Zum Inhalt der Seite

Kaffee und Vanille 2

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Phantom der Oper

Den Dienstag verbringe ich damit, dass erste Mal beim Training den Kapitän raushängen zu lassen. Was eigentlich nicht mehr von mir fordert, als bisher. In der Position als Point-Guard ist es eh meine Aufgabe, als Spielmacher zu fungieren, Bälle günstig zu passen oder zu erkennen, wann es sinnvoller ist, aus Distanz zu werfen.

Das heißt, dass ich eigentlich schon immer dafür zuständig war, Passfolgen und Tricks ins Spiel einzubauen und das Team an die Gegner anzupassen.

Und langsam begreife ich, was Valentin, Tobias und wohl auch alle anderen meinten. Ich habe schon als Kapitän fungiert, als ich noch gar nicht gewählt war.

Wahrscheinlich hat es mich nur irritiert, weil in meinem alten Team Benni, seines Zeichens Small-Forward, Kapitän war.

Etwas anderes, was ich vom Trainer erfahre ist, dass die zwei Stimmen, die sich enthalten waren, ihm und dem Cotrainer gehört haben. Sie meinten, sie wollten sehen, wie die Mannschaft entscheidet und haben deshalb keine Stimme abgegeben. Das bedeutet, dass tatsächlich die Mehrheit des Teams mich akzeptiert hat und ich nicht nur dank der Trainerstimmen gewonnen habe.

Zwar nur ein kleines Detail, für mich aber unglaublich wichtig.

Und noch etwas ist anders. Genau, wie Benni es vorausgesehen hat, sind heute alle irgendwie netter zu mir. Nicht, dass man sich groß mit mir unterhält. Aber bisher habe ich nicht eine Beleidigung an den Kopf geschmissen bekommen, was wirklich neuer Rekord ist.
 

Ich bin ziemlich vergnügt, als ich den Weg nach Hause antrete.

Ich habe Benni und Jona schon eingeweiht, dass ich neuer Kapitän bin und auch sie waren keineswegs verwundert. Mittlerweile glaube ich, sogar die Oma im Nachbarhaus wusste, dass ich Kapitän werde, ehe ich nur den blassesten Schimmer davon hatte.

Aber auch diese Erkenntnis kann meine Laune nicht mindern. Gerade fühle ich mich unglaublich gut. Und das hält auch noch so lange an, bis ich im Wohnheim ankomme.

Als ich vor meiner Türe zum stehen komme, fällt mir sofort die ohrenbetäubende Musik auf, die aus Valentins Wohnung zu stammen scheint. Er ist also schon hier.

Ohne zu zögern, krame ich nach dem Schlüssel seiner Wohnung – wir haben unsere Ersatzschlüssel getauscht – und öffne die Türe.

Drinnen ist es noch lauter, als im Flur, aber wundern tut mich das nicht. Wenn er Musik hört, dann richtig.

Manchmal wünschte ich mir zwar, er würde etwas harmonischeres hören, als diese seltsame Mischung aus harten Gitarrenriffs, Singsang und Geschreie, aber selbst damit habe ich mich schon so mehr oder minder angefreundet.

Mit was ich mich überhaupt nicht angefreundet habe, ist Sven. Aber genau den erblicke ich, als ich in Valentins Wohnzimmer trete, das wie immer aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen.

Dieser komische Sweeney-Todd-Verschnitt blickt auf, als ich über einen Berg Klamotten steige und grinst mich dann an.

„Oh, hallo. Du bist ja schon zurück.“ Er brüllt über die Musik hinweg und auch ich muss lauter sprechen, damit er mich versteht.

„Was dagegen?“, erwidere ich jedenfalls grimmig und sehe mich um. „Wo ist Valentin?“

„Er zieht sich wohl gerade an.“

So provozierend, wie er das sagt, weiß ich sofort, dass ich mir keine Sorgen machen brauche. Er kann es gerne so darstellen, als hätten sie sich gerade in den Kissen gewälzt, ich weiß es einfach besser.

