte Haku.

Kopfverletzung? Deidara tastete über seine Stirn. Unter seinen Fingern spürte er den einen Verband. Durch die Schmerzen war ihm der Druck des Stoffes bisher nicht aufgefallen. „Aber… der Uchiha hat mich doch vergiftet, hm“, widersprach Deidara. Was war hier nur los? Irgendwas geriet aus dem Gleichgewicht. Der Blonde spürte es.

Nachdenklich betrachtete der kleine Rônin ihn. Eine schwarze Haarsträhne schob er sich hinter das Ohr. Dann fragte er: „Was ist das letzte, woran du dich erinnerst?“

Deidara blinzelte. Die Antwort kam ohne Zögern über seine Lippen. „Wir sind nach Sakai gereist, um mit Sasuke zu verhandeln. Der Arsch hat ein Gift unter meinen Sake mischen lassen. Aber ich habe nicht genug davon getrunken, um zu sterben, hm…“ Forschend betrachtete er Haku. Wenn dieser fragte, an was er sich erinnerte, hatte er dann vielleicht etwas vergessen?

Der Jüngere füllte etwas Tee aus der Kanne neben seinem Futon in eine Schale und reichte sie ihm. Deidara nahm die Schale an. Während er trank, fiel ihm erst auf, wie durstig er war. Die geleerte Teeschale hielt er Haku hin, damit er nachfüllen konnte. Wenn man ihn so sah mit der Kanne in der Hand, dem langen Haar, das sanft über seine Schultern floss, und der zierlichen Gesamterscheinung, konnte man ihn so leicht mit einer Frau verwechseln.

„Du bist mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen“, erklärte Haku, nachdem er die Kanne abgestellt hatte. „Anscheinend hast du die letzten Wochen vergessen.“ Ein paar Herzschläge lang starrte er Haku einfach nur an. Dann schüttete er den lauwarmen Tee in einem Zug hinter. Schade, dass es kein Sake war. Dann wäre diese Botschaft sicherlich weniger erschütternd.

„Ich bin also nicht in Sakai, hm?“ Gewisser Unglaube schlich sich in Deidaras Stimme. Haku nickte bestätigend. Das hörte sich in seinen Ohren unnatürlich an. Er befand sich Wochen in der Zukunft, ohne jegliche Erinnerung an die Zeit zwischen der Vergiftung und dem jetzt zu haben? Oder war sein Geist aktuell in der Vergangenheit? Das Pochen in seinem Kopf verschärfte sich. Er verstrickte sich in diesen Gedanken zu sehr.

„Was ist passiert, in der Zeit, hm?“, fragte Deidara, um Fassung bemüht.

Haku ließ sich Zeit mit der Antwort. Erst erhob er sich und schob das Fenster auf, ließ etwas frische Luft in den Raum hinein zusammen mit den alltäglichen Geräuschen einer Stadt. Der Jüngere wandte sich ihm zu und lehnte sich gegen den Fensterrahmen. Sanft spielte der Wind mit seinen Haarspitzen. „Es kam in Sakai zu keiner Einigung. Vermutlich wird es bald Krieg zwischen Shikoku und Nagoya geben. Nach den gescheiterten Verhandlungen kamst du uns besuchen im Geisterwald. Yahiko gab uns den Auftrag, in Morioka einen Putsch gegen den Nanbu-Clan zu erreichen. Seit zwei Wochen verkleiden wir uns als Samurai der Nanbu und hetzen die Bevölkerung gegen den Daimyô auf.“

Es war seltsam von dem Geschehen der letzten Wochen zu hören, als erzähle Haku aus seiner eigenen Vergangenheit. Deidara fühlte sich nicht beteiligt. Ein Loch tat sich in seinem Geist auf, welches er versuchte mit dem gerade Erfahrenen zu stopfen. Doch es blieben große Lücken zurück wie in einem löchrigen Korb.

„Wer ist wir, hm?“, fragte Deidara.

„Kakuzu, Hidan, Zabuza, du und ich.“ Es handelte sich also um einen recht großen Auftrag. Wenigstens war der ältere Uchiha nicht dabei. Morioka lag im Norden Honshus. Yahiko schickte ihn natürlich nicht in die Kälte, wo er sich sogleich eine Erkältung einfing.

„Ich besorge dir etwas Kräftiges zu essen“, meinte Haku schließlich und ließ ihn mit seinen Gedanken allein. Die Ruhe tat gut. Vielleicht konnte er jetzt etwas Ordnung in seinen zerrütteten Geist bringen. Seufzend ließ er sich auf den Futon zurücksinken und schaute aus dem Fenster. Graue Wolken schwebten am Himmel. Die hereinwehende Luft wurde allmählich ungemütlich kalt und brachte erste Schneeflocken mit in sein Zimmer.
 

Haku rief nach einer Dienerin und orderte eine kräftige Suppe für Deidara. Anschließend trat er in das Zimmer, welches Deidaras gegenüber lag. Zabuza saß im Schneidersitz auf dem Boden und putzte sein Zanbatô. Während ihrer Streifzüge durch die Stadt in der Samuraiverkleidung musste seine geliebte Waffe in ihrem angemieteten Raum verborgen bleiben, damit sie nicht enttarnt wurden.

„Kakuzu und Hidan sind wieder unterwegs“, brummte Zabuza ohne aufzusehen. Der Ältere erkannte ihn an seinem Schrittmuster.

Haku setzte sich an den Tisch. Aus seinem Obi zog er das Haarband und band sein langes Haar hoch, damit es nicht störte. „Deidara ist aufgewacht. Aber er hat die letzten Wochen komplett vergessen. Seine letzte Erinnerung ist in Sakai, als Sasuke ihn vergiften ließ.“

Obwohl er seinen Partner zuerst für die übertriebene Gewalt getadelt hatte, waren die Konsequenzen vielleicht für sie nutzbar. Zabuza dachte ähnlich. „Gut, dann hört er auf, sich wie ein wildgewordener Dämon zu benehmen.“

Zumindest konnten sie das hoffen. Noch wussten sie nicht, wie Deidara sich mit einer Gedächtnislücke verhalten würde. „Wir sollten ihm nicht sagen, dass er mit Gaara Probleme hat. Dann können wir ihn nach dieser Mission gleich in Matsuyama abliefern. Wenn er so weitermacht, schadet er Akatsuki nur. Und er kann es mit Gaara klären.“

Hakus Blick folgte Zabuzas Hand, die mit gleichmäßigen Bewegungen den Lappen über den harten Stahl bewegte. „Gut“, kommentierte der Ältere. „Aber wenn er wieder eine Show abzieht, hau ich ihm wieder eine rein.“

Ein Seufzen verließ Hakus Lippen. Zabuza ließ sich von ihm beeinflussen, aber seine hohe Gewaltbereitschaft und deren Umsetzung gehörte einfach zu ihm. Haku akzeptierte diese Seite an ihm. Zabuza hatte ihn vor dem Hungertod bewahrt und ihm ein neues Leben ermöglicht. Er würde ihm überall hin folgen und ihn unterstützen. Das war sein Wunsch.
 

„Na, Kakuzu-chan“, jammerte Hidan, während er hinter Angesprochenen her stapfte. „Das ist unfair. Gib mir doch mein Geld. Ich brauch endlich mal wieder eine Frau mit großen Möpsen! Nur weil du keinen mehr hochkriegst, musst du mich nicht auf Entzug setzen. Komm schon.“

Kakuzu schritt einfach weiter durch die Straßen der Stadt, gab geschickt vor, ein Samurai der Nanbu zu sein und für Ordnung sorgen zu wollen. „Irgendwann bring ich dich um, Hidan. Du nervst“, wehte ein geknurrter Kommentar zu ihm.

Hidan ließ die Schultern hängen und fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. Die Rüstung war so elendig schwer! Gut, dass er nie ein richtiger Samurai gewesen war. Man hatte ihn schon als Schüler verstoßen, wegen Ungehorsam. Lächerlich! Die waren doch alle nur verbohrte, alte Säcke. Genau wie Kakuzu einer war.

„Bitte… gib mir mein Geld… sonst muss ich dich irgendwann flachlegen. Ich will mir nicht immer die Palme selbst schütteln!“, maulte er den Älteren an. Hidan glaubte nicht, dass Kakuzu auf seine Worte einging. Er wollte ihn nur provozieren. Sollte er ihm endlich seinen Anteil am Lohn der letzten Mission geben, dieser Geizkragen!

Der Braunhaarige bog in eine ruhige Seitenstraße ein. Ein paar alte Kisten waren dort neben dem Taiyakistand aufgestapelt. Dahinter hockte eine Katze und fühlte sich bei ihrer Mahlzeit gestört. Sie fauchte, packte die tote Maus und rannte davon.

Kakuzu hielt an und drehte sich Hidan zu. Der Silberhaarige blieb stehen. Fordernd sah zu dem Älteren auf. „Gibst du mir endlich mein Geld?“, fragte Hidan freudig.

Im nächsten Moment schoss Kakuzus rechte Hand vor. Finger vergruben sich in seinem Gi. Dicht zog der Alte ihn zu sich heran. Hidan verdrehte die Augen. „Willste mich wieder schlagen? Dir fällt auch nichts Neues ein.“ Kakuzu versuchte ihn öfter mit Gewalt zum Schweigen zu bringen. Gelungen war ihm das noch nie. Sein Körper hielt mehr aus als alle, die er kannte.

„Du hast mir gerade eine neue Idee geliefert, dich endlich zum Schweigen zu bringen, Grünschnabel“, erwiderte Kakuzu. Der lauernde Unterton in dessen tiefer Stimme war ihm unbekannt. „Hä?“, war Hidans ahnungslose Reaktion.

Forsch pressten sich fremde Lippen auf seine. Hidans Augen weiteten sich in einer Mischung aus Erstaunen und Fassungslosigkeit. Doch bevor er auch nur seinen Körper dazu bewegen konnte, sich loszureißen, umgriff Kakuzus anderer Arm seine Taille und zerrte ihn näher. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Er ließ sich garantiert nicht flachlegen von dem alten Sack! Fest biss er Kakuzu in die Unterlippe. Dieser brach den Kuss. Ein berechnender Blick lag auf Hidan. Aufreizend langsam leckte er die Blutstropfen von der malträtierten Lippe.

„Bei Jashin, ich steh nicht auf Männer… und schon gar nicht auf alte Säcke!“, knurrte Hidan.

Unbeeindruckt riss Kakuzu an seinen Haaren, zwang seinen Kopf in den Nacken. Warmer Atem streifte über Hidans Gesicht. „Ist mir scheißegal, worauf du stehst“, erwiderte Kakuzu kalt. „Mit Schlägen krieg ich dich nicht dazu, die Fresse zu halten. Probieren wir was anderes. Ich vögel dich, bis du nicht mehr schreien kannst. Dann brauchst du auch kein Geld mehr für deine Huren.“
 

____________________________________________________________________

[66]Kusazuki: Bei einer traditionellen Samurairüstung der Plattenschutz/die Tassetten am Kürass; englisch tassets

Der Flur der Herberge

Deidara hielt inne und sah zurück auf die Stadt im Tal, die unter der dünnen Schicht frisch gefallenen Schnees einen friedlichen Eindruck erweckte. Doch dieser Schein entsprach nicht der Realität. Morioka versank im Krieg. Das Volk erhob sich gegen ihren Daimyô. Die Rônin hatten nach einigen Wochen ihr Ziel erreicht und konnten die Gegend endlich verlassen, samt Belohnung.

Aber der Blonde hatte das Gefühl, er ließ einen Teil von sich hier zurück. Den Teil, den er vergessen hatte. Würde er die Lücken in seinem Gedächtnis je wieder komplett füllen können? Haku meinte, die Chancen standen gut, dass er sich wieder erinnerte, weil er nur ein paar Stunden bewusstlos gewesen war. Die Kopfschmerzen und der Schwindel waren nach ein paar Tagen verblasst. Nur noch gelegentlich pochte es hinter seiner Stirn.

„Deidara, beweg deinen Arsch!“ Kakuzus Stimme hallte genervt zu ihm herüber. Seufzend wandte er seinen Blick von Morioka ab und zog den grauen Umhang enger um die Schultern, damit der scharfe Wind keinen Weg darunter fand. Dem Weg folgend schloss er zu den anderen Kriegern auf.

Seine Aufmerksamkeit blieb bei Hidan hängen. Der Silberhaarige bewegte sich seltsam steif. Hatte Kakuzu ihn wieder zusammengeschlagen? Das wäre nichts Neues. Der alte Rônin verprügelte seinen Partner, wenn er über die Stränge schlug. Deidara würde mit so einem Partner keine Aufträge durchführen wollen. Er hätte schon längst einen anderen Partner verlangt oder wäre weggegangen. Aber Hidan stand vermutlich auf die Schmerzen. Von ihm ließ er sich ja auch in unregelmäßigen Abständen im Stockkampf verkloppen. Hidans Geist war nicht ganz in Ordnung. Aber das konnte man von allen Akatsuki behaupten. Konan möglicherweise ausgenommen. Sie hielt es jedoch mit einem Haufen fragwürdiger Kerle aus. Das machte sie ähnlich seltsam wie den Rest.

Wie würde es nun weitergehen? Sollte er zuerst mit den anderen Rônin in den Geisterwald zurückkehren oder sich im Anschluss an die Überfahrt nach Shikoku von ihnen trennen und nach Matsuyama gehen? Er vermisste Gaara. Deidara wachte gern an ihn geschmiegt auf. Er vermisste seinen Geruch, das Gefühl seiner kurzen Haare zwischen seinen Fingern, die ruhige Stimme, seine Leidenschaft, einfach alles an Gaara.

Ungefähr acht Wochen hatte dieser Auftrag in Anspruch genommen. Die Reise zurück in den Süden fügte noch weitere Wochen hinzu. Die letzten warmen Tage in Shikoku würden bereits vorbei sein, wenn sie endlich wieder in Gaaras Reich angelangten. Schnee fiel auf der Insel zwar nicht, aber die Temperaturen sanken dennoch spürbar ab.

Hoffentlich hatte Deidara nicht zu viel verpasst. Sorge nagte in seinem Inneren. Haku hatte von einem bevorstehenden Krieg gesprochen. Nagoya war nicht zum ersten Mal mit Shikoku verfeindet. Lediglich der Angreifer hatte gewechselt von einem alten, durchtriebenen Daimyô zu einem jungen, rachsüchtigen Möchtegern-Daimyô aus dem Uchiha-Clan. Dieser Clan machte nur Ärger! Wie gern würde Deidara einfach erneut zu der wieder aufgebauten Burg in Nagoya gehen und Sasuke umbringen. Das wäre eine Mission nach seinem Geschmack. In die Burg eindringen, alle Gegner töten und nach einem guten Kampf eine anständige Mahlzeit und Sex mit dem Liebsten. Er sollte Gaara dazu bringen, ihm diesen Auftrag zu erteilen. Allein bei dem Gedanken daran kochte sein Blut vor Freude.

Allein das Wissen um die unliebsame Ehefrau seines Rotschopfes dämpfte diese innere Vorfreude auf einen wirklich spannenden Kampf. Deidara vertraute Gaara, aber die Angst konnte er nicht einfach abstellen, dass sie ihm Gaara irgendwann doch wegnahm. Wie gern würde er sie auch einfach töten. Unweigerlich drängten sich Erinnerungen an Sasoris letzten Besuch in seinen Träumen während O-bon aus den Tiefen seines Geistes an die Oberfläche. „Bring sie doch um.“ Das waren die Worte seines Meisters gewesen. Dann wäre Sakura zumindest keine Gefahr mehr für ihre Beziehung. Irgendwann würde aber eine andere Frau kommen, die ihre Ehe erneut auf die Probe stellte. Als Daimyô brauchte Gaara eine Ehefrau und einen Erben.

Schwer seufzte Deidara. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Wie sollte das nur gut gehen? Er wollte nichts lieber, als Gaara nehmen und mit ihm verschwinden. Weit weg von den politischen Konstrukten, die sie einsponnen wie gierige Spinnen ihre Beute und ihnen ihr Leben aussaugten. Sie könnten umher wandern, Japan bereisen und sogar über das große Meer segeln, um China kennen zu lernen oder die vielen anderen Länder dieser Welt.

Ein blaugraues Auge blickte zum blauen Himmel hinauf. Das wäre schön. Frei sein… wie der Wind.
 

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichte die fünfköpfige Gruppe ein kleines Dorf mit einer einfachen Herberge. Knurrend wie immer bezahlte Kakuzu den Betrag. Wenigstens zwang er sie nicht dazu, bei Schnee im Freien zu übernachten. Reiste man mit Kakuzu, musste man sich darauf einstellen, unter den Sternen zu nächtigen, solange das Wetter es zuließ. Der Blonde konnte damit umgehen. Als Rônin war man daran gewöhnt, tagelang umherzustreifen und keinen gemütlichen Futon und ein Dach über dem Kopf zu finden oder sich leisten zu können.

Die in die Jahre gekommene Besitzerin führte sie die Treppe hinauf und den Gang entlang. Routiniert glitt Deidaras Blick umher, um sich zu orientieren. Als sie um die Ecke bogen, kam ihm der Flur sehr bekannt vor. Aber Herbergen sahen sich oft ähnlich, weil das Schema des Hausbaus an geregelte Maße der Bauteile angepasst war. Plötzlich schoss plötzlich ein scharfer Schmerz durch seinen Kopf. Ein gequälter Laut glitt über seine Lippen. Die Hände flogen hoch und pressten sich gegen die Schläfen.

Hinter dem fest zusammengepressten Lidern spielten sich allerlei Szenen ab, die er zuerst nicht einordnen konnte. Über Karin kniend schnitt er ihr die Kehle durch. Die gescheiterte Verhandlung mit Sasuke. Akatsuki, die Suigetsu als nutzlose Geisel enttarnten. Gaara, der von Narutos Tod erfuhr. Die Wache vor Gaaras Zimmer in den Herbergen auf der Heimkehr. Das Gespräch in den Räumlichkeiten des Daimyô. Unsicherheit über das Fortbestehen ihrer Ehe. Deidaras Rückzug zu Akatsuki, der Auftrag und die Gefühlsmixtur von Hilflosigkeit, Frust und Angst.

All die Bilder, die vielfältigen Gefühle und Geschehnisse prasselten auf ihn ein und brachten ihn zu Fall. Die Szenen vor seinem inneren Auge verschwammen zu einem bunten Klumpen. Allmählich verblassten sie und entließen Deidara in die aktuelle Zeit.

Jemand rüttelte an seiner Schulter. Sein Name wurde gerufen. Erst nahm Deidara ihn nur wie durch dicken Stoff wahr, dann gewann die Stimme an Klarheit. Haku. Schmerzen setzten sich hartnäckig in seinem Kopf fest. Ein mattes Stöhnen kam über seine Lippen. Das waren seine Erinnerungen, oder? Die Zeit, die er vergessen hatte. Einiges davon passte zu Hakus Erzählungen. Er konnte sich wieder an die verlorenen Wochen erinnern. Aber das waren so viele Fragmente gewesen. Es fiel Deidara schwer, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Wieder rief Haku seinen Namen. Langsam hob Deidara die Lider und stemmte sich zittrig in eine sitzende Position. Er fühlte sich unendlich erschöpft von der Fülle in seinem Kopf. Der Schwarzhaarige kniete neben ihm und musterte ihn mit einem besorgten Blick. Die anderen standen in geringer Entfernung, warteten offenbar, dass Haku eine Diagnose stellte.

„Was fehlt dir?“, fragte dieser.

Deidaras linke Hand fand ihren Weg zu seiner Schläfe und massierte behutsam. „Ich habe meine Erinnerungen zurück… glaube ich, hm“, murmelte er.

Ein warmes Lächeln huschte über die feinen Lippen Hakus. „Das freut mich.“ Genervtes Seufzen wurde von seinen Ohren aufgefangen. „Jetzt geht das Theater wieder los.“ Zabuza machte sich nicht einmal die Mühe, leise zu sprechen. Ein mahnender Blick von Haku traf ihn. Dann widmete der Jüngere dem Blonden wieder seine Aufmerksamkeit.

„Sonst geht es dir gut?“

Deidara deutete ein leichtes Nicken an.

Haku wirkte zufrieden. „Dann gehen wir in unser Zimmer und du ruhst dich aus.“ An die offensichtlich erschrockene Besitzerin gewandt sprach er: „Bereitet bitte sofort einen der Futons vor.“ Eilig bejahte sie und schob die Tür zu dem ihnen bestimmten Zimmer auf. Heute Nacht teilten sie sich zu fünft einen Raum. Kakuzu schonte ihre Reisekasse und es war ohnehin nur noch dieser Raum frei.

Deidara fuhr sich mit der Hand durch die Haare und erhob sich vom harten Flurboden. Seine Beine fühlten sich etwas wacklig an. Ein Futon klang sehr verlockend. Hinlegen und schlafen wäre ein Segen. Hunger hatte er nun keinen mehr. Erst einmal musste er mit den ganzen zurückerhaltenen Erinnerungen zurechtkommen.

Akzeptanz und Erleichterung

Tief atmete Deidara durch. Vor ihm erhob sich das große Tor der Burg von Matsuyama. In ein paar Stunden hatte er hoffentlich endlich Gewissheit. Er wollte Gaara nicht verlieren. Aber in den letzten Monaten hatte er nur grübeln können, ob dem Rotschopf bewusst geworden war, wie wenig Einfluss man auf den Lauf der Dinge tatsächlich hatte. Ein anderer Akatsuki hätte Naruto genauso gut umbringen können. Wäre er es nicht gewesen, hätte es ein anderer getan.

