Zum Inhalt der Seite

New Reign

Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Gezeitenwechsel


 

Tag 124

 

Der Lauf von Kens Revolver rauchte noch, als sich Totenstille über den Raum senkte. Pulvergeruch stieg ihm scharf ihn die Nase. Mehrere Paare weit aufgerissener Augen starrten ihn an, als er langsam, mit einem tiefen Stoßseufzer, die Waffe senkte. Gute dreißig Zentimeter neben Codys Kopf war die Kerbe zu sehen, die die Kugel in die Wand geschlagen hatte.

„Gut“, hauchte Ken und ließ die Trommel der Waffe aufspringen, kippte die restlichen Patronen klimpernd auf den Boden und warf mit einer kraftvollen Bewegung den Revolver weg, als wäre er ein ekliges Insekt, das er in den Händen hielt. Die Waffe polterte über den Boden. Sein Dokugumon kroch fauchend hinter den Regierungsstuhl zurück und machte sich dort klein. Niemand sonst rührte sich, aber auch Oikawa stieß hörbar den Atem aus.

„Schluss mit dieser Farce.“ Kens Worte waren so leise und kraftlos, dass man sie kaum hören konnte. Ihm war zum Heulen zumute – und gleichzeitig war er unendlich erleichtert. Langsam drehte er sich um, ging zu seinem Regierungsstuhl zurück und ließ sich schwer darauf fallen.

Hast du mir gar nichts zu sagen?, fragte er dann Deemon, indem er alles andere in diesem Raum ausblendete.

Was hat das zu bedeuten, Ken?“ Selbst Deemon schien perplex zu sein, denn es erwiderte seine Frage nicht nur zögerlich, sondern klang auch wirklich irritiert.

Wieso? Das war mein nächster Zug.

Deemons Schatten, der genau zwischen Oikawa und Cody schwebte, die beide in monochrome Starre verfallen waren, flackerte zornig. Es schwieg, wahrscheinlich immer noch überrascht.

Hast du wirklich geglaubt, ich könnte einen meiner Freunde umbringen? Du musst noch eine Menge über Menschen lernen. Ich werde sie nicht verraten. Nicht für alle Versprechungen der Welt.

Du hast einen schweren Fehler begangen“, erwiderte es düster. „Das solltest du bitter bereuen. Hast du vergessen, was ich über deine Freunde gesagt habe? Es ist kaum wahrscheinlich, dass sie überleben. Einige von ihnen sind dem Schicksal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Wir haben dieses Spiel einvernehmlich mit dem Ziel begonnen, dass es einen Gewinner und einen Verlierer geben wird. Es gibt kein Unentschieden! Und ich werde mich dir niemals unterwerfen. Meine Freunde würden mir das nie verzeihen, egal in welcher Gefahr sie schweben.

Und das kannst du einfach so für sie mitentscheiden?

Ken seufzte. Er war nicht in der Stimmung, sich vor Deemon zu rechtfertigen. Wir drehen uns im Kreis. Ich werde dir daher nur eines sagen: Spar dir deine Versuche, mich zur Aufgabe zu bewegen. Dein Angebot kann nur bedeuten, dass du dich in die Enge getrieben fühlst. Ich werde nicht zulassen, dass du in die DigiWelt kommst. Ich werde dich hinter der Feuerwand aufspüren und dich ein für alle Mal vernichten. Das ist jetzt etwas, das ich dir schwöre. Ich bin nur auf dein Geflüster eingegangen, weil ich etwas herausfinden wollte. Du bist mir in die Falle gegangen, Deemon, auch wenn du es vielleicht nicht gemerkt hast.

Deemons schattenhafte Augen, eisig kalt wie Saphire, wurden schmal. „Wie meinst du das?

