Zum Inhalt der Seite

Alles wird sich ändern

denn die Zeit bleibt nicht stehen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zusammenhalt

Author: Bina-chan86

Part 62/?
 

Als Miliende wenig später zurückkehrte, fand sie eine völlig aufgelöste Lydia vor. Verwirrt warf sie einen Blick in die Richtung von Meisterin Adeline, ehe sie der Geschichtenerzählerin das Wasserglas in die zitternden Hände drückte.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.

Lydia konnte bloß nicken. Sie trank einen großen Schluck Wasser und biss dann wieder fest die Zähne zusammen – so sehr kochte sie innerlich.

Adeline lächelte gelassen. „Geh ruhig zu den anderen zurück, Mili, den Rest schaffe ich allein. Es ist alles in Ordnung.“

Mili wirkte zwar so, als würde sie davon kein Wort glauben, zuckte aber bloß mit den Schultern und trat dann den Rückzug an.

„Gehen wir lieber in mein Arbeitszimmer“, schlug Adeline an Lydia gewandt vor, da sie bereits ahnte, dass sich der Sturm noch nicht gelegt hatte.

Lydia nickte abermals und ließ sich dann widerstandslos durch den Gang schieben.

Adeline hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, als Lydia schon einen aufgebrachten Laut von sich gab.

„Ich kann es einfach nicht glauben. Ich meine, ich… Ich kann einfach nicht schwanger sein. Das ist unmöglich!“ Lydia lief im Zimmer auf und ab und strich sich dabei fahrig die Haare zurück. „Ich bin erst neunzehn Jahre alt.“ Ruckartig hob sie eine Hand hoch. „Und ja, ich weiß, dass es durchaus Frauen gibt, die in dem Alter schon verheiratet sind. Aber so eine bin ich nicht. Ich hatte noch so viel vor…“

Adeline legte ihr die Hand auf die Schulter. „Beruhige dich, sonst fängst du gleich an zu hyperventilieren.“ Sie wählte dabei bewusst die vertrautere Anrede. Immerhin hatte sie inzwischen Eins und Eins zusammengezählt und ahnte, wer der Vater war.

Lydia versuchte tief durchzuatmen, was aber nur wieder in kurzen unregelmäßigen Atemzügen endete.

Geduldig schaute Adeline sie an. Solche Reaktionen war sie bereits gewohnt. Genau genommen hatte sie von überschäumender Freude bis hin zu Verwünschungen schon so gut wie alles gesehen.

Endlich nahm Lydia auf einem Sessel Platz. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. „Was soll ich denn jetzt tun? Ich kann keine Mutter sein. Niemand hat mir beigebracht, wie das geht.“

Zwar konnte Adeline ihr Gesicht nicht sehen, nichtsdestotrotz konnte sie am Klang ihrer Stimme erkennen, dass sie den Tränen nahe war. „Wie kannst du dir so sicher sein, dass du keine gute Mutter sein wirst?“, fragte die Ärztin sanft.

„Ich bin von meiner Familie fortgelaufen“, gestand Lydia. „Meine eigene Mutter war ständig mit anderen Dingen beschäftigt, sie hatte also kaum Zeit für mich. Ich will nicht ebenso werden.“ Sie schluckte. „Ich glaube nicht, dass ich das kann.“

Das arme Mädchen ist ja total durch den Wind, dachte Adeline mitfühlend, sprach diese Überlegung jedoch nicht laut aus.

„Aber du musst das nicht allein durchmachen“, sagte sie stattdessen.

Lydias Kopf ruckte hoch und sie lief knallrot an. „Ihr wisst es, oder?“

„Sagen wir es mal so, ich kann mir vorstellen, wer der Vater ist“, entgegnete Adeline unverbindlich. „Lieber wäre es mir allerdings, wenn du es mir sagst.“

„Alvar“, nuschelte Lydia undeutlich.