Das Tor öffnete sich. Mit festen Schritten betrat der Blonde den äußeren Innenhof. Sein Pferd folgte ihm am Zügel. Die abfälligen Blicke der Samurai ignorierte er wie meist. Heute wollte er sie nicht provozieren. Sein Ziel lag direkt vor ihm. Hinter der inneren Mauer ragte das Hauptgebäude der Burg auf, in dessen oberen Etagen sich Gaaras Gemächer befanden.

Deidara überquerte den Hof, übergab das Tier an einen Stallburschen und machte sich auf den Weg zum Zentrum der Burg. In den Fluren wurde er von dem ein oder anderen geschäftigen Diener gegrüßt, längst nicht so höflich wie sie andere Krieger grüßten, aber auch das interessierte ihn wenig. Mit einem Ruck schob er die Tür zu seinem Zimmer auf. Kühle Luft begrüßte ihn. Während der Blonde die Tür hinter sich schloss, sah er sich um. Der Raum war ordentlich. Nirgendwo bedeckte Staub die Tatami oder den Tisch. Der Futon musste in den Wandschrank geräumt worden sein. Man hatte also dafür gesorgt, dass sein Zimmer sauber gehalten wurde.

Deidara legte seine Tasche neben dem niedrigen Tisch ab. Der Umhang fiel von seinen Schultern und bildete zu seinen Füßen ein Häufchen Stoff. Sein Katana und das kleinere Wakizashi fanden ihren Platz in der Halterung im Wandschrank. Grob klopfte er sich getrocknete Erdkrümel und altes Laub aus dem Hakama, dann verließ er sein Zimmer wieder, um in einem unbeobachteten Moment den Geheimgang zu betreten, der ihn zu Gaaras Privatgemächern führte.

Die Räume des Daimyô waren verwaist. Natürlich. Es war erst später Nachmittag und Gaara saß garantiert noch in seinem Arbeitszimmer, irgendwelche unglaublich wichtigen Dokumente wälzend.

Der Blonde würde warten. Er ließ sich auf einem der weichen Sitzkissen am Kotatsu[67] nieder. Die Füße streckte er unter der Decke aus, die am Tisch befestigt war. Ein bisschen Restwärme des mit Kohlen gefüllten Kruges darunter hatte sich gehalten. Deidara seufzte wohlig und legte den Kopf auf dem Tisch ab. Endlich fühlte er mal wieder Wärme an seinen Füßen. In den billigen Herbergen war ab und an ein heißes Bad das einzige gewesen, was den Körper gewärmt hatte. Auf Honshû schneite es inzwischen schon. Die Nächte unter freiem Himmel waren grausam gewesen. Selbst ein Feuer hatte wenig ausrichten können, gerade so viel, damit sie eine Ahnung von einem warmen Schlafplatz erhielten und sich eine gemütliche Herberge ersehnen konnten, während sie auf dem harten, gefrorenem Boden zwischen ein paar Wurzeln lagen, die sie vor dem kalten Wind schützten. Zumindest blieb Shikoku von den kalten, weißen Flocken verschont.

Ein weiteres leises Seufzen entrang sich Deidaras Kehle. Warme Füße zu haben, war herrlich.
 

Eine Hand strich durch seine Haare. Erschrocken hob Deidara den Kopf und blickte direkt in jadefarbene Augen. Jetzt erinnerte er sich wieder. Er hatte in Gaaras Gemächern auf ihn gewartet und sich an den Kotatsu gesetzt. Anscheinend war er eingeschlafen.

Langsam zog Gaara die Hand zurück. Der Rotschopf saß neben ihm am Tisch. In seinen Mundwinkeln zuckte für einen Moment ein Lächeln. „Guten Abend, Deidara“, sagte er leise. Aufmerksam betrachtete der Blonde seinen Liebsten. Da war keine Ablehnung in seinen Gesichtszügen und Augen zu erkennen. Seine Hoffnung wuchs, dass nicht alles verloren war.

„Oi“, nuschelte er noch leicht verschlafen. Mit der Hand fuhr er sich durch das Gesicht und beförderte ein paar wirre Strähnen über die Schulter.

Der junge Daimyô schob ihm eine Schale hin. Deidara richtete sich ein wenig mehr auf und nahm sie in die Hand, roch kurz daran. Grüner Tee. Warm schmiegte sich die Keramik an seine Haut. In einem Zug stürzte er das Getränk herunter. Das tat gut. Nachdem er die Schale abgestellt hatte, richtete sich sein Blick wieder auf Gaara.

„Wie geht es weiter? Mit uns, hm?“, fragte er. Deidara wollte nicht länger warten. Zu lange schon quälte ihn diese Frage. Ging es überhaupt weiter mit ihnen?

Gaara antwortete nicht gleich. Vermutlich legte er sich seine Worte zurecht, so wie er es bei schwierigen Antworten immer tat. Doch diese Eigenschaft machte Deidara gerade nur noch wuschiger. Das Bedürfnis, ihn einfach an den Schultern zu packen und die Antwort aus ihm herauszuschütteln, wurde verlockend mächtig.

Endlich entschied Gaara sich zu sprechen. „Ich habe dich vermisst“, erklärte er zuerst. Der Blick seines Liebsten richtete sich auf die Teeschale. Beinahe abwesend fuhren seine Finger die Konturen der Schale nach. „Niemand kann ungeschehen machen, was vorgefallen ist. Es ist ein bedauerlicher Zufall, dass du derjenige warst, der die Klinge geführt hat.“ Die Worte tröpfelten leise über Gaaras Lippen, als spräche er zu sich selbst oder der Teeschale, die ein geduldigerer Zuhörer war als Deidara, dessen Nerven gespannt waren wie Sasoris vergiftete Stahlseile.

„Mir ist bewusst, dass jeder von Akatsuki derjenige hätte sein können. Außerdem kannten wir uns zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht.“ Schwer atmete Gaara aus.

„Narutos Tod belastet mich dennoch. Ich habe für seine Seele gebetet… Ich wünsche ihm, dass er in seinem neuen Leben, wenn er wiedergeboren wird, eine bessere Zukunft vor sich hat.“ Gaaras Finger löste sich von der Teeschale. Seine Lider hoben sich und Deidara konnte wieder direkt in seine Augen sehen.

„Ich möchte, dass du bei mir bleibst.“ Diese letzten geflüsterten Worte fegten die schweren Steine, die seine Seele eingekeilt hatten, fort. Erleichtert atmete Deidara auf. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Diese wenigen Worte hatten ihn von seiner Angst befreit. Deidara fühlte sich plötzlich so leicht. Er hob seine Hand und strich über Gaaras Wange. Sie zitterte kaum merklich.

Die Hand seines Liebsten legte sich auf seine. Gaara neigte den Kopf leicht, Deidaras Hand entgegen, und schmiegte sich gegen seine Handfläche wie zuvor die Teeschale. Nur war Gaaras Wange deutlich weicher als die harte Keramik. Welch seltsamer Vergleich. Deidara schob diese wirren Gedanken beiseite.

„Danke“, murmelte Deidara. Seine Stimme bebte. Dass Gaara ihn nicht von sich stieß, bedeutete ihm unendlich viel.

Trotzdem war es anders als zuvor. Zwei Monate hatten sie sich nicht gesehen. Jetzt mussten sie sich erst wieder aneinander gewöhnen und mit der neuen Lage umzugehen lernen. Am liebsten würde er Gaara einfach an sich ziehen und küssen. Aber noch war er vorsichtig, wollte sein Glück nicht überstrapazieren.

So wanderten seine Finger von Gaaras Wange hoch in das rote Haar und strichen durch die kurzen Strähnen bis in seinen Nacken. Langsam zog er ihn näher zu sich. Der Rotschopf gab ihm nach. Die jadefarbenen Augen schimmerten warm im Licht der Öllampe.

„Darf ich dich küssen, hm?“, fragte Deidara leise. Es schien alles so unwirklich. Als träume er noch, das Ersehnte wäre wahr war geworden und wenn er nun eine falsche Bewegung machte, zerplatzte der Traum wie eine Blase.

Ein zustimmendes Kopfneigen gab ihm die Erlaubnis. Aufgeregt klopfte sein Herz. Dabei war das nicht einmal ihr erster Kuss. Doch er hatte definitiv eine besondere Bedeutung. Gaara akzeptierte einen Teil seiner Vergangenheit, den er nicht rückgängig machen konnte und der für Gaara schmerzhaft war.

Deidara näherte sich weiter und verschmolz ihre Lippen miteinander. Wie sehr hatte er es vermisst, seinen Liebsten zu küssen? Er schmeckte so gut. Der zuerst sanfte Kuss gewann bald an Leidenschaft, beflügelte ihn die zurück erlangte Gewissheit, von Gaara geliebt zu werden. Wie üblich vergruben sich Gaaras Hände in seinem Haar, ließen ihn wissen, dass der Rotschopf seine Worte ernst meinte. Dessen Erwiderung in ihren Berührungen zu spüren, zerstörte die letzte Unsicherheit, die sich noch in einer Ecke seines Geistes hielt. Ihre Ehe würde diese Offenbarung von Karin überstehen.

Schließlich lösten sie ihren Kuss. Deidara atmete hörbar ein, um seine Lungen wieder mit Luft zu füllen. Sanft lehnte Gaara seine Stirn gegen die des Kriegers.

„Willkommen zurück“, hauchte er gegen Deidaras Lippen.
 

_____________________________________________

[67]Kotatsu: Ein Tisch mit Decke, der beheizt wird.

Aufrüttelnde Explosion

Kalte Luft blies vom Meer über die Mauern der Burg. Brisen verfingen sich zwischen den Bäumen, in den dunklen Schlippen und trieben die Bewohner in die Gebäude hinein. Deidara sah zum wolkenlosen Nachthimmel hinauf. Über ihnen strahlten Millionen winziger Sterne. Eine perfekte Nacht, um Gaara seine neue Waffe zu zeigen.

„Was willst du mir nun zu so später Stunde noch zeigen?“ Die ruhige Stimme Gaaras war durchdrungen von mittelmäßig unterdrückter Neugier. Deidara sah zu seinem Liebsten und grinste freudig. „Das wirst du gleich sehen, hm.“

Das blaugraue Auge bewegte sich, erfasste den kompletten Übungsplatz. Sie waren allein. Niemand würde ihn aufhalten, eine seiner neuen Kreationen zu zünden. Innerlich bereitete ihm bereits der Gedanke, die gesamte Burg in Panik zu versetzen, unbeschreibliches Vergnügen. Spätestens dann wussten alle, dass er wieder da war.

Kurz zweigten Deidaras Gedanken zu Sakura ab. Das triumphale Gefühl eines Sieges durchfuhr seine Adern. Gaara gehörte ganz ihm. Die dumme Kuh hatte sich von diesem Uchiha-Bengel schwängern lassen. Die Welle der Euphorie, die ihn durchströmt hatte, als Gaara ihm davon erzählte vor ein paar Tagen, war unglaublich intensiv gewesen. Sie hatte sich selbst ins Aus geschossen, ohne Deidaras Zutun. Eine von Sasoris Weisheiten kam ihm in den Sinn. Manchmal musste man einfach nur warten, bis jemand sich selbst ins Unheil stürzte. Jetzt war Sakura erpressbar. Gaaras Ehefrau musste stillschweigend ihre Beziehung akzeptieren und konnte rein gar nichts dagegen tun, weil sie um die Unversehrtheit ihres Kindes und die Ehre ihrer Familie fürchten musste.

Deidara griff in seinen roten Gi und zog eine unscheinbare Tonkugel hervor. Sie passte perfekt in seine Hand. Ein kurzer Docht stand von ihr ab. Glatt schmiegte sich der Ton gegen seine Haut. Der Blonde liebte dieses Gefühl, eine gefährliche Waffe in der Hand zu halten, die so harmlos aussah. Dass sich im Inneren Schwarzpulver befand, konnte man nicht ahnen. Nach vielen missglückten Versuchen hatte Deidara eine praktische Methode zur Herstellung dieser Kugeln entwickelt.

Zuerst formte er zwei gleich große Schalen, je mit einer kleinen Kerbe. Diese setzte er zusammen und verklebte die Ränder miteinander. Durch das kleine Loch für den Docht konnte die Kugel auch von innen gut austrocknen. Nachdem das Pulver eingefüllt war, verschloss er die Bombe mit dem Docht. Sie war unheimlich praktisch, benötigte er nur noch eine Feuerquelle, um sie zu entzünden.

„Deidara… ist das…?“

Das Grinsen des Kriegers nahm diabolische Züge an, während er den Docht in die kleine Flamme der mitgebrachten Öllampe hielt. Kaum glühte der Docht rot, holte er aus und warf die Tonkugel hoch in die Luft.

Da er selbst den Anblick dieser neuen Explosionen kannte, blieb sein Blick nun fest auf Gaara gerichtet, um dessen Reaktion zu beobachten. Nur drei Herzschläge später brach das Schwarzpulver mit ohrenbetäubendem Lärm aus seinem Gefängnis. Helle Funken entwickelten sich zu einer tödlichen Sonne am Nachthimmel direkt über ihnen. Gaara zuckte zusammen bei dem Krach. Seine Augen waren geweitet nach oben gerichtet. Die Druckwelle erfasste sie, riss an den Haaren und der Kleidung. Am Boden prallte sie ab. Sand wurde aufgewirbelt. Langsam verblasste die Explosion. Verlöschende Funken fielen ihnen entgegen wie ein goldroter Regen.

Gaara keuchte schmerzerfüllt und sackte in sich zusammen. Alarmiert sprang Deidara vor, ließ die Öllampe fallen. Er ging auf die Knie und packte Gaara an den Schultern, um ihn daran zu hindern, unsanft auf dem Boden aufzuschlagen.

„Gaara“, rief er besorgt. Hatte er ein Stück von der Tonkugel abbekommen? Bei der Durchschlagkraft blieb eigentlich nicht viel von der tönernen Schale zurück. Die Kugel wurde in tausend winzige Stücke gesprengt, die in einem großen Radius zu Boden rieselten wie trostlose Schneeflocken.

Schwach krallten sich die Hände des jungen Daimyô in Deidaras Gi. Abgehackt atmete Gaara. „Was ist los, hm?“ Deidara war unruhig. Er konnte sich nicht erklären, warum es seinem Liebsten plötzlich schlecht ging. Sein Arm legte sich um dessen Schultern, um ihn besser stützen zu können.

Hastige Schritte näherten sich dem Übungsplatz der Krieger, begleitet von dem charakteristischen Klappern der Samurairüstungen. Aufgebrachte Stimmen wehten zu ihnen herüber. Nur Augenblicke später tauchten aus dem Schatten der nahe stehenden Waffenkammer drei Krieger auf, die Hände kampfbereit an den Griffen ihrer Katana.

In wenigen Metern Entfernung verharrten sie. „Rônin. Was tust du hier?“, fragte einer der Männer harsch. Noch hatten sie Gaara anscheinend nicht erkannt, sonst würden sie höflicher mit ihm reden. „Willst du die Burg zerstören so wie du es mit der von Orochimaru getan hast?“

Deidara knurrte genervt. Jetzt musste er sich auch noch diese alten Geschichten anhören. „Dann gäbe es zumindest ein paar eingebildete Möchtegernkrieger weniger, hm“, fuhr er sie an. Sein Auge richtete sich wieder auf Gaara, aber seine anderen Sinne blieben auf die Samurai gerichtet. Er traute ihnen zu, dass sie ihn angriffen.

Ein kleines Feuer neben ihm wurde von seinem Geist registriert. Das Öl der zerbrochenen Lampe hatte offensichtlich Feuer gefangen.

„Gaara?“, fragte er leise.

Ein überraschter Laut drang an Deidaras Ohren. „Gaara-sama“, sprach einer der Männer ehrehrbietend. Doch schon im nächsten Moment kam der vorlaute Samurai auf ihn zu. „Was hast du mit unserem Daimyô getan? Weg von ihm!“

Der Blonde spürte nur, dass der Krieger ihn von Gaara wegzerren wollte. Eine Hand löste er gezwungenermaßen von dem Rotschopf. Er zog sein Wakizashi, zog die Klinge flink durch das brennende Öl und richtete die nun entflammte Klinge auf den Mann, der sich direkt neben ihm aufgebaut hatte. Dessen Hand war bereits nach ihm ausgestreckt. Die scharfe Klinge zwang ihn, inne zu halten. Bedrohlich flackerten die kleinen Flämmchen, leckten nach ihrem nächsten Opfer und zeichneten wirre Schatten auf die Hand des Samurai. „Fass mich nicht an, Wachhund, hm“, grollte Deidara. Sein Blick durchbohrte den Mistkerl.

Allmählich kam wieder mehr Leben in seinen Liebsten. Gaara löste sich aus seinem Griff und erhob sich langsam. Noch ließ Deidara den Samurai nicht aus den Augen, aber auch er stemmte sich vom Boden hoch, das Wakizashi zeigte weiterhin genau auf den Krieger.

Aus dem Augenwinkel beobachtete er Gaara, der sich über die Schläfe rieb. „Es ist alles in Ordnung. Geht wieder“, sprach der Daimyô bemüht beherrscht. Aber seine Stimme klang dünn und erschöpft. „Es besteht kein Grund zur Gefahr. Deidara hat mir lediglich eine neue Kampftechnik vorgeführt.“

Der Krieger direkt vor Deidara zog sich ein paar Schritte zurück und verneigte sich. „Gaara-sama, ich möchte Euch nicht beleidigen, aber ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte er. Widerlich, dachte Deidara. Wie ein unterwürfiger Hund. Er senkte das Wakizashi. Die dünnen Flammen erstarben bereits, war nur wenig Öl an die Klinge gekommen. Ihren bedrohlichen Effekt hatten sie erfüllt. Kaum verlosch das letzte Rot, schob er seine Waffe zurück in die Saya und betrachtete den Mann von oben herab. Der Samurai war nicht besser als die anderen. Ein Speichellecker für die herrschende Familie. Alle Menschen, die im Rang unter ihm standen, wurden dagegen behandelt wie unliebsames Ungeziefer. Das war keine wahre Stärke, kein wahrer Stolz.

„Es geht mir gut. Zieht euch zurück.“ Gaaras Stimme gewann zumindest einen Teil ihres festen Klangs zurück.

„Wie Ihr wünscht, Herr.“ Der Samurai bewegte sich ein paar Schritte rückwärts, ehe er sich umwandte und mit den anderen beiden Kriegern den Platz verließ, um die aufgescheuchten Bewohner der Burg die Nachricht zu bringen, dass es keinen Grund zur Sorge gab.

Tief atmete der junge Daimyô aus. Deidara wandte sich ihm zu und ließ seiner Sorge freien Lauf. „Gaara, was war los, hm?“, fragte er leise.

Dessen Finger massierten schon wieder seine Schläfe. „Plötzlich tauchten Bilder in meinem Kopf auf. Von dem Tag, als wir von Uwajima weiter gereist sind… wir passierten ein Wäldchen. Dann war da ein lauter Knall und Schmerz.“ Gaara tastete nach der feinen Narbe, die sich unter dem roten Haar verbarg. Das Überbleibsel von Kabutos Streifschuss.

Deidara sah in den klaren Himmel hinauf. Nichts erinnerte mehr an die Explosion. Der Knall musste die verlorenen Erinnerungen geweckt haben. Ähnlich wie der Anblick des Herbergsflures bei ihm. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Gaara sich jetzt fühlte. Allerdings waren dessen Erinnerungen weitaus länger weggesperrt gewesen als seine eigenen.

„Du solltest dich ausruhen“, schlug der Blonde vor. Ein zustimmender Laut entrang sich Gaaras Kehle. Deidara sah zu der zerbrochenen Öllampe. Der festgetretene Sand des Platzes wurde lebendig und bedeckte das brennende Öl. Mit einem Zischen versanken die Flammen zwischen den Körnern. Gaara atmete schwer aus. Diese kurze Manipulation musste ihn in seinem jetzigen Zustand zusätzlich Kraft gekostet haben.

Gemeinsam verließen sie den Übungsplatz. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Deidara war begeistert von seiner verbesserten explosiven Waffe. Er hatte Gaara diese neue Kraft vorführen und seine Anerkennung sehen wollen. Denn mit dieser Macht konnte man so vieles anstellen. Es war doch schließlich auch für Gaara wichtig, genügend Kräfte zu besitzen, um sein Land zu schützen und bei einem Angriff verteidigen zu können.

„Und wie findest du es, hm?“, fragte er. Deidara wollte so gern eine Reaktion von Gaara. Von der Seite musterte er seinen Rotschopf neugierig. Dieser ließ sich Zeit mit der Antwort, bis sie das Hauptgebäude erreicht hatten. „Eine sehr zerstörerische Kraft. Aber sollte Sasuke wirklich angreifen wollen, sehr nützlich.“

Auf Deidaras Gesicht breitete sich ein glückliches Grinsen aus. Das hatte er hören wollen. Am liebsten würde er möglichst bald seine Bomben in einem Kampf einsetzen, wollte sehen, wie ihre Feinde im Angesicht seiner Macht den Mut verloren und mit eingezogenem Schwanz die Flucht antraten.

Feierndes Volk

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Mizuki

Gaara blickte mit der üblich stoischen Miene auf das kleine Bündel, welches ihm eine Dienerin in die Arme gelegt hatte. Das Neugeborene war bereits gewaschen worden. Eine weiße Decke hüllte es ein. Aufmerksam wanderte der Blick des jungen Daimyô über das runde Gesicht. Zarter, heller Flaum bedeckte seinen Kopf.

„Es ist ein Mädchen“, verkündete die Bedienstete mit einem Lächeln.

