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New Reign

Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, ich bin spät dran ... <insert Ausrede wegen Stress here> ... Aber jetzt dafür, los geht's! Komplett anzeigen

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In Ketten


 

Tag 80
 

Es tat Mimi gut, frischen Wind in Digitamamons Restaurant zu spüren. Kabukimon und einige seiner Anhänger kamen fast täglich vorbei. Sie aßen und sprachen über die Lage in Little Edo, wenn Digitamamon nicht dabei war, und übers Wetter, wenn es dabei war. Für den Restaurantbesitzer musste das Digimon wie in guter Freund von Mimi wirken – auch wenn Michael ihm gegenüber eher kühl war.

Die Rebellion lief gut voran – sofern man schon von einer Rebellion sprechen konnte, aber Kabukimon schilderte die Vorgänge in schillernden Farben: Immer mehr Digimon krochen aus ihren Löchern und schlossen sich zu kleinen Gruppen zusammen, die sich Kabukimon oder seinen Vertrauten unterstellten. Sie führten noch keinen offenen Krieg, aber sie rekrutierten fleißig Mitglieder. Immer wieder brachte Kabukimon fremde Digimon mit, denen es sehr vertrauen musste, und stellte sie Mimi vor. Diese wirkten immer sehr zufrieden und freuten sich, dass es ihr gut ging. Ein Gekomon warf sich sogar vor ihr auf den Boden und küsste ihre Füße. Das war eigentlich Mimis ganze Anteilnahme an ihrer Rebellion: Sich einfach nur skeptischen Anhängern zu zeigen, die die Kunde ihres Wohlergehens weitertrugen. Eine Rebellion sei wie ein Feuer, sagte Kabukimon, und mehrere Zünder konnten einen ganzen Flächenbrand verursachen, wenn man sie in die Welt hinausschickte.

Mimi war einfach froh, endlich zu etwas nütze zu sein. Sie war besser gelaunt, wie sie selbst merkte, und kam auch öfters in die Gaststube hinunter, um zu essen. Kabukimon kümmerte sich jedes Mal um die Bezahlung. Digitamamon kassierte und schwieg.

Bisher hatte Michael sie immer eingeladen, mit dem Geld, das er von seinen Vorgesetzten erhalten hatte. Von ihm entfremdete sich Mimi zusehends. Sie fand es schade, aber nicht zu ändern; schließlich wusste sie nicht, warum er plötzlich so abweisend war. Er ließ sich seltener außerhalb seines Zimmers blicken, und Mimi wusste, dass er lange Gespräche mit seiner Basis führte. Hinterher war er oft noch übellauniger. Ob er sich die Rebellion anders vorgestellt hatte?

Auch Yolei verhielt sich seltsam. Obwohl Mimi voller Überschwang war und ihre beste Freundin damit anzustecken versuchte, schien sie die meiste Zeit über etwas zu brüten. Selbst Hawkmon gab Mimi keine Auskunft, obwohl es garantiert wusste, was sie beschäftigte, und als Mimi Yolei einmal direkt danach fragte, erteilte sie ihr eine rüde Abfuhr – gefolgt von einer Entschuldigung.

„Ich weiß nicht, ob ich das Richtige tue“, gestand Mimi Palmon einmal, als sie es wagten, sich im Wald hinter dem Restaurant die Beine zu vertreten. Es war ein warmer Tag, ein laues Lüftchen wehte vom See her, dessen kleine Kräuselwellen das Sonnenlicht in tausend Facetten spiegelten. „Es scheint alles gut zu laufen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Michael und Yolei nicht damit einverstanden sind.“

„Ich glaube, Michael ist einfach nur besorgt, weil Kabukimon mitten in die Höhle des Löwen vorstoßen will“, sagte Palmon. „Es ist sicher eine gefährliche Operation.“

„Aber wir sind so im Nachteil, dass wir nur auf gefährliche Operationen setzen können“, sagte Mimi. Kabukimon hatte mal etwas in der Art gesagt. Das erklärte aber noch nicht Yoleis Verhalten.

„Kann sein. Ich weiß es nicht, Mimi. Wir müssen einfach hoffen.“

Am Abend, als sie zu dritt noch nach Sperrstunde im Restaurant saßen, fragte Mimi Kabukimon selbst, für wie gefährlich es sein Vorhaben hielt. Das Digimon antwortete ehrlich und unverblümt. „Es ist verrückt. Aber genau darum rechnet niemand damit, selbst der DigimonKaiser nicht. Und mit dem Ehernen Wolf haben wir einen fähigen Kämpfer in unseren Reihen. Vielleicht findet sich seine alte Truppe auch wieder zusammen. Darauf müssen wir hoffen.“

„Hm.“ Mimi legte ihr Kinn in die Handfläche. „Sag mal, ist etwas in Little Edo passiert, das ihr mir nicht erzählen wollt?“

In Kabukimons Gesicht zu lesen war schwierig. Durch die Fenster fiel orangerotes Abendlicht in das Restaurant, ließ es aber nur umso leerer wirken. Auf Kabukimons Maske glänzte es wie Funken. „Was meint Ihr?“

„Yolei benimmt sich so seltsam, seit ihr zurück seid. Ist etwas passiert, von dem ihr glaubt, ich könnte es nicht ertragen?“ Plötzlich riss sie die Augen auf. „Hat man euch auch gefoltert?“

„Nein, keine Sorge“, beruhigte sie Kabukimon sofort. „Karatenmons Wunden waren kein schöner Anblick. Habt Ihr Yolei schon einmal danach gefragt?“

„Sie will mir nicht antworten“, meinte Mimi schmollend.

„Gebt Ihr etwas Zeit. Eure Freundin ist sehr stark, aber wenn Ihr meinen Rat hören wollt, lasst sie ein wenig allein mit ihren Gedanken.“

„Hm“, machte Mimi wieder. „Und Michael? Es sieht so aus, als freue er sich gar nicht.“ Sie wollte eigentlich nicht mit Kabukimon über ihn reden, aber es war ihr so herausgerutscht.

