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Shards

At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]
von

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Creator of Darkness' Fear

Madrid, Spanien

Dienstag, 31. Juli 2007

21:44 Uhr
 

Seine Finger flogen über die Saiten der Gitarre, als der letzte Höhepunkt des Abends anlief: Das letzte Solo vor dem Refrain des Songs. Die Menge jubelte auf, als das Spiel seiner Finger immer schneller und komplizierter wurde, ehe ein Trommelwirbel einsetzte und zum Kehrvers überleitete. Yami sang aus voller Kehle und sah, wie auch das Publikum einsetzte, aber gegen die dröhnenden Lautsprecher kam es natürlich nicht an. Seine Bandkollegen ließen den Song in einem dramatischen Trommelwirbel ausklingen, ehe es still wurde und das Licht auf der Bühne ausging. Die Menge jubelte und kreischte.

Der Auftritt von Creators of Darkness‘ Fear in Madrid war ein voller Erfolg geworden.
 

Auf dem Weg in die Umkleide wurden die vier Bandmitglieder – und vor allem wieder einmal Yami – von Fans belagert, die irgendwie die Security am Hintereingang der Konzerthalle ausgetrickst hatten. Der Großteil von ihnen war weiblich, und das war vor allem Yamis Schuld, wie er sich innerlich seufzend eingestand.

Er war vor etwas mehr als einem Jahr der Band beigetreten, weil er und seine alten Bandkollegen sich aus den Augen verloren und ihre Gruppe aufgelöst hatten. Damals hatte die Rock-Band Creators of Darkness geheißen, doch diesen Namen hatte Yami vehement abgelehnt. Aus persönlicher Erfahrung sozusagen, denn er fand, dass die drei Gründungsmitglieder die Dunkelheit viel zu leichtfertig benutzten, um cool zu wirken. Nach langem Hin und Her und vor allem, weil die Rocker einen gleichzeitigen Sänger und Gitarristen mit Yamis Fähigkeiten brauchten, weil ein großes Konzert anstand, hatten sie sich darauf geeinigt, sich in Creators of Darkness‘ Fear umzubenennen. Das bedeutete, dass sie nicht selbst dunkel waren, sondern der Dunkelheit Angst machten – in Yamis Augen waren sie somit die Guten, obwohl er den Gedanken fast lächerlich fand – und nebenbei immer noch einen richtig coolen Namen trugen. Das Konzert war mehr oder weniger erfolgreich vorübergegangen und Yami war mit dem düsteren, harten Stil immer noch nicht ganz einverstanden gewesen, als eines der Gründungsmitglieder sich mit ihm zerstritt und die Band verließ. Dessen Ersatzmann fuhr eher auf Yamis Schiene und so hatte sich nicht nur der Name, sondern auch der Stil der Band geändert: Kurzum, seit diesem Zeitpunkt fand ihre Musik großen Anklang bei einer breiteren Masse und vor allem bei Mädchen. Es war wohl zum Großteil diesem Umstand zu verdanken, dass sie jetzt sogar schon ihre erste Welttournee zur Hälfte hinter sich gebracht hatten.

Yami wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein jugendliches Mädchen mit zwei Zöpfen direkt in seinen Weg sprang und mit großen Augen seinen Namen kreischte und ihm Block und Stift hinhielt. Ruhig nahm er beides umgeben und schenkte seinem hysterischen Fan ein Autogramm.

Dieses Prozedere durfte er wiederholen, bis sie endlich ihren Umkleideraum erreicht hatten, vor dem ein bulliger Security postiert war und sie vor weiteren ungebetenen Gästen schützte. Nein, an weiblicher Aufmerksamkeit mangelte es Rock-Star Yami wahrlich nicht. Dass er in Wahrheit schon seit längerem vergeben war, scherte im Allgemeinen niemand und er hängte es auch nicht an die große Glocke. Am Ende würde seine Freundin ebenfalls von Fans belagert werden …

Als Yami sich aus der engen Lederjacke schälte und seine Alltagskleider aus dem Spind holte, glitt sein Blick durch das offene Oberlicht. Der Mond war fast voll und sah wie ein großes, ruhiges Auge auf ihn herab.

Ob auch sie ihn gerade beobachtete?

Sie war in Paris bei einem Tennis-Turnier, gar nicht so weit von Madrid entfernt, wenn er die Entfernung zu Japan als Vergleich hernahm. Und dennoch würden sie sich für weitere zwei Wochen nicht sehen.