Für Gaara sahen alle Babys gleich aus. Temaris Kinder hatten auch eine kleine Stupsnase gehabt, geschlossene Augen und winzige Fingerchen, die unkoordiniert in die Decke griffen. An den ersten feinen Härchen auf dem Kopf konnte er jedoch erkennen, dass das Kind Sakuras Haare geerbt hatte. Ob die Iris der Kleinen wohl auch smaragdgrün gefärbt war? Sie würde erst in ein paar Tagen die Augen öffnen und dieses Geheimnis lüften.

Die Götter waren seiner Frau gewogen. Gaara konnte Temaris Sohn adoptieren und das Bündel in seinen Armen würde zu einer Priesterin erzogen werden. Priesterinnen heirateten nicht. Niemand konnte sein Urteil anzweifeln. Schwermut ergriff ihn. Der Weg des Kindes war aufgrund eines Fehlers seiner Mutter vorbestimmt. Es hatte keinerlei Wahl. Vielleicht wurde das Mädchen glücklich mit ihrem Leben, vielleicht auch nicht. Aber ihr war die Bürde von Sakuras Vergehen auferlegt.

Gaara legte das Kind zurück in die Arme der Dienerin. Die junge Frau verließ den Raum, brachte das Neugeborene zu seiner Mutter zurück. Sakura sollte sich ausruhen. Später wollte er mit ihr über den Namen des Mädchens entscheiden.

Gaara erhob sich und verließ das Vorzimmer von Sakuras Gemächern. Er winkte eine Dienerin zu sich. „Benachrichtigt meine Geschwister und General Nara. Ich möchte sie in meinem Arbeitszimmer sprechen.“

Es wurde Zeit, sie über die Wahrheit aufzuklären. Die bereits ergraute Frau verneigte sich tief vor ihm und machte sich auf den Weg, seinen Befehl auszuführen. Gemessenen Schrittes folgte er den Fluren zu seinem Arbeitszimmer. Die Türen schloss er hinter sich und ließ sich auf dem Sitzkissen nieder. Alles war, wie er es vor ein paar Minuten verlassen hatte. Die flache Dose mit der Tinte war verschlossen. Daneben lag in seiner Halterung der Schreibpinsel. Das Papier rollte er nun ordentlich zusammen und verschloss die Rolle mit einem Band. Darum konnte er sich später kümmern.

Unruhe breitete sich in ihm aus. Wie seine Geschwister auf diese Nachricht wohl reagierten? Es war schwer, selbst nahe Verwandte bei solch schwerwiegenden Themen einzuschätzen. Gaara sah auch keine Option darin, ihnen beim Abendbrot von der Wahrheit zu berichten. Eine Nachricht wie diese verdiente volle Aufmerksamkeit und sollte nicht während einer anderen Tätigkeit besprochen werden.
 

„Das Kind ist nicht von mir“, verkündete Gaara in einem ruhigen Tonfall. Er gab sich größte Mühe, eine besonnene Erscheinung zu präsentieren. Doch in seinem Inneren rumorte die Angst vor den Reaktionen seiner Familie.

Der Blick aus den jadefarbenen Augen glitt über die Gesichter der ihm gegenüber Sitzenden. Gaara erkannte Unglauben und Entsetzen. Kankurô wirkte regelrecht sprachlos. Wie ein Fisch an Land schnappte er nach Luft. Shikamaru fasste sich schnell wieder, während Temari ihn mit diesem Blick musterte, den er nur zu gut kannte. Sie würde ihn auspressen mit Fragen wie eine weiche Pflaume.

„Seit wann weißt du es?“, fragte sie bohrend. Hatte sie bereits etwas gemerkt? Seine Schwester hatte ein besonderes Gespür für Gemütszustände. Möglicherweise hatte er sich irgendwie verraten? Oder Sakura?

„Seit Sakuras Schwangerschaft bekannt wurde.“

Wut spiegelte sich in ihrem Gesichtsausdruck wieder. „Was?“ Einen Augenblick war sie fassungslos, dass Gaara ihnen ein so wichtiges Detail monatelang verschwiegen hatte. „Und wieso erzählst du uns das erst jetzt?“, herrschte sie ihren jüngsten Bruder mit mühsam beherrschter Stimme an.

Gaara senkte den Blick. „Ich hielt die Geburt des Kindes für den besten Zeitpunkt.“ In einer Schwangerschaft konnte es Komplikationen geben. Eine Fehlgeburt wäre möglich gewesen. Wäre das Kind tot auf die Welt gekommen, war der Vater nicht länger relevant.

„Wer ist der Vater?“, fragte Schikamaru ernst.

Die Luft im Raum schien sich zu verdichten, machte ihm das Atmen schwerer. „Uchiha Sasuke.“ Leise kam ihm der Name ihres Feindes über die Lippen.

Nun war selbst Temari fassungslos. Seine Schwester öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Kein Ton gelangte über ihre Lippen.

Kankurô fand als erster seine Sprache wieder. „Wie konnte Sakura sich mit Sasuke treffen? Und …wie konnte sie das überhaupt tun?“ Seine Erschütterung hörte Gaara deutlich heraus.

Der Rotschopf ließ sich zu einem Seufzen hinreißen. „Ich weiß es nicht“, gestand er.

Ungestüm sprang seine ältere Schwester von dem Sitzkissen hoch. Wie ein eingesperrtes Raubtier tigerte sie von einer Seite des Raumes zur anderen. „Das ist Verrat! Wie kann sie einfach für einen anderen Mann die Beine breit machen! Und dann ausgerechnet der Uchiha…“ Abrupt brach sie ab und sah Gaara durchdringend an.

„Warum bist du dir überhaupt so sicher, dass es nicht dein Kind ist?“

Der junge Daimyô fühlte sich ertappt. Immerhin klebte der Makel an ihm, seinen ehelichen Pflichten nicht nachgekommen zu sein. Doch er würde diese Schwäche nicht vor seiner Familie gestehen. Mit der halben Wahrheit ersparte er sich ein Detail, das niemanden in diesem Raum etwas anging.

„Ich habe zu der Zeit, in der Sakura das Kind empfangen haben muss, nicht das Lager mit ihr geteilt.“ Und alle Anwesenden konnten sich auch den Grund denken. Ihre Reise nach Sakai und die Verhandlungen dort hatten seine gesamte Aufmerksamkeit gefordert.

Als Temari ein weiteres Mal umdrehte, griff ihr Mann nach ihrer Hand und hielt sie auf, bevor sie ein weiteres Mal ihn und Kankurô passieren konnte. „Setz dich“, bat er ruhig. Die Blonde schnaufte unwillig. Nachdem der General ihre Hand losgelassen hatte, ließ sie sich wieder zwischen den Männern nieder. Gaara sah ihr an, dass sie sich um die nötige Gelassenheit bemühte. Aber es war einfach nicht ihre Stärke.

Shikamaru ergriff nun das Wort. „Ich gehe davon aus, dass du einen Plan verfolgst, indem du Sakura das Kind gelassen hast.“ Der Blick aus den dunklen Augen grub sich in Gaara und wollte die Antworten am liebsten selbst ergründen.

Bestätigend neigte er den Kopf.

„Ich wollte Sakura eine Abtreibung ersparen. Außerdem kann das Kind zu gegebener Zeit als Geisel eingesetzt werden, sollte Uchiha Sasuke uns wirklich angreifen wollen.“

Seine Halbgeschwister gaben verstehende Laute von sich. Nur Shikamaru blieb stumm, seine Augen musternd auf ihn gerichtet. Der Schwarzhaarige war der einzige, der sich den wahren Grund denken konnte. Nach außen eine perfekte Familie vorführend, achtete niemand auf mögliche andere Beziehungen, die Gaara pflegte. Nicht einmal Temari und Kankurô wussten, wie nahe Deidara ihrem Daimyô wirklich stand. Aber der General durfte auf Befehl mit niemandem darüber sprechen, nicht einmal mit seiner Ehefrau. Gaara war sich sicher, dass Shikamaru sich daran hielt. So wie er seine Schwester kannte, hätte Temari nun nachgebohrt oder ihr Wissen gleich preisgegeben.

„Was wird aus dem Kind?“, fragte sie.

Gaara war verschiedene Optionen durchgegangen. Das kleine Mädchen könnte wie jede andere Tochter eines Daimyô aufwachsen und heiraten. Oder sie wurde Priesterin. Sollte sie aber herausfinden, wer ihr leiblicher Vater war, bestand die Gefahr, dass Sasuke sie in die Finger bekam. Orochimaru durfte nicht in Vergessenheit geraten. Der alte Daimyô steuerte den Uchihasprössling aus dem Hintergrund. Sie sollten alle Parteien möglichst lange im Unwissen lassen, um den größten Vorteil zu erzielen.

„Ich habe entschieden, dass sie zur Priesterin erzogen wird.“

In den Gesichtern las er Zufriedenheit. Selbst der General hatte keinen besseren Vorschlag für das Kind.

„Weiterhin verfüge ich, dass Sakura keinerlei Bestrafung erhält. Sie bleibt meine Ehefrau und wird nicht anders behandelt.“

An den zusammengekniffenen Mundwinkeln Temaris erkannte er, wie groß ihre Abneigung gegen dieses Gebot war. Aber sie würde sich nicht widersetzen. Sicherlich fiel allen der Umgang mit der neuen Situation leichter, wenn sie sich an die neue Situation gewöhnt hatten.

„Das Kind wird offiziell als meines anerkannt, Ich werde es jedoch nicht als meinen Erben einsetzen. Mein Erbe soll stattdessen euer Sohn Taki werden, Temari, Shikamaru.“

Verblüffung schlug ihm entgegen. Seine Geschwister sprachen nun durcheinander. Aufgebrachte Fetzen drangen an sein Ohr.

„Überstürze nichts…“

„…weitere Kinder zeugen…“

„…wirst Vater eines Jungen…“

„…du kannst dich scheiden lassen… neu heiraten.“

Sie waren derselben Meinung. Gaara schüttelte bestimmt den Kopf. „Ließe ich mich scheiden, wären die guten Beziehungen zu den Môri nachhaltig geschädigt und Shikoku angreifbarer für unsere Feinde. Ich erspare Sakura diese Schmach, aber ich werde nicht mehr mit ihr das Lager teilen. Sie hat mich betrogen.“

Diese Entscheidung mussten sie dulden. Gaara fand seine Handlung gerechtfertigt. Er war Sakura für ihren Fehltritt wirklich dankbar. Sie hatte ihm einen Grund gegeben, sich keine Sorgen mehr über die Nichterfüllung seiner ehelichen Pflicht machen zu müssen. Weiterhin musste sie seine Ehe zu Deidara stillschweigend ertragen. Plauderte sie ihr Wissen aus, drohte ihr die Scheidung und sie verlöre ihre Ehre. Sakura war eine stolze Frau. Vermutlich wählte sie eher den Freitod als ein Leben in Schande zu führen. Die Leidtragende wäre das unschuldige Kind.

Da keine weiteren Einwände an seine Ohren getragen wurden, wandte er sich direkt an das Ehepaar. „Seid ihr mit meiner Entscheidung einverstanden? Die Erziehung eures Sohnes liegt ganz bei euch. Sobald er alt genug ist, werde ich beginnen, ihn alles zu lehren, was er als Daimyô wissen muss.“ Taktisch war es klüger, Temari und Shikamaru die Illusion zu geben, sie hätten die Wahl getroffen. Für ihre gesamte Familie war dieser Weg der beste. Der Titel des Daimyô blieb direkt an ihre Blutslinie geknüpft. Der General tauschte einen intensiven Blick mit seiner Frau aus. Gaara meinte ein minimales Kopfneigen seitens Temari zu erkennen, aber er konnte sich auch täuschen.

Dieses Mal antwortete Shikamaru im Sinne seiner Familie. „Wir sind einverstanden. Zu gegebener Zeit kannst du Taki adoptieren. Aber wir sollten diese Thematik noch einmal in Ruhe diskutieren.“

Eine weitere Sorge fiel von den Schultern des jungen Daimyô ab. Ein wohlwollender Ausdruck zeigte sich in seinen Zügen. „Selbstverständlich“, stimmte er Shikamarus Bitte zu.
 

Gaara saß neben seiner Ehefrau. Die Rosahaarige sah noch immer erschöpft aus. Ihre Dienerin hatte Sakura einige dicke Kissen in den Rücken geschoben, damit sie sitzen konnte, ohne ihrem Körper zu viel zuzumuten so kurz nach der Geburt. Am Leib trug sie nur einen leichten Yukata und über ihren Beinen lag die Decke des Futons.

In ihren Armen hielt sie das kleine Mädchen. Sakura strich dem Kind zärtlich über den Kopf. Sie lächelte glücklich. Gaara hielt seine Entscheidung für richtig. Sakuras Wunsch nach einer richtigen Familie war zumindest nach außen hin unantastbar, vorerst. Und sie hatte ein Kind. Wie es wohl war, eine Mutter zu haben, die einen liebte? Gaara hatte sich immer gewünscht, seine Mutter würde noch leben. Die Mutter seiner Halbgeschwister hatte nie seine eigene Mutter ersetzen können. Sie hatte ihn immer spüren lassen, dass sie Temari und Kankurô liebte und er das Kind einer anderen war.

Jetzt war es umgekehrt. Das kleine Mädchen war die Tochter eines anderen. Würde er mehr für sie empfinden, wäre sie sein leibliches Kind? Wie sollte er mit ihr umgehen? Gaara hatte am eigenen Leib erfahren, wie sich eine zerrüttete Familie anfühlte. Ob er wohl ein guter Vater für das kleine Mädchen sein konnte? Sie konnte doch nichts für die Umstände, in die sie hineingeboren worden war.

„Ich möchte sie gern Mizuki nennen.“ Leise sprach Sakura ihren Wunsch aus, mit einem sanften Unterton. Gaara tauchte aus seinen melancholischen Gedanken auf. Der Name war schön. Also warum sollte das Mädchen nicht so heißen dürfen. „Dann heißt sie Mizuki.“

Sakura hob ihren Kopf und blickte ihn mit ihren smaragdgrünen Augen an. Sie strahlte vor Glück. „Ich danke dir“, hauchte sie.
 

_____________________________________

Mizuki bedeutet „schöner Mond“

Im Inneren der wiedererbauten Burg

„Oda Nobunaga muss sterben.“ Die kratzige Stimme des Schwarzhaarigen durchbrach mit sachlicher Berechnung die Stille des Raumes. Langsam führten bandagierte Hände das Sakeschälchen an die blassen Lippen. Orochimaru müsste die Bandagen nicht mehr tragen. Die Brandwunden an den Armen waren inzwischen vollständig geheilt. Doch er wollte das Narbengewebe nicht sehen. Sasuke wusste das.

„Wir können ihn nicht direkt angreifen. Seine Armee ist zu stark“, warf er ein. Die Burg von Nagoya war gerade erst fertig gestellt worden. Vor wenigen Tagen hatten Diener die letzten Tatami ausgelegt. Ihr Beisammensein war eine symbolischer Akt, den Wiederaufbau der Burg zu feiern und die nächsten Pläne durchzugehen.

Der alte Daimyô wollte weiterhin für die Öffentlichkeit tot sein. Er hatte seine eigenen Gemächer, in die nur seine engsten Vertrauten eintreten durften. Oft genug kam Sasuke sich wie auf einem Kuriositätenfest voller seltsamer Gestalten vor. Orochimarus Diener etwa besaß keine Zunge mehr und war des Schreibens nicht mächtig. Er hatte also keinerlei Möglichkeit, jemandem zu berichten, dass der Schwarzhaarige noch lebte. Wo er diesen Mann nur gefunden hatte, wollte Sasuke gar nicht wissen.

Der Uchiha unterdrückte das Schaudern, welches ihn bei dem hinterhältigen Lächeln Orochimarus zu erfassen drohte. Bemüht gleichmütig trank er von seinem Sake.

„Natürlich greifen wir ihn nicht direkt an“, stimmte der Langhaarige zu. Nach der großen Niederlage gegen Shikoku war Orochimarus Reich beinahe komplett zerschlagen worden. Die zuvor besiegten Daimyô hatten ihre Chance genutzt und sich ihr Territorium zurückerobert. Sasuke reparierte den Schaden, doch es ging langsam voran. Inzwischen war Oda Nobunaga, einst der Daimyô eines kleinen Landstriches bei dem See Biwa, zu einem angesehenen Herrscher aufgestiegen, der rund 20.000 Mann befehligte. Jetzt hatte er sogar eine Burg in Azuchi als neues Zentrum seiner Macht erbaut, um seinen Einfluss und Reichtum zu demonstrieren. War Oda erst tot, stand ihnen der Weg in den Westen und Süden wieder frei für die Rache an Shikoku. Das vereinte Japan war dann zum Greifen nahe.

„Wir benutzen seinen General. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er seinem Herrn zürnt.“

Sasuke verstand. Akechi Mitsuhide war ein ehrgeiziger und stolzer Mann. Der Verrat in den eigenen Reihen stellte immer die einfachste Methode dar, einen großen Mann zu besiegen. Akechi gehörte zum engsten Kreis Odas. Er könnte ihn leicht töten.

„Aber Akechi wird danach die Macht an sich reißen“, prophezeite Sasuke. Orochimarus Lächeln hielt sich auf seinen Lippen. Den General nahm er nicht einmal als Feind wahr, sondern lediglich als Werkzeug, dass man für seine Zwecke nutzte und anschließend zerstörte.

„Anko und Sai werden sich um ihn kümmern.“

Sasukes Augenbrauen zogen sich zusammen. Der alte Daimyô erschien ihm zu sorglos. Er ging davon aus, dass die Shinobi ihre Arbeit sauber und ordentlich erledigen würden. Aber auf Shikoku hatten sie auch versagt. Shin war von Deidara umgebracht worden und sie hatten unverrichteter Dinge den Rückzug antreten müssen, weil in Matsuyama Steckbriefe mit ihren Gesichtern an den Hauswänden hingen.

„Beim letzten großen Auftrag waren sie erfolglos. Wenn sie nun scheitern…“, gab Sasuke zu Bedenken, ließ jedoch den Satz unvollendet ausklingen. „Wollt Ihr eine derart bedeutende Aufgabe in die Hände von Versagern legen, Orochimaru-dono?“

Sein Gegenüber wurde ernst. Die Hände in seinem Schoß ablegend durchbohrten ihn die schlangenartigen Augen förmlich. „Shinobi sind Waffen. Waffen, die man nicht benutzt, erfüllen keinen Zweck.“

Sasuke kannte den Weg der Shinobi. Wenn man sie nicht benutzte, hatte das Leben für sie keinen Sinn. Ohne Feind war ihr Dasein wertlos. Und doch plagten ihn Zweifel. „Aber…“, begann er. Orochimaru schnitt ihm mit einer leichten Handbewegung das Wort ab.

„Anko und Sai werden nicht scheitern.“ In Orochimarus Stimme lag tiefe Überzeugung, Er glaubte an seine Worte. Über die Hintergründe dieser Gewissheit wollte Sasuke nicht nachdenken. Orochimarus Methoden, Menschen an sich zu binden, waren zuweilen fragwürdig. Er las Waisenkinder von der Straße auf und gab ihnen ein neues Leben, ein Leben, das er bestimmte. Und sie waren ihm so dankbar dafür, dass sie seinen Befehlen blind folgten.

Sasuke aber war nicht wie die anderen, die Orochimaru aufgesammelt hatte. Er wollte Rache an seinem Bruder und dazu brauchte er Macht. Macht, die der alte Daimyô ihm geben konnte. Er lernte von ihm, um ein Reich aufzubauen, dass stark genug war, um Akatsuki aus seinem Versteck zu treiben und zu vernichten. Wer sich ihm dabei in den Weg stellte, war automatisch sein Feind. Wie Gaara.

„Du wirst nach Azuchi reisen und Oda Nobunaga einen Besuch abstatten. Zurzeit hält Akechi sich ebenfalls dort auf. Gewinne den General für uns. Hetze ihn gegen Oda auf. Tu, was nötig ist, damit er sich gegen seinen Daimyô wendet.“ Orochimaru leerte sein Sakeschälchen. Über die kleine Schale hinweg sah er ihn unverwandt an, um seinen nachfolgenden Worten mehr Gewicht zu verleihen.

„Du konntest Gaaras Ehe nicht zerstören. Dieses Mal darfst du nicht scheitern.“ Eine Drohung versteckte sich hinter den Worten wie eine Schlange in einer Höhle, die bereit war bei einer falschen Bewegung zuzubeißen.

Sasuke blieb äußerlich ruhig, obwohl ihm das Blut in den Adern gefror. Vielleicht war sein Plan doch nicht missglückt. Spione hatten ihnen zugetragen, dass Sakura vor wenigen Monaten ein Kind geboren hatte. Im Juni. Doch war es wirklich Gaaras Kind? Der Zeitpunkt passte perfekt. Möglicherweise war es sogar sein Kind. Doch das verschwieg er. Irgendwann könnte Sasuke diesen Fakt zu seinem Vorteil nutzen und Gaaras Ehe von innen zerstören. Und sei es nur mit Ungewissheiten.

„Ich werde Akechi Mitsuhide überzeugen“, schwor Sasuke und verneigte sich vor dem alten Daimyô.

Adoption

„Ist es nicht noch etwas zu früh, um die Adoption offiziell zu machen?“, hakte Temari nach. Der General stellte seine Teeschale auf dem Tisch ab. Er war mit der Blonden einer Meinung, dennoch konnten sie die jüngsten Ereignisse nicht ignorieren. Ihrem Blick folgend betrachtete Shikamaru die Tür, die zu dem Zimmer ihrer Kinder führte, in welchem die Zwillinge bereits friedlich unter ihrer Decke schliefen.

