Case 01: Das Nachtgespenst
True Cross X-Files
Case 01: Das Nachtgespenst
Der klare blaue Himmel und die strahlende Sonne schienen über die jüngsten Ereignisse in der True Cross Akademie zu spotten. Das idyllische Bild eines perfekten Montagmorgens wurde jedoch von einer verhängnisvollen Wolke faulig-süßen Verwesungsgeruchs überschattet, die schwer über drei reglosen, übel zugerichtete Körpern schwebte. Eine Gruppe Mittelklasse-Exorzisten sammelte sich bei den Opfern um gleich darauf die Umgebung eifrig nach Hinweisen auf den Täter zu untersuchen.
Sir Mephisto Pheles seufzte theatralisch auf. Die Obrigkeit hatte ihm bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass man ihn für die unzureichenden Sicherheitsvorkehrung zur Verantwortung ziehen würde. Und obwohl es nicht ausgesprochen wurde, lag der unterschwellige Verdacht, dass er an der Tat zumindest teilweise mitgewirkt hatte, deutlich in der Luft. Sicher, es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er einem Dämon Zutritt verschaffen würde. Doch dieses Mal war er absolut unschuldig. Außerdem achtete er immer tunlichst darauf, dass keiner seiner Schüler bei diesen Spielchen zu Schaden kam. Ein solches Blutbad hätte er unter keinen Umständen gebilligt.
„Sir Pheles, könnten Sie bitte mal hierauf einen Blick werfen? Auf dem Rücken des Toten ist ein Muster oder eine Art Schrift zu erkennen. Die Symbole ähneln sich zu sehr untereinander, um einfach nur willkürliche Kratzer oder dergleichen zu sein.“ Sichtlich genervt von der Inkompetenz der Exorzisten die man ihm zur Klärung des Falles zugewiesen hatte, schritt er schnellen Schrittes über das Kopfsteinpflaster des Geländes. Neben den Opfern ging er unverzüglich in die Knie um einen besseren Blick auf die ominösen Zeichen werfen zu können. Unschlüssig fuhr er mit seinem schmalen Zeigefinger über keilförmige Lettern und ertastete die leichten Vertiefungen der Wunden, die augenscheinlich mit klauenartig-spitzen Fingernägeln ins Fleisch geritzt worden sein mussten. Irgendwo in seinem Kopf machte sich eine vergessen geglaubte Erinnerung bemerkbar und identifizierte diese Symbole als altertümliche, tote Sprache. Doch zuordnen konnte er sie nicht.
„…Da werden untereinander laufen Wüstentiere und wilde Hunde, und ein Feldteufel wird dem andern begegnen…” Der dämonische Schulleiter erschrak, als die Worte unmittelbar neben seinem Ohr erklangen, doch dann bildete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht. Es gab nur einen Menschen der sich so gut an ihn heranschleichen konnte. Sein Grinsen verbreiterte sich noch etwas als sich gleich darauf eine Hand auf Mephistos Schulter legte. „Das ist im Übrigen Sumerisch und eigentlich solltest du das wissen.“
Mephisto erhob sich und vollführte eine ausladende Begrüßungsgeste. „Sieh an, der Herr Besserwisser gibt sich die Ehre. Wie erfreulich.“
Shiro warf ihm ein kurzes Grinsen zurück, bevor er sich dann mit gewissenhaftem Ernst den drei Toten widmete. „Was für ein übler Gestank. Wie lange liegen diese bemitleidenswerten Jungs schon hier in der Sonne herum?“, kritisierte er die Mittelklasse-Exorzisten unverhohlen und erntete schuldbewusstes Schulterzucken. Die Angesprochenen murmelten verlegen Entschuldigungen vor sich her und und versuchten Schadensbegrenzung zu betreiben indem sie hektisch begannen, die Leichen aus der Hitze zu schaffen. Jedoch zeitgleich penibel darauf bedacht sich dabei nicht schmutzig zu machen.
Shiro schüttelte verständnislos den Kopf und Mephisto konnte sich problemlos vorstellen was in dem Mann vorging. Die Exorzisten von heute waren einfach nicht mehr das, was sie noch zu ihrer Sternstunde waren. Hygienevorschriften galten heutzutage wohl mehr, als Würde und Anstand.
„Erstaunlich wie schnell die jungen Hunde kuschen, wenn du pfeifst.“, murmelte er amüsiert.
Als die Leichen endlich wie Fische auf dem Markt im Schatten der archaischen Torbögen aufgereiht worden waren, setzte Shiro seine Untersuchungen fort. Mephisto beugte sich über ihn um ebenfalls die Symbole betrachten zu können.
Der Paladin studierte angestrengt die filigran eingeritzten Linien, ohne auf die Bemerkung einzugehen. „Diese Botschaft… es ist eine Textpassage aus der Bibel… aber keine anwendbare Aria-Phrase, also kann ich mich nicht genau entsinnen, wie der vollständige Text lautet und wo er steht… ich glaube es war aus den Schriften der Propheten, bin mir aber nicht hundertprozentig sicher.“
„Das klingt zumindest schon einmal nach einem Anhaltspunkt.“
„Sicher, aber… ich frage mich, warum deine Sicherheitsvorkehrungen versagt haben? Normalerweise sind sie doch sehr verlässlich.“ Shiro warf Mephisto einen abschätzenden Seitenblick zu.
„Oh-ho, wird das jetzt ein Verhör, ja?“, erwiderte Mephisto höhnisch. Er zog tadelnd eine Augenbraue hoch, doch ein verschmitztes Funkeln in seinen Augen machte deutlich, dass er Shiros Frage nicht als Kritik verstand. „Es gibt diverse Möglichkeiten… entweder der Dämon war stärker als meine gelegten Fallen - was ich jedoch arg bezweifle, da ein solcher Dämon stärkeres Interesse an der Vernichtung der True Cross Niederlassung mitsamt der darin befindlichen Exorzisten hätte, als an dem sinnlosen Gemetzel an drei normalen Schuljungen. Oder aber jemand hat den Dämon gerufen, die Kontrolle über ihn verloren, und ihm dadurch die Möglichkeit gegeben, sich hier frei zu bewegen… was die Opfer wiederum zu Tätern machen könnte.“
Shiro legte kameradschaftlich die Hand auf Mephistos Schulter. „Meiner Meinung nach, ist es die letztere Variante, aus den gleichen Gründen, die du schon genannt hast. Außerdem bin ich der Meinung, wir sollten den Fall ab jetzt selbst übernehmen.“, fügte er mit einem Seitenblick auf die gemieteten Exorzisten hinzu. „Wir sind ein eingespieltes Team von hochrangigen Exorzisten mit viel Erfahrung. Und immerhin handelt es sich bei dem Tatort um deine Schule.“
Der Direktor schmunzelte. Shiro wollte die alten Zeiten aufleben lassen, huh? Die Vorstellung gefiel ihm. „Ich hatte lange nicht mehr das Vergnügen, einem Einsatz beizuwohnen. Ich bin dabei.“
Die Mittelklasse Exorzisten sahen sich gegenseitig fragend an. Keiner von ihnen konnte dem Paladin folgen, also ernteten sie nur einvernehmliches Schulterzucken.
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Geronnenes Blut klebte an ihren Händen wie ein dünner, schwarzer Handschuh.
Ihre Augen wanderten sehnsüchtig über den Campus, erspähten Schüler und ihr junges, männliches Fleisch. Dieser Ort war wie ein Fünfsterne-Buffet.
Oh, was hatte sie lange in Gehenna geruht, bevor diese dummen Jungs sie heraufbeschworen hatten, nichtsahnend, welche Kraft sie in sich barg. So dumm, so naiv waren die Menschenkinder.
Eigentlich könnte sie zufrieden sein, doch noch immer nagte dieser Hunger in ihr. Sie brauchte mehr.
Trotzdem musste sie noch abwarten, bis die Nacht hereinbrach, um weiterhin unentdeckt zu bleiben. Auch wenn das bedeutete noch ein wenig länger ihre Instinkte und ihren Hunger unterdrücken zu müssen…
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Mittlerweile war es Nachmittag und draußen prasselte der Regen wie ein Trommelkonzert auf die Scheiben nieder. Die Sonne war hinter dunklen Wolken verschwunden und schien sich heute nicht mehr blicken lassen zu wollen. Das war der vorrangige Grund warum der Mephisto und Shiro ihre Untersuchungen in das Prinzipalbüro verlegt hatten. Stillschweigend saßen sie an dem großen Schreibtisch und lasen jeder für sich in Kopien der Bibel, um die Textpassage zu finden, die ihnen Aufschluss über den Dämon geben konnte.