„Yo, Mann, das war echt Weltklasse!“ Einer seiner Bandkollegen riss ihn aus seinen Gedanken, indem er ihm kräftig auf den Rücken patschte. „Der beste Auftritt bisher! Verdammt, Alter, wenn ich dran denke, dass wir vor einem halben Jahr noch nicht mal über Japan hinaus bekannt waren …“ Er schüttelte fassungslos den Kopf.

Yami gab ihm keine Antwort. Das Thermometer zeigte über fünfundzwanzig Grad Außentemperatur an, was für diese Jahreszeit kein Wunder war. Vom Auftritt im Scheinwerferlicht war ihm immer noch heiß, daher beschloss er, ohne T-Shirt zurück ins Hotel zu gehen. Er stopfte das Kleidungsstück zu der Lederkluft in seine Sporttasche und schulterte seine Gitarre, als sein Blick auf sein Handy fiel, das immer noch im Spind lag. Ein Symbol zeigte ihm, dass er einen entgangenen Anruf hatte. Etwa von ihr? Nein, sie wusste doch, dass er heute beschäftigt war … Stirnrunzelnd sah er sich die Nummer an.

„Ey, Yami, kommst du?“ Seine Kollegen waren bereits fertig mit dem Umziehen, hatten ihre Instrumente zusammengepackt und standen schon in der Tür zum Umkleideraum.

„Ich komme gleich. Geht ruhig schon mal vor, spätestens im Hotel treffen wir uns.“

Seine Kollegen sahen einander schulterzuckend an und gingen. Yami wollte sie nicht dabei haben, wenn er jetzt zurückrief – das Gespräch war sicher nicht für ihre Ohren bestimmt. Der Anrufer war Izzy gewesen – und die Anrufzeit vier Uhr dreißig morgens. Um diese Uhrzeit hatte er geschlafen – und zwar bis ungefähr Mittag – und danach hatte er sein Handy stumm geschaltet gelassen, um sich voll und ganz auf die Vorbereitungen für den Auftritt konzentrieren zu können. Und in der kurzen Zeit, die die Band genutzt hatte um sich umzuziehen, hatte er es einfach in den Spind gelegt, ohne nachzusehen, ob ein Anruf gekommen war.

Dann wurde es jetzt höchste Zeit. Der Anruf war bestimmt nicht um der alten Zeiten Willen gewesen … Die SMS, die Yami in seinem Posteingang fand, ließ ihn wissen, dass Izzy ihm eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen hatte. Er schulterte Sporttasche und Gitarre und verließ mit einigem Abstand zu seinen Bandkollegen den Umkleideraum. In diesem Kellerloch hatte er keinen Empfang. Der Security war fort, er hatte wohl die Fans zurück nach draußen gescheucht, die ihnen bis in die Umkleide hatten folgen wollen. Yami erreichte den Hintereingang des Backstage-Bereichs und trat nach draußen in die laue Nachtluft. Das rötliche Backsteingebäude, in dem sie ihren Auftritt zelebriert hatten, verdiente die Bezeichnung Konzerthalle im Übrigen gar nicht, sie war ein alter, schmuckloser Bau, aber eben gut dafür geeignet, große Menschenmassen unterzubringen. Das Hotel, in dem sie untergebracht waren, war nur ein paar Blocks weiter, und wenn er durch die schmalen, schmutzigen Gassen ging, war er in fünf Minuten dort. Diese Zeit wollte Yami nutzen, um seinen alten Freund zurückzurufen. Er ging ein paar Schritte durch die nächtlichen, mit Kopfstein gepflasterten Gassen und rief zunächst die Mailbox an.

„Ja, hallo, äh, hier ist Izzy“, tönte die Stimme des Rotschopfs etwas verzerrt an sein Ohr. „Es ist was passiert … Etwas, von dem ich selbst noch nicht genau weiß, was es ist, aber wir sollten uns so schnell wie möglich irgendwo treffen. Ruf mich zurück, sobald du kannst!“

Yami blieb stehen. Hatte Izzy nicht mitbekommen, dass er auf Tournee war? Wie stellte er sich so ein Treffen vor, wollten sie sich irgendwo zwischen Japan und Spanien auf einen Drink zusammensetzen? Yami überlegte. Was konnte denn so wichtig sein? Izzy hatte zwar recht gefasst geklungen, aber trotzdem … Er sah auf seine Armbanduhr. Es war fast zehn Uhr. In Japan wäre es demnach fünf Uhr morgens … Und soweit er wusste, hatte Izzy momentan einen anstrengenden Job. Sollte er ihn wirklich aus dem Bett klingeln?

