Zum Inhalt der Seite

Tödliches Geheimnis

Die Legende der geflügelten Rasse
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

「真実」 ・ Wahrheit 「Shinjitsu ~ I want to talk to you」

Kapitel acht: 「真実」 ・ Wahrheit 「Shinjitsu ~ I want to talk to you」
 

Noriko’s Atem wurde schwerer, sie atmete schnell und zischend. Ihre Augen waren vor Schock geweitet und noch immer flossen ein paar Tränen aus ihnen. War es tatsächlich möglich?

Konnte es wirklich möglich sein, dass vor ihr ihre seit einiger Zeit vermisste große Schwester Miyuki stand?
 

Es musste einfach so sein, dieses Mädchen vor ihr sah genauso aus, wie sie selbst, sie sprach mit einer identischen Stimme, und ihre Haltung war genauso grazil wie eh und je. Miyuki war schon immer etwas femininer als Noriko selbst gewesen, doch das war der Jüngeren durchaus bewusst gewesen. Die Blonde vor ihr verzog ihren Mund zu einem sanften Lächeln, ihr Blick sah sie warmherzig und ein wenig einsam an.

„M-miyuki…bist du es tatsächlich?!“, fragte Noriko nun endlich, ihre Stimme klang ziemlich kratzig und brach schließlich ab. Das Mädchen nickte leicht und kam ein paar Schritte näher.

„Endlich…endlich sehe ich dich wieder~“, sagte sie mit ihrer Stimme. Diese war für die Ohren ihrer jüngeren Schwester wie eine sanfte Melodie, ja, sie hatte sie wirklich sehr vermisst…

Miyuki kam noch ein Stückchen näher und legte die Arme um Noriko’s dünnen Körper.

„Ich hab dich wieder~“, flüsterte sie in ihr Ohr, und gerade als die Tränen der Lilahaarigen verstummt waren, so brachen sie nun wieder von Neuem aus. Sie legte ebenfalls ihre Arme um das andere Mädchen und drückte sie fest an sich.

Ein lautes Schluchzen war zu hören, das erfreute die Blonde wirklich sehr.

„Komm schon, beruhig dich wieder~“, sagte sie und lachte leise. Noriko schluchzte erneut.

„Ich dachte…tot…warum…ich…d-duu…“, stammelte die Jüngere und wurde wieder durch einen lauten Schluchzer unterbrochen. Ihre ältere Schwester ließ sie los und wischte ihr die Tränen aus den nun geröteten Augen. Dann verschloss sie ihren Mund und schenkte der Lilahaarigen erneut dieses kleine feine Lächeln, welches sie schon immer so sehr an Miyuki geliebt hatte.

„Alles ist gut, du lebst, ich lebe auch~ Besser kann es nicht sein.“, murmelte sie und Noriko erinnerte sich daran, dass ihre Mutter das früher immer zu ihnen gesagt hatte, als sie abends ängstlich in ihren Betten gelegen hatten. Sie nickte schwer und zog auch ihren Mund zu einem winzigen Lächeln. Miyuki hob eine Hand und strich Noriko über das Haar.

„Ich habe dich wirklich vermisst…doch ich habe jetzt nicht viel Zeit!“, sagte sie und ihr Blick versteifte sich etwas. Der Jüngeren fielen nun zum ersten Mal die vielen Wunden auf, von denen ihre Schwester gekennzeichnet war. Überall waren Kratzer und blaue Flecken zu sehen, und auf ihrer rechten Schulter konnte man deutlich eine große Brandwunde erkennen, die noch nicht ganz ausgeheilt zu sein schien. Sie weitete leicht die Augen und ihr Mund fiel etwas auf.

„Aber…aber…wie ist das alles denn nur passiert?“, fragte sie geschockt, doch ihre Schwester schüttelte nur abwehrend den Kopf.

„Ist schon okay, das ist jetzt nicht wichtig.“, meinte sie, doch Noriko drückte sie zu Boden. Dann schob sie die Ärmel ihres Kimonos ein Stück weiter nach oben und aktivierte ihre Heilfähigkeiten. Die blaue Masse wanderte aus ihren Fingern und schloss sich um Miyuki’s Brandwunde. Diese leuchtete dunkelblau auf und die Masse verschwand unter der Haut. Doch anders als sonst, heilte die Wunde nicht. Es sah alles noch genauso aus, wie es vorher ausgesehen hatte. Noriko zog ihre Stirn faltig.

„Das verstehe ich nicht…“, meinte sie und kratzte sich am Kopf.

„Das hat bis jetzt immer funktioniert…“, fuhr sie weiter fort und probierte es erneut. Ein weiteres Mal scheiterte sie an diesem Versuch. Danach lehnte Miyuki es ab, dass Noriko sich weiter um ihre Wunden kümmern würde.

„Ich sagte es eben schon, das ist jetzt echt nicht wichtig. Ich muss dir nur etwas erzählen, dann muss ich wieder gehen.“, sagte sie und ihre jüngere Schwester sah sie erschrocken an.

Was ist los? Ich hatte gedacht, dass du vielleicht mit mir mitkommen könntest. Weißt du, ich habe Freunde gefunden, die mir bei der Suche nach dir helfen wollten und sie hätten sicher nichts dagegen, wenn du mit uns mitkommen würdest, um nach dem einen Mädchen zu suchen.“, erklärte die Lilahaarige und sah ihre Schwester flehend an. Doch diese schüttelte nur den Kopf.

„Tut mir leid, es geht wirklich nicht. Aber ich bin wirklich froh, dass du mir dieses Angebot gemacht hast.“, sagte sie und ein warmes Lächeln legte sich wieder auf ihre Lippen. Doch für einen Moment schien es so, als ob ein kleiner Schatten durch ihre Augen huschen würde…doch Noriko kümmerte sich um wichtigere Sachen.

Die Blonde legte ihr die Arme auf die Schultern.

„Ich habe nicht viel Zeit…“, wiederholte sie sich und seufzte leicht. Noriko hob leicht eine Augenbraue.

„Warum hast du eigentlich nicht viel Zeit? Wohin musst du denn wieder gehen?“, fragte sie verwirrt und strich sich die letzten Tränen aus dem Augenwinkel. Miyuki schüttelte den Kopf.

