Zum Inhalt der Seite

New Reign

Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kriegsrat


 

Tag 119

 

Ken war heilfroh, als ihm der Geruch von frischem Kaffee entgegenwehte. Trotz allem fühlte er sich an diesem Morgen wie erschlagen. Er trug ein frisches Gewand – natürlich seinen DigimonKaiser-Anzug –, aber das war auch das einzig Frische an ihm.

Die Sitzung wurde wieder einmal mangels Alternative im Kontrollraum abgehalten. Oikawa stand von seinem Stuhl auf, als Ken eintrat. „Guten Morgen. Du siehst furchtbar aus – ist alles in Ordnung?“

Ken warf ihm einen unwilligen Blick zu, als er merkte, dass auch Ogremon anwesend war. Er würde später mit Oikawa darüber reden müssen, ihn nicht in Gegenwart seiner Untertanen zu bemuttern. Immerhin war er der Kaiser. Fürs Erste ließ er sich jedoch nur seufzend auf seinen Stuhl fallen. „Alles bestens. Ich habe genug geschlafen, es wird Zeit, dass ich mir einen Überblick verschaffe und ein paar Dinge in Ordnung bringe. Also fangen wir gleich an.“

Oikawa nickte und schenkte ihm aus einer Kanne Kaffee in eine Tasse. Schwarz und stark. Genau das Richtige. Ken hatte trotz allem nicht das Gefühl, nach seinen Tagen auf der Flucht nachhause gekommen zu sein. Außer den beiden Menschen und Ogremon waren auch Arukenimon und Mummymon da, die in ihrer menschenähnlicheren Gestalt auf ihren Plätzen hockten, und außerdem …

„Schau mal, wer wieder aufgekreuzt ist“, feixte Ogremon und wollte Spadamon die Mähne zerwuscheln, das flink seiner Pranke auswich, indem es auf den Tisch sprang.

„Ich habe gehört, dass Ihr noch am Leben seid. Da dachte ich, ich schaue vorbei, vielleicht seid Ihr ja sogar schon wieder im Amt?“, meinte der weiße Löwe grinsend. „Der Kaffee schmeckt übrigens grauenhaft. Ich würde mindestens vier Stück Zucker empfehlen.“

Ken konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. „Schön, dich wiederzusehen, Spadamon.“ Er verkniff sich die Frage, wie es von seiner Rückkehr erfahren hatte. Es war nicht umsonst sein bester Spion. „Wie ist die momentane Lage in der Festung? Wie gehen die Reparaturarbeiten voran?“

„Schleppend“, sagte Oikawa. Er hatte seinen Laptop wohl an Kens Informationsnetzwerk angeschlossen und sich schlau gemacht, während Ken geschlafen hatte – unter seinen Augen lagen tiefe Ringe. Eigentlich sah er fast so aus wie damals, als Ken ihn zum ersten Mal getroffen hatte. „Die Überwachungssysteme, einschließlich des Radars, sind etwa zu fünfzig Prozent einsatzfähig. Die Arbeiter haben begonnen, die Türme in der Wüste zu erneuern, aber sie machen kaum Fortschritte. Ist es normal, dass das so lange dauert?“

Ken nickte. „Ich werde nachher die Baustellen besichtigen. Mit meinem DigiVice kann ich das Aufbauen beschleunigen.“

„Wir sind außerdem ziemlich unterbesetzt“, schaltete sich Mummymon ein. Ken hatte gar nicht mehr gewusst, dass es auch so ruhig und vernünftig sprechen konnte. „Deine Freundin hat anscheinend alle deine Anhänger umgebracht, und wir hinterher ihre eigenen. Selbst wenn wir dein Computersystem wieder zum Laufen bekommen, es ist kaum noch jemand übrig, der die Maschinen bedienen kann.“

„Das habe ich befürchtet. Wir müssen schleunigst wieder Hagurumon anheuern. Spadamon, ich weiß, es ist viel verlangt, aber kannst du dich darum kümmern? Ohne dass unsere Feinde auf uns aufmerksam werden, versteht sich.“

„Kein Problem.“ Spadamon warf sich grinsend einen Zuckerwürfel ins Mäulchen.

