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Roadtrip

von

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Drama, Baby!

In Bremen angekommen, finden wir ein billiges Motel, in dem wir die Nacht verbringen können. Endlich wieder ein richtiges Bett. In großen leuchtenden Lettern verkündet das Motel schon aus weiter Ferne seinen Standort. Wir halten davor und treten ein. Lust, weiter zu fahren haben wir nicht, obwohl es erst acht Uhr ist. Also bleiben wir.

Die Frau an der Rezeption schaut uns ziemlich seltsam an, vor allem, als wir ein Doppelzimmer nehmen und uns mit einem Doppelbett zufrieden geben. Sicher denkt sie, wir machen perverse Dinge in unserem Raum, aber der Grund, warum wir das alles akzeptieren, ist das Geld. So kommt es uns einfach billiger. Sie sagt nichts weiter, drückt uns nur einen Schlüssel in die Hand und wir machen uns mit unseren Reisetaschen auf den Weg nach oben. Ich spüre ihren Blick in unserem Rücken, bis wir im oberen Stock verschwunden sind.

Wir haben gleich das erste Zimmer und als ich die Türe öffne, schlägt und ein muffiger, abgestandener Geruch entgegen und ich jage gleich zum Fenster und öffne es. Die Matratzen der Betten sind fleckig, im Bad liegen noch Haare am Boden. Es ist eklig, aber doch ist es gleichzeitig der Himmel. Fließendes Wasser, ein richtiges Bett… wen kümmert da noch mangelnde Hygiene?

Okay, wahrscheinlich hätten mich vor zwei Tagen keine zehn Pferde hier hinbekommen, aber heute sehe ich das alles anders. Heute bin ich einfach nur dankbar, nicht in einem VW Golf meine Nacht verbringen zu müssen.

Wir werfen uns ins Bett und merken erst jetzt, wie müde wir sind. Ich hätte nie gedacht, dass so ein Ausflug dermaßen anstrengen könnte, aber nun liege ich im Bett und merke, wie mich der Schlaf mehr und mehr übermannt.
 

Als ich am morgen aufwache, scheinen die ersten Sonnenstrahlen bereits hell durch die dreckigen Scheiben des Zimmers und ich höre das Rauschen der Dusche in unserem kleinen, ebenso dreckigen Badezimmer.

Ich stehe auf, reibe mir den Schlaf aus den Augen und höre, wie im Bad das Wasser abgestellt wird. Kurz darauf erscheint Jannis mit Shorts bekleidet und einem Handtuch um seine Haare gewickelt.

„Morgen,“ grinst er mich an und ich murmle einen Gruß zurück, ehe ich ins Bad gehe, um selbst zu duschen. Endlich Duschen. Mir kommt es vor, als hätte ich ewig nicht geduscht. Umso länger brauche ich auch, da ich den Wasserstrahl richtig genießen möchte. Als ich aus der Dusche steige, ist das für Jan das Strichwort, wieder im Bad präsent zu werden. Während ich mir nun die Zähne putze und durch meine Haare wuschle, kann er endlich sein geliebtes Glätteeisen benutzen.

Wenig später stehen wir top gestylt im Zimmer und fühlen uns wie neu geboren.

„So lässt es sich doch weiterziehen,“ freue ich mich und denke daran, dass wir mit dem heutigen Tag nun schon vier Tage unterwegs sind. Morgen werden wir Kiel erreichen. Bei dem Gedanken daran, kribbelt es in meinem Bauch vor Aufregung.

Bezahlt haben wir schon am Vortag und so schleppen wir unsere Reisetaschen sogleich nach draußen und steigen in den alten VW.

Als wir losgefahren sind, hatte ich ehrlich gesagt Angst, er würde es nicht schaffen. Aber nun bin ich ziemlich sicher, dass er uns noch gute Dienste leisten wird, bis wir die Dünen erreichen.