Also gehe ich nicht darauf ein, sondern wende ihm nur den Rücken zu und sammle eine CD vom Boden auf, ehe jemand darauf tritt. Im nächsten Moment tritt Valentin aus dem Schlafzimmer, in eine rote Jeans gehüllt, an der noch das Etikett hängt.

„Oh Josh!“, freut er sich, als er mich entdeckt. „Wir waren gerade shoppen. Guck mal, was ich gekauft habe!“

„Sitzt wie angegossen,“ kommentiert Sven das Ganze, ehe ich auch nur etwas dazu sagen kann.

„Warum wart ihr shoppen?“ Ich runzle die Stirn. Ich hasse es, wenn sie außerhalb der Bandprobe Zeit miteinander verbringen.

„Sven hat sich angeboten, als ich ihm gesagt habe, ich bräuchte eine neue Jeans und dass du vom Shoppen nie so begeistert bist,“ erklärt er mir flüchtig und ich nicke, ärgere mich aber. Klar hasse ich es, stundenlang mit Valentin Kaufhäuser zu durchkämmen. Aber ich hätte mich liebend gerne geopfert, wenn er nur nicht mit diesem blöden Kerl gegangen wäre.

„Also sind wir nach der Probe losgezogen,“ endet er und sieht mich fragend an: „Sehe ich gut aus?“

Als gäbe es auch nur einen Tag, an dem er nicht gut aussieht. Wenn man ihn in einen Müllsack hüllen würde, sähe er noch gut aus.

Ehe ich das sagen kann, kommt mir wieder Sven zuvor: „Umwerfend, Val! Dein Po sieht darin richtig geil aus.“

Ich verenge die Augen, während Valentin sich halb verrenkt, um einen Blick auf seinen anbetungswürdigen Knackarsch zu werfen.

Auf eben diesen knalle ich nun demonstrativ meine Hand und meine: „In der Tat. Du siehst wahnsinnig sexy aus.“

Daraufhin blickt er mich freudig an und küsst mich kurz. „Darin kannst du mich bald jederzeit bewundern.“

„Ich freue mich schon,“ grinse ich zurück und als er geht, um sich wieder umzuziehen, werfe ich Sven einen triumphierenden Blick zu.

Er ignoriert mich.

Wir schweigen, bis Valentin wieder zurück kommt, in eine Bluejeans gehüllt, die er heute Morgen bereits angezogen hatte.

„Danke noch mal, dass du mitgegangen bist,“ wendet er sich Sven zu und der steht notgedrungen auf. Valentins abschließender Tonfall war Aufforderung genug.

„Man sieht sich dann an der Uni,“ verabschiedet er sich von Valentin, wirft mir noch einen bösen Blick zu und geht dann endlich.

„Bist du sauer, dass ich mit ihm shoppen war?“ Valentin sieht mich fragend an und ich schüttle den Kopf.

„Aber so sehr ich shoppen auch hasse,“ meine ich dann, „so sehr genieße ich es, Zeit mit dir zu verbringen.“

Daraufhin lächelt er und küsst mich. „Ich weiß, dass du eifersüchtig auf Sven bist. Aber du musst mir glauben, dass ich die ganze Zeit nur überlegt habe, in was du mich attraktiv finden könntest.“

Ich ziehe ihn in meine Arme. „Ich finde dich in allem attraktiv, Valentin.“

Er küsst meine Brust, durch den Shirtstoff hindurch, und ich grinse und schiebe ihn Richtung seines Schlafzimmers.

„So toll die Jeans auch sind, die du so besitzt… ohne gefällst du mir noch besser,“ erläutere ich ihm mit anzüglichen Ton und er lacht und lässt sich auf sein Bett fallen, zieht mich mit sich.
 

Später am Nachmittag sitzen wir in Shorts in Valentins Küche und er kocht Kaffee. Die CD, die er abgespielt hat, ist zu Ende und er macht sich nicht die Mühe, eine neue einzulegen. Ich erzähle ihm gerade begeistert, wie das Training verlaufen ist, als mir etwas auffällt, was mein komplettes Weltbild mit einem Mal zerstört.