„Danke. Der Eherne Wolf ist entkommen, oder?“ Das war eine rein rhetorische Frage, doch trotzdem wandten sich alle zu Ogremon um.

„Oh ja. Die Königin hat ihm sein DigiVice in die Hand gedrückt, und dann ist er vermutlich durch die Wüste davonlaufen. Vielleicht hat sie ihm sogar ein Reitdigimon mitgegeben. Der Feigling hat nicht mal den Anstand gehabt, mich persönlich herauszufordern!“

Vielleicht hätte er das getan, hättest du dich nicht in einem anderen Teil der Festung versteckt, dachte Ken, machte Ogremon jedoch keine Vorwürfe. „Sir Taomon sollte Tai den Drachenritter und Sora die Schwarze Königin, die wir rehabilitieren konnten, nach Süden bringen, aber ich weiß aus relativ sicherer Quelle, dass auch diese beiden entkommen sind und Taomon sein Leben gelassen hat. König Takashi hat sie wieder in König Leomons Reich geschickt.“

Spadamon sah ihn mit großen Augen an. „Woher wisst Ihr das? Von mir habt Ihr das nicht.“

„Wie gesagt, ich habe meine Quellen.“ Ken fing Oikawas Blick auf. Er wusste Bescheid. „Es tut mir leid, Spadamon, aber ich werde dich wohl demnächst auch wieder in den Norden schicken müssen, um zu überprüfen, was aus ihnen geworden ist. Würdest du mir den Gefallen tun?“

Der kleine Löwe grinste nur. „Hört schon auf mit Euren Entschuldigungen und Rückfragen. Machen wir’s doch wie früher: Ihr befehlt etwas, und ich tue es. Ich bekomme das schon hin.“

Ken sah es kurz verwirrt an, dann stahl sich ein Lächeln auf seine Züge. Richtig. Seit wann bin ich so duckmäuserisch? Ich bin ein Kaiser. „Also gut“, sagte er, um das Thema zu wechseln. „Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dass wir offiziell verkünden, dass ich noch am Leben bin.“

„Das wollte ich auch gerade vorschlagen“, sagte Oikawa. „Nadine hat bereits begonnen, deinen Tod auszurufen und offiziell alleine zu herrschen.“

„Es ist aber nicht alles ganz glatt gelaufen“, warf Spadamon ein. „Auf dem Stiefel haben einige Dörfer und Städte Revolten angezettelt. Sie wollten nur von ihrem Kaiser regiert werden – oder von sich selbst.“

„Sie haben …“ Ken wusste nicht, was er denken sollte. Sollte ihn diese Nachricht nur aufheitern? Es gab also tatsächlich Digimon, die ihn als ihren Herrscher haben wollten … so dringend, dass sie Nadine den Gehorsam verweigerten? Er glaubte, eine gewisse Rührung zu empfinden.

„Da hat sich die Kleine wohl verschätzt“, meinte Arukenimon abfällig.

„Die Königin hatte nicht die Kapazitäten bereitstehen, in den rebellierenden Orten aufzuräumen. Sie hat sie daher einfach in Ruhe gelassen und nur die Digimon von Fort Netwave angewiesen, irgendwelche Rebellen nicht weiter ins Reich zu lassen“, fuhr der Spion fort.

„Ich denke, es wäre von großer Wichtigkeit, den Digimon dort unten die freudige Botschaft zukommen zu lassen“, sagte Oikawa.

„Wen hat die Königin noch benachrichtigt?“, wollte Ken wissen.

Spadamon zählte sie an seinen Krallen ab. „Zum einen Little Edo. Fürst Musyamon hat recht gelassen darauf reagiert, nun eine neue Lehnsherrin zu haben. Es hat der Königin sofort die Treue geschworen.“

„Ich wusste es schon immer, dieses Musyamon hat keinen Stolz“, polterte Ogremon.

