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New Reign

Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich merke gerade, ich bin eine volle Woche hinter meinem Zeitplan! O.o Dafür ist dieses Kapitel hier länger als üblich. Ich hab einfach keine geeignete Stelle gefunden, um es zu kürzen. Viel Spaß also! Komplett anzeigen

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Die Schlacht um das ArmorEi


 

Tag 35
 

„Herr, Ihr … seid selbst gekommen?“ DarkTyrannomons Augen weiteten sich ungläubig, als es Ken von seinem Airdramon steigen sah, mit Wormmon auf seiner Schulter. Sofort winkte es die Gotsumon-Arbeiter heran, die den Kommandantenhügel des Feldlagers für ihn annehmlicher gestalten sollten. Sie schleppten Plastikstühle und -tische her, etwas, das der riesige, schwarze Dinosaurier alleine nicht brauchte, und stellten sie im Schatten des großen, Schwarzen Turms auf der Hügelspitze auf.

„Das ist auch angebracht. Warum habt Ihr Verstärkung angefordert? Was ist so schwierig daran, ein DigiArmorEi zu bergen, das noch dazu auf unserem Gebiet ist?“

„Nun, das kann ich Euch sagen, Herr“, grollte DarkTyrannomon. Da Kens Hauptstreitmacht unter Zephyrmon die Front im Westen erweitern sollte, hatte er das Dinosaurierdigimon zum Kommandanten der bunt zusammengewürfelten Reservetruppe ernannt, die ihm das ArmorEi bringen sollte. Aus gegebener Wichtigkeit hatte er ihm für ein schnelles und reibungsloses Durchführen der Mission den Rittertitel versprochen – was ihn nichts kostete und ein stolzes Digimon wie DarkTyrannomon ehrte. Trotz der sprichwörtlichen Dümmlichkeit seiner Artgenossen war dieses Digimon durchaus in der Lage, intelligente Strategien zu entwerfen, ohne unter dem Einfluss eines Rings zu stehen, und es besaß auch gewisse Führungsqualitäten. Langsam bezweifelte Ken allerdings seine Entscheidungen.

Der DigimonKaiser trat zu dem großen Metalltisch, dessen Oberfläche mit einem 3D-Projektor ausgestattet war. Das ganze Gelände war dort zu sehen, im richtigen Maßstab und mit Berücksichtigung der Höhenparameter, dazu Punkte und kleine, abstrakte Modelle von Digimon. Die Maya-Pyramide war orange gehighlighted im Zentrum der Karte zu sehen.

„Wir haben zuerst die Airdramon losgeschickt, um das Gebiet aus dem Luftraum zu sichern, wie abgesprochen“, begann Kommandant DarkTyrannomon seinen Bericht. Die Airdramon stammten aus der Invasionsflotte für die File-Insel, die meisten von ihnen und alle Pteramon waren als Besatzung dort geblieben. „Wir waren allerdings nicht die Ersten bei der Pyramide.“

„Nicht?“ War Matt etwa so schnell gekommen?

„Zwei Drimogemon haben an der Basis gebohrt und versucht, in die Pyramide zu kommen.“

„Ist der normale Eingang denn versperrt?“

„Das nicht, aber er führt nur in ein paar leere Kammern. Wir haben herausgefunden, dass es in der Pyramide unterirdische Bereiche gibt, die vom Rest abgeschnitten sind. Ohne Bohrer oder etwas Ähnliches kommt man nicht hinein. Wir haben die Drimogemon vernichtet und das Gebiet näher erkundet, sind dabei aber auf Feinde gestoßen.“

„Den Ehernen Wolf?“

Der Dinosaurier schüttelte den massigen Kopf. „Im Westen lagert ein anderes Heer. Die Banner zeigen so etwas wie ein Unimon, orangerot auf Schwarz.“

Das Saatkind aus der Wüste.

„Wir konnten das Lager allerdings nicht ganz auskundschaften. Die haben dort ein Deckerdramon.“

„Was ist ein Deckerdramon?“

DarkTyrannomon fletschte die Zähne. „Ein großes Digimon mit hoher Reichweite. Und sehr großer Durchschlagskraft. Wie geschaffen für die Luftabwehr. Die Airdramon wären seinem Beschuss fast zum Opfer gefallen und haben sich dann zurückgezogen. Wir haben danach die Pyramide untersucht und das mit den versteckten Gängen herausgefunden. Dann haben wir den Grabungstrupp angefordert.“

Das hatte Ken mitbekommen; ein paar gnomenhafte Grumblemon mit schweren Hämmern waren aus den Dörfern im Süden gerufen worden.

„Währenddessen ist das Deckerdramon aber vorgerückt und wir mussten den Luftraum gänzlich aufgeben. Es wird nicht auf den Boden schießen, damit der Pyramide nichts geschieht, aber fliegende Digimon wird es sofort aus dem Himmel holen. Die anderen bringen sicherlich ebenfalls neue Grabungstrupps an die Pyramide, wenn wir nicht schnell handeln. Ich habe die Grumblemon auf Ausgrabung geschickt, aber als sie mit der Eskorte dort waren, sind plötzlich überall die Ehernen Wölfe gewesen.“

„Seid Ihr sicher, dass sie es diesmal waren?“

„Ziemlich sicher. Garurumon, BlackGarurumon, Kyuubimon, Gaogamon und Seasarmon. Mir fällt keine andere Armee ein, die nur aus solchen würdelosen Vierbeinern besteht. Sie haben sich rund um die Pyramide im Wald versteckt. Keine Ahnung, wie viele es sind.“

„Und sie haben die Grumblemon angegriffen?“

„Nein. Wir haben sie ganz klar entdeckt, auch wenn sie sich bemüht haben, unbemerkt zu bleiben, aber die Biester haben einfach nur gewartet. Also habe ich den Grabungstrupp wieder abgezogen.“

Ken nickte anerkennend. „Das war ein guter Zug.“ Die Digimon, die mit Matt unterwegs waren, spien zumeist Feuer oder etwas in der Art, aber sie waren allesamt keine Steinbrecher. „Sie hätten gewartet, bis ihr die Gänge für sie freigelegt habt.“

„Aye. Also haben wir erst mal nur die Stellung gehalten und Verstärkung angefordert. Mit dem Haufen, den Ihr mir mitgegeben habt – bitte um Verzeihung – kann ich den Wölfen nicht offen die Stirn bieten. Und diese Einhornarmee macht mir auch Sorgen.“

Ken besah sich die feindlichen Truppen, die auf der Karte angezeigt wurden. Dieses Deckerdramon war als eine Art großes Reptil mit unförmigem Rumpf abgebildet. Der Rest des erkundeten Heerlagers bestand, wie er einem detaillierten Spähbericht entnahm, aus feurigen Meramon, Tyrannomon, eiförmigen Digitamamon, die wohl als lebende Schilde fungieren sollten, und Starmon und Revolvermon für den Angriff. Ein Baronmon schien den Oberbefehl zu haben, zumindest war das die einzige Digimonart, von der es nur einen einzigen Vertreter gab. Vorratswagen und Truppentransporter waren von Monochromon gezogen worden. Auch eine Art Fußvolk war dabei, kleine, schwächlich erscheinende Tapirmon mit ihren wolkenhaften Beinen und den metallenen Schnauzen. Das Lager hatten sie, gleich wie DarkTyrannomon, auf einer eigens dafür gerodeten Lichtung im Dschungel aufgeschlagen.

Starmon, Revolvermon und Tyrannomon … Alles Digimon, die eher in trockenen Gebieten leben …

„Ich muss einen Moment über die Lage nachdenken“, sagte er DarkTyrannomon, stützte sich mit den Händen auf den Metalltisch und betrachtete die dreidimensionale Karte. Nicht nur Matt ist mein Gegner, sondern auch noch ein Saatkind mit einer dritten Armee, die größer ist als meine eigene. Er hatte Verstärkung mitgebracht, allerdings fast nur Schwarzring-Digimon. Aus der Karte konnte er ablesen, dass das Heer mit den Einhornbannern den Schwarzen Turm auf ihrem Gebiet zerstört hatte. Ein Angriff auf ihr Lager kommt nicht in Frage. Wir müssen das Ei so schnell wie möglich schnappen und uns zurückziehen. „Habt ihr schon versucht, die Wölfe mit Schwarzen Ringen zu beschießen?“

„Aye, haben wir. Sie haben Vorkehrungen getroffen. Giromon-Söldner, extra für den Kampf gegen uns. Hat der Eherne Wolf angeheuert. Schnelle, kleine Biester, die die Ringe nicht beherrschen können, und die die Wölfe davor schützen.“

Und wenn sie es irgendwie schaffen, auch noch unseren Turm zu zerstören, kann Gabumon sogar bis aufs Mega-Level digitieren. Ken tippte mit den Fingerspitzen gegeneinander. Verdammt, war das verzwickt!

Bereitet dir etwas Schwierigkeiten, Ken?“ Deemon musste natürlich wieder seine Nase in diese Angelegenheit stecken. Ken bemühte sich, es nicht zu beachten.