Yami seufzte und sah nach oben. Die Wände der Häuser in der gerade mal zwei Meter breiten Gasse ragten wie finstere Steilwände in die Höhe. Jemand hatte Wäscheleinen von Fenster zu Fenster gespannt, auf denen Kleider hingen, die genausogut Fetzen hätten sein können. Er genoss das Gefühl, wie die warme Luft seinen nackten Oberkörper entlang strich. Es war fast völlig still, nur in der Ferne war der Lärm von städtischem Verkehr zu vernehmen.

Ob es um die DigiWelt ging?

Dieser Gedanke durchzuckte ihn wie ein Blitz. Warum hatte er nicht früher daran gedacht? Dann würde er keine Zeit verlieren, geregelte Schlafenszeit hin oder her. Er schaltete die Tastensperre aus, die sich wieder aktiviert hatte, öffnete sein Kontaktbuch …

„He, Blondi!“

Yami fuhr herum. Zwei bullige Kerle waren hinter ihm in der Gasse aufgetaucht und lehnten sich übertrieben lässig an die Hauswände. Sie hatten beide Kappen aufgesetzt, allerdings mit dem Schirm nach hinten, und weite ärmellose T-Shirts an, die ihre Muskeln betonten. Den Hosenboden hatten sie in den Kniekehlen und um ihre Hälse baumelten schwere Goldketten. „Ja, genau du!“, rief der eine auf Englisch und zeigte mit dem Finger, auf dem ein protziger Ring steckte, auf ihn. „Hey! Deine Musik is‘ Scheiße!“

Yami wich einen Schritt zurück. Die beiden hatten südländische Haut- und Haarfarbe und der, der gesprochen hatte, einen markanten spanischen Akzent. Was wollten die beiden von ihm? Ärger, so wie es aussah.

Er war nicht an Ärger interessiert. Ganz in der Nähe war vielleicht noch die Konzertsecurity, aber das hier war schließlich nicht mehr ihr Aufgabenbereich und außerdem war er in ein paar Minuten sowieso im Hotel. „Was wollt ihr?“, fragte er dennoch auf Englisch.

Die beiden antworteten nicht, sondern grinsten ihn nur an. Der eine hatte eine goldene Zahnspange, wie Yami im Mondlicht erkannte.

„Yamato Ishida“, ertönte eine andere Stimme hinter ihm. Yami fuhr herum und gewahrte eine dritte Gestalt, die ihm den Weg versperrte. Er war also umzingelt. Der Fremde kam gemächlichen Schrittes näher. Da er den Mond im Rücken hatte, lag sein Gesicht im Schatten, aber Yami konnte sehen, dass er einen fast bodenlangen dunklen Mantel trug. „Auch bekannt als Matt, auch bekannt als Yami. Du bist es zweifellos.“

Yami verzog die Lippen. Obwohl er der Dunkelheit mit dem neuen Bandnamen eigentlich den Kampf hatte ansagen wollen, so wie er es vor acht und fünf Jahren als DigiRitter tatsächlich getan hatte, hatten ihm seine Fans diesen Spitznamen vermacht. Zu ähnlich klang Yami, Dunkelheit, seinem echten Namen Yamato. Er hatte es hingenommen und seitdem war es sein neuer Künstlername.

Dass der Fremde seinen wahren Namen kannte, war nicht verwunderlich. Nachdem Creators of Darkness‘ Fear weltbekannt geworden waren, konnte man ihn ganz bequem sogar auf Wikipedia nachlesen. Allerdings hatte der Typ ihn auf Japanisch angesprochen – und es war dieser Umstand und sein unheimliches Auftreten, was Matt klar machte, dass das hier kein weiterer Fan war, der im Ausland lebte und einen Star aus seiner eigenen Nation persönlich kennen lernen wollte.

Dennoch gab er sich cool. „Die Autogrammstunde ist schon vorbei“, rief er dem Fremden entgegen. „Verzieht euch.“

In dem dunklen Gesicht wurde ein schmaler Lichtstreif sichtbar. Ein blitzendes Grinsen. „Ich denke eher nicht.“ Der Fremde machte eine rasche Kopfbewegung und Matt hätte das plumpe Poltern auf dem Kopfsteinpflaster nicht hören müssen um zu wissen, dass die beiden Spanier sich auf ihn stürzen wollten.