Adelines Lächeln wurde breiter, was Lydia ein wenig nervös machte. „Entschuldigst du mich für eine Sekunde? Nur für einen winzigen Moment?“

„Äh, sicher.“
 

Da man Lanion separat untergebracht hatte, war Alvar allein mit Estela in einem Zimmer.

Die Dämonenpriesterin hatte es sich auf einem der Betten bequem gemacht und lag auf dem Bauch. Sie seufzte. „Alvar, wenn du noch länger im Kreis läufst, dann sind bald Löcher im Teppich.“

Alvar blieb stehen und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Entschuldige“, murmelte er. „Ich frage mich nur, wo Lydia so lange bleibt.“

„Dann geh sie doch suchen“, meinte Estela pragmatisch.

Ehe Alvar antworten konnte, vernahm er schnelle Schritte auf dem Gang. Er dachte schon, es wäre Lydia, aber sehr bald wurde er vom Gegenteil überzeugt.

„ALVAR!“, rief Adeline – in einer beachtlichen Lautstärke. „Du trittst jetzt sofort hier an, andernfalls mögen dir die Götter Gnade gewähren!“

Alvar versuchte so eilig zur Tür zu gelangen, dass er beinah über seine eigenen Füße gestolpert wäre. Estela folgte ihm neugierig hinaus, gemessenen Schrittes allerdings.

Dana und ihre Zimmergefährten wurden durch den Aufruhr ebenfalls auf den Flur gelockt.

Adeline verschränkte die Arme, als ihr Sohn endlich vor ihr stand. „In mein Arbeitszimmer! Sofort!“ Ihr Tonfall duldete keinen Widerspruch.

Alvar schrumpfte merklich. „Jawohl, Mutter!“

Estela wusste zwar nicht, was da genau vor sich ging, dennoch konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. So folgsam hatte sie Alvar noch nie erlebt.

Dana starrte dem dunkelhaarigen Elben und seiner Mutter fassungslos nach. „Was war das gerade?“

Zack sah über ihre Schulter hinweg und gähnte dann herzhaft. „Das erfahren wir früh genug. Geh lieber wieder ins Bett.“

Dana nickte, wandte ihren Blick noch ein letztes mal den Gang hinunter und folgte dann Zacks Vorschlag.
 

Am darauf folgenden Morgen holte ein Klopfen Dana aus dem Reich der Träume. Sie blinzelte und versuchte dabei die Haarsträhnen zu bändigen, die ihr wild ins Gesicht fielen.

„Ja?“, sagte sie schließlich.

„Guten Morgen“, ließ sich Jalas Stimme von draußen vernehmen. „Ich wollte euch nur sagen, dass es in einer halben Stunde Frühstück gibt.“

„Vielen Dank“, entgegnete Dana. „Wir werden pünktlich sich.“ Sie streckte sich ausgiebig und rollte dann auf den Rücken.

Neben ihr regte sich Zack langsam. „Frühstück?“

Dana schmunzelte. „War ja klar, dass du das hörst.“

Eravelle war als erste auf den Beinen. Sie glättete das Gewand, das sie zum Schlafen trug notdürftig mit den Fingern und trat dann ans Fenster. Zögerlich öffnete sie den Vorhang einen Spalt und linste nach draußen.

Die Sonne schien, wie bereits am Tag zuvor. Es war beinah so, als hätte sich das Wetter dazu entschlossen, ihnen wenigstens für ein paar Tage eine Freude zu bereiten. Eravelle wusste, dass der Gedanke kindisch war, aber sie lächelte trotzdem.

Amüsiert schaute Mellryn zu ihr hinüber. „Schönes Wetter war dir schon immer am liebsten“, bemerkte er. Verstohlen beobachtete er dabei, wie sich das Sonnenlicht ihre Haare erstrahlen ließ – es sah aus wie eine Kopfbedeckung aus reinem Licht.

„Du siehst aus wie eine Heilige“, warf Zack neckend ein.