Wir haben leider keine Zeit, uns in Bremen näher umzusehen, auch, wenn wir das gerne getan hätten. So fahren wir gleich weiter, verlassen Bremen und finden uns inmitten von Niedersachen wieder. Erneut. Worpswede ist das nächste Ziel, welches wir bald erreichen sollten. Und wie hätte es auch anders sein können? Vor und nach Worpswede erfolgt ewig viel Pampa.

„Hier in der Nähe habe ich schon mal Urlaub gemacht,“ erzähle ich Jannis und blicke mich um. Worpswede. In der Nähe dieser Stadt war ich vor Jahren mit meinen Eltern.

„Ach ja?“, fragt mein Beifahrer nun und zieht eine Braue hoch. „Nette Gegend,“ meint er dann mit wenig Begeisterung in der Stimme und versucht sich an einem schiefen Grinsen. Aber ich erwarte nicht, dass ihn die Vorstellung von einem Urlaub hier erfreut. Mich hat die Vorstellung auch nicht erfreut.

„Meine Eltern sind so Naturfreaks, weißt du?,“ erläutere ich die Sache und grinse. „Meine sind eher TV-Freaks,“ gibt er zurück und klingt dabei ziemlich verbittert.

Er seufzt und ich tue es ihm gleich. So eine wirkliche glückliche Kindheit hatten wir wohl beide nicht.
 

Pampa. Nichts als Pampa.

Ich fluche vor mich hin, während wir weiter fahren, auch, wenn ich nicht mal mehr weiß, wo wir sind.

„Ich glaube, wir haben uns verfahren,“ meint Jannis sogleich und ich weiß, dass er das ‚wir’ nur aus Kameradschaft verwendet. Ich habe mich verfahren. Denn ich habe behauptet, ich wüsste, wo ich lang muss. Er weiß das und ich weiß das auch. Und genau das ärgert mich ziemlich und dieser Ärger ist wohl der Grund, warum ich diese Aussage als persönlichen Angriff auffasse.

„Haben wir nicht,“ erwidere ich also stur, obwohl ich keine Ahnung habe, wo es lang geht. „Doch. Du hättest da hinten abbiegen müssen,“ beharrt er nun auf seiner Meinung, hat sogar die Karte aufgeschlagen, um sich davon zu überzeugen.

„Sagt wer?“, frage ich dennoch angriffslustig.

„Sagt die Karte!“, wirft er genervt ein und deutet mit einem Finger energisch auf einen Punkt auf der Karte. Er hat seine Nägel frisch lackiert, bemerke ich.

„Red keinen Unsinn, ich kenne mich hier aus,“ murre ich nun beleidigt und fühle mich in meinem Stolz gekränkt. So ein Mist, dass ich mich verfahren musste. Ich überlege, wie ich unauffällig eine Schleife fahren kann, um am Ende da raus zu kommen, wo Jannis meint, dass wir hin müssen, aber mein Lieblingsemo lässt sich von meiner miesen Laune nicht beeindrucken, sondern wettert fröhlich weiter: „Du warst hier, als du Fünf warst. Wie kannst du behaupten, dich hier noch auszukennen!“

„Wir sind hier richtig,“ halte ich dagegen, obwohl sein Argument verdammt logisch und verdammt richtig ist.

In einem Anfall von purer Fassungslosigkeit – ich mach es ihm ja auch nicht leicht - schlägt er mit der Karte gegen die Armaturen, während er mich anfaucht: „Und warum ist dann bitte da vorne ein Schild, wo drauf steht, dass die Straße zu ende ist?!“

„Bitte,“ gebe ich trotzig zurück – noch immer der vorgetäuschten Meinung, wir wären richtig, und sehr in meinem Stolz gekränkt – „Warum fährst du dann nicht einfach, wenn du es so viel besser weißt?!“

„Weil ich schon eine andere Aufgabe habe,“ faucht er zurück und ich fürchte, dass er gleich die Karte zerfetzen wird, wenn ich nicht endlich aufhöre, ihn zu nerven. Und ich nerve mich ja selbst, aber ich bin so sauer. Nicht auf ihn, sondern auf mich, weil ich mich in so eine peinliche Lage manövriert habe.