„Was sollen wir tun, mein Kaiser?“

Ken stieß langsam den Atem aus und offenbarte seine Gedanken. „Wir müssen uns das gut überlegen. Wir sind drei Heere, die alle das ArmorEi wollen. Die Wölfe warten darauf, dass jemand von uns anderen den Tunnel öffnet, dann werden sie über ihn herfallen. Das bedeutet, wir sitzen in einem Patt. Den ersten Zug werden wir oder die Einhornarmee machen, indem wir die Wölfe bekämpfen. Die dritte Partei wird dann die geschwächte Armee des Siegers aufreiben. Wer als Erster voranstürmt, wird verlieren.“ Er knabberte an seiner Daumenkuppe. „Sendet eine Nachricht zu den Dörfern und Städten am Stiefel. Wir ziehen neue Rekruten ein; bietet ihnen fünfzig Prozent mehr Sold, wenn sie innerhalb eines Tages bei uns sind.“

Gleichsam mit dem Festigen seiner Grenzen hatte er eine einheitliche Währung für sein Reich eingeführt. Da es in der DigiWelt viele Orte gab, an denen man mit amerikanischen Dollars etwas erwerben konnte, hatte er den Dollar als Zahlungsmittel bestimmt und von ein paar geschäftstüchtigen Digitamamon drucken lassen. Längst nicht alle Digimon akzeptierten dieses Geld; mit dem Fall seines Reiches würde es seinen Wert verlieren, wenn es ihm nicht gelang, es über seine Grenzen hinaus populär zu machen. Damit auch er selbst zu Geld kam, ohne immer wieder neues fertigen zu lassen und damit den Wert zu drücken, hatte er Steuern erhoben; auch dafür liebten ihn die Digimon nicht gerade. Er hoffte, diesen Umstand wettmachen zu können, indem er seine freiwilligen Soldaten gut bezahlte.

DarkTyrannomon gab den Befehl weiter. „Wir warten also?“

„Wir sitzen am längeren Hebel. Das hier ist unser Land, wir bekommen schneller Nachschub als die anderen, sowohl Nahrung als auch Digimon. Wenn es nicht will, dass wir einen überwältigenden Vorteil erhalten, muss das Einhorn zuerst angreifen.“

„Ah, verstehe.“

Ken überflog den Zustand seiner eigenen Truppe. Sie bestand zumeist aus Pflanzendigimon aus den dichten Urwäldern des Stiefels, da waren hölzerne Woodmon, blumenartige Floramon und Sunflowmon, ein paar wenige hübsche Lilamon auf dem Ultra-Level, die vogelhaften Deramon und eine ganze Horde Mushroomon. Außerdem waren von den Küsten Crabmon und Shellmon einberufen worden, die hier im Wald zwar im Nachteil, aber besser als nichts waren. Und dann natürlich Gazimon und Goblinmon als eiserne Reserve, und der Kern der Truppe: ein paar schlagkräftige Fugamon, die Ogremon sehr ähnelten, nur dass ihre Haut rot war, und Rockmon. Als er sich gerade einzuprägen versuchte, welche der Digimon mit Schwarzen Ringen beherrscht wurden, blinkte auf dem Kontrollpult ein rotes Lämpchen auf.

„Was ist da los?“, fragte er.

„Das ist einer von unseren Spionageringen“, grollte DarkTyrannomon. „Einer von denen, den die Giromon noch nicht zerlegt haben. Zeig uns so ein magisches Fenster.“

„Jawohl!“ Das Gotsumon, das der Kommandant angeherrscht hatte, betätigte ein paar Tasten – das Dinosaurierdigimon konnte mit seinen Krallen die Maschinen nicht selbst bedienen – und die Projektoren blendeten über der 3D-Karte ein zweidimensionales Videobild ein. Man sah den Dschungel, schwere, träge Ranken, prächtige Orchideenblüten und verworrene Bäume, und dahinter einen Teil der prächtigen Stufenpyramide, die mit Moos und Ranken überwachsen war. Etwas bewegte sich, Blätter fielen von den Bäumen, als würde etwas den Boden vibrieren lassen – und dann sahen Ken und DarkTyrannomon, wie sich zwei schwerfällige, maulwurfsähnliche Digimon durch den Urwald auf die Pyramide zu schleppten, mit violettem und weißem Fell und riesigen, metallischen Bohrern auf der Stirn.

„Sie bringen neue Drimogemon zur Pyramide?“, grunzte DarkTyrannomon. „Sind die verrückt?“

Kens Handschuh hinterließ einen leicht gummiartigen Geschmack in seinem Mund, als er einmal mehr an seinem Daumen nagte. „Was haben die vor?“

Dein Plan scheint aufzugehen, Ken. Dein kleiner Freund macht den ersten Zug. Wie wirst du kontern?“, drängte sich Deemon wieder in seine Gedanken.

„Sie müssen doch wissen, dass Matt … dass die Wölfe die Drimogemon vernichten werden, sobald sie eine Öffnung gegraben haben!“

„Vielleicht wollen sie genau das“, piepste Wormmon vorsichtig.

„Was meinst du damit?“, fuhr Ken es ein wenig zu heftig an, und das kleine Digimon zuckte zusammen. Ihm tat es sofort wieder leid; er wurde langsam nervös. Die Situation wurde immer kniffliger, und er hatte auch in der Festung einiges zu erledigen und wollte das hier schnell hinter sich bringen.

„Wenn er denkt, das ist nur ein Spiel, wird er die Drimogemon ohne zu zögern opfern“, sagte Wormmon vorsichtig, als könnten diese Worte Ken verletzen. „Er will vielleicht nur einen Durchgang für die Wölfe schaffen, mehr nicht.“

„Das bedeutet …“

„Das bedeutet, er will uns zwingen, die Drimogemon anzugreifen“, knurrte DarkTyrannomon. „Und solange die Bohrarbeiten nicht beendet sind, stehen die sicher unter dem Schutz der Ehernen Wölfe.“

Kens Kopf begann sich langsam zu drehen. Das Saatkind schien äußerst heimtückisch zu sein. Wir sitzen am längeren Hebel, aber wenn wir nicht bald angreifen, hauen die Wölfe mit dem ArmorEi ab. Der Einhornjunge weiß das. Ken war sich mittlerweile sicher, dass es ein Junge war; so viel hatte Deemon vorhin durchsickern lassen. Das hier ist unser Land, wir haben mehr zu verlieren als er. Also verlässt er sich darauf, dass wir einschreiten, gegen die Wölfe kämpfen und damit verwundbar werden.

„Die Truppen sind in Bereitschaft. Sollen wir losschlagen, mein Kaiser?“

Ken atmete tief durch. Nicht mit mir. „Nein“, sagte er so ruhig wie möglich. „Wir tanzen nicht nach ihrer Pfeife. DarkTyrannomon, die Truppen sollen in einem Halbkreis ausschwärmen und das Gebiet umstellen. Schick die stärkeren Digimon in den Norden, damit sie den Stiefel möglichst von der Landmasse abschneiden. Die Meeresdigimon sollen im Süden versuchen, in die Bucht zu kommen und den Seeweg blockieren.“

„Was hast du vor, Ken?“, fragte Wormmon.

„Sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Das Saatkind hat all die Mühe auf sich genommen, so schweres Geschütz hierher zu schaffen.“ Dazu hatten sie sicherlich den Seeweg genommen. Es war auch ganz gut, dass sie hier in einem Patt saßen, wie er eben erkannt hatte. So hatte General Zephyrmon leichtes Spiel an der Front. Er strich sich mit einem leichten Lächeln das schulterlange Haar zurück. „Die anderen Menschen hoffen, dass sie ihre Digimon mit den ArmorEiern digitieren lassen können, darum sind sie alle hinter ihnen her. Uns bringt das Ei aber streng genommen gar nichts.“ Siehst du, Deemon? Wieder mal hat deine Idee, die Erinnerungen der DigiWelt zu ändern, eine unschöne Nebenwirkung für dich.

Es scheint so“, ertönte Deemons Stimme im Bruchteil einer Sekunde in seinen Gedanken.

Wormmon besitzt nicht diese uralte Kraft, mit denen Digimon eine Armor-Digitation vollziehen können. Gabumon auch nicht. Die Einzigen, die das können, sind Veemon, Patamon, Gatomon, Armadillomon und Hawkmon. Auch die Saatkinder haben nichts von dem ArmorEi, wenn sie es nicht an meine Freunde weitergeben.

Ein legendäres Artefakt kann auch auf andere Weise nützlich sein“, schnarrte Deemon. „Hast du keine Angst, dass deine Feinde es als gutes Omen verwenden könnten, oder als Handelsgut oder Druckmittel?

Das habe ich auch schon überlegt. Aber darum geht es nicht.

Ach nein?

Das Saatkind will das Ei nicht nur deswegen, sondern auch, weil es hofft, dass sein Digimon damit digitieren kann. Somit hat es einen Grund mehr, es in die Finger zu bekommen, als ich. Wenn der Junge sieht, dass wir nichts unternehmen, um die Wölfe daran zu hindern, in die Pyramide einzudringen, wird er selbst gezwungen sein, zu handeln. Sonst ist er den ganzen Weg umsonst gekommen. Also haben wir immer noch den längeren Atem.

Darauf antwortete Deemon nichts, und Ken fühlte ein leichtes Gefühl der Selbstzufriedenheit in sich aufwallen. Die Welt gewann wieder an Farbe; keine zwei Sekunden waren seit seiner gedanklichen Diskussion mit Deemon vergangen. DarkTyrannomon brüllte Befehle und im Lager ertönte Scheppern und Getrampel, als die Unteroffiziere den Digimon ihre neuen Positionen zuwiesen.