Eravelle schnitt ihm eine Grimasse. „Ich bin alles andere als eine Heilige.“

Dana konnte sich derweil noch nicht so recht von ihrem Bett trennen. So bequem und friedlich hatte sie lange nicht mehr geschlafen. Sie vergrub ihr Gesicht im Kissen, das herrlich nach frisch gewaschener Wäsche duftete. Dieser Duft erinnerte sie an ihr Zuhause und an Sania, die sie mittlerweile genauso wie ihren Ziehvater Migal schrecklich vermisste.
 

Miliende holte die Gruppe zum Frühstück ab. Offenbar hatte Adeline ihr eingebläut, besonders höflich zu ihren Gästen zu sein.

Überrascht stellte Eravelle fest, dass Estela aus dem anderen Zimmer allein erschien. „Wo sind Lydia und Alvar?“, wunderte sie sich.

Estela zuckte ratlos mit den Schultern. „Da bin ich überfragt.“

Aber Mili wusste die Antwort. „Meisterin Adeline hat ihnen ein anderes Zimmer zur Verfügung gestellt. Sie sagte, die beiden hätten einiges zu besprechen.“

„Besprechen“, wiederholte Dana. Irritiert zog sie die Augenbrauen zusammen. Das alles kam ihr doch mehr als merkwürdig vor.

„Zerbrich dir später darüber den Kopf. Du hast bestimmt noch Gelegenheit, Alvar und Lydia selbst danach zu fragen. Gehen wir jetzt lieber frühstücken“, mahnte Zack sie zur Eile. Wenn er nichts zu Essen bekam, wurde er schnell unleidlich.

„Ja, ja“, gab Dana zurück. Flüchtig erhaschte sie aus dem Augenwinkel einen Blick auf Mellryn. Bisher hatte ihr Bruder ihnen noch immer nicht berichtet, wie er sein Auge verloren hatte. Ob er noch immer nach den richtigen Worten suchte?
 

Als Lydia erwachte, fühlte sie sich bei weitem nicht so schlecht, wie sie befürchtet hatte.

„Guten Morgen!“

Lydia drehte sich um und stellte fest, dass Alvar wohl schon eine ganze Weile wach sein musste. „Schläfst du denn nie aus?“ Sie hatte versucht streng zu klingen und doch war ihr Tonfall eher amüsiert.

„Ich konnte nicht aufhören dich anzusehen“, gestand er ein wenig schüchtern. „Euch anzusehen.“

Lydia schnaubte. „Ah, richtig! Jetzt fällt es mir wieder ein. Du bist ja schuld an meiner Situation.“

Alvar grinste und kam sich dabei ein bisschen wie ein verliebter Trottel vor. Er entschuldigte sich mit keinem Wort. Auch am Vorabend hatte er das nicht getan. Er hatte lediglich gesagt: „Zusammen schaffen wir das.“ Zwar fühlte sich Lydia der Situation noch immer nicht gewachsen, aber Alvars Reaktion hatte sie erleichtert.

Sie dachte an den Abend zurück. Alvar hatte sich von seiner Mutter so einiges anhören müssen. Adeline neigte außerdem dazu wild zu gestikulieren, wenn sie sich über etwas oder jemanden aufregte. Das hatte ihrem Auftritt eine gewisse Dramatik verliehen. Sie hatte mit ihrem Sohn geredet, wie mit einem ungehorsamen Kind, hatte ihn gefragt, ob er ihr nie zugehört hatte, wenn sie über Verhütung sprach – immerhin war sie Ärztin. In der Tat war Alvar dieses Thema ein wenig peinlich.

Es folgte eine langer Vortrag von Adeline, in dem zu Lydias großer Erheiterung Worte wie „Bienchen“ und „Blümchen“ vorgekommen waren.

Der markanteste Unterschied in den Reaktionen von Lydia und Alvar bestand wohl darin, dass Alvar die Neuigkeit Vater zu werden äußerst erfreut aufnahm. Im ersten Moment hätte Lydia ihn dafür erwürgen mögen, aber bereits wenige Sekunden später war ihr klar, dass ihr Ablehnung seinerseits auf keinen Fall lieber gewesen wäre.