Shikamaru sah seine Frau ernst an. „In Anbetracht der aktuellen Lage sollten wir auf alles vorbereitet sein…“ Auch auf ein plötzliches Ableben ihres Bruders. Gaara mochte stark sein. Seine Fähigkeit, Sand zu manipulieren, mochte ihm einen unfairen Vorteil im Kampf verschaffen, aber auch er war nicht unbesiegbar. Spätestens seit Kabutos hinterhältigem Angriff auf ihre Eskorte konnten sie sich nicht mehr davor verschließen. Gaara war nicht unverwundbar. Der junge Daimyô konnte genauso sterben wie sie alle.

Gerade jetzt, wo sie nicht nur einen Angriff von Sasuke fürchten mussten, sondern Oda Nobunaga beschlossen hatte, gegen die Môri vorzugehen, weil sie sich nicht unterwerfen wollten, mussten sie sich möglichst gut absichern. Der Gedanke, Japan zu vereinen, mochte durchaus nobel sein, aber er zerrüttete das Land, brachte in friedliche Regionen den Krieg. Daimyô wie Orochimaru oder Oda wollten sich über andere erheben, sahen sich als Herrscher eines ganzen Landes. Sie lockten mit einem sicheren Leben für alle Bürger, doch der Preis war Krieg. Für viele Daimyô gab es keinen Grund, sich einem anderen Herrscher zu unterwerfen. Das relativ stabile Gefüge der Territorien wurde vielmehr durcheinander gerüttelt wie Steinchen in einem großen Sieb.

Orochimarus Wunsch hatte sich wie ein unsichtbares Gift in die Köpfe anderer gesetzt. Ein Reiskorn könnte jetzt die Waage kippen und einen Krieg heraufbeschwören, unter dem alle Regionen zu leiden hatten. Jeder wollte nur sein Eigentum beschützen oder sein Land, seine Bürger. Shikoku hatte sich mit den Môri verbündet, um zu sichern, was ihnen wichtig war. Und nun forderten die Môri ihre Hilfe.

„Aber Taki ist erst zwei Jahre alt“, gab Temari zu bedenken. „Er wird es noch gar nicht verstehen.“ Temaris Finger pressten sich regelrecht gegen den gebrannten Ton ihrer Teeschale, als suche sie Halt.

Auch diesen Gedanken hatte Shikamaru bereits gewälzt. Eine Adoption in so jungen Jahren war für die gesamte Familie nicht einfach. Vor allem nicht für ihren Sohn, der noch gar nicht begriff, warum Menschen gegeneinander Krieg führten und warum simpel gesagt ein zweiter Vater die Familie und ein ganzes Land vor einem Zusammenbruch bewahren konnte. Ein kleiner Junge mochte denken, dass sein Vater ihn nicht mehr lieb hatte und nun ein anderer sein Vater sein sollte.

„Wir müssen Taki das Thema behutsam erklären. Später. Er soll nicht denken, dass sein Vater ihn nicht mehr liebt.“ Nach dem Papier trat er bei der Adoption seine Rechte an Gaara ab. Der Rotschopf entschied dann, welchen Weg Taki einschlug, was er lernte, wie er seinen Tag gestaltete. Shikamaru vertraute Gaara, dass er ihnen die Erziehung auch weiterhin überließ und Taki lediglich die Dinge lehrte, die er als Daimyô später beherrschen musste. Aber durch die Übertragung seiner Rechte auf Gaara mussten sie sich in Zukunft bei einer wichtigen Entscheidung Taki betreffend zu dritt beraten.

Sie brauchten sich nichts vormachen. Die Ausbildung zum Daimyô war ganzheitlich. Temaris Bruder würde einen großen Einfluss auf Taki ausüben, ob er wollte oder nicht. Zu einem ordentlichen Herrscher wurde man nicht durch ein paar Lektionen. Man wuchs über die Jahre hinweg hinein.

„Gaara wird die Armee doch gar nicht selbst anführen zur Unterstützung der Môri. Das übernimmt Kankurô.“

Shikamaru seufzte leise. „Das bedeutet aber auch, dass unsere eigenen Reihen auf Shikoku nur die Hälfte ihrer Stärke aufbringen. Sasuke könnte diesen Umstand für sich ausnutzen und unser Reich direkt angreifen. Ein Hinterhalt wäre ebenso denkbar, um Gaara in einem unbedachten Moment zu töten. Ist dann nicht die Erbfolge geklärt, wird automatisch Mizuki die Erbin und das könnte unser Untergang sein.“ Sie mussten sich absichern und aktuell war die Adoption die sicherste Möglichkeit.

Einige Herzschläge senkte sich unbehagliche Stille über sie. Temari starrte grübelnd in ihre halbleere Teeschale. Die Entscheidung war nicht leicht. Der General fühlte mit seiner Frau. Doch getroffen werden musste sie. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr. Seine Spitzel hatten ihm zugetragen, dass Oda seine Armee mit Akechi Mitsuhide als General schon bald gegen ihre Verbündeten entsendete.

„Wie viel Zeit haben wir noch?“, fragte Temari schließlich.

„Sehr wenig. Kankûrô zieht bereits einen Teil unserer Armee zusammen. Wir besprechen noch letzte Strategien. In ein paar Wochen wird er zu den Môri aufbrechen.“

Erneut verfiel die Blonde in Schweigen. Sie ließ sich Zeit mit ihrer endgültigen Antwort, obwohl auch ihr klar sein musste, dass es aktuell keinen anderen Weg gab, der ihre Familie bestmöglich schützte. Temari war intelligent. Shikamaru ging davon aus, dass sie sich dessen bewusst war.

Plötzlich kam wieder mehr Leben in seine Frau. In einem Zug leerte sie ihre Teeschale. Mit einem dumpfen Geräusch traf Ton anschließend auf die hölzerne Tischplatte. Entschlossenheit tanzte in den blauen Augen seiner Frau. „Ich bin einverstanden“, sprach sie mit gewichtiger Stimme. „Morgen setzen wir Gaara davon in Kenntnis, damit wir alles vorbereiten. Aber die Adoption wird vorerst geheim gehalten und nur bei Relevanz kundgetan.“

Shikamaru nickte verstehend. Diese Forderung erschien ihm sehr vernünftig. Je weniger ihr Feind wusste, umso besser. Als offizieller, direkter Nachkomme von Gaara war Mizuki das erste Angriffsziel. Eher noch würde man Gaaras Geschwister angreifen als die Kinder des Generals.

Natürlich sicherte Shikamaru ihre Burg mit allen ihm zu Verfügung stehenden Mitteln, aber er wollte seine Augen nicht vor vielleicht auch abwegigen Eventualitäten verschließen. Lieber zog er alle Handlungsmöglichkeiten in Betracht und war entsprechend vorbereitet für den absoluten Notfall, um auch noch in dieser Situation mit kühlem Kopf die beste Strategie zu entwickeln zum Schutz seiner Familie und des Landes.

Gesteuerter Verrat

Deidara fühlte sich frei. Eine gute Jagd hatte etwas sehr Befreiendes an sich. Durch die Wälder zu streifen, darauf zu achten, keine Geräusche zu verursachen, ein Reh zu entdecken, das sich möglicherweise zu weit von seiner Herde entfernt hatte, die Kraft des gespannten Bogens in den Armen zu fühlen bis zu dem Moment, an dem der Pfeil von der Sehne flog und direkt sein Ziel traf. Das Gefühl war unbeschreiblich, als wäre man eins mit dem Sein.

Seine Beute trug er auf dem Rücken. Obwohl das Reh noch nicht ganz ausgewachsen war, hatte es bereits ein beachtliches Gewicht. Der Blonde ging leicht gebeugt, um die Balance zu halten. Auf seinem Weg durch Matsuyama wurde er kaum beachtet. Jäger gab es viele, die ihre Beute verkauften oder für ihren Herrn erlegt hatten.

Kurz vor dem Burgtor stellte sich ihm unvermittelt jemand in den Weg. Ein unscheinbarer, grauer Umhang verbarg den Körper. Der Reishut zeichnete tiefe Schatten in das Gesicht. Deidara kam die Gestalt und die Ausstrahlung bekannt vor. Langsam hob sich eine Hand unter dem Umhang hervor und schob den Reishut ein Stück höher. Die Schatten verblassten zum Teil. Graue Augen blickten ihn ernst an. Kurze Strähnen umrahmten das Gesicht. Deidara kannte den grauen Hakama mit den hellen Längsstreifen und den schwarzen Gi. Der orangefarbene Jin Baori passte perfekt zur Haarfarbe.

„Deidara“, begrüßte Yahiko den ehemaligen Rônin knapp. Minimal neigte sich sein Kopf zur Begrüßung. Der Blonde tat es ihm gleich. „Yahiko.“

Deidara ahnte, dass der Anführer von Akatsuki einen triftigen Grund hatte, unangekündigt zu erscheinen. „Was gibt’s, hm?“

Statt einer direkten Antwort musterte Yahiko ihn lediglich, ehe er antwortete. „Wir treffen uns in einer Stunde in diesem Imbiss.“ Mit einer kaum sichtbaren Bewegung seiner Hand deutete Yahiko auf einen kleinen Laden rechts von Deidara. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass man dort Fleischspieße und Suppe erstehen konnte. Deidara kannte die Straßen von Matsuyama inzwischen sehr gut.

Der Krieger grinste. Wenn Yahiko so wortkarg in der Öffentlichkeit war, ging es um einen Auftrag. Allein bei dem Gedanken an etwas Aufregung kribbelte sein gesamter Körper vor Freude. Endlich wieder etwas Abwechslung!

„Du zahlst. Ich hab nämlich Hunger, hm.“ Auf eine Antwort wartete er gar nicht. Deidara schritt zügig an Yahiko vorbei. Eigentlich hatte er seine Beute selbst ausnehmen wollen. Doch nun führte sein Weg ihn zur burgeigenen Küche. Den Dienerinnen legte er das Reh vor die Füße. „Kümmert euch drum, hm“, war sein einziger Kommentar. Er gab ihnen keine Zeit für irgendwelche Fragen, sondern rauschte sofort wieder aus der Raum. Bevor er die Burg wieder verließ, wusch er sich noch Blut und Schweiß vom Körper und legte frische Kleidung an.
 

Yahiko ließ sich viel zu viel Zeit, fand der Blonde. Ungeduldig sah er den Älteren an, während er in seinen Yakitori-Spieß biss. Mit scheinbar göttlicher Ruhe nahm Yahiko einen Löffel von seiner Misosuppe, ehe er sich ihm endlich zuwandte.

„Wir wurden angeheuert, Oda Nobunaga umzubringen.“ Der Anführer der Rônin-Bande sprach leise, sodass niemand außer Deidara ihn verstand.

Einerseits war dieser Fakt höchst interessant, andererseits brauchte Akatsuki ihn nicht unbedingt, um irgendeinen Daimyô zu töten. „Wieso kommst du damit zu mir? Ihr könnt das auch ohne mich, hm“, hakte er nach. Da war noch mehr.

„Er soll zusammen mit seinem Zentrum untergehen…“ Yahikos Blick blieb beharrlich auf Deidara gerichtet. Seine Hand führte den Löffel mit Suppe dennoch zielsicher zu seinem Mund.

Deidara dachte darüber nach. Oda sollte mit seinem Zentrum zerstört werden. Also meinte Yahiko dessen Burg. Sein sichtbares Auge weitete sich. „Ihr wollt die Burg in die Luft jagen, hm“, schlussfolgerte er. Deidara hatte es schon einmal getan. Er könnte es wieder. Die Erinnerung an die brennende Burg von Nagoya, die umherfliegenden Trümmer, klärte sich. Die Bilder waren mit Sasoris Tod verknüpft und hinterließen einen faden Beigeschmack. Allerdings war es eine Herausforderung gewesen, eine, die er jederzeit wieder annehmen würde. Eine ganze Burg dem Erdboden gleich zu machen, allein, wer war dazu schon in der Lage?

„Die Burg und ganz Azuchi“, fügte Yahiko an.

Der Blonde blinzelte. Die gesamte Stadt und die Burg konnte er nicht ohne Unterstützung in die Luft jagen. Das bedeutete, Akatsuki war wieder in einer großen Gruppe unterwegs.

Deidara dachte weiter. Seit einem Jahr führte Oda Krieg gegen die Môri. Es kam immer wieder zu Scharmützeln. Der letzte Bote von Kankurô hatte eine besorgniserregende Nachricht überbracht. Der Daimyô von Azuchi zog sein gesamtes Heer zusammen, um mit aller Kraft den Widerstand der Môri niederzuschlagen. Mit nur einem halben Heer von Shikoku als Unterstützung würden Odas Männer die Môri überrennen.

„Die Môri haben uns angeheuert, hm?“, fragte Deidara zwischen zwei Spießen.

Yahiko schüttelte den Kopf. „Akechi Mitsuhide.“ Den Namen hatte der Blonde schon mal gehört, aber er konnte ihn nicht zuordnen. Fragend hob sich seine rechte Augenbraue. „Wer?“

Der skeptische Blick zeigte Deidara, dass er sich besser mit der Politik ihres Landes beschäftigen sollte. Er ignorierte es. Deidara war Krieger. Was interessierte ihn, wer wem die Pest an den Hals wünschte? Solange es den Menschen gut ging, die ihm nahe standen und die er liebte, waren ihm die Auseinandersetzungen recht gleichgültig. Wäre es anders, wäre er bei Akatsuki falsch gewesen.

„Akechi ist Odas General, der die Armee gegen die Môri anführen soll.“

Überrascht legte Deidara seinen abgeknabberten Spieß beiseite. Dann lachte er. Ein paar der Gäste sahen kurz zu ihnen rüber, verloren aber schnell das Interesse und wandten sich ihren eigenen Angelegenheiten zu.

Nach ein paar Herzschlägen beruhigte Deidara sich wieder. Amüsiert stützte er sein Kinn auf seiner Hand ab. „Na wenn das mal nicht höchst belustigend ist. Der eigene General, hm.“ Man sollte immer aufpassen, wem man vertraute.

„Wann geht’s los, hm?“, fragte Deidara nun. Er wollte die Chance auf Abwechslung nutzen. Aber in wenigen Tagen war O-bon. Daher war für ihn klar, dass sie erst danach aufbrachen.

„Morgen.“

Dieses eine Wort wischte Deidaras belustigten Gesichtsausdruck fort. Schock breitete sich stattdessen aus. „Das geht nicht. Erst nach O-bon, hm“, widersprach er.

Das Grau von Yahikos Augen verfinsterte sich. „Deidara, du stellst immer noch deine Bedürfnisse über alles andere. Sogar Gaara hast du entgegen unserer Regeln in unser Versteck gebracht.“ Ein lauernder Unterton begleitete die ernsten Worte. Deidara spürte, dass eine Weigerung Konsequenzen nach sich ziehen würde. Konsequenzen, von denen er nicht wusste, ob er sie erleben wollte.

Jedoch änderte der Anführer von Akatsuki seine Strategie. „Jeder wird dich fürchten, wenn unser Plan gelingt.“

Mit einer Mischung aus Missmut und Widerwillen verschränkte er die Arme vor der Brust. Jedoch verriet das Leuchten in seinen Augen Deidaras Interesse. Er wollte gern Anerkennung für seine besondere Kampfkunst. Außerdem überlegten es sich Feinde dann dreimal, ihn oder Shikoku anzugreifen. Sein Liebster wäre auch sicherer. Aber konnten sie nicht noch ein paar Tage warten?

Der entschlossene Blick Yahikos machte ihm jedoch deutlich, dass er nicht warten wollte und dass die verborgene Drohung keine leeren Worte waren. Entschloss sich Akatsuki, ihn zu töten, weil er für sie eine Gefahr darstellte, konnte er auch gleich Seppuku begehen. Gegen alle Rônin hatte er keine Chance. Das Versprechen an Sasori flammte hell in seinem Geist auf. Er sollte auf sich achten. Unwillig schnaufte er. „Ist ja gut, morgen, hm“, brummte er.

Yahikos Miene hellte sich auf. Zufrieden leerte er seine Schüssel Misosuppe, während Deidara frustriert auf seinem letzten Yakitorispieß herumkaute.
 

Gaara lag schwer atmend auf dem Bauch. Tiefe Entspannung erfasste ihn, zusammen mit der üblichen Erschöpfung direkt nach dem Beischlaf. Das Gewicht seines Liebsten auf sich und seine allmählich abflauende Erregung in seinem Körper zu spüren, machte den Augenblick perfekt. Der junge Daimyô hatte nicht oft das Bedürfnis, den passiven Part zu übernehmen, aber heute war wieder ein solcher Moment gewesen.

Deidara wollte morgen die Burg verlassen. Um Odas Burg samt seiner Stadt zu zerstören. Dieser Gedanke war erschreckend. So viele Unschuldige würden ihr Leben lassen. Gaara hatte ihm gesagt, wie wenig er davon hielt. Mit seiner Meinung stieß er bei Deidara auf taube Ohren. Der Krieger dachte nicht in solchen Dimensionen. Aber eines wusste er. Legte er Deidara Ketten an, verlor er ihn. Im Herzen blieb der Blonde immer ein Rônin. So verwerflich der Auftrag war, den Akatsuki angenommen hatte, er konnte Deidara nicht die alleinige Schuld dafür geben. Auf die Rônin-Bande hatte er keinen Einfluss. Und trotz der zuvor harten Auseinandersetzung mit Deidara sollte dieser Matsuyama nicht im Streit verlassen. Kehrte Deidara nicht lebend zu ihm zurück, könnte Gaara sich das nicht verzeihen. Er liebte seinen Krieger und wollte dessen Heimat sein. Brachte er dieses Gefüge ins Wanken, passierte möglicherweise etwas Schlimmes.

Obwohl er um Deidaras Stärke wusste, machte er sich dennoch große Sorgen. Die Aufgabe war sehr riskant. Sein Liebster könnte sterben. Vielleicht wurde Akatsuki entdeckt. Im Herzen des feindlichen Gebietes waren selbst die Rônin in akuter Gefahr. Oder eine seiner Sprengladungen ging zu früh hoch.

Gaara klammerte sich an den Gedanken, dass der Krieg gegen Oda vorbei war, wenn Akatsuki Erfolg hatte. Kankurô konnte mit ihrem Heer zurückkehren und sie mussten einem möglichen Angriff von Sasuke nicht mehr mit so viel Besorgnis entgegenblicken. Zuerst musste er an sein Volk denken. Das gab ihm die nötige Kraft, Deidara ziehen zu lassen und seinen Zorn wegen dessen Starrsinn hinunter zu schlucken. Es gab nicht immer die perfekte Lösung für ein Problem. Genug Akzeptanz dafür aufzubringen, war jedoch schwer.

Deidara stützte sich auf den linken Unterarm und sah ihn an. An Gaaras Schulter kitzelte das lange, blonde Haar bei der Bewegung. „Ich habe eine Bitte…“, hauchte Deidara. Sanft strich dessen rechte Hand über seine Schulter. Aufmerksam erwiderte er den Blick aus dem blaugrauen Auge und wartete, das Deidara weitersprach.

„Kannst du zu O-bon eine Laterne für Sasori anzünden? Ich weiß nicht, ob ich unterwegs die Möglichkeit dazu habe, hm.“

Gaara war ohnehin erstaunt, dass Deidara sich hatte überzeugen lassen, noch vor O-bon mit Akatsuki Matsuyama zu verlassen. Er ehrte Sasori jedes Jahr. Dass er nicht ganz freiwillig ging, war ihm nach der Schimpftirade gegen Yahiko klar gewesen. Vermutlich forderte der Anführer der Rônin nun den Tribut für Deidaras eigensinniges Verhalten ein.

Gaara hob seinen Kopf leicht und vereinte ihre Lippen zu einem liebevollen Kuss. „Das werde ich“, flüsterte er. Gern erfüllte er ihm diese Bitte. Zum einen wusste er, wie wichtig Deidara sein toter Meister war, zum anderen sollte er nicht mit den Gedanken abgelenkt sein. Sein Liebster sollte lebend zurückkehren.

Dankbar lächelte der Blonde. „Mach dir keine Sorgen.“ Zärtlich strichen Deidaras Finger durch sein zerzaustes Haar. „Ich komm schon wieder, hm.“

Kurz weiteten sich Gaaras Augen. War seine Sorge so offensichtlich? Anscheinend. „Pass auf dich auf“, bat Gaara ernst. Ein schelmisches Grinsen zierte Deidaras Lippen. „Mich kriegt man nicht so leicht tot, hm“, schwor der Blonde. Gaaras Mundwinkel zuckten zu einem Schmunzeln. Diese Antwort war typisch.

Deidara zog sich nun langsam aus ihm zurück. Zittrig atmete der Rotschopf ein. Obwohl er mit dem Gefühl der Leere inzwischen vertraut war, löste es immer noch ein mildes Bedauern in ihm aus. Sein Muskel fühlte sich strapaziert an. Er mochte das, weil er sich so der Illusion hingeben konnte, Deidara noch am nächsten Tag zu spüren.

Nachdem Gaara sich auf die Seite gerollt hatte, schmiegte er sich an den warmen, verschwitzten Körper des Kriegers. Einen Arm um Gaara legend, wanderten die Finger nur Augenblicke später in das rote Haar und strichen träge hindurch.

„Warum bist du damals eigentlich in meiner Burg geblieben und hast meine Einladungen angenommen?“, fragte der Rotschopf in die intime Stille hinein, die sich über sie gelegt hatte.

Deidara antwortete nicht sofort. Gaara harrte geduldig aus und lauschte auf den regelmäßigen Herzschlag, der an sein Ohr drang. Er konnte sich denken, dass seine Frage in Deidara Erinnerungen an eine schwere Zeit auslöste.