„Warum trinkst du Tee?“

Er scheint mir nicht antworten zu wollen, reicht mir nur die Tasse Kaffee, ehe er sich mit einem scheußlich riechenden Kräutertee neben mir niederlässt. Dann endlich meint er: „Ich hab da so ein Kratzen im Hals. Ich will nicht krank werden.“

Ich runzle die Stirn. Wie hat er es geschafft, sich bei den warmen Temperaturen zu erkälten?

„Ach deswegen rennst du mit einem Halstuch rum, obwohl wir solch tropische Temperaturen haben.“

„Die Temperaturen sind gar nicht tropisch,“ murrt er und richtet eben jenes Halstuch, dass mir erst jetzt wirklich auffällt, wo ich darauf achte.

„Und ja. Deswegen.“

Ich muss lächeln, kann ihn aber verstehen. Er ist immerhin Leadsänger seiner Band. Er kann es sich nicht leisten, erkältet zu klingen.

Mürrisch klatscht er sich einen Löffel Honig in den Tee und nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht.

„Abartig!“

Ich muss lachen und beschließe, dass ich extra für ihn Tee mit Kaffeegeschmack kaufen sollte – wenn es das überhaupt gibt.
 

Als am nächsten Morgen Valentins Handywecker losgeht – soll heißen, dass mir eine seiner furchtbaren Bands laut ins Ohr kreischt – fluche ich ungehalten und richte mich auf. Gerade, als ich den Wecker ausstellen will, bemerke ich, dass Valentin nicht mehr neben mir liegt.

„Valentin?“, meine ich fragend uns stehe auf, trete hinaus ins Wohnzimmer. „Schatz?“

Keine Antwort. Normalerweise würde ich ihn in der Küche erwarten, aber nichts deutet daraufhin, dass er Kaffee kocht.

„Marzipanschnütchen?“, versuche ich es erneut, nicht ohne einen Gewissen Grad an Belustigung in der Stimme, und trete ins Bad.

Dort finde ich ihn tatsächlich vor, allerdings blickt er mich aus verheulten Augen, durch den Spiegel hinweg, an.

„Valentin!“, keuche ich auf und stürze zu ihm. „Was ist denn los?“, frage ich besorgt und ziehe ihn in meine Arme.

Wie schon mal erwähnt, komme ich nicht damit klar, wenn er weint. Jetzt, da ich nicht mal den Grund dafür kenne, ist es noch schlimmer. Ich habe das Gefühl, noch nie in meinem Leben so überfordert gewesen zu sein, wie in diesem Moment. Ich streiche ihm beruhigend über den Rücken, während er schluchzt und mein Shirt durchnässt.

„Was ist passiert?“, frage ich erneut und er flüstert irgendetwas tonlos vor sich hin.

Ich rucke ein Stück von ihm weg und sehe ihn fragend an: „Was?“

„Ich hab gesagt, meine Stimme ist weg,“ krächzt er mir mühevoll entgegen und ich bemerke erst jetzt, dass er sich krank anhört.

Tränen quellen aus seinen Augen hervor und er sieht mich leidend an: „Jetzt kann ich mir auch gleich die Pulsadern aufschneiden,“ flüstert er heißer vor sich hin.

Dann schluchzt er wieder auf, was sich im nächsten Moment in einen heftigen Hustenanfall wandelt.

„Red keinen Unsinn,“ meine ich – von Minute zu Minute überforderter – und streiche ihm ein paar Tränen von der Wange.

„Doooch,“ heult er und bringt damit einen kurzen Moment einen richtigen Ton hervor, ehe ihm die Stimme wieder versagt und er nur krächzen kann: „Meine Stimme ist alles, was ich habe…“

Dann hustet er wieder und bringt letztlich gar keinen Ton mehr heraus.

Ich seufze. „Du bist erkältet. Da ist es normal, dass man mal keine Stimme hat. Wir gehen jetzt zum Arzt, dann wird alles wieder gut, ja?“

Er nickt nur und weint still weiter. Ich schiebe ihn zurück ins Schlafzimmer, drücke ihm ein Tempo in die Hand und suche ihm dann ein paar Klamotten hervor, während er depressiv auf dem Bett sitzen bleibt. Ich ziehe mich ebenfalls an, ehe ich ihn auffordernd ansehe und er aufsteht.