„Im Gegenteil“, korrigierte Ken es ruhig. „Musyamon ist sogar so stolz, dass es Little Edo als sein eigenes Land sieht. Dass es mein Vasall ist, bedeutet ihm vermutlich nicht viel, allenfalls betrachtet es seine Abgaben als lästige Pflichten. Aber alle Korrespondenz, die wir hatten, lässt darauf schließen, dass es sich eher als eigenständiges Reich sieht, das mit uns verbündet ist. Daher ist es ihm egal, wem es pro forma die Treue gelobt, solange es nichts an unseren gemeinsamen Feinden und der Art ändert, wie es Little Edo regiert.“

Ogremon brummte irgendetwas, aber es schien zu verstehen.

„Dann wären da noch die ursprünglichen Gebiete der Königin. Die hatten verständlicherweise keine Einwände, nur noch ihrer alten Königin zu dienen. Und außer dem Stiefel dann noch Masla. Ich war dabei, als sie mit Innenminister Cody gesprochen hat, und ich habe ihn überzeugt, ihr nicht zu trauen. Auf jeden Fall wollte er die Nachricht von Eurem Tod für sich behalten, bis er die Sache mit den Sklavenhändlern ins Lot gebracht hat.“

Der gute Cody. Dass ausgerechnet er derjenige ist, der mich am meisten unterstützt … Ken war froh, auf ihn zählen zu können.

„Wir werden überall dorthin Boten schicken. Es müssen keine Geheimbotschaften sein; falls sie abgefangen werden, erfahren unsere Feinde wenigstens auch gleich, dass sie mich nicht abzuschreiben brauchen. Wir werden schnelle und ausdauernde Digimon damit beauftragen, sie müssen auch nicht sonderlich stark sein. Ogremon, hast du nicht ein paar solcher Mitstreiter?“

„Hm“, machte das grüne Digimon. „Was von meinen Leuten übrig ist, liegt gerade ein paar Stockwerke über uns auf der faulen Haut, aber da sind nur noch wenige Läufer drunter. Ich könnte aber mal wieder in die umliegenden Dörfer gehen und mir neue Soldaten rekrutieren. Ich bin verdammt nochmal schon viel zu lange hier drin eingesperrt!“

„So soll es sein.“ Ken verschränkte die Arme und betrachtete seine Kaffeetasse, die immer noch dampfte. „Die Frage ist nur …“

„… was wir ihnen über Nadine erzählen“, beendete Oikawa seinen Satz. „Deinen heißblütigen Anhängern wird das Blut zu kochen beginnen, wenn sie von ihrem Verrat hören. Das ist auch nicht unbedingt die beste Lösung. Ihre Untertanen wiederum könnten sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Zwischen den beiden Fraktionen könnte sogar ein Bürgerkrieg ausbrechen, wenn wir nicht aufpassen.“

Mummymon hob einen Zeigefinger. „Darf ich einen Vorschlag machen? Nach allem, was ich weiß, hat deine Freundin ziemlich viele verschiedene Nachrichten über dich verkünden lassen, sodass eigentlich keiner mehr weiß, was Sache ist. Laut einem Gerücht hat man dich angegriffen und du bist in die Wüste geflohen. Wir könnten das doch für unsere Zwecke nutzen. Wir sagen, du wärst dem Attentat entflohen, endlich in deine Festung zurückgekehrt, und die Königin, die voller Trauer schon eine Gedenkfeier für dich organisieren wollte, wäre heilfroh darüber. Für alles Weitere fällt uns dann schon was ein.“

„Die Idee ist nicht ganz sauber, aber sie ist gut“, meinte Oikawa nach kurzem Überlegen. „So könnten wir es machen.“

„Du bist gar nicht so blöd, wie du aussiehst, Einauge!“, lachte Ogremon.

„Was soll das heißen?“, fuhr Mummymon erregt auf.