Das Digimon schwieg eine Weile. „Wie soll ich sagen … Ich würde mich Sir Michael an Eurer Stelle nur mit einiger Vorsicht nähern, wenn ich ehrlich bin.“

„Wieso?“, fragte Mimi überrascht. „Er hat mir und Yolei das Leben gerettet!“

„Das hat er zweifellos. Ich zweifle auch nicht daran, dass er Euch unterstützen wird. Aber er tut es im Auftrag einer der großen Fraktionen in diesem Krieg. Unsere Rebellion wird von Emotionen getragen, von der Sehnsucht nach Freiheit und dem aufrichtigen Wunsch, Euren Untertanen zu helfen. Die Konföderation zur Wahrung des Wissens der DigiWelt jedoch … Nun, sie besteht zum größten Teil aus Maschinen und Computern. Sie berechnen, und sie sind gut darin … doch es fehlt ihnen an Wärme und Unmittelbarkeit. Ihr und Michael seid wie Tag und Nacht. Und in den Augen eines Computers seid Ihr wohl wirklich der Schlüssel, von dem er sprach … aber auch nicht mehr.“

Mimis Augen wurden feucht. Nicht, weil ihr nach Weinen zumute wäre, sondern weil ihr ein ungeheurer Gedanke gekommen war. Eine Gänsehaut kroch über ihre Arme. „Du meinst … er will mich nur benutzen?“

„Er vielleicht nicht“, räumte Kabukimon ein. „Wie gesagt, er bekommt seine Befehle von jemandem, den wir nicht einmal kennen. Und die Großen in einem Krieg streben immer danach, sich die Kleinen untertan zu machen. Denkt nur an den DigimonKaiser.“

„Ich kann nicht glauben, dass Michael so etwas im Schilde führt“, sagte Palmon, doch Kabukimon hatte bereits eine Kerbe in Mimis Vertrauen zu dem Ritter geschlagen.

Als es das merkte, versuchte es abzuwiegeln: „Bitte, Prinzessin, das sind nur die Worte eines Digimons, das grundsätzlich sehr misstrauisch ist. Vielleicht tue ich ihm Unrecht. Ich will nur nicht, dass Ihr später zur Marionette von jemand anderem werdet, dem Ihr glaubt, einen Gefallen zu schulden. Wir werden Euren Gemahl befreien und Little Edo für Euch beide zurückerobern. Dann wird die Wissens-Armee schon ihre wahren Farben zeigen. Denn wir brauchen sie unbedingt. Ich habe einen Plan, wie wir den Ehernen Wolf am schnellsten befreien können, doch ohne die Ressourcen der Konföderation …“

„Einen Plan?“, fragte Mimi hellhörig. „Haben wir denn schon genug Anhänger?“

„Es werden bald genug sein. Würdet Ihr mein Anliegen Sir Michael vortragen? Wir werden dann ja sehen, ob er bereit ist, uns wirklich bedingungslos und uneigennützig zu unterstützen.“ Und es erzählte Mimi von seinem Vorhaben.

 

 

Sein Schlaf war ein von Albträumen gequälter, aber selbst als er erwachte, wurde es nicht besser.

Das Erste, was er spürte, waren gnadenlose Hitze und Schweiß, der auf seiner Stirn und seiner Oberlippe perlte. Träge blinzelte Tai. Sein Kopf fühlte sich an wie mit heißem Wachs gefüllt, und in seinem verschwommenen Blick stand die Welt Kopf. „Wo bin ich?“, krächzte er.

„Tai!“ Agumon … nein, das war eher Koromons Stimme. Der Kampf hatte es wohl so weit geschwächt … Der Kampf! Die Schwarze Königin! MetallPhantomon!

Er wollte sich nach seinem Partner umsehen, aber sein Versuch, sich umzudrehen, misslang. Stattdessen schwang sein Oberkörper hin und her wie ein Pendel.

„Er ist aufgewacht!“

„Aufgewacht!“

Die Königin hing vor ihm von der Decke, zu ihren Füßen klebten die PetitMamon und daneben ein grässliches Dracmon. Ein seltsamer Anblick. Tai brauchte einen Moment, ehe der Schatten der Träume von ihm glitt und er seine Lage erkannte. Er selbst war es, der kopfüber hing. Eine Eisenkette band seine Knöchel und ließ ihn von der Decke baumeln. Seine Arme waren ihm an die Brust gefesselt, und die Hitze … Tai reckte den Hals und stieß ein entsetztes Keuchen aus. Direkt unter ihm, einen halben Meter vor seinem Gesicht, glühten Kohlen in einem schmiedeeisernen Becken. Die Hitze war so bestialisch, dass er meinte, flüssiges Feuer zu atmen, und seine Kopfhaut juckte unerträglich. Hätten sie ihm sein Cape gelassen, wäre es längst angesengt.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Königin nähertrat, doch er musste Koromon finden. Er wand sich wie eine Raupe und schaffte es, sich an seiner Kette zu drehen. Da war es, und als sein Blick es traf, rief es wieder seinen Namen. Koromon steckte in einem eisernen Vogelkäfig, der in der Ecke auf dem Boden stand. Der Raum selbst ließ Tai einen Schauer über den Rücken laufen, trotz der Hitze. Foltergerät um Foltergerät stand hier aufgereiht, plumpes Metall und durstige Stacheln und schartige Klingen. „Lasst uns gefälligst frei!“, rief er atemlos.

Die Königin blieb vor ihm stehen. Ihr Gesicht war genau vor seinem, nur verkehrt herum. Er sah nichts als Leere in ihren Augen. „Ihr verdient eine Bestrafung“, drang ihre gleichmütige Stimme an sein Ohr.