Erstens habe ich ein paar Spielregeln in Erfahrung gebracht, die du mir nur ansatzweise beschrieben hast. Du hast deinen Vorteil daraus gezogen, immer recht vage und verallgemeinert davon zu sprechen. Es geht darum, wie viel du tatsächlich von meinen Gedanken weißt.“ Ken legte eine herausfordernde Note in seine Gedanken. „Zuerst habe ich geglaubt, du wüsstest alles, was ich so denke, und wüsstest auch genau, was in der DigiWelt passiert. Aber das stimmt nicht, nicht wahr? Ich glaube, nach diesem Zug von mir ist es recht offensichtlich. Du hast geglaubt, ich würde mich dir anschließen, weil du nicht alles weißt, was ich plane. Du bekommst von deinem Versteck hinter der Feuerwand nur mit, was ich laut ausspreche und tue, was ich denke, wenn ich mich auf dich konzentriere und mit dir spreche, und das, was ich dir auf diese Weise mitteilen will. Ist es nicht so, Deemon? Meine Gedanken gehören mir. Vielleicht könntest du sogar den Rest meines Verstandes genauso lesen, aber ich vermute, dass ich dann umgekehrt auch deine Gedanken lesen könnte, oder täusche ich mich?

Dass Deemon schwieg, sagte Ken, dass er mitten ins Schwarze getroffen hatte. Endlich, zum ersten Mal, hatte er das Digimon buchstäblich sprachlos gemacht.

Und das, was du mir, während du deine Überredungskünste zur Schau stellen wolltest, über die DigiWelt gesagt hast, lässt mich darauf schließen, dass du auch keine Ahnung hast, was andernorts passiert. Du siehst oder spürst die Aktionen von mir und den Saatkindern und kannst mit uns sprechen, aber das war es auch schon. Du hast die DigiWelt in ihre jetzige Form gebracht, aber jetzt hast du keine Kontrolle mehr darüber. Du bist in Wahrheit weit weniger mächtig, als du mich glauben machen willst!

Deemon sagte nichts, um seine Worte zu entkräften. „Und zweitens?“, fragte es grimmig.

Wart’s ab und sieh zu. Mein Zug ist noch nicht vorbei.

Ken beendete das Gespräch auf Gedankenebene, und in die Wirklichkeit kam wieder Farbe. Oikawa stand immer noch mit pumpender Brust da, genauso bleich wie Cody hinter ihm. „Es tut mir leid“, murmelte Ken und schlug die Augen nieder. „Wirklich.“

„Was …“ Oikawa leckte sich über die Lippen. „Was hatte das alles zu bedeuten?“

Ken sah ihm traurig in die Augen und hoffte, der andere konnte seine Ehrlichkeit erkennen. „Ich musste das tun. Es gab keine andere Möglichkeit – zumindest ist mir keine andere eingefallen. Es tut mir leid, dass ich euch so erschrecken musste.“ Er rang nach Worten. Es fiel ihm doch schwerer, die Situation zu erklären, als er gedacht hatte.

„Hat es … mit Deemon zu tun?“, murmelte Oikawa.

„Mit wem?“ Ken sah Codys Blick zu ihm flattern. Der Junge hatte sich erstaunlich schnell gefasst, wenn er sich bereits bemühte, dem Gespräch zu folgen.

„Ja“, sagte Ken leise, überschlug die Beine und knetete seine Finger. „Ich habe es ausgetrickst. Ich wollte wissen, wie genau es meine Gedanken kennt. Aber das war nicht der einzige Grund.“ Wieder sah er Oikawa direkt in die forschenden Augen, deren Misstrauen er hoffentlich zerstreuen konnte. „Ich hoffe, du kannst mich verstehen. Ich hatte geglaubt, in Nadine eine Verbündete in diesem höllischen Krieg zu finden. Aber Deemon hat sie geschickt, und ich bin ihr auf den Leim gegangen und fast daran zerbrochen. Ich wollte nicht, dass mir das wieder passiert.“

Oikawas Augen wurden größer. „Du hast mich auf die Probe gestellt“, erkannte er und klang dabei völlig sachlich.

