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Amicus Draconis - 2nd Cycle: Cycle of the Snake

Wenn der Rote Löwe und der Grüne Drache miteinander vereint sind, dann ist das Tor zur Ewigkeit geöffnet
von

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16. That I Must Love a Loathéd Enemy - Teil A

January 1999, Gegenwart
 

Bald schon werde ich ihm gegenüberstehen...
 

Der Wind pfeift mir um die Ohren, aber dennoch scheint es mir, ich könne noch immer die Triumphschreie der Ghost Riders in meinen Ohren gellen hören, auch wenn sie schon längst hinter uns verstummt sind. Wir fliegen so hoch, dass ich die Welt unter mir nicht mehr sehe. Diese Welt, die ich jetzt verlasse, die Welt meiner Freunde, meines ganzen bisherigen Lebens.
 

Bald schon werde ich in einer anderen Welt sein. In seiner Welt.
 

Haben Ron und Hermione die anderen rechtzeitig in Sicherheit bringen können? Es muss wohl so gewesen sein, denn niemand außer mir wurde gefangen genommen. Zumindest dieser Teil des Plans hat funktioniert. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen, oder?
 

Oder?
 

Was, wenn der Plan nicht funktioniert? Was, wenn er ihn durchschaut hat? Und was, wenn Ron, Hermione, Sirius und die anderen nicht schnell genug reagieren?
 

Oder ich ihnen nicht wichtig genug bin?
 

Nein. Nein, das darf ich nicht einmal denken. Ich darf mich nicht von dieser Verzweiflung einfangen lassen. Das ist doch das Einzige, was ich ihm voraus habe, die Tatsache, dass es Menschen gibt, die mich lieben und denen ich vertrauen kann. Ich würde alles riskieren, um meine Freunde zu retten, und sie würden dasselbe für mich tun.
 

Sie werden dasselbe für mich tun.
 

Ich wünschte, ich hätte sie vorher in den Plan einweihen können. Es fühlt sich wie Verrat an, dass ich es nicht getan habe. Aber sie hätten es doch niemals zugelassen, dass ich mich in solche Gefahr begebe. Sie hätten nicht verstanden, dass es der einzige Weg ist.
 

Auch du willst nicht zulassen, dass ich mich in Gefahr bringe. Ich kann deine Angst und deinen Schmerz spüren, auch wenn du versuchst, diese Gefühle zu verbergen. Ihn magst du damit täuschen können, aber mich nicht. Ich kenne dich zu gut.
 

Aber ich empfinde verdammt noch mal kein Mitgefühl mit dir. Ich brauche dich, um das wieder in Ordnung zu bringen, was ich in meiner Dummheit angerichtet habe. Du selbst hast dafür gesorgt, dass du mir unentbehrlich bist, und dein Plan ist aufgegangen. Im Pläne schmieden warst du immer schon gut. Aber wenn du glaubst, es würde irgendwas zwischen uns ändern, dann hast du dich gründlich getäuscht.
 

Tja... das war’s dann wohl, Draco Malfoy. Kein besonders toller Abschied, aber was hast du denn erwartet? Dass ich dir alles verzeihe und dir um den Hals falle?
 

Aber wahrscheinlich ist es ohnehin besser so. Wenn es noch Gefühle zwischen uns gäbe, würde er sie mit Sicherheit bemerken und das würde dich in große Gefahr bringen. So hast du, selbst wenn alles schiefläuft, eine ganz gute Chance, heil aus der Sache rauszukommen. Alles, was du tun musst ist, ihn weiter zu täuschen und ihm deine Loyalität vorzuheucheln.
 

Und was das Täuschen und das Vorheucheln von Gefühlen angeht, das sollte für dich ja kein Problem sein, nicht wahr? Da bist du schließlich Experte drin.
 

Gut, lass uns das Ganze nicht noch schwerer machen, als es ist. Falls wir uns nicht wiedersehen, wünsche ich dir, dass du den Krieg überlebst. Und dass es dir ernst ist mit deinen Vorsätzen, dich zu ändern und deine Fehler wieder gut zu machen. Die anderen werden jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können.
 