„Das kann ich nicht erklären, aber wenn ich nicht zurück gehe, dann wird jemand wichtiges sterben!“, erklärte sie, und Noriko stockte der Atem. Sie sah ihre Schwester geschockt an, doch diese schenkte ihr nur wieder dieses warme Lächeln, welches sie schon immer so an ihr geliebt hatte.

„Ich muss dir jetzt etwas Wichtiges erzählen, okay?“, sagte sie und sah sie eindringlich an. Noriko stutzte leicht, doch sie hatte ja vorhin schon mal betont, dass sie nur gekommen war, um ihr etwas zu erzählen. Die Ältere sah sie nun noch ernster an und wies sie an, wieder aufzustehen, da sie das Gespräch nicht an diesem Ort führen wollte.

Die beiden gingen ein Stück zu Fuß, und währenddessen schien Miyuki furchtbar abwesend zu sein…das sollte wohl nichts Gutes bedeuten…
 

„Nori…hast du dir jemals schon mal Gedanken über das gemacht, was mit dir passiert, wenn du einen starken Gefühlsausbruch hast?“, fragte sie mit einem leicht ärgerlichen Unterton in der Stimme. Noriko schluckte, dann nickte sie leicht.

„Ein wenig, ja…ich frage mich nur, woher das kommt, das muss ich wohl noch herausfinden.“, erklärte sie, doch Miyuki winkte schnell ab.

„Ich habe es herausgefunden.“, verkündete sie, und die Jüngere weitete vor Überraschung die Augen.

„Was? Wirklich?“, fragte sie und ihre Schwester nickte. Die beiden gingen ein Stück weiter, entfernten sich immer weiter weg von dem Lager, in dem die anderen vier immer noch friedlich schliefen. Dann richtete Miyuki wieder das Wort an ihre Schwester:

„Früher, als wir noch kleiner waren, ist mir vieles neues aufgefallen. Ich habe dich oft heimlich beobachtet, wenn du wieder einmal einen starken Gefühlsausbruch hattest. Du hast dich dann sofort zurück gezogen, und mit Leuten gesprochen, die gar nicht da waren. Außerdem schien es so, als ob du mit irgendwem in dir drinnen streiten würdest. Da du wahrscheinlich alle Erinnerungen an diese Momente verloren hast, da du in diesen Momenten ja nicht du selbst warst, ist dir wohl auch nicht klar, dass du oft versucht hast, dir das Leben zu nehmen, wenn du nicht du selbst warst. Du hast unzusammenhängende Dinge erzählt, dass du unbedingt zu irgendjemandem zurück gehen müsstest, und wenn ich nicht immer dabei gewesen wäre, wärst du schon unzählige Male sehr schwer verletzt worden.“, fing die Ältere mit der Erzählung an. Noriko musterte sie überrascht, hörte aber trotzdem weiterhin zu. Miyuki holte noch einmal tief Luft, dann sprach sie weiter:

„Ich weiß auch nicht, warum sie dich so unter der Kontrolle hatte, aber…nun, hast du schon mal etwas von einem Mädchen namens Tora Shindo gehört?“ Noriko wurde hellhörig, dann nickte sie sofort. Was sollte jetzt Tora damit zu tun haben? Würde sie nun endlich erfahren, warum Tora ihr so ähnlich sah? Was würde ihre Schwester wissen…?

„Ja, sie ist Ren’s Kindheitsfreundin und sieht mir irgendwie ähnlich…“, meinte Noriko und Miyuki nickte leicht.

„Das mit diesem Ren ist mir neu, aber du hast recht, sie sieht dir unglaublich ähnlich, hast du dich schon mal gefragt, warum das so ist?“, fragte sie weiter. Noriko nickte sofort.

„Ich habe mich vor allem darüber gewundert, dass Ren so ein großes Geheimnis um sie gemacht hat…“, murmelte sie vor sich hin und richtete den Blick danach wieder zu ihrer Schwester. Diese lächelte kurz, dann setzte sie wieder ihren ernsten Blick auf.

„Ich habe herausgefunden, dass Tora vor ungefähr zehn Jahren am Kiseki-See durch einen Pfeilschuss eines Soldaten in den Bauch umgekommen ist.“, sagte sie und sofort weitete die Jüngere wieder die Augen.

//Ich wusste es doch, sie ist also tatsächlich damals gestorben, genau so, wie Ren’s Mutter es in dieses Tagebuch geschrieben hatte…aber warum beharrt Ren nur so sehr darauf, dass Tora nicht tot ist? Glaubt er nicht daran, oder will er nur einfach nicht daran glauben?//, fragte sie sich innerlich und überlegte einen Moment. Dann fiel ihr plötzlich wieder dieser Traum ein. Sie hatte doch davon geträumt, zuerst ein paar Menschen getötet zu haben, und danach war sie durch den Kiseki-See in die andere Welt gereist und etwas war in ihrem Bauch gelandet…sollte dies etwa eine Szene aus Tora’s Erinnerungen gewesen sein?

Und wenn das tatsächlich so sein sollte, warum hatte dann ausgerechnet sie davon geträumt?
 

Diese und noch ein paar weitere Fragen schwirrten gerade in Noriko’s Kopf herum, als Miyuki sie wieder zurück aus ihren Gedanken holte.

„Seit Tora damals ums Leben gekommen ist, hat ihre Seele dort am Kiseki-See gelebt und war gefüllt mit lauter Rachegefühlen. Und als wir beide kurz darauf zum ersten Mal durch den See nach Daikoku gereist sind, ist Tora’s Seele in deinen Geist eingedrungen und hat ihn gespalten. Ich habe damals auch etwas gemerkt, weil du plötzlich zusammen gezuckt bist, und leise gestöhnt hast. Da wir uns an den Händen gehalten haben, konnte ich für einen Moment ein verzerrtes Bild von einem Lilahaarigen Mädchen in meinem Kopf sehen, das war dann anscheinend Tora…“, erzählte Miyuki und musterte ihre Schwester, während sie ihr all das hier erzählte. Noriko stand der Mund weit offen. Sie konnte das jetzt einfach alles nicht glauben! As hatte das nur zu bedeuten?