“Als du sagtest, dass wir den Fall übernehmen sollten, hatte ich nicht erwartet, dass du das damit meintest.“, äußerte Mephisto mit lautstarkem Gähnen hinter vorgehaltener Hand und lehnte sich in seinem opulenten Schreibtischstuhl zurück. „Dieses Buch wird so maßlos überschätzt. Ich jedenfalls kann mir eine spannendere Bettlektüre vorstellen.“
Ohne aufzublicken nahm sich Shiro die Wasserflasche, die auf dem Tisch stand und goss sich einen kleinen Schluck Mineralwasser in sein Glas. „Dieses Buch wirkt ganz hervorragend gegen deinesgleichen… und das ist doch schon viel wert.“, entgegnete er zwinkernd, bevor er genussvoll die klare Flüssigkeit trank.
Der Dämon legte seinen Kopf schief und hob fragend eine Augenbraue. „Meinesgleichen? Sehr charmant.“
Shiro umkringelte noch ein paar Wörter und Phrasen aus dem Absatz, den er gerade gelesen hatte, dünn mit einem Kugelschreiber, schrieb sich die ein oder andere Notiz daneben und sah dann Mephisto grinsend an. „Wenn du schmollst, hast du erstaunliche Ähnlichkeit mit Rin.“
„Das liegt wohl in der Familie.“, erwiderte Mephisto gespielt angesäuert, gähnte erneut herzhaft und ließ seinen Oberkörper wie einen nassen Sack auf seine Kopie der heiligen Schrift sinken. Das Buch langweilte ihn dermaßen, dass er müde wurde – und eigentlich war er so gut wie nie müde. Missmutig stütze er seinen Kopf auf die rechte Hand und massierte mit den Fingerspitzen leicht seine Schläfen, um seine Konzentration zu stimulieren. Doch schon nach wenigen Wörtern gab er wieder auf und seine Augen wanderten unwillkürlich zurück zu Shiro, der noch immer akribisch die Heilige Schrift durch wälzte, als hinge sein Leben davon ab.
Der Priester war alt geworden. Einige Falten zeichneten sich in seinem markanten Gesicht ab und auch die dunklen, schweren Augenringe schmeichelten ihm wenig. Sein ehemals aschblondes Haar war nun silbergrau und er kniff trotz seiner Brille die Augen zusammen, als habe er noch stärker an Sehkraft verloren. Auch wenn Mephisto der Ältere von beiden war, Shiro sah man das Alter deutlicher an.
Der Schulleiter mochte gar nicht daran denken, wie es sein würde, wenn Shiro jemals das Zeitliche segnen würde. Dämonen hatten in aller Regel nicht genug Herz, um normale menschliche Empfindungen wie Liebe oder Zuneigung nachvollziehen zu können, dennoch versetzte ihm der Gedanke einen leichten Stich in der Brust. Der Paladin war ihm immer schon näher gewesen, als sonst irgendwer und der Verfall seiner menschlichen Hülle, veranschaulichte nur zu deutlich, dass er eines Tages nicht mehr da sein würde. Je früher er sich mit dem Gedanken anfreundete, desto einfacher würde es später sein – zumindest redete sich der Dämon das ein.
„Du solltest dich eigentlich auf deine Arbeit konzentrieren!“, spöttelte Shiro und riss Mephisto aus seinen trüben Gedanken.
„Du nötigst mich die Bibel zu lesen. Das grenzt nicht nur an Blasphemie, sondern widerspricht auch gänzlich meinem Naturell. Aus diesem Grund, brauche ich jetzt dringend eine Pause…“ Der Schuldirektor erhob sich von seinem Polstersessel und schaltete ein strahlend-pinkes Retroradio ein, dass auf einer antiken, weißen Holzkommode mit Goldornamenten thronte und trotz des krassen Stilmixes nicht deplatziert wirkte.
“…And now it's virtual insanity, Forget your virtual reality ~” plätscherte ein Sprechgesang aus den Boxen. Mephisto wippte versuchsweise seinen Kopf im Takt der Musik und entschied sich dafür, dass er keinen neuen Sender suchen brauchte. Gut gelaunt pfiff er ein paar Takte mit und tänzelte dabei im Kreis herum.
Shiro klappte seine Bibel zu und schob sie resigniert auf Seite. "Na gut, aber nur 15 Minuten."
Zufrieden kramte Mephisto in seiner rechten Hosentasche nach seinem auffällig verzierten Handy und tippte eine Nachricht, während er sich zeitgleich wieder hinter den Schreibtisch setzte. „Mach 30 Minuten daraus, ich ordere uns gerade Tee. Earl Grey und Minzschokolade, der Herr?“
„Du machst doch sowieso, was du willst, also habe ich wohl keine Wahl. Earl Grey lass ich mir aber jederzeit gefallen.“
„Fein, fein.“, der Schulleiter schickte seine Nachricht ab und ignorierte gönnerhaft Shiros amüsiertes Kopfschütteln. Der Schulleiter wusste, dass es seltsam erschien, wenn er seinen Bediensteten Anweisungen simste, doch er nutzte gerne sein Handy und es war eine sehr diskrete und unproblematische Art, seinen Haushalt zu führen. So musste er nicht ständig auf der Suche nach seinem Personal die Villa durchkämmen und hatte ebenso auch keinen persönlichen Butler an seiner Seite. Dafür nahm er auch den Spot des Paladins in Kauf.
Sorgsam verstaute er das Handy wieder in seiner Tasche, bevor auch er seine Kopie der Bibel zusammen klappte. Allerdings legte er sie nicht wie Shiro behutsam beiseite, sondern feuerte sie mit einer geschmeidigen Drehung des Handgelenks über seine Schulter in die Ecke des Raumes. Den tadelnden Blick des Priesters ignorierte er dabei geflissentlich. „Während wir warten, kannst du mir ja in der Zwischenzeit von deinen beiden Jungs erzählen. Gibt es irgendwelche Auffälligkeiten im Verhalten, speziell bei Rin?“
Das Thema auf Shiros Adoptivkinder zu lenken war nicht nur reiner Smalltalk sondern vor allem auch ein taktischer Schachzug. Der Paladin war vernarrt in seine beiden Jungs und er nutzte jede Gelegenheit um es seinen Mitmenschen mitzuteilen. So konnte man ihn am besten von notwendiger Arbeit ablenken, wenn man darauf keine Lust hatte. Außerdem war es sehr erheiternd, seinen Anekdoten zuzuhören, die er mit glänzenden Augen und stolzgeschwellter Brust erzählte.
Diesmal jedoch war der Effekt nicht ganz so wie geplant, denn Shiro ließ die Schultern hängen. „Rin ist schwierig momentan. Er hat ein Alter erreicht in dem ich ihn nicht mehr ohne Weiteres mit Gesten beruhigen kann. Wenn die anderen Kinder ihn früher in der Schule geärgert hatten, musste ich ihn nur in den Arm nehmen und er beruhigte sich sofort. Doch jetzt wehrt er sich wenn ich versuche ihn zu trösten. Ich darf mich regelmäßig bei den Eltern seiner Mitschüler entschuldigen, weil er sich wieder geprügelt hat.“
„Dass er anders sein würde, hast du von vorneherein gewusst.“, entgegnete Mephisto kühl. „In Gehenna ist Gewalt das einzige verfügbare Mittel um sich als Jungdämon behaupten zu können. Ich habe Rins Kräfte damals versiegelt, doch komplett charakterlich umkrempeln konnte ich ihn damit nicht. Gewisse Instinkte lassen sich einfach nicht ausschalten.“
Der Priester schwieg eine Weile und stöhnte dann laut. „Du hast schon recht. Doch ich weiß, dass da mehr in dem Jungen drinsteckt. Er könnte so viel aus sich machen, wenn er erst einmal anfangen würde zu denken, bevor er handelt. Ich sehe doch daheim, dass es auch anders geht.“
„Wie schon gesagt: Instinkte lassen sich nicht ausschalten. Finde dich einfach mit dem Gedanken ab.“
„So, so…“ murmelte Shiro und fixierte den Schulleiter mit seinem Blick. „Hast du auch… Instinkte?“
Die Betonung des letzten Wortes ließen Mephisto aufhorchen. Er gab eine Art Schnurrlaut von sich und beugte sich auf seine Schreibtischplatte gestützt vor, um die Distanz zu seinem Gegenüber zu minimieren. „Kommt ganz darauf an, wie du das meinst.“
Für einen Augenblick schien es so, als rückte auch Shiro näher, doch dann brach der Mann in haltloses Gelächter aus. „Was ich meine ist… wie konnte jemand wie du jemals in Gehenna überleben, geschweige denn sich durchsetzen? Du machst auf mich den Eindruck, als wärst du wie eine schwule Elfe durch das Dämonenreich gehüpft und hättest die anderen Dämonen mit deinem rosa Schirmchen und Lollipops verprügelt in deinem albernen Clownsoutfit!“ Mittlerweile lachte er so herzhaft, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen.