„Wir haben zu wenige Digimon für eine vollständige Blockade“, brummte DarkTyrannomon. „Bitte um Entschuldigung, mein Kaiser. Aber wenn die Wölfe alle auf einmal mit dem Ei losrennen, können wir sie nicht aufhalten.“

„Keine Sorge. Der Einhornjunge muss seinen Zug machen und die Wölfe angreifen, sobald er merkt, dass wir nichts gegen seine Drimogemon unternommen haben. Egal, wer den Kampf gewinnt, wir haben es dann nur mehr mit einem geschwächten Gegner zu tun.“

Es sei denn … Plötzlich durchzuckte es Ken wie ein Blitz. Konnte es sein, dass … Ein heißer Schauer lief mit raschen Spinnenfüßchen über seinen Rücken. „Kommando zurück!“, befahl er atemlos. DarkTyrannomon sah ihn verständnislos an, gab dann aber seine Order weiter.

„Was ist los, Ken?“, fragte Wormmon besorgt.

Er starrte auf das Hologramm. Seine Hände fühlten sich zittrig an, als wäre er gerade drauf und dran gewesen, bei einem wichtigen Kartenspiel einen entscheidenden Fehler zu machen. Das war knapp. Fast hättest du mich erwischt, Deemon.

Ich frage mich, was du wohl damit meinst, Ken?“ Hämisch, es klang eindeutig hämisch!

Mein Plan war ganz gut, aber ich habe eine Möglichkeit außer Acht gelassen.

Und die wäre?

Du weißt, was ich meine. Was, wenn Matt sich mit dem Saatkind verbündet hat? Sie haben noch nicht gegeneinander gekämpft, seit sie hier sind. Es ist vielleicht unwahrscheinlich, aber wenn es stimmt, dann muss ich doch angreifen, sonst spazieren die Wölfe in die Pyramide, bergen das Ei und brechen ganz einfach durch unsere Blockade, die wir im Norden bilden wollen. Oder die Einhornarmee schnappt es sich und verzieht sich wieder über die Stiefelbucht ins Meer, die können wir in ihrer Gesamtheit auch nicht aufhalten. Sie hätten überhaupt keinen Aufwand gehabt, und ich stehe als Idiot da. Er knabberte erneut an seinem Handschuh, während er fieberhaft überlegte.

Deemon lachte in seinen Gedanken. „Ich habe dir geschworen, dich nicht zu belügen, Ken. Also werde ich dir nicht sagen, ob die beiden verbündet sind oder nicht.

Weißt du es denn?

Natürlich.“ Es klang wie durch ein Schmunzeln gesprochen.

Im Lager wurde Murren laut, als DarkTyrannomon ein Handzeichen gab und die Digimon zurückgepfiffen wurden. „Neue Befehle, mein Kaiser?“

„Ja“, murrte Ken zerknirscht. „Nützlichkeit hin oder her, wir dürfen nicht riskieren, dass sie das Ei ohne Kampf erringen. Gib Befehl für eine Angriffsformation auf die Pyramide, aber warte mit dem Marschbefehl. Ich hoffe, mir fällt auf die Schnelle noch eine Ersatzstrategie ein.“ Bis dahin hängt es davon ab, wie gut ich meine Soldaten positioniere.

Wormmon sah ihn besorgt an.
 

„Warum machen sie sowas?“, flüsterte Yolei. „Wissen sie nicht, dass wir hier sind?“

„Natürlich wissen sie das“, gab Matt zurück. Sie konnten die beiden Drimogemon von ihrem Versteck hinter den tropischen Büschen gut sehen. Sie waren so eifrig am Bohren, dass sie die mächtige Steinplatte bald bezwungen haben würden.

Es raschelte leise über ihnen. Unbemerkt wie ein Ninja hatte sich Shurimon durch den Wald geschlichen. „Die Armee des DigimonKaisers setzt sich in Bewegung“, berichtete es leise. „Sehr langsam aber.“

Matt nickte. Das hatte er erwartet; der DigimonKaiser würde ein ArmorEi nicht aufgeben, das auf seinem Gebiet lag.

Er musste gar keinen Befehl geben. Kaum dass die ersten ogerartigen Fugamon unter lautem Gebrüll durch das Unterholz brachen und Zweige und Ranken mit ihren Keulen zerrissen, griffen seine Wölfe lautlos an. In einer Reihe tauchten die Garurumon und Kyuubimon das Waldstück in blaue Flammen. Fugamon brüllten, Fugamon starben, doch einige schafften es, behände über die Urwaldbäume zu klettern und dem Feuer zu entkommen. Die BlackGarurumon und Seasarmon nahmen sich ihrer an und taten ihr Möglichstes, sie mit ihren Fängen zu zermalmen.

Den Fugamon folgten Schwarze Ringe auf dem Fuß. Wie ein Mückenschwarm kamen sie durch den Dschungel und hielten auf die Kämpfenden zu. Matts Giromon-Söldner, die ihn später noch einiges kosten würden, reagierten sofort. Die kleinen gehörnten Metallbälle waren verdammt flink und hielten sich aus allen Kämpfen raus. Einzig die Schwarzen Ringe vernichteten sie, das war die Vereinbarung. Ihre Motorsägen fraßen sich knirschend durch das dunkle Metall, dass Funken flogen.

Matt warf einen Blick zu den Drimogemon. Es lief gut. Nur noch ein bisschen, und sie würden in den unteren Teil der Pyramide durchbrechen.

In diesem Moment schnellten scheinbar aus dem Nichts lange, röhrenförmige Äste. Die Drimogemon brüllten stöhnend auf, als sie davon gepeitscht wurden. Matt wirbelte herum. Woodmon. Sie hatten sich angeschlichen wie Shurimon vorher, und dabei ihre natürliche Tarnung ausgenutzt.

Zwischen den Bäumen, zu weit von der Pyramide weg, um sich um die Woodmon kümmern zu können, kämpften seine Wölfe immer noch erbittert. Felsenharte Rockmon waren erschienen und durch die immer höher lodernden Flammen getrampelt und hielten trotzig allen Angriffen stand. Knapp dahinter sah Matt durch die flimmernde Luft menschenähnliche Blumendigimon, die auf Höhe der größten Urwaldriesen schwebten und ein Stakkato aus Energiekugeln aus ihren Armen auf die Giromon-Söldner niedergehen ließen, die sich um die Ringe kümmerten.

„Sie wollen die Giromon loswerden, damit sie unsere Digimon übernehmen können“, murmelte Matt düster. „Das darf auf keinen Fall passieren.“

„Dann werfen wir uns jetzt auch ins Getümmel“, verkündete Yolei, stand auf und strich ihre Uniform glatt. „Komm, Shurimon, wir übernehmen die Woodmon.“

Matt versuchte nicht, sie aufzuhalten, als sie mit ihrem Digimon auf die Pyramide zurannte. Wenn nur das Feuer höher lodern würde, dann könnten diese Pflanzendigimon nicht näherkommen … Er winkte ein freies Seasarmon zu sich. „Bildet eine Feuerwand!“, befahl er ihm. „Die Garurumon und Kyuubimon sollen in einer Linie alles anzünden, und die Gaogamon sollen das Feuer mit ihren Windstürmen weiter anfachen.“ Seasarmon nickte und trug den Befehl weiter zu den Kampflinien.

So schnell, wie es wohl keine andere Armee der DigiWelt geschafft hätte, zogen sich die Ehernen Wölfe in einer geordneten Linie zurück und führten den Befehl mit größter Präzision aus. Keine zwei Minuten dauerte es, bis eine Wand aus Feuer, so hoch, dass sie selbst die beeindruckendsten Baumriesen erreichte, in einem weiten Halbkreis um die Maya-Pyramide aufwallte wie ein Seidentuch im Wind. Es war nicht einfach, diesen immerfeuchten, tropischen Wald anzuzünden, aber das geballte blaue Feuer seiner Digimon schaffte es tatsächlich. Die Fugamon und Rockmon, die noch vor der Wand waren und alles taten, um ihre Feinde aufzuhalten, wurden von den Zähnen der Seasarmon und den Rückenstacheln der BlackGarurumon aufs Korn genommen. Es dauerte nicht lange, bis das erste der zähen Rockmon sich röhrend in Datenstaub verwandelte.

So weit, so gut. Matt warf einen Blick zu Yolei. Shurimons Wurfsterne hatten mühelos durch die Rinde der meisten Woodmon geschnitten, Yolei stand auf der zweiten Reihe der Stufenpyramide und feuerte ihr Digimon an. Die Drimogemon bluteten aus zahlreichen Schrammen, aber ihre Haut war dick genug. Sie gruben unermüdlich weiter.

„Das war einfach“, fand Gabumon, das an Matts Seite geblieben war und von dem Busch aus die Lage überblickte.

„Zu einfach“, murmelte er. Hinter der Mauer aus blauen und roten Flammen sah er sich bewegende Schemen, doch keines der Digimon traute sich, durch die infernalische Feuersbrunst zu marschieren.