Als ihre Schritte ganz nah waren, ließ er sich zu Boden fallen. Was er kaum gehofft hatte, geschah: Die zwei griffen ins Leere, stolperten über ihre eigenen, eingeengten Beine und stürzten ächzend genau auf den dritten zu. Der Japaner ließ ein verächtliches Zischen hören und trat einen genau bemessenen Schritt zur Seite, damit sie ihn nicht mit zu Boden rissen.

Matt sprang auf und rannte los, zurück zur Konzerthalle. Vielleicht hätte sich jemand wie Tai den Angreifern gestellt, aber Matt kannte seine Grenzen, und gleichzeitig mit drei Typen fertig zu werden, von denen zwei die Statur von mittleren Bodybuildern hatten, überstieg diese bei weitem. Seine einzige Hoffnung bestand darin, ihnen entweder zu entkommen oder noch einen der Security anzutreffen, der mit einem Taser und Pfefferspray ausgestattet war.

Tut mir leid, Izzy, du musst noch eine Weile warten …

Etwas packte den Gurt seiner Gitarre, den er immer noch über die Schulter trug, und riss ihn daran grob zurück. Sämtliche Luft wurde aus seiner Lunge gepresst. Er stürzte schwer auf den Rücken und hörte, wie mit einem peitschenden Schnalzen eine Gitarrensaite riss. Matt rutschte ächzend einen halben Meter über den Pflasterboden und schürfte sich die Ellbogen auf. Über sich sah er die schattenhafte Gestalt des Japaners verächtlich auf ihn hinabsehen. Der Kerl war schnell, musste sich Matt mit zusammengebissenen Zähnen eingestehen. Er selbst war nicht gerade unsportlich, und ihn so schnell einzuholen …

Jetzt, da der Mond ihn frontal beleuchtete, konnte Matt erstmals das Gesicht des Fremden sehen. Er trug einen schwarzen Mantel mit Kapuze, unter der noch schwärzeres Haar hervorragte. Eisblaue, unnachgiebige Augen starrten ihn an. Auf der Stirn prangte eine blutrote, verschlungene Tätowierung. Matt stutzte. Er hatte damit gerechnet, einen erwachsenen Mann vor sich zu haben, aber obwohl seine Größe und Statur seiner eigenen ähnelten – der Fremde war lediglich noch schlanker, ausgezehrter, was beinahe zierlich wirkte – war das Gesicht nicht das eines Erwachsenen, sah man von den kalten Augen ab.

Der Fremde beantwortete seine unausgesprochene Frage, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Und du willst drei Jahre älter sein als ich? Tz.“

Matt machte den Mund auf um etwas zu sagen, doch eine kräftige Pranke krallte sich in seinen Nacken und riss ihn grob in die Höhe. Das braun gebrannte Gesicht eines der spanischen Hip-Hopper tauchte breit grinsend vor ihm auf – und mit brutaler Wucht rammte ihm der Mann die Faust ins Gesicht.

Tausend Sterne explodierten in einer Schmerzwolke vor seinen Augen. Matt sog scharf die Luft durch die Zähne ein. Er schmeckte einen metallischen Geschmack im Mund und spürte, wie ihm das Blut aus der Nase schoss und übers Gesicht lief. Sein Blickfeld war für einen Moment verschwommen, als ihn ein weiterer Schlag in die Magengrube traf. Diesmal blieb ihm vollständig die Luft weg. Der Griff um seinen Nacken lockerte sich und Matt brach in die Knie und hielt sich nach vorne gekrümmt den Bauch. Übelkeit schwappte in ihm hoch.

Der Tritt kam unerwartet schnell und wäre er besser gezielt gewesen, hätte er ihm die Nase gebrochen. Einer der Spanier stieß ihm das Knie ins Gesicht, was ihn nach hinten schleuderte. Nun spürte er auch, wie ihm warmes Blut aus der Platzwunde an der Stirn in seine Augen lief.

Durch einen Nebel aus Schmerz und Blut sah er verschwommen, wie der Junge sich über ihn beugte. „Na?“, fragte er gespielt mitleidig. „Ohne dein Digimon bist du nicht gerade stark, was?“

Inmitten des pochenden Schmerzes gefror etwas in Matt zu Eis. Woher kannte er Gabumon? Wer war dieser Typ?