Eigentlich müsste ich langsam los zu meiner Lesung, aber diese werde ich ausfallen lassen. Auf keinen Fall lasse ich Valentin jetzt alleine.

Er ist immer noch komplett aufgelöst, als wir die Wohnung verlassen und uns auf den Weg zum Arzt machen.
 

Man möchte meinen, bei der Hitze würde beim Arzt wenig los sein, aber tatsächlich ist das Wartezimmer gerappelt voll. Ich melde Valentin an, der immer noch nicht sprechen kann und ziehe ihn dann in eben jenes Wartezimmer.

Dort kuschelt er sich gegen mich und ich streiche ihm beruhigend über den Arm.

„Das wird schon wieder,“ murmle ich und bemerke besorgt, dass er Fieber hat.

„Was hast du dir da nur eingefangen?“, murmle ich und hebe kurz den Blick. Ungefähr alle im Wartezimmer starren uns an.

Sicher fragen sie sich, in welcher Beziehung wir zueinander stehen.

Köln gilt doch als Stadt der Homosexuellen, oder? Warum sind sie dann eigentlich alle so sensationsgeil, wenn zwei Kerle kuscheln? Das müsste doch hier Alltag sein… oder so…

Ich drücke Valentin einen Kuss auf die Stirn und seufze.

„Du machst mir vielleicht Sorgen,“ murmle ich gegen seine Haare und er lächelt schwach.

„Tut mir leid,“ haucht er mir entgegen und ich lege ihm einen Finger auf die Lippen.

„Schon deine Stimme ein wenig.“

Wenig später sind wir dran und der Arzt untersucht Valentin, während er mich ein wenig pikiert mustert, weil ich mich nicht aus dem Behandlungszimmer habe vertreiben lassen.

Natürlich hätte Valentin das auch ohne mich geschafft. Aber für mein eigenes Wohlbefinden ist es nötig, dass ich keine Sekunde von seiner Seite weiche.

Außerdem kann er nicht sprechen, als muss ich dem Arzt ja schildern, was los ist. Ich sage ihm auch, dass er in einer Band singt und seine Stimme braucht.

Als die Untersuchung abgeschlossen ist, nickt der Arzt und sieht Valentin an.

„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht,“ meint er und erzeugt damit Spannung, wie wir gerade gar nicht brauchen können.

„Sie haben eine Luftröhrenentzündung. Dass Sie heißer sind, liegt also nur daran, dass die Stimmbänder vom Husten gereizt sind und sich Schleim festgesetzt hat. Ich gebe ihnen jetzt Medikamente, die die Entzündung lindern und den Schleim lösen. Dann dürften Sie den bald abhusten und ihre Stimme wiedererlangen.“ Er sieht Valentin streng an: „Aber während Sie krank sind, sollten Sie ihre Stimme schonen und nicht singen, okay?“

Valentin nickt notgedrungen und ist sicher schon erleichtert, dass nichts an seinen Stimmbändern ist.

„Die schlechte Nachricht ist, dass sich eine Luftröhrenentzündung schneller schlimmer werden und auf die Lunge übergreifen kann. Eigentlich wäre es sinnvoller, Sie im Krankenhaus zu beobachten, aber so lange Ihr Fieber nicht steigt, können Sie auch nach Hause. Dann müssen Sie mir aber versprechen, brav im Bett zu bleiben und viel zu trinken.“

Wieder nickt Valentin, der beim Wort ‚Krankenhaus’ ziemlich zusammengezuckt ist.

Dann ist der Arzt mit seiner Belehrung am Ende, stellt ein Rezept aus und wir können gehen. Ich rufe ein Taxi, das uns zurück bringt und noch kurz an der Apotheke hält, um die Medikamente zu besorgen.
 

Wieder in Valentins Wohnung, kuscheln wir uns ins Bett und ich lege den Arm um ihn, küsse seine Schulter.

„Siehst du. Alles gut,“ meine ich, während er erschöpft die Augen schließt. Ich streichle über seinen Arm, bis er eingeschlafen ist.