Ein triumphierender Schrei von Yolei ließ ihn herumfahren. Die Drimogemon waren durchgebrochen! Durch die Wolke aus Steinmehl konnte er das gut menschengroße Loch sehen, das sie in den Steinblock gebohrt hatten. Dann konnte es jetzt nicht mehr lange dauern, bis auch die Einhornarmee auf dem Schlachtfeld erschien.

Just in diesem Moment gab es eine Serie von lauten Krachern. Drei Krater erschienen im Urwaldboden, aus denen die Zipfelmützen und Hämmer von je einem Grumblemon ragten. Dann schossen auch noch die beiden Pflanzenfrauen aus den Löchern, von denen Matt argwöhnte, dass sie mindestens auf dem Ultra-Level waren, und ließen einen Regen aus Pollen auf die Formation der Wölfe niedergehen. Matt fluchte. Der DigimonKaiser hatte einfach unter der Flammenwand hindurch graben lassen?

Aber das konnte nicht sein. Der Boden war weich, ja, aber von Wurzelwerk durchzogen wie von einem Netz aus armdicken Seilen, und es war schwierig, Tunnel dort am Einstürzen zu hindern. Außerdem war es keine fünf Minuten her, dass die Wölfe den Wald in Brand gesetzt hatten … Matt lief ein Schweißtropfen über die Schläfe, und das lag nicht an der stickigen Hitze, die sein feuriger Halbkreis bis zu seinem Versteck hin verströmte. Der DigimonKaiser musste von Anfang an geplant haben, dass Matt einen Brand verursachen würde, um ihn zurückzuhalten. Deswegen hatten sich seine Truppen am Anfang auch so langsam bewegt – sie hatten sich zeitlich mit den Grumblemon abstimmen müssen, die noch vor dem Angriff unter ihnen zu graben begonnen hatten! Nicht nur das, sie hatten auch genau in vorgeschriebener Formation vorrücken müssen, sonst hätte das Gewicht der Rockmon gewiss bestimmte Tunnel einstürzen lassen. „Er ist schlauer, als ich dachte“, murmelte Matt.

Die Ehernen Wölfe waren flink genug, um den langsam herabsinkenden Pollen zu entkommen, aber dafür mussten sie ihre Linie aufbrechen. Nur zwei Kyuubimon waren nicht schnell genug, um dem bunt schillernden Pollenregen zu entkommen. Als sie sich wie glitzernde Schneeflocken in ihr Fell setzten, blinzelten und knurrten die fuchsartigen Digimon mit den neun Schwänzen, dann sanken sie wie betrunken zu Boden.

Mehr und mehr Digimon strömten aus den Tunneln, aber es waren wohlgemerkt alles kleine Fische. Gazimon, Mushroomon und Goblinmon, dafür in rauen Mengen, und sie wuselten so um die Wölfe herum, dass diese sich schwer taten, mehrere auf einen Schlag zu vernichten. Wenn diese lästigen Biester etwas bewirken konnten, dann nur, weil sie Matts gebrochene Reihen förmlich überschwemmten.

In diesem Meer von Feinden war die größte Stärke der Ehernen Wölfe, ihre unbeschreibliche Wendigkeit, quasi wirkungslos. Explosive Pilze und Elektroschocks prasselten auf sie ein und hielten sie beschäftigt. „Verdammt“, fluchte Matt. „Wenn wir uns nicht bald zurückziehen …“ Sie könnten der Einhornarmee das Feld überlassen und sich solange erholen. Ja, das war ein guter Plan.

„Maaaatt!“ Yoleis Ruf war kaum zu hören. Sie winkte ihm von der Stufenreihe knapp über dem neuen Eingang der Pyramide zu. „Wir gehen rein, ja?“

„Warte, Yolei!“, rief er ihr hinterher, als Shurimon sie auch schon schnappte und zwischen den massigen Leibern der Drimogemon in das Innere der Pyramide sprang, so flink, dass die Maulwurfsdigimon es nicht aufhalten konnten.

„Vielleicht schafft sie es rechtzeitig“, murmelte Matt, auch wenn es ihm nicht schmeckte, dass jemand anderes als er das Ei zuerst fand. Aber besser sie als die Truppen des DigimonKaisers.

Die Pflanzenfrauen schwebten nahe unter den Baumkronen, weit außerhalb der Reichweite seiner Wölfe, und schossen von dort ihre Energiekugeln herab. „Giromon!“, rief Gabumon eigenständig. „Wer diese Lilamon vernichtet, bekommt den dreifachen Sold!“

Die herumschwirrenden Söldner, die sich nach Vereinbarung aus dem Kampf heraushielten, blickten sich mit ihren Grinsefratzen an und machten sich dann an den Aufstieg in die Baumkronen – als wie aufs Stichwort ein neuer Schwall Schwarzer Ringe aus den Löchern in der Erde strömte.

„Kommando zurück!“, brüllte Matt. „Nehmt euch zuerst die Ringe vor!“

Zwischen den wuselnden Leibern der kämpfenden Digimon bahnten sich die Ringe zu den Wölfen hindurch. Einige Garurumon und BlackGarurumon wurden erwischt, aber ihre Kameraden rissen ihnen die Ringe in wenigen Sekunden vom Leib, was für noch mehr Chaos in der Schlachtordnung sorgte. Die Giromon schwebten herab und schossen den Ringen zwischen den Kämpfenden nach wie Kanonenkugeln, um sie noch im Flug zu zerstören.

Matt ballte die Fäuste. Wir haben die Söldner angeheuert, um die Schwarzen Ringe zu zerstören, aber jetzt benutzen sie die Ringe nur, um die Giromon zu beschäftigen. Nein, ruhig bleiben. Yolei ist in der Pyramide. Das DigiArmorEi gehört so gut wie uns.

Hinten ihm rauschte und raschelte das Blattwerk. Die Einhörner waren da.

Meramon strömten rechts und links von Matt vorbei. Hinter ihm stand ein mächtiger, knorriger Baum und auf den anderen drei Seiten versteckten ihn Büsche und riesige Wurzeln, daher bemerkten sie ihn nicht. Sie hielten auf das Schlachtfeld zu und schossen Feuerbälle mitten in die wogende Menge, trafen Wölfe und Häscher des Kaisers gleichzeitig. Den Meramon folgten schwerfällige Digitamamon und Revolvermon. Letztere schossen ebenfalls wie verrückt um sich, ohne wirklich selbst ins Visier der kämpfenden Digimon zu kommen. Die Einhornarmee hatte klar den Vorteil in dieser Schlacht. Weit über der Flammenwand, die merklich in sich zusammengesunken war, sah er einen Meteoritenschauer, der genau dort niederging, wo das Lager des DigimonKaisers liegen musste. Also hatte ein Teil der Truppen aus der Wüste den Kampfherd umgangen und fiel dem Kaiser in den Rücken. Das war eine gute Neuigkeit.

Eine Bande Tapirmon, die auf einem Rumpf aus hellblauem Rauch schwebten, hielt direkt auf die Pyramide zu, die völlig ungedeckt dalag. Verdammt! Das war alles andere als gut. „Komm, Gabumon!“ Matt sprang auf, brach durch das Buschwerk und lief hinter den Reihen der Meramon und Revolvermon auf die Pyramide zu. Den brodelnden Hexenkessel, der weiter vorne tobte, konnte er kaum noch überblicken. Dort sah man nur noch fliegende Feuerbälle und Lichtkugeln und hörte sterbende Schreie und das Krachen von Revolvern. Er glaubte zu sehen, wie die Truppen des DigimonKaisers sich wieder feige in die Tunnel zurückzogen und die Wölfe mit den Einhörnern alleine ließen.

Seine Füße trampelten über den Boden und hinterließen weiche Abdrücke darin. Shurimon konnte die Tapirmon höchstwahrscheinlich besiegen, aber er wollte kein Risiko eingehen. Wenn er Glück hatte, würde Gabumon mit dem ArmorEi digitieren und ihn hier herausschaffen. Sobald sie es hatten, würde er den sofortigen Rückzug befehlen – wo sich schon das nächste Problem auftat. Die Ehernen Wölfe waren auf der einen Seite von ihrer eigenen Feuerwand und auf der anderen von den Truppen unter dem Einhornbanner umgeben, und die Soldaten des Kaisers verstopften ihre Fluchttunnel. Sie waren eingekesselt, was für die wendigen Vierbeinerdigimon eine absolute Neuheit war – normalerweise kämpften sie auf offenem Feld, wo sie viele Rückzugsmöglichkeiten hatten. Verdammt, wie war Matt nur so dermaßen in die Enge getrieben worden?!

Egal, das musste warten. Das DigiArmorEi ging vor, ohne es wäre das hier alles bedeutungslos gewesen. Es ging nicht länger um Mimi. Er musste es haben, um seinen Kameraden hernach noch in die Augen sehen zu können.

Er hatte die Pyramide fast erreicht. Verlorene Feuerbälle vom Schlachtfeld prasselten auf ihre Stufen nieder und das ferne Leuchten der Meteoriten und das Flackern der Schatten in dem sonst so düsteren Urwald erweckten einen Eindruck von Chaos … und grenzenlosem Wahnsinn. Das, und die beständigen Schreie der kämpfenden und sterbenden Digimon.

Rings um die Stufenpyramide klebten bereits Glutnester im Boden wie Parasiten. Das ist jetzt ein Feuertempel, ging ihm durch den Kopf. Dieser Teil der DigiWelt hat nie so viel Feuer gesehen wie heute.