„Aber…das…wieso?“, stammelte sie und setzte sich erst mal auf den Boden.

//Warum ich? Warum musste sie unbedingt in meinen Körper eindringen?//, fragte sie sich und dachte an Ren. Hatte er das vielleicht von Anfang an vermutete? Hatte er vielleicht gedacht, dass sie selbst Tora sei und nur ihr Gedächtnis an all die vergangenen Dinge verloren hatte? Sie wusste es nicht, sie wusste es wirklich nicht…

Dann kam eine andere Erkenntnis in ihr hoch:

Tora hatte seit diesem Tag in ihr gelebt und war manchmal als ihr zweites Ich in ihr aufgetaucht. Wie hatte sie das nur gemacht? Warum hatte sie das nur gemacht? Sie teilte diesen Gedanken mit ihrer älteren Schwester und diese nickte. Sie blickte nun tatsächlich nicht mehr durch, sie verstand rein gar nichts mehr, alles war nur ein endloses Chaos von Fragen und Wahrheiten, die sie gar nicht erst wissen wollte.

„Wie hast du das nur herausgefunden?“, fragte die Lilahaarige vollkommen verstört.

„Ich hatte damals Nacht für Nacht Albträume und sah immer und immer wieder dieselben Träume, in denen es immer um Tora und ihr Ableben ging. Sie hat mir wohl indirekt die Antworten geschickt, doch ich konnte diese Informationen noch nie irgendwo einordnen, ich hatte keine Ahnung gehabt, dass das alles irgendwann einmal Sinn ergeben könnte.“, erklärte die Blonde und griff nach der Hand ihrer jüngeren Schwester.

„Noriko, ich weiß wirklich nicht wieso, aber anscheinend hat Tora nichts Gutes im Sinn. Sie scheint einen großen Drang nach Rache zu haben, ich weiß nicht wieso und so weiter, aber bitte sei vorsichtig, und versuche es zu kontrollieren. Lass dich nicht unterkriegen, sonst macht sie mit dir genau dasselbe, was sie mit den vielen Menschen gemacht hat, verstanden?“, schärfte sie Noriko ein. Diese schluckte.

„Hast du wirklich keine Ahnung, warum Tora all die Menschen getötet hat, die jemals etwas mit der Winged Race zu tun gehabt haben?“, fragte sie schwach, doch Miyuki schüttelte nur wieder den Kopf.

„Tut mir wirklich leid, ich kann dir ebenfalls nur das hier sagen. Mehr weiß ich nicht und wir können wirklich von Glück reden, dass ich überhaupt so viel heraus finden konnte, denkst du nicht auch?“ Erneut schluckte die Lilahaarige, dann nickte sie.
 

Erneut ging Noriko’s Atem auffallend schwer und ihr Herz klopfte so laut, dass sie befürchtete Ren und die Anderen könnten von diesen Geräuschen aufwachen. Sie strich sich ein paar Haarsträhnen aus der schweißnassen Stirn und hatte große Mühe damit, dieses sehr beengende Gefühl aus ihrer Brust zu verbannen und in einer Gefühlsschublade zu verstauen. Sie fasste sich ein Herz und fragte ihre Schwester erneut ein paar Dinge, doch die Fragen in ihrem Kopf wurden davon nicht wirklich weniger…im Gegenteil, es schien beinahe so, als ob nach jeder gestellten Frage gleich fünf neue nachrücken würden. Und außerdem schlich sich eine unglaublich schlechte Vorahnung in ihr Bewusstsein…sollte es womöglich war sein…?

„Ich glaube…ich hatte auch solche Träume. Diese Träume die ich Nacht für Nacht träume…sie versuchen mir etwas zu erzählen, sie versuchen mich zu warnen. Sie zeigten mir zuerst Mal für Mal wie unsere Eltern starben, dann zeigten sie mir Ausschnitte aus Tora’s Gedächtnis und das Tagebuch von Ren’s Mutter hat auch ziemlich viel erzählt, was in den Träumen dann bestätigt worden ist. In dem Buch stand etwas von einem kleinen blonden Mädchen, welches einmal bei Ren’s Familienhaus vorbei kam und sich aus einem unbekannten Grund furchtbar darüber freute ihn zu sehen. Als er aber sagte, dass er sich nicht daran erinnern konnte, sie jemals getroffen zu haben, sei das Mädchen wütend abgerauscht und eine Nacht später war das Menschenmädchen tot, mit dem Ren damals befreundet gewesen war. Ihre Eltern wurden in der Nacht danach getötet. Und jetzt sag mir…war ich ein paar Mal für längere Zeit verschwunden und wenn ja…glaubst du, dass…dass ich dieses kleine blonde Mädchen war?“, fragte Noriko und stellte so die Frage, die ihr schon von Anfang an auf der Zunge gelegen hatte. Diese Frage war besonders schwer zu formulieren gewesen und es hatte sie wirklich viel Überwindung gekostet, um sie zu stellen. Miyuki schluckte und sah sie unglücklich an – Dann nickte sie.

Eine Welt brach in Noriko zusammen. Sie…sie war eine Mörderin, und sie war schwach, unfassbar schwach! Und sie hatte Ren’s Kindheit zerstört…
 

Es war nicht nur Tora, die all diese Menschen getötet hat. Ich habe ihr auch noch geholfen, weil ich verdammt noch mal einfach zu schwach bin! Wie konnte ich mich nur all die Jahre von ihr kontrollieren lassen?!
 

Die Jüngere wollte, vollkommen aufgelöst wie sie war, noch etwas mehr Fragen, denn noch immer kreisten eine Millionen Fragen in ihren Gedanken umher, doch Miyuki sprang schon auf, einen Moment später sah Noriko schon die weißen Engelsflügel mit dem violetten Schimmer, mit denen ihre Schwester gleich wieder verschwinden würde.