„Was hast du mit uns vor? Du …“ Tai verstummte, als er sich windend zu befreien versuchte und das Folterinstrument direkt neben sich sah.

Es war eine Art runder Käfig, in dem aufrecht ein Mädchen angekettet war – mit Ketten, gespickt mit Dornen, die ihren Körper umwickelten wie Würgeschlangen. Die Spitzen glänzten nass und rot, das Eisen war verkrustet. All ihre Glieder waren von Blutspuren gestreift, und unter ihr hatte sich eine eingetrocknete, tiefrote Pfütze gebildet. Tai blieb ob dieser grausigen Folter der Mund offen stehen. Das Mädchen war kreidebleich und rot, das lange Haar blond, und auf den ersten Blick hatte sie nichts Lebendiges an sich, wurde nur von ihren Ketten gehalten. Ihr Kopf war nach hinten gesunken, und wäre nicht in dem Moment ein leises Stöhnen über ihre Lippen gekommen, hätte Tai sie für tot gehalten.

„Wo … Wo sind wir hier?“, brachte er über die Lippen, und er verwünschte sich dafür, dass seine Stimme zitterte. All sein Blut war wohl in seinem Kopf, er fühlte sich schwer und taub an, und diese Hitze … Er war wie ein Stück Fleisch, das gegrillt wurde, und neben ihm hauchte eine weitere Gefangene ihr Leben aus. Was er noch hatte sagen wollen, blieb ihm im Halse stecken.

„Ich überlasse euch Dracmon“, hauchte die Königin und ging. Die PetitMamon folgten ihr, und kaum dass sie die Folterkammer verlassen hatte, schloss sich die Tür wie von selbst.

Dracmon gackerte tonlos und trat dann zu einer Winde. Als seine mit Augäpfeln bewehrten Hände den Griff packten, erkannte Tai, dass die Kette daran seine eigene war. Das Digimon machte zwei Umdrehungen und er sackte mit einem Schrei tiefer, den glühenden Kohlen entgegen. „Lass uns sofort frei!“, stieß er aus, als die Hitze sich ins Unerträgliche steigerte. Koromon schrie wieder seinen Namen, und Dracmon schien den Lärm zum Anlass zu nehmen, der Kette noch ein paar Zentimeter Spiel zu geben. Tai spürte, wie der Schweiß ihm in Bächen übers Gesicht lief, er kitzelte sogar in seiner Nase. Er meinte, verbranntes Haar zu riechen.

Dann wandte sich Dracmon zu der anderen Gefangenen um, maß sie mit einem schiefen Blick, streckte sich und trabte stattdessen zu Koromon. Mit einem Geräusch, das eine Mischung aus Kichern, Grunzen und Krächzen war, verpasste er dem Käfig einen heftigen Fußtritt, der Tais Partner gegen die Eisenstäbe prallen ließ. Dann sprang der kleine Folterknecht auf die Pritsche, die wohl seine Liegestatt war, kratzte sich gähnend am Hintern und schnarchte gleich darauf vor sich hin.

Tai schaffte es nicht, erleichtert Luft zu holen – jeder Atemzug war eine Qual. „Koromon, bist du in Ordnung?“, brachte er gepresst heraus.

„Geht schon“, murmelte sein Partner.

„Verdammt, wir müssen hier raus! Das Mädchen ist mehr tot als lebendig! Sie ist sicher schon tagelang hier drin!“

„Es sind sogar schon Wochen.“ In den Schatten eines der anderen Käfige bewegte sich etwas, aber der Druck auf seinen Augäpfeln war zu groß, als dass er etwas Genaues erkennen konnte.

„Wer ist da?“, stieß er hervor. Erneut versuchte er, seine Fesseln zu lockern und sich durch Anspannen der Bauchmuskeln von dem Kohlebecken fortzubringen, aber alles, was er erreichte, war, dass er sich langsam um sich selbst drehte.

Es kam keine Antwort, aber etwas Rosafarbenes erschien hinter den Gitterstäben … ein Vogeldigimon? „Wer seid ihr?“ Die Stimme klang mutlos und entkräftet.

„Ich bin Tai … Sir Taichi aus dem Nördlichen Königreich“, keuchte er, während er sich den Kopf nach dem Digimon verrenkte. „Das ist Koromon – und du?“

Lange kam keine Antwort. „Piyomon“, sagte das Digimon schließlich.

„Bist du auch ein Feind der Schwarzen Königin?“, fragte Koromon.

In Piyomons Augen meinte Tai etwas Trauriges funkeln zu sehen. „Ich glaube, sie hält mich für einen Feind.“

„Was hast du angestellt?“

Piyomon ließ sich leidvoll zu Boden sinken. „Ich habe versagt“, murmelte es nur mit gebrochener Stimme.

Tai beschloss, nicht weiter nachzuhaken. Dass das Digimon hier ebenfalls gefangen war, machte sie zwangsläufig zu Verbündeten in der Not. „Wir müssen unbedingt von hier fliehen“, sagte er. Es war schwierig, sich kopfüber hängend in dieser Hitze zu konzentrieren. Er hatte das Gefühl, als schälte sich seine Haut ab. „Du hast nicht zufällig irgendeine Idee?“

Piyomon schüttelte nur den Kopf. „Es ist zwecklos.“

„Koromon, kannst du nochmal digitieren?“ Sein DigiVice war noch an seinem Gürtel, wie er sehen konnte. Es war noch nicht alles verloren.

Sein Partner seufzte. „Meine ganze Energie ist futsch … Dieses MetallPhantomon hat mich erwischt, als ich nach dir sehen wollte. Ich durfte mich nicht mal wehren, hat es gesagt, sonst hätte es dir etwas angetan. Es tut mir leid“, fügte es kleinlaut hinzu.