„Deemon hat mir aufgetragen, Cody zu töten, und ich habe vorgegeben, ihm zu gehorchen. Es war sich sicher, dass ich aufgegeben hatte. Aber du hast dich in die Schusslinie geworfen, Yukio. Falls du für Deemon gearbeitet hättest, hättest du das nicht tun müssen. Du hättest einfach daneben stehen und in dich hinein lächeln können. Ich habe mir gedacht, selbst wenn Deemon nicht laufend mit dir sprechen könnte, hätte es dich sicher nicht angewiesen, dazwischenzugehen, wenn ich scheinbar den Verstand verliere und das tue, was mir am meisten schaden und wovon Deemon am meisten profitieren würde: meine Freunde zu verletzen. Aber du wolltest Cody mit deinem Leben beschützen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin“, seufzte Ken. „Es tut mir wirklich, wirklich leid … Vermutlich kann ich mich für dieses Theater gar nicht genug bei euch entschuldigen. Wenn du unsere Zusammenarbeit beenden willst, Yukio, dann soll es so sein. Aber ich musste mir Klarheit verschaffen. Sonst könnte ich nicht weitermachen.“

Oikawas Miene, eben noch steinern, wurde plötzlich weich. „Ich verstehe“, sagte er milde. „Es ist schon gut. Du hast einiges durchgemacht, vermutlich mehr, als ich mir vorstellen kann. Ich glaube, es ist verständlich, warum du das getan hast. Ich schätze … ich sollte mich freuen, dass ich nun endlich dein Vertrauen habe.“ Er schoss einen strengen Blick in Richtung Arukenimon und Mummymon ab. „Nicht wahr?“, fragte er mit schneidender Stimme.

Die beiden Digimon, die Ken immer noch mit ihren Armen oder Waffen bedrohten, zuckten zusammen. „Natürlich“, sagte Arukenimon kleinlaut für sie beide.

„Dann macht den Jungen frei“, wies Oikawa sie an, und Ken nickte. Hastig liefen sie zu Cody und begannen, die Spinnweben, die ihn immer noch an die Wand fesselten, von seinem Körper zu ziehen.

„Und, hast du sonst noch etwas herausgefunden?“, fragte Oikawa.

Ken nickte und erklärte ihm die Sache mit dem Gedankenlesen.

„Ich verstehe das nicht“, murmelte Cody und streifte die letzten Spinnenfäden ab. Er achtete sorgsam darauf, keinem der Anwesenden zu nahe zu kommen. „Wer oder was ist dieses Deemon, von dem Ihr immer sprecht?“

Ken fuhr sich durchs Haar. „Ich denke, du kannst es erfahren. Ich erobere die DigiWelt nicht zu meinem persönlichen Vergnügen. Das habe ich dir schon mal gesagt. Die ganze Wahrheit ist, dass mich ein Digimon dazu herausgefordert hat. Es befindet sich gegenwärtig nicht hier, und nur ich und einige wenige andere können mit ihm sprechen. Es hat den Krieg eingefädelt und lässt uns alle gegeneinander anlaufen. Sein Name ist Deemon, und es erhält seine Macht von den Schwarzen Türmen, die wir bauen. Sobald es stark genug ist, wird es die DigiWelt heimsuchen und nicht mehr aufzuhalten sein. Doch wir können es nur erreichen, wenn wir, bevor das geschieht, meine Türme, und nur meine, in alle Winkel der DigiWelt bauen. Dann können wir sein Versteck erreichen und es vernichten. Das ist mein Ziel, ob du es glaubst oder nicht. Und Deemon scheint mich endlich ein wenig zu fürchten, denn es hat mir plötzlich Versprechungen gemacht, wenn ich es nicht weiter bekämpfe.“

Er lächelte leicht, wurde aber sofort wieder ernst.

„Auch dir muss ich sagen, dass es mir leid tut. Wenn mir ein anderer Weg eingefallen wäre, hätte ich ihn eingeschlagen, ganz sicher. Aber du warst der Einzige in meiner Reichweite, den ich vorgeben konnte, Deemon zu opfern. Du musst mir nicht verzeihen. Du kannst mich auch gerne für verrückt halten, ich nehme es dir nicht übel. Aber glaub mir bitte, dass ich dir niemals etwas antun würde. Keinem Menschen. Ich will euch alle retten, alle Menschen, die sich in dieser Welt befinden. Und ich will die DigiWelt wieder in Ordnung bringen.“

Er konnte Cody ansehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. „Ihr wolltet also irgendein Digimon täuschen, das Euer wahrer Gegner in diesem Krieg ist?“, hakte er misstrauisch nach.

