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So finster wie die Nacht

von

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Klaviermelodie

Kapitel 6

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Klaviermelodie
 


 

Braune Augen, lockiges schwarzes Haar. Ein hübsches Lächeln.

„Liebster!“

Die junge Frau war glücklich, strahlte Zufriedenheit aus in diesem Moment.

Er spürte, wie er einen Namen nannte, aber er hörte ihn nicht. Dennoch fühlte er sich wohl.

Das Bild änderte sich je, es wurde dunkel um ihn herum und die Augen der hübschen Frau, die wohl seine Geliebte war, wurden plötzlich blutrot, es blieb nichts mehr übrig von dem weichen haselnussbraun.

Ihre Miene wirkte nicht länger glücklich, sondern wurde von Kummer geprägt. Die Haut, die zuvor leicht gebräunt gewesen war, wurde immer blasser und blasser, bis sie schließlich aschfahl im Mondlicht glänzte. Trotz ihrer bezaubernden Schönheit, die geblieben war, wirkte sie nun eiskalt und völlig lieblos.

„Bleib bei mir, Geliebter! Geh nicht fort!“, rief ihre melodische Stimme immer wieder, aber er konnte sich nicht bewegen, nichts anderes tun, als sie anzustarren.
 

Als Jason aus seinem Traum erwachte, war er schweißgebadet und fühlte sich sehr unwohl.

„Schon wieder...“, seufzte er und versuchte, sich die Müdigkeit aus dem Gesicht zu reiben.

Dieser Traum verfolgte ihn schon eine ganze Weile. Immer wieder sah er diese schöne Frau vor sich, die sich von einem Moment auf den nächsten völlig veränderte. Ihre hübschen, blutroten Augen folgten ihm beinahe jede Nacht. Sie bat um etwas, das wusste er. Aber er verstand nicht gänzlich, was genau sie eigentlich von ihm verlangte.

Es war schon ein wenig hell im Zimmer geworden und ein Blick auf den Wecker sagte ihm, dass ohnehin schon fast Zeit zum Aufstehen war, also erhob er sich aus seinem Bett.

Seine Kehle fühlte sich staubtrocken an und so schlurfte Jason erst einmal in die Küche, um sich ein Glas Milch zu holen.

Als er an Ryans Zimmer vorbeikam, hob er verwundert eine Augenbraue.

„Ryan?“, fragte er und sah ins Zimmer, aber er konnte seinen Bruder nirgends sehen.

Vielleicht ist er auf dem Klo, dachte Jason.

Wie geplant holte er sich die Milch, trank das Glas in zwei Zügen aus und schlurfte dann den Flur zurück bis zum anderen Ende, wo sich das Bad befand.

Da ist gar kein Licht an, stellte Jason fest und öffnete schließlich die Tür. Kein Ryan zu sehen.

„Komisch, wo mag er nur hin sein?“, fragte sich der Dunkelblonde, zuckte aber nur mit den Achseln und stieg anschließend unter die Dusche.

„Vielleicht hat er irgendwas vergessen zu erledigen“, überlegte der junge Schüler, als er sich schließlich anzog und feststellen musste, das sein Bruder noch immer nicht daheim war.

Es war nichts Neues für Ryan, mal nicht da zu sein und Jason sagte sich, dass sein Bruder schon wieder auftauchen würde, obwohl er sich doch jedes Mal ein wenig um Ryan sorgte.
 

Mit dem Gedanken, dass sein Bruder schon wieder auftauchen würde, sollte Jason Recht behalten, denn als er sich gerade sein Frühstück machte, hörte er, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde.

„Ryan?“

„Oh, Jason, du bist schon wach?“

Der Ältere betrat die Küche, in der Hand eine Brötchentüte.

„Ja, ich hab nicht so gut geschlafen“, winkte Jason schnell ab. „Nur um Brötchen zu holen warst du aber lange weg!“

„Ich war noch bei June“, erzählte Ryan, der die Brötchen abstellte und sich anschließend einen Becher Kaffee holte. Er freute sich, dass sein Bruder daran gedacht hatte, schon mal Kaffee zu kochen.

„Bei June? Wieso das?“, fragte Jason.

Also erzählte Ryan ihm, was geschehen war.
 

Nachdem die beiden ihr Gespräch beendet hatten, fiel Jasons Blick beinahe erschrocken zur Küchenuhr. „Ryan, wir müssen los, du bist schon viel zu spät dran!“

„Ach du liebe Güte, du hast Recht“, bemerkte auch der Ältere.

In Windeseile schnappten sie sich ihre Taschen, schlüpften in Schuhe und Jacke und hechteten zu dem alten Rover 200, den Jason auch gern als „Rostlaube“ betitelte.

„Ich fürchte, ich muss dich ein paar Straßen früher absetzen als sonst, Jason, ich bin sehr spät dran“, bedauerte Ryan.

„Kein Problem“, erwiderte der Jüngere jedoch. Das gab ihm wenigstens Gelegenheit, über das nachzudenken, was Ryan ihm erzählt hatte.