Schmollend verdrehte Mephisto die Augen und schüttelte den Kopf. Die ganze schöne Stimmung war vollkommen hinüber. Dass Shiro in allen möglichen Situationen seine blöden Witzchen riss, war ja an sich nichts Neues, aber diesmal war es dermaßen fehl am Platz, dass der Schulleiter am liebsten seinen Schädel auf die Tischplatte hämmern wollte.
Während sich der Priester vor Lachen in seinem Sessel kringelte wie ein Aal unter Strom, wanderte Mephistos Blick zu dem Kalender an der Wand, der zu seiner rechten hing. Sein Blick fiel bewusst auf den morgigen Tag, den er mit einem Herzchen umrandet und mit der Notiz „20 Jahre“ vermerkt hatte. „Du weißt schon, was morgen für ein Tag ist.“
Das Lachen hörte schlagartig auf und ein mildes Lächeln breitete sich auf Shiros Gesicht aus, als er Mephistos Blick folgte. „Ehrlich gesagt, ist das der Grund, warum ich überhaupt hier bin. Von dem Vorfall ist jedenfalls nichts zu mir vorgedrungen. Wahrscheinlich wollte man mich nicht wegen solcher „Lappalien“ belästigen.“
Der Dämon antwortete in einem heiseren, spöttischem Tonfall: „Gegen das faule System im Orden kannst du allein nichts ausrichten. Aber es ist sehr schmeichelhaft, dass du dir Zeit zur Feier unserer 20jährigen Freundschaft nehmen konntest.“
Wortlos erhob sich der Paladin von seinem Stuhl und umrundete den Schreibtisch mit wenigen, schnellen Schritten. Sanft aber bestimmt fixierte er Mephistos Arme unter seinen Händen an den Seitenlehnen des Sessels und näherte sein Gesicht so an, dass es nur noch wenige Zentimeter von dem des Dämons getrennt war. Der Abstand war so gering, dass er Mephistos heißen, schnellen Atem an seinem Hals spüren konnte. „Ich glaube zwischen uns gibt es ein bisschen mehr als nur Freundschaft…“
„Ich weiß nicht, ob das hier angemessenes Verhalten für einen so hochrangigen Exorzisten ist…“, wisperte der Schulleiter betörend, bevor er vor schnellte, um seine Lippen auf die des Priesters zu drücken. Zärtlicher als man es von einem Dämon erwarten würde, wanderten seine scharfen Reißzähne über das weiche Fleisch von Shiros Unterlippe und baten saugend um Einlass. Shiro entfuhr ein verlockendes Stöhnen und Mephisto nutzte die Gelegenheit postwendend um seine Zunge in dessen Mund zu schlängeln.
Die Hände des Paladins wanderten Mephistos Arme hinauf, strichen sanft über die Wangen des Dämons und krallten sich schließlich in dessen seidige, dunkle Haarsträhnen. So waren nun auch endlich Mephistos Hände frei. Fordernd grub er seine Finger in den Stoff von Shiros Robe, zog den Mann hinab auf seinen Schoß und keuchte auf, als er dessen Gewicht und Wärme auf sich spürte. Er hatte fast vergessen, wie gut es sich anfühlte, den Priester so nah bei sich zu haben. Unwillkürlich drückte er sich fester an Shiros Körper, spürte, wie ihn die Hitze des Augenblicks und die Geräusche, die der Mann von sich gab, ihn noch mehr antrieben.
Beide atmeten schwer, als sie ihren Kuss des Sauerstoffs wegen unterbrechen mussten. Doch der Priester schien noch etwas mehr außer Atem zu sein: „Wenn du dich das nächste Mal so exzessiv an mich klammerst, denk bitte dran, dass ich nicht mehr der Jüngste bin. Oder hattest du etwa vor, mich auf diese Art umzubringen?“
Mephistos Wangen waren von einer feinen Röte überzogen und sein Blick schrie förmlich nach Sex. Dennoch brachte er genug Selbstbeherrschung auf, um Shiro halb entschuldigend, halb provokant die Zunge herauszustrecken und neckend zu antworten: „So alt bist du nun auch wieder nicht und es gibt weitaus schlimmere Arten zu sterben?“, schnurrte er nah an Shiros Ohr, während er seinen Zeigefinger verführerisch um dessen Brustwarze kreisen ließ, die sich unter dem feinen Stoff hart abzeichnete. „Oder soll ich stattdessen eine Dose Rheumasalbe öffnen und dich damit einreiben, alter Mann?“
Der Priester gluckste amüsiert und begann damit an Mephistos Ohrläppchen zu knabbern. „Du bist ganz schön vorlaut!“
„Ich weiß. Das bin ich sogar leidenschaftlich gerne…“ Der Dämon zwinkerte neckisch und begann damit langsam die vielen Knöpfe an Shiros Robe zu öffnen.
Just in dem Moment erklang ein Klopfen an der Tür. Beide Männer seufzten unisono. Resigniert begannen sie damit, sich die Kleidung wieder zu richten und auf ihre Plätze zurückzukehren, bevor sie den Bediensteten hereinbaten, der stillschweigend den Earl Grey und die Minzschokolade servierte. Dann mussten ihre Bedürfnisse eben noch ein wenig warten.
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Ihr Herz brodelte, als sie geschwind durch die engen gewundenen Straßen der True Cross Akademie fegte wie eine Hexe auf ihrem Besen. Ihr Ziel war bald in Reichweite. Dort wimmelte es von Fleisch. Sie würde ein Festmahl genießen können.
Ihr Verstand hatte sich längst ausgeschaltet und ihre Instinkte hatten die Oberhand. Sie schrien vor Hunger und zum ersten Mal in ihrem Leben, fühlte sie sich frei und wild zugleich, auch wenn sie sich selbst längst verloren hatte.
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Es war kurz vor zehn, als Mephisto ein sanftes Schnarchen von der anderen Seite seines Schreibtisches wahrnahm. Empört blickte er auf und stellte fest, dass Shiros Kopf auf den geöffneten Seiten seiner Bibel ruhte. Soviel also zu der Predigt, die er ihm eben noch bezüglich das Setzens von Prioritäten gehalten hatte.
Der Schuldirektor war sehr versucht, den Priester irgendetwas an den Kopf zu schmeißen, um ihn wieder aufzuwecken und ihm seine eigene bittere Medizin in Form von Worten schlucken zu lassen. Doch das einzige, was er hätte werfen können, waren seltene und kostspielige Sammlerstücke, seine Bibel oder aber ein wertloser Schlüsselanhänger in Form eines Frosches aus einem Gashapon-Automaten, der aufgrund seiner weichen Konsistenz jedoch nicht als geeignetes Wurfgeschoss einzustufen war.
Stattdessen entschied er sich einfach dazu, den Schlafenden eine Weile lang über den Tisch hinweg zu beobachten und dabei in alten Erinnerungen zu schwelgen.
Vor 20 Jahren hatte man beschlossen sie zusammen in ein Team zu stecken. Mephisto war zu dem Zeitpunkt bereits ein „Ehrwürdiger Ritter“ gewesen. Shiro hingegen war gerade erst zu einem Second Class Exorzisten aufgestiegen. Damals war er auch noch um einiges temperamentvoller und großschnäuziger als heute und nicht ganz so besonnen und professionell wie in diesen Tagen.
Aber es hatte schon damals Spaß gemacht mit ihm zusammenzuarbeiten.
„Es ist nicht gerade fair von dir, mir auf die Art die ganze Arbeit aufzuhalsen. Das weißt du, oder?“, murmelte der Dämon vorwurfsvoll, als ob der alte Mann ihn im Schlaf hören könnte. Dann erhob er sich von seinem Stuhl, öffnete die Schnalle seines Umhangs mit einem leisen Click und deckte Shiro anschließend mit dem Kleidungsstück sorgsam zu. „Du wirst morgen mit Rückenschmerzen aufwachen, da kannst du sicherlich eine Verkühlung nicht auch noch gebrauchen.“ Der Schulleiter betrachtete seine Tat selbstzufrieden und begab sich dann wieder an seinen Platz, um weiter zu arbeiten.