„Die da wäre?“, will ich wissen und werde mit Blicken erdolcht, während er meint: „Karten lesen und gut aussehen. Dinge, die du beide nicht kannst!“

Und in dem Moment weiß ich, dass er weiß, dass ich gar nicht sauer bin und dass ich weiß, dass er es weiß. Und in über all diesem Wissen und Nichtwissen wissen wir Beide, dass wir den jeweils Anderen nicht so ernst nehmen sollten, das es nur Spaß ist.

„Sagst ausgerechnet du?“, necke ich ihn und das aggressive aus meiner Stimme ist verschwunden. „Du siehst doch aus wie eine Vogelscheuche.“

„Ja, aber eine hübsche Vogelscheuche,“ kontert er und auch seine Stimme klingt milder.

Wir vermeiden es tunlichst, jetzt zu lachen, aber ein Grinsen kann sich keiner von uns verkneifen.

Ich wende, fahre zurück und biege dort ab, wo Jannis der Meinung ist, dass wir abbiegen sollten.

Wenig später sind wir tatsächlich wieder auf der richtigen Straße und das ja auch fast ohne Drama.
 

Als wir gegen Mittag in Buxtehude ankommen, könnten wir wohl beide den Boden küssen. Eine Stadt. Eine richtig große Stadt nach gefühlten Jahren in der Pampa.

Und gleichzeitig ein weiter Meilenstein auf unserer langen, erschwerlichen Route nach Kiel.

Nach Buxtehude kommt irgendwann Hamburg und dort halten wir. Wir haben noch ein wenig Geld übrig und decken uns in einem Supermarkt mit neuen Wasserflaschen ein, ehe wir vom Rest beschließen, zu tanken und danach Essen zu gehen.

Wenig später sitzen wir bei einem Chinesen und stopfen gierig Bratnudeln in uns hinein, dass erste vernünftige Essen seit langem.

Wir haben es nicht eilig, Hamburg zu verlassen. Unser nächstes Ziel ist für heute eh nur noch Ahrensburg, den Rest der Strecke heben wir uns für Morgen auf.

Morgen, Tag Fünf… Kiel.

Noch immer ein unvorstellbares Ziel, obwohl wir kurz davor sind, es tatsächlich zu erreichen.

„Ich glaube, ich geh hier nie wieder weg,“ verkündet mir Jannis, während er einen Nachtisch – gebackene Bananen – in sich stopft. Er hat schon mehr gegessen als ich. Dabei ist er doch kleiner und schmaler. Ich schüttle den Kopf.

„Wieso bist du eigentlich nicht fett?“, will ich wissen und er grinst. „Guter Stoffwechsel?“

Ich ziehe nur die Brauen hoch.
 

Nach dem Essen – um nicht großes Fressen sagen zu müssen – gehen wir noch ein Stück durch Hamburg. Ich würde gerne die Reeperbahn sehen, aber dafür haben wir keine Zeit. Vielleicht auf den Rückweg… Aber bei dem Gedanken an eben jenen wird mir schlecht. Wie auch immer wir zurückkommen… wir werden entweder eine miese Stimmung haben oder in Begleitung von anderen sein.

Wieder einmal habe ich keine Lust, diesen Ausflug je enden zu lasse. Vielleicht sollten wir uns ein neues Ziel setzen. Sibirien oder so…

Wieder im Auto, hänge ich meinen düsteren Gedanken weiter nach, während Jannis sich seiner Lieblingsbeschäftigung gewidmet hat: Karten auswendig lernen.

Wir hören wieder meine Musik. HipHop. Und diesmal sagt mein Emo gar nichts dazu.

Mein Emo… ich schüttle den Kopf. Was ich schon alles denke, nur weil ich ein wenig Zeit mit Jan verbracht habe…

„Wir sollten uns doch mal überlegen, was wir machen, wenn wir dort sind?“, beende ich das Schweigen im Auto und lasse Jannis somit an meinen deprimierenden Gedanken teilhaben. Soll er mitleiden, dafür ist er ja da.