Gaara glaubte schon nicht mehr daran, dass der Blonde reagierte, da erhob er leise seine Stimme. „Erst habe ich gehofft, irgendwer bringt mich um… bis du mir … Hoffnung gemacht hast, zu einer Normalität zurückzukehren, hm.“

Gaara lächelte. Die Antwort gefiel ihm. Er hauchte einen Kuss auf die bloße Haut von Deidaras Brust. Sein Ziel hatte er erreicht. Kankurô hatte den Blonden damals als Wrack bezeichnet. Nun, das Problem war geborgen und Deidaras Leben restauriert. Natürlich waren Narben in und an dem Blonden geblieben. Aber er führte wieder ein richtiges Leben… mit ihm gemeinsam.

Heiliges Fest und unheiliges Ende

Für den Plan, Azuchi dem Erdboden gleich zu machen, war es günstig, dass Deidara in regelmäßigen Abständen bei seinem Händler Schwarzpulver gekauft hatte. Sie verfügten nun bereits über zwei Drittel der benötigten Menge. Auf ihrem Weg in den Norden machte Akatsuki in jeder größeren Stadt Rast, um nach und nach weiteres Pulver zu beschaffen. Schließlich hatten sie genug Schwarzpulver zusammen, mit dem man bermutlich fünf Burgen in die Luft sprengen konnte. Das sollte reichen. Für ihre Reise waren jedoch die bereits fertigen Gefäße zu sperrig gewesen. Deidara hatte nur wenige werfbare Tonkugeln mit Zündschnur eingepackt. Sie sollten ihnen bei der Zerstörung des Hauptgebäudes der Burg helfen.

Um in Azuchi nicht weiter aufzufallen, trennten sie sich in zwei kleinere Gruppen und quartierten sich in verschiedenen Herbergen ein. Deidara blieb bei Yahiko, Kakuzu und Hidan, während Kisame mit Zabuza, Haku und Zetsu weiter nördlich in der Stadt eine Herberge fand. Da Zetsu die meiste Zeit ohnehin unterwegs war, um Informationen zu beschaffen, die ihnen bei dem Vorhaben nützlich waren, schlief er nur selten in der Herberge. Itachi war als einziger bei Konan und dem Kind geblieben. Seltsam, fand Deidara. Kisame trennte sich nur selten von seinem Partner.

Der Rest war damit beschäftigt, in den Läden Tongefäße unterschiedlicher Größen und Formen zu kaufen. Dazu erstanden sie lange Schnüre, die mit Öl präpariert zu zuverlässigen Zündschnüren wurden und den gefährlichen Inhalt der Gefäße entfachen sollten.

Sie waren zu Acht. Das bedeutete, sie konnten an acht verschiedenen Stellen eine Basis errichten, von dem aus zur selben Zeit die Schnüre gezündet werden konnten. Damit sollten sie die gesamte Stadt ohne weitere Probleme zerstören können.

Während all der Vorbereitungen war O-bon für Deidara immer präsent. Und mit jedem Tag rückte es näher. Er fühlte sich sehr unwohl mit dem Gedanken, dass er nicht in Matsuyama sein konnte. Das Fest begann und er wusste nicht, wo er hingehen sollte. Sasoris Grab war nicht da. Er konnte lediglich in einen Tempel gehen und dort am Schrein ein paar Opfergaben für Sasoris Geist ablegen. Die anderen Rônin respektierten seinen Wunsch und ließen ihn weitestgehen in Ruhe.

„Deidara?“ Kisames Stimme drang gedämpft durch die dünnen Wände der Herberge. Was wollte der denn jetzt von ihm?

„Was?“, fragte der Blonde unwillig. Während Kisame in das kleine Zimmer trat, blickte Deidara nicht von seiner Beschäftigung auf. Gewissenhaft pflegte er das Katana, welches Sasori ihm vererbt hatte.

Kisame ließ sich ihm gegenüber nieder und legte etwas zwischen sie. Augenblicklich hielt Deidara inne. „Konan hat es aufbewahrt. Sie hat mich gebeten, es dir an O-bon zu geben“, erklärte der Blauhaarige.

Deidara legte das Katana beiseite und nahm das Buch behutsam in die Hand. Sofort hatte er es erkannt. Es war Sasoris geliebtes Buch über Gifte gewesen. Nie hatte er darüber nachgedacht, was mit Sasoris Büchern geschehen war, die noch bei Akatsuki gewesen sein mussten. Sanft strich er über den schlichten Einband. Dann sah er auf. „Warum ausgerechnet jetzt, hm?“, fragte er verblüfft.

Kisame zuckte nur mit den Schultern. „Konan hielt es für einen guten Zeitpunkt.“

Ein guter Zeitpunkt? Ausgerechnet jetzt, wo sie nicht einmal in Matsuyama waren? Möglicherweise genau deswegen. Dieses Buch hatte Sasori genauso viel bedeutet wie seine Waffen. Ein trauriges Lächeln huschte über seine Lippen. „Danke, Kisame, hm.“

Der andere grinste. „Du bist reifer geworden“, stellte Kisame mit wohlwollendem Unterton fest.

Prompt schnaufte Deidara. „Ist ja wohl klar, jeder wird älter, hm.“ Als ob das so ungewöhnlich wäre. Bevor Kisame dieses Thema aber weiter ausbauen konnte, brachte er ein anderes an. „Warum bist du nicht bei Itachi geblieben? Ihr hängt doch sonst immer zusammen rum, hm.“

Der ältere Rônin ging auf seine Frage ein und wurde ernst. „Itachi weigert sich, an der Zerstörung einer ganzen Stadt beteiligen zu sein. Er möchte keine Unschuldigen töten“, erklärte er.

Deidara musste lachen. Der große Clanmörder hatte Gewissensbisse? Das klang zu absurd. „Ach komm. Der große Uchiha hat doch sicher wieder ein kleines Kratzen im Hals und kommt deswegen nicht mit und spielt Aufpasser für Yahikos Familie, hm.“

Seufzend erhob Kisame sich. Sein Blick machte Deidara klar, dass er darauf nicht reagieren würde. „Vergiss nicht, in der letzten Nacht von O-bon werden wir zuschlagen.“

Deidara nickte. Er hatte sich irgendwie damit arrangiert. Gaara würde ein Licht für Sasori entzünden und für den Fall, dass sein Geist das Licht nicht fand, machten sie in Azuchi ein Feuer, so groß, dass jeder Geist es finden würde. Dieses Feuer geleitete alle ins Jenseits, sowohl die Geister als auch die Lebenden, die das Pech hatten, in Azuchi zu leben. Liebevoll strichen seine Hände über das Buch. Vier Jahre war Sasori nun schon tot. Irgendwie kam es ihm immer noch unwirklich vor. Aber er freute sich auf die kommende Nacht. Sein Meister besuchte ihn zu O-bon in seinen Träumen. Diese Verbindung war ihm sehr wichtig.
 

Mit der untergehenden Sonne neigte sich auch der letzte Tag des Totenfestes seinem Ende zu. Akatsuki saß in einer der vielen heruntergekommenen Imbissstuben. Mit ihren grauem Umhängen und den Reishüten fielen sie unter den anderen Gästen nicht weiter auf. Yahiko verteilte an jeden Krieger eine handgroße Sanduhr. Sie hatten bereits getestet, ob die Zeit, die sie bis zum letzten Sandkorn hatten, ausreichte. Sie mussten sich beeilen, aber es würde funktionieren, wenn alles nach Plan verlief.

„Sobald wir diesen Raum verlassen, drehen wir die Sanduhr. Wenn der Sand komplett durchgelaufen ist, werden die Zündschnüre entzündet. Seht zu, dass ihr so weit wie möglich weg kommt“, instruierte Yahiko die Rônin. Gerade die Mitte der Stadt war riskant. Sie hatten glücklicherweise einen Weg gefunden, um das Problem zu umgehen, einen aus ihrer Gruppe dort platzieren zu müssen. Sie bildeten einen Ring um die Stadt. Die Explosionen würden von außen nach innen verlaufen. Die Burg befand sich etwas außerhalb und war in Deidaras Obhut übergeben. Er hatte bereits einmal eine Burg ganz allein gesprengt. Jeder am Tisch vertraute ihm, dass er dies wieder schaffte. Und dieses Mal würde es leichter werden, da er die Gefäße in das Gebäude werfen konnte und diese somit nicht erst hineinschaffen musste. Durch das große Feuer auf dem Marktplatz und die vielen Feiernden war die Aufmerksamkeit der Bewohner und Wachen geringer. Niemand glaubte daran, an einem heiligen Fest überfallen zu werden.

„Noch Fragen?“ Yahikos Blick glitt über jeden einzelnen von ihnen. Da niemand etwas sagte, deutete er ein Nicken an und erhob sich.

Hidan grinste finster. „Dann lass uns mal…Au!“ Kakuzu hatte dem Silberhaarigen einen Schlag verpasst. Jeder von ihnen wusste, was er hatte sagen wollen, aber in der Öffentlichkeit so laut zu werden, konnte ihren Auftrag zunichte machen. „Halt dein verdammtes Maul“, zischte Kakuzu genervt.

Akatsuki verließ den schäbigen Imbiss. Sobald sie draußen waren, drehte jeder seine Sanduhr um und verbarg sie anschließend unter der Kleidung. Sie kehrten zuerst in ihre Herbergen zurück. Dort waren sie aktuell recht allein. Sie nahmen ihr Gepäck und verließen das Gebäude. Die Pferde nahmen sie ebenfalls mit, mussten sie anschließend schnell fortkommen.

Es war überaus praktisch, dass sie die meisten Sprengladungen bereits platziert hatten. Am meisten Zeit hatten sie benötigt, die passenden Stellen in Mauern und Häusern zu finden, um die Gefäße unauffällig anzubringen. Jedoch konnten sie nicht alle Behältnisse Tage vorher deponieren.

Schweigend trennten sie sich voneinander. Deidara ritt Richtung Norden aus der Stadt, schlug dann aber den Weg zum Wald ein. Dort band er sein Pferd fest. Inzwischen war der letzte Sonnenstrahl versiegt und unter den Baumkronen herrschte eine fast undurchdringliche Schwärze.

Deidara wandte sich der Burg in einiger Entfernung zu. Zielstrebig schlich er sich an die äußere Mauer heran, jeden Baum und Strauch als Deckung nutzend. Zetsu hatte ihm genaue Informationen geben können, in welchen Abständen Wachen auf der äußeren Mauer patrouillierten. Außerdem stand das Hauptgebäude laut Zetsu nah genug an der Mauer, um seine Gefäße hineinwerfen zu können.

Aufmerksam beobachtete der Blonde die Mauerkrone. Kaum kehrte die Wache für diesen Mauerabschnitt ihm den Rücken zu, sprang Deidara vor und in den tiefen Schatten der Mauer. Er presste sich mit dem Rücken gegen die groben Steine und sah hinauf. Nichts passierte. Niemand hatte ihn entdeckt. Sofort begann er nach den vorbereiteten Gefäßen in der Mauer zu suchen und die kurzen Schnüre mit den langen zu verbinden, die er dabei hatte. Sorgfältig umspann er die gesamte Mauer und verband alle Sprengladungen miteinander und den langen Schnüren. Ein öliger Film legte sich auf seine Haut.

Kurz warf er einen Blick auf seine Sanduhr. Es blieb noch ein wenig Zeit. Bereits zuvor hatte er sich einen Baum ausgesucht, von dem aus er gut werfen konnte. Diesen erklomm er nun und nahm seine Kugelgefäße zur Hand. Die Enden der Schnüre knotete er an einem Ast fest, damit sie nicht herunterfielen. Wie letztes Mal hatte er einen kleinen Topf bei sich, in dem er Glut mit sich führte, um die Schnüre zu entzünden. Nachlässig wischte er seine Hände am Umhang ab. Deidara wollte sich nicht aus Versehen die Hände anzünden, weil das Feuer von den Schnüren nach dem Öl an seinen Händen griff.

Nun hieß es warten. Die anderen mussten sich um ein größeres Areal kümmern als er. Daher war er der einzige, der nun wohl tatsächlich noch ein wenig Zeit hatte.

Deidaras Blick wechselte von der Burg zur Sanduhr. Alles war ruhig. Nur von der Stadt wehten die ausgelassenen Geräusche der Feiernden herüber. Der Sand im oberen Teil nahm mehr und mehr ab. Deidara hob die Uhr vor seine Augen. Nur noch ein paar Augenblicke verblieben. Ob die anderen rechtzeitig alles vorbereitet hatten?

Die letzten Sandkörnchen rieselten hindurch und bildeten den Gipfel des kleinen Berges im unteren Teil der Sanduhr. Ein bösartiges Grinsen zierte seine Lippen. Das Feuerwerk begann!

Deidara steckte die Sanduhr unter seine Kleidung zurück und hob den Deckel an, unter dem sich die mitgeführte Glut verbarg. Kaum berührten die Enden der Schnüre die glühenden Kohlen, fingen sie zischend Feuer. Deidara ließ sie sofort los und beobachtete den Verlauf des hellen Funkens, der sich zielstrebig seinen Weg zur Mauer suchte. Als sich die Funken aufteilten, entzündete er das erste Wurfgeschoss, holte aus und schleuderte es mit aller Kraft dem Hauptgebäude entgegen. Die Tonkugel explodierte nahe einer Außenmauer und riss ein brennendes Loch hinein. Sofort flog das nächste Geschoss hinterher, genau durch das Loch. Und eine weitere Tonkugel folgte. Beide explodierten kurz nacheinander. Die Wachen waren aufgeschreckt und wandten sich dem Hauptgebäude zu. Doch es war zu spät. Denn nun gingen nacheinander die Sprengladungen in der Mauer hoch und brachten diese zum Einsturz. Hell loderten die Flammen auf. Heiße Luft fegte über die Burg hinweg und blies ihm ein paar umherfliegende, erkaltete Überreste ins Gesicht. Deidara blinzelte.

Die Stadt versank wie die Burg in grellen Flammen und ohrenbetäubendem Krach. Schreie durchbrachen die tödlichen Explosionen. Deidara warf weitere seiner Geschosse in die Burg, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich komplett niederbrannte. Nach dem letzten Tonkrug kletterte er eilig vom Baum. Einen Blick gönnte er sich. Die Flammen schlugen hoch in den dunklen Himmel und malten ihre zerstörerische Kraft zwischen die Sterne. Es war ein faszinierender Anblick. „Das ist für dich, Sasori no Danna, hm“, hauchte der Blonde. Er hatte dem Geist seines Meisters ein Licht so groß wie eine Stadt versprochen, um den Weg ins Jenseits zu finden, als er ihn im Traum besucht hatte. Und es war gewaltig. Die gesamte Stadt brannte.

Mehr Zeit durfte Deidara sich nicht lassen. Eilig rannte er dem Wald entgegen und band sein Pferd los. Das Tier war durch die Explosionen aufgescheucht und schwer zu halten. Der Blonde lenkte es am Waldrand entlang Richtung Süden. Die Zügel gab er frei, sodass sein Pferd dem ureigenen Fluchtinstinkt nachgeben konnte. Den Treffpunkt hatte Akatsuki vor Tagen festgelegt. Hinter dem Hügel südlich von Azuchi erhob sich eine alte Akazie, die zwischen den anderen, licht stehenden Bäumen hervorstach. Der knorrige Baum sollte ihr Treffpunkt sein.

Als er dort eintraf, entdeckte er bereits Hidan, Kakuzu, Kisame und Zetsu. Die drei hatten sich um den südlichen Teil der Stadt gekümmert und einen kürzeren Weg gehabt. Just in diesem Augenblick trafen auch Haku und Zabuza ein.

Hidan lenkte sein Pferd neben Deidara und stieß ihm in die Seite. „Wir sind die gefürchtetsten Rônin aller Zeiten“, sagte er stolz. „Mit acht Leuten haben wir eine ganze Stadt und ihre Burg dem Erdboden gleich gemacht!“

Deidara schmunzelte amüsiert. „Noch brennt sie. Und wir sollten besser nicht mehr in der Nähe sein, wenn die Brände gelöscht sind, hm.“ Viele würden in den Flammen eingeschlossen sein und sterben. Aber ein paar Überlebende gab es immer und die sollte es auch geben, damit die Gerüchte sich im ganzen Land verbreiten konnten.

Ein weiterer Reiter näherte sich ihnen. Mit einer einfachen Geste, die unter ihnen bekannt war, gab er sich als Yahiko zu erkennen. „Gute Arbeit“, lobte er seine Rônin. „Zetsu, falls Oda das überlebt hat, bring ihn um.“

Ihr Spion nickte und löste sich von ihrer kleinen Gruppe, verschmolz nach einigen Augenblicken mit dem Wald. Durch das laute Fauchen der Flammen von Azuchi hörte man die leisen Hufschritte nicht.

„Wir verschwinden“, verkündete der Orangehaarige. Damit war ihre Mission beendet. Sie würden dafür eine fürstliche Summe von Akechi Mitsuhide erhalten. Dieser hatte seine Truppen bereits in den Westen geführt, sodass Azuchi nahezu schutzlos gewesen war. Zweifellos wartete er jeden Tag auf die Nachricht des Überfalls und des Ablebens seines Daimyô.

Frieden bis auf Weiteres

„Ganz Azuchi besteht nur noch aus Ruinen.“ Kankurôs Stimme klang gedämpft. Oda Nobunaga war tot, seine Armee zurückgezogen. Das Land der Môri war sicher. Und doch schwebte in Gaaras Arbeitszimmer das Wissen um die vernichtende Schlagkraft Akatsukis wie eine dunkle Gewitterwolke, aus der sich jeden Moment ein tödlicher Blitz lösen könnte.

Nach Deidaras Rückkehr von diesem Auftrag hatte er nur kurz verlauten lassen, dass alles nach Plan verlaufen war. Gaara war dankbar gewesen, keine Details von seinem Liebsten erfahren zu haben. Mit aller Macht hatte er das Wissen um die vielen unschuldigen Toten verdrängt. Manchmal musste man Opfer bringen für sein eigenes Land. Gaara hatte Deidara nicht aufgehalten, obwohl er gewusst hatte, was passieren würde.

Erst nach und nach waren die Geschehnisse an seine Ohren gedrungen. Durch Boten von Kankurô oder Spione von Shikamaru oder als Gerüchte. Akatsuki war in aller Munde. Über Deidara kursierten die schlimmsten Nachreden. Damals hatte er allein die Burg von Nagoya dem Erdboden gleich gemacht. Und nun war eine weitere Burg samt ihrer Stadt auf dieselbe Art in die Luft geflogen. Die Handschrift des blonden Kriegers war unverkennbar. Er war der einzige, der mit Schwarzpulver kämpfte. Sogar seine Samurai hielten Abstand zu Deidara. Den störte das natürlich überhaupt nicht. Die neue Macht genoss der Blonde. Doch Gaara musste aufpassen. Es war gut, wenn andere Daimyô genug Respekt vor ihnen hatten, um sie nicht anzugreifen. Doch die Furcht durfte auf keinen Fall außer Kontrolle geraten. Sonst würden sie das Ziel für neue Kriege werden. Und seine eigenen Samurai sollten sich auch nicht gegen Deidara wenden. Sie balancierten auf einem sehr schmalen Grat.

Sakura erhob ihre Stimme. „Können wir denn überhaupt sicher sein, dass Akatsuki uns nicht eines Tages angreifen wird?“ Diese Zweifel hatten sich bei den meisten eingenistet. Akatsuki war zuvor schon gefürchtet gewesen, die mächtigste Rônin-Bande. Doch nun waren sie scheinbar übermächtig geworden.

„Sie werden uns nichts tun“, erklärte Gaara bestimmt. „Shikoku ist als einziges Land vor ihnen sicher.“

Die Besorgnis flackerte weiter in den smaragdfarbenen Augen seiner Ehefrau. „Wieso bist du dir so sicher?“

Gaara betrachtete sie ruhig. „Weil ich mit Yahiko, Akatsukis Anführer, ein Abkommen getroffen haben. Ich vertreibe sie nicht von Shikoku, im Gegenzug nehmen sie keinen Auftrag an, der uns einschließt.“

Temari schnaubte abfällig. „Und du glaubst, dass sie sich auch weiterhin daran halten werden?“

Gaaras Blick glitt von seiner Schwester zu seinem General. Ein wenig Unterstützung könnte er durchaus gebrauchen. Shikamaru seufzte.

„Es mag sein, Akatsuki erscheint übermächtig. Aber wie viele sind es wirklich? Nicht einmal zehn Rônin, die sich irgendwo verstecken und darauf angewiesen sind, dass man sie nicht überraschend angreift. Sie profitieren von einem sicheren Rückzugsort, weil sie andernfalls befürchten müssen, dass nahezu jeder Daimyô früher oder später Jagd auf sie machen wird, aus Angst, die nächsten auf ihrer Liste zu sein. Es existieren bereits Fahnungsplakate. Irgendwann werden andere Rônin verstärkt beginnen, sie zu jagen, um das Kopfgeld einzustreichen. Es besteht für Akatsuki keinerlei Grund, sich Shikoku zum Feind zu machen. Wir sollten uns viel eher Sorgen um den Osten machen.“ Fragende Blicke trafen den General. Gaara wusste, wen Shikamaru meinte, Sasuke.

„Einer meiner Spione hat mir zugetragen, dass Akechi Mitsuhide ermordert wurde, dreizehn Tage nach dem Angriff auf Oda und Azuchi.“ Ernst blickte Shikamaru jeden einzelnen am Tisch an.

Gaara runzelte die Stirn.