Zum Glück war er klug und begriff es sehr schnell. Ken fürchtete trotzdem, nun das Vertrauen des einzigen seiner Freunde verloren zu haben, der ihn nicht von vornherein abgelehnt hatte. Das Gefühl war schrecklich.

„So ist es. Wie gesagt, ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst. Und ich will mich damit auch nicht von meiner Schuld freikaufen, aber ich habe etwas für dich. Eine kleine Entschädigung.“ Er ließ die Holo-Konsole erscheinen und drückte auf eine Taste, die den neuen Kommunikationskanal zur Brücke öffnete. „Ist es bereits eingetroffen?“, fragte er.

„Ja, mein Kaiser“, antwortete eines seiner neuen Hagurumon dort. „Vor sieben Minuten und zweiundfünfzig Sekunden.“

Auf Kens Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Perfektes Timing. Du solltest zur Brücke gehen, Cody. Dort wartet jemand auf dich.“

Cody runzelte die Stirn. Er war vorsichtig geworden. Aber als Ken die Tür entriegelte und sie zur Seite glitt, merkte man ihm an, dass er diesen Raum, in dem er schließlich Todesangst durchgestanden hatte, doch am liebsten verlassen würde, denn er tastete sich langsam in Richtung Flur vor, als erwartete er einen Hinterhalt.

„Keine Angst. Mummymon, begleite ihn. Es hat für dich Partei ergriffen, wenn du dich erinnerst.“

Der Junge schien keinem von ihnen mehr wirklich zu vertrauen, aber man konnte es ihm wohl nicht verübeln. Ken hoffte, dass er seinen Schock schnell überwand. Der dunkle Flur verschluckte die beiden.

Deemons Lachen in seinen Gedanken irritierte ihn, aber nur kurz. Sein Gegenspieler hatte seine Überraschung überwunden, das war alles. „Nicht übel, Ken. Dennoch wirst du dir wünschen, dich mir nie widersetzt zu haben.

Ich bin deine Drohungen leid. Du wirst dir wünschen, mich nie als deinen Gegner auserwählt zu haben.

Mein nächster Zug wird dich zermalmen. Ich werde keinerlei Gnade mehr zeigen.

Wenn du bisher Gnade gezeigt hast, bist du selbst schuld.

Mein Angebot war ehrlich gemeint. Ich habe auch nicht gelogen, als ich dir weniger als ein Prozent Siegeschance zugestanden habe.

Das glaube ich sogar. Zu der Zeit war ich in deinen Augen psychisch labil, müde und antriebslos, oder nicht? Jetzt, nachdem du weißt, zu welchen Zügen ich noch fähig bin – kannst du deine Aussage wiederholen?

Dass Deemon nur heiser lachte, war Antwort genug. Ken sandte ihm ein gedankliches Grinsen. Ich bin gespannt, wie hoch du meine Chancen einschätzt, wenn ich diesen Zug hier beendet habe.

Damit stand er auf und nickte Oikawa und Arukenimon zu. „Kommt mit mir. Wir gehen zu den Baustellen. Die ganzen Türme sind für dich, Arukenimon.“

 

 

Cody traute seinen Augen kaum, als er die finstere Brücke betrat. Der Kopf des kleinen Digimons, das auf einem Drehstuhl auf ihn wartete, fuhr in die Höhe. Dann stieß es einen Jubelruf aus und kam auf ihn zugelaufen. „Cody! Cody!“

Cody fehlten die Worte. Schweigend ließ er sich auf die Knie sinken, um das Digimon in den Arm zu nehmen. Die goldgelben Schuppen fühlten sich rau und hart unter seinen Fingern an, aber es war das schönste Gefühl seit langem. All die Entbehrungen in Masla, all die Qualen unter WaruMonzaemons Peitsche, die Intrigen und hinterhältigen Schachzüge der entmachteten Sklavenhändler, die Schrecken, die er gerade eben durchgestanden hatte – das alles fiel von ihm ab, wurde fortgespült von brandenden Wogen des Glücks.

