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Schillern

von

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Der unendliche Weg des Lebens

Die Krokusse sprossen aus der Erde, die Bienen summten und erfreuten sich am Nektar der blühenden Blumen. Die Wiesen wurden Tag für Tag bunter und die Wälder dichter.

August saß in der Stube am Fenster und beobachtete die Natur, als er das Klacken der Haustür vernahm. Seine Mutter musste vom Einkauf zurück sein.

Freudig, da er doch heute unbedingt mit ihr nach draußen wollte, sprang er auf. Er würde sie zwar erst überreden müssen, denn da sein Vater sie immer noch nicht geehelicht hatte, war sie sowie ihr Sohn bei den hohen Damen nicht gern gesehen, aber August war das egal. Zumindest versuchte er es gleichgültig hinzunehmen. Die Lästermäuler – vornehmlich Frauen – waren sicherlich nur eifersüchtig, dass der große Goethe eben seine Mutter liebte.

Eilig lief er ihr also entgegen und – und blieb im Flur erschrocken stehen: Denn das war nicht seine Mutter, diese vom Blitz getroffene Gestalt, der das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand.

„Mutter! Was ist passiert?! Was ist los?!?“, fragte er besorgt und eilte sofort zu ihr, um sie zu stützen.

„Junge…“, gab die Frau erschöpft von sich. „Ein Glas Wasser, bitte.“

„Sofort.“

Er brachte sie in die Küche und goss ihr aus dem Krug ein Glas Wasser ein.

„Mutter, du siehst aus, als wäre dir der Tod begegnet. Was ist geschehen?“, wiederholte er seine Frage.

Sie nahm einen kräftigen Schluck und fuhr sich zittrig durch die gelockten Haare, bevor sie antwortete.

„Schiller.“

Es war nur ein Wort, ein Name, aber August verstand.

„Nein“, brachte er über seine Lippen.

Seine Mutter nickte nur.

„Nein!“

„Pscht!“, ermahnte ihn die Frau. „Sag kein Wort zu deinem Vater!“

„Aber…“

„Kein Wort, mein Sohn. Wir werden es ihm verschweigen, so lange es geht.“

August nickte mit wässrigen Augen.

Er dachte an Karl, den armen Jungen, der so jung seinen Vater verloren hatte. Das war ungerecht! Das war wider die Natur! Kreislauf des Lebens hin und her, der Mann hatte das nicht verdient und sein Sohn noch weniger!

„Darf ich…rüber zu Karl?“

„Jetzt nicht. Lass sie trauern. Er wird schon kommen, wenn er dich braucht.“

Der Junge nickte ein weiteres Mal.

Plötzlich waren Schritte auf der Treppe zu hören.

„Dein Vater kommt.“, flüsterte die Mutter und erinnerte ihn: „Kein Wort.“

Goethe, ein Mann mit dunklem Haar und Augusts Augen, betrat die Küche und gab seiner Frau einen Kuss. „Hallo, Liebling. So spät vom Einkaufen zurück?“

„Ja, es…gab eine Menge Tratsch.“

„So? Was erzählt man sich denn?“, fragte Goethe amüsiert.

„Das Übliche.“, antwortete sie ausweichend, und ihr Mann wandte sich nun August zu.

„Das Wetter ist schön heute, nicht?“, stellte er fest.

„Ist es, Vater. Wunderschön.“

„Lust auf einen kleinen Spaziergang, bis deine Mutter das Essen fertig hat?“, schlug er vor. „Wir könnten Schillern und Karl fragen, ob sie mitkommen.“

Stille trat in der sonst so gemütlichen Küche ein.

Mit forschendem Blick betrachtete Goethe Frau und Sohn, die eben diesem auszuweichen suchten.

Plötzlich weiteten sich seine Augen und er musste sich am Tisch abstützen.

„Sagt nichts, ich spüre es.“, brachte er heraus. „Er hat uns verlassen. Er hat uns tatsächlich verlassen…“

August blickte seinen Vater an und musste bestürzt feststellen, wie verloren dieser aussah. Das erste Mal, dass dieser Mann so wirkte, als wüsste er nicht weiter, als wäre er einfach hilflos.

Ohne ein weiteres Wort machte Goethe plötzlich kehrt und verschwand eilig aus dem Raum, die Treppen hinauf.

August konnte nicht anders; ihm flossen die Tränen.

Seine Mutter nahm ihn in den Arm und so standen sie da in der Küche, stumm einander im Arm, nur Augusts leises Schluchzen zu hören, und nahmen Anteil am Leid der Familie Schiller, die ihren Vater verloren hatte.



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