Ich musste dem Arzt versprechen, regelmäßig die Temperatur zu messen, aber zum Glück bleibt sie erst mal gleich und geht irgendwann sogar runter.

Die Medikamente scheinen also zu wirken.

Valentin schläft fast den ganzen Tag und ich bleibe an seiner Seite. Zwar ist es auf Dauer langweilig, im Bett zu gammeln, aber irgendwann beschäftige ich mich mit einer Hausarbeit, die bald abgegeben werden muss.

Ich bin froh, dass mittwochs kein Training ist und ich ihn deshalb nicht für drei Stunden alleine lassen muss.

Irgendwann wacht er auf und versucht mir mit Gekrächze mitzuteilen, seinen Bandkollegen bescheid zu geben.

Also wühlte ich in seinem Handy nach der Nummer eines Bandmitglieds, muss aber erst Mal übelregen, wie die eigentlich heißen. Da ist Sven, der Idiot, den ich garantiert nicht anrufen werde, und dieser eingebildete Kerl namens Sebastian, den Valentin nicht leiden kann. Den ruf ich lieber auch nicht an.

Ich überlege hin und her, wie die anderen heißen, bis mir einfällt, dass der Bassist heißt, wie der damalige Ersatzspieler von Lukas. Ich suche also nach dem Namen ‚Leon’ und finde diesen auch.

„Ähm hi,“ melde ich mich dann, „Hier ist Joshua, der Freund von Valentin.“

Ich erkläre ihm flüchtig das Geschehen und er verspricht, den anderen Bescheid zu sagen, dass die Probe erst mal ausfällt.

Ich bedanke mich, dann lege ich auf und sehe zu Valentin, der bereits wieder schläft.

Er lässt es sich zwar nicht anmerken, aber ich sehe ihm an, dass er ziemlich unter der Sache leidet.

Sicher macht er sich immer noch Sorgen um seine Stimme. Ich hoffe, dass sich das bald gibt.
 

Am nächsten Tag ist es tatsächlich besser.

Er hat kein Fieber mehr und kann auch wieder sprechen. Zwar sagt er nur das Nötigste, um seine Stimme zu schonen, aber die Erleichterung ist ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

Nur Husten tut er noch am laufenden Band, aber auch das wird sich noch geben. Ich koche ihm Tee, den er mit verzogener Miene trinkt, ehe er mir versichert, dass ich zu meiner Lesung kann, ohne dass er derweil krepiert.

Dennoch etwas besorgt mache ich mich auf den Weg zur Uni und bringe Lesung und Training hinter mich.

Als ich wieder ins Wohnheim komme, kommt mir Sven entgegen und ich bin versucht, ihm die Tür an die Fresse zu knallen.

„Was machst du hier?“, frage ich recht unhöflich und sehe ihn feindselig an.

„Ich habe nur Valentin besucht.“ Er sieht mich gehässig an: „Ein bisschen Geselligkeit hat ihm sicher gut getan, wo du es doch nicht für nötig gehalten hast, bei ihm zu bleiben.“

Ich balle die Hand zur Faust und klammere mich an den letzten Funken Verstand, nicht einfach blind auf ihn einzuprügeln.

„Hast du gar nichts zu seiner Verteidigung zu sagen?“, fragt er und schiebe ihn unsanft weg. „Ich wüsste nicht, weshalb ich mich verteidigen sollte,“ erwidere ich nur und stapfe die Treppen hoch, öffne die Tür zur Wohnung.

„Du hattest ja Besuch,“ stelle ich fest, als ich eintrete und mir die Schuhe ausziehe.

„Ja, Sven war kurz da,“ ertönt es aus dem Schlafzimmer.

„Und? Ist er dir in den Arsch gekrabbelt, ja?“

„Josh? Alles klar?“

Ich seufze und fahre mir durch die Haare, laufe dann zu ihm ins andere Zimmer und küsste ihn kurz.

„Ja, alles klar. Ich kann es nur nicht leiden, wenn ich seine Fresse sehen muss.“

Valentin grinst und zieht mich näher, um mich noch mal zu küssen.