„Was, du musst jetzt schon gehen?“, fragte Noriko und sah Miyuki unglücklich an. Diese nickte schwer und wollte etwas erwidern…doch sie ließ es lieber bleiben und drückte ihre kleine Schwester stattdessen nur an sich. Noriko wollte sie zurück halten, ihr noch etwas sagen, doch da war die Blonde schon in die Luft gestiegen und keine zwei Sekunden später auch schon wieder verschwunden. Noriko sah ihr leicht verwirrt nach, ihr Atem verschnellte sich erneut und wurde immer heftiger. Sie würde mit dieser neuen Situation in der sie beinahe alles wusste erst mal klar kommen müssen…würde sie das schaffen?

Die Schublade mit diesem unangenehmen Gefühl, welche Noriko vorhin noch so sorgfältig verschlossen hatte, öffnete sich plötzlich wieder und sofort spürte die Lilahaarige wieder dieses bedrängende Gefühl, was sie nach Luft schnappen ließ.
 

Aufgebracht und orientierungslos wie sie in diesem Moment war, schaffte sie es doch irgendwie wieder den Weg zurück zum Lager zu finden. Sie hatte Glück, alle schienen noch Seelig zu schlafen, also hatte niemand ihr Verschwinden bemerkt. Sogar Ren und Riku schliefen mittlerweile, der Alkohol hatte sie anscheinend überrumpelt und beide schnarchten um die Wette. Noriko lächelte kurz, doch das Gefühl in ihrer Brust wurde nicht besser. Sie rechnete mit einem Gefühlsausbruch, also entfernte sie sich lieber sofort vom Lager und lief in eine andere Richtung. Sie atmete heftig, spürte viele Stiche in ihrem Inneren. Dann hielt die Lilahaarige endlich inne, sie stand nun direkt vor einem sehr großen und dicken Baum.

Wiederwillig musste sie an die vielen Menschen denken, die ihretwegen umgekommen waren und schmerzerfüllt biss sie sich auf ihre Lippe. Ein leises Schluchzen war zu vernehmen, ein paar Tränen flossen, bevor der erwartete Gefühlsausbruch tatsächlich die Überhand ergriff. Noriko stieß einen lauten Verzweiflungsschrei aus und schlug mit voller Wucht gegen den dicken Baumstamm. Die Haut an ihrer Faust platzte auf und eine leichte Delle war in dem Baumstamm zu sehen, dann sank sie am Baum nieder und weitere Tränen folgten.

Voller Verzweiflung darüber, was für ein schwaches Mädchen sie doch eigentlich war, haute sie ihren Kopf mehrmals gegen den Baum und weinte laut, dann zog sie ihre Beine an den Körper und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen.
 

Wieso hatte sie es damals nicht geschafft, Tora’s Geist abzuwehren?

Wie hatte sie sich nur von ihr überreden lassen können, all die unschuldigen Menschen umzubringen?

Was hatten sie Tora denn schmerzliches angetan, dass sie so etwas verdient hatten?

Was hatte Tora für ein Geheimnis?
 

Noriko wusste auf keiner dieser Fragen eine Antwort. Sie konnte nicht mehr so weiter machen, sie musste etwas ändern. Irgendetwas musste anders werden, sie konnte Tora nicht über ihr Leben bestimmen lassen, das konnte nicht gut enden. Noriko hatte Glück, denn niemand hatte etwas von diesen Geschehnissen gehört.
 

Am Nächsten Morgen wachte sie auf, ihre Augen waren nicht gerötet, doch ihre Hand war verkrustet und angeschwollen. Die Lilahaarige kümmerte sich nicht darum. Zum ersten Mal seit ewiger Zeit hatte sie einmal einen Traumlosen Schlaf gehabt. Das konnte ja so wohltuend sein…

Schnell erhob sie sich, bevor die anderen nun doch noch etwas mitkriegen würden. Sie ging zum Lager und stellte nun erleichtert fest, dass alle hier noch Seelig schliefen, genauso, wie sie es gestern Nacht getan hatten.

Mit ein wenig Mühe konnte Noriko die ganzen Gefühle und Erkenntnisse von gestern Nacht wieder in einer großen Schublade verschließen, dieses Mal drehte sie den Schlüssel mehrmals um und warf ihn danach weg. Sie suchte nach einer Wasserflasche – sie wurde schließlich fündig – und spritzte sich den Inhalt direkt ins Gesicht. Ihr Atem wurde langsam immer ruhiger und sie strich sich die verwuschelten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Hinter sich hörte sie die anderen langsam aufwachen. Die Jüngste biss sich auf die Lippe, setzte ein falsches Lächeln auf und drehte sich danach schwungvoll um.

„Guten Morgen!“, sagte sie strahlend und kümmerte sich um das Frühstück. Misa stand rasch auf und half ihr anschließend, Ren jedoch verschränkte nur die Arme und dachte nach. Er musterte Noriko’s Rücken und dachte nach.

//Irgendwas stimmt hier nicht…und ich will lieber gar nicht erst wissen, was genau…//, dachte er und stand auf. Er trat Riku in die Seite, sagte ihm, er solle endlich auch seinen Hintern aus dem Bett bewegen und danach zog er Yoshi die Bettdecke weg.
 

Während des Frühstücks verlief eigentlich alles normal, Misa verkündete, dass sie alle nicht mehr weit von Noriko’s Haus entfernt sein konnten. Noriko bestätigte dies nur, diese Gegend hier kam ihr auch schon bekannter vor, als die andere rund um den Kiseki-See. Während Yoshi, Riku und Misa also schon mal das Lager zusammen packten, suchte die Lilahaarige in ihrer Tasche nach etwas zum Verbinden. Sie hatte die kleine Wunde an ihrer Hand schon soweit geheilt, dass sie nicht mehr ganz so blau war, aber anscheinend verlierten ihre Heilkräfte gerade ihre Wirkung, was man auch an Miyuki’s Verletzung gesehen hatte.

„Brauchst du Hilfe?“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Sie erschrak sich so sehr, dass sie den Verband und die Wundsalbe hoch in die Luft warf und sich erschrocken umdrehte. Ren hob eine Augenbraue und fing die beiden Dinge geschickt wieder auf.

„Ren…ähm, klar, wenn es dir nichts ausmacht…“, meinte Noriko nur und hielt ihm die Hand hin.

