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Schillern

von

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Erste Schritte auf dem Weg

Die schwarze Nacht hatte sich über die Stadt gelegt, der Mond beschien schleierhaft die Straßen.

Unten im Wohnzimmer saß August unruhig im Sessel. Er hatte auf dem Schreibtisch seines Vaters eine Notiz zurückgelassen. Nachdem er tausend Versuche gestartet, seine Gedanken in Worte zu fassen, und nur Romane zustande gebracht, hatte er sich dazu entschlossen, das Papier einfach mit den Worten „Suchen Schillern“ und seiner Unterschrift zu füllen.

Derweil war Karl schon auf der Straße. Es brach ihm das Herz, seine Mutter zurückzulassen. Bei diesem Gedanken fasste er sich an sein Halstuch, unter dem er das Goldkettchen erfühlte, das sie ihm einst geschenkt hatte. Aber er hatte ja noch seinen jüngeren Bruder Ernst, in dessen Obhut er die Mutter gut behütet glaubte.

Der Himmel war herrlich klar und Karls Augen hatten sich so gut an die Dunkelheit gewöhnt, dass er ohne Mühe durch die Gärten fand und fünf Minuten später als vereinbart endlich bei Goethes an den Fensterladen klopfte.

Sofort war August an der Gartentür, auf dem Rücken einen Rucksack.

„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“, meinte er.

„Ich halte meine Versprechen, keine Angst.“, sagte Karl. „Danke, dass du mich begleitest.“

Und sie machten sich auf den Weg.

Es war klar, dass es nach Korinth ging – Karl hatte auch eine Karte aus dem reichhaltigen Bestand seines Vaters mitgenommen – aber wie sie dort hinkommen sollten, war noch ungeklärt.

„Wo hast du deinen Proviant?“, hakte August nach der ersten Straßenecke nach.

„Ich hab einen Beutel Geld dabei, das genügt mir.“, war Karl der Meinung und klopfte sich gegen die Brust, wo unter dem Mantel die Münzen klingelten.

Der Ältere zog hierauf skeptisch seine Augenbrauen in die Höhe. Die Schillers hatten schon immer seltsame Ansichten gehabt.

„Wir brauchen Pferde.“, gab der Dunkelhaarige als nächstes von sich.

„Aha, eine neue Erkenntnis.“, stellte August fest. „Und du glaubst, um diese Uhrzeit empfängt uns noch irgendwo ein Rosshändler?“

„Nein.“, antwortete Karl, lief aber unbeirrt weiter.

August ließ den anderen machen.

Als sie draußen vor der Stadt auf eine Koppel stießen, sah er jedoch erstaunt zum Größeren auf.

„Du wusstest, dass hier Pferde sind?“

„Ja.“, antwortete Karl.

„Woher?“

Der Dunkelhaarige antwortete nicht, sondern sprang tatenfreudig über den Zaun.

„Karl! Du willst doch nicht…!“

„Wir können dem Besitzer ja ein paar Münzen dalassen.“

„Karl!“

„Pscht!“, zischte der Jüngere und legte sich einen Finger auf die Lippen. „Wir müssen leise sein, sonst verschrecken wir die Pferde.“

August rang mit sich, aber Karl sah ihn durch den Zaun an, mit seinen blauen Augen, die im Licht des Mondes glänzten, und wirkte wieder so wie damals vor vier Jahren, als er nicht glauben wollte, dass sein Vater ein Lügner war.

„Nun gut.“, seufzte der Ältere und folgte seinem Freund etwas umständlich und weniger leichtfüßig hinein in die Koppel.

„Such dir ein starkes Ross aus“, zischte ihm Karl zu. „Schließlich müssen sie uns weit tragen.“

„Wollen wir nicht gleich ein geflügeltes nehmen?“, fragte August, weniger ernst gemeint.

Karl lachte leise, sodass eines der Pferde nervös den Hals drehte.