Tränen traten in Codys zusammengekniffene Augen, und ein schmerzender Kloß war in seiner Kehle aufgetaucht, aber selbst dieses Gefühl war schön. „Armadillomon …“

 

 
 

Tag 125

 

Die Alarmsirenen schrillten in jedem Winkel der Pyramide. Digimon liefen kreuz und quer, die Gazimon vor den zahlreichen Computern starrten einander öfter an, nervös und entsetzt, als dass sie auf die Bildschirme sahen.

„Mein König!“, rief eines von ihnen schrill. „Es ist … Es ist furchtbar! Ich verstehe das nicht …! Wir werden angegriffen!“

„Na und?“, blaffte Takashi es an. Dieses Rumgehampel machte ihn nervös. Alarmsirenen, was hatte das schon zu bedeuten? Es war keine Armee mehr übrig, die ihm ernsthaft gefährlich werden konnte.

„Ihr versteht nicht, es ist … Es sind Hunderte!“

Was?“ Takashi stürzte zu dem Computer, an dem das Gazimon saß. Tatsächlich, das Radar zeigte feindliche Digimon an, die direkt auf das Zentrum der Wüste zuhielten. Eine ganze Menge Digimon, die in einer breiten Linie marschierten … Wie konnte das sein? Wo kamen die her? Ein Schweißtropfen lief über seine Schläfe. „Werft ihnen alles entgegen, was wir haben! Wisst ihr schon, was für Digimon das sind? Wo ist Datamon?“

„Die meisten sind auf dem Champion-Level, aber auch einige auf dem Ultra-Level sind dabei“, erwiderte ein anderes Gazimon. „Zusammenprall mit unseren Truppen in etwa dreihundert Sekunden.“

Sie waren schnell. Jetzt wurden auch andersfarbige Punkte auf dem Radar sicher, ihre eigenen Digimon, die die Wüste bewachten. Es waren ungefähr gleich viele, und sie standen noch alle in einem Pulk zusammen. Wenn es hart auf hart kam, würden sie die feindliche Angriffslinie sprengen!

„Da … Da stimmt was nicht!“, keuchte ein drittes Gazimon. „Majestät, unsere Türme, sie …“

„Was ist mit den Türmen? Zerstören sie sie? Wennschon, wir brauchen sie nicht!“

„Sie zerstören sie nicht nur, sie … Seht Euch das an!“

Knurrend stieß Takashi das Digimon zur Seite, das nicht herausbrachte, was es auf dem Bildschirm sah. Dann verstand er, warum.

„Was zum Teufel …“, entfuhr es ihm. „Wie ist das möglich?“

Die Türme wurden nicht einfach zerstört. Der Computer zeigte keine Schadensmeldungen oder Defekte an. Sie verschwanden einfach vom Bildschirm – und an ihrer Stelle begann jedes Mal ein neues, feindliches Digimon zu blinken. Takashi war sprachlos. Nach und nach wurden seine Türme korrumpiert – und in feindliche Einheiten verwandelt? Was war das für ein Albtraum?

Er leckte einen Schweißtropfen von seiner Oberlippe. Der salzige Geschmack half ihm, die Fassung zu bewahren. Seine eigenen Digimon kamen den anrückenden Feinden immer näher, aber nach und nach löste sich das dicht stehende Netz aus Schwarzen Türmen auf, bis das Radar schon Lücken aufwies. Und da waren noch viele Türme zwischen den beiden Armeen, und alle paar Sekunden wechselte ein weiterer buchstäblich die Seiten!

„Wo ist Datamon?“, rief Takashi in den Raum hinein.

Die Gazimon sahen sich unsicher an. „Wir … haben es nicht mehr gesehen, seit der Alarm losging, Herr.“

Takashi unterdrückte den Drang, gegen etwas zu treten. Er ließ sich auf einen Sessel fallen und fuhr sich durch die zerzausten Haare. Dann seufzte er tief, während die Punkte auf dem Monitor ein immer vernichtenderes Bild zeichneten. Plötzlich musste er lächeln. Was für ein Schachzug … Er wusste gar nicht, was dort in der Wüste eigentlich geschah, aber dafür wusste er umso besser, dass es vorbei war. Seine letzte Verteidigungsmacht prallte gegen die feindlichen Linien, die auf das dreifache ihrer ursprünglichen Größe angewachsen waren. Der Ausgang war abzusehen.