„Was ist passiert? Die war gestern Nacht doch nicht so geschwollen, oder?“, fragte er und musterte die Schwellung. Noriko kratzte sich am Kopf und hielt schnell mit einer Ausrede her.

„Ich hab im Schlaf um mich geschlagen und einen großen Stein getroffen…“, meinte sie und lächelte leicht. Ren sah sie skeptisch an.

„Warum hast du im Schlaf um dich geschlagen?“ Noriko überlegte hektisch weiter.

„Riku hat versucht mich zu küssen.“, erklärte sie und tatsächlich sah Ren das als eine vernünftige Ausrede an.

„Das erklärt alles…“, meinte er und verteilte langsam die Salbe auf Noriko’s Hand. Dann nahm er den Verband und führte ihn vorsichtig um die Hand herum. Er zog ihn fest und grinste.

„Das wäre es dann wohl~“, sagte er. Noriko lächelte und bedankte sich. Sie wollte loslaufen, doch der Blonde hielt sie noch zurück.

„Warte mal kurz…ich will dir noch was geben…“, sagte er und wühlte ihn seiner Hosentasche. Dann zog er das feine silberne Armband mit den blauen Saphiren heraus und band es um Noriko’s Handgelenk.

„Aber…das hat doch Tora gehört?!“, sagte sie und wollte es wieder abmachen. Ren hielt ihre Hand fest und grinste sie schelmisch an.

„Jetzt behalte das olle Ding schon, sie weiß es ja nicht~“, meinte er und zwinkerte ihr zu, dann drehte er sich um und half den anderen beim Abbauen des Lagers. Ein leichter Hauch von Romantik lag in der Luft und die Lilahaarige errötete etwas. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, sie sah noch einmal das Armband an.

Plötzlich durch lief sie ein starkes Gefühl von Schmerz und Eifersucht, und sie spürte förmlich, dass Tora in ihr das alles mitbekommen hatte. In ihrem Kopf hallten Worte umher, die sie vorher nie gedacht hatte, und ihre Hand wurde gegen ihren Willen zu dem Armband bewegt, um es anschließend ab zunehmen.
 

Zieh es aus…es gehört mir!
 

Doch Noriko hielt ihre Hand fest, sie starrte sie wütend an.

//Lass mich in Ruhe, er hat es mir gegeben! Ich lasse mich nicht mehr von dir kontrollieren, also gib es auf!//, dachte sie voller Abscheu und das Wesen in ihr drin beruhigte sich gegen seinen Willen wieder. Danach nickte die Lilahaarige einmal, dann half auch sie beim Abbau des Lagers. Keine zwei Stunden später kamen sie tatsächlich an Noriko’s Haus an. Es sah beinahe noch genau so aus, wie als Noriko es vor einer Weile hinter sich gelassen hatte:

Das traditionell gestaltete Dach, an dem schon ein paar Ziegel fehlten, der Garten, welcher ein wenig verwildert war, doch daran hatte sich noch nie jemand gestört. Die Wände, die eigentlich eher kahl wirkten, waren noch immer in derselben hellen Farbe gestaltet, wie damals. Allgemein sah das Haus noch immer kläglich aus. Aber wirklich besser hatte es auch noch nie gewirkt.

Noriko mochte dieses Haus wirklich sehr, hier hatte sie die letzten Jahre ihres Lebens verbracht, auch, wenn hier schon die einen oder anderen weniger schönen Dinge geschehen waren. Sie ging etwas näher heran und begutachtete das Innere. In dem großen Raum, aus welchem das kleine Haus nur bestand, lagen die Möbel kreuz und quer, an der Wand und auf dem Boden klebte getrocknetes Blut, ein paar Pfeile und Katanas lagen noch auf dem Boden herum, doch wenigstens waren die Leichen ihrer Eltern nicht mehr hier.

Doch wer hatte sie eigentlich entfernt? Nachdem sie geflohen war, hatte sie keine Zeit gehabt, um ihre Eltern zu beerdigen…doch vielleicht hatte dies ja Miyuki getan…

Das war die einzige Erklärung, die sie sich jetzt vorstellen konnte…

„Also…glaubst du, wir finden hier irgendwelche Anhaltspunkte?“, fragte Riku, welcher Noriko nach gelaufen war und nun die Luft anhielt, da er zum ersten Mal einen Blick in den Raum geworfen hatte. Noriko sah zu Boden und gab keine Antwort, sie drehte sich nur um und lief hinter das Haus. Misa lief ihr nach, sie hatte noch nicht in das Haus gesehen. Yoshi und Ren gingen zu Riku, sie waren nicht weniger überrascht darüber, in welchen Zustand sich das Haus gerade befand.
 

Noriko betrat nun den Garten und sah sich etwas um. Hinten neben den Rosenbüschen standen zwei kleine Kreuze, daneben lag ein kleines Stück Papier. Als die Lilahaarige näher kam und das Blatt aufhob musste sie wohl oder übel lächeln. Das Blatt zeigte ein Bild, auf dem sie selbst mit ihrer Schwester und ihren Eltern abgebildet war. Als sie es umdrehte, bemerkte sie, dass auf der Rückseite etwas in den alten Kagami-Schriftzeichen stand. Sie las den Text – Und ein weiteres Mal musste sie lächeln.

Sie legte das Blatt zurück auf den Boden und drehte sich um. Misa sah sie verständnislos an.

„Was ist mit dir?“, fragte sie und kam etwas näher.

„Ach…gar nichts, ich hab mich nur gerade wieder an etwas aus der Vergangenheit erinnert, das ist alles.“, sagte sie und musste wieder leicht Lächeln. Misa hob skeptisch eine Augenbraue.

„Na wenn du meinst…“, sagte sie und zuckte mit ihren Achseln. Nun kam Yoshi um die Ecke gelaufen.

„Was ist los, kommt ihr nun rein oder n-“ Yoshi wurde von einem seltsamen Geräusch unterbrochen. Ganz dicht neben ihr war ein Pfeil eingeschlagen. Sie sah sich um und ein überraschter Ausdruck spiegelte sich in ihren Augen wieder. Misa und Noriko sahen sich ebenfalls um – einen Moment später kamen Massen von Soldaten aus dem Wald gestürmt, welcher direkt um das Haus herum wuchs.