Eines der Tapirmon bemerkte ihn und drehte sich um, doch noch ehe es ihn angreifen konnte, schloss sich Gabumons blaues Feuer wie ein Greifarm um seine Schnauze und ließ es brennend zu Boden fallen, wo es sich umherwälzte.

Die anderen hatten es plötzlich eilig, den Durchbruch in der Steinplatte zu erreichen, und stampfenden Schrittes kamen Matt die Drimogemon mit gesenkten Hornbohrern entgegen. Er würde eine gehörige Portion Glück brauchen, um nicht von ihnen …

Direkt vor der Basis der Pyramide, zwischen den massigen Leibern der Drimogemon, bracht mit lautem Getöse die Erde auf. Gleich drei Hämmer drehten sich wie Kreisel, um den Tunnel zu festigen, dann sprangen die drei Grumblemon hervor. Im nächste Moment spuckte das Loch in der Erde kleine Blumendigimon aus – Floramon. Matt hielt inne, die Tapirmon quietschten, als die Floramon eine Wolke aus gelben Pollen aus ihren Händen fließen ließen. Sie huschten verängstigt hin und her, ehe sie in süßen Schlummer versanken. Matt hielt sich vorsorglich den Ärmel seines grauen Mantels vor die Nase und sah, wie Gabumon ebenfalls die Luft anhielt.

Die Pollenwolke war so dicht, dass sogar eines der Drimogemon wankte und polternd zusammensackte. Dem zweiten donnerte ein Grumblemon den Hammer so hart gegen die Schläfe, dass es grunzend umfiel wie ein Stein und bewusstlos liegen blieb.

Als sich die Wolke gelegt hatte, atmeten die Digimon tief durch, und dann kletterte noch eine Gestalt aus dem Tunnel. Matt biss die Zähne aufeinander. Da war er. Er war persönlich gekommen …

Der DigimonKaiser schüttelte Erde von seinem blauen Umhang und ihre Blicke trafen sich. Seine Miene war ausdruckslos, seine Augen konnte Matt unter der Brille nicht erkennen. Auf seiner Schulter hockte ein Wormmon. Schließlich machte der DigimonKaiser eine Handbewegung und wandte sich um. Mit wehendem Mantel lief er in die Pyramide, gefolgt von den drei Grumblemon.

Matt knirschte mit den Zähnen. Er hatte also noch einen Tunnel gegraben und war sogar selbst bereit, sich in Gefahr zu begeben! Er hatte den DigimonKaiser gewaltig unterschätzt.

Er und Gabumon wollten ihm folgen, aber die Floramon stellten sich ihm mit grimmigen Gesichtern in den Weg. Keines davon trug einen Schwarzen Ring, sie schienen das freiwillig zu machen. Es waren mindestens zwanzig, und ihre Pollen würden ausreichen, um ihn ein Jahr lang in Schlaf zu versetzen …

„Wir haben keine Wahl“, murmelte er. „Los, Gabumon.“ Wieder rannten sie los, und eine Pollenwolke verhüllte ihnen die Sicht. Gabumon spie eine blaue Stichflamme, die die Sicht wieder ein wenig klärte und die Blütenblätter der Floramon ansengte. Sie konnten es schaffen, wenn sie nur lange genug die Luft anhalten konnten … Was leichter gesagt als getan war, da Matt von seinem Sprint hierher noch ganz außer Atem war. Er schlug mit bloßen Fäusten um sich und warf die Floramon aus dem Weg, die er erwischte, andere trampelte er einfach nieder. Sein Blick fiel in das Loch, durch das sie gekommen waren. Jetzt wusste er, warum die Tunnel in diesem Boden hielten. Weiße Fäden bedeckten die Stollenwände, ein klebriges Netz, für das sicher dieses Wormmon verantwortlich war.

Er hat alles genau geplant, schoss es Matt durch den Kopf. Ich brauche viel Glück, um ihn zu erwischen … Das gefällt mir gar nicht.

Mit einem Hechtsprung warf er sich durch die Einbruchstelle in der Pyramidenmauer, dicht gefolgt von Gabumon.
 

Im Inneren der Pyramide war es dunkel, und bei all der Aufregung hatte Yolei vergessen, eine Fackel oder Lampe mitzunehmen. Alles, was sie hatte, war eine Packung Streichhölzer, die sie für gewöhnlich benutzte, um die Öllampe in ihrer Kammer in Little Edo anzuzünden. Die wohlgemerkt ebenfalls brav dort stand und nicht etwa den Weg in ihre Tasche gefunden hatte. Yolei seufzte und ließ einen der roten Köpfe zischend entflammen.

Sie sah kaum zwei Schritte weit, alles Weitere verschlang die Düsternis. Der Boden war reich mit Rillen verziert und leuchtete im Licht der Flamme kupferfarben. Die Luft roch süßlich wie Cremetorte, aber das Gas schien sich weit genug verteilt zu haben, um nicht mehr giftig zu sein. Zum Glück.

Sie ging geradeaus und kam zu dem kleinen Podest, wo die indianischen Verzierungen immer pompösere Ausmaße annahmen. Das ArmorEi lag aber nicht mehr dort. Yolei fluchte, als die Flamme ihre Finger erreichte, und schüttelte das Streichholz aus. Grimmig riss sie ein neues an.

„Du solltest sparsam damit umgehen“, meinte Shurimon.

„Ach was, das geht schon.“ So schnell sie konnte, ohne die Flamme zu löschen, ging sie den quadratischen Raum ab. Keine Spur von dem Ei oder Revolvermon, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Was bei letzterem natürlich sehr gut der Fall sein konnte. „Ist dieses Revolvermon etwa noch tiefer in die Pyramide reingelaufen?“, murmelte sie genervt. Sie stießen auf ein finsteres Loch in einer der Seitenwände. Niedrige, steinerne Stufen führten nach unten. Sie sah Shurimon fragend an; im Licht des Zündholzes wirkte sein vermummtes Gesicht wirklich unheimlich. Es nickte.

Mit einem klammen Gefühl und bangem Herzklopfen tappten sie den Gang entlang. Nach wenigen Metern wurde er von einer Steinplatte blockiert. Yolei tastete die Ränder ab; glatt und akkurat angefertigt. Sie brauchte ein neues Streichholz, um sich die Schaltfläche daneben ansehen zu können. auf der Wand war eine Art Uhr angebracht; eine steinerne Scheibe, die in mehrere Sektoren unterteilt war, wie eine angeschnittene Torte. Es gab nur einen Zeiger; ein klobiges Dreieck aus Sandstein, das sie in einer Schiene rund um das Ziffernblatt schieben konnte. Sie probierte ein wenig herum, und als der Zeiger nach rechts oben zeigte, rumpelte und scharrte es und die steinerne Tür glitt nach oben.

Zufrieden wollte Yolei loslassen, als sie merkte, dass der Zeiger langsam wieder in seine Ursprungsposition zurückglitt, als würde er mit einem Magnet dorthin gezogen werden. Die Tür war verschlossen, aber dahinter musste Revolvermon sein; das konnte nur bedeuteten, dass sie ebenfalls eingesperrt werden würde, wenn der Zeiger nicht auf dem richtigen Feld blieb.

Yolei ließ Shurimon mit seinen Wurfsternen etwas Steinmehl von den Wänden abkratzen, befeuchtete es mit Spucke und stopfte den weichen Klumpen dann in die Laufschiene des steinernen Zeigers. Nun steckte er wirklich fest. Da sollte noch mal jemand sagen, dass sie sich nicht zu helfen wüsste!

Das Streichholz erlosch abermals, als sie den Weg die Stufen hinab fortsetzten, und Yolei beschloss, diesmal kein neues zu entzünden. Sobald sie irgendwo ankamen, würde sie wieder Licht machen.

Sie fühlte sich, als müsste sie in der schweren, dicken Dunkelheit ersticken. Nur ihre Soldatenstiefel klackerten wieder einmal laut auf den Stufen, das einzige vertraute Geräusch hier. Schließlich änderte sich das Echo und ein vorsichtiges Tasten mit dem Fuß verriet Yolei, dass sie das Ende der Treppe erreicht hatte. Sie waren mindestens zwanzig Meter unter Tage – waren sie überhaupt noch unter der Pyramide? Als sie ein neues Streichholz entzündete, stockte ihr der Atem.

Der unterirdische Raum war riesig, das spürte sie. Die Decke konnte sie nicht sehen – auch nicht den Grund; einen halben Meter neben ihren Füßen gab es keinen Boden mehr. Eine einsame, zwei Meter breite Steinbrücke spannte sich über den Abgrund, und nur einen Schritt von ihr entfernt ragten armlange, rostige Metallspitzen daraus hervor. Yolei schluckte und beugte sich so weit nach vorn, wie es ging, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dort vorne in den Schatten glitzerte etwas. Das DigiArmorEi. Revolvermon hatte sich zwar an dem Gas vergiftet, war aber bis hierher gekommen, hatte offenbar eine Druckplatte ausgelöst und war aufgespießt worden. Keine Datenreste waren von ihm übrig geblieben.