Tai gab nicht auf. „Aber du bist ausgeruht, oder?“ Er wollte nachfragen, ob sie Koromon auch schon gefoltert hatten, aber es sah auf den ersten Blick gesund, wenn auch erschöpft aus. „Wenn du etwas zu essen bekommst, würde es gehen?“

Es zuckte mit den Fühlern. „Vielleicht.“

„Piyomon – wir bekommen doch etwas zu essen, oder?“ Wenn das Mädchen nach Wochen der Folter noch lebte, hielt die Schwarze Königin wohl nichts davon, sie verhungern zu lassen.

„Am Abend bringen die Bakemon uns was“, erklärte Piyomon. „Aber Dracmon isst das meiste selbst.“

„Wenn wir unsere Rationen alle Koromon abgeben, kann es vielleicht zu Agumon digitieren und ausbrechen!“, beharrte Tai.

„Digitieren?“ Piyomon sah das kleine Digimon fragend an.

Tai war bereits fleißig am Pläneschmieden. Er hoffte, dass er sich keine Illusionen machte – oder unter der Hitze falsche Entscheidungen traf. Aber er musste hier raus, sie alle mussten hier raus, und am dringendsten dieses Mädchen! „Gegen MetallPhantomon kommen wir nicht an, wahrscheinlich nicht mal gegen die Bakemon. Kennst du dich zufällig im Schloss aus, Piyomon? Weißt du, wie man nach draußen kommt?“

Er hatte die Frage ohne viel Hoffnung gestellt, aber überraschenderweise nickte das Vogeldigimon. Etwas war in seinem Blick erschienen, etwas wie vorsichtige Zuversicht.

„Verwahrt dieses Dracmon die Schlüssel zu deinem Käfig?“, fragte er weiter und deutete auf den schnarchenden Folterknecht. Im selben Moment sah er den Schlüsselbund, den Dracmon um die Hüfte trug. Sie mussten es versuchen. Ohne eine Antwort abzuwarten, sah er Koromon in die Augen. „Bist du bereit, es heute Abend zu versuchen?“, fragte er, und sein Partner nickte grimmig. „Gut. Hör mir zu Piyomon: Heute Abend befreien wir dich. Du fliehst aus dem Schloss.“

„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, meinte das Digimon kleinlaut. „Ich bin lange nicht mehr geflogen, und …“

„Du musst es einfach schaffen!“, unterbrach Tai es. Dracmon grunzte und wälzte sich herum, aber er vergewisserte sich schnell, dass es noch schlief. „Sobald du draußen bist, flieg ins Nördliche Königreich. Sprich mit irgendjemandem von der Armee, und sag ihm, dass Sir Taichi hier gefangen gehalten wird und dringend Hilfe braucht! Und dass es um Leben und Tod geht!“ Er hatte keine Ahnung, was mit seiner Drachenstaffel geschehen war, aber selbst wenn sie den König schon erreicht hatte, musste er dazu bewogen werden, schnellstens etwas zu unternehmen.

„Das Nördliche Königreich?“, fragte Piyomon. „Wo ist das?“

Tai war verdutzt. „Du kennst das Nördliche Königreich nicht? König Leomon?“

Zaghaftes Kopfschütteln.

„Aber du kennst das Band? Den großen Fluss im Osten!“

Diesmal nickte Piyomon.

„Nördlich davon! Halt nach Bannern Ausschau, die eine orangerote Sonne zeigen! Das ist König Leomons Armee! Lass dich nicht abwimmeln, sag, du weißt, was mit dem Drachenritter passiert ist, und dann schick sie hierher!“

Jetzt war das Nicken langsamer und weniger zuversichtlich. Tai hoffte, dass er sich auf dieses Digimon verlassen konnte, aber es sah nicht wie jemand aus, der sich einfach aus dem Staub machen würde, kaum dass er aus dem Schloss war.

„Tai, meinst du, das funktioniert?“, fragte Koromon zweifelnd.

„Es muss einfach funktionieren.“ Er warf einen Blick auf die jämmerliche, blutüberströmte Gestalt neben ihm und presste grimmig die Lippen aufeinander. „Es muss.“

 

 

 „Ein Whamon?“, fragte Michael stirnrunzelnd.

„Kabukimon hat schon Kontakte geknüpft. Es wird ein Whamon bereit stehen, wenn wir es brauchen.“

„Aber die Whamon mischen sich in die Kriege nicht ein. Sie sind so was wie Söldner. Man kann ihnen nicht wirklich trauen“, warf er ein.

„Diesem schon. Wenn wir ihm genügend bezahlen, bringt es uns überall hin“, sagte Mimi überzeugt.

„Das hat dir Kabukimon eingeflüstert“, stellte Michael trocken fest. „Es ist zu unsicher, Mimi.“

„Ja, hat es“, zischte Mimi böse. „Und für Euch bin ich immer noch Prinzessin Mimi. Ich habe jetzt wieder ein Volk!“

„Ich verstehe das nicht ganz“, gab Yolei zu, die bisher schweigend an der Wand von Mimis Zimmer gelehnt hatte – genauso wie Yasyamon, das sich jedoch aus dem Gespräch heraushielt. „Was verlangen die Whamon denn? Können die mit Geld überhaupt was anfangen?“

„Sie nehmen vor allem Fisch als Bezahlung. Oder Sake“, lautete die verblüffende Antwort von Michael. „Glaubt mir, bevor der Krieg ausgebrochen ist, haben sie nie so gut gegessen oder waren so oft betrunken wie jetzt. Ab und zu geraten sie ins Kreuzfeuer und einige sind auch schon gestorben, aber es gibt da einen Whamon-Spruch: Besser mit vollem Magen sterben.“

„Aha.“ Yolei erstaunten die neuen Gewohnheiten der riesigen Meeresdigimon wohl ebenso wie Mimi.