„Da sind sie, wir müssen sie vernichten!“, schrie einer von ihnen und die anderen stimmten ihm mit einem lauten Schrei zu.

„Ren, Riku! Kommt schnell her“, rief Misa in die Richtung des Hauses. Ren hatte anscheinend schon etwas bemerkt, denn keine Sekunde später kam er von oben angeflogen, das Katana in seiner rechten Hand ließ darauf schließen, dass vor dem Haus auch ein paar Soldaten waren.

„Wo ist Riku?“, fragte Noriko, als Ren neben Yoshi landete.

„Keine Ahnung, er wollte nur schnell hinter das Haus laufen, doch er hat sich wohl verlaufen…“, sagte er und schüttelte den Kopf. Misa’s Gesicht spiegelte Wut wieder.

„Wie kann dieser Idiot sich in so einer Situation nur verlaufen?“, fragte sie und wich einem Soldaten aus. Sie und Yoshi holten ebenfalls ihre Flügel hervor und nahmen eine Kampfhaltung ein.

Dann ging alles sehr schnell…
 

Noriko hielt sich die meisten Soldaten mit ihren Eisangriffen fern, Misa blendete sie und Ren griff mit Blitzen und Katana an. Yoshi, deren Fähigkeit zum ersten Mal gezeigt wurde, zog an dem Schwertgriff an ihrer Hüfte, sie machte eine Handbewegung und eine Klinge aus Luft bildete sich. Sie griff sehr schnell an, zerschnitt viele von den Soldaten. Auch die anderen drei konnten sehr viele Soldaten fertig machen, doch anscheinend waren es nicht genug, oder es fehlte ihnen einfach nur eine weitere Person, die dann die restlichen Soldaten erledigt hätte.

Jedenfalls achteten sie einen Moment nicht auf ihre Abwehr, als…

Mit einer schneidenden Bewegung traf der Pfeil sein Ziel, ein Schmerzensschrei ertönte und Yoshi ging zu Boden. Der Pfeil hatte sich genau durch ihre rechte Schulter gebohrt und war auf der anderen Seite wieder heraus gezischt. Sie hielt sich die Wunde und fluchte leise. Noriko sah sich nach ihr um, die Wut auf die Menschen übermannte sie, und…
 

„Yoshi!“, rief Ren laut und lief zu ihr, als er plötzlich ein verdattertes Gesicht machte: Hinter ihm konnte er ganz deutlich kalten Wind spüren, doch das konnte gar nicht sein, es herrschte doch gerade Hochsommer! Er drehte sich schnell um und machte ein noch viel fassungsloseres Gesicht als sein Blick auf Noriko fiel. Ihre sonst eigentlich grünen Augen funkelten in einem unheimlichen dunkelrot und dieser eiskalte Wind schien genau von ihr auszugehen.

„Was zum-“, stammelte er fassungslos, dann musste er einen Arm vor seine Stirn halten und ein Auge zukneifen, da nun plötzlich auch noch Schnee durch den Wind dazu kam. Was genau passierte da eigentlich?

Noriko konnte von innen nur fassungslos zusehen, wie Tora nun erneut von ihr Besitz ergriff und langsam jeden der Soldaten durch einen sehr starken und heftigen Eissturm tötete. Sie hatte es schon wieder nicht geschafft! Warum nur schaffte Tora es immer und immer wieder, von ihr Besitz zu ergreifen? Sie wollte nicht mehr schwach sein und so erhielt sie die Kontrolle über sich selbst wieder, nachdem alle der Soldaten zu großen Eisblöcken erstarrt waren. Ihre Augen bekamen wieder ihre satte grüne Tönung und sahen rüber zu Misa, Yoshi und Ren – Alle drei starrten sie seltsam an. Noriko schluckte hart und sah schnell zu Boden.

„Es…tut mir leid…“, murmelte sie leise und ging auf die drei zu, um nach Yoshi’s Wunde zu sehen. Ren konnte einfach nicht fassen, was genau da gerade eben geschehen war. Auch er musste hart schlucken, denn so hatte er die zierliche Lilahaarige noch niemals gesehen. Er bückte sich zu Yoshi herunter, die die ganze Zeit über einfach nur geschwiegen hatte. Misa und Noriko kamen nun auch bei ihr an und Noriko versuchte auch sofort, die Wunde zu heilen.

Doch nichts half, die Wunde wollte sich einfach nicht verschließen.

„Tut mir leid, aber meine Heilkräfte scheinen nicht mehr zu funktionieren…“, sagte sie leise und räusperte sich. Riku kam nun um die Ecke gelaufen. Er sah sich peinlich berührt um und kratzte sich am Hinterkopf.

„Tut mir leid Leute, ich hab mich wohl irgendwie verlaufen…“, meinte er und grinste, doch keinem der anderen vier war gerade nach Lachen zu mute. Noriko schenkte ihm einen bitterbösen und megawütenden Blick.

„Du hättest nur Ren hinterher laufen müssen!“, schrie sie schnaubend. Misa rannte direkt auf den Ältesten zu und verpasste ihm eine direkt ins Gesicht. Als Riku sein Gesicht wieder zu ihr zurück drehte, sah er, dass die Blonde Tränen in den Augen hatte.

„Du Idiot! Yoshi ist verletzt worden und das hätte verhindert werden können, wenn du Trottel auch da gewesen wärst!“, brüllte sie und ging an ihm vorbei, nicht ohne einmal seine Schulter gestriffen zu haben. Noriko schenkte ihm einen vollkommen verständnislosen Blick und ging ebenfalls an ihm vorbei. Ren und Yoshi folgten, Yoshi erklärte Ren, dass er sie nicht tragen müsse, weil nur ihre Schulter verletzt war und sie laufen könne, doch Ren hörte ihr nicht zu. Er schüttelte den Kopf in Riku’s Richtung.

„Kumpel…das war nicht gut…“ Riku sah zu Boden und steckte seine Hände in seine Hosentaschen.

„Tut mir ja leid…“, murmelte er und stolperte den vieren hinterher. Sie gingen zurück zu Noriko’s Haus um nun das Lager auf zuschlagen.
 