So long, Draco.
 

Pass auf dich auf.
 

*
 

Opening Credits:
 

Author’s Note: Nach der Doppelfolge über Draco wenden wir uns in diesem Kapitel Harry zu. Was empfindet er für Draco und wie kommt er mit diesen Gefühlen klar? Was bedeutet die Prophezeiung für sein Leben? Snape und Dumbledore versuchen, mehr darüber herauszufinden und werden mit einer schweren Entscheidung konfrontiert.
 

Warnings: Yaoi. Viel Yaoi. Harry x Draco Fans, dies ist definitiv euer Kapitel. Allen Lesern, die sich weniger für prickelnde Erotik zwischen zwei heißen Jungs interessieren und lieber Story wollen, kann ich daher nur den Rat geben, die H/D Szenen zu überfliegen und sich stattdessen auf den Handlungsbogen um Snape und Dumbledore zu konzentrieren. Dort passieren nämlich die wirklich plotrelevanten Dinge. Ich kann euch versprechen, dass einiges an Rätseln gelöst wird. Aber wie man AD so kennt, kommen für jedes gelöste Rätsel drei neue dazu. Mindestens.
 

Updates: Die beiden sichersten Möglichkeiten sich über Updates zu dieser Fanfic zu informieren, sind zum einen die Yahoo!Group zu Amicus Draconis unter: http://de.groups.yahoo.com/group/AmicusDraconis/ und mein Animexx-Weblog unter: http://animexx.onlinewelten.com/weblog/562837/ Auch die Favoriten-Listen in manchen Archiven (Animexx, FF.de) helfen weiter, da ich bei größeren Updates auch manchmal ENS verschickte.
 

Keine Sorge, ihr werdet nicht mit Nachrichten zugespammt und niemand, der die Story auf seiner/ihrer Favo-Liste hat, wird von mir zugetextet/angebettelt/gezwungen, einen Kommentar zu schreiben.^^
 

*
 

*
 

Oh, nie sollst Du mich falsch von Herzen heißen,

Schien schwach auch, da ich fern war, meine Glut.

So leicht könnt ich vom eignen Selbst mich reißen,

Als von der Seele, die in deiner ruht.
 

Dort ist der Liebe Heim. Irrt ich auch weit,

Getrieben hat mich’s doch, zurückzueilen

Zu rechter Zeit, nicht anders durch die Zeit;

Selbst bring ich Tropfen, die mein Arges heilen.
 

Beherrschen alle Fehler auch mein Ich,

In deren Bann jedwedes Menschenblut,

Doch für so urteilslos nicht halte mich,

Für Nichts zu opfern dich, das höchste Gut.
 

Nichts ist dies weite Weltall meinem Sinn,

Du, meine Rose, bist mein Alles drin.
 

*
 

*
 

Amicus Draconis
 

*
 

Second Cycle: Cycle of the Snake
 

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Part 16: That I Must Love a Loathéd Enemy
 


 

Hogwarts, January 23rd 1995
 

Malfoy’s Zähne in seinem Nacken. Malfoy’s Atem, der über seine Haut strich.
 

Ein Feuer, das sie beide zu verschlingen drohte...
 

Wasser lief in Strömen über sein Gesicht, seine Arme, seinen ganzen Körper aber dennoch konnte es die Flammen nicht löschen und Malfoy’s Berührungen nicht von ihm abwaschen. Die Erinnerung an die letzten Stunden stand ihm so klar und deutlich vor Augen, als würde er die ganze Kette der Ereignisse noch einmal durchleben. Zuerst das heimliche Treffen gefolgt von dem Weg durch die Tunnel, danach das Duell in der Kammer der Mysterien, welches er hätte gewinnen können, wenn nicht plötzlich alles aus dem Ruder gelaufen wäre. Und schließlich...
 

Nein, Harry dachte den Gedanken nicht zuende.
 

Stattdessen griff er nach dem Schwamm, um sich ein weiteres Mal abzuschrubben.
 

Hogwarts, January 23rd 1995

Ein anderer Ort zur selben Zeit
 

In dieser Nacht beugte er sich über seine Vergangenheit