Ich, der Maler, und das Lächeln
Mal kein Pairing, das ist mir spontan eingefallen und ich musste es niederschreiben. Ich hoffe, der Text transportiert die Gefühle gut :3
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Ich bin Maler und ich möchte euch von einem Lächeln erzählen, welches eingefangen zu haben, ich mächtig stolz bin. Es handelt sich bei mir nicht um Leonardo da Vinci, um es gleich einmal vorwegzunehmen, wobei mir dieser Vergleich natürlich sehr schmeicheln würde, aber bei meinem Model handelt es sich um weit mehr als die Mona Lisa.
Er kam zu mir – Nein, keineswegs können Männer schön lächeln, ich sprach auch nicht davon, dass es ein Mann gewesen wäre. Er war zwar im Mannesalter, aber als ich ihn mir näher besah und überlegte, wie wir ihn platzieren sollten, da dachte ich, ich hätte es mit einem Kind zu tun.
Er kam zu mir, in einer Zeit da ich schon dachte, ich müsste mit der Malerei aufhören, weil mir das Geld hinten und vorne nicht reichte, doch sobald ich den ersten Pinselstrich für sein Portrait setzte, begriff ich, dass ich um der Malerei Willen malen musste, und nicht wegen des Geldes. Ich male, um das Schöne einzufangen, um Erinnerungen zu schaffen, die die gleichen Gefühle, die gleiche Herzlichkeit oder den gleichen Herzschmerz ausstrahlen, wie das Original es einst tat, wenn es bei mir auf dem Stuhl saß. Dieser Gedanke lässt mich seither wieder eifrig bei der Arbeit sein, mir mit kleineren Aushilfen Geld hinzuverdienen, damit ich weiter malen kann. Auch wenn keiner mehr solch eine fesselnde, bewegende, rührende Ausstrahlung hatte, wie mein armer, kranker Bub.
Ich fragte ihn, für wen das Portrait denn sei, denn darauf kommt es immer an, daran muss ich mich in Farben, Licht und Ausdruck des Bildes stets orientieren.
„Für meine Verlobte.“, sagte er, als wenn er sich dafür schämen müsste. Bei diesen Worten sah ich eine Röte in seinen Wangen aufsteigen, die ich sofort auf meiner Malpalette zusammenmischte, um sie nachher auch ja möglichst originalgetreu auf der Leinwand wiedergeben zu können.
„Ist sie in Ihrem Alter?“, fragte ich.
Er nickte. Ein junges Mädchen also.
Dann wollte er wissen, wie viel es kosten würde, denn er könne sich ein teures Portrait nicht leisten. Ich sei froh, überhaupt wieder Arbeit zu haben, antwortete ich, was ihn anscheinend zufriedenstellte.
Ich bat ihn, sich auf den Stuhl zu setzen, über die linke Schulter mir das Gesicht zuzuwenden. Ob er den Mantel anlassen wolle. Ja, ihm sei kalt.
Ich machte meine Skizze und schon da fiel mir auf, dass ich nicht den Mann, sondern das Kind in ihm einfing. Ganz ungewollt. So sah ich ihn, so wirkte das Licht, die Atmosphäre, seine Augen.
Ich ging näher zu ihm, und versuchte seine Augenfarbe zu mischen, aber der Ausdruck, der in seinen Augen lag, hinderte mich daran deren Farbe wahrzunehmen. Einmal sah ich gar nichts, noch nicht einmal schwarz. Ein Tunnel ins Nichts, ein Weg ohne Ziel, ein Versuch, ein hoffnungsloser Versuch etwas zu erreichen – und im nächsten Moment dachte ich: Rot! Grün! Blau! Braun! Gelb!, aber nie im Leben hätte ich das auf meiner Palette mischen können. Ich nahm wieder auf meinem Hocker Platz.
„Möchten Sie einen Hintergrund?“, fragte ich, um mich abzulenken.
„Wird das teurer?“, fragte er, und von da an hatte ich Mitleid mit ihm. Ich wollte ihm eine Blumenwiese malen, ein Feuerwerk, einen See, einen kleinen See mit gedecktem Tisch und er saß auf einem der Stühle –
Doch dann sah ich wieder zu ihm auf, an meiner Leinwand vorbei, und er blickte zu mir zurück, und ich konnte den Hintergrund nur dunkel machen. Es ging nicht anders, er zwängte es mir auf, er sagte mir förmlich – freilich ohne seinen Mund aufzumachen, sagte er mir: Nein, wir wollen nichts beschönigen, Herr Maler, und ich entschloss mich dazu: ich beschönigte nichts.
Es wurde trotzdem das schönste Bild, das ich jemals gemalt habe.
Er war sehr geduldig, dafür, dass er von Grund auf eine innere Unruhe in sich trug, die er hinter diesen Augen verbarg. Er wollte das nicht. Er wollte nicht portraitiert werden, das spürte ich, nur wusste ich nicht, wieso er es dann über sich ergehen ließ.
Wenn ich unwillkürlich lächeln musste, weil mich eine Zärtlichkeit in seinem Gesicht an das Bauernmädchen erinnerte, das ich vor Jahren einmal gemalt hatte, um sie zu beeindrucken, oder weil ich ein widerspenstiges Haar malte, das im Portrait genauso unordentlich auf seinem Kopf lag, wie beim Original, aber doch am vollkommen richtigen Platz, dann wurden seine Wangen wieder rot, und ich nutzte die Gelegenheit, das Rot auf meinem Bild zu überprüfen, ob es auch tatsächlich das gleiche war.
Als ich an seinen Gesichtszügen angekommen war, die Nase soeben beendet, die er ab und zu gekräuselt hatte, als wenn ich ihn mit dem Pinsel daran gekitzelt hätte, bat ich ihn darum, zu lächeln.
Er lächelte, und ich ließ den Pinsel sinken und wollte anfangen zu weinen.
„Armer, kranker Bub.“, wollte ich zu ihm sagen, und nannte ihn von nun an in Gedanken so.
Sein Lächeln brach mir das Herz zugleich und erwärmte es. Ich glaubte, ihn schon ewig kennen zu müssen, ihn lieben zu müssen, ihm alles geben zu müssen, was er von mir verlangte, auf ewig für ihn da zu sein!
„Mein armer, kranker Bub.“, dachte ich und glaubte nicht, dieses Lächeln irgendwie auf die Leinwand zu bekommen.
Doch es gelang mir. Das schönste Lächeln, das ich jemals gezeichnet habe. Das reinste. Das falscheste. Das zaghafteste, das verzagteste, das herzschmelzendste, das wundersamste, wunderbarste, das unbegreiflichste, das zerstörerischste, das heilendste, das hoffnungsloseste, das elendste, das trostspendendste, das schüchternste, das himmlischste Lächeln überhaupt.
Ich bin der einzige, der es für euch festhalten durfte.
Und du hast es uns geschenkt. Mein armer, kranker Bub…