Er sieht flüchtig zu mir und meint dann nur resignierend: „Wir werden in Kiel ankommen und das Telefon wird klingeln.“ Nun richtet er sich in seinem Sitz auf, legt die Karte weg, sieht mich direkt an. Sein Ton wechselt ins Gleichgültige. „Meine Mum wird mich hysterisch fragen, wo ich bin, weil sie mich an der Bushalte abholen wollte und der Köpke ihr mitgeteilt hat, dass er uns vom Ausflug ausgeschlossen hat. Ich werde ihr notgedrungen sagen, wir sind in Kiel.“

Ich erwidere seinen Blick kurz, ehe ich wieder auf die Straße achte und einfalle: „Dann wird ein unglaublich wütender Schrei ertönen und sie wird dich fragen, wie wir nach Kiel gekommen sind und ob das ganz zufällig etwas mit dem verschwundenen Auto Köpkes zu tun hat.“

Wir seufzen zeitgleich und unsere Miene nimmt den Ausdruck von Trauergästen auf einer Beerdigung an, die es nicht wahr haben wollen, aber wissen, dass sie daran nichts mehr ändern können. Und genau wie sie, verstricken wir uns ins Grübeln, mit dem Unterschied, dass wir eigentlich von unserer Beerdigung sprechen. Darauf wird es hinaus laufen, ganz sicher. Sie werden uns umbringen!

„Wir werden bestätigen, dass wir das Auto haben und der Köpke wird vor Wut den Bus umschmeißen,“ spinnt Jan weiter und langsam nimmt sein Ton etwas zynisches an. Ich muss grinsen, weil er Recht damit hat, es von der lustigen Seite zu sehen. „Meine Mum wird hysterisch heulen und ihrem Lover die Schuld geben und deine…“

„…wird sagen, dass sie mich tötet, falls ich leben nach Hause komme. Micha wird sich sicher im Hintergrund schlapp lachen und von Köpke ne Strafarbeit kassieren.“

„Dann werden sie sagen, wir sollen in Kiel bleiben, sie werden am nächsten Tag hochfahren und uns abholen.“

„Und dann tauchen sie auf. Mit einem Großaufgebot an Polizei und dem Köpke im Schlepptau, der uns wegen Diebstahl angezeigt hat.“

„Man wird uns festnehmen und wir kommen in den Knast. Du wirst deinen Führerschein wieder los…“ „…und du wirst deinen nie machen dürfen. Außerdem werden wir von der Schule verwiesen…“

Wir fallen in Schweigen und keiner von uns wagt es ‚Happy End’ hinzu zu fügen, obwohl es uns sicher beiden auf der Zunge liegt.

Irgendwann resigniert Jan wieder: „Lass uns die Handys in der Ostsee versinken und abhauen?“

„Ich hab an Sibirien gedacht.“

„Bin dabei.“

„Okay.“

„Okay.“

Stille. Dann prusten wir los.
 

Eine geraume Zeit später erreichen wir Ahrensburg. Tag vier… hier endet er also. Zumindest im Sinne des Fahrens. Ansonsten sind wir noch zu munter, um uns Schlafen zu legen. Abgesehen davon, dass wir keine Lust haben, uns schon in den VW zu quetschen.

Wir haben auf den Weg hier hoch leider keinen Fluss oder See mehr entdeckt, als dass wir uns hätten Waschen können, obwohl wir es nach einem Tag in einem heißen Auto – heute hat es nämlich nicht mehr geregnet, sondern es herrschte knallender Sonnenschein – sicher gebraucht hätten.

Muffelnd sprühen wir uns dick mit Deo ein und waschen uns notdürftig mit dem Inhalt einer Wasserflasche.

Wir beschließen, den Abend ausklingen zu lassen, in dem wir uns in Ahrensburg umsehen. Und so laufen wir wenig später durch die warme Abendluft zur Stadt. Das Auto parkt sicher auf einem Rasthof.

Ahrenburg am Abend ist nicht berauschender, als andere Städte, aber wir erwarten auch nicht viel, sondern gehen einfach in einen Pub und lassen uns dort an der Bar nieder. Ich trinke nichts und Jannis aus Kameradschaft auch nicht – vielleicht will er sich auch nur nicht alleine besaufen –, also begnügen wir uns mit einer Cola.