„Das war bestimmt auch Akatsuki“, vermutete Temari, doch der junge Daimyô schüttelte den Kopf.

„Akechi würde nicht seinen eigenen Tod in Auftrag geben.“

Verblüffung erfüllte den Raum.

„Akechi hat Akatsuki beauftragt, Oda und Azuchi in die Luft zu jagen?“, hakte Kankurô nach. Gaara nickte bestätigend.

„Aber, warum? Und woher weißt du das? …Etwa von Deidara?“ Temari war milde überrascht, er sah es in ihren Augen.

„Er hat es mir im Vertrauen gesagt. Den Grund kann man nur vermuten. Offensichtlich zürnte Akechi seinem Herrn.“

Temari wirkte fassungslos. „Du hast ihm diesen Wahnsinn also erlaubt?“

Der mitschwingende Vorwurf war Gaara unangenehm, aber er hatte eine Entscheidung getroffen und würde sie nun nicht bereuen. „Ich habe getan, was für mein Land und das meiner Frau am besten ist. Oda ist tot, er kann die Môri nicht länger angreifen. Dass Akechi ebenfalls sein Leben ließ, ist bedauerlich. Aber wir haben den Frieden wieder hergestellt und nur das zählt.“ Der bestimmende Unterton in seinen Worten ließ keine weiteren Bedenken oder Zweifel zu. Als Herrscher musste er entscheiden, was gut für sein Land war. Und manchmal musste man unmoralische Entscheidungen treffen.

Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Gaara meinte das Unbehagen der anderen spüren zu können. Er war froh, dass Shikamaru schließlich das Wort ergriff.

„Gaara, auch wenn der Frieden vorerst gesichert ist, wir sollten Sasuke im Auge behalten. Auch er hat in den letzten Jahren Orochimarus zerbrochenes Reich nach und nach wieder zusammengeführt. Die Verhandlungen mit ihm sind gescheitert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er unser Land fordern wird.“

Kalte Entschlossenheit stieg in dem Rotschopf empor. „Dann werden wir bereit sein.“

Im Arbeitszimmer

Wann hörte es endlich auf? Sechs Jahre waren seit der gescheiterten Verhandlung mit dem Uchiha vergangen. Und seit sechs Jahren brachten die Spione ihm nun schon die Nachrichten von Sasukes Eroberungen. Nachdem Oda samt seiner Stadt gefallen und kurz darauf Akechi umgebracht worden war, hatte Sasuke seine Finger beständig nach dem Westen ausgestreckt. Zuerst hatten sich Momoyama und Kyôtô ergeben. Danach hatte Sasuke Osaka, Sakai und Kobe in seinen Besitz gebracht. Zuletzt waren Himeji und Okayama besiegt worden. Sasukes Truppen standen an der Grenze zu den Môri.

Nur noch das Meer zwischen der Hauptinsel und Shikokû schützte Gaaras Reich vor dem Uchiha. Doch lange würde es nicht mehr dauern, bis Sasuke seine Drohung endlich wahrmachte und Shikokû angriff.

Der Rotschopf betrachtete einmal mehr die Karte. In Gedanken ging er jede Möglichkeit durch. Wo würde Sasuke am ehesten angreifen? Je kürzer der Weg über das Wasser, desto besser für Sasukes Truppen. Entweder würde er den Weg über Takamatsu weiter im Osten wählen oder aber über die Landspitze nördlich Matsuyamas. Wo würde er zuschlagen?

Auf Gaaras Geheiß behielt der Hyûga-Clan Takamatsu besonders im Auge. Sasuke sollte sie nicht unvorbereitet überrennen. Er würde sein Land beschützen. Könnte er einen Krieg doch nur verhindern. Doch der Uchiha-Sprössling war so versessen auf Eroberung und Krieg, dass er die weiteren Verhandlungsgesuche seinerseits ignoriert hatte.

„Gaara-sama“, erklang dumpf die Stimme der Wache durch seine Tür. „Mizuki-sama bittet um Einlass.“

Bevor er jedoch antworten konnte, schob sich die Tür auf und das kleine Mädchen rannte zu ihm. Weinend warf sie sich in seine Arme. Gaara war verwirrt. Was war geschehen?

Die Wache erschien in der Tür. „Gaara-sama, verzeiht. Sie ist einfach…“ Gaara hatte die Hand erhoben als Zeichen, dass er keine Erklärung hören wollte. „Schließ die Tür“, befahl er dem Mann ruhig. Gaara sah auf das weinende Mädchen hinab. Er war ein wenig überfordert. Meist kümmerte sich Sakura um ihre Tochter. Gaara verbrachte wenig Zeit mit dem Kind. Als Daimyô hatte er ohnehin viel zu tun. Seiner Familie widmete er so viel seiner Zeit, wie ihm möglich war. Und mit Deidara wollte er auch gemeinsame Stunden verbringen. Letzteres war am schwersten. Gaara wollte seinem Liebsten nicht nur nachts nahe sein. Für eine Teezeremonie, ein Shôgi-Spiel, einen Ausritt oder ein Training nahm er sich in regelmäßigen Abständen Zeit. Doch oft genug fühlte Gaara sich wie ein Jongleur, der mit seiner Zeit spielte. Kein Ball durfte herunterfallen. Sonst würde herauskommen, welches Geheimnis ihn mit Deidara verband.

Die Zeit, die er mit seiner Familie verbrachte, war anscheinend noch zu wenig. Denn was machte er mit einem weinenden Mädchen? Beruhigend strich er der Kleinen durch das rosane Haar. „Was ist denn los, Mizuki?“, fragte er leise. Warum war sie ausgerechnet zu ihm gekommen? Wenn Mizuki traurig war, lief sie normalerweise zu ihrer Mutter.

Das kleine Mädchen hob ihren Kopf und sah ihn aus ihren großen, schwarzen Augen an. „Die eine Wache“, schluchzte sie. „Sie hat… hat gesagt… du … bist nicht mein… mein Vater.“ Tränen rannen über ihre Wangen.

„Ich… hab sie… be… belauscht“, gestand sie aufgelöst. „Sie wussten nicht… dass ich da bin.“

Gaaras Augen weiteten sich für einen Moment. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Beruhigend strich er ihr weiter über den Kopf. Diese Gerüchte waren ihm bereits zu Ohren gekommen. Dunkle Augen waren in ihrer Familie nicht unüblich, aber Mizukis Augen waren schwarz wie die Nacht. Einige der Samurai in seiner Burg hatten ihn zu der Verhandlung nach Sakai begleitet und Sasuke gesehen. Itachi war mit Akatsuki hier gewesen. Beide waren Uchiha. Und beide hatten diese nachtschwarzen Augen. Es war nahezu unmöglich, derlei Gerüchte zu unterdrücken.

Gaara wusste, dass sein Liebster Mizuki hasste, weil sie dieselben Augen wie die anderen Uchiha hatte. Und es machte Deidara Spaß, ihr Angst einzujagen. Gaara hatte ihm das Versprechen abgerungen, das Kind in Ruhe zu lassen. Mizuki hatte schließlich nichts mit dem Uchiha-Clan zu tun.

Gaara mochte das Mädchen. Sie war ein gutes Kind. Und obwohl sie Sakuras Fehler war, so brachte sie allgemein mehr Gutes mit sich. Er selbst musste nicht mehr mit Sakura das Bett teilen. Sie hatten nach außen hin eine perfekte Familie und Sakura das Kind, was sie sich gewünscht hatte. Nur durfte nie jemand erfahren, dass sie eigentlich Sasukes Kind war. Dieses Wissen könnte vieles zerstören. Aber Gaara arbeitete daran, dass eben jenes nicht passierte. Sasuke war nicht Mizukis Bezugsperson. Sie sah ihn als ihren Vater. Er konnte sie formen.

„Das ist doch Unsinn“, sprach er also. „Andere sagen manchmal schlimme Dinge, obwohl sie gar nicht wissen, was wahr ist.“

Sie blinzelte. „Aber… warum haben sie… dann gesagt, dass meine… Augen es verraten?“, fragte das Mädchen.

Gaara wischte sanft ihre Tränen weg. „Die Götter haben dir besondere Augen geschenkt. Es gibt Menschen, die dich darum beneiden, weil sie selbst nicht so hoch in der Gunst der Götter stehen. Deine Augen sind sehr schön.“ Er konnte dem kleinen Mädchen doch nicht erklären, dass ihr Aussehen von ihren Eltern abhängig war. Dann würden sich ihre Zweifel nicht zerstreuen.

„Aber deine Augen sind auch schön, Papa. Warum …habe ich nicht deine Augen?“

Der junge Daimyô zuckte mit den Schultern. „Die Wege der Götter verstehen nur wenige. Vielleicht wirst du sie eines Tages verstehen, wenn du Priesterin bist.“ Gaara verstand bis heute nicht, wie Sakura es geschafft hatte, sich heimlich an all seinen Samurai vorbei zu stehlen und mit dem Uchiha zu treffen. Sie schwieg darüber und er fragte nicht mehr.

Die Tränen versiegten und Neugier blitzte in Mizukis Augen auf. „Ich werde die Götter verstehen?“, fragte sie nach.

„Vielleicht“, antwortete Gaara.

Ein vorsichtiges Lächeln huschte über die Lippen des Mädchens. „Das hört sich toll an“, sagte sie und klang nun wieder viel fröhlicher, so wie er sie sonst auch kannte.

„Dann werde ich irgendwann auch verstehen, warum du das mit dem Sand kannst?“

Gaaras Blick wanderte zu seinem Flaschenkürbis, den er wie üblich an der Hüfte trug. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Für ihn war diese Gabe, dieser Fluch, so selbstverständlich geworden, dass er nicht mehr oft daran dachte. Außerdem hatte er den Sand in den letzten Jahren nur sehr selten einsetzen müssen. Deidara provozierte es bei ihren Trainingskämpfen. Aber bei den anderen Menschen seines Landes geriet das Wissen um seinen Sand in den Hintergrund.

„Ich würde mich geehrt fühlen, wenn die Götter dir darauf eine Antwort geben und du es mir sagen kannst. Mir gegenüber schweigen sie“, antwortete er mit einem Lächeln.

Mizuki richtete sich auf und sah Gaara stolz an. „Ich werde fleißig lernen“, schwor sie und lief dann auch schon zur Tür. Seine Wache schloss selbige jedoch nicht hinter dem kleinen Mädchen, sondern trat ein und kündigte Shikamaru an.

„Er darf eintreten.“

Hinter Shikamaru wurde die Tür nun geschlossen.

„Was gibt es?“, fragte Gaara den General ernst, nachdem dieser ihm gegenüber Platz genommen hatte. Die Sorgen eines kleinen Mädchens kamen ihm plötzlich unwirklich vor. Mizuki machte sich über Kleinigkeiten so viele Gedanken, während er damit beschäftigt war, tausende Menschenleben vor einem Krieg zu bewahren. Sakuras Tochter wusste nicht einmal etwas von dem nahenden Unheil. Ihr Leben war so unbeschwert, noch.

„Schlechte Neuigkeiten“, begann Shikamaru. Er zog eine Schriftrolle unter seinem Kimono hervor und überreichte sie Gaara.

Dieser entrollte das Papier. Sorgfältig las er die wenigen Zeilen. Am Ende blieb sein Blick auf die Unterschrift gerichtet. Uchiha Sasuke. Nun war es also so weit.

„Uchiha Sasuke wird gegen uns in den Krieg ziehen, wenn wir uns nicht ergeben.“ Shikamarus Stimme war gefasst. Sie hatten es alle kommen sehen. Wie oft hatte Gaara sich gefragt, wann er dieses Schreiben in den Händen halten würde. Heute war dieser Tag.

Der jüngere Uchiha kündigte seinen Angriff an.

„Wir müssen uns gefechtsbereit machen“, sprach Gaara. Seine Stimme kam ihm fremd vor. Kalt und hart.

Shikamaru deutete ein zustimmendes Kopfneigen an.

„Finde heraus, ob und wie er gegen die Môri vorgehen wird.“ Sie würden das Land seiner Frau unterstützen, soweit es in ihrer Macht stand. Gaara wollte auf diese Art verhindern, dass Sakura es sich vielleicht nicht doch eines Tages anders überlegte und mit Mizuki zu Sasuke ging. Zu viele Geheimnisse würde sie mit sich tragen. Das konnte er nicht zulassen.

„Sehr wohl, Gaara-sama.“

Einsame Entscheidung

Am Tisch herrschte unheilschwangeres Schweigen. Nach dem gemeinsamen Abendbrot hatte Konan Nagato zu Bett gebracht und saß nun neben ihrem Mann. Akatsuki war komplett versammelt, nur Deidara fehlte wie üblich. Dieser hatte sich für einen geteilten Weg entschieden und lebte die meiste Zeit bei Gaara.

„Was hast du herausgefunden?“, fragte Yahiko den Spion. Zetsu war erst vor wenigen Stunden von seinem Ausflug zurückgekehrt. Mit ernster Miene hatte er um eine Versammlung gebeten. Itachi war sich sicher, dass er außergewöhnliche Neuigkeiten mitbrachte. Ob es etwas mit dem Krieg zu tun hatte, den Sasuke gegen Gaaras Reich führen wollte?

„Orochimaru lebt noch.“ Die drei Worte erfüllten den Raum wie Wasser, sie durchdrangen alles. Itachi konnte die Anspannung fühlen, die sich ausbreitete.

„Wieso lebt der Arsch noch?“, nölte Hidan und durchbrach damit die kritische Stille. „Deidara hat ihm doch seine Burg unterm Hintern hochgejagt!“

Alle Blicke richteten sich auf Zetsu. Er war der einzige, der diese Frage beantworten konnte. Doch der Spion zuckte mit den Schultern. „Das konnte ich nicht in Erfahrung bringen.“ Mit dunkler Stimme sprach er weiter. „Es war schon schwer genug, überhaupt die Gewissheit zu bekommen, dass er noch lebt. Orochimaru hält sich gut versteckt in der neu aufgebauten Burg von Nagoya.“

Itachi kombinierte die neuen Fakten mit den bisherigen. Orochimaru hatte schon damals junge Menschen um sich geschart und sie sich gefügig gemacht. Sasuke war auf ihn hereingefallen. Diese Information bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Itachi musste seinen Bruder aufhalten. Das hatte er nicht gewollt. In ihrer alten Heimat hätte Sasuke den Uchiha-Clan zu neuem Ansehen verhelfen können. Doch er hatte Kyûshû den Rücken gekehrt und sich ein eigenes Reich aufgebaut. Eine Farce, die in Wirklichkeit unter Orochimarus Herrschaft stand. Sie vermuteten schon lange, dass der alte Daimyô noch lebte. Jetzt hatten sie den Beweis.

Sein Bruder musste aufwachen! Krieg war nicht das, was er sich für seinen Bruder gewünscht hatte. Itachi musste dem ein Ende setzen, bevor noch mehr starben. Zu lange schon zerrütteten die Machtkriege der Daimyô die japanischen Inseln.

Bestimmt könnte Sasuke zurückkehren. Sarutobi hatte ihm zugesichert, sich um Sasuke zu kümmern. Vielleicht verzieh der alte Daimyô seine Fehler, wenn bekannt wurde, dass Orochimaru den jungen Uchiha manipuliert hatte.

„Wir werden Orochimaru ausschalten“, bestimmte Yahiko entschlossen.

„Aber nicht wieder mit Deidara-chan! Das ist langweilig, wenn man niemandem den Schädel einschlagen kann!“, protestierte Hidan augenblicklich.

Kakuzus Blick ruhte skeptisch auf ihrem Anführer. „Warum sollten wir uns einmischen? Wir werden für Orochimarus Tod nicht bezahlt.“

Yahikos strenger Blick traf die beiden. „Orochimaru hat schon zu viel angerichtet. Wir haben genug Geld, um eine Mission in unserem Sinne durchführen zu können. Wenn er Shikoku überrennt, wird er als nächstes die Jagd auf uns eröffnen.“

Was das bedeutete, wussten sie alle. Sie hatten in den letzten Jahren unbehelligt im Geisterwald leben können. Itachi verstand den tieferen Sinn hinter der Mission. Yahiko wollte beschützen, was ihm wichtig war. Seine Familie und seine Rônin. Und Itachi musste seinen Bruder schützen, es zumindest versuchen, ein letztes Mal.

„Und nein, Hidan, Deidara wird nicht dabei sein.“ Nachdenklich wanderten die grauen Augen über jeden einzelnen der Rônin am Tisch. „Kisame, Itachi, Haku, Zabuza, Zetsu und ich werden diese Aufgabe erledigen.“

Hidan schlug mit der Faust auf den Tisch. „Was soll der Scheiß? Ihr dürft ein paar Leuten den Schädeln spalten und ich muss hier mit dem Hosenscheißer rumhocken?“

Yahikos Blick wurde mahnend. „Du bist zu laut. Wir müssen in aller Heimlichkeit agieren.“

Abfällig schnaubend lehnte Hidan sich zurück und stützte sich mit den Händen hinter sich ab. Der Orangehaarige ging nicht weiter auf das bockige Verhalten ein. Das machte Hidan jedes Mal, wenn er von einer Mission ausgeschlossen wurde, weil er mit seiner lauten Art zu schnell zu viel Aufmerksamkeit erregte.

„Morgen früh brechen wir auf“, bestimmte Pain. Mit einer einfachen Geste beendete er das Treffen.
 

Die vergangenen Stunden waren intensiv gewesen. Sein Körper erinnerte sich an jede einzelne Berührung Kisames. Itachi wusste nicht, ob er lebend zurückkehren würde. Darum waren ihm ein paar letzte gemeinsame Erinnerungen sehr wichtig gewesen. Allein bei dem Gedanken an die intimen Augenblicke jagten Schauer durch seinen Körper.

Trotzdem hatte Kisame wieder bemerkt, dass er etwas auf dem Herzen hatte. Sein Liebster hatte ihn nach dem Sex gefragt, was los war. Er log Kisame nicht an, doch dieses Mal hatte er ihm nur einen Teil der Wahrheit gesagt.

‚Ich bin froh, dass ich endlich Gewissheit über Orochimau habe. Ich wünsche mir nur, dass Sasuke seine Chance nach Orochimarus Tod erkennt und einen Neuanfang wagt.‘

Kisame hatte ihm geglaubt und war mit ihm in den Armen eingeschlafen. Sich mitten in der Nacht von seinem Liebsten zu lösen, war unendlich schwer gewesen. Itachi war sich bewusst, welche Sorgen und Schmerzen er Kisame auferlegte.

Lautlos schlüpfte Itachi in seine Kleidung. Da er sich beeilen musste, nahm er nur das Nötigste mit und der Brief an Kisame fiel schlicht aus. Niemand durfte ihn jetzt bemerken. Ein letztes Mal blickte Itachi in das schlafende Gesicht seines Liebsten.

„Ich liebe dich“, formten seine Lippen, ohne dass ein Ton aus seiner Kehle drang. Das zusammengefaltete Blatt Papier legte er auf seinen Futon. Mit einem Ruck erhob Itachi sich und verließ entschlossen das Zimmer. Leise bewegte er sich durch das Haus. Alle schliefen.

Im Stall sattelte der Schwarzhaarige sein Pferd. Die kurze Strecke bis zum Waldrand führte er das Tier am Zügel. Erst, als ihn die undurchdringlichen Schatten des nächtlichen Geisterwaldes umgaben, saß er auf und trieb das Pferd zu einem zügigen Schritt an.

Hoffentlich kam er noch rechtzeitig! Zetsus Berichten zur Folge war Sasukes Armee bereit. Er könnte jeden Tag mit den Schiffen nach Shikokû übersetzen. Traditionell wurde vor der Schlacht noch eine Verhandlung geführt. Er musste rechtzeitig zu dieser Verhandlung erscheinen. Nur so konnte er seinen Bruder aufhalten!
 

Kisame wurde von den Geräuschen des erwachenden Hauses geweckt. Durch die Wände hörte er dumpf Hidans Stimme, der seine schlechte Laune nun an allen ausließ, weil er auf der Mission nicht dabei sein durfte.

Seine Hand tastete nach Itachi. Noch einen Moment wollte er die ungestörte Zweisamkeit genießen, bevor sie aufbrechen würden.

Irritiert öffnete Kisame die Augen, weil seine Finger nicht, wie erwartet, warme Haut ertasteten. Der Futon neben ihm war leer. Kisame setzte sich auf. Statt seines Liebsten lag nur ein Brief neben ihm. Innere Unruhe erfasste Kisame. Er nahm den Brief und faltete das Papier auseinander.

Mein Liebster, vergib mir.

Hart schlug sein Herz in der Brust. Das konnte nicht sein! Kisame strich über Itachis Futon. Er war kalt. Sein Liebster musste bereits einige Stunden weg sein. Wie er diese Zeilen deuten musste, wusste er. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Der Sex gestern Abend hatte ihn an die Nacht vor ein paar Jahren erinnert, als Itachi nach Nagoya aufbrechen wollte, um Sasuke aufzuhalten. Hastig sprang er auf und rannte aus dem Haus in den Stall. Itachis Pferd fehlte. Er war wirklich weg.

Itachi hatte ihm nichts von seinen wahren Absichten erzählt. Das schmerzte. Zugleich kannte er aber den Grund. Der Jüngere hatte verhindern wollen, dass er ihn ein weiteres Mal aufhielt. Kisame hatte ihm damals etwas geschworen. Niemals würde er zulassen, dass Itachi in seinen sicheren Tod ging!

Entschlossen schritt er ins Haus zurück und kleidete sich an. Den Brief verstaute er sorgfältig in seinem Gi. Ein paar wichtige Sachen für die Reise packte er in seinen Beutel.