Der Tag neigte sich langsam aber sicher dem Ende zu. Noriko hatte sich seit dem Kampf und Yoshi’s Verletzung von den anderen abgesondert und saß jetzt auf einem felsigen Abhang. Sie betrachtete schon seit ein paar Minuten den Sonnenuntergang, welcher in wunderschönen roten Tönen langsam dem Horizont näher kam. Ihre ganzen Gedanken waren nun wieder bei den Geschehnissen, die ihre Schwester ihr gestern Nacht erzählt hatte.

Was sollte sie tun? Nach dem, was Miyuki ihr erzählt hatte…hätte sie die anderen kaum noch anschauen können. Miyuki hatte ihr alles erzählt…Sie hätte gerne gewusst, woher sie dies alles wusste. Das konnte sie wohl kaum nur durch Träume erfahren haben…oder doch?

//Ich…ich hatte keine Ahnung, dass…//, dachte die Lilahaarige und sah zu ihrem Körper hinab. Ihre Schwester hatte das Geheimnis herausgefunden…das Geheimnis hinter ihrem zweiten Ich, hinter all den Morden an Menschen, die jemals etwas mit der Winged Race zu tun gehabt hatten…und das Geheimnis um Tora. Wenn sie noch mal über alles nachdachte, schien ihr die Begegnung nicht Wirklichkeit gewesen zu sein. Das konnte doch nicht wirklich alles passiert sein…oder vielleicht doch?

Das stimmte, warum sollte ihre Schwester sie anlügen?

Seufzend richtete Noriko ihren Blick wieder zum Sonnenuntergang. Es war ihre Schuld. Sie war damals zu schwach gewesen, um sie davon abzuhalten…

Nun ergab alles plötzlich einen Sinn, ihre äußerliche Veränderung, ihr veränderter Charakter, der manchmal nach außen vor stieß…

Wie sollte sie dies alles nur wieder gut machen? Wegen Tora waren schon so viele unschuldige Leute getötet worden…und Noriko hatte tatsächlich unbewusst indirekt dabei mitgeholfen!

Tora war es also gewesen…Wegen ihr war damals der Krieg ausgebrochen, und sie war anscheinend die Einzige, die den Krieg wieder beenden könnte…doch das war für sie nun unmöglich, jetzt, da sie nicht länger in ihrem eigenen Körper lebte.
 

das stimmte…seit ihrem Tod vor zehn Jahren, hatte sie in Noriko’s Körper gelebt. Sie hatte Noriko aus Hass vor den Menschen dazu getrieben, all die Menschen umzubringen, die etwas mit ihrer Rasse zu tun gehabt hatten. Doch warum hatte sie dies getan? Warum hasste sie die Menschen so sehr?
 

Diese Frage hatte nicht mal Miyuki ihr erklären können. Doch wenigstens hatte sie ihr irgendwie erklärt, wie sie es mit Tora’s Hilfe schaffen könnte, den Krieg zu beenden. Das war sie den Menschen und den geflügelten Menschen schuldig…das war sie Ren und den anderen schuldig…und all denen, die unschuldig getötet worden waren. Sie würde das tun, was Miyuki ihr gesagt hatte, sie würde-

„Hey, No-chan! Was machst du hier so ganz alleine?“ Sie schreckte hoch. Ren kam angelaufen. Sie hatte seine Schritte eben nicht gehört…

„Was ist?“, fragte sie, und versuchte sich etwas zu beruhigen. Das stimmte…wenn sie alles tun würde, um den Krieg zu beenden, würde sie nicht mehr in der Lage sein, um mit Ren und den anderen dreien weiter zu reisen.

„Ich wollte nur fragen, warum du dich so abseilst. Ist irgendetwas vorgefallen?“, fragte der Blonde und setzte sich neben sie. Noriko zog ihre Beine an ihren Körper, legte die Arme darauf ab und ließ ihren Kopf auf ihre Arme sinken.

„Ist kompliziert…“, sagte sie nur.

„Verstehe…“, meinte Ren und stützte sich mit seinen Armen auf dem Boden ab. Eine Weile saßen beide still nebeneinander und sahen stumm zu, wie die Sonne langsam weiter zum Horizont sank. Doch dann brach Ren endlich die langanhaltende Stille.

„Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, oder?“, fragte er, und sah zur Seite. Noriko sah zu Boden und ihre Haare bedeckten ihr Gesicht. Er sollte nicht unbedingt sehen, wie sie leise vor sich hin weinte. Er hatte recht, er war immer für sie da gewesen. Immer, wenn es ihr schlecht gegangen war, war er da gewesen und hatte sie getröstet. Doch nicht nur er, Misa, Yoshi und Riku waren auch immer für sie da gewesen, und hatten ihr auch schon oft geholfen. Wenn sie jetzt wieder über die Dinge nachdachte, die Miyuki ihr erzählt hatte…war ihr einfach danach, zu weinen. Ren hatte eine Nacht im Schlaf geredet, dass er das Mädchen nicht nur suchen würde, um damit den Krieg zu beenden, sondern dass er sich an ihr rächen würde, für dass, was ihretwegen mit seinen Eltern passiert war. Und so war sich Noriko beinahe vollkommen sicher gewesen, dass Tora’s Morde etwas mit dem Anfang des Krieges zu tun gehabt hatten. Eine andere Erklärung gab es nicht. Das hieß, dass sie indirekt auch für den Tod von Ren’s Eltern verantwortlich gewesen war.

Kurz wischte sich die Jüngere die Tränen aus den Augen. Sie wollte es ihm erzählen, wollte ihm die ganze Wahrheit sagen, doch sie brachte es einfach nicht übers Herz. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie daran schuld war…er würde sie hassen…

Und so war sich Noriko bei ihrer Entscheidung noch sicherer, sie würde alles dafür tun…doch eine Sache musste sie nun auch noch tun, bevor sie für immer verschwinden würde…

„Hey, Ren…“, fing sie an, und wandte sich ihm leicht zu.

„Was gibt’s?“, fragte er und musterte weiter den Sonnenuntergang. Noriko nahm all ihren Mut zusammen, und kam ein Stück näher.