Hauptsache, ein wenig ablenken, von den Gedanken, die uns, seit unseren Spinnereien im Auto, quälen.

Eine Liveband spielt hier und wir amüsieren uns dennoch, lästern über Lehrer, Mitschüler und ich stelle immer mehr fest, wie wenig sich unsere Gedanken doch unterscheiden. Warum ich ihm nie die Chance gegeben habe, einer meiner Freunde zu werden, kann ich jetzt nicht mehr nachvollziehen. Rein gar nicht.

Überhaupt bin ich noch immer der Meinung, dass er mein Leben verändert hat, das dieser Ausflug nur mit ihm so perfekt hat werden können, wie er es letztlich war. Mit Micha wäre alles anders gelaufen. Und das hätte mir nicht gefallen.

„Wenn wir wieder in der Schule sind,“ überlegt er irgendwann und spielt mit der Zitronenscheibe in seinem Colaglas. „Reden wir dann noch miteinander?“

Ich sehe ihn überrascht an. „Natürlich.“

„Ich dachte nur…“ Aber er sagt mir nicht, was er gedacht hat und ich weiß es dennoch. „Glaubst du echt, es würde wieder so werden können, wie vorher?“

Er zuckt mit den Schultern und ich beuge mich zu ihm vor. „Ich kann mir im Moment nicht mal vorstellen, einen Tag ohne dich zu verbringen. Wie könnte ich dann mein Leben wieder ohne dir gestalten?“

Er erwidert meinen Blick und lächelt schwach und ich schlucke schwer und werde mir bewusst, was ich da schon wieder von mir gegeben habe. Ich öffne den Mund, um dem ganzen den kitschig-romantischen Touch zu nehmen, aber in dem Moment steht ein Mädchen vor uns, grinst uns an und stellt sich als Tanja vor.

Wir müssen ziemlich irritiert aus der Wäsche geguckt haben, denn sie lacht los und fragt uns dann, wie wir heißen. Wir nennen unsere Namen.

„Ihr seit nicht aus der Gegend, oder? Ich hab euch hier noch nie gesehen!“

Sie wirft uns einen viel sagenden Blick zu, der Alles und Nichts bedeuten kann.

„Nein,“ schüttle ich also den Kopf und erzähle ihr knapp, wo wir herkommen und wie es uns hier her verschlagen hat.

„Cool,“ befindet sie dann und winkt nach einer Freundin.

„Schau mal, die Jungs sind mit dem Auto hier auf großer Reise. Sie kommen aus Aschaffenburg. Das liegt in Bayern.“

Das Mädchen – Mina heißt sie – macht große Augen.

„Ich hab dir ja gesagt, ich hätte mich an ein schwules Pärchen erinnert,“ meint sie dann an Tanja gewandt und Jan und ich wechseln einen verwirrten Blick. Schwules Pärchen?!

„Ähm,“ will ich die Sache klar stellen, aber Tanja grinst uns nur an. „Das ist ja so süß. Ihr gebt wirklich ein niedliches Paar ab.“

Ich sehe noch einmal zu Jan, der nur mit den Schultern zuckt und muss grinsen. Sicher hat sie gesehen, wie ich mich vorhin zu ihm gebeugt habe, anders kann ich mir gar nicht vorstellen, dass sie auf die Idee kommen könnte… Immerhin haben wir ja nicht geknutscht oder uns verliebte Blicke zu geworfen! Oder?! Natürlich. An ersteres hätte ich mich ja wohl erinnert und an zweiteres… auch!

Zum gefühlten Hundertsten Mal blicke ich also zu Jan, dessen Miene mir nicht sagt, was er denkt. „Tja, so sieht’s aus,“ gebe ich Tanja Recht und Jan kriegt große Augen, verschluckt sich zudem noch an seiner Cola. Ich klopfe ihm beherzt auf den Rücken, damit er mir nicht wegstirbt.