„Du bist mir auch lieber als er,“ lacht er, muss dann aber wieder husten. Ich schmiege mich mit ihm aufs Bett.

Hoffentlich ist er bald wieder ganz gesund.
 

Den Donnerstag verbringt Valentin noch im Bett, am Freitag beschließt er, dass ihm frische Luft gut tun wird und begleitet mich zur Uni.

„Versprich mir, dass du dich hinlegst, wenn du nach Hause kommst,“ bitte ich ihn und sehe ihn besorgt an. Er sieht immer noch geschwächt aus. Am liebsten würde ich ihn nach Hause tragen.

„Versprochen.“

Ich gebe ihm einen Abschiedskuss und trete dann in die Uni, während er sich auf den Rückweg macht.

Als ich am späten Nachmittag zurückkomme, halte ich irritiert inne, als ich ins Wohnzimmer trete und starre auf das Ding, das man da hinein gequetscht hat.

„Valentin… was ist das?“, frage ich verwirrt.

Er tritt aus der Küche und folgt meinem Blick.

„Ich würde sagen, das ist ein Schlagzeug.“ Darauf antworte ich gar nicht erst. Ich weiß selbst, dass es ein Schlagzeug ist, aber nicht, was es hier verloren hat. Genau danach frage ich ihn aber nun:

„Was genau tut ein Schlagzeug in meinem Wohnzimmer?“

„Ich habe es für dich ausgeliehen habe.“

Ich versuche, mir meine Fassungslosigkeit nicht anmerken zu lassen, scheitere aber kläglich, als ich mich, von der Situation überfordert, an ihn wende:

„Warum leihst du mir ein Schlagzeug aus?“

„Weil du mir das spielen beibringen wolltest,“ stellt er fest und ich runzle die Stirn.

„Wollte ich das?“, frage ich und weiß jetzt schon, dass nie etwas dergleichen behauptet habe.

„Ja,“ meint er aber felsenfest überzeugt.

„Sagt wer?“, frage ich skeptisch nach und er zuckt mit den Schultern.

„Sage ich.“

Ich ziehe scharf die Luft ein und massiere mir die Schläfen. Hätte ich ihm nur nie gesagt, dass ich Schlagzeug spielen kann.

„Ach so,“ meine ich unbeholfen, „Hm…“ Mir fehlen die Worte. Hätte ich gewusst, dass er auf dem Heimweg ein Schlagzeug ausleiht, hätte ich ihn zu Hause eingesperrt und einen Schrank für die Tür geschoben.

„Weißt du… jetzt, wo ich nicht singen kann, muss ich mich ja anders ablenken. Also lerne ich jetzt Schlagzeugspielen. Und danach könnte ich mit Geige anfangen,“ klärt er mich auf und ich werfe ihm einen ungläubigen Blick zu.

„Geige?“, wiederhole ich, völlig aus dem Konzept gebracht.

„Oder Orgel. Das wäre doch cool, nicht?“

„Or… gel…“ Ich seufze auf.

„Valentin… hör mal… Du weißt schon, dass du in spätestens zwei Wochen wieder singen kannst?“

Nun funkelt er mich grimmig an: „Und was, wenn nicht? Was, wenn die Stimmbänder doch angegriffen sind und ich nicht mehr so klinge, wie früher? Dann habe ich gar nichts mehr… dann muss ich mich mit Instrumenten behelfen!“

„Valentin," jammere ich. „Es ist nur eine Entzündung gewesen…“

„Nur?! Die wollten mich ins Krankenhaus stecken!“, herrscht er mich empört an.

„Aber das hatte doch nichts mit deinen Stimmbändern zu tun.“ Ich fahre mir frustriert durch die Haare. In was hat er sich da nur reingesteigert?

Er verschränkt trotzig die Arme vor der Brust: „Wo ist dein Problem, Joshua?“

„Mein Problem ist, dass du mir ein sauteures Schlagzeug gemietet hast!“ Ich blicke wieder auf das Teil, das unschuldig im Raum steht.