Er hatte verloren.

 

 

Ken trat mit langsamen Schritten auf seinen Sessel im Kontrollraum zu, von dem aus er schon so viele Befehle gegeben hatte, dass er im Grunde einem Thron näher kam als der Stuhl im Gesuchszimmer.

Deemon saß auf dem Sessel. Seine Gestalt flackerte, die Farbe der Augen schwenkte zwischen blau und rot. Ken spürte den harten Beton unter seinen Füßen. Die Luft war kühl und trocken und roch schwach nach Ozon. Der Rest des Raumes lag im Dunkeln, nur der Sessel und der Weg dorthin waren schwach erhellt. Dies war ein Weg des Triumphes.

„Du hast geschworen, stets die Wahrheit zu sagen“, sagte Ken laut. Er wusste, dass Deemon ihn auf diese Weise hören konnte. Der Schemen kräuselte sich langsamer. Ken war auf halbem Weg stehen geblieben und zeigte mit dem Finger auf seinen Feind, den nur er sehen konnte. „Nun werde ich dir etwas schwören. Ich werde mich dir nie unterwerfen, ich werde mich dir nie anschließen, ich werde niemals aufgeben! Und ich vertraue darauf, dass meine Freunde überleben und einander nichts antun werden! Selbst wenn du mich tötest, selbst wenn du mir oder meinen Freunden drohst, selbst wenn ich irgendwann verlieren sollte! Ich bin dein Feind auf ewig, und wir spielen so lange weiter, bis einer von uns den Sieg errungen hat! Niemand wird sich ergeben, und es gibt kein Unentschieden. Ich bekämpfe dich mit allem, was ich habe, und wenn ich dafür sterben muss – das ist es, was es bedeutet, ein DigiRitter zu sein!“

Deemons Schatten flackerte wieder, fast war es, als würde er vor ihm zurückweichen, obwohl er still sitzen blieb. „In dieser Welt gibt es keine DigiRitter, Ken“, erinnerte es ihn. „Es hat sie nie gegeben. Es gibt umherirrende Seelen mit Digimon-Partnern, und es gibt einen machtgierigen Herrscher.

„In dieser Welt vielleicht nicht.“ Ken setzte seinen Weg fort. Seine Schritte waren andächtig, aber zielstrebig. „Aber die Welt wird wieder sein wie vorher, wenn ich dich besiegt habe. Ich weiß, dass es stimmt. Würden meine Freunde ihre Erinnerungen nicht zurückbekommen, hättest du mir das längst gesagt, um meinen Kampfgeist zu brechen. Der beste Zeitpunkt dafür war schon, und du hättest ihn niemals ungenutzt verstreichen lassen!“

Nun lachte Deemon wieder, aber Ken hatte sich daran gewöhnt. „Du kennst mich bereits zu gut, Ken. Du bist wahrlich ein furchterregender Gegner geworden.

„So ist es. Dein Gegner. Und ohne Takashi und Keiko hast du keine Chance. Ich bin stärker als vor sechs Jahren. Diesmal werde ich dich vernichten.“

Deemons Schatten verschwand von dem Sessel, als Ken sich darauf fallen ließ. Es tauchte dennoch wieder in seinen Gedanken auf, schien überall um ihn herum zu sein. „Mein nächster Zug wird dich zermalmen. Denk an meine Worte.

„Ich bin es leid, deine Drohungen wieder und wieder zu hören!“, rief Ken mit herrischer Stimme. Sie kam der seines alten Ichs schon ziemlich nahe, aber er fand sie … sauberer. „Ich werde dich aus deinem Versteck locken, es wird nicht mehr lange dauern! Es gibt niemanden mehr, der mir jetzt noch gefährlich werden kann. Mach dich lieber bereit – dieses verrückte Spiel wird bald vorbei sein!“

Deemons Schatten verschwand diesmal nicht lautlos huschend, sondern mit einem wütenden Donnern. Aus den Lautsprechern verkündeten die Hagurumon den Sieg über den Einhornkönig.