So sehr es ihm widerstrebte die Heilige Schrift überhaupt zu lesen, so sehr freute es ihn auch, dass die Aussichten auf einen erfolgreichen Jubiläums-Tag morgen stiegen, wenn er Shiro in der Angelegenheit jetzt unterstützte und alles in seiner Macht stehende tat, um eine Spur auf den Täter zu bekommen. Zudem hasste er es, wenn irgendwelche Dämonen ungefragt in seine Schule hereinspazierten und seine Schüler abschlachteten wie Freiwild.
Der Priester schnarchte seelenruhig weiter. Es war in diesem Augenblick schwer vorstellbar, dass dieser müde, alte Mann es zum Paladin gebracht hatte. Augenrollend widmete sich Mephisto wieder seiner eintönigen Aufgabe zu. Irgendwo in der Mitte der Seite hatte er sich markiert, wo er aufgehört hatte zu lesen. Im direkten Vergleich mit seinem Partner war er allerdings nicht sehr weit vorangeschritten. Erst bis zu Kapitel 34 hatte er es im Buch Jesaja gebracht.
8 Denn das ist der Tag der Rache des HERRN und das Jahr der Vergeltung, zu rächen Zion. 9 Da werden Edoms Bäche zu Pech werden und seine Erde zu Schwefel; ja sein Land wird zu brennendem Pech werden, 10 das weder Jahr noch Tag verlöschen wird, sondern ewiglich wird Rauch von ihm aufgehen; und es wird für und für wüst sein, daß niemand dadurchgehen wird in Ewigkeit; 11 sondern Rohrdommeln und Igel werden's innehaben, Nachteulen und Raben werden daselbst wohnen. Denn er wird eine Meßschnur darüber ziehen, daß es wüst werde, und ein Richtblei, daß es öde sei, 12 daß seine Herren heißen müssen Herren ohne Land und alle seine Fürsten ein Ende haben; 13 und werden Dornen wachsen in seinen Palästen, Nesseln und Disteln in seinen Schlössern; und es wird eine Behausung sein der Schakale und Weide für die Strauße. 14 Da werden untereinander laufen Wüstentiere und wilde Hunde, und ein Feldteufel wird dem andern begegnen; das Nachtgespenst wird auch daselbst herbergen und seine Ruhe daselbst finden.
Mephisto stutzte und las den letzten Absatz noch einmal, bevor er sich vollkommen sicher war: Das war die Textstelle die Shiro rezitiert hatte! Und er wusste zudem, welcher Dämon dort als das Nachtgespenst Erwähnung fand. Konnte es tatsächlich sein, dass er die Lösung gefunden hatte? Hatte sie sich selbst verraten mit den eingeritzten Worten?
Sie war eine lebende Legende. Älter als die Bibel und eigentlich kein aggressives Wesen, das nach Blut dürstete. Lilith, Adams erste Frau, das Gegenbild der Eva… sie hatte viele Namen. In Gehenna kannte man sie jedoch eher als Urmutter der Sukkubus- und Inkubus-Dämonen… die Mutter seiner eigenen Spezies.
Er musste sofort Shiro wecken.
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Näher, immer näher kam sie dem Ziel. Nur noch wenige Minuten, bis sie ihn erreicht hatte, den Ort an dem die männlichen Studenten schliefen.
Ihr Herz pochte. Ihr irres, vorfreudiges Lachen gellte durch die Straße. Ihr Verstand war vollkommen untergegangen…
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„Lilith? Blutbäder klingen nicht nach ihrem normalen Verhalten…. Ich hätte eher auf Orgien getippt in ihrem Zusammenhang.“, hakte Shiro nach, während Mephisto gelassen an seinem Bund nach dem geeigneten Schlüssel für den direkten Weg zum Wohnheim der männlichen Studenten suchte. Seine offiziellen Roben hatte er gegen seinen Trenchcoat eingetauscht, um im Falle einer Auseinandersetzung agiler reagieren zu können.
„In der Regel können unerfahrene Tamer einen so hochrangigen Dämonen wie Lilith nicht herbeirufen, da sie dafür zu schwach sind, um die Verbindung zwischen Gehenna und Assiah für die Dauer der Beschwörung lange genug aufrecht zu erhalten. Es gibt jedoch Gerüchte, dass Sprüche existieren, die es unzureichend ausgebildeten Beschwörern erlaubt, hochrangige Dämonen auf ein niedrigeres Level entsprechend dem Potential des entsprechenden Beschwörers zurückzustufen. Dadurch verliert der Dämon jedoch an Kraft und Struktur, was sich wiederum negativ auf sein Grundverhalten auswirkt. Da man genauso gut einen niederklassigen Dämonen ohne Fehlverhalten und mit gleicher Stärke herbeirufen könnte, haben sich diese Sprüche im Laufe der Zeitverloren… in einigen älteren Schriften werden Sie jedoch noch erwähnt, wie zum Beispiel im Lemegeton Clavicula Salomonis.“
„Das würde bedeuten, einer der drei getöteten Jungs hat so einen Spruch angewendet und Liliths Psyche damit dermaßen geschädigt, dass sie nun Amok läuft und Männer abschlachtet wie eine Furie?“
„Ja genau. Wahrscheinlich wollten Sie sich mit der Urmutter aller Verführerinnen ein wenig vergnügen und haben dabei ihr ganzes Bewusstsein irreparable geschädigt. Das würde dann auch erklären, warum Lilith uns Hinweise hinterlassen hat. Zu dem Zeitpunkt musste sie kurzzeitig wieder Kontrolle über sich gehabt und das Erstbeste getan haben, was ihr in den Sinn kam: Um Hilfe rufen in Form dieser eingeritzten Botschaft… Ah, hier ist ja der Schlingel!“ Triumphierend hielt der Schuldirektor einen kleinen goldenen Schlüssel hoch, der mit schlichten Ornamenten verziert war, und steckte ihn dann behände in das Schloss seiner Bürotür, um diese mit einem lauten Clonk zu entriegeln. Mit einer ausschweifenden Geste bedeutete er anschließend dem Priester, durch die geöffnete Tür zu gehen.
Doch Shiro tat es ihm stattdessen gleich. „Nah, Manieren müssen sein: Lady’s First!“, sagte er grinsend und fing sich dadurch einen nachsichtigen Stoß in die Rippen ein.
„Langsam wirst du ganz schön unverschämt.“, entgegnete Mephisto mit einem erheiterten Lachen und spazierte dann doch zuerst durch die Tür in den dunklen Flur der Jungenunterkünfte.
Die beiden Exorzisten sahen sich im Schein des Mondlichts um. Das Fehlen von abgeschlachteten Jugendlichen und das selige Schnarchen das vielerorts durch die geschlossenen Türen drang schienen gute Indizien dafür zu sein, dass hier bislang noch nichts vorgefallen war.
„Ich würde sagen, dass wir uns am besten aufteilen.“, schlug Mephisto vor und dirigierte Shiro mit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Norden. „Du nimmst den Korridor dort und ich schau mich auf der anderen Seite um.“
Der Priester nickte und marschierte schnellen Schrittes in die Richtung, die Mephisto ihm gezeigt hatte. Der Dämon selbst wollte gerade kehrt machen und zur anderen Seite laufen, als er aus dem Augenwinkel heraus einen flüchtigen Schatten in den Büschen vor dem Gebäude erspähte. Als nachtaktives Wesen war seine Sicht im Dunklen besser ausgeprägt, als die eines Menschen, doch auch ihm waren Grenzen gesetzt. Dennoch war er sich sicher, dass er gefunden hatte, wonach sie suchten.
Geschwind öffnete er das Fenster und schwang sich elegant aus dem zweiten Stock hinab auf die spärlich beleuchtete, kleine Auffahrt vor dem Gebäude. Der direkte Weg war immer noch der Schnellste. Die Nachtluft war feucht und legte sich schwer auf seine Lungen. Das würde sich negativ auf seine Ausdauer auswirken. Seine Augen wanderten im Schein der Laternen umher. Er konnte ihre Anwesenheit hier draußen noch deutlicher spüren, nur sehen konnte er sie nicht und das ärgerte ihn. Wo hielt sie sich bloß verborgen? Ungeduldig, dennoch wachsam schritt er hinüber zu der angelegten Grünanlage. Irgendwo dort meinte er den Schatten eben gesehen zu haben.