„Ruhe“, rief Oikawa das Mumiendigimon zur Ordnung. „Wenn Ken einverstanden ist, bereiten wir die entsprechenden Botschaften vor.“

„Keine Einwände.“ Ken lächelte und trank von seinem Kaffee. Einen so lebendigen Rat zu haben tat gut. Endlich musste er wichtige Entscheidungen nicht alleine treffen. Oikawas Auftauchen half ihm schon sehr. Es machte ihm auch nichts aus, dass ihn offenbar außer Spadamon niemand aus seinem Rat mehr höflich mit Ihr ansprach. Im Gegenteil, eine freundschaftliche Besprechung war ihm tausendmal lieber. Es war nun heimeliger in dem Zimmer.

„Dann gehen wir jetzt am besten zu den schlechten Nachrichten über“, sagte Oikawa und die Stimmung verdüsterte sich schlagartig. Er klickte sich durch ein paar Fenster auf seinem Laptopbildschirm. „Ken, es wird dich bestürzen, das zu hören, aber deine Armee wurde vernichtet.“

„Was?“ Ken musste den Impuls unterdrücken, aufzuspringen. Das traf ihn tatsächlich unvorbereitet. „Zephyrmon hat versagt? Aber wie? Die Dinge standen doch gar nicht so schlecht!“

Oikawa warf einen hilfesuchenden Blick zu Spadamon, das fortfuhr: „Es gab Probleme mit dem Nachschub. Aber das ist nicht der Hauptgrund. Das Heer der Königin ist General Zephyrmon in den Rücken gefallen. Sie und der Einhornkönig haben es zwischen sich zerquetscht, ehe sie sich dann gegenseitig angefallen sind. Baronmon war im Vorteil, daher hat sich die Streitmacht der Rose zurückgezogen. Momentan lagern sie irgendwo im Fürstentum Little Edo. Zephyrmon dürfte überlebt haben; das Letzte, was ich von ihm gehört habe, war, dass es nach versprengten Truppen gesucht hat. Was aus ihnen wurde, weiß ich nicht.“

„Verdammt!“ Ken schlug auf den Tisch. Zephyrmon war seine Trumpfkarte im Kampf gegen Takashi gewesen. Wäre er erst besiegt, hätte Deemon kein Saatkind mehr, dem es seine Pläne zwitschern konnte. Da hat also Nadines zweite Kavallerie gesteckt. „Wenn das wahr ist, sind wir verwundbarer denn je. Hat man etwas von der File-Insel gehört?“

Spadamon schüttelte den Kopf. „Ein, zwei Ladungen Rekruten sind vor vier Tagen auf der Stiefelspitze gelandet, aber wegen der Unruhen dort weiß man nichts Genaueres.“

„Wir brauchen auf jeden Fall mehr Truppen. Sollte Nadines Heer irgendwie Wind davon bekommen, was hier geschehen ist, werden sie in Windeseile vor unsere Türen preschen und ihre Herrscherin befreien wollen.“

„Wir haben doch noch genug von diesem Granulat, oder? Das, aus dem deine Türme sind“, erkundigte sich Oikawa.

„Mehr als genug.“ Von dem Granulat gab es reichlich. Es war wohl der einzige Rohstoff, der Ken niemals auszugehen drohte, dafür hatte Deemon gesorgt.

„Wenn du die Baugeschwindigkeit tatsächlich mit deinem DigiVice beeinflussen kannst, sehe ich kein Problem.“

Ken nickte und sah die rotgekleidete Frau an, die gelangweilt mit einer weißen Haarlocke spielte. „Ich zähle auf deine Hilfe, Arukenimon.“

Mummymons Blick huschte zwischen ihnen beiden hin und her. „Wartet, was?“ Es sprang so ungestüm auf, dass seine Stuhlbeine über den Boden scherten. „Ihr wollt noch mehr von Arukenimons wunderschönem Haar opfern, um euch eine Verteidigung zu organisieren? Wisst ihr überhaupt, was ihr da verlangt?“

Arukenimon selbst war es, das aufsprang, Mummymon im Genick packte und mit voller Wucht mit dem Gesicht voran gegen die Tischplatte knallte. „Halt deinen Mund, du Idiot!“, zischte es unwillig.