„Darum glaubt Kabukimon auch, dass es funktionieren wird. Wenn Ihr uns Eure Ressourcen zur Verfügung stellt.“

„Ich?“, fragte Michael.

„Wer sonst? Kabukimon hat nur wenig Geld übrig. Ihr habt eine ganze Organisation, eine ganze Nation hinter Euch! Wenn Euch wirklich was an uns gelegen ist, helft Ihr uns, das Whamon zu bezahlen.“

Michael schwieg, aber Yolei brachte ihre Bedenken vor. „Na, ich weiß nicht. Und Kabukimon will wirklich unsere ganzen Truppen aufs Meer hinausbringen? Ist das nicht für sich schon riskant?“

„Es ist am besten, wenn wir alle zusammenbleiben. Ein großes Heer ist besser als viele einzelne Gruppen“, sagte Mimi überzeugt.

„Seit wann seid Ihr so sehr in Strategie bewandert?“, fragte Michael lauernd.

„Glaubt Ihr etwa, ich sei zu dämlich, um so etwas zu verstehen?“, fauchte Mimi ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

„Der DigimonKaiser hat auch eine Flotte“, erinnerte sie Michael, wirkte aber ehrlich verletzt ob ihrer schroffen Art.

„Aber die weiß nichts von uns. Niemand rechnet damit, dass wir einen Gegenschlag planen. Die Rebellen halten sich schließlich noch bedeckt. Und von der Seeseite her sind unsere Chancen besser. Von der Küste aus ist es nicht so weit bis zur Festung des DigimonKaisers, und der Weg wird weniger gut bewacht sein. Und dann brauchen wir nur noch Glück, um hineinzukommen und Matt zu befreien!“

„Glück“, murmelte Michael. „Genau das macht mir Sorgen.“

„Weil so etwas wie Glück für Maschinen nicht existiert?“, fragte sie schnippisch.

„Das habe ich doch überhaupt nicht …“, wollte er erregt entgegnen, doch sie fiel ihm ins Wort.

„Dann helft Ihr uns? Es ist der Wille der rechtmäßigen Herrscherin des Shogunats, das Ihr geschworen habt zu unterstützten.“

Michael atmete tief durch. „Ich muss das noch mit der Basis und mit Willis besprechen“, sagte er leise und stapfte durch das Zimmer.

„Braucht Ihr eigentlich für alles deren Erlaubnis?“, warf Mimi ihm noch gereizt hinterher. Er verlangsamte seine Schritte um eine Spur, ging aber zielstrebig in sein eigenes Quartier. Mimi hörte ihn die Tür zuschlagen.

„Du springst ziemlich grob mit ihm um“, sagte Yolei vorsichtig.

„Wenn er ein echter Mann ist, macht ihm das nichts aus“, meinte Mimi leichtfertig, warf sich auf ihr Bett und erkannte, dass sie sich doch ein wenig schlecht fühlte, ihre Karten so unverschämt gegen ihn auszuspielen.

Die Antwort kam ganze zwei Stunden später. Mimi hatte schon an seine Tür klopfen wollen, als Michael sie von alleine öffnete. Im Zimmer war es stockdunkel, nur die Bildschirme verströmten mattes Licht. Michaels Gesicht wirkte müde, aber vielleicht lag das an der Düsternis.

„Und?“, fragte Mimi.

„Sie sind einverstanden“, murmelte er. „Entschuldigt mich.“ Er drängte sich an ihr vorbei und stapfte den Flur entlang und die Treppe hinunter. Digitamamon, das einen hungrigen Gast und sein Geld witterte, schnarrte ihm freudig ein besonderes Angebot entgegen.

Mimi schüttelte den Kopf über sein kühles Verhalten. Hatte Kabukimon vielleicht recht und Michael lag nur das Wohl seiner geliebten Konföderation am Herzen? Mochten sich die beiden deswegen nicht?

In dem Moment kam Yolei, die an der frischen Luft war, die Treppe heraufgestampft. „So ein unverschämter Kerl“, schimpfte sie. „Da will man freundlich sein, weil er so allein an der Theke sitzt, und dann lässt er einen einfach abblitzen wie ein … wie ein …“ Ihr fiel kein Vergleich ein, also warf sie wütend stöhnend die Arme in die Luft und marschierte in ihr eigenes Zimmer.

„Ich möchte wissen, was eigentlich sein Problem ist“, sagte Mimi halblaut, mehr zu sich selbst, während sie die Treppe hinuntersah.

Es hatte sie aber jemand gehört. Ihr Herz machte einen erschrockenen Sprung, als plötzlich Betamons Augen in der Dunkelheit von Michaels Zimmer auftauchten. „Ich glaube, Ihr seid sein Problem, Prinzessin“, sagte es kleinlaut. Mimi kannte diese Tonlage von Palmon. Es wollte aus Rücksicht auf seinen Partner eigentlich nichts sagen, hielt es aber für das Richtige.

„Wie bitte?“, fragte sie ungläubig. „Was soll das denn jetzt wieder heißen?“

„Die Basis war gegen Euren Vorschlag“, sagte Betamon leise. „Sie haben sofort alle Argumente abgeschmettert, aber Michael hat sich für Euch eingesetzt und ihnen gedroht, seine Ritterwürde zurückzulegen. Zum Schluss haben sie zugestimmt.“

Betamon verkroch sich wieder in die Finsternis, und Mimi blieb wie mit kaltem Wasser übergossen auf dem Flur stehen und versuchte, das Gehörte zu verdauen.

 

 

Die Tür schwenkte ein kleines Stück auf, als zwei Bakemon das Essen brachten. Tai hatte keine Ahnung, wie lange sie gewartet hatten. Hätte Piyomon nicht gesagt, dass man ihnen abends etwas bringen würde, hätte er geschätzt, dass Tage vergangen waren. Die Hitze hatte seinen Kopf leergefegt und mehrmals hatte er geglaubt, sich gleich übergeben zu müssen. Vielleicht hatte er auch ein- oder zweimal das Bewusstsein verloren. Er wusste nicht, wie lange er noch durchhalten würde – wusste nicht einmal, wie er es überhaupt bisher ausgehalten hatte. Sein Gesicht musste aussehen wie die Kruste des Brotes, das die Bakemon in den Händen hielten.