Seine zähen Gedanken wurden unterbrochen, als er ein schwaches Summen hörte. Der Gesichtsausdruck des Fremden veränderte sich; es sah aus, als würde er plötzlich zu Stein werden. Er holte ein winziges Handy aus seiner Hosentasche und als er bei dieser Bewegung seinen Mantel zurückstrich, erkannte Matt ein zweites Gerät, das er am Gürtel hängen hatte. War das … Nein, unmöglich …

„Ansatsu“, meldete sich der Fremde und lauschte eine halbe Minute lang. „Verstanden.“ Er klappte sein Handy zusammen und steckte es wieder ein. „Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr das hier erledigt?“, fragte er seine spanische Kumpane auf Englisch. „Ich muss nach Paris. Wir haben das nächste Ziel entdeckt.“

Paris? Sora! Matt versuchte sich aufzubäumen, aber einer der Spanier verpasste ihm einen Kinnhaken, der ihn wieder zusammensacken ließ. „Klar, amigo. Überlass ihn uns.“

Der Fremde sah Matt noch einen Moment zweifelnd an. „Aber lasst euch nicht zu lange Zeit. Am Ende wird er bewusstlos und ihr Idioten glaubt, er ist schon tot, und lasst ihn liegen.“

„Wird nicht passieren, amigo“, grunzte der andere hämisch.

Ohne ein weiteres Wort drehte sich der Japaner um und ging mit raschen Schritten und wehendem Mantel davon.

„Was zum Teufel wollt ihr eigentlich von mir?“, nuschelte Matt mit dem Mund voller Blut. Tot? Hatte er eben tot gesagt?!

Die beiden grinsten ihn nur teuflisch an. Der mit der Zahnspange griff in seine Hosentasche und holte einen golden blitzenden Schlagring heraus und steckte ihn auf seine Hand. „Fertig, Blondi?“

Es war das überhebliche Grinsen seiner Zahnbrackets, die in Matt einen gewissen Trotz erweckten. Verdammt noch mal, wo war sein Kampfgeist geblieben? Er hatte Fieslinge wie Myotismon, Piedmon und Apocalymon besiegt, und die hatten immerhin die Zerstörung der ganzen Welt im Sinn gehabt! Was waren denn zwei Schlägertypen gegen die Grausamkeiten, die sich diese Digimon für die DigiRitter hatten einfallen lassen?

Die Veränderung in Matts Blick schien auch der Spanier nicht übersehen zu haben, denn er wirkte plötzlich verunsichert und zögerte, ehe er auf ihn zutrat – und dieses Zögern nutzte Matt, um sich zu sammeln und ihm so wuchtig mit dem Fuß in den Bauch zu treten, dass er ächzend zurücktaumelte. Sein Kollege schrie irgendetwas auf Spanisch und wollte sich auf ihn stürzen, aber Matt sprang blitzschnell auf, riss sich in einer Drehung die Gitarre vom Rücken und schmetterte ihm den blauen Solidbody gegen die Schläfe. Der Hieb war so kraftvoll und unerwartet gewesen, dass der Schläger im Fallen einmal um seine Achse wirbelte und mit verdrehten Augen liegen blieb.

Der Zahnspangentyp richtete sich soeben schnaufend wieder auf und trat wankend auf Matt zu. „Mierda, hijo de puta! Ich bring dich um, maldita!“

„Das haben die Meister der Dunkelheit auch zu mir gesagt, und es ist ihnen nicht gelungen“, gab Matt zurück und bemühte sich um eine lässige Pose – so gut das mit seinem blutüberströmten Gesicht ging. Er ging nicht davon aus, dass der Hip-Hopper wusste, wer die Meister der Dunkelheit waren, aber er wollte den Typen provozieren.

Der Mann fluchte noch einmal in seiner Muttersprache und griff abermals in seine Tasche – nur dass er diesmal ein blankes Messer hervorholte. Das Gesicht zu einer grimmigen Fratze verzerrt stürmte er mit einem lauten Kampfgeheul los.

Jetzt war Schluss mit lustig. Matt ließ seine Gitarre fallen, die ohnehin nur noch zu einer ramponierten Fanreliquie taugte, und rannte.