„Wenn es dir nur ums Geld geht, kannst du dich ja revanchieren und mir eine Geige kaufen!“

Ehe ich etwas dazu sagen kann, spinnt er schon weiter: „Oder eine Orgel. Aber die kann ich dann nicht in meiner Wohnung unterbringen...“

„Valentin!“, versuche ich auf andere Art mein Glück, „Was soll das denn? Nur mal angenommen, du könntest wirklich nicht mehr singen… Willst du dich dann mit einer Orgel im Keller verbarrikadieren und Phantom der Oper spielen, oder wie stellst du dir das vor?“

„Nun ja, das nun nicht gerade, aber…“, er bricht ab und seufzt. „Okay, das mit der Orgel ist wirklich übertrieben. Aber vielleicht Harfe.“

„Ja,“ zische ich und beginne, auf und ab zu laufen, „Die kannst du dann in deiner Gummizelle spielen.“

„Joshua! Würdest du mich bitte ernst nehmen?“

„Ich kann dich nicht ernst nehmen. Du bist verrückt geworden! Du steigerst dich in etwas hinein, das garantiert nicht eintreffen wird und redest davon, Geige und Harfe zu spielen! Schau dich an. Die Vorstellung von dir mit einer Harfe in der Hand ist dermaßen lächerlich, dass ich keine Worte mehr dafür finde!“

Er dreht sich beleidigt weg und tappt in die Küche. Ich seufze und folge ihm, bleibe im Türrahmen stehen.

„Ich hab einfach Angst, dass ich nicht mehr singen kann,“ erklärt er mir, ehe ich etwas sagen kann.

„Der Arzt hat doch gesagt, es ist alles okay, oder? Also steigere dich doch bitte nicht so in die Sache rein. Ich verstehe ja deine Angst, aber ich bin mir sicher, dass mit deiner Stimme alles in Ordnung ist.“

Er seufzt auf.

„Du hast ja Recht, aber…“ Er dreht sich zu mir und sieht mich hilflos an. „Ich weiß auch nicht… Obwohl das alles logisch klingt, habe ich dennoch Panik…“

Ich nicke und trete zu ihm, nehme ihn in den Arm.

„Das wird schon wieder.“ Er nickt.

„Versprich mir, dass ich morgen keine Harfe neben dem Bett vorfinde.“

Er schmunzelt. „Versprochen. Und das Schlagzeug?“

„Das bringen wir zurück, okay?“

Er nickt. „Na gut… aber bringst du es mir vorher bei?“

„Valentin!“

„Schon gut… wir bringen es sofort zurück…“

Ich muss lachen. „Manchmal frage ich mich echt, wie du immer auf solche Ideen kommst…“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Shunya
2011-11-25T03:58:48+00:00 25.11.2011 04:58
Echt süß, das neue Kapitel! ;)
Ich hätte zu gerne Joshi's Gesichtsausdruck gesehen, als er diesen blöden Sven in Valentin's Bude (war doch valentin's? *kurzüberleg*) vorgefunden hatte. Aber am Besten fand ich immer noch die Sache mit der Hose. Einfach herrlich amüsant!! XD lol *andthewinneris:joshi!!!!!!!!*
Valentin tut mir echt Leid, ich hab richtig mit ihm mitgelitten! Ist schon mies, wenn die Stimme einen im Stich lässt. Ist mir auch schon passiert. Ich hoffe nur für ihn, dass das Ganze keine Nachwirkungen haben wird. Das wäre echt furchtbar! >.<
Und dann muss er auch noch Tee trinken. Ich mag ja Tee, aber für Valentin muss das ja eine echt Qual sein. Aber er kann ja hoffentlich bald wieder soviel Kaffee trinken wie er will. Ich find es auch immer wieder süß, auf was er für abstruse Ideen kommt. Da hat er doch glatt ein Schlagzeug ausgeborgt. Ich dachte erst, es wäre das der Band. Aber er ist echt wie meine Mutter, er steigert sich sofort in eine Sache hinein und malt sich das Schlimmste aus. <.<
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel. :)
Von:  Tajuja-chan
2011-11-24T23:07:00+00:00 25.11.2011 00:07
Nochn Kappi X3 *freu freu*
Na? Haste von Valli geträumt? *fg*
Ich heiz deiner Fantasie gerne noch mehr ein, sag nur bescheid XD