Ogremon brach in schallendes Gelächter aus, und auch Spadamon grinste. „Ich mag euch. Ihr seid lustig“, stellte es fest und schob einen weiteren Zuckerwürfel in seinem Mund hin und her.

„Wir sollten trotzdem auch etwas gegen Nadines Truppen unternehmen. Sie könnten so ziemlich überall in unserem Reich Schaden anrichten“, nahm Oikawa den Faden wieder auf. „Momentan sind sie in Little Edo, hast du gesagt?“

Spadamon nickte heftig, dass seine Mähne wippte. „Ich bin mir sicher, dass Fürst Musyamon ihnen Unterschlupf gewährt – und Schutz vor Baronmons Armee. Der Einhornkönig wird sich nicht so bald nach Little Edo wagen, dazu ist es zu gut verteidigt.“

„Spadamon, auch das lege ich in deine Hände. Musyamon weiß vermutlich nicht, dass es Verräter beherbergt. Du wirst es davon unterrichten – im Geheimen. Es kann gut sein, dass Nadines Truppen genau das verhindern wollen.“ Ken kam ein weiterer Gedanke. „Aber Musyamon wird vermutlich nicht erfreut sein, wenn es das erfährt. Ich kann mir vorstellen, dass es ungehalten reagiert, wenn ich plötzlich wieder auf der Bildfläche stehe und ihm sage, es solle seine Schützlinge gefangen nehmen. Wir sollten es ihm schonend beibringen. Am besten, es tut gar nichts, und wir kümmern uns selbst darum.“

„Ich würde gar nicht so weit gehen“, entgegnete Oikawa. „Würde Musyamon einer Nachricht von Spadamon hundertprozentig trauen?“

„Ich war das Erste, das mit ihm in Kontakt getreten ist“, erklärte Spadamon stolz.

„Umso besser. Wenn dieses Musyamon so stolz ist, wird ihm ein klarer Befehl vielleicht mehr imponieren. Überlassen wir ihm dieses Schlachtfeld. Dann kann es beweisen, wie wertvoll sein Schwert ist, um es mal so zu sagen.“

Ken atmete tief durch. Verlor er in seinem eigenen Rat die Kontrolle? Oder war es eher so, dass sich nun die besten Ideen viel eher durchsetzten? Oikawa war gerissen, das konnte niemand bestreiten. Er betrachtete seine Tasse, die bis auf einen schmalen Sichelmond Kaffee leer war, und schenkte sich sofort nach. Diese Sitzung schien noch länger dauern zu können.

 

 

Die Träume nagten an Davis. Es war nicht mehr so schlimm wie am Anfang; MetallPhantomon schien nun anderweitig beschäftigt zu sein. Centarumon war mit seiner Kavallerie von Santa Caria fortgeritten, hatte mit seiner stoischen Ruhe in den umliegenden Siedlungen neue Soldaten rekrutiert und war schließlich mit einem kleinen Heer gen Westen geritten. Schon da hatte Davis sich gefragt, ob er, wenn das gemeine Volk ihn tatsächlich als Helden sah, nicht vielleicht doch besser hätte dabei sein und die Moral heben sollen.

Seither waren drei Wochen vergangen. Sie waren nur zu zweit – zu dritt, wenn man Veemon mitzählte –, und darum fanden auch keine Ratssitzungen statt. Davis sprach jedoch oft zu den Bewohnern der Stadt und angereisten Digimon, die wissen wollten, wie der Krieg verlief. Er bemühte sich, einen guten Eindruck und eine gute Figur zu machen und so nah an der Wahrheit vorbeizuschrammen, dass die Digimon dennoch beruhigt waren.