Dann ging er hinab in die Küche, um sich etwas Proviant zu nehmen. Konan schaute von ihrem Topf auf und sah ihn wachsam an. „Kisame, du musst dir nicht extra etwas einpacken. Ich werde euch genug Proviant mitgeben.“

Ernst erwiderte Kisame ihren Blick. „Itachi ist weg. Ich werde ihm folgen.“ Sein Tun unterbrach er nicht.

Konans Augen weiteten sich besorgt. „Weißt du, wo er hin will?“

Kisame verschnürte den Proviantbeutel. Langsam nickte er. „Seinen Bruder aufhalten.“

Sie versuchte nicht, ihn aufzuhalten. Das erkannte Kisame an ihren Augen. Vielmehr konnte sie seine Beweggründe verstehen. „Kommt heil wieder“, bat sie nur. Entschlossen brummte Kisame. Er würde alles tun, um Itachi lebend zurückzubringen.

Der Rônin wandte sich ab und verließ die Küche. Auf dem Flur rief ihm Hidan etwas hinterher, dem er keine Beachtung schenkte. Im Stall sattelte er sein Pferd und zurrte das Gepäck fest. Mit seinem Pferd trat er hinaus. Yahiko kam durch die Tür des Hauses. „Kisame, was soll das?“

Unbeirrt schwang sich Kisame in den Sattel, ehe er seine Aufmerksamkeit auf ihren Anführer richtete. „Itachi will seinen Bruder aufhalten. Ich werde ihm folgen.“ Auf eine Antwort wartete Kisame nicht. Er stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken und trieb es in einem schnellen Trab in den Wald hinein.

Hoffentlich kam er nicht zu spät! Itachi durfte nicht sterben.

Entscheidungen für die Zukunft

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Der letzte Kampf

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ehre den Toten

Wenige Tage nach der Bestattung war Deidara zum Geisterwald aufgebrochen. Er wollte Akatsuki von Kisames und Itachis Tod berichten. Vielleicht wusste Zetsu bereits davon, aber der Spion konnte schließlich nicht überall sein.

Itachis und Sasukes Tod betrauerte Deidara nicht. Die Uchiha Sprösslinge hatte er nie leiden können. Nur Kisame fehlte ihm. Mit diesem hatte er gut trainieren und reden können. Meistens hatte Kisame ihn verstanden. Der Blonde konnte dessen Entscheidung, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, nachvollziehen. Ihm hatte Sasori den Seppuku verboten. Aus heutiger Sicht hatte sein Meister wieder einmal Recht gehabt. Es war besser so gewesen. Andernfalls hätte er Gaara nie wirklich kennen gelernt. Dann wären die letzten Gefühle vor seinem Tod unendliche Leere und der intensive Wunsch, wieder bei seinem Meister zu sein, gewesen.

Ab und an beschlichen Deidara Schuldgefühle. Er hatte Itachis Bruderliebe ausgenutzt, um sein eigenes Glück zu schützen. War er vielleicht für Kisames Selbstmord verantwortlich? Eigentlich hätte Itachi doch siegen müssen. Davon war der Blonde ausgegangen. Aber hätte er seinen eigenen Bruder umbringen können? Sasuke hätte niemals Ruhe gegeben, solange er am Leben gewesen wäre.

Egal, aus welcher Perspektive Deidara den Sachverhalt betrachtete, mindestens einer wäre gestorben. Gaara hätte vielleicht auch von Sasukes Katana durchbohrt werden können.

Deidara hörte das Schleifen der Eingangstür und sah auf. Konan betrat mit ihrem Korb voller Kräuter das Haus, die sie in dem kleinen Kräutergarten hinter dem Haus geerntet hatte. Als Deidara ihr vom Tod der beiden Rônin erzählt hatte, waren der sonst so beherrschten Frau Tränen über die Wangen gelaufen. In Hidans Gesicht, der einzige, der aktuell auf dem Anwesen war, hatte sich Überraschung gezeigt. Dass Itachi und Kisame so sterben könnten, passte nicht in Hidans simple Weltanschauung. Vom Bruder besiegt und dem eigenen Leben ein Ende bereitend.

Deidara hatte Konan gefragt, wo der Rest von Akatsuki war. Kaum hatte die Blauhaarige ihm von dem Plan zur Ermordung Orochimarus berichtet, war Hidan nahtlos zu heftigen Schimpftiraden übergangen, weil er als einziger nicht daran beteiligt war. Natürlich nicht, er war viel zu laut. Orochimaru war kein einfacher Gegner. Deidara hatte angenommen, er wäre in den Explosionen gestorben. Es war ihm noch heute ein Rätsel, wie der Alte diese überstanden hatte.

Zumindest konnte Deidara nun sichergehen, dass Zetsu bei der Gruppe sein würde. Yahiko und die anderen wussten noch nichts vom Tod der beiden Rônin.

Im Schatten am Rand der Lichtung bewegte sich etwas. Deidara erhob sich vom Boden der Veranda. Mit einem Sprung war er auf dem Innenhof. Die Hand legte sich kampfbereit auf den Griff des Katana. In gemäßigtem Schritt näherten sich fünf Reiter dem Anwesen. Deidara erkannte die Pferde und ihre Reiter. Die Reishüte waren an den Sätteln befestigt, daher konnte er die Rônin bereits vom Weiten klar erkennen. Langsam entspannte er sich wieder.

Die Krieger hielten ihre Pferde auf dem Hof und saßen ab. Yahiko gab den anderen ein Zeichen, sich um die Tiere zu kümmern. Die Zügel seines Pferdes übergab er an Kakuzu. Dann kam Yahiko direkt zu ihm. „Deidara. Wo sind Itachi und Kisame?“ Der Anführer von Akatsuki hielt sich nicht mit einer Begrüßung. Ernst bohrte sich der Blick aus den grauen Augen in seinen Verstand, schien die Frage selbst beantworten zu wollen.

„Sie sind tot“, erklärte Deidara knapp. „Sasuke ebenso, hm.“ Im Krieg gab es immer Verluste. Yahiko nahm diesen gefasst auf. Deidara war sich sicher, dass der Ältere bereits jeden möglichen Ausgang dieses Zusammentreffens gedanklich durchgegangen war.

„Gaara hat Itachi und Kisame mit allen Ehren eines Samurai bestatten lassen, neben Sasori, hm.“ Sie hatten seinem Reich einen großen Dienst erwiesen und das höchstmögliche Opfer gebracht, ihr Leben. Es war in den Augen des Daimyô das Mindeste, ihre Ehre als Krieger mit einem anständigen Begräbnis wiederherzustellen. Durch ihren Tod konnten sich viele unschuldige Menschen auf ein langes Leben freuen.

„Wart ihr erfolgreich?“, fragte Deidara. Er hoffte, dass Orochimaru endlich tot war. Dann war dieser ewige Krieg beendet. Deidara hatte wirklich nichts gegen einen guten Kampf, doch die Jahre der ständigen Bedrohung zerrieben die Nerven. Zwischendurch benötigte man einfach eine Erholungsphase.

Yahiko nickte. „Orochimaru und seine ranghöchsten Untergebenen sind tot. Wir haben sie verbrannt. Davon wird er sich nicht erholen.“ Die harten Worten erfüllten Deidara mit Genugtuung. Der Fadenzieher hinter der Uchiha-Marionette war beseitigt. Das Reich, welches Sasuke unter Orochimarus Herrschaft aufgebaut hatte, würde wieder in seine früheren Gebiete zerfallen und alles war wie früher. Ab und an zwei Daimyô, die sich bekämpften. Mehr nicht.

„Die ehemaligen Daimyô nehmen sich ihre Gebiete zurück, die Sasuke ihnen genommen hat. Trotzdem wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis der nächste größenwahnsinnige Daimyô auf die Idee kommt, das Land unter sich zu einen.“

Deidara sah Yahiko zweifelnd an. „Meinst du wirklich, hm?“

Bestätigend neigte der Krieger den Kopf. „Die Idee wurde von Orochimaru in die Welt gesetzt. Sie wird zweifellos auf fruchtbaren Boden stoßen. Früher oder später wird der nächste nach einem vereinten Japan streben.“

Deidara seufzte. Einerseits konnte er sich auf spätere Kämpfe freuen, andererseits würde Shikoku auch wieder angegriffen werden. Es sei denn, Gaara wäre dieser Herrscher, der alle vereinte. Deidara konnte sich jedoch denken, wie sein Liebster zu dieser Idee stehen würde. Gaara vergoß nur ungern Blut. Er würde keinen Krieg beginnen.

„Bleibst du und gedenkst mit uns der Toten?“, fragte Yahiko ruhig.

Der Ältere musste ihn nicht darum bitten. Deidara war für Itachi und Kisame hergekommen. Und obwohl er Itachi gehasst hatte, so war er es Kisame schuldig, ihrer gemeinsam zu gedenken. Ein zustimmendes „Hm“ entrang sich Deidaras Kehle.

„Gehen wir rein“, verkündete Yahiko und trat an dem Blonden vorbei. Deidara folgte ihm zum Haus.

Beziehungen

Gaara genoss die wenigen Tage der Ruhe. Eigentlich waren diese den Toten gedacht. Aber nach drei Jahren endloser Verhandlungen freute sich Gaara über jedes Fest, das ihm die Möglichkeit bot, für kurze Zeit seine Sorgen um die Zukunft des Landes beiseite zu schieben. O-bon verbrachte er wie immer mit seiner Familie, zu der nun auch Hanabi gehörte, die Kankurô im vergangenen Sommer geheiratet hatte. Sie gedachten gemeinsam ihrer verstorbenen Familienangehörigen, beteten für sie, brachten ihnen Opfer dar und feierten ihr Andenken.

Auch nach so langer Zeit, in der Sasori bereits tot war, wollte Deidara zu O-bon lieber allein sein. Gaara respektierte den Wunsch seines Liebsten. Sie konnten sich jeden Tag sehen. Aber Sasori begegnete Deidara nur noch einmal im Jahr während er schlief.

Zu Gaaras Bedauern neigte sich das Fest zu schnell seinem Ende. In einem leichten Yukata lehnte Gaara an der Brüstung seiner privaten Veranda. Der Blick schweifte über die nächtliche Burg. Hinter den äußeren Mauern brannten noch die letzten Feuer, die den Toten den Weg zurück in ihr eigenes Reich zeigten.

Gaara seufzte. Er wusste, dass einige Schreiben morgen früh in seinem Arbeitszimmer auf ihn warteten. Die letzten drei Jahre hatte er damit verbracht, die vielen kleinen Reiche Japans durch Verträge nach und nach zu einen. Sasukes und Orochimarus Ende hatte große Unsicherheiten und Chaos mit sich gebracht. Nur langsam ließ sich wieder eine friedliche Ordnung herstellen.

Doch allmählich wurden die Aktivitäten außerhalb Japans auffällig. Zunehmend waren mehr Schiffe aus fernen westlichen Ländern in ihre Häfen eingelaufen. Die Menschen erlernten mühsam ihre Sprache und kaum, dass sie fähig waren, sich einigermaßen zu verständigen, sprachen sie von einem Gott, der über alles wachte, und Jesus, seinem Sohn. Sie begannen ihr Volk mit einer alarmierenden Aggressivität zu diesem fremden Glauben bekehren, dass es nicht nur dem rothaarigen Daimyô Sorgen bereitete.

Es wäre klüger für alle Daimyô, zusammen zu stehen und sich nicht gegenseitig zu schwächen. Nach und nach war es Gaara gelungen, die anderen Oberhäupter für seine Idee zu gewinnen. Nur noch wenige Reiche reagierten skeptisch auf seine Argumente. Er hatte es fast geschafft.

Das leise Schaben der Geheimtür lenkte Gaaras Aufmerksamkeit zurück zu seinen Gemächern. Er wandte sich um. Durch die offene Tür trat Deidara. Nachdem er diese sorgfältig geschlossen hatte, kam er auf Gaara zu. Selbst bei dem schwachen Licht der Lampen erkannte Gaara die Sorge, die sich in Deidaras Blick festgesetzt hatte.

„Was ist los, Deidara?“, fragte er direkt.

Der Blonde umarmte ihn und bettete den Kopf auf seiner Schulter. Automatisch schlossen sich Gaaras Arme um seinen Liebsten. Was war geschehen? Normalerweise war Deidara nach O-bon entspannt und nicht von Kummer geplagt.

„Sasori ist nicht in meine Träume gekommen, hm“, murmelte der Blonde.

Gaaras Augen weiteten sich kurz. Er verstand. Eine Seele konnte zu O-bon nicht mehr in die Welt der Lebenden zurückkehren, wenn sie gar nicht mehr im Totenreich weilte. Das bedeutete, Sasoris Seele war in einem anderen Körper wiedergeboren worden. Damit war die letzte direkte Verbindung Deidaras zu Sasori abgerissen.

Gaara schob seine Hand unter das dicke Haar und kraulte beruhigend Deidaras Nacken. Ihm hatte das jährliche Treffen im Traum mit Sasori gut getan. Das hatte Gaara bemerkt. Eine Befürchtung keimte in ihm auf. Hoffentlich verfiel Deidara nicht wieder in einen instabilen Zustand. Der Krieger war dafür berüchtigt. Auch wenn ihm nur langweilig war, konnte er zu einer Gefahr für sich und andere werden, weil er dann auf kuriose Ideen kam. Darum ließ er ihn in regelmäßigen Abständen mit Akatsuki ziehen, um Aufträge auszuführen, von denen er selbst nichts wissen wollte. Je weniger er wusste, umso besser. Denn gut hieß er Akatsukis Machenschaften nach wie vor nicht. Manchmal gab es auch auf Shikoku Probleme, die Deidaras Fähigkeiten forderten, aber das war zu selten der Fall, um ihn bei Laune zu halten.

Gaara sollte seinen Krieger etwas aufmuntern. „Ich denke, es ist schön, dass Sasori wieder in unserer Welt lebt und nicht im Totenreich ausharren muss. Jetzt kann er ein neues Leben beginnen und vielleicht begegnet ihr euch eines Tages wieder, außerhalb von Träumen.“

Langsam zog sich Deidara weit genug zurück, um Gaara in die Augen zu blicken. Entschlossenheit sprang ihm förmlich entgegen.

„Ich werde ihn suchen, hm.“

Überrascht blinzelte Gaara. Dass seine Worte diese Wirkung haben würden, hatte er nicht erwartet. Oder war sein Aufmunterungsversuch gar nicht daran Schuld? Hatte Deidara diesen Entschluss schon gefasst, bevor er zu ihm gekommen war?

„Deidara, das ist ein aussichtsloses Vorhaben. Wie willst du Sasori erkennen? Er hat einen neuen Körper. Vielleicht sieht er ganz anders aus. Und ob er denselben Namen trägt, weißt du auch nicht“, gab er zu Bedenken.

„Ich werde Sasori erkennen, hm.“ Deidaras Stimmlage ließ keine Widerrede zu. Er hatte sich längst entschieden. Gaara könnte sagen, was er wollte, seine Argumente würden auf Ignoranz stoßen.

Resigniert seufzte der Daimyô.

„Ich kann dich ja doch nicht aufhalten“, murmelte er. Ein Nicken war die Bestätigung.

Sanft strich Gaara seinem Liebsten über die Wange. „Versprich mir, dass du regelmäßig vorbei kommst. Ich möchte wissen, ob es dir gut geht und wenigstens ein paar Tage mit dir verbringen“, bat er.

Ein Lächeln umspielte Deidaras Mundwinkel. „Keine Angst, ich komm vorbei. Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mich kriegt man so schnell nicht tot, hm.“ Nun grinste Deidara wieder frech, so wie er es von seinem Ehemann kannte.

Gaara musste erheitert schnauben, obwohl er Deidara nur ungern ziehen ließ. Es wären nicht nur ein paar Wochen, die er mit Akatsuki unterwegs sein würde. Der Blonde wollte allein durch Japan ziehen und ein kleines Kind mit Sasoris Seele finden. Vielleicht war er den Rest seines Lebens auf der Suche nach Sasoris Wiedergeburt.

Gaara würde nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten und zu beten, dass Deidara Sasoris Wiedergeburt schnell fand oder zur Vernunft kam. Letzteres würde wohl einem Wunder gleich kommen. Deidaras Sturheit war schwer zu knacken. Aber wenn ihm die Geduld mit seinem Krieger ausging, fand er hoffentlich einen Weg, ihm wieder etwas Vernunft einzubläuen. Er hatte es schon mal geschafft, als Deidara in seiner Burg so viel Unruhe gestiftet hatte. Gaara war zuversichtlich, dass er es erneut bewerkstelligen konnte.

„Wenn du mich zu lange warten lässt, lasse ich dich suchen und herschleifen“, schwor Gaara. Mit einem Ruck zog er Deidara wieder näher und vereinte ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Gaara würde ihre gemeinsame Zeit sehr vermissen. Zu sehr hatte er sich an die tägliche Anwesenheit des Blonden gewöhnt. An seinen Geruch, an seine kleinen Provokationen, an das Glitzern in seinem Blick, wenn ihm etwas Freude bereitete, an ihre Trainingskämpfe und die vielen Gespräche, die sie über alles Mögliche führten.

Ihr Kuss endete. Gaara blickte seinen Liebsten an. Dessen warmer Atem streifte seine Lippen. „Du musst mich nicht suchen lassen. Ich werde dich nicht vergessen, hm“, hauchte Deidara sanft, ehe er Gaaras Lippen für einen weiteren Kuss eroberte.

Lebendige Seelen

Die Straßen von Edo waren hier in der Nähe des Marktes genauso laut und bevölkert wie Deidara sie in Erinnerung hatte. An einer Ecke verkaufte ein Händler Reis, gegenüber pries eine Frau ihr Gemüse an und ein Stück weiter lockte ein Bäcker mit Leckereien.

Seit fünf Jahren suchte der blonde Krieger nun schon nach Sasoris Wiedergeburt. Doch er war keinen Schritt vorangekommen. In jeder Gegend fragte er nach einem rothaarigen Kind, doch wenn überhaupt eines dort lebte, war es zu alt. Er suchte nach einem Mädchen oder Jungen, dass erst fünf Winter gesehen hatte.

Ein kleines Kind lief in ihn hinein. Noch bevor es zurückwich, spürte er eine Bewegung an seinem Gi. Flink griff Deidara nach dem Arm des kleinen Diebes, der gerade mit seinem Geldbeutel zurücksprang und zwischen den Menschen verschwinden wollte.

Ein Ruck durchlief den kleinen Körper, als er auf Widerstand traf. „Lass los“, blaffte der kleine Junge und zog ein Messer. Ungeschickt stach er nach seiner Hand. Routiniert fing Deidara den dünnen Arm ab und hielt ihn ebenfalls fest. Er musste nicht einmal sonderlich viel Kraft aufwenden, um den Dieb unter Kontrolle zu bringen. Ein Reishut versteckte sein Gesicht. In den abgewetzten Jinbei, der wohl einmal grün gewesen war, musste der Kleine augenscheinlich erst noch hineinwachsen. Nur der fest gebundene Obi hielt das Oberteil an seinem Oberkörper. Die bloßen Füße waren schmutzig vom Straßenstaub.

Deidara hockte sich hin, um dem frechen Burschen ins Gesicht sehen zu können. „Wenn du schon Menschen beklaust, such dir Opfer, die einfältiger sind als ein Krieger, hm“, riet er dem Kleinen verstimmt.

Langsam hob der Junge den Kopf, sodass er im Schatten des Reishutes dessen Augen erkennen konnte. Genervt blickte der Kleine ihn an. Deidaras Augen weiteten sich. Er fühlte sich zurückgeschleudert zu dem Augenblick, als Sasori ihm damals am Grab seiner Eltern genervt angeboten hatte, sein Schüler zu werden. Nur dass dieser Junge hier erst fünf oder sechs Jahre alt sein konnte.

Hatte er Sasoris Wiedergeburt endlich gefunden? „Ich tu dir nichts. Also renn nicht weg, wenn ich dich jetzt loslasse.“ Hoffentlich klang seine Stimme beruhigend genug, dass der Kleine nicht sofort versuchte, ihm zu entwischen. Denn erfolgreich wäre dieser Versuch nicht. Langsam löste Deidara seine Hände von den dünnen Armen.

Wie erwartet versuchte der Junge abzuhauen. Noch bevor er sich gänzlich weggedreht hatte, griff Deidara nach seinem Obi und zerrte ihn resolut zurück. Dabei fiel dem frechen Bengel das Messer und Deidaras Geldbeutel aus der Hand. „Lass mich los!“, brüllte der Kleine.

Ein kurzer Blick zu den Vorbeigehenden machte Deidara klar, dass sich niemand um den Jungen scherte. Also war er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Waisenkind.

Grob drehte Deidara den Jungen zu sich herum und schob seinen Reishut zurück. Flammend rotes Haar stand wild vom Kopf ab. In den braunen Augen zeigte sich eine Mischung aus Angst, Wut und Trotz. Ein Gefühl der Verbundenheit wallte in Deidara auf. Das war Sasoris Wiedergeburt. Er war sich absolut sicher. Dieser arrogante Blick, den der Bengel trotzdem aufsetzte und seine Angst dahinter zu verstecken versuchte. Und diese Haarfarbe, es war exakt dieselbe wie die seines toten Meisters.

Ein Lächeln huschte über Deidaras Lippen. Misstrauisch sah der Junge ihn an.

„Wie kommt es, dann ein vierjähriger Bengel wie du klauen gehen muss, hm?“, fragte Deidara. Er unterschätzte das Alter bewusst, um ihn zu provozieren. Und es klappte. „Ich bin schon Fünf!“ Empört zog der Kleine eine Schnute. Deidaras Vermutung war korrekt. Der Junge war fünf Jahre. Es passte perfekt.