„Du bist mit deinen Gedanken ganz weit weg“, flüsterte Alvar in ihr Ohr und küsste sie dann sanft auf die Wange.

„Mir geht so vieles im Kopf herum“, antwortete Lydia ernst. „Ich weiß einfach nicht, ob ich dem gewachsen bin.“

Alvar ergriff lediglich ihre Hand – da er ahnte, dass zu viel Nähe derzeit eher kontraproduktiv gewesen wäre – und strich beruhigend über den Handrücken. „Zusammen schaffen wir das“, sagte er aus tiefster Überzeugung heraus. „Lydia, ich liebe dich und ich würde dich niemals im Stich lassen.“

„Das weiß ich“, entgegnete Lydia bedächtig. „Aber der ganze Umstand ist wie… ein Sprung ins kalte Wasser. Meine Mutter war nie eine richtige Mutter für mich, wenn man mal vom biologischen Aspekt absieht. Mir hat quasi nie jemand vorgemacht, wie es geht.“

„Finden wir es heraus.“ In Alvars azurblauen Augen lag ein fast schon flehender Ausdruck.

Lydia stieß ihn gegen die Schulter. „Wie könnte man dir etwas abschlagen?“

„Nein.“ Alvar schüttelte ganz langsam den Kopf. „Du sollst dieses Kind nicht bekommen, weil du dich mir gegenüber verpflichtet fühlst, sondern nur, wenn du es auch selber willst.“

Lange sah Lydia ihn an. „Jetzt habe ich vielleicht noch ein wenig Angst, aber ich könnte nie etwas ablehnen, was uns beide verbindet. Wahrscheinlich würde ich mich immer fragen, wie es gewesen wäre und den Gedanken könnte ich nicht ertragen. Ich liebe dich und auch unser Kind werde ich lieben.“

Alvar lächelte, als hätte sie ihm mit diesen Worten ein Geschenk gemacht. Womöglich, weil sie zum ersten mal „unser Kind“ gesagt hatte.

Er beugte sich über sie und küsste sie erst auf die Stirn und dann auf die Lippen. Anfangs zögerlich, später mit wachsender Leidenschaft erwiderte sie seine Zuwendung. Mit dem Ellenbogen stützte Alvar sich ab, während er mit der Hand des anderen Arms unter ihr Oberteil fuhr und die samtweiche Haut ihres Bauches berührte.

Lydia löste den Kuss und zog einen Mundwinkel nach oben. „Ich denke, jetzt ist es auch egal.“

„Wenn du das sagst“, erwiderte Alvar grinsend.
 

Man wollte Lanion ein wenig Ruhe gönnen und ihn nicht unbedingt dem Trubel des morgendlichen Speisesaals aussetzen.

Adeline hegte die Hoffnung, dass der junge Elb am ehesten auf jemanden reagieren könnte, der in seinem Alter war. Aus diesem Grunde hatte sie Mili und Jala, die so etwas wie ihre besonderen Schützlinge waren, mit dem Frühstück zu ihm geschickt.

Mili klopfte. „Dürfen wir hereinkommen?“, fragte sie, obgleich sie wusste, dass Lanion ihr nicht antworten konnte. Sie wartete einen Augenblick ab, ehe sie die Tür öffnete.

Lanions Zimmer war nicht besonders groß, aber dafür nicht ganz so karg eingerichtet wie die Krankenzimmer. In dem Raum gab es ein Bett, einen mit Schnitzereien verzierten Schrank sowie ein Sofa mit dazugehörigem Tisch. Das Fenster lag zur Ostseite hinaus, wodurch das Zimmer um diese Uhrzeit und dank der Sonne lichtdurchflutet war.

„Guten Morgen!“, sagte Jala, der Mili gefolgt war.