Es waren ab und zu Berichte von der Front gekommen. Centarumon und seine neue Kohorte hatten den Vorstoß der Traumarmee, wie die Bakemon und die Briganten mittlerweile genannt wurden, zum Stillstand gebracht, mehr aber auch nicht. Die Grenze im Westen war hart umkämpft, und sie hatte sich verschoben: Kein Fleck Gebirgslandschaft gehörte mehr dem Löwenkönig. Davis passte in seinen Träumen genau auf, ob er nicht Hinweise auf das Schlachtgeschehen mitbekam. Einmal wünschte er sich auch, das Mädchen, das er in seinem ersten Traum von MetallPhantomon gesehen hatte, an seiner Seite zu haben. Sie war beruhigend gewesen, hatte MetallPhantomons Klauen schon einmal von ihm gerissen. Er sah sie nie wieder.

Von König Leomon fehlte immer noch jede Spur. Die Bewohner fingen bereits an, sich Sorgen zu machen, und auch Ritter und Fürsten aus der Umgebung fragten immer öfter nach, ob es nicht Neuigkeiten gäbe. Davis antwortete darauf stets dasselbe. Der Löwenkönig war dabei, ein gut verteidigtes Eiland einzunehmen, das dauerte und Nachrichten über das Meer zu transportieren war ebenfalls nicht einfach. Sie würden von ihm hören, sobald er siegreich wäre.

Auch heute aß er mit Meramon zusammen auf dem Dach eines Hauses am Rand der Stadt – vor allem deswegen, weil es ungemein praktisch war, Meramon als Koch zu haben. Das Flammendigimon briet jeden Happen Essen in dem Moment durch, in dem es ihn in die Hände nahm. Es ging schnell, und meistens, wenn es nicht zu verbrannt war, schmeckte es. Von dort oben hatten sie auch eine gute Aussicht auf das Tor und den Pfad, der dorthin führte. Meistens tat sich dort nichts, doch heute war es anders.

Davis hatte gerade einen Fisch verschlungen und benutzte eine dicke Gräte als Zahnstocher, als Veemon aufsprang. „Seht mal! Da kommt jemand!“

Die anderen folgten seinem Blick. Ein ungewöhnliches Gefährt hielt auf die Stadt zu. Ein kleiner Karren, nicht groß genug, um mehr als ein Fass Wein und eine Kiste mit Obst zu transportieren, wirbelte rumpelnd Staub auf. Er wurde von zwei Kiwimon gezogen, und auf einem schmalen Kutschbock saß ein Veggiemon, das seine Tentakel als Zügel und Peitsche gleichzeitig zu benutzen schien. An sich war ein Händler oder etwas in der Art in Santa Caria nichts Ungewöhnliches, wenngleich diese auch meist nicht in der Mittagshitze ankamen, aber allein die Geschwindigkeit, zu der Veggiemon seine Zugdigimon anspornte, gab Davis zu denken.

Die Piximon flatterten von der Mauer, kaum dass der Wagen nähergekommen war. Ein kurzer Wortwechsel, und sie zerrten etwas – jemanden – von der Ladefläche des Karrens. Zu zweit flogen sie das Digimon durch das Tor. Ein drittes Piximon sprach noch mit dem Veggiemon.

„Das sehen wir uns an“, beschloss Davis, sprang auf und stieg mit Veemon und Meramon die Treppe hinunter, die in die Außenwand des Hauses geschlagen war.

Im Schatten des Rathaussaals hatten die Piximon-Wächter das Digimon auf einen Stuhl gesetzt. Das war an sich eine große Ehre, vor allem, wenn man bedachte, wie schmutzig, zerschrammt und erschöpft es aussah, eher wie ein heruntergekommener Bettler. Es war ein Kamemon, ein Digimon, das aussah wie eine Schildkröte mit einem Hut, der seine Augen verdeckte, und es wirkte zu Tode erschöpft.

„Was ist los?“, fragte Meramon mit lauter Stimme. „Was ist das für ein Digimon?“

„Geht nicht zu nahe an es ran, bitte“, sagte eines der Piximon. „Es braucht Luft und Kühle.“ Meramon schnaubte.