Valli weiß wie man Musik hört XD *genauso mach*
Aber wenn er schon Tee trinkt muss er wirklich krank sein un dann auch noch mit Honig *schüttel* O.o Valli ohne Kaffe geht doch net >.< XD
Hast du nich gesagt du kannst ihn nich leiden lassen? Und was is DAS? *auf Text deut* Armer kleiner...was tust du ihm nur an XD
Er tut mir richtig leid, was für Sorgen er sich macht *schnüf*

Joshi is so süß wenn er sich freut X3
Die Szene beim Arzt fand ich i-wie cool =)
Aber auch unfair... Wenn das Zimmer so voll war, warum kommen die dann so schnell dran? Ich muss für ne Fünf-Minuten-Behandlung meistens ne Stunde warten -.- XD

Sweeny~...-.- *Hass versprüh*
Warum muss er Joshi immer provozieren? Er muss doch langsam ma eingesehen haben das er keine Chance hat O.o
Er wird mir immer unsympatischer, wobei ich ihn von Anfang an nich leiden konnte.

Ich finde es immer wieder fies dass du uns die Schlafzimmer-Szene vor enthällst XD *immer Hoffnung hat das doch bald eine kommt* *_*
Das mit dem Schlagzeug war geil XD Aber ne Orgel... Bitte nich XD

`kay wieder ein Kommi zu dem Kappi geschafft >o< *stolz auf sich ist*
Ich hoffe im nächsten hat sich Valli wieder ein wenig beruhigt ^^
*schon drauf freu*

LG Tajuja-chan ♪


Von:  RockFee
2011-11-24T17:50:13+00:00 24.11.2011 18:50
Das war wieder ein tolles Kapitel. Es ist ja üblich, dass die Welt vor dem Zusammenbruch steht, wenn Männer krank sind! Allerdings kann ich mir Valentins Ängste sehr gut vorstellen. Nachdem er so dumme Eltern hat, war die Musik wahrscheinlich alles für ihn. Die Sache mit dem Schlagzeug war aber schon etwas krass.

Und dieser Sven, will der wirklich was von Valentin oder will er Josh nur ärgern?

lg
Von:  Last_Tear
2011-11-24T07:19:25+00:00 24.11.2011 08:19
*lach*
Schlagzeug XD
Wie geil XP
Val, komm zu mir, bring mir das Schlagzeug *o*
Ich wollt scho immer eins haben XD
Und meine Mum weigert sich das zu zahlen -.-
*streck*
Nya
*fiep*
Also also also X__X
Ja, Sänger, Stimme weg *sighs*
Gott ;____;
*Val durchknuddel*
Mein armes Baby x.x"
*Tee hinschieb*
Trink und werd gesund x.x
Und notfalls trink Schwarztee mit viiiiiiiiieeeeeeeeeeeel Fanatasy schmeckt der nach Kaffeee XD Vor allem wenn man Milch nei haut XP
*gähn*
Armes armes Valentin x.x
*sfz*
Und wo dus erwähnst, ich bekomm auch Halsschmerzen >>"
Von: abgemeldet
2011-11-24T04:25:31+00:00 24.11.2011 05:25
Das Kapitel hat mir wirklich ein bisschen Angst gemacht... Erst Vals Krankheit, dann seine komische Stimmung, ich hatte echt ein wenig Schiss D:
Und dieser Sweeney Todd Vershcnitt geht mir gewaltig auf die Nerven, ich finde, Josh solte ihm mal klammheimlich eine auf die Zwölf geben, was anderes hat der gar nicht verdient.. Ich hab echt ein gaaaanz mieses Gefühl, was diesen Halunken angeht >___<
Wehe, du folterst uns zu sehr! ... Ich glaube aber wirklich nicht, dass Val was mit dem anfangen würde. Dafür ist er zu... Val-ig. Zu "er" xD Der macht sowas nicht!! >_< ... Hat sowas nicht zu machen!!!


Zurück