Obwohl seine Ohren gespitzt waren, hörte er Lilith viel zu spät. Sie war schon hinter ihm, als er sie bemerkte und es blieb ihm keine Möglichkeit mehr, zu einem Ausweichmanöver. Mit einem gezielten Schlag in die Magengrube nahm sie ihm die Atemluft und drückte ihn mit ihren scharfen Klauen und übermenschlicher Kraft auf den harten Boden. Der Dämon spürte schmerzhaft, wie sich ihre spitzen Nägel tief in sein Fleisch bohrten und dabei seine Haut blutig riß.
„Mephissssstooooo~“, zwitscherte die Dämonin wie im Wahn. Ihr sonst so feines, blondes Haar, hing in wirren, dreckigen Strähnen von ihrem Kopf. Ihr Blick war irre und ihre aufgeplatzten Lippen waren zu einem teuflischen breitem Grinsen verzehrt. Seltsam glucksende Laute kamen aus ihrem Mund, während ein bestialischer Gestank nach Fäulnis sie einhüllte wie ein Leichentuch. Mephisto wurde regelrecht schlecht von dem Gestank. Alles an ihr schrie förmlich nach Wahnsinn, Tod und Verfall.
Dem Schulleiter blieb keine Zeit, um einen strategisch wertvollen Plan auszuklügeln. Das Wichtigste war jetzt, dass er sich befreite. Er wandte sich geschickt unter Liliths Leichtgewicht, bis er wieder halbwegs Kontrolle über seinen Körper bekam, und versetzte ihr einen Tritt in den Unterbauch. Die Dämonin schrie sofort vor Schmerz und krümmte sich, So dass es Mephisto spielend gelang ihren Griff zu sprengen und wieder auf die Beine zu kommen.
Mit einem Satz nach hinten brachte Mephisto Distanz zwischen sich und der Angreiferin, bevor sie sich wieder erheben und sich womöglich an ihm abreagieren konnte.
Der Schulleiter grinste finster und wischte sich das Blut vom Gesicht. Es würde nicht lange dauern, bis diese oberflächlichen Verletzungen bei ihm wieder verheilt waren. „Gut, du weißt also noch wer ich bin. Sehr löblich, Mutter. Doch ich fürchte, unser kleines Familientreffen wird heute recht kurz ausfallen. Es war nicht sehr nett von dir, dich an meinen Schülern zu vergreifen. Dafür muss ich dich nun leider vernichten.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, stürzte sich die Dämonin mit einem schrillen Wutschrei auf ihn. Mephisto hatte erneut Mühe ihr auszuweichen und er schaffte es nur um Haaresbreite. Ihre Augen waren zorngeweitet und Speichel troff unappetitlich aus ihrem Maul. Das degenerierte Etwas da vor ihm war nicht einmal mehr ein Schatten der anmutigen Urmutter seiner Spezies. Es war ein sabberndes, bluthungriges Ungetüm, zu instinktgesteuert um berechenbar zu sein, was dieses Auseinandersetzung umso gefährlicher machte.
Aber vielleicht lag darin auch der ganze Reiz dieses Kampfes. Mephisto musste jedenfalls zugeben, dass er sich köstlich amüsierte und sein Grinsen war so präsent, dass ihn jeder, der ihn nicht kannte, ebenfalls für irre halten musste. Tatsächlich war er sich aber nur absolut siegessicher.
Ohne groß zu Zögern griff er nach seinem pinken Flickenschirm. „Genug jetzt! Eins… Zwei…“
„Ich brauche Fleisch! Und Blut! Deines! Gib es miiiiiir!“, krächzte Lilith und setzte erneut zu einer Attacke an.
„Dre…!“, gerade als Mephisto die Energie des Angriffs entladen wollte, sprang Shiro aus einem der Gebüsche hervor und streckte die angreifende Dämonin mit einem gezielten Schuss in den Schädel nieder. Blut und Gehirnmasse spritzten vermischt zu einer einzigen roten Masse auf das Kopfsteinpflaster und regnete auf den erstaunten Schulleiter nieder. Liliths Körper fiel wie ein nasser Sack in sich zusammen. Sie war tot, noch bevor sie den Boden berührte.
„…Liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein der Herr, hilft dir, dass du sicher wohnest.“, rezitierte der Priester und besprenkelte den verdrehten Körper mit reichlich Weihwasser. Die Substanz fraß sich in das Dämonenfleisch und verätzte die Überreste innerhalb von wenigen Sekunden zu grauem, stinkendem Qualm.
Mephisto packte seinen Schirm wieder weg und betrachtete genervt seinen besudelten weißen Trenchcoat. „Weißt du eigentlich wie schwer es ist Blut und Gehirnflüssigkeit aus einem Kleidungsstück herauszubekommen, du Berserker?“, motzte er und versuchte den gröbsten Dreck wieder wegzuwischen, mit dem Ergebnis, dass es noch schlimmer als vorher wurde.
Shiro grinste triumphierend und hängte seine schallgedämmte Kalaschnikow über die rechte Schulter, als sich der Körper der Dämonin vollkommen aufgelöst hatte. „Nein, aber ich bin mir sicher, dass du es auch nicht weißt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass so ein wohlhabender und verwöhnter Kerl wie du, seine Wäsche selber wäscht.“
„Nun, das ist nicht der Punkt.“, gab der Direktor zurück. Gemächlich stapfte er hinüber zu seinem Partner und kniff ihn spielerisch in den Oberarm „Musst du denn immer ein Massaker aus einer Dämonenhatz machen, du elender Angeber?“
„Also ich finde es stilvoller, als mit einem pinken Schirmchen herum zu wedeln.“, neckte Shiro und vollführte eine entsprechend, winkende Handgeste. Mephisto grummelte irgendetwas Unverständliches in seinen Bart.
Beide Exorzisten sahen sich flüchtig an und brachen dann in haltloses Gelächter aus. Nach all den Jahren , die sie zwei nun schon miteinander verbracht hatten, benahmen sie sich immer noch wie Kleinkinder.
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Der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee weckte Shiro aus seinem traumlosen Schlaf. Immer noch müde und erschöpft von der gestrigen Nacht rieb er sich den Sand aus dem Augenwinkel und stützte sich auf seinen Ellbogen noch oben, um sehen zu können, wo der verführerische Duft herkam.
„Guten Morgen, Herr Langschläfer.“, schnurrte Mephisto gut gelaunt hinter seinem Schreibtisch, auf dem ein ganzes Buffet an Frühstücksspeisen angerichtet war. „Ich dachte nach der anstrengenden Nacht hättest du sicherlich Hunger.“
Shiro lächelte mild und schälte sich aus dem Laken. Sein Rücken schmerzte ein wenig trotz der federweichen Schlafcouch. Mephisto hatte kein eigenes Bett, da er seine Nächte nicht mit mehr als einer Stunde Schlaf vergeudete.
„Kommt darauf an, ob du das Essen vorbereitet hast oder jemand mit Sachverstand.“
„Nah, und schon wieder stichelst du mich. Das Essen stammt allerdings wirklich nicht von mir.“
Shiro ließ den Blick über das opulente Mahl gleiten. Neben Croissants, Waffeln mit Kirschen und Sahne und Pancakes mit Ahornsirup gab es auch noch vielerlei Sorten Brot, Wurst, Käse, Marmelade, Eier in diversen Varianten zubereitet und sogar Fisch, Reis und Misosuppe in Anlehnung an ein traditionelles japanisches Frühstück. Dem Priester lief das Wasser im Munde zusammen, doch zunächst schenkte er sich eine Tasse des Kaffees ein.
„Lass es dir schmecken…“, sagte der Schulleiter und bestrich sein Buttercroissant großzügig mit Erdbeermarmelade. „… und einen schönen Jahrestag wünsche ich dir.“
Shiro legte das Messer beiseite, mit dem er sich eine Scheibe Weißbrot abgeschnitten hatte und beugte sich über den Schreibtisch. Ein Klecks Marmelade hing in Mephistos Mundwinkel, den er genießerisch ableckte, bevor er ihn ungewohnt zärtlich küsste.
„Einen ebensolchen.“, sagte er anschließend und widmete sich dann wieder seinem Frühstück ohne zu bemerken, wie dem Dämon vor Überraschung die Schamesröte ins Gesicht stieg.
~ TBC? ~
Quellenangaben:
1) Die Luther-Bibel: Jesaja 34,8-14 / Psalm 4.9 (stellenweise abgeändert)
2) Musiktext: „Virtual Insanity“ von Jamiroquai
Vielen lieben Dank für die Inspiration zur erfolgreichen Plotbunny-Jagd in Form einer Challenge geht an Jitzu. Alle Wörter, die genannt werden mussten:
Besen, Blut, Frosch, Virtual Reality, Handy, Käse, Wasserflasche, Regen, Kalender, Kugelschreiber
Noch mehr Dank an meine engagierte und kompetente Beta Imp, ohne die ich mich nur halb so gewählt und treffend ausdrücken könnte.