„Es sagt, es wäre ein Digimon von König Leomons Eroberungsflotte“, berichtete das zweite Kobolddigimon. Davis hatte sofort ein flaues Gefühl, das mit jedem Moment, den er darüber nachdachte, was das bedeuten mochte, schlimmer wurde. „Am besten hört Ihr Euch seine Geschichte selbst an.“

„Also rede“, herrschte Meramon Kamemon an. „Was machst du hier, während der König auf See ist?“

„König Leomon“, krächzte das Digimon, dessen Kehle völlig ausgedörrt sein musste. „König Leomon … ist tot.“

 
 

I see my ships disappearing

I fear my life’s soon ending

How could we be so blind to see?

(Celesty – Final Pray)
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Leomon! muss! sterben! Das ist ja schließlich schon sowas wie Digimon-Tradition xD Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Juju
2017-03-07T12:04:46+00:00 07.03.2017 13:04
Ich kommentiere mal wieder weiter. :D
Zu dem Kapitel kann ich nur nicht so viel sagen. Das meiste davon wusste man ja schon und jetzt wird nur gerade Ken auf den neuesten Stand der Dinge gebracht. Und man, ohne Spadamon wäre Ken wirklich ganz schön aufgeschmissen. Das kleine Vieh ist wirklich nützlich. :D Habe es gerade nochmal gegooglet. Es sieht ja auch echt witzig aus. xD
Uh und dann der Knaller zum Schluss. König Leomon ist tot! D: Aber ja, du hast Recht, irgendwie gehört es ja zu Digimon dazu, dass Leomon stirbt, wann immer es die Gelegenheit dazu hat. :'D
So ich hüpfe mal weiter.
Von: abgemeldet
2017-01-05T20:35:19+00:00 05.01.2017 21:35
es stimmt Leomons Tod ist schon irgendwie tradition (aber trotzdem net minder traurig, besonders für das Königreich...)
Aber gut es scheint als hätte Ken nun keine probleme auf der File Inselehr (Leomon war doch auf der File Insel... oder? bin mir grad net sicher xD)

jedenfals hast du das mal wieder super gemacht x3

was ich dich noch fragen wollte: hast du den kompletten verlauf der FF bereits um Kopf/aufgeschrieben, oder denkst du dir alles aus während du schreibst? das würde mich mal so interesieren :3
Antwort von:  UrrSharrador
13.01.2017 10:44
Danke für deinen Kommi :) Ja, Leomon wollte die File-Insel zurückerobern.
Teils, teils. Die groben Eckpunkte und Schlüsselszenen wie Leomons Tod, Nadines Verrat, Oikawas Auftauchen etc., habe ich im Voraus geplant. Wie diese Szenen dann ablaufen, kleinere Handlungen und zB wie die Charaktere genau miteinander interagieren, entsteht meistens während dem Schreiben. Manchmal werden aus diesen kleinen Dingen dann auch wieder Schlüsselszenen oder Twists, die ich einbauen will, dann passe ich dementsprechend meinen Plan an^^ Ist also relativ flexibel, das Ganze.
Von:  xMelle
2017-01-05T14:21:48+00:00 05.01.2017 15:21
Wieder ein sehr gutes Kapitel. Man versinkt förmlich in deine Geschichten, Hut ab.
Bin aber mal gespannt, was da genau vorgefallen ist und wer denn jetzt der neue König wird. :)

Ebenso gespannt bin ich, was mit Tai passiert, wenn er wieder dort auftaucht und welche Rolle Sora zugeteilt bekommt.

Bitte schreib schnell weiter. :P
Antwort von:  UrrSharrador
13.01.2017 10:28
Danke für deinen Kommentar! Hm mit Tai und Sora hab ich noch was Besonderes vor ;)
lg
Von:  EL-CK
2017-01-05T10:48:38+00:00 05.01.2017 11:48
Stimmt Leomons Tod hatschi was traditionelles an sich. ..
Antwort von:  UrrSharrador
13.01.2017 10:25
Jep^^ Ich war in tri. sowas von nicht überrascht ... xD
Von:  fahnm
2017-01-04T22:18:02+00:00 04.01.2017 23:18
Hammer Kapitel
Mach weiter so
Antwort von:  UrrSharrador
04.01.2017 23:18
danke dir - mach ich :)


Zurück