Versteck dich nur, Deemon, dachte er, wissend, dass jeder dieser Gedanken Deemon erreichte. Versteck dich hinter Winkelzügen, Intrigen, Saatkindern, in den Schatten oder hinter einer Wand aus Feuer. Diesmal wirst du mir nicht entkommen.

 
 

Where are you hiding, I’m searching for you

Are you so scared that you don’t know what to do?

Say what you want, I believe it’s nothing new

No tears to shed, it’s just a game between us two

(Celesty – Dark Emotions)
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es sah so aus, als hätte ich euch bezüglich Kens Absichten wirklich in die Irre führen können ;) Ich hoffe also, das Kapitel war überraschend und hat euch gefallen. Wir haben somit den Arc zu Nadines Verrat und Kens Rückkehr abgeschlossen. Im nächsten Kapitel beginnt der Königskür-Arc, und es wartet dort übrigens auch eine freudige Überraschung auf euch ;) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Juju
2017-03-08T20:59:43+00:00 08.03.2017 21:59
Ahhhhhhhhhh Gott, ich bin soooooo erleichtert! :D Mann, mich hast du echt hinters Licht geführt und obwohl Ken nur eine fiktive Figur ist, tut es mir leid, dass ich ihm das tatsächlich zugetraut habe. Boah, aber jetzt bin ich froh, dass er nur Deemon überlisten wollte. Das ist natürlich ziemlich clever von ihm und auch Deemon ist ja anscheinend darauf hereingefallen. Ich glaube, was Ken da jetzt herausgefunden hat, war entscheidend. Ich denke tatsächlich, dass er gewinnen kann.
Ich hoffe nur, Cody kann ihm irgendwie verzeihen. Der Arme muss ja völlig neben der Spur sein jetzt. An seiner Stelle würde ich da niemandem mehr trauen und zusehen, dass ich wegkomme und nie wieder einem der vier begegne. xD
Aber jetzt ist er wieder mit Armadillomon vereint, wie schön. *_*
So und jetzt macht Ken also Takashi platt. So geht's natürlich auch. Und ich bin mal gespannt, wie dieser nächste Spielzug von Deemon aussehen soll, der Ken angeblich zermalmen wird. Ich kann mir vorstellen, dass Ken jetzt sehr viel stärker ist als vorher und neue Energie gesammelt hat. Ich glaube, er ist jetzt überzeugter denn je, dass er Deemon plattmachen wird.
Von:  EL-CK
2017-02-01T15:14:11+00:00 01.02.2017 16:14
DU. MIESER. FIESER. TRICKSER. *dich bei jedem Wort mit Gummibärchen bewerf*
*tief-durchatmen* Soooo....wieder beruhigt.... XD

Ich bin ja sowas von froh, dass Ken doch nicht diesen RIESEN Fehler begangen hat und auch für Cody und Armadillomon freue ich mich riesig....

Dennoch befürchte ich, dass Deemon jetzt erst recht zum nicht zu unterschätzenden Gegner geworden ist....
Antwort von:  UrrSharrador
05.02.2017 18:12
Hehe xD Ich mag Gummibärchen :D
Ja, jz sind zumindest die Fronten abgesteckt. Beide werden nicht aufgeben^^
Antwort von:  EL-CK
05.02.2017 20:35
>Hehe xD Ich mag Gummibärchen :D

Ich hätt' noch ein paar "Wurfgeschosse" übrig ;)
Antwort von:  UrrSharrador
05.02.2017 21:21
Ok, ich werde dir garantiert noch Gelegenheiten zum Werfen geben ;P
Von: abgemeldet
2017-01-31T22:31:48+00:00 31.01.2017 23:31
puh ich hatte schon echt angst x.x
aber muss Yukio nicht einiges abbekommen haben? :o

aber so schön das wiedersehen von Cody und Armadillomon *3*
und Ken erklärt Deemon also den Krieg interesant... mal schauen was sich dieses Vieh noch alles einfallen lässt um Kens willen zu brechen :o
Antwort von:  UrrSharrador
05.02.2017 18:11
Danke für deinen Kommi mal wieder!
Ken hat sowohl an Cody als auch an Yukio vorbeigeschossen :)
lg


Zurück