Dennoch hatte Jason ein ungutes Gefühl, als er schließlich zur Schule ging.

Wie war es möglich, dass eine Frau auf dem schmalen Fensterbrett hocken konnte?

Er kannte die Fenster von June und wusste, wie schmal der Sims dort war. Und dann war da ja auch noch dieser Traum, der sich ständig wiederholte.

Jason war so sehr in Gedanken, dass er Lilian gar nicht bemerkte, die sich ihm näherte.

„Guten Morgen, Jason!“ rief sie zum wiederholten Male, bis er endlich aufblickte.

„Oh. Guten Morgen, Lilian!“, sagte er.

„Du hast mich eben gar nicht gehört“, bemerkte sie lächelnd.

„Oh, das tut mir Leid, ich war in Gedanken.“

Zum Glück war er auch noch immer nicht ganz mit seinen Gedanken zurück in der Gegenwart, sonst hätte er sicher bemerkt, dass es ganz und gar nicht leicht für Lilian gewesen war, ihn einfach so anzusprechen.

Das Mädchen war zu höflich, um danach zu fragen, was für Gedanken ihn wohl quälten und so schwieg sie eine ganze Weile, während sie neben ihm herging.

Sie waren schon fast bei der Schule angekommen, als sie fragte, ob er wohl auf die Klausur in Mathematik vorbereitet war.

„In Mathe habe ich eigentlich keine Probleme“, gab Jason zurück „Und du?“

„Es geht“, sagte sie. „Es wird wohl nie mein Lieblingsfach sein, aber ich denke, meine Note wird besser ausfallen als die von Jessica!“

Jessica, so wusste Jason, war wohl eine Freundin von Lilian, die mit Dauerwellen im Haar rumlief und sich etwas zu sehr schminkte, was nun gar nicht zu der klassischen Schuluniform passen wollte. Die Schuluniform der Mädchen bestand aus einer weißen Bluse, einem dunkelblauem, knielangen Rock sowie einem farblich zu dem Rock passenden Blazer, der etwa bis zur Hüfte der Mädchen reichte und figurbetont war, was nicht unbedingt bei allen Mädchen gut aussah. Außerdem trugen die Mädchen genau wie die Jungen Krawatten, die farblich ein paar Töne heller waren als Blazer und Rock. Im Übrigen befand sich auf der linken Brustseite das Schulemblem. Insgesamt sah die Schuluniform sehr schick und förmlich aus und je mehr Jason darüber nachdachte, desto weniger passte diese Kleidung zu Jessica.

Als er nun einen raschen Blick auf das Mädchen neben sich warf, fiel ihm auf, dass sie überhaupt kein Make-up trug und ihre langen Haare, die bei jedem Schritt leicht hin und her wippten, ganz natürlich über ihren Rücken fielen. Irgendwie gefiel ihm das, denn er mochte kein Make-up. Natürlichkeit war ihm lieber.

„Und von deinem Zusammenbruch hast du dich gut erholt?“, fragte Jason nun.

Lilian lief knatschrot an, denn die Sache war ihr noch immer peinlich.

„J...ja. Alles bestens!“, sagte sie sofort mit beinahe schon schriller Stimme.

Zum Glück wurde sie in diesem Moment von Jessica erlöst, die auf sie zukam.

„Guten Morgen, Lilian! Können wir noch mal die Hausaufgaben in Biologie durchgehen?“, fragte sie ihre Freundin gut gelaunt, nickte Jason flüchtig zu und schon waren die beiden Mädchen im Schulgebäude verschwunden.
 

Lilian war Jessica für ihr Eingreifen sehr dankbar, denn sie hatte nicht gewusst, was sie tun sollte. Ihr war kein Gesprächsthema mehr eingefallen, nachdem Jason sie nach dem Zusammenbruch gefragt hatte und das alles war ihr einfach nur schrecklich peinlich.

Sie hätte ihn zwar gern nach der fremden Frau gefragt, allein schon, um herauszufinden, woher wohl der Vampirgeruch kommen mochte, aber sie hatte Angst, ihn zu sehr zu bedrängen, wenn sie ihn direkt danach fragte, wer diese Frau gewesen war.

Jessica hatte jedoch nicht eingegriffen, weil sie Lilian helfen wollte, sondern weil sie tatsächlich Hilfe für ihre Hausaufgaben brauchte. Sie war zwar ein nettes Mädchen, aber ihre Noten ließen in den meisten Fächern zu wünschen übrig.

Lilian hatte schon öfter den Gedanken gehabt, die Gute könnte nur mit ihr befreundet sein, weil sie selbst gut in der Schule war, aber da sie sonst keine Freunde hatte und es sich mit Jessica nicht verderben wollte, hatte sie den Gedanken stets verdrängt.

Wie schon befürchtet hatte Jessica die Aufgaben auch mehr schlecht als recht gelöst, weshalb sie ihrer Freundin versprach, mit ihr zu üben, bevor sie die nächste Biologie-Klausur schreiben würden.
 