„Oh,“ jubelt ihre Freundin währenddessen und fordert: „Könnt ihr euch mal küssen? Bitte!“

Ich überlege nicht lange, sondern nicke nur. Zum Glück sieht sie nicht, wie Jans Gesichtzüge gänzlich entgleisen, als ich mich zu ihm beuge und ihn küsse.

Was tue ich da? Erschrocken von mir selbst, such ich nach einem plausiblen Grund für diese Handlung und finde keinen. Wenigstens bin ich nicht der Einzige, der gar nichts mehr versteht.

„Was tust du da?“, raunt er in den Kuss und ich schlinge die Arme um seine Hüften. „Ihr eine Show bieten.“

Aber trotz dieser Antwort habe ich für mich persönlich keine gefunden. Mache ich es wirklich wegen Tanja? Mit dem Image als Schwuler werde ich sie kaum noch rumkriegen, aber ehrlich gesagt will ich das gar nicht, bin ich gerade rundum glücklich mit der Situation, was mir ein wenig Angst macht.

Tanja und Mina quietschend jedenfalls entzückt (vielleicht sind sie ja so begeistert, dass sie uns heute Nacht einen Schlafplatz gewähren), ich küsse Jan, der sich verdächtig wenig dagegen sträubt und finde den Abend plötzlich unglaublich gelungen. Eigentlich eine Katastrophe, ich hab nicht mal was getrunken, als das ich vorschieben könnte, das Ganze hier deshalb toll zu finden. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken. Nicht jetzt. Dafür habe ich ja auch noch später Zeit.

Später…
 

Später sitzen Jan und ich wieder im Auto. Unsere kleine Kussshow hat Tanja und Mina zwar unterhalten, Unterkunft wollten sie uns aber nicht geben, so dass wir nun doch wieder im VW hocken und versuchen, zu schlafen.

Ich seufze. Der Kuss brennt noch auf meinen Lippen und ich sehe zu Jan, der so unruhig ist, dass ich davon ausgehe, dass er noch nicht schläft.

„Du küsst gar nicht schlecht,“ versuche ich die seltsame Stimmung aufzulockern, die da zwischen uns liegt. Aber er erwidert nichts und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. „Jan?“

„Warum hast du das gemacht?“ Eine klare Frage, die eine klare Antwort erfordert. Aber diese kann ich ihm nicht geben. Ich könnte sagen, ich tat es, weil ich wollte, dass man uns ein Plätzchen zum Schlafen anbietet. Aber so wirklich geglaubt habe ich daran eh nie und nun würde er es mir auch nicht abkaufen. Ich könnte auch sagen, dass ich scharf auf ihn bin, aber so wirklich stimmen tut das auch nicht. Obwohl ich in der Tat einen gewaltig großen Haufen Zuneigung ihm gegenüber empfinde. Vielleicht wollte ich das ja mit einem Kuss deutlich machen. Aber man küsst keine Kerle, nur weil man sie mag. Sonst hätte ich Micha ja schon tot knutschen müssen…

Über all diese Gedanken vergesse ich fast, zu antworten und als ich es tue, sind wir beide mit der Antwort unzufrieden: „Ich weiß nicht so Recht…“, sage ich und er seufzt, ich höre es ganz deutlich. Die Antwort war definitiv nicht, was er hören wollte. Er dreht sich von mir weg und ich falle in einen unruhigen Schlaf.
 

Am nächsten Morgen wache ich früh auf, blicke zu Jannis und stelle mir die gleiche Frage, wie er am Abend zuvor. Warum?

Ich weiß es nicht. Ich weiß es tatsächlich nicht. Aber ich weiß, dass ich es nicht wirklich bereue und ich glaube zu wissen, dass er es auch nicht bereut. Und das ist verwirrend und schön zu gleich und ich frage mich, was überhaupt los ist. Gerade war noch alles normal, dann küsse ich ihn und dann ist alles ganz anders. Mit einem Mal. Mit einem Kuss. Warum habe ich das getan?