Zwei Wecken, die so flaumig und frisch aussahen, dass Tai das Wasser im Mund zusammenlief, und zwei Schalen mit einer breiähnlichen, braunen Substanz. Das war ihr Abendessen? Eine einzige Portion konnte gar nicht sattmachen, und es sollte wohl für zwei Menschen und zwei Digimon reichen.

Drei Digimon. Denn kaum, dass die Bakemon wieder zur Tür hinausgehuscht waren, streckte sich Dracmon grunzend, tappte zu den kargen Mahlzeiten, die die Geistdigimon auf dem Boden abgeladen hatten, und biss mit einem Haps die Hälfte eines der Brote ab, ehe er Koromon den Rest zuwarf. Auch Piyomons Anteil verdrückte er halb. Das Vogeldigimon hielt sich an den Plan; kaum dass Dracmon sich seinen menschlichen Gefangenen zuwandte, lies es den angebissenen Wecken Koromon zukommen.

Dracmon musterte Tai und das Mädchen und schien dann plötzlich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass keiner der beiden in der Lage war, zu essen. Es zuckte mit den Schultern, zischelte erfreut und machte sich daran, den Brei mit bloßen Händen in sich hinein zu schaufeln – auf eine Art, die klarmachte, dass es diesmal nicht zum Teilen bereit war. „Hey!“, keuchte Tai empört. „Das ist mein Anteil! Was fällt dir ein?“

Dracmon gab einen genervten Laut von sich und aß weiter.

„Die Königin wird wütend, wenn du die Gefangenen hungern lässt!“, rief Tai aufs Geratewohl. „Gib uns sofort was ab, du kleiner Mistkerl!“

Knurrend stellte das Digimon die Schale ab, trippelte zu der Seilwinde und ließ Tai prompt wieder tiefer wandern. Er schrie erschrocken auf. Dass er noch mehr Hitze vertragen würde, hätte er nicht gedacht. Vielleicht waren die Kohlen auch etwas abgekühlt …

Zufrieden hockte sich der Folterknecht wieder auf den Boden und wollte weiteressen – als eine Seifenblase aus Koromons Maul ihn traf und ihm fast die Schale aus den Händen riss. Erbost fauchte Dracmon auf – es hörte sich fast nach einem menschlichen „Bäh!“ an –, ging zu dem Digimon, das die Frechheit besessen hatte, ihm ins Essen zu spucken, trat wuchtig gegen den Käfig und schleuderte dann die Schale nach Koromon. Zäher Brei spritzte das Digimon voll, das die beiden Brote schon verschlungen hatte und den Nachschlag sofort gierig aufleckte. So weit, so gut.

Dracmon schien seine Meinung nun doch geändert zu haben. Es ging mit der zweiten Schale zu dem Mädchen und streckte sie ihm hin. „Du musst essen!“, sagte Tai gepresst. „Hörst du mich?“

Ihre Augen waren geschlossen und zuckten unter den Lidern hin und her. Schweiß stand ihr auf dem kreidebleichen Gesicht, und sie war nicht mehr als ein Gerippe. Wenn sie nichts zu sich nahm, würde es ihr noch elender gehen … Dracmon schien es aber gar nicht in den Sinn zu kommen, dass sie zu schwach war, um selbst zu essen. Knurrend leerte es die Schale auf dem Boden aus, trat zu der Kurbel, die vor ihrem Foltergerät stand, und drehte daran. Sofort zogen sich die Eisenbänder zusammen und die Dornen gruben sich tiefer in ihre Haut, förderten neues, helles Rot aus ihren Wunden. Das Mädchen stöhnte gedämpft auf.

„Aufhören!“, schrie Tai und wand sich in seinen Ketten. Kurz wurde ihm vor Anstrengung und Hitze schwarz vor Augen. „Lass sie in Ruhe! Koromon!“ Er verrenkte sich den Hals, um nach seinem Partner zu sehen, das sich bereits abmühte, zu digitieren.

Die eiserne Tür schwang auf, und die Schwarze Königin betrat die Folterkammer. Dracmon hielt inne, als sie mitten im Raum stehen blieb und sich umsah, als wüsste sie nicht, was sie hier tat. Tai fiel auf, dass ihre Haut krebsrot und ihre Haare feucht waren. „Meine Königin!“, schrie er heiser. „Bitte, lasst das Mädchen frei! Ihr tötet sie! Sie ist jetzt schon mehr tot als lebendig!“

Die Königin sah ihn aus ihren leeren, unergründlichen Augen an. „Mehr tot als lebendig … Wie schön für sie …“ Tai biss sich auf die Lippen. Es hatte keinen Zweck, sie war eindeutig verrückt!

Endlich gab ihm grelles Licht Hoffnung, das in Koromons Käfig erstrahlte. Sein Partner verwandelte sich und wuchs zu Agumon heran. Der Käfig war ihm nun zu klein, aber doch zu stabil, um ihn zu durchbrechen – stattdessen streckte es Arme und Beine durch die Stäbe, kippte ihn um und lief los, die Wölbung des Käfigs verlieh seinem Körper etwas von einer Schildkröte.