Zu dem Blut, das ihm in die Augen lief, gesellte sich brennender Schweiß und die schwüle Luft ließ ihn schon nach wenigen Metern keuchen. Die Schritte seines massigen Verfolgers schienen das Pflaster erbeben zu lassen. Leere Fensterlöcher, verbogene Regenrinnen und die eine oder andere schäbige Tür schossen an ihm vorbei. Er wagte einen Blick über die Schulter. Der Spanier war zurückgefallen – aber Matt machte sich nichts vor. Er konnte ihn nicht abhängen. In letzter Zeit hatte er zu viel um die Ohren gehabt, um Sport zu betreiben, und er spürte, wie er bereits Seitenstechen bekam. Es war die schiere Todesangst, die seine Schmerzen weit genug zurückdränge, damit er überhaupt noch laufen konnte. Spätestens das Messer hatte ihm klar gemacht, dass das hier kein einfacher Raubüberfall war.

Es war ein glatter Mordanschlag.

Verflucht, was war überhaupt los?

Mehr stolpernd als rennend und nach Luft ringend erreichte er das Ende der Gasse – die in eine sterbensleere, kaum nennenswert größere Straße mündete. Matt sprang um die Ecke. Aus, er konnte nicht mehr. Der Schläger würde ihn kriegen …

Kraftlos sank er an der kühlen Mauer zu Boden. Es war vorbei. Aber wenn er schon nicht mehr fliehen konnte, würde er um sein Leben kämpfen. Das Schnaufen wie von einer Dampflok kam immer näher. Matts Hand glitt eher zufällig über das Kopfsteinpflaster – und er stutzte. Da war ein lockerer Stein! Mit schweißnassen Fingern versuchte er ihn aus dem Boden zu ziehen. Es war gar nicht so einfach … Er wackelte zwar, aber auf der Unterseite schien er fest zu sitzen. Matt warf einen Blick über die Schulter und erwartete schon, direkt in das feiste Gesicht seines Verfolgers zu sehen, aber noch schenkte ihm das Schicksal ein paar Atemzüge. Die Schritte und das Schnaufen waren mittlerweile so nah, dass es kaum noch lange dauern konnte.

Er musste es schaffen! Er musste den Typen überwältigen, herausfinden, warum zum Teufel diese Kerle überhaupt hinter ihm her waren und vor allem – er musste Sora warnen! Mit der schieren Kraft der Verzweiflung gelang es ihm, den quaderförmigen Stein aus dem Boden zu reißen. Er wog mindestens fünf Kilo und war gut zwei Handbreit lang. Seine eigene Anstrengung hatte Matt zurücktaumeln lassen. Die Mauerkante war nur ein paar Zentimetwer neben ihn. Er hörte die Schritte, sie waren ganz nah …

Matt packte den Stein mit beiden Händen, wirbelte ihn mit ausgestreckten Armen herum – und traf den Gangster mitten ins Gesicht. Dessen Beine schienen weiterrennen zu wollen, er kippte ohne einen Laut hintenüber und knallte hart aufs Pflaster. Matt ließ keuchend den Stein fallen. Er hörte nicht, wie er zu Boden polterte, nur das Blut, das durch seine Ohren rauschte. Seine Knie wurden mit einem Mal butterweich. Zitternd atmete er tief aus.

Der Spanier war nur bewusstlos, zumindest hob und senkte sich sein Brustkorb. Matt warf einen Blick in die Gasse hinein. Seine Gitarre und sein Handy lagen noch dort irgendwo, neben dem Fleischberg, den der andere Angreifer darstellte.

Das war auch so etwas, das von ihnen beiden wohl nur Tai getan hätte, dachte er und musste ob der Ironie schmunzeln. Er, Matt, würde beides dort liegen lassen. Bei seinem Glück wachte der zweite Gangster just in dem Moment auf, an dem er sein Handy auflas.

Ohne mehr Zeit zu verlieren machte er sich, immer noch mit klopfendem Herzen, auf den Weg ins Hotel. Dort war er hoffentlich einigermaßen sicher. Mit einem Taschentuch wischte er sich das Blut aus dem Gesicht und erschrak, wie viel es war. Aber so wie es aussah, würde er wenigstens keine verräterische Tropfspur hinter sich herziehen.

Izzys Nummer wusste er leider nicht auswendig. Sehr wohl aber die von Sora – und die galt es so schnell wie möglich vom Hoteltelefon aus zu wählen. Er hatte sich wehren können, aber es war knapp gewesen, zu knapp, und je länger er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass er jetzt eigentlich auch mit eingeschlagenem Schädel tot in der Gasse liegen könnte.