„Überlass das mir, Yolei“, sagte Shurimon, nahm den gigantischen Wurfstern von seinem Rücken und schleuderte ihn nahe am Boden über die Steinbrücke. Knirschend mähte der rasch rotierende Shuriken die alten, rostigen Stacheln ab, machte am Ende der Brücke eine Kehre und flog wieder in Shurimons Arme zurück.

„Super gemacht, Shurimon!“ Aufgeregt lief Yolei auf das glitzernde Ding zu.

„Sei vorsichtig, da können immer noch Fallen sein, die Revolvermon nicht ausgelöst hat!“, versuchte ihr Partner sie zurückzuhalten, aber da hatte sie das Ei schon gefunden und aufgehoben.

„Bingo, das ist es! Obwohl es irgendwie gar nicht aussieht, wie ein Ei …“ Es war eher eine Art Kappe mit zwei flügelartigen Klingen an der Seite und fühlte sich kühl und hart wie Eisen an. Auf der Vorderseite war ein kunstvolles, kopfstehendes Herz eingraviert. „Sehr gut, dann auf zu …“

„Psst!“, herrschte Shurimon sie an, und sie verstummte. Schritte, da waren eindeutig Schritte. Sie schüttelte ihr Streichholz aus, das sowieso schon wieder versuchte, ihr die Finger zu verbrennen, aber es wurde nicht dunkel. Heller, weißer Lichtschein kam die Treppe herunter, ließ die Schatten wandern, bis das Licht direkt vor ihnen war und sie blendete.

Es war ein Mensch, und sie erkannte auch sogleich, dass es nicht irgendeiner war. Vor ihr stand der DigimonKaiser, in seinem blauen Cape und dem ungewöhnlichem Anzug, den schwarzen Handschuhen und Stiefeln, der goldenen, getönten Brille und dem dunklen Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. In der Hand hielt er eine Art Leuchtstab, von dem das gleißende Licht ausging, das den ganzen Raum ausfüllte und sie erstmals die Seitenwände sehen ließ, gut fünf Meter jenseits der Brücke. Begleitet wurde er von drei hinterhältig aussehenden Grumblemon und einem Wormmon, das auf seiner Schulter saß. Shurimon stellte sich schützend vor sie und breitete die klingenbewehrten Arme aus.

Sie meinte, den Blick des DigimonKaisers auf sich zu fühlen. „Wir müssen nicht kämpfen, Yolei“, sagte er. Seine Stimme hallte mit einem schaurigen Echo wider, aber sie klang sanft, gar nicht so, wie sie es sich bei einem machtsüchtigen Imperator vorgestellt hätte.

„Woher … woher kennst du meinen Namen?“, fragte sie überrascht.

Sie meinte zu sehen, wie seine Gesichtszüge weicher wurden. „Ich weiß eine Menge über dich.“

„Du willst das hier, richtig?“ Yolei hielt das ArmorEi hoch und versteckte es dann hinter ihrem Rücken. „Ich werde es dir niemals überlassen. Eher werfe ich es in den Abgrund!“

„Nur zu, ich habe nichts dagegen“, sagte er, ruhig lächelnd, und verdutzte sie damit abermals. Dann seufzte er. „Ich habe genug von dieser Farce, Yolei. Erinnerst du dich wirklich nicht an mich?“

„Erinnern?“ Soweit sie sich entsinnen konnte, war dies das erste Mal, dass sie ihm begegnete. Vorher hatte sie sich nur mit seinen Lakaien herumgeschlagen.

Der DigimonKaiser nahm die Brille ab. Dunkelblaue Augen wie Meerestiefen blickten ihr entgegen. Er lächelte sie schwach an und streckte die Hand aus. „Komm mit mir. Ich werde dir alles erklären.“

Yolei runzelte finster die Stirn. „Warum sollte ich mitkommen? Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Du hast es nur auf das Ei abgesehen, oder?“

Er seufzte. War er traurig? Nein, das war eindeutig gespielt. Ein kleiner Apparat an seinem Handgelenk gab ein knackendes Geräusch von sich. „Eure Majestät, unser Lager wird angegriffen“, grollte eine Stimme, blechern und über das Rauschen schwer zu verstehen. „Was sollen wir tun?“

„Haltet die Stellung, ich bin bald bei euch“, sagte der DigimonKaiser in Befehlston und wandte sich dann wieder Yolei zu. „Also erinnerst du dich wirklich nicht.“

„Ich hab dich noch nie im Leben gesehen! Also wovon redest du überhaupt?“ Misstrauisch musterte sie sein Gesicht. Nein, sie kannte es nicht … und doch … und doch … irgendetwas daran war … merkwürdig. Anders konnte sie es nicht sagen. Sie verschränkte trotzig die Arme.

„Davon, dass wir einmal Freunde waren.“ Es klang gar nicht, als ob er es zu ihr sagte, viel eher murmelte er es so vor sich hin.

Sie starrte ihn nur verständnislos an. Für einen Trick ging er wirklich weit. „Tut mir leid, aber das wüsste ich ja wohl“, sagte sie patzig.

„Eben nicht. Deemon hat deine Erinnerungen geändert, ebenso die aller anderen.“

„Es hat keinen Sinn, Ken“, murmelte das kleine Wormmon auf seiner Schulter niedergeschlagen.

„Ich muss es wenigstens versuchen.“

„Hör nicht länger auf ihn, Yolei“, sagte Shurimon und spannte seine Sprungfederarme an. „Wenn du das Signal gibst, werde ich angreifen.“

„Du wirst seine Majestät nicht unterbrechen“, warnte eines der Grumblemon und die drei schwenkten drohend ihre Hämmer.

 „Gib mir eine Chance, es dir zu erklären“, fuhr der Kaiser unbeirrbar fort. „Wenn du willst, verzichte ich auf das Ei. Du kannst es behalten, es ist sowieso deines. Aber vorher hör mir bitte zu, Miyako.“

Sie starrte ihn wie vom Donner gerührt an. Woher zum Teufel wusste er diesen Namen? Seit sie Söldnerin geworden war, war sie überall nur als Yolei bekannt. Ihren echten Namen kannten nur Hawkmon, Mimi und Palmon, und ein paar ihrer engsten Freunde. Und dieser Joe von den Zuverlässigen, dem sie ihn leicht betrunken verraten hatte. „Du …“, murmelte sie. „Was weißt du sonst noch über mich?“

Er schenkte ihr ein warmes Lächeln und schien in Erinnerungen zu versinken. „Vieles. Du bist ein richtiger Wirbelwind, kannst nie lange still sitzen oder den Mund halten. Du bist neugierig, fröhlich und kennst dich gut mit Technik aus. Deine Eltern besitzen einen kleinen Supermarkt, und du musst dich immer gegen deine Geschwister durchsetzen. Du …“

„Ha!“, unterbrach sie ihn. „Ich bin ein Einzelkind! Und meine Eltern habe ich nie kennen gelernt!“

Sein Lächeln war unerschütterlich. Er streckte ihr abermals die Hand hin, aber diesmal schien sie nicht das ArmorEi zu erwarten, sondern ihre, Yoleis Hand. „Wenn du mit mir kommst und mir zur Seite stehst, wirst du sie kennen lernen.“

Sie starrte ihn eine geschlagene Sekunde an, das ArmorEi immer noch so fest in der Hand, dass sich die scharfen Kanten schmerzhaft in ihre Handfläche gruben, als eine weitere Stimme erklang. „Hör nicht auf ihn, Yolei.“

„Matt!“, rief sie erfreut aus. Er und Gabumon standen hinter dem DigimonKaiser und seinen Soldaten am Fuße der Treppe. Matt sah außer Atem aus.

„Du hast es also an den Floramon vorbeigeschafft?“, stellte der Kaiser fest. Ein Grumblemon drehte sich knurrend zu ihm um.

Matt antwortete nicht, aber er sah wütend aus. „Das Spiel ist aus, DigimonKaiser!“, sagte Gabumon erregt, riss das Maul auf und eine blaue Stichflamme schoss daraus hervor.

Das Grumblemon sprang in die Höhe und wehrte das Feuer mit seinem Hammer knapp vor dem Gesicht des DigimonKaisers ab. „So ist das also“, murmelte dieser. „Gut. Seht zu, dass den Menschen nichts passiert. Ich will alle vier als Geiseln.“

„Zu Befehl!“, riefen die Grumblemon wie aus einem Munde, und der Tanz ging los.

Das eine Grumblemon ging auf Matt los und ließ seinen Hammer so heftig niederdonnern, dass Risse den Boden durchzogen, als er zurücksprang. Gabumon warf sich dazwischen, aber es wurde einfach aus dem Weg gestoßen.

Die beiden anderen Gnome stürzten sich auf Shurimon, das mit seinen Shuriken-Händen den ersten Hammerschlag parierte, mit seinen Sprungfedern auf Distanz ging und seinen großen Wurfstern schleuderte. Das Grumblemon quiekte auf, als sein Bauch durchbohrt und es an die Wand geheftet wurde, wo es sich in einen Datenwirbel auflöste. Dann war das zweite heran und traf Shurimon gegen die Schulter und schleudert es zu Boden.

„Shurimon!“, rief Yolei und wollte zu ihm laufen.

„Bleib weg, Yolei!“ Ihr Partner rollte sich herum und fing den nächsten Schlag wieder mit den Händen auf. Die beiden Digimon rangen miteinander, versuchten jeder, den Hammer zum jeweils anderen zu drücken.