Ein Feuerball verließ fauchend sein Maul und traf Dracmon, das wie erstarrt glotzte, frontal. Der Folterknecht wurde gegen die Wand geschleudert, der Schlüsselbund segelte klimpernd davon. Agumon fing ihn auf und warf ihn Piyomon zu. „Hier!“

Obwohl die Schlüssel direkt vor dem Gesicht der Königin vorbeiflogen, zuckte sie nicht einmal mit den Wimpern. Piyomon fing den eisernen Ring auf, bekam mit seinen Flügelkrallen den richtigen Schlüssel zu fassen und sperrte das Schloss zu seinem Käfig auf. Als es ins Freie fliegen wollte, verließ es jedoch die Kraft, und es polterte hart zu Boden.

„Nein!“, schrie Tai. „Steh wieder auf, schnell! Du schaffst es!“

Mit verzerrter Miene kam Piyomon wieder auf die Beine, stieß sich erneut ab und flatterte an der Königin vorbei, die es kaum registrierte. Dabei warf es ihr einen langen, traurigen Blick zu. Dann war der rosa Vogel bei der Tür draußen und verschwand in den Tiefen des Schlosses. Tai atmete erleichtert auf.

Agumon rangelte derweilen mit Dracmon, aber sein Kräfteschub war nur von kurzer Dauer gewesen. Dracmon stieß es mitsamt seinem Käfig zu Boden und schlug und trat immer wieder auf es ein. „Agumon!“, rief Tai aufgelöst. Selbst als sein Partner längst das Bewusstsein verloren hatte, prügelte und kratzte das blauschwarze Scheusal wüst zischend weiter. „Hör auf! Königin, sagt etwas, es ist genug!“ Mit wachsender Verzweiflung musste Tai beobachten, wie sein Freund sich immer mehr blutige Schrammen einfing.

Von dem Radau angelockt stürmten nun auch die PetitMamon in den Kerker. „Was ist los?“, riefen sie wie aus einem Mund.

„Sie haben dem Digimon zur Flucht verholfen“, sagte die Königin tonlos, und ihre Stimme ließ Dracmon endlich innehalten. Die Ruhe, mit der sie sprach, ließ etwas in Tais Magen zu einem Klumpen werden.

„Sie gehören bestraft!“, rief eines der kleinen Biester eifrig.

„Jawohl!“

„Bitte, hört mich an!“, rief Tai in das Geschrei der kleinen Giftzwerge. „Dieses Mädchen hat genug gelitten! Ich flehe Euch an, lasst sie frei! Und verschont Agumon – es war mein Plan!“

Eine zähe, heiße Ewigkeit sah ihn die Königin nur an. „Freilassen?“, murmelte sie. „Freilassen. In der Höllenkammer, dort gibt es Freiheit.“

Kaum, wenn es Höllenkammer heißt, dachte er. „Bitte, verschont sie!“ Er musste Zeit gewinnen, für sie alle, damit Piyomon seine Aufgabe erfüllen konnte.

Wieder eine Pause, ehe sie schleppend sagte: „Hitze.“

Tai blinzelte schwer atmend. „Hitze?“, fragte er.

„Du hängst in Hitze. Ist sie nicht angenehm?“

Er brachte nur ein ersticktes Krächzen zustande. Diese Frau brachte ihn noch um den Verstand!

„Hitze ist eine Belohnung. Du verdienst eine Bestrafung. Soulmon.“ Kaum dass sie seinen Namen ausgesprochen hatte, schwebte das Geistdigimon mit dem Hexenhut durch die Decke.

„Ihr habt gerufen, Hoheit?“

„Das Mädchen, das mich nicht liebt, soll in die Höllenkammer gebracht werden“, sagte sie apathisch. „Und der Junge, der mich nicht liebt, soll fort von der Hitze.“

Gottseidank! Der Schweiß auf Tais Gesicht tropfte bereits ständig zischend in die Kohlen.

„Sehr wohl.“ Soulmon schnippte mit den Fingern. Aus den Wänden tauchten Bakemon auf, die mit geschickten Handgriffen die Apparatur aufschlossen, in der das Mädchen gefangen war. Weniger vorsichtig gingen sie mit den Dornenketten um. Als sie sie aus ihrem Fleisch rissen, vergrößerten sich ihre Wunden nur noch. Tai biss wütend die Zähne zusammen, aber er zwang sich, zu schweigen. Irgendwann zahl ich dir das heim!

Unversehens wurde er hochgehoben, die Ketten wurden von seinem Körper gelöst, und stattdessen packten ihn harte, kalte Geisterkrallen. Lautlos schwebten einige Bakemon, den reglosen Körper des Mädchens zwischen sich tragend, aus dem Raum.

„Wo sollen wir mit dem Jungen hin, Eure Hoheit?“, näselte Soulmon.

„Ich weiß es nicht“, murmelte die Königin. Wieder sah sie sich um, als sähe sie den Raum zum ersten Mal.

„Darf ich dann einen Vorschlag machen? Spannen wir ihn in den Nadelkäfig, auf dass er das Mädchen ablöst. Ein passendes Schicksal für einen edlen Ritter.“

Nun, da er etwas abseits der Hitze der Glut festgehalten wurde, wurde ihm eiskalt zumute. Bitte nicht! Doch als die Königin schwach nickte, schoben ihn die kräftigen Arme zu dem Rundkäfig, egal, wie sehr er sich wehrte. Tai schrie zornig, verwünschte sie alle und rief nach Agumon, doch sein Partner lag mit zahllosen Schwellungen am Kopf bewusstlos am Boden. Die Arme fixierten Tai in der Mitte des Käfigs, zwei andere Bakemon legten ihm die Ketten um. Piyomon, beeil dich!, konnte er noch flehen, ehe sie einen kurzen Ruck an der Kurbel taten, damit die Dornen festsaßen. Er stieß ein ersticktes Stöhnen aus, als die blutigen Stacheln in seine Haut bissen, aber noch war es nicht zu vergleichen mit den Schmerzen, die die vorige Gefangene hatte erdulden müssen.

Das Schlimmste kam jedoch noch.

„Härter! Er muss härter bestraft werden!“, drängte eines der PetitMamon.