Case 02: Das Rudel
[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]
Case 03.1: Teuflisches Bündnis
True Cross X-Files
Case 3.1: Teuflisches Bündnis
„Vergib mir Vater, denn ich werde sündigen…“ sprach Mephisto mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen und schwang sich rittlings auf Shiros Schoß, während er sich zeitgleich in einer fließenden Bewegung seinen Blazer von den Schultern streifte.
Der Priester befand sich gerade im Beichtstuhl und zierte sich noch ein wenig gegen das unmoralische Angebot. „Mephisto… überall aber doch nicht hier und jetzt. Was wenn ein Gläubiger Abbitte leisten möchte oder Rin und Yukio hier reinstolpern!“ Es war ein halbherziger Versuch sich des Dämons zu entledigen. Es klang nicht einmal überzeugend.
Also kümmerten die Worte den dämonischen Schulleiter reichlich wenig. »Ich fände das... durchaus erheiternd.« Spielerisch pikste er seinen Zeigefinger in Shiros Brust und beschrieb kleine Kreise auf dem Stoff der Soutane.
Geschmeidig wie ein Raubtier strich Mephisto seine Hüfte Shiros Oberschenkel hinauf und presste seine Lippen verlangend auf die des Paladins. Hm… es tat so gut ihn zu schmecken, ihn zu berühren, seinen Geruch zu inhalieren und seine Wärme zu spüren.
Obwohl Shiro mittlerweile eine Festeinstellung an der True Cross Akademie als Lehrer für Pharmakologie hatte, sahen Sie sich viel zu selten. Als Inkubus benötigte Mephisto jedoch eine gewisse Regelmäßigkeit an sexueller Aktivität. Bekam er diese Art der Aufmerksamkeit nicht, wären entweder Vergewaltigung eines Unbeteiligten oder eine fieberartige Erkrankung mit spasmodische Krämpfen seinerseits die Folge. Beides war absolut nicht wünschenswert und konnte zudem so einfach vermieden werden, wenn er sich jetzt nur geschickt genug anstellte.
Im Normalfall bevorzugte er es natürlich mehr, wenn Shiro die Initiative ergriff und ihn umgarnte.
„Keine Widerrede, Pater… als vorbildlicher Priester müssen Sie sich die Sünden all Ihrer Schäfchen anhören.“ Galant öffnete Mephisto die Knöpfe seines Hemdes und entblößte die makellose Haut seiner Brust quälend langsam. An der Beule, die sich in Shiros Schoß bildete, und dessen leicht geröteten Wangen, konnte der Dämon erkennen, dass seine kleine Showeinlage ihm offensichtlich gefiel. “Und ich bin verdorben bis aufs Mark.“ säuselte er ihm verführerisch ins Ohr.
Die Reaktion darauf war heftiger als erwartet. Shiro drückte ihn fast schon schmerzhaft gegen die hölzerne Wand, die den Beichtstuhl in zwei Kammern unterteilte und küsste ihn so leidenschaftlich, dass dem Dämon der Atem stockte. Verlangend bog Mephisto sein Rückgrat durch, um den Körper des Anderen zu spüren und sich wie ein liebestolles Tier an ihm zu reiben.
„Oh. Da ist aber jemand stürmisch heute. Ich habe mit ein wenig mehr Widerstand gerechnet.“ kokettierte er spöttisch, als sich ihre Lippen voneinander lösten.
Shiro quittierte den Kommentar stillschweigend mit einer hochgezogenen Augenbraue, dann widmete er seine Aufmerksamkeit Mephistos Halsansatz und brachte unter Einsatz seiner Zunge und Zähne mit Lecken, Bissen und Saugen den Körper des Dämons zum Erzittern.
„S-Shiro…!“ stöhnte der Prinzipal und grub seine Finger in die kurzen, silbrigen Haare des Paladin.
Der Priester wusste genau, wie er Mephisto zu händeln hatte und der Dämon war bereits Butter in seinen Händen. Seine Augen glühten vor Begierde und sein Schwanz peitschte erregt durch die Luft, bis Shiro ihn zu fassen bekam und in sanft an der empfindlichen Spitze zwirbelte. Mephisto keuchte und ächzte. Und hätte der Paladin nicht in weiser Voraussicht seine Hand auf dessen Mund gepresst, hätte er sogar im Rausch der Sinne lautstark aufgestöhnt. Doch so hörte man nur ein paar erstickte Laute im Kirchenschiff widerhallen.
Der Dämon umschlang mit seinen Schenkeln die Hüften des Priesters und rieb sich nun nahezu ekstatisch an ihm. Fast schon flehend blickte er ihm in die Augen. Er wollte ihn gerade so sehr wie noch nie zuvor.
Der Paladin grinste still, breit und schmutzig. Natürlich hatte er seinen Blick richtig gedeutet. Wenn einer seine Gedanken - oder zumindest einen Teil davon - lesen konnte, dann war es Shiro.
Geschickt öffnete Shiro die Knöpfe an Mephistos Hose mit einer Hand, während die Andere weiterhin seinen Schwanz massierte. „Du bist ganz schön unverschämt, mich auf diese ungehobelte Art zum stillschweigen zu bringen... Herr Paladin.“
„Du bist noch viel unverschämter hier aufzukreuzen und mich an so einem Ort in Versuchung zu führen, Herr Schulleiter.“, wisperte er, bevor er das Ohrläppchen des Schulleiters in seinen Mund sog und es mit seinen Zähnen zärtlich bearbeitete.
Mit fließenden Bewegung streifte er die Hose des Dämons soweit herunter, bis sie im Kniebereich hing. Dann gab es ein hässliches Ratsch-Geräusch.
Empört blickte Mephisto Shiro in die Augen. „Na hör mal, bist du jetzt vollkommen von Sinnen? Weißt du, was diese Strumpfhosen kosten?“
Shiro gluckste vergnügt. »Du spießiger Geizkragen!«
»Lüsterner Grobian!« konterte der Dämon und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. »Du schuldest mir 5.500 Yen, mein Lieber. Das zieh ich dir von deinem Gehalt ab!«
»Ach so...? Dann berechne ich dir eben für diese Gefälligkeit hier 5.500 Yen und wir sind wieder quitt.« Der Paladin setzte sich wieder hin und zog Mephisto zurück auf seinen Schoß.
»Prostitution in der katholischen Kirche... wenn das mal keine Negativ-Schlagzeilen für euren Verein gibt..« grinste der Dämon verschmitzt.
»Du hast so ´nen abgeschmackten Sinn für Humor...« Shiros amüsiertes Grinsen strafte seinen Tadel Lüge.
Mephisto setzte zu einer patzigen Antwort an, als sein Handy klingelte. Beide Männer warfen einen Blick auf die arglos auf den Boden geworfene Pluderhose, aus deren Tasche es summte.
Mit einer wegwerfenden Handbewegung und einem Augenrollen widmete sich der Dämon jedoch wieder dem Paladin zu und begann damit, genießerisch dessen Hals zärtlich anzuknabbern. »Das kann warten... es gibt wichtigere Dinge, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern.« Verführerisch ließ er sein Becken auf dem Schoß des Priesters kreisen und quittierte das darauf folgende, laute Stöhnen mit einem breiten Grinsen. Touché, Shiro!
***
Nach dem gefühlten tausendsten Anruf in Folge, seufzte der dämonische Schulleiter, rutschte entnervt von Shiros Schoß und zog sich hastig wieder an. Wenn jetzt jemand wegen einer Lappalie so ein Aufheben machte, würde es Ärger und höchstwahrscheinlich Tote geben.
Ein Blick auf die Nummer im Display seines Mobilfunkgeräts ließ ihn jedoch stutzen. „Ich bin sofort wieder für dich da… bewege dich ja nicht vom Fleck.“, schnurrte er dem Paladin zu, bevor er den Beichtstuhl und die kleine Kirche verließ, um unbehelligt das Gespräch entgegennehmen zu können.