„Vielleicht finden wir ja eines, schließlich gibt es auch Vampire.“
 

Die Sonne wagte sich so langsam hinter den Bäumen hervor, als die beiden Reisenden an die Grenze nach Bayern kamen. Still, da wohl beide etwas müde, waren sie nebeneinander her geritten und so führten sie nach dem unkomplizierten Grenzübergang ihren Weg auch fort.

Der erste, der sich zu Wort meldete, war Karls Magen.

„Hunger…“, gab der Dunkelhaarige von sich.

August grinste gehässig.

„Dann iss doch dein Geld.“, schlug er vor.

Karl äußerte sich nicht dazu.

Ein paar Meter weiter an der nächsten Weggabelung hielt August sein Pferd an und zog den Rucksack vom Rücken. Er nahm ein Laib Brot heraus und reichte es seinem Freund.

Auf Karls Gesicht legte sich ein Lächeln, als er es entgegennahm.

„Danke“, sagte er, „Ohne dich wäre ich verloren.“

August schwieg hierauf nur und bewegte sein Pferd zum Weiterlaufen.

Karl musste grinsen, die Backen voller Brot: Wenn jemand behauptete, er würde nach seinem Vater kommen, so traf das auf August aber ebenso zu.
 

Nach einer weiteren halben Stunde hatte sich der Ältere ebenfalls ein karges Frühstück, das er auf dem Rücken seines Pferdes zu sich nehmen konnte, gegönnt, und nun wurden beide etwas redseliger.

Schließlich forderte August Karl auf, die Karte hervorzuholen, damit sie eine Route festlegen konnten.

„Gib mir deine Zügel.“, ergänzte er, und Karl reichte sie ihm, sodass er die Karte zücken und auffalten konnte, ohne dass sie anhalten mussten.

„Korinth ist ziemlich weit weg.“, stellte der Jüngere fest. „Hast du irgendeinen Vorschlag?, schließlich bist du der Erfahrenere.“

August wandte seinen Blick nicht vom Weg ab, als er antwortete.

„Wir sollten uns den langen Landweg ersparen und in Bonapartes Gebiet bleiben, damit wir nicht über den Balkan müssen.“

„Ah“, machte Karl, „Das hört sich gut an. Dann reisen wir also per Schiff?“

„Das wäre das Beste, ja.“, meinte August mit einem Nicken. „Korinth ist eine Hafenstadt. Da bietet es sich an, von Venedig aus überzusetzen.“

„Venedig!“, rief Karl begeistert. „Diese bezaubernde, von der Muse geküsste, architektonisch eindrucksvolle Stadt! Ich wollte schon immer einmal nach Venedig!“

„Das bedeutet aber, dass wir über die Alpen müssen.“, gab August zu bedenken, womit er jedoch die Euphorie des anderen nicht bremsen konnte.

„Also durch Bayern nach Tirol und Venetien, und schließlich in die Stadt meiner Träume!“

„Wir sollten bald einen Ort zum Einkehren finden.“, merkte August an. „Unsere Pferde brauchen eine Pause.“
 

Nach einer halben Stunde erschienen endlich die ersten Häuser eines oberbayrischen Dorfes.

„Dort vorne ist eine Gaststätte.“, erkannte August. „Binden wir die Pferde vor der Tür unterm Dach an.“

„Besser nicht.“, widersprach Karl. „Fragen wir den Wirt nach einem Stall.“

„Wieso das?“, wollte sein Freund wissen. „Wir haben doch nicht etwa vor, länger zu bleiben?“

„Nein“, antwortete der Jüngere und blickte sich unauffällig um. „Aber ich hab das Gefühl, dass wir verfolgt werden.“

Jetzt sah sich August ebenfalls um.

„Verfolgt? Ich sehe niemanden, habe den ganzen Weg über keine Menschenseele bemerkt.“

Karl sprang vom Pferd, als sie vor dem Gasthaus ankamen.

„Ich weiß auch nicht, aber sicher ist sicher.“, meinte er. „Hebst du die Zügel, während ich mit dem Wirt verhandle?“
 

Entgegen Karls ständigem Gefühl, dass sie verfolgt würden, blieb es in der Gaststätte ruhig, und auch wer die Straße passierte, blieb nicht stehen, um sich etwa über zwei Reisende auf Pferden zu erkunden.

Trotzdem verharrte Karl bis spät abends am Fenster der Kammer und sah unruhig hinab auf den Weg. Erst als August ihm androhte, er würde am nächsten Morgen alleine wieder heimwärts aufbrechen, kam der Dunkelhaarige zur Vernunft und legte sich in sein Bett.

Als kurz vor den Alpen und nach weiteren Raststationen Karl jedoch immer noch von dem dubiosen Verfolger sprach, wurde es August zu viel.

„Karl, wir werden nicht verfolgt! Wer sollte das auch tun?! Und überhaupt, wieso zeigt er sich nicht, dein Verfolger?!? Sei so gütig und verschone mich damit, das bildest du dir nur ein.“

Der Jüngere schnappte sich beleidigt die Zügel seines Pferdes. Sie wollten gerade das kleine Dorf, in dem ihre letzte Raststätte lag, verlassen.

„Dann bleib hier.“

August sah den anderen verwirrt an.

„Wir reiten beide dort in den Wald um die Biegung, und dann schleichst du dich wieder zurück. Du wirst sehen, dass ich Recht habe.“, meinte Karl und sah seinen Freund herausfordernd an.

„Nun gut.“, stimmte August zu. „Wenn mir nichts anderes übrig bleibt, als dich endlich davon zu überzeugen, dass du dir da etwas zusammenspinnst.“

Und so stiegen sie, der Ältere mit seinem Rucksack auf, der langsam an Inhalt abgenommen hatte, auf ihre Pferde und ritten los.

Die Straße im Wald machte besagte Biegung, die sie ganz durchritten. Nach fünf Minuten Weg hielt Karl sein Pferd an.

„So“, sagte er und stieg ab.

„Hier binde ich dein Pferd an den Baum.“

„Wie?“, hakte der andere nach. „Du bleibst nicht hier?“

„Nein, ich reite weiter. Wenn du dich überzeugt hast, dass morgenfrüh oder vielleicht noch heute Abend unser Verfolger im Gasthaus dort im Dorf ankommt, dann kannst du ja wieder nachkommen.“

August verdrehte die Augen.

Schiller. Diese Idee konnte nur von einem Schiller kommen. Total aus dem Bauch heraus und ohne die Folgen zu bedenken.

„Also?“, fragte Karl.

„Gut.“, war alles, was August von sich gab, ehe er sich umkehrte und neben der Straße im Wald zurücklief.

Der Dunkelhaarige sah ihm nach.

Er biss sich auf die Unterlippe, hoffte, dass August so schnell wie möglich und heil wieder zurückkommen würde.
 

Karl war bis an eine kleine Hütte in einer bereits hügeligen Landschaft gekommen, als er freudig von seinem Sitz der Reue und des schlechten Gewissens aufspringen und August um den Hals fallen konnte.

Der Ältere war etwas überfordert mit dieser Begrüßung, und als Karl auch noch nach seiner Hand griff, seinen Redeschwall aus Selbstvorwürfen nicht unterbrechend, entzog er sich ihm schnell.

„Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen, Karl, solange du mich fortan mit deinen Halluzinationen verschonst.“

Der Dunkelhaarige sah erstaunt zum anderen hinab.

„Du bist auf keinen Verdächtigen gestoßen?“, fragte er ungläubig, doch der Ältere nickte.

„Der einzige, über dessen Erscheinen im Dorf ich ein wenig erstaunt war, ist Iffland.“

„Iffland?!?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, Iffland ;3 Vielleicht ist er dem ein oder anderen ja ein Begriff... Komplett anzeigen

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