Mona war ganz versunken in die Musik und ihre Finger glitten ganz von allein über die Tasten ihres Klaviers.

Sie liebte ihr Klavier und vor allem liebte sie es, darauf zu spielen und dabei den wohlklingenden Melodien zu lauschen, die ihre schlanken Hände wie von selbst fabrizierten. Und jetzt, wo sie Arrest hatte, spielte sie sogar noch mehr als gewöhnlich, denn ihr blieb nicht viel anderes zu tun übrig.

Früher einmal hatte sie auch gern Bücher gelesen, aber inzwischen waren ihr die Geschichten zu langweilig geworden, denn nur allzu oft wiederholten sie sich und sie wurden ihr zu platt. Vielleicht bereiteten ihr die Bücher aber auch einfach zu viel Kummer, denn Mona mochte Liebesgeschichten, aber sie wurde immer traurig, wenn sie dabei an ihren eigenen Liebsten dachte, mit dem sie nicht glücklich werden durfte.

So begnügte sie sich nun mit den Noten, die sie vor sich hatte oder schrieb manchmal sogar selbst den ein oder anderen Song.

Die Vampirin hatte Klavier spielen gelernt, als sie noch ein Mensch gewesen war – genau genommen als kleines Mädchen. Sie hatte in einem kleinen Vorort von London gelebt und ihre Mutter war ebenfalls Musikerin gewesen, die als solche natürlich Wert darauf gelegt hatte, dass sie das Spielen lernte. Von ihrem Vater wusste Mona nicht mehr viel und auch über ihre Schwester hatte sie nie nachgeforscht, obwohl sie sicherlich ein langes Leben gehabt hatte. Zumindest stellte sich Mona das so vor. Der Kummer über den Verlust ihres Geliebten hatte sie damals sehr getroffen, mehr noch als die Tatsache, dass sie kein Mensch mehr war und zu einem ewigen Leben verdammt. Sie hatte ihr altes Leben völlig hinter sich lassen wollen, aber so ganz gelang ihr das nicht – denn am Klavier hing sie noch immer genauso, wie sie es zu Lebzeiten getan hatte.

Und nun, da sie bereits viele Jahrzehnte der Übung gehabt hatte, spielte sie ihr geliebtes Instrument perfekt, ohne es ihrer Mutter jemals zeigen zu können.

„Wir sollten dich Konzerte spielen lassen“, sagte Eve, die plötzlich hinter Mona stand.

Sie hörte abrupt auf zu spielen und drehte sich zu der anderen Vampirin um.

„Ich habe gar nicht gehört, wie du herein gekommen bist“, sagte Mona und es war ihr anzusehen, wie erschrocken sie war.

„Du warst auch sehr in dein Spiel vertieft“, gab Eve zurück.

Völlig unbewusst berührte Mona das Medaillon, das sie um den Hals trug und wischte mit der anderen Hand die Tränen aus ihrem Gesicht, die ihr wie üblich gekommen waren. Sie weinte beinahe immer, wenn sie sich an ihr Klavier setzte.

„Was gibt es, Eve?“

„Ich sollte dir nur mitteilen, dass Lionel dich sehen will“, antwortete Eve.
 


 

Fortsetzung folgt...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Baleika
2009-11-09T16:52:09+00:00 09.11.2009 17:52
In Windeseile schnappten sie sich ihre Taschen, schlüpften in Schuhe und Jacke und hechteten zu dem alten Rover 200, den Jason auch gern als „Rostlaube“ betitelte. - Hui voll der schöne Satz, vorallem mag ich Rover und wenn Marken bzw. allgemein Namen von Filmen o.ä. mit einfließen. Das bekommt eine Geschichte viel Glanz und ich als Leser fühle mich als Teil dieser.

Wir haben zwar schonmal darüber gesprochen, aber ich sage es hier nochmal :) Ich finde den Part mit dem Klavier echt toll beschrieben und wenn ich mir die Klänge, die Mona spielt, mir vorstelle würde ich am liebsten die Augen schließen und der Melodie lauschen.

Wahrlich schafft ihr es immer wieder, mir einen angenehmen Schauder zu versetzen.


Von:  Taroru
2009-11-06T11:47:27+00:00 06.11.2009 12:47
'forstetzung folgt' ich hasse diesen satz ^^°
das heißt immer das ich warten muss ^^°

egal, es war wieder große klasse geschrieben ^^
ich würde gerne mal mona klavier spielen hören XD *lach*
ich stell mir das richtig schön vor ^^

auch der anfang des kappis ist ein guter einstieg ^^ mit den beiden brüdern ist wirklich klasse gemacht XD vorallem so simpel und nachvollziehbar ^^ ich glaube jeder würde so durch die wohnung tapsen XD ich hätte jedenfalls nicht anders reagiert *lach*

der traum von ihm ist jedenfalls hoch interessant ^^ bin gespannt was es damit auf sich hat ^^


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