„Und wo sind deine Eltern, hm?“, fragte Deidara dann ernst.

Der kleine Junge sah zu Boden. „Geht dich nichts an.“

Das würde wohl nicht so leicht werden, aus dem Kleinen etwas rauszukriegen. Aber einfacher als bei Sasori damals bestimmt.

„Es geht mich sehr wohl etwas an. Du hast versucht, mich zu bestehlen, hm.“

Und schon schaute der Junge ihn wieder an. „Du kannst mich nicht verpetzen. Meine Mutter ist tot“, eröffnete der Kleine ihm trotzig und streckte ihm die Zunge raus.

„Und wo ist dein Vater, hm?“

Nun wurde der Junge etwas zurückhaltender und starrte erneut zu Boden. Ein Schulterzucken war die einzige Reaktion. Deidara konnte sich anhand der wenigen Informationen die Verhältnisse zusammenreimen. Die Mutter des Kleinen hatte eine Affaire gehabt und war schwanger geworden. Der Vater hatte sie nicht geheiratet und so war die Ehre ihrer Familie mit dem Kind besudelt worden. Die Mutter war gestorben und in der Familie niemand bereit gewesen, das Kind zu adoptieren, weil es der Grund für die Schande war, obwohl es gar nichts dafür konnte. Eine Prostituierte konnte er auch nicht ausschließen. Vielleicht hatte die Hure den Mann geliebt und gehofft, er würde sie aus ihrer Lage befreien und heiraten, wenn er erst einmal das Kind sah. Nun, es war egal, welche Umstände zu der aktuellen Situation des Kleinen geführt hatten. Fakt war, der Junge war alleine und hatte niemanden. Deidara würde ihn nicht seinem Schicksal überlassen.

„Wie heißt du, hm?“

Eine abweisende Antwort war die Reaktion. „Geht dich nichts an.“

Der Blonde musste schmunzeln. Der Kleine hatte so viel von Sasori. Deidara konnte sich gut vorstellen, dass er so als Kind gewesen war. „Gut, wenn du es mir nicht sagen willst, nenne ich dich eben Sasori. So hieß dein früheres Ich, hm.“

Verwirrt blickte der kleine Junge ihn an. „Woher weißt du das?“

Amüsiert grinste Deidara. „Gehen wir etwas essen. Dann verrate ich dir das, okay?“

Der Junge dachte darüber nach, suchte wahrscheinlich den Haken. Aber schließlich nickte er zögerlich. Deidara ließ ihn wieder los, hob seinen Geldbeutel auf. Das Messer gab er dem Kleinen zurück, der keinen neuen Versuch unternommen hatte, wegzulaufen. „Und wenn du willst, zeig ich dir auch, wie man mit einem Messer richtig umgeht… oder einem Katana, hm“, bot er ihm an und deutete auf seine Waffen.

Ein Glitzern breitete sich in den Augen des Jungen aus. Behutsam, als wüsste er nicht, ob er dem Krieger trauen konnte.

„Wirklich?“, fragte er mit einem Hauch von Neugierde.

Deidara nickte bestätigend. „Na komm, du hast doch bestimmt Hunger, hm.“ Der blonde Krieger bot dem Jungen seine Hand an und nach einigem Zögern ergriff er diese auch.
 

Der Mond war schon vor Stunden aufgegangen. Eine leichte Brise wehte durch die offenen Schiebetüren in das Schlafgemach und das Licht der Öllampe tauchte den Raum in ein warmes Orange.

Schwer atmend lag Deidara auf dem Futon. Sein bebender Körper beruhigte sich allmählich von dem Orgasmus. Locker schlossen sich seine Arme um Gaara. In den letzten Jahren hatten sie sich kaum gesehen. Die wenige Zeit zusammen brannte dafür umso heller in seinen Erinnerungen, so wie die vergangenen Momente. Sie waren so hungrig auf die Zuneigung des jeweils anderen gewesen, dass sie sich zuerst übereinander hergefallen waren, bevor irgendwelche Worte getauscht werden konnten. Deidara genoss das Gewicht seines Liebsten auf sich, die verschwitzte Haut an seiner und den vertrauten Geruch. Ab jetzt musste er nie wieder so lange fort gehen.

„Der Junge“, begann Gaara rau, „ist er wirklich Sasoris Wiedergeburt?“

Sanft streifte der Atem des Daimyô über seinen Hals und hinterließ ein wohliges Gefühl.

„Hmhm“, bestätigte Deidara. „Er ist ihm so ähnlich… als wäre der Kleine Sasoris Kind.“

Träge strichen Gaaras Finger durch das lange Haar.

„Was ist mit seiner Familie? …Und wie heißt er?“

„Seinen Vater kennt er nicht. Seine Mutter ist tot. Mehr wollte er dazu nicht sagen. Vermutlich wollte die Familie ihn nicht oder seine Mutter war eine Hure“, erklärte Deidara leise. „Seinen Namen wollte er mir auch nicht sagen. Er findet Sasori besser, hm.“

Gaara hob den Kopf und blickte ihm leicht überrascht ins Gesicht. „Du hast ihm von Sasori erzählt?“

„Nicht alles. Nur, dass er mein Meister war und ich seine Wiedergeburt gesucht habe, um zu sehen, wie es ihm geht.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Da er allein ist, hab ich ihm angeboten, dass er mein Schüler werden kann, wenn er möchte, hm.“

In den Gesichtszügen seines Liebsten zeichnete sich mehr und mehr Sorge ab. „Was hast du?“, fragte Deidara.

„Wie soll es weitergehen? Willst du lieber ihn zum Partner, wenn er alt genug ist?“ Gaara wirkte beherrscht, aber Deidara hörte die Trauer in seiner Stimme. Und er war von der Frage überrascht. Nicht eine Sekunde hatte er daran gedacht, mit diesem Jungen zusammen zu kommen, wenn er reif genug war. Er mochte Sasoris Wiedergeburt sein, aber Deidara liebte Gaara, seit Jahren. Das würde sich doch nicht einfach ändern. Außerdem hatte Sasoris Geist die Beziehung zu Gaara gut geheißen. Warum sollte er etwas ändern?

Beruhigend streichelte er über Gaaras Wange und durch sein Haar. „Ich will keinen anderen Partner. Ich wollte Sasoris Wiedergeburt lediglich finden. Und da der Kleine niemanden hat, kann ich ihm das zurückgeben, was Sasori mir einst gegeben hat. Einen Platz, wo er hingehört. Sasori hat mich nach dem Tod meiner Eltern zu sich genommen. Sonst wäre ich auch ein Waisenkind gewesen, hm.“

Gaaras Hand legte sich über seine und umfasste sie sanft. „Das hast du mir nie erzählt“, flüsterte sein Liebster. Gaara führte seine Hand zu den Lippen und hauchte einen Kuss auf seine Finger. Dann verzogen sich Gaaras Mundwinkel zu einem Schmunzeln. „Pass gut auf den Kleinen auf und lass ihn keinen Unfug anstellen.“

Verblüfft blinzelte Deidara. „Wie kommst du denn darauf, hm?“ Als kleine Strafe kniff er Gaara in den Hintern. Ein wenig ernstgemeinter Schmerzenslaut huschte über dessen Lippen.

„Ich kenne dich gut genug.“

Deidara lachte. Sein Liebster hatte Recht. Und wäre Gaara weniger geduldig, wäre er wohl schon lange nicht mehr bei ihm.

„Der Kleine darf also bleiben, hm?“, fragte Deidara.

Ernst blickte sein Daimyô ihn nun an. „Solange er sich an die Regeln hält, kann er als dein Schüler bleiben.“

Deidara Hand schob sich in Gaaras Nacken und zog ihn zu einem leidenschaftlichen Kuss heran.

„Danke“, flüsterte er gegen die vertrauten Lippen seines Liebsten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das erste Kapitel meiner neusten Idee, ich bin gespannt, wie sie bei euch ankommt - und entschuldigt schon mal die vielen japanischen Begriffe, aber wenn ich mich schon auf die Rônin stürze, wollte ich es auch richtig machen :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wuhu, mich hat die Schreiblust gepackt :3
Ich hoffe, das neue Kapitel gefällt euch, mal schauen, wie es weitergehen wird. Eine ganz... ganz... grobe Struktur hat sich inzwischen ergeben :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und weil ich gerade in Schreiblaune bin (und mir die Zeit einfach genommen habe), habe ich auch gleich noch das dritte Kapitel geschafft. Viel Spaß damit :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein kurzes Kapitel, aber da Blondie jetzt bewusstlos ist, muss ich die Perspektive wechseln zu Sasori ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
ich hab es heut noch geschafft, das neue Kapitel :3 Viel Spaß damit! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß nicht, ob ich am Wochenende ein Kapitel schaffen werde, da ich viel vor habe. Also nicht wundern, wenn ich erst nächste Woche weiterschreibe;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich denke, es wird noch mind. ein weiteres Kapitel aus der Perspektive von Itachi geben, aber jetzt bot er sich gut an, wegen seiner Beobachtungsgabe :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich kann nicht versprechen, dass in den nächsten Tagen viel kommen wird. Vielleicht ein Kapitel, vielleicht zwei, aber zum Jahresende hin bin ich sehr beschäftigt und werde auch nicht zum Schreiben kommen. Im neuen Jahr wird es aber definitiv weitergehen :3
Das nächste Kapitel wird vermutlich adult (das übernächste sowieso) → hab in der Beschreibung aber den Link zu FF.de, wo man das auch lesen kann. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich werde die nächsten Wochen langsamer schreiben und hochladen. Hab einfach momentan viel zu tun^^" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wann ich das nächste Mal zum Schreiben kommen werde, kann ich noch nicht sagen. Ich kann also nicht versprechen, dass im Februar überhaupt ein Kapitel kommen wird. Im März wird sich das aber wieder einpendeln :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hab heute doch noch ein bisschen was geschafft :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Vielleicht schaff ich vor der LBM noch ein oder zwei Kapitel, versprechen kann ich allerdings nichts. Ich weiß, ist fies, an so einer Stelle dann wieder warten zu müssen. Ich hoffe, ihr verzeiht mir das ^^" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Endlich geht es wieder regelmäßiger weiter :3
Und Goldi hat ein wundervolles Cover für diese FF gezeichnet *_* Ihr könnt es euch bei der FF-Beschreibung anschauen :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und wieder ist ein Kapitel fertig :) Allmählich komm ich in die experimentelle Phase, Gaara wird eine echte Herausforderung für michXD Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Puppenprinzessin meinte, dass eine Karte zur Orientierung vielleicht ganz schön wäre. Also habe ich mal die Karte verlinkt, die ich selbst zur groben Orientierung nutze :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Frohe Ostern euch allen:3 auch wenn es schon zu spät sein wird, wenn dieses Kapitel hier freigeschaltet istXD" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war echt schwer jetzt. Nach meinem Oster-marathon war ich an dem Punkt, wo ich nicht wusste, wie ich Deidara dazu kriege, wieder zum Samurai zu kriegen, ohne dabei die Logik der Geschichte und seine Persönlichkeit über den Haufen zu schmeißen. Aber jetzt habe ich, denke ich, eine gute Idee, wie ich das Problem lösen kann :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal ist es etwas kürzer. Aber das nächste Kapitel wird wieder länger :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, bis vermutlich Ende nächster Woche wird erst mal nichts Neues kommen, bin jetzt erst mal sehr beschäftigt ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es kann sein, dass ich bald parallel hierzu eine weitere FF anfange, weil es mir gerade in den Fingern juckt. Und da ich derzeit nur Ideen für GaaraXDei habe... wird es genau dasXD Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
An alle, die jetzt noch ein adult-Kapitel erwartet haben: Es tut mir Leid, aber mir war nicht danach XD"
Eigentlich sollte das Kapitel davor auch nicht adult werden, aber ich war wohl noch zu ausführlich für Animexx@.@
Aber keine Bange, es wird definitiv noch mehr smut geben ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Macht euch keine Sorgen, es wird nicht ewig so friedlich bleiben*Hände reib*
Da ist noch ein Haufen Probleme und Steine, die ich den beiden in den Weg lege :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, ich erschlage euch mit dem Kitsch nicht. Ich weiß echt nicht, wann Gaara sich zu einem solchen rosa-fluff-Homo verwandelt hat. Aber ich verspreche, dass es noch genug Drama und Probleme in Zukunft geben wird ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal wieder ein kurzes Kapitel :3 Aber ich fand es wichtig, ansonsten könnte man nur rätseln, was Anko und Sai und Shin vorhaben und das soll nicht geschehen^^" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Feiertage :)
Vor dem neuen Jahr werden wir uns hier nicht mehr 'sehen', deswegen wünsche ich euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und ich hoffe, wir sehen uns in alter Frische wieder ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Omg, endlich habe ich wieder Zeit zum Schreiben und ich bin auch erstaunlich schnell wieder bei ISdS reingekommen :3 Ich werde mich jetzt aber erst mal auf diese FF hier konzentrieren. Das bedeutet Btw und PoJ pausieren bis ich hiermit fertig bin. Für meinen Fluff-Ausgleich schreibe ich dafür an meiner neuesten FF "Love Story" weiter, für alle KnB-Fans vielleicht ganz interessant :3

Ich habe es beim letzten Mal schon vergessen, also dieses Mal. Die liebe Aka-chan hat ein Fanart zu dieser FF gezeichnet und ich finde es super gelungen <3 (Ich bin ja immer noch erstaunt, dass überhaupt jemand sich zu einem FA inspiriert fühlt o///o) Schaut doch einfach mal bei ihr vorbei :3
http://animexx.onlinewelten.com/fanart/zeichner/814538/2475708/ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Endlich habe ich wieder ein Kapitel geschafft zwischen dem ganzen Kram, den ich erledigen muss. Ich hoffe, das neue Kapitel gefällt euch :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe tatsächlich heute noch ein neues Kapitel geschafft :D Es wird langsam wieder. Mal sehen wie ich in nächster Zeit zum Schreiben komme. August und September sind bei mir ziemlich vollgepackt ^^" Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsch noch ein gesundes neues Jahr^^
Das neue Kapitel hat etwas gedauert, aber dafür ist es jetzt etwas mehr^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Was denkt ihr, welche Augenfarbe Mizuki wohl haben wird? :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein gesundes neues Jahr wünsche ich. Ich hoffe, ihr habt diese FF noch nicht aufgegeben und interessiert euch auch noch dafür. Meine Inspiration für diese Geschichte ist leider schwer zu finden, aber sie ist so weit fortgeschritten, dass ich sie gern beenden möchte und ich hoffe sehr, dass ihr das Ende erfahren wollt :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jetzt ist ISdS beendet. Nach 3 1/2 Jahren. Die Geschichte ist viel länger geworden, als ich ursprünglich geplant hatte. Inspiration waren unter anderem mein Deidara Rônin-Cosplay und der Film 47 Rônin. Aber auch eine Beziehung hat mich hierzu inspiriert und ich bin dafür auch heute noch dankbar, wenngleich dieser Teil der Inspiration während der Story leider aufgegeben werden musste. Ohne diese Person würde ISdS, wie ihr es kennt, jedoch nicht existieren.
Ich hoffe, die Geschichte hat euch gefallen. Ich hab in der Zeit viel neues ausprobiert - wie etwa den Tod eines Charakters ein- und darauf aufzubauen, wie es weitergeht; oder etwa das Einbauen von vielen Nebencharakteren, wo man echt aufpassen muss, den Überblick zu behalten, damit keine Logic holes entstehen.
Und auch wenn ich diese Geschichte nun abgeschlossen habe, werde ich meine abgebrochenen Geschichten leider erst mal nicht wieder aufnehmen, da ich mich nun vorrangig darum kümmern möchte, als Autor voran zu kommen. Denn mein großer Traum ist es schon seit Langem, bei einem richtigen Verlag zu veröffentlichen und inzwischen fühle ich mich sicher genug, mit meinem Schreibstil und meinen Ideen an einen Verlag heranzutreten :3
Und ehrlich gesagt fällt es mir total schwer, Abschlussworte zu finden. Darum danke ich euch einfach dafür, dass ihr bis zum Ende durchgehalten habt und hoffe sehr, dass ihr genauso viel Spaß hattet wie ich ♥ Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (162)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...14]
/ 14

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Spaceracer
2017-07-17T21:12:35+00:00 17.07.2017 23:12
Nun ist diese Geschichte vorbei. Auch wenn ich nicht alle Kapitel lesen konnte, finde ich sie grandios!
Viel Glück beim Verwirklichen deines Traums;)

LG Yunoi
Von:  Amaruk
2017-06-25T08:50:52+00:00 25.06.2017 10:50
Viel kann ich zu diesem Kapitel nicht sagen, außer, dass es mir gefallen hat.
Es ist wie immer gut geschrieben.
Antwort von:  Bambusbesen
25.06.2017 19:01
Freut mich ^^
Manchmal gibt es auch einfach nicht so viel zu sagen, wenn es ruhiger ist ^^
Von:  Amaruk
2017-04-30T16:46:30+00:00 30.04.2017 18:46
T.T Trairig, wirklich traurig. Ich war im Anime ja nicht wirklich ein großer Fan von Kisame, aber diese Szene war herzzerreißend.
Nun geht die Geschichte wohl wirklich dem Ende zu, was? Gaara und Deidara hatten allerdings nicht viel zu tun :p
Das Kapitel war sehr spannend, ich mag es und freue mich schon auf das nächste. Tut es dir eigentlich auch ein wenig leid, dass die Geschichte langsam dem Ende zu geht oder bist du froh darüber?
Antwort von:  Bambusbesen
30.04.2017 19:56
Kisame ist eigtl. ziemlich cool, wenn man sich ein wenig mit ihm beschäftigt ^^
Ja, das war der letzte große Kampf, danach werde ich es in ein paar Kapiteln noch ausklingeln lassen :3 Und ich finde, es muss nicht sein, dass Gaara und Deidara viel mit dem Kampf zu tun haben. Ich bin sowieso ein Fan davon, mal was anders zu machen. Die Realität zieht ja auch immer einiges aus dem Köcher, was anders ist als man es vielleicht erwartet :3
Hm... leid tut es mir nicht. Vielmehr freue ich mich, dass ich durchgehalten habe, die Story zu Ende zu bringen. Sie ist ja deutlich länger geworden als anfangs geplant. Und ich konnte vieles unterbringen und austesten, was mir Spaß gemacht hat. Aber ich habe zwischendurch ja öfters mit dem Gedanken gespielt, abzubrechen, doch das wollte ich dann auch nicht, weil gerade in dieser Geschichte so extrem viel Recherche und Arbeit drin steckt. Da wäre es sehr schade gewesen, wäre sie nicht abgeschlossen.
Von:  Amaruk
2017-04-29T19:00:10+00:00 29.04.2017 21:00
Warum höst du hier auf, dass ist fieß -_-
Dieses Kapitel ist voller Wendungen, das muss man schon sagen. Das gefällt mir. Es ist gut zu wissen, dass man nicht alles weiß.
Ich hoffe, es geht bald weiter. ^^
Antwort von:  Bambusbesen
30.04.2017 14:07
Ich freue mich sehr, von dir wieder zu lesen :D Und dann auch noch so viel und zu jedem Kapitel. Ich finde es immer sehr spannend, zu lesen, wie meine Leser über das Kapitel denken, was sie so überlegen und wie sie dabei fühlen :D
Und was Gaara angeht, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Gaara ein schlechter Vater wäre, gerade weil er weiß, wie es sich anfühlt, ungeliebt zu sein.
und dein Wunsch wurde erfüllt, ich habe heute ein Kapitel geschafft :3
Von:  Amaruk
2017-04-29T18:10:31+00:00 29.04.2017 20:10
Geht es gegen Ende zu? Es wirkt ein wenig so, wenn alle sich nun für den Kämpf rüsten oder heimlich/nicht heimlich abhauen.
Und dann hört das Kapitel auch noch so spannend auf -.-

Von:  Amaruk
2017-04-29T17:13:36+00:00 29.04.2017 19:13
Der große Kampf naht. Ich freue mich schon darauf.
So weit habe ich dieses Mal keine Fehler gefunden und der Schreibstil ist gut, wie immer.
Ich finde es auch gut, dass Gaara nicht dieser typische Vater ist, der das nicht eigene Kind absichtlich vernachlässigt. Es ist eine nette Abwechslung.^^
Von:  Amaruk
2017-04-29T16:35:52+00:00 29.04.2017 18:35
Ganz am Anfang war irgendein Wort falsch geschrieben, ich weiß nicht mehr, welches. Sonst, ein nettes, kurzes Kapitel.
Von:  Amaruk
2017-04-29T16:02:32+00:00 29.04.2017 18:02
Sicher wollen wir das Ende erfahren, weißt du es schon?
Wieder ein sehr nettes Kapitel und deine Ausdauer ist beachtlich. Schade, dass deine Inspiration langsam flöten geht, aber die kommt sicher irgendwann wieder.^^
Von:  Amaruk
2017-04-29T15:13:05+00:00 29.04.2017 17:13
Ein neuer Auftrag steht an! XD Ich bin wirklich gespannt, ob alles gut gehen wird.
Aber Deidara hat mit seinen Partnern wirklich Glück. Bis jetzt waren sie alle toterant gewesen.^^
Von:  Amaruk
2017-04-29T14:30:18+00:00 29.04.2017 16:30
Bin seit langem einmal wieder zum Lesen gekommen.^^
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie nachvollziebar du die Situationen beschreiben kannst. Ein wenig kurz war das Kapitel leider. Wenigstens habe ich noch ein paar Kapitel vor mir, auch die ich mich nun stürzen werde.


Zurück