„Plan B, Wormmon“, sagte der DigimonKaiser.

„Was …?“ Yolei sah sich gerade nach ihm um, als ihr ein weißes, im Licht feucht schimmerndes Netz aus dem Mund des kleinen Raupendigimons entgegenflog. Mit einem unterdrückten Schrei wurde sie davon umgerissen. Das DigiArmorEi entglitt ihr und schlitterte über den Boden. Ihre Arme und Beine verfingen sich sofort in den klebrigen Maschen. Sie strampelte, verstrickte sich aber nur noch mehr in dem Netz.

Hilfesuchend fiel ihr Blick auf Matt. Der hatte alle Hände voll zu tun, nicht dem hammerschwingenden Grumblemon auf der anderen Seite der Brücke zum Opfer zu fallen. Gabumon krümmte sich auf dem Boden, offenbar verletzt, und als Matt sich barhändig auf den Gnom warf, schüttelte der ihn ab und verpasste ihm einen Stoß, der ihn über den Rand der Brücke warf.

Yoleis Herz ließ einen Schlag aus. Dann sah sie, dass Matt sich noch an die Kante klammerte und versuchte, sich hochzuziehen. Fies grinsend kam das Grumblemon auf ihn zu und wiegte den Hammer in der Hand. „Matt!“, rief sie aus voller Kehle. „Pass auf!“

„Lass ihn in Ruhe, Grumblemon. Kümmere dich um sein Digimon“, schallte die herrische Stimme des DigimonKaisers durch den Raum. Er war auf das ArmorEi zugetreten und hob es eben auf. „Das nehme ich.“

„Gib – es – sofort – wieder – her!“, wütete Yolei zornig in ihrem Netz. „Shurimon!“

Aber von Shurimon sah sie nur noch ein gelbes Leuchten, als es wieder zu Hawkmon wurde. Es hatte das stille Ringen verloren und war von Grumblemons Hammer getroffen worden.

Ächzend zog sich Matt über die Brückenkante und Yolei atmete erleichtert auf. Der DigimonKaiser ging auf ihn zu. „Ich schätze, du wirst auch nicht freiwillig mit mir kommen?“

Matt keuchte nur, aber der Blick, mit dem er ihn maß, sprach Bände. Wormmon holte Luft und spie auch ein Netz auf ihn – das von einer blauen Flamme von Gabumon noch im Flug verbrannt wurde. Als Strafe stieß das andere Grumblemon dem Digimon den Hammer in den Magen.

„Du verdammter …“, murmelte Matt – und ging plötzlich eigenhändig auf den DigimonKaiser los. Völlig überrascht steckte der eine Backpfeife ein, die ihn zurücktaumeln ließ. Die Leuchtröhre kullerte über die Brücke, ließ Schatten tanzen und blieb an der Kippe liegen. Matt setzte dem Kaiser nach und ließ gleich zwei weitere Schläge folgen. Einer davon schleuderte Wormmon von seiner Schulter. Der DigimonKaiser hob erst abwehrend die Hände, dann setzte er knurrend zum Gegenangriff an, aber offenbar war er kein geübter Kämpfer. Matt fing seine Faust mit der Handfläche ab und rammte ihm das Knie in die Magengrube. Keuchend und würgend ging der DigimonKaiser in die Knie und umklammerte seinen Bauch.

„Hast du genug?“, fragte Matt überheblich.

„Matt, hinter dir!“, schrie Yolei und zappelte einmal mehr vergeblich in ihrem Netz.

Noch ehe Matt sich umdrehen konnte, bekam er den Stiel von Grumblemons Hammer in den Rücken, was ihn ebenfalls taumeln ließ – gefährlich nahe am Abgrund. Er wäre gestürzt, hätte nicht der DigimonKaiser – ausgerechnet der DigimonKaiser! – geistesgegenwärtig seinen Arm gepackt und ihn zurückgerissen. Schwer atmend kamen beide wieder auf die Beine, Grumblemon trieb Matt von dem Kaiser fort.

„Das hättest du nicht tun sollen“, murmelte der Eherne Wolf düster.

„Yolei, das Ei!“, rief Hawkmon. Yolei, in deren Kopf sich bereits alles drehte, warf einen Blick auf das metallisch funkelnde DigiArmorEi, das zu Boden gefallen war, dann auf Hawkmon, das unter dem Fuß des anderen Grumblemons lag und eben seine Feder aus dem Stirnband zog. Sie verstand.

Die Feder zeichnete eine verschwommene Linie durch die Luft und zerschnitt zielgenau den größten Teil von Yoleis Netz. Sie sprang auf, riss sich die letzten klebrigen Fäden vom Leib, der DigimonKaiser bückte sich nach dem ArmorEi, sie rannte auch darauf zu, er nahm es in die Hand … und sie warf sich einfach gegen ihn.

Völlig überrascht verlor er das Gleichgewicht und die beiden rollten sich, ineinander verkeilt, über die Brücke, bis sie auf ihm saß. Der Blick, mit dem er sie maß, irritierte sie. Er war so ehrlich, so traurig und so … flehend. Nein, nein, nicht flehend, gierig, gierig! Er war ein übler Schuft, auch wenn er tausendmal sagte, dass er ihr Freund sei, er hatte den Angriff auf Mimis Shogunat befohlen und sie mit dem Schwarzen Ring ausspioniert, hatte allein in dieser Schlacht mehr Digimon auf dem Gewissen, als sie je kennen gelernt hatte, sorgte überall in der DigiWelt für Gerüchte und schreckliche Geschichten, und, und, und … „Du … Vollidiot! Elender, elender Vollidiot!“ Bei jedem Wort schlug sie ihm mit der flachen Hand auf die Wange und wusste nicht, weshalb sie plötzlich Tränen in den Augen hatte.

„Ich wollte diesen Krieg nie“, murmelte er, als sie endlich innehielt. Seine Wangen waren beide dunkelrot. „Ich will ihn nur beenden, das musst du mir glauben. Um die DigiWelt zu retten. Und dich und unsere Freunde.“

„Halt den Mund!“, schrie sie, schloss die brennenden Augen und als sie erneut ausholte, verkrampfte sich ihre Hand zur Faust.

„Schluss damit, Kleine, sonst verarbeite ich diesen Kümmerling hier zu Matsch“, schnarrte eines der Grumblemon. Erschrocken sah sie sich um. Das Digimon stand immer noch mit einem Fuß auf Hawkmon, das panisch mit den Flügeln flatterte, und hatte den langstieligen Hammer weit über dem Kopf erhoben. „Runter von seiner Majestät, wird’s bald?“

Yolei biss die Zähne zusammen und erhob sich zerknirscht. „Brav, meine Süße“, grinste Grumblemon. „So, was stelle ich jetzt am besten mit diesem Vogel an?“

„Du hast gesagt, dass du ihn freilässt!“, rief Yolei aufgelöst.

„Hab ich nicht, das wüsste ich.“

Der DigimonKaiser rappelte sich ebenfalls auf. „So etwas habe ich nicht befohlen“, sagte er kalt zu Grumblemon. „Nimm sofort den Hammer runter, das ist ein Befehl.“ Grummelnd gehorchte das Digimon.

Yolei wurde nicht schlau aus ihm. Erst rettete er Matt, jetzt Hawkmon, und trotzdem kämpfte er gegen sie?

„Widerstand ist zwecklos. Gebt mir eure DigiVices und kommt mit mir. Ich will keinem von euch etwas tun, das schwöre ich.“ Er klang noch eindringlicher als vorher.

Wieder knackte es am Armband des DigimonKaisers. Diesmal klang die Stimme noch gehetzter als vorher. „Majestät, der Turm! Diese verdammten Starmon haben den Turm zerstört, wir können …“ Dann war nur noch ein Krachen und dann wieder Rauschen zu hören.

Die Lippen des DigimonKaisers bewegten sich in einem stummen Fluch. Er packte das ArmorEi fest und wandte sich mit wehendem Umhang um. „Wir gehen, Wormmon.“ Yolei meinte, seine Stimme zittern zu hören. Kaum dass Wormmon wieder auf seine Schulter gehüpft war, rannte er los.

„Nicht so schnell! Gabumon!“, rief Matt, sein strahlendes DigiVice von sich gestreckt.

„Jederzeit!“ Gabumon, das immer noch bei dem Grumblemon nahe der Stiege lag, sprang auf die Beine – und wurde in einem Schwall gleißenden Lichts zu einem MetallGarurumon. Yolei blieb der Mund offen stehen. Jetzt wusste sie, warum Matt sich und seine Digimon die Ehernen Wölfe nannte.

Das eine Grumblemon überwand seinen Schock ziemlich schnell, hob den Hammer – und wurde von einem Schwall flüssigen Eises aus MetallGarurumons Maul in Staub verwandelt. Zwei blaue Strahlen aus dessen Schnauze bohrten sich durch den Raum und vernichteten den zweiten Gnom, der nicht einmal zum Schreien kam. Dann stellte der eiserne Wolf sich den beiden Flüchtenden entgegen und öffnete erneut das glühende Maul.