Matt schluckte. Zum Glück brauchte der Japaner, der den Anruf erhalten hatte, mindestens ein paar Stunden, um von Madrid zu Sora nach Paris zu gelangen, egal, in welches Transportmittel er stieg. Er hatte also wenigstens genügend Zeit, sie zu warnen.
 

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Puh, also hier haben wir das erste richtige Action-Kapitel. Hoffe, es war spannend und hat euch gefallen :)

Ich war selbst überrascht, wie viel Spaß ich dabei hatte, einen Ausschnitt aus Matts neuem Leben zu bringen, auch wenn es weiß Gott nichts Außergewöhnliches war. Dafür hab ich mich bemüht, das Umschwenken zwischen Alltag und Gefahr so unerwartet und schnell zu machen, wie es ging, und ich hoffe, das hat eine gewisse Wirkung erzielt^^

Übrigens, wer hat gleich von Anfang an gewusst, dass Yami Matt ist? Das würde mich interessieren^^

Freue mich wie immer über Kommis und danke den Leuten, die mir bei den letzten Kapiteln geschrieben haben :)

Im nächsten Kapitel geht es um ... Tja, wen wohl?^^ Uploadtermin sollte wieder ca. in einer Woche sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  L-San
2013-12-18T09:15:27+00:00 18.12.2013 10:15


Yo!^^


So, was Yami/Matt anging, ich wusste das nicht.
Dachte zuerst, ich hätte irgendwas verpasst oder so.
Aber der Name Matt sagt mir was.
Zunächst dachte ich, das wäre dieser Braunhaarige, bis dann klar wurde, dass es der Blonde sein muss.
So, weiter zum nächsten Punkt.
Das 'Alltagsleben' hast du schön zusammenfassend wiedergegeben, mit der Action habe ich nicht gerechnet.
Umso mehr freut es mich.^^
Mir hat vor allem die Stelle gefallen, wo er den Stein nimmt und es seinem Gegner schmettert. ;DD
Nicht, dass ich mit dem Mitleid hätte, denn das hat er ja verdient. ;DD
Aber, ich frage mich, was es mit dieser Jagd auf sich hat.
Es bleibt spannend, und an dieser Stelle würde ich sagen, ich freue mich schon auf's nächste Kapitel.
Bis zum nächsten Mal. ;]


LG
L-San


Von:  4FIVE
2013-07-20T15:50:52+00:00 20.07.2013 17:50
Da habe ich es also endlich geschafft, Shards zu beginnen! Ich habe mir den ganzen Schinken auf mein Tablet geladen, was ihm zur perfekten Lektüre für die liebe ÖBB macht.Ist nur doof hier zu tippen also kann es sein, dass Fehler drin sind. ^^
Den Prolog fand ich schon mk sehr ansprechend. Dafür, dass du mich vor dem Stil der ersten Kapitel "gewarnt" hast, finde ich ihn fast besser alnin Armageddon. Digimon scheint dir mehr zu liegen. :) Und gleich auf den ersten 500 Wörtern ein Toter, so mag ich das! Ich denke, Shards werde ich länger und begeisterter verfolgen als deine Naruto-Sachen. Und ja, das ist ein Lob!
Die Perspekktivwechsel sind dir sehr gut gelungen. Ich liebe unterschiedliche Sichtweisen, bloß passiert es oft, dass sie verwirren und den Lesefluss abhacken. War bei dir keinesfalls so! Ich hoffe, das bleibt so.
Bezüglich deines Nachworte in Kapitel 1: ich wusste, dass Yami Matt ist, aber ich hab anfangs nichts gecheckt was der Name soll. Dachte ich hätte bei der Serie was verpasst oder es gäbe einen Spin Off. Was den Übergang betrifft, der war etwas holprig...aber ich hätte jetzt keine Vorschläge parat wie man es verbessern könnte, daher ist es keine Kritik. Aber du hast gefragt. ^^