„Ich denke, ich muss etwas erklären. Aber ich weiß nicht recht, wie ich es anstellen soll…“ Überrascht wandte er sich ihr nun endlich zu.

„Was redest du denn?“, fragte er und er wollte noch mehr sagen, doch Noriko legte ihm einen Finger auf den Mund. Dann hob sie endlich den Kopf an und geschockt sah er die Tränen, die aus ihren Augen liefen.

„Auch, wenn wir uns immer gestritten haben, auch, wenn ich dich hintergangen habe, du standest steht‘s auf meiner Seite. Und dafür bin ich dir unendlich dankbar.“, fing sie an. Ren neigte den Kopf etwas zur Seite – Er verstand nicht ganz, worauf sie nun hinaus wollte. Sie kam noch ein Stück näher.

„Ich würde dir gerne die Wahrheit sagen, doch ich schätze, ich habe zu viel Angst, dass du mich hassen würdest.“

„Das könnte ich niemals!“, stritt Ren sofort alles ab, doch sie legte gleich wieder ihren Finger auf seinen Mund.

„Ich danke dir, für alles was du bis jetzt für mich getan hast, aber nun ist es an der Zeit für mich zu gehen.“ Ren’s Augen weiteten sich.

„Aber wieso denn das jetzt?“, fragte er, in seinem Inneren wimmelte es nur so von Fragen. Noriko schüttelte einmal sanft den Kopf und lächelte.

„Auch, wenn ich dir die Wahrheit nicht sagen kann…du sollst wissen, dass…“

Sie kam nun so nahe, dass ihre Gesichter sich fast berührten. Er konnte deutlich ihren warmen Atem spüren, der nun sein Gesicht bedeckte. Sie kam noch ein Stück näher, sodass sich ihre Lippen einmal berührten. Es war nur ein sehr kurzer Moment gewesen, ihre Lippen hatten die seinen nicht einmal richtig berührt, doch trotzdem reichten die Gefühle in ihm aus, dass sich eine Gänsehaut bildete. Sie ließ von seinen Lippen ab, wanderte mit ihrem Mund weiter zu seinem rechten Ohr, und hauchte ihm ein paar Worte hinein, denen er nicht trauen wollte. Es waren die Worte, die Miyuki auf die Rückseite des Blattes geschrieben hatte. Noriko erhob sich, wandte ihm den Rücken zu und ging näher an die Klippe heran.

„No-chan, was wird das jetzt?“, fragte Ren atemlos. Noriko drehte sich noch einmal zu ihm um – Er sah, dass sie lächelte, obwohl noch immer einige Tränen aus ihren dunkelgrünen Augen quollen. Und während sie ihn sanft anlächelte, ließ sie sich langsam fallen.

Ren handelte sofort, er sprang auf und ging zu der Stelle, an der Noriko eben noch gestanden hatte. Er wagte einen Blick nach unten – Nichts. Dort war absolut gar nichts, was den Eindruck machen könnte, dass gerade eben ein Mädchen freiwillig die Klippe hinunter gestürzt war. Als sie sich hatte fallen lassen, hatte er später weder einen Aufprall, noch ein anderes Geräusch gehört. Sie hätte nicht weggeflogen sein können, ihre Flügel waren doch verletzt…aber wenn Ren jetzt einmal darüber nachdachte, hatte er ihre Flügel schon eine Weile nicht mehr gesehen. Vielleicht hatte sie es ja tatsächlich irgendwie geschafft, ihre Flügel zu heilen. Doch ihm schwirrten immer noch ihre letzten Worte an ihn im Kopf herum. Was hatte das zu bedeuten? Was meinte sie nur damit? Warum…?
 

Glück ist nichts, was man einfach irgendwo finden kann, man muss es sich verdienen
 

Dieser eine Satz war so vieldeutig, dass er sich keinen Reim daraus machen konnte. Langsam fuhren seine Finger an seine Lippen. Er berührte genau die Stelle, die Noriko eben mit ihren Lippen berührt hatte, und ein wohliges Gefühl machte sich in ihm breit. Er ballte eine Hand zur Faust. Was hatte sie nur gemeint? Warum war sie die Klippe heruntergefallen?

„No-chan…warum?“

__________________________________________________
 

Nächstes Kapitel: 「友達」 ・ Freund 「Tomodachi ~ Come play with me」



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-02-10T15:28:43+00:00 10.02.2010 16:28
sorry, dass ich so lange kein kommiu gemacht hatte, aber konnte niht ins internet^^

also~
super kapitel, die norikoXren szene is ja sowas von gut geworden <3
und endlich wird einiges geklärt ;)
freu mich schon aufs nächste kap :)

ld, roxy-senpai xD

ps: von alice:
gaaanz liebe grüße von mir. :D
ja, ich finde in dem kapitel ist sehr viel gefühl und spannung... und ich finde, dass man, spaaaaß ich habs jetz nich gelesen, aber du weißt ja das ich dich lieb hab. nina hat gesagt ich habs gut beschrieben :D was kann ich noch sagen? mmh , naja das wird das längste kommentar das es je gaaaaab. morgen ist altweiber.:D und bla bla bla...
nerv ich dich langsam? ey ich sag dir. jeder der das jetz ließt hält mich für bescheuert. xD bla bla bla. ok das war ja noch nich alles :D doch, eigentlich schon. ich hab echt keinen plan was ich jetz noch schreiben soll. nina frisst cornflakes :D und ich schreibe dir eine nachricht. bla bla bla :D jetz reichts aber wirklich.

ok. bis moooooooorgen :D
ld
Von:  Shaytan
2010-02-08T21:52:59+00:00 08.02.2010 22:52
awwwwww ^///^
die stelle is soooo süß, aber auch total traurig... die arme no-chan, ich wüsste nich ob ich es ren sagen könnte. ich hätte wahrscheinlich auch angst das er mich hassen würde. sie tut mir so leid, aber wo is sie jetzt hin?? ren kann ihr doch bestimmt helfen? und warum is tora böse geworden??
lass doch nicht so viele fragen offen, das is soooo fies, aber ich würds auch nich anders machen, das macht es ja leider immer so spannend!
ggglg shaychen


Zurück