Der DigimonKaiser zückte ein DigiVice. Yolei meinte ihren Augen nicht trauen zu können. Er hatte so etwas? Wormmon verwandelte sich in einen goldgelben Schatten, und als das Licht verschwand, saß plötzlich der DigimonKaiser auf der Schulter eines Stingmons, dessen grüner Panzer im bleichen Licht schimmerte. Seine Insektenflügel surrten, als es schnell wie der Wind um MetallGarurumon herumflog, seiner Attacke auswich und die Treppe nach oben sauste.

„Ihnen nach!“, rief Yolei, packte Hawkmons Flügel und schwang sich mit ihm auf MetallGarurumons Rücken. Matt saß nur eine halbe Sekunde später vor ihnen und der Wolf stürmte los.

Der Gang war gerade und das Flügelsirren direkt vor ihnen. Erneut spie MetallGarurumon einen Eisschwall, doch in dem Moment passierte Stingmon die Steintür. Der DigimonKaiser bewegte den Uhrzeiger und die Platte donnerte hinunter, das Eis klatschte dagegen und hinterließ nur Kälte. Yolei kniff die Augen zusammen, als MetallGarurumon mit voller Wucht gegen die vereiste Steinplatte prallte und sie in tausend Splitter zerbarst.

Stingmon war bereits im Hauptraum um die Ecke geflogen. Sie folgten ihm hinaus aus der Pyramide. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und alles war in Schatten getaucht.

„Da oben!“, rief Yolei. MetallGarurumon stieß sich ab und rauschte mit eingeschaltetem Jetantrieb in den bleigrauen Himmel. Sie waren schneller als Stingmon. Yolei verstand immer noch nicht, warum der DigimonKaiser auch ein DigiVice besaß. Er konnte sein Digimon wohl nicht unter dem Einfluss eines Schwarzen Turms digitieren lassen, also warum baute er die Türme dann überhaupt?

In MetallGarurumons Körper öffneten sich Dutzende Kanonenrohre und Raketenöffnungen und feuerten Stingmon eine verheerende Salve hinterher. Das Insektendigimon wich in einem halsbrecherischen Manöver aus, aber sie kamen jetzt so nahe an es heran, dass Yolei sehen konnte, dass der DigimonKaiser sich mit einer Hand in dessen rötliches Haar gekrallt hatte, um nicht abgeworfen zu werden.

„Gleich haben wir ihn!“, rief Yolei, als etwas MetallGarurumons Flanke traf und sie alle aufschreien ließ. Das Digimon kam ins Taumeln, ehe es seinen Kurs korrigierte.

„Was war das?“, schrie Matt über den Flugwind hinweg.

„Dieses riesige Digimon von der Einhornarmee“, knurrte der Wolf.

Yolei warf einen Blick nach unten und hätte es fast bereut. Unter ihr breitete sich der Dschungel satt und grün und verschlungen aus, und dort, auf einer gerodeten Fläche, scheinbar endlos weit entfernt, stand ein Digimon, so massiv und metallisch wie ein Panzer und langgezogen wie eine Eidechse. Aus zwei Raketenwerfern auf seinen Schultern feuerte es eine neuerliche, gestreute Salve in den Himmel.

„Festhalten!“, rief Matt und klammerte sich an MetallGarurumons Hals, Yolei dann um Matts Hüfte, wobei sie Hawkmon fest in die Arme nahm. MetallGarurumon flog Loopings, die jeder Achterbahn zur Ehre gereicht hätte, verlor aber dadurch sein Ziel aus den Augen. Als sie endlich außer Reichweite waren und der Beschuss aufhörte, flog Stingmon schräg über ihnen.

„Hawkmon, kannst du noch zu Aquilamon digitieren?“, rief Yolei. Der Wind zerrte an ihrem Haar; ihr Zopf war aufgegangen.

„Ich habe eine bessere Idee.“ Hawkmon löste die Feder aus seinem Stirnband, wartete, bis MetallGarurumon Stingmon überholt hatte, und schleuderte sie dann aufwärts, die Breitseite zuvorderst, sodass sie auf keinen Luftwiderstand traf und durch den Fahrtwind schnitt wie ein heißes Messer durch Butter.

Kurz verlor Yolei das Geschoss aus den Augen, dann meinte sie, Blutstropfen durch die Luft fliegen zu sehen. Schließlich erhaschte sie wieder einen Blick auf den DigimonKaiser, der das Gesicht verzerrt hatte, den Mund zu einem Schrei geöffnet, der sich im Wind verlor, und seine blutende Hand umklammerte. Das ArmorEi stürzte wie ein gefallener Stern nach unten in den Dschungel.

Stingmon drehte nach Norden ab. „Hinterher“, rief Matt und sie flogen eine steile Kurve.

Fast hatten sie ihn erneut eingeholt, als mit Stingmon etwas nicht stimmte. Das Digimon glühte auf und wurde wieder zu Wormmon, und wie zwei Bälle, die jemand geworfen hatte, stürzten es und der DigimonKaiser ab.

„Halt! Stopp! Nicht weiterfliegen!“, kreischte Yolei und MetallGarurumon zog einen neuerlichen Looping, um den Schwung zu verbrauchen. Dabei verschoss es eine einzelne Rakete aus seiner Bauchklappe, doch ehe sie die beiden traf, wurden der DigimonKaiser und Wormmon sanft von einem urplötzlich aufgetauchten Airdramon aufgefangen. Schlängelnd brachte es sie weiter nach Norden.

„Sollen wir ihnen nicht folgen?“, grollte MetallGarurumon.

„Nein, da vorn beginnt ein neues Gebiet. Ein Gebiet mit einem Schwarzen Turm.“ Yolei strich sich zittrig die Haare aus dem Gesicht, die ihr verschwitzt auf der Haut klebten. „Wenn wir ihm folgen, stürzen wir auch ab.“

„Yolei hat recht“, murmelte Matt, als sie ruhiger in Spiralen zu Boden flogen. „Dabei hatten wir ihn fast …“

„Mach dir nichts draus“, meinte Yolei lächelnd. „Dafür haben wir das ArmorEi. Das war ja eigentlich unser Ziel, oder?“

Aber sie sah ihm an, dass er in diesem Moment lieber den DigimonKaiser geschnappt hätte als dieses lächerliche Geschenk für Mimi.
 

Fire in our hearts, the evil rages on for evermore

Burning in the cold, the battle rages now

(Dragonforce – Storming The Burning Fields)
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war's. Ich hoffe, die verschiedenen Sichten auf die Schlacht haben euch gefallen; erst der strategische Teil, dann die Schlacht als solche, dann der Showdown in der Pyramide.
Bis zum nächsten Kapitel! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Juju
2016-03-02T11:14:07+00:00 02.03.2016 12:14
Soooo und gleich das nächste Kapitel. Hierzu habe ich eigentlich gar nicht so viel zu schreiben.
Fand es genial geschrieben, wie immer. Kens Sicht zuerst hat mir total gut gefallen, wie er hin und her überlegt und versucht, die Strategien des Feindes zu durchschauen. Er gefällt mir in der Geschichte als Charakter auch total gut. Ich hoffe so sehr, dass er es schafft, alle seine Freunde wieder an sich zu erinnern.
Die Schlacht war auch sehr gut geschrieben, man konnte einfach nicht erahnen, wie es weitergeht und für wen die Sache gerade besser aussieht. Es war ein ständiger Wechsel. Und dann das in der Pyramide. Ich konnte kaum weiterlesen. Hatte echt Angst, du lässt da jemanden draufgehen. xD Diese Szene zwischen Ken und Yolei hat mich auch fast zu Tränen gerührt. Aber irgendetwas scheint sich ja in ihr geregt zu haben. Offenbar ist ihre Erinnerung nicht gänzlich ausgelöscht. Wie schade, dass er es am Ende nicht geschafft hat, sie und Matt mitzunehmen. Sie sollen sich wieder erinnern. T_T Es würde ihm so viel helfen, wenigstens noch einen Mitstreiter zu haben, denke ich. Taktisch und vor allem emotional. Und ich hätte ihm gegönnt, dass er das ArmorEi bekommt, aber mäh. Hawkmon war zu gerissen.
Das ist so eine andere Sache in deiner Geschichte. Man weiß nicht, mit wem man mitfiebern soll. Man will auf der Seite aller stehen, aber das geht ja nicht. Man sollte für Ken sein, aber irgendwie fiebert man auch mit den anderen mit.
So mal sehen, was die werte Prinzessin zu ihrem Geschenk sagt. xD
Von:  fahnm
2015-09-27T22:40:12+00:00 28.09.2015 00:40
Tolles Kapitel
Ich bin sehr gespannt wie es weiter gehen wird.
Antwort von:  UrrSharrador
28.09.2015 13:56
Danke für deinen Kommi!
Von:  EL-CK
2015-09-27T17:18:38+00:00 27.09.2015 19:18
Ein tolles Kapitel... ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet dass es das Armor-Ei der Liebe sein würde (hätte eher an Davis zweites oder so gedacht...)... ich fand es iwie süß, das Ken versucht Yolei zu überreden...
Ich freu' mich schon aufs nächste Kapitel...
Antwort von:  UrrSharrador
28.09.2015 13:56
Danke für deinen Kommi ;) Ich irgendwie auch - schade, dass es nicht geklappt hat ... für ihn halt^^
Antwort von:  EL-CK
28.09.2015 17:19
nicht nur für ihn ;)
Antwort von:  UrrSharrador
28.09.2015 22:56
stimmt, wenn mans genau nimmt ...^^


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