„Du störst, was gibt’s?“
Am anderen Ende herrschte kurzes Schweigen, bevor Amaimon das Wort erhob. „Belial trifft sich mit dem König in Gelb in Assiah.“
„Bitte was?!“
Seufzen am anderen Ende der Leitung. „Ich sagte, Belial trifft sich....“
Mephisto knurrte ungeduldig. „Ja ja! Was hecken die Beiden zusammen aus?“
„Keine Ahnung, Aniue, aber es hat garantiert mit dir zu tun.“
„Ja, kein Zweifel… oh, und danke für die Warnung, dafür bekommst du deine heißbegehrten Lieblingslollies von mir.“ Noch ehe Amaimon etwas erwidern konnte, legte Mephisto auf.
Er lehnte sich an das kalte Gemäuer der Kirche und rieb sich mit Zeigefinger und Daumen über seinen Nasenansatz, um die aufkeimenden Kopfschmerzen zu unterdrücken. Das waren keine guten Neuigkeiten.
Belial, einer seiner wenigen älteren Brüder, hegte einen persönlichen Groll gegen Mephisto, weil er, trotz seiner Verbannung aus Gehenna immer noch den Titel eines Königs von Gehenna trug, ihm hingegen kein einziger Adelstitel zugestanden worden war. Allerdings hatte Belial auch keinerlei kämpferisches Talent oder zeigte eine entsprechende Motivation. Seine einzige Kunst lag darin, große Reden zu schwingen, aber das konnte Mephisto beinahe ebenso gut und er drückte sich nicht vor jeder Auseinandersetzung.
Der König in Gelb hingegen war ein Aggressor, der sich niemals davor scheute, in den Angriff überzugehen. Er zürnte den Königen Gehennas im Allgemeinen, weil er trotz seines Namens nicht keiner von Ihnen war. König in Gelb hieß er nur deshalb, weil niemand mehr seinen wahren Namen kannte. Dabei war er nur ein selbst gekrönter Lord von mittelmäßiger Stärke, der sich viel zu leicht in Kämpfe ziehen ließ ohne vorher eine Strategie auszuklügeln.
Beide allein waren Sie kein Problem für Mephisto. In Kombination waren Sie jedoch eine Katastrophe.
„Alles soweit in Ordnung bei dir…?“ Mephisto zuckte erschrocken zusammen. Er hatte so tief in Gedanken versunken da gestanden, dass er weder auf die Zeit geachtet, noch Shiro, der nun direkt vor ihm stand, bemerkt hatte. „Du siehst blass aus.“ Ein besorgter Unterton schwang in der Stimme des Paladins mit.
„Alles bestens, ich war lediglich in Gedanken versunken. Wegen so etwas musst du dir keine Sorgen machen. Ich fürchte jedoch, dass ich umgehend in die Akademie zurückkehren muss, um ein paar Angelegenheiten zu klären. “ Mit einem frechen Lächeln überspielte der Dämon seine verfinsterte Laune, obwohl er wusste, dass Shiro ihm ansehen konnte, wenn er ihm etwas verheimlichte. Doch so sehr Mephisto den Priester auch als Freund und Liebhaber schätzte, es gab Dinge die ihn nichts angingen – meistens, zu seinem eigenen Schutz. „Schade eigentlich. Denn mir hat das kleine Techtelmechtel im Beichtstuhl sehr gefallen. Das sollten wir bei nächster Gelegenheit wieder aufnehmen.“
Er drückte Shiro noch einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen, bevor er herumwirbelte und die Abtei verließ. In seinem momentanen Zustand der Besorgnis bemerkte er jedoch nicht, dass eine weitere Präsenz im Schatten lauernd das Gespräch mit angehört hatte…
***
Auch wenn seine Urinstinkte ihn langsam aber sicher an den Abgrund des Wahnsinns
trieben, riss sich Mephisto zusammen und verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen um seine Schule drastisch. Er erneuerte persönlich sämtliche Siegel und Schutzzauber, stellte neue Barrieren und Fallen auf und errichtete Bannkreise, die ungebetene Dämonen von dem Gelände fernhalten würden.
Am Ende des Tages war er schließlich so ausgelaugt, dass er sich nur noch auf dem ausladenden Sofa in seinem Büro zusammenrollte und einschlief.
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„ Der Dämon Mephistopheles macht sich des Hochverrats an seiner eigenen Art schuldig! Er hilft Exorzisten, unsereins aus Assiah zu vertreiben. Das ist inakzeptabel, besonders für einen der großen Könige... ich fordere daher die Verbannung aus Gehenna und Aberkennung seines Titels.“
Ein Raunen hallte durch die Reihen des Gerichtssaals. Doch es war nicht Entsetzen aufgrund der unverschämten Forderung sondern Spott in den Stimmen der Beiwohnenden zu hören.
„Noch nie wurde ein Dämon aus Gehenna verbannt!“
„Sein Vergehen wiegt schwer. Es ist mehr als gerechtfertigt.“
„Recht hast du... soll er doch zu seinen geliebten Menschen nach Assiah gehen und mit ihnen verfaulen!“
„Fein! Ach könnte ich nur dabei sein und es mit eigenen Augen sehen! Verdient hat er es allemal.“
Der junge Mephisto hörte jedes einzelne Wort und doch fühlte es sich an, als stünde er neben sich. Für einen kurzen Moment entglitt ihm sein permanentes Grinsen, als ihm bewusst wurde, dass niemand hier im Gerichtssaal ihm auch nur ansatzweise Sympathie entgegenbrachte. Nicht, dass es ihn seelisch belastete - ohne Seele war das sowieso unmöglich - doch es machte ihm eins schmerzlich bewusst: Er war im Begriff diesen Fall zu verlieren und das war inakzeptabel. Er gewann schließlich immer!
Zornig richtete sich sein Blick gegen den Dämon, der die Strafe eingefordert hatte. „Belial...“ knurrte er und fletschte die Zähne, doch der Mann im akkuraten Anzug und mit den schulterlangen zu einem Pferdeschwanz zurück gebundenem pechschwarzen Haar rückte nur seine goldene Brille auf der Nase zurecht und erwiderte die stumme Drohung mit einem selbstgefälligen Grinsen.
„Nun bekommst du endlich was du verdienst, du kleine Pest! Viel zu lange, hat Vater dich verhätschelt, aber nun ist Schluss damit. Er kann deine Taten nicht mehr ungesühnt lassen bei der Beweislage... drei altehrwürdige Dämonenkönige... verraten und verkauft an das Menschenpack. Du bist zu weit gegangen. Aber es soll mein Schaden nicht sein.“ raunte ihm Belial gehässig von der Seite zu.
Mephisto zwang sich wieder ein beherrschtes Grinsen auf die Lippen, auch wenn es innerlich in ihm brodelte.
„Verkrieche dich nur hinter deinen angeblichen Fakten und Wortklaubereien, Belial. Bitte sehr, verbanne mich ruhig nach Assiah. Mir gefällt es dort. Es ist eine riesige Spielwiese nur für mich allein und ich bin gewieft genug mit den Menschen fertig zu werden. Ein paar Versprechungen hier, ein paar erfüllte Wünsche dort und sie werden mir aus der Hand fressen, wie dressierte Hobgoblins. Sie sind einfach zu korrumpieren. Doch dein Plan, meinen Platz einzunehmen, wird nicht funktionieren... und wir beide wissen auch ganz genau warum, nicht wahr, du Niete?“
Belials kalten, saphirblauen Augen blitzen ihn kurz zornig an, doch er ließ sich nicht auf die Spielchen seines jüngeren Bruders ein. Stattdessen wandte er sich an Satan, der den Streit seiner beiden Söhne mit einem amüsierten Grinsen verfolgt hatte.
„Vater, ich bitte Euch, verschließt nicht mehr die Augen vor den Taten Eures Sohnes und setzt dem ein Ende! Verbannt ihn für alle Zeiten aus Gehenna...“
Noch bevor das Urteil verkündet wurde, wusste Mephisto, dass dies sein letzter Tag in Gehenna sein würde. Die Fakten sprachen gegen ihn und ebenso das Misstrauen seines Vaters ihm gegenüber. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er Dämonen an das Menschenvolk verraten hatte im Austausch gegen die ein oder andere leicht verdiente Seele.
„Mephistopheles, der König der Lüfte, ist mit sofortiger Wirkung auf alle Ewigkeiten aus Gehenna verbannt. Seinen Titel darf er behalten, seine Heerscharen werden jedoch dem Herrn der Fliegen, Beelzebub, zugesprochen.“ hallten Satans Worte durch den Gerichtssaal und die Menge applaudierte.
Mephisto fühlte in diesem Moment gar nichts. Weder Trauer noch Wut, weder Schmerz noch Hass... erst als ihm langsam bewusst wurde, dass er verloren hatte, begann ein inneres Feuer des Zorns in ihm zu lodern. Er kannte es nicht, zu verlieren und es schmeckte ihm nicht.