Ich rutschte näher zu ihm – ziemlich unbeholfen – und streiche ihm dann sanft durchs Haar, bis er erwacht und mich fragend ansieht. „Was ist los?“

„Nichts,“ flüstere ich und sehe ihn an. Ob da mehr ist? Mehr zwischen uns Beiden?

„Wenn du schläfst, siehst du aus wie ein Mädchen. Weißt du das?“

„Pff,“ erwidert er und ich grinse. Und dann sieht er mich an. Bettelnd? Verlangend? Ich kann es nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass er dabei wahnsinnig schön aussieht. Und ich weiß was er will und ich weiß nicht, ob ich es will, aber ich tue es trotzdem. Ich beuge mich vor und küsse ihn. Er keucht erschrocken auf, als hätte er nicht geahnt, auf was es hinausläuft. Als hätte er es nicht gewollt. Aber ich schätze, er hat nur nicht damit gerechnet, dass ich es auch will. Irgendwie zumindest.

„Sam?“, meint er nun total verunsichert. Ich höre es am Zittern seiner Stimme und bin plötzlich ganz ruhig und leergefegt von allen Gedanken.

„Ich weiß nicht warum, okay?“, meine ich abwehrend, denn ich will jetzt nicht darüber nachdenken und schon gar nicht darüber reden. Ich ziehe ihn nur näher zu mir und meine: „Lass mich einfach, wenn es okay ist.“

Und dass es okay ist, erkenne ich an dem Lächeln, dass sein hübsches Gesicht nun ziert. Ich sehe ihm in die Augen. Wasserblau, wunderschön. Wieso ist mir das nicht schon eher aufgefallen? Ist es. Ich habe ihm nur nie die gleiche Bedeutung beigemessen, wie jetzt.

Ich beuge mich vor. Und dann küsse ich ihn. Nicht so fordernd, spielend, wie im Pub, in dem es nur darum ging, Tanja und Mina zu beglücken (oder auch nicht). Nein, diesmal koste ich es voll und ganz aus, weil es nur darum geht, uns zu beglücken. Es geht um uns, nur um uns. Ich fühle seine Lippen weich auf meinen, wie sie sich gegen mich drücken, sich gegen mich bewegen, ich spüre sein Piercing hart gegen meine Lippen drücken und doch spüre ich ihn auch kaum. Ich spüre seine Lippen, die nach meinen schnappen und spüre zeitgleich die seinen zwischen meinen. Meine Arme schlingen sich um ihn, meine Hände krallen sich in sein Shirt und ich ziehe ihn näher.

Er öffnet seine Lippen, nur ein kleines Stück, aber breit genug, dass ich mit meiner Zunge in seinen Mund dringen kann. Ich stupse die seine an, spiele mit ihr.

Jans Körper presst sich enger an mich, ich spüre seine Muskeln arbeiten, wenn er sich bewegt und spüre seine Nähe, so warm und anschmiegsam an mir.

Wenig später habe ich ihn von seinen Klamotten befreit, bin über ihn und in einem stetigen Ansteigen unseres Verlangens spreizt er die Beine, sodass ich in ihn dringen kann. Und er ist so eng, dass ich glaube, in meiner Lust zu vergehen. Ich stöhne laut auf, weil ich nicht mehr an mich halten kann, stoße daraufhin nur noch härter in ihn. Härter und schneller. Und tiefer.

Und er biegt unter mir den Rücken durch und presst mir seine Hüften entgegen. Im Wagen ist es eng und stickig, aber das ist uns egal. Wir schwitzen so sehr, dass wir glauben, gleich zu schmelzen, aber das hält uns nicht davon ab, nach immer mehr von dem Anderen zu gieren. Ich will ihn besitzt und ich weiß, er will, dass ich ihn besitze.

Ich küsse seine Hals, meine Hände sind überall an ihm und ich berühre ihn, bis wir beide kommen, er in meiner Hand, ich in ihm.

Danach lasse ich mich erschöpft auf den Sitz zurück gleiten, drehe mich zu ihm und sehe ihn an.