Die Elbin stellte das Tablett, das sie bei sich trug auf dem Tisch ab und lächelte Lanion dann freundlich zu.

Der Junge rutschte seinerseits auf den äußersten Rand der Couch und betrachtete die beiden misstrauisch aus seinen eisblauen Augen.

„Keine Sorge, wir wollen dich nicht lange stören“, plapperte Mili munter drauflos. „Wir müssen uns sowieso gleich in der Küche zum Putzen melden. Meisterin Adeline wird böse, wenn wir uns drücken.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Du hast Glück, zu dir ist sie bestimmt sehr nett. Wenn dich jemand wieder heilen kann, dann sie. Sie ist eine tolle Ärztin!“

Lanions Gesicht zeigte tatsächlich eine Regung – er wirkte überrascht. Die anderen sprachen nicht so offen zu ihm. Die meisten richteten ihre Worte nicht mal an ihn direkt.

„Jala und mich hat sich auch wieder hinbekommen“, fuhr Mili fort.

Demonstrativ tippte sich Jala auf die linke Schulter. „Inzwischen kann ich sogar mit nur einem Arm klettern“, sagte er stolz.

Unsicher neigte Lanion den Kopf zur Seite.

Mili und Jala tauschten einen Blick miteinander aus und grinsten dann beide.

„Na ja, wir hoffen jedenfalls, dass du dich hier gut einlebst“, meinte Jala dann.
 

„Wo wart ihr so lange?“ Estela hatte Lydia und Alvar als Erste bemerkte, als sie in den Speisesaal traten. „In der Zeit wäre Zack schon dreimal mit dem Essen fertig gewesen.“

Zack schnaubte. „Heh!“

Estela überging seinen Einwurf mit einem Schulterzucken.

„Ist irgendwas passiert?“, fragte Dana nun sachlicher.

„In gewisser Weise könnte man es so sagen… irgendwie“, gab Alvar zögerlich zurück. Er sah zu Lydia, die knapp nickte und unter dem Tisch seine Hand drückte als sie sich setzten.

„Also schön…“, begann Alvar, hielt dann aber doch noch einmal inne.

„Jetzt mach es doch nicht so spannend“, murrte Dana. „Was ist los?“

Alvar atmete tief durch. „Wir bekommen ein Kind.“

Sofort herrschte Totenstille am Tisch und um ein Haar hätte Zack seine Gabel fallen lassen.

Dadurch verunsichert, gestikulierte Alvar mit den Händen. „Also, vielmehr Lydia, aber ich…“

„Ich glaube, sie haben es auch so verstanden“, bremste Lydia ihn, bevor er etwas sagen konnte, was ihm später vielleicht peinlich sein würde.

„Wow!“, brachte Dana schließlich hervor. „Das ist ja toll. Meinen Glückwunsch!“

„Seit wann wisst ihr es?“, erkundigte sich Eravelle.

„Seit gestern Abend, um ehrlich zu sein“, gab Lydia zu.

Estela grinste unverhohlen. „Aha, deswegen habt ihr euch also aus dem Staub gemacht.“

Mellryn, der konventioneller eingestellt war, errötete leicht. Doch auch er erbot seine Glückwünsche.

Verlegen ließ sich Lydia die Haare ins Gesicht fallen. „Ich bin wirklich aus allen Wolken gefallen.“

„Wieso?“, warf Estela ein. „Hat man euch nichts über…“

„Sag es nicht!“, fielen ihr Alvar und Lydia gleichzeitig ins Wort.

Estela schürzte zwar die Lippen, hielt aber brav den Mund.

Adeline war es letztendlich, die ihren Sohn und Lydia davor bewahrte mit Fragen gelöchert zu werden. Freundlich lächelnd trat sie an ihren Tisch.

„Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen?“

„Herrlich!“, lautete Danas begeisterte Antwort. „Die Betten in den Gaststätten, in denen wir bisher übernachtet haben, waren nicht halb so bequem.“

„Das freut mich“, erwiderte Adeline schmunzelnd. „Wenn ihr mit dem Frühstück fertig seid, würde ich euch gerne ein wenig das Gelände zeigen. Ihr werdet ja vermutlich noch eine Weile bei uns bleiben.“

Eifrig nickte Dana. „Das wäre sehr freundlich.“ Offenbar hatte das Sanatorium ihr Interesse geweckt.“

Adeline faltete die Hände. „Gut, was haltet ihr davon, wenn wir uns in zehn Minuten vor dem Eingang treffen?“

„Abgemacht.“
 

An das verwinkelte Wohngebäude des Sanatoriums schloss sich ein weitläufiger Garten an, in dem zu dieser Tageszeit einige Patienten spazieren gingen. Weiter hinten zeigte Adeline der kleinen Gruppe einen Obstgarten. Die Gewächse dort schüttelten langsam den Schleier des Winters von sich ab. Noch waren keine frischen Triebe zu erkennen – dazu war es dann doch noch zu früh – aber erahnen konnte man schon, wie es hier bald aussehen würde.

Dana hielt inne und beschwor für einen Moment den Frühling in Rawena vor ihrem inneren Auge hervor. Als sie sich wieder umblickte, stellte sie fest, dass die anderen wohl mit ähnlichen Gedanken beschäftigt waren. Selbst Estela wirkte sehr friedlich.

Da Adeline die anderen mit ihren Ausführungen über die Geschichte der Einrichtung fesselte, fiel es zunächst gar nicht auf, dass Mellryn sich zurückfallen ließ.

Lediglich Eravelle blickte über ihre Schulter hinweg. Mittlerweile hatte sie ein Gespür dafür entwickelt, wenn mit ihm etwas nicht stimmte.

„Du bist so still“, stellte sie fest, als sie sich zu ihm gesellte. „Noch stiller als sonst.“

„Jeder hat Dinge, an die er nicht gerne erinnert wird“, sagte Mellryn leise. Mit den Fingerspitzen fuhr er über die Stelle, an der einst sein rechtes Auge gesessen hatte. Er fühlte dabei die Narbe. „Den anderen zu sagen, wer mir mein Auge genommen hat, ist nicht das Problem. Aber mich an diesen Tag zu erinnern, ist möglicherweise mehr als ich ertragen kann.“

Eravelle biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste genau, was er damit sagen wollte, denn an diesem schicksalhaften Tag war sie dabei gewesen. Nur zu gut konnte sie sich an ihr eigenes Entsetzen und ihre Hilflosigkeit erinnern. Und ihre Wut. Zu keinem anderen Zeitpunkt hatte sie mehr Wut empfunden. Das hatte sie sogar so weit getrieben, dass sie einen Gegner attackiert hatte, der ihr haushoch überlegen gewesen war. Wie durch ein Wunder war sie der Vergeltung entkommen. Gleichwohl hatte sie es nicht mit ansehen können, wie man versuchte Mellryn durch Folter zum Reden zu bringen. Strikt hatte sich der Elbenprinz geweigert die Geheimnisse seiner Familie sowie den Aufenthaltsort der Rebellen preis zu geben. Letztendlich hatte ihn das sein Auge gekostet.

Mellryn hatte seine verkrampften Hände zu Fäusten geballt. Er atmete schwer.

„Ruhig“, flüsterte Eravelle mit sanfter Stimme in sein Ohr. „Quäle dich nicht selbst deswegen.“ Geduldig löste sie die verkrampften Finger und streichelte ihm dabei über den Rücken.

„Haryon“, stieß Mellryn hervor. „Irgendwann wird er dafür büßen, dass er mir mein Auge genommen hat.“
 

End of Part 62



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Taroru
2009-11-04T21:34:51+00:00 04.11.2009 22:34
ich verliebe mich immer mehr in die charas XD
sie sind wirklich klasse geworden XD
und mitlerweile weiß ich gar nicht was ich so schreiben soll XD


Zurück