„Ja!“, rief das zweite.

Dracmon sprang auf Tais Brust und krächzte ihm etwas ins Gesicht. Es schien derselben Ansicht zu sein.

Soulmon wandte sich an die Königin. „Eure Hoheit?“

„Das reicht doch wohl!“, schrie Tai atemlos. Er fühlte die groben Dornen brennen, als wäre er in einen Brombeerstrauch gefallen. „Was seid ihr nur alle für Digimon? Was bist du für ein Mensch?!“

Sie schien nicht richtig zuzuhören. „Ja“, murmelte sie. „Bestrafen. Dracmon soll ihn bestrafen.“

Das bösartige Digimon grunzte erfreut und starrte in sein Gesicht, als suche es nach einer Möglichkeit, ihn zu quälen.

Es fand eine.

Mit einem fauchenden Kichern ließ es seine Krallen über seinem rechten Auge kreisen. Tai zerrte an seinen Ketten, erreichte dadurch aber nur, dass die Dornen tiefer in seine Haut drangen. Er öffnete entsetzt den Mund, um etwas zu rufen, und Dracmon stieß zu.

Sein Brüllen hallte in den Gängen des dunklen Schlosses wider. Die Königin verzog keine Miene.

 
 

She is the queen of the damned

You’re just a puppet in her hand

She’s the lady of the night

(Gallows End – Kingdom Of The Damned)
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kann sich jemand erinnern, als ich sagte, ich hätte schon ein schlechtes Gewissen ...? Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Juju
2016-10-31T10:54:17+00:00 31.10.2016 11:54
O_O WAS TUST DU DENN DA? D: ;_;
Ich bin gelinde gesagt geschockt.
Aber okay, ich fange mal von vorne an. :D Mimi zweifelt also an dem, was sie tut, weil Michael und Yolei nicht so wirklich einverstanden sind. Ich denke auch, dass sie Kabukimon irgendwie ein bisschen zu sehr vertraut. Ich denke, das Vieh ist irgendwie eher auf seinen eigenen Vorteil aus und bereit, über Leichen zu gehen.
Okay, habe ich das richtig verstanden, dass der Plan so lautet: Kabukimon möchte Matt aus der Festung des DigimonKaisers befreien, damit es wieder ein Herrscherehepaar gibt? Und dann Little Edo zurückholen? Ich kommte mit diesen ganzen Plänen und Strategien immer nicht so hinterher. D: Aus mir wäre keine gute Kaiserin geworden. Jedoch hört es sich so an, als würde Mimi Kabukimon schon sehr nach dem Mund reden. Und sie verhält sich wirklich unfair gegenüber Michael. :/ Und der stellt sich doch tatsächlich gegen seine Freunde von der Konföderation des Wissens (oder so ähnlich xD), um Mimi und ihre Pläne zu verteidigen. Das ist so süß von ihm! Ich hoffe, sie hat jetzt ein schlechtes Gewissen. Ich bin ja eigentlich eher von der Tai x Mimi Fraktion, aber irgendwie mag ich sie in deiner Geschichte doch mit Michael. :D Ich hoffe, da bahnt sich was an. Habe auch gerade nochmal in deiner Beschreibung gelesen, dass uns zwei bis drei Romanzen erwarten. Ich bin mal gespannt. ;D
So und nun zu Tai im Dunkelschloss. Ich habe mit ihm mitgelitten und mitgeschwitzt, wie er da über den Kohlen hängt. D: Und dann auch noch dieses arme Mädchen dazu. Das kam schon einmal in der Story vor, oder? Ich frage mich, um wen es sich handelt. Da sie blond ist, wahrscheinlich entweder Catherine oder eine von den russischen Mädchen. Uwah, dass die überhaupt noch lebt, ist krass. ;_; Ich könnte sowas gar nicht schreiben, glaube ich. Und bäh, dieses eklige Dracmon.
Dass Tai in seiner Lage noch Pläne schmieden konnte. Ich freue mich, dass Biyomon entkommen konnte. ;_; Hoffentlich holt es ganz schnell Hilfe.
Und da Tai wieder bei Verstand ist, hat sich ja mein Verdacht, dass MetallPhantomon Sora kontrolliert, wieder zerschlagen. Da steckt also etwas anderes dahinter.
Und dann dieses Ende! O_O Ich habe es vor dem Schlafengehen gelesen und lag dann in einer Mischung aus Schockstarre und Heulkrampf im Bett. Der arme Tai oh mein Gott. ;_; Hoffentlich können sie ihn rechtzeitig befreien, das ist wirklich furchtbar! Ich bin echt entsetzt. X_X
Falls die DigiRitter jemals wieder ihre Erinnerungen zurückerlangen, bin ich mal gespannt, wie das Gespräch darüber verläuft, warum Tai nur noch ein Auge hat. Oh mein Gott! D:
Von:  fahnm
2016-06-02T21:21:52+00:00 02.06.2016 23:21
Hammer Kapitel
Mach weiter so
Antwort von:  UrrSharrador
03.06.2016 18:57
thx^^
Von:  EL-CK
2016-06-01T17:53:50+00:00 01.06.2016 19:53
das schlechte Gewissen solltest du echt haben....
ich mein ERNSTHAFT... das war heftig... hoffentlich kommt Piyomon schafft es irgendwie und .... Tai >.<

aber ich bin richtig gespannt auf das nächste Kapitel....
Antwort von:  EL-CK
01.06.2016 20:05
hoffe du weisst, dass ich dir nie lange böse sein könnte ;)
Antwort von:  UrrSharrador
02.06.2016 22:52
Jep es ist wirklich heftig, das finde selbst ich ... Ja, ich weiß^^ Aber du siehst ja, ich arbeite hart dran ;)
Antwort von:  EL-CK
03.06.2016 20:54
Mal schauen ob du's iwann schaffst XD


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