Liebe Grüße,
4FIVE
Von: abgemeldet
2012-11-17T01:41:07+00:00 17.11.2012 02:41
Wahnsinn, wieviele Sprachen sprichst du denn? Finde ich sehr gut recherchiert, ich kenne mich mit Japanisch leider kaum aus, aber dieses Omen des Namens von Yami zu Dunkelheit war ziemlich gut. Ich hatte mich schon etwas gewundert warum Matt seinen Namen abgelegt hat.
Super finde ich es auch dass du kurz zeigst was aus jedem Charakter inzwischen geworden ist und an die Ereignisse aus Zero Two gut anknüpfst, auch auf die Matt-Sora Geschichte bin ich gespannt.
Die Schlägerei war ordentlich :D Für meinen Geschmack vielleicht etwas zu lang aber das ist eben nur MEIN Geschmack ;)
Von:  Juju
2012-10-17T12:22:01+00:00 17.10.2012 14:22
Also, dass Yami Matt ist, habe ich zwar nicht gewusst, aber durchaus stark vermutet. ;) Aber ich muss gestehen, dass mir der Name Matt tausendmal besser gefällt. :D Yami klingt irgendwie so... niedlich.

Das Kapitel war wirklich sehr spannend. Ich dachte die ganze Zeit nur "Oh mein Gott, Matt, nein, warum ausgerechnet er" :D Ich wäre auch ein Fangirl, wenn es ihn und seine Band wirklich geben würde haha. Was für ein Glück, dass er die Angreifer doch noch überwältigen konnte. Ich hoffe natürlich, dass er jetzt alles daran setzt, Sora zu warnen und zu beschützen. Vielleicht verabredet er sich ja sofort mit ihr und sie treffen sich irgendwo? :)

Dein Schreibstil gefällt mir übrigens wirklich gut.
Von:  EL-CK
2012-09-13T14:29:33+00:00 13.09.2012 16:29
Echt hamma Kapitel...
Super geschrieben .... hoffentlich schafft Matt es und kann Sora rechtzeitig warnen..

Und ich will ja nicht angeben... aber ich hab mir tatsächlich gedacht dass Yami "unser" Matt ist... ;)
Von:  fahnm
2012-09-12T22:46:23+00:00 13.09.2012 00:46
Hammer Story.
Hoffen wir das Matt es schafft.
Von:  little_Emily
2012-09-12T20:57:39+00:00 12.09.2012 22:57
Also ich musste am Anfang auch immer an Yami von YuGiOh denken, bis mir irgendwann der einfall kam das Yami vielleicht eine abkürzung von Yamato sein kann.:D Dann hat mans auch schon gelesen.

Super tolles Kapitel. Hat mir richtig gut gefallen. Hab gebetet das Yama nichts passiert, musste aber auch immer lachen als er Tai erwähnte.
Hoffentlich geht es Sora gut.:/

Freue mich auf jedenfall auf das baldige neue Kapitel.:))

lieben Gruß
Von:  -Iza-
2012-09-12T17:43:19+00:00 12.09.2012 19:43
Ich muss sagen, dass mir deine FF richtig gut gefällt.
Dein Schreibstil ist spannend, dynamisch und meiner Meinung nach sehr nah an den Charakteren. Auch die Idee dahinter gefällt mir wirklich gut.
Ich freue mich sehr darauf zu lesen, wie es weiter geht.
Liebe Grüße, Iza
Von:  Ailtvesiki
2012-09-12T10:33:42+00:00 12.09.2012 12:33
armer Yami/Matt... (musste am anfang immer an Yugioh denken xD)

da sieht man mal wie gefährlich das leben eines stars ist, er sollte sich ein paar bodyguards besorgen (ich würde mummymon bevorzugen xD)

bin schon gespannt wies weiter geht, vermute aber dass matt sora nicht rechtzeitig warnen kann "egal in welches transportmittel er stieg" - hm... vielleicht reist er durch die digiwelt und braucht nur ein paar minuten??

bleibt nur noch zu sagen:
nervenaufreibendes kapi!! ^^
Von:  darkfiredragon
2012-09-12T10:19:24+00:00 12.09.2012 12:19
Wow, ziemlich cooles Kapi, auch die Story im ganzen find ich genial ;) Die Actionszene is auch sehr gut gelunen, da konnte man gar nich aufhören zu lesen weil man so mitgerissen wurde von demm plötzlichen Überfall. Und ja, es war eigentlich von Anfang an klar, dass Yami Matt ist - mir zumindest^^ (ich kenns zwar meistens eher als Yama, aber wenn Yami so gut zum Bandnamen passt, warum nich?)
So rein von der Überleitung her gehts im nächsten Kapi dann wohl um Sora, aber ich lass mich gerne auch überraschen. Bis dahin,

darkfiredragon


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