Dennoch ließ er es sich nicht anmerken, was in ihm Vorging. Mit einem süffisanten Grinsen verbarg er sein Inneres, verbeugte sich in Würde vor dem Herrn der Finsternis und richtete ein paar hochtrabende Worte an das gemeine Fußvolk, bevor er sich auf dem Absatz umdrehte und den Gerichtssaal scheinbar unbekümmert pfeifend verließ.
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Mephisto schreckte aus dem Traum hoch, schweißgebadet und fiebrig. Sofort fiel er wieder in die Zierkissen zurück. Das aufkeimende Fieber machte ihn schwindelig und verursachte Übelkeit. Doch es war nicht mehr als ein Vorbote von dem, was ihn erwartete, wenn er noch länger auf Sex verzichtete; seine verdammten dämonischen Abarten und Triebe.
Er schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, was er geträumt hatte, dass er so abrupt aus seinem Schlaf hochgeschreckt war. Doch jedes Mal wenn er glaubte, sich erinnern zu können, zerrannen die Bilder wieder vor seinem inneren Auge und ließen sich nicht mehr einfangen.
Ein theatralisches Stöhnen entfuhr seinen trockenen, spröden Lippen. „Was für ein miserabler Tag... den streiche ich aus dem Kalender, so viel ist sicher!“
Just in diesem Moment legte sich ein Schatten unheilvoll über ihn, doch noch bevor er reagieren konnte, war es bereits zu spät. Er spürte wie ein Gewicht auf der Brust ihn in das Polster des Sofas drückte und sich unnatürlich starke Finger um seine Handgelenke wickelten. Mephisto wandte sich wie ein Aal und versuchte sich freizukämpfen, doch sein Körper war zu geschwächt um den Angreifer abzuwehren. Mit zornigem Blick schaute er dem Angreifer ins Gesicht. Mit Verblüffung stellte er jedoch fest, dass er sich in seiner Rage und Panik gar nicht genau wahrgenommen hatte, wer ihn da eigentlich so spielend leicht in Schach hielt. Er ächzte kurz erstaunt, dann knurrte er.
***
„Sukiyaki! Jaaaaa!“ Rin quiekte vor Freude und zog seinen Zwillingsbruder an den Händen in eine Art Siegestanz. Yukio wirkte ein wenig beschämt über Rins unbändige Begeisterung, sagte aber kein Sterbenswörtchen und lächelte nur sanft. Shiro kam nicht umhin über das kleine Schauspiel zu grinsen. Seine beiden Jungs waren ein Herz und eine Seele, auch wenn sie unterschiedlicher nicht hätten sein können.
„Hmmm... Sukiyaki, das gab's lange nicht mehr.“, kommentierte Izumi begeistert und auch die anderen Priester des Klosters schienen sichtlich erfreut.
„Dann gehe ich jetzt alles Notwendige dafür einkaufen und...“.
„Fujimoto-san, Sie haben heute schon den ganzen Tag hart gearbeitet... lassen Sie uns doch den Einkauf erledigen. Wir nehmen die Jungs mit.“ sprach Maruta und fügte noch ein wenig schüchtern hinzu. „Sie sehen so aus, als könnten Sie etwas Ruhe gebrauchen.“
Perplex starrte Shiro seine Priesterkollegen an, die alle zaghaft nickten und gleichzeitig versuchten, seinem Blick auszuweichen. Sah er denn wirklich so fertig aus? Langsam schritt er zu der Garderobe im Flur und warf einen Blick in den schlichten runden Spiegel. Der Anblick erschrak ihn ein bisschen.
Seine Wangen wirkten blass und eingefallen. Eine tiefe Falte hatte sich zwischen seine Augenbrauen gegraben und seine Mundwinkel hatten sich streng nach unten gezogen. Man sah ihm viel zu deutlich an, dass ihn etwas bedrückte. Und er hatte es nicht einmal gemerkt, wie sehr Mephistos plötzlicher Abgang ihn mitgenommen hatte. Irgendetwas verbarg sein dämonischer Freund vor ihm, da war er sich sicher. Natürlich war es nichts Neues dass Mephisto sich gelegentlich gerne in Schweigen hüllte und nicht einmal ihm jedes winzige Detail über sich selbst verriet. Dennoch hasste Shiro es, dass der Schulleiter überhaupt Geheimnisse vor ihm hatte.
„Nein, nein. Lasst gut sein. Ich erledige den Einkauf und ihr bereitet schon einmal alles vor, während ich weg bin.“ entgegnete er. »Die frische Luft wird mir gut tun.« Grinsend strich er seinen Söhnen über die Köpfe, bevor er sich seinen Mantel schnappte und zum nächstgelegenen Supermarkt marschierte.
Aus dem Schatten heraus folgte ihm ein rotglühendes Augenpaar. Die Präsenz des Dämons bemerkte Shiro jedoch erst viel zu spät, da er zu tief in seine Gedankenwelt versunken war. So war es ein leichtes für den Angreifer, den Paladin zu überwältigen. Mit einem gut platzierten Hieb auf den Hinterkopf, betäubte der Dämon den Aria-Meister und schleifte ihn anschließend in eine dunkle Seitengasse.
Zwischen Bergen von stinkenden Mülltüten und räudigen Straßenkatzen, die nach Ratten jagten, wartete ein Wagen auf den Angreifer und sein Opfer. Um genau zu sein, handelte es sich um eine schwarze auf Hochglanz polierte Stretch-Limousine der Manufaktur Maybach, die dort im schummrigen Lichtkegel einer Laterne parkte. Eine Tür öffnete sich im hinteren Bereich. Der Dämon warf den reglosen Körper des Paladins ins Innere des Wagens, bevor er selbst einstieg.
Die Sitze des Wagens waren aus einem saphirblau gefärbten Leder und bildete einen schönen Kontrast zu dem hellen, ockerfarbenem Lederbezug der restlichen Innenausstattung. Ein süßlicher Duft von aromatisiertem Tabak hing in der Luft.
Doch das alles war irrelevant für den Dämon, der den Priester eingefangen hatte. »Hier ist der Mensch, den du haben wolltest.« sprach er mit einem teuflischen Grinsen.
»Sehr gut, König in Gelb. Ausgezeichnete Arbeit.«
Ein großgewachsener, hagerer Mann am anderen Ende der Limousine drehte mit seinem Fuß den bewusstlosen Shiro auf den Rücken. Ein spöttisches Grinsen legte
sich auf das markante Gesicht, das umrahmt wurde von einzelnen, tiefschwarzen Haarsträhnen. seine spitzen, makellos weißen Zähne blitzten kurz auf, bevor er sich die goldene Brille mit dem Mittelfinger auf der Nase hochschob.
»Lass uns ihn in Stücke reißen und seine Seele verschlingen.« wisperte der König in Gelb mit einem leicht wahnsinnigen Unterton in der Stimme.
»Nein! Nein... beherrsche dich! Wir brauchen ihn lebend. Unser Ziel ist nicht seine Seele - vorerst zumindest. Dieser Mensch ist Mephistopheles wichtig... er wird ihn zurückhaben wollen, aber dafür muss er ihn abholen kommen. Und dann haben wir ihn.«
Das Grinsen auf den Gesichtern beider Dämonen verbreiterte sich. Der Plan war nahezu perfekt. Diesmal würde Belial bekommen, was er wollte. Nach all den Jahren des geduldigen Wartens war der Tag der endgültigen Abrechnung nun endlich gekommen.
***TBC***
wikipedia: Der König in Gelb (englischer Originaltitel: The King in Yellow) ist eine 1895 erschienene Sammlung von Kurzgeschichten des amerikanischen Autors Robert W. Chambers. Inhaltlich lassen sich die Geschichten als frühe Horrorliteratur einordnen. Die ersten vier Kurzgeschichten beinhalten ein Theaterstück mit demselben Namen. Die ersten vier Kurzgeschichten sind makaber in Bezug auf Sprache, Charaktere und Aufbau. Die erste Kurzgeschichte The Repairer of Reputations spielt in einem fiktionalen Zukunftsamerika der 1920er Jahre. Die weiteren Geschichten des Buches folgen nicht dem makaberen Charakter der ersten vier. Sie sind, vergleichbar mit Chambers späteren Werken, in einem romantischen Stil geschrieben.
Challenge: Teddybär, Sukiyaki, Brille, Schnaps, Laterne, Feuer, Quietsche-Ente, Wassermelone, Beichtstuhl, Strampelanzug