„Und jetzt?“, fragt er nach einiger Zeit, während ich angefangen habe, mit seinen Haaren zu spielen. Und jetzt? War es bisher nur ein Spiel? Ist es jetzt Ernst? Was machen wir, wenn dem so ist? So viele Fragen in einer vereint…

Ich greife nach seiner Hand, drücke sie fest und fahre mit dem Daumen daran auf und ab.

„Keine Ahnung. Aber… ich fand’s schön und so…“ Ich stammle etwas vor mich hin, was Sinn ergibt, oder auch nicht und er nickt und lächelt. Und ich lächle auch und küsse ihn flüchtig und finde es toll.

„Ich steh eigentlich nicht auf Kerle,“ murmle ich dann. „Ich auch nicht,“ erwidert er.

„Aber dich will ich. Unbedingt,“ füge ich hinzu, weil es sonst klingt, als wollte ich es beenden. Und das will ich nicht. „Ich dich auch. Unbedingt,“ erwidert er wieder.

Ich lächle wieder und küsse ihn noch mal.

Mein Gott, sind wir kitschig. Mein Gott, finde ich das toll.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Tajuja-chan
2013-01-09T17:16:59+00:00 09.01.2013 18:16
Waaaahhhh... Wassn ekliges Motel >.<
Wie mega süß *_*


Zitate =) :

„Ja, aber eine hübsche Vogelscheuche,“ - Ich stell mir grad vor wie er schmollend im Auto sitzt und diesen Satz sagt XD Süß <3

LG Tajuja-chan =)
Von:  Last_Tear
2011-06-10T16:28:47+00:00 10.06.2011 18:28
Aw~ cute *.*
*hrhrhr
Micha~ ich sag doch Dreier XP
*hust*
Son spontanes Übereinanderherfallen kenn ich auch ja ja XD"
Nur zu gut
*roll*
Hach ja~ die beiden sind sooo knuffig
*.*
Ich hab Bock die Sexszene zu zeichnen
*kichers*
Echt jetzt mal XD
Von: abgemeldet
2011-06-04T13:22:48+00:00 04.06.2011 15:22
ich hab die ff jetzt entdeckt und- ohmeingott, wie wunderbar! :D alle bisherigen kapitel in einem durchgelesen, und freue mich total auf's nächste kapitel. (:
das kapitel gefällt mir irgendwie besonders, weil's so mega kitschig und alles ist. :D bin gespannt, wie's weitergeht!

liebe grüße (:
Von:  LichterSchrei
2011-06-04T11:26:30+00:00 04.06.2011 13:26
gott ist das eklig kitschig niedlich^^
ich bin immer noch so verdammt gespannt wie der trip endet xD sibirien fänd ich auch gut^^
oder sie versenken sich mit dem vw im meer
aber awww~ sie müssen zusammen bleiben *-*
du hast mir mal wieder ein lächeln aufs gesicht gezaubert mit der story ^-^

lg
Von:  _haiiro_
2011-06-03T20:28:39+00:00 03.06.2011 22:28
aaaw wie süß :)
man kann nu hoffen das das ende nich zu hart wird :D von wegen anzeige und schulverweis un soo
Von:  Crazypark
2011-06-03T19:12:26+00:00 03.06.2011 21:12
das war ja echt mal von 0 auf 100 xD und das völlig ohne alk, damit hatte ich nicht gerechnet :D und dafür, dass jan angeblich nicht auf kerle steht, hat er aber ziemlich schnell die beine breit gemacht. bin gespannt, wie es jetzt zw den beiden weiter geht und was in kiel passiert ^^
Von:  Inan
2011-06-03T18:51:43+00:00 03.06.2011 20:51
Sie haben also einen sentimentalen Anfall und dann spontanen Sex, solls ja geben xD
Die Beiden sind einfach sooo knuffig x3
Tolles Chap^^
Von:  Tundaner
2011-06-03T17:40:08+00:00 03.06.2011 19:40
Me gusta.
Also...ich mag die ff insgesamt xD
Irgendwie ja knuffig...
Bin ja mal gespannt wies weitergeht :3



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