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Yasura und Kaname

Merkwürdig, wie die kleinsten Entscheidungen das Leben verändern können …
von

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Der junge Mann drehte und wendete ein paar Mal seine rechte Hand, schloss sanft eine Faust und öffnete sie wieder. Vollkommen in Gedanken, blieb er über die Spüle gelehnt und fing nach einer halben Minute an zu Tagträumen.
 

~
 

Kaname saß auf einmal in seinem Lieblingssessel, dieser stand in seinem Kaminzimmer. Oh, wie er dieses Zimmer liebte.

Sein Sichtfeld war begrenzt, aber dennoch sah er ein Bild, das in einen leichten, samtigen Nebel getaucht war. Wäre es ein Foto gewesen, würde es als völlig überbelichtet durchgehen. Kaname hielt in der rechten Hand eines seiner Lieblingsbücher. Als der junge Mann jedoch vom Text aufsah, schlug er fassungslos das Buch zu und legte es beiseite. Nach einem kurzen Moment, in dem er einfach weiter schwieg, fing er an zu lächeln. Als wäre es ganz normal, dass gegenüber von ihm ein blauhaariges Mädchen auf der Fensterbank lag.
 

Es war fast ein Keuchen, das dem Mann aus der Kehle kroch, als er sie ansah. Er schluckte ungläubig, ließ den Mund aber noch offen, bis er anfing zu lächeln. Auf einmal war es nicht mehr seltsam, dass ihm diese Frau so nah war – Nein, es war regelrecht beruhigend. Besonders, da sie friedlich schlafend auf rot-orangenen Kissen lag.

Kaname schnaubte leise, stand verträumt auf und schlich zu ihr heran. Nun war er ihr ganz nah. So nah, dass er sie am liebsten an der Wange gestreichelt hätte. Doch wecken wollte er sie nur ungern, also ließ er sich leise neben ihr nieder und saß dann mit geschlossenen Augen auf dem Boden.
 

Kaname?“, drang die leise Stimme der Frau an sein Ohr, „Schläfst du?“

Er blinzelte irritiert und hob den Kopf an. Ihm war, als würde auf einmal ein Wind durch sein Zimmer wehen – woher dieser jedoch kam, konnte sich Kaname nicht erklären. Die Leere in seinem Kopf ließ es sowieso nicht zu, dass sich der junge Mann Gedanken darüber machen konnte. Er wollte die Frau ansehen und ihr antworten, doch… sie war weg, als er in ihre Richtung sah. Da gelassen hatte sie drei ordentlich aufgereihte Kissen und einen unerklärlichen Schmerz in Kanames Brust…
 

~
 

Ein Staubsauger ließ Kaname hochschrecken. Er nahm schnell die Hände von den Spülenrändern und bemerkte auf beiden Handinnenseiten jeweils eine breite Druckstelle. Der Blonde ballte - noch leicht verwirrt und benebelt von seinem Traum – ein paar Mal die Fäuste und betrachtete sie. Als der Staubsauger ausgeschaltet wurde, wollte er gerade die Küche verlassen. Natürlich kam es so, dass der werte Herr in sein Hausmädchen lief und noch verdatterter als eh schon war. „Ach Sie sind es…“, murmelte er nicht gerade höflich und musterte sie knapp. Sie verbeugte sich euphorisch und grinste ihn freudestrahlend an. „Guten Morgen, Herr Kaname de Jeicho!“ Sie zögerte nicht lange, schnappte sich wieder den Staubsauger und verschwand in der Küche. Darauf folgte wieder der Lärm, den Kaname nicht ausstehen konnte.
 

Generell mochte er es nicht sonderlich, wenn jemand sein Haus putzte – Er war ja nun wirklich selbst fähig genug um die wenige Arbeit, die eine Person schaffte, zu beseitigen. Doch protestieren brachte nichts. Sein Chef blieb stur und bestand auf ein Hausmädchen. Damals hatte er darüber immer den Kopf geschüttelt, nun aber, war es ihm vollkommen egal. Sollten sie doch seine Heimat nach ihren Wünschen „schön“ machen...
 

Kaname ging zur Gaderobe und warf sich seinen Mantel über. Anschließend verließ er ohne ein weiteres Wort das Haus und schlenderte durch seinen Garten. Der Gärtner schnitt gerade die große Hecke, die sein viel zu großes Grundstück umrandete, doch mit ihm redete Kaname ebenfalls nicht. Er sah ihm mit seinen blauen Augen nur einen Moment bei der Arbeit zu, wendete sich dann ab und ließ sich auf einer Bank, nahe eines schon geschnittenen Teils der Hecke, nieder. Das alte Holz knirschte ein wenig, als er sich hinsetzte, doch stören ließ sich Kaname davon nicht. Er schloss die Augen und lehnte sich zurück. Nun fing er an, über seinen Traum nachzudenken…

Wie sehr er sich doch wünschte, dass sie bei ihm wäre. Wie schlimm dieser schmerzende Stich war, als sie auf einmal spurlos verschwunden war! Nein, diesen traum konnte er nicht so leicht verkraften.
 

***
 

Yasura wachte erst gegen Mittag wieder auf – Aber auch nur, da ihre Mutter sie weckte. Den Schal hatte das blauhaarige Mädchen noch immer fest an sich gedrückt und der Geruch stieg ihr noch immer in die Nase. Sie schlüpfte wie gewöhnlich in ihre Sachen und tastete mit wenigen Berührungen den Weg zum Bad ab. „Möchtest du etwas essen, Yasura?“, fragte die nette Frau ihre Tochter, als diese an ihr vorbeilief. Sie war immerzu besorgt um Yasura gewesen und hatte sich tagtäglich bemüht, dass es dem blinden Kind gut geht. „Nein, nein. Danke!“, rief das Mädchen, als sie sich die Bürste schnappte und anfing mit ihren Haare zu kämpfen. Sie gab es schließlich auf, band sich einen Dutt und lief währenddessen wieder in ihre Zimmer zurück.
 

Dort schnappte sie sich Kanames Schal und entschied sofort, dass sie ihn unbedingt waschen musste. Schließlich tat man das einfach, wenn man jemandem etwas zurück gab. Jedenfalls musste Yasura ihm den Stoff, der auf sie so kostbar wirkte, doch zurückgeben. Vielleicht ging es der jungen Frau dabei nicht nur um den Schal. Vielmehr könnte die Tatsache, dass sie Kaname dann wieder begegnen würde, ein Grund ihrer Entschlossenheit sein. Sie musste sicherlich einfach nur dort herum laufen, wo sie am vorherigen Abend herum gelaufen war.
 

Aber erst einmal hieß es, den Schal zu waschen! Das tat sich dann auch, hing ihn zum Trocknen auf den Balkon und setzte sich geduldig in die Sonne. Mittlerweile war es warm geworden und Yasura fühlte regelrecht die starken Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Gegen Nachmittag war der feine Stoff auch schon trocken. Yasura steckte ihn seufzend in eine braune Papptüte, welche sie im Flur abstellte um sich ihre Schuhe anzuziehen. Der Schal roch jetzt wahrscheinlich nicht mehr nach ihm, sondern nach ihr. Sie fragte sich, ob ihn das stören würde.
 

Dass Yasuras Mutter schon eine ganze Weile vor ihr gestanden haben musste, hatte sie nicht bemerkt. Erst als diese leise eine Frage stellte: „Triffst du dich mit diesem Mann?“ Sie war wohl ziemlich nachdenklich geworden, als sie am vorherigen Abend ihre Tochter in Begleitung eines Mannes gesehen hatte. Ob ihre Frage nun hoffnungsvoll oder eher aus dem Grund, dass sie eben nicht möchte, dass sich ihre Tochter verabredet, entstand, konnte man nicht direkt sagen. Beide Erklärungen hätten Grund zu ihrer Frage sein können, deswegen wusste Yasura auch nicht recht, wie sie reagieren sollte. Gut nur war, dass sie sich nicht direkt verabredet hatten. Nein, Kaname wusste ja nicht einmal, dass Yasura ihn unbedingt treffen wollte…
 

Die Blauhaarige bekam zittrige Hände, wenn sie alleine an seine Stimme dachte. Was würde er wohl sagen, wenn sie auf einmal vor ihm stehen würde? Nichts? So könnte man ihn schließlich einschätzen, da er ja den ganzen Abend lang kaum etwas gesagt hatte. Genug jedoch, dass sie wusste, den Klang seiner Stimme nicht vergessen zu wollen. Nur das passierte leider schon. Je mehr sie sich zwang, eine Erinnerung zu behalten, verlor sie mehr und mehr seine Stimme aus ihrem Gedächtnis.
 

„Ich treffe mich mit einer Freundin.“, äußerte sie lächelnd und öffnete die Tür. Ihren Satz führte sie in Gedanken aber noch weiter: „Um ihm dann ganz zufällig über den Weg zu laufen!“ Gelogen war ersteres nicht einmal, denn ihre Freundin Ayame war immer dazu bereit, mit Yasura ein wenig um den Block zu gehen. Das Mädchen, sie war ebenfalls neunzehn Jahre alt, wohnte im gleichen Haus und hatte wenige Freundinnen. Sie verbrachte viel Zeit vor ihrem Computer und kam wenig raus. Deswegen war es gut, dass es Yasura gab. Die Blinde war nämlich die einzige Person, die mit Ayame einfach mal spontan etwas unternahm.
 

„Mit dem Essen brauchst du nicht zu warten, wir kaufen uns in der Stadt etwas, oder so…“, meinte Yasura noch eilig, und war schon aus der Tür. Sie sprintete wagemutig, egal ob sie fallen sollte oder nicht, die Treppen herunter, sprang in die Kurven und hielt sich dann immer am Geländer fest. Vor einer Tür blieb sie dann stehen und drückte in der Bremsbewegung die Klingel. Noch leicht außer Puste stand sie dann in der Tür und wartete darauf, dass sie jemand öffnete.
 

Nicht lange später, war sie in Begleitung von Ayame, die, wie erwartet, Zuhause gewesen war. Beide überlegten noch, ob sie Céline abholen sollten, doch sie hatte sowieso nur noch eine Stunde Zeit, da sie dann zum Geigenunterricht musste. Das würde sich dann nicht lohnen, da der Weg zu ihr noch ein ganzes Stück gewesen wäre. Also blieben die beiden zu zweit.
 

Während Yasura mit den Gedanken vollkommen bei Kaname war, textete Ayame sie eine ganze Weile zu. „…Und dann sind sie tatsächlich zu ihm gegangen! Kannst du dir das vorstellen? Obwohl er ja eigentlich keinen Tee mag! Das-… äh, Yasura? Hörst du überhaupt zu?“ Die Blauhaarige schrak nach dem Gerede ihrer Freundin auf und schüttelte verwirrt den Kopf. „Ich… äh… bin nur etwas in Gedanken.“, murmelte sie leise, nahezu flüsternd. Die Tüte mit dem Schal hatte sie mittlerweile schon an ihren Oberkörper gedrückt getragen.
 

„Achso, das kenn ich!“, lachte ihre Freundin und klopfte ihr leicht auf die Schulter. Sie schien die Tüte irgendwie gar nicht zu bemerken oder es interessierte Ayame einfach nicht, was darin zu finden war. „Du kannst mir ruhig Bescheid sagen, wenn was ist“, meinte sie lieb und erzählte kurz darauf wieder munter weiter. Sie liefen zusammen in die Stadt und kauften sich etwas zu essen und begaben sich auf den Weg nach Hause, an dem Studio vorbei… Da sie dieses Mal niemanden nach Hause bringen mussten, außer sich selbst, konnten sie einen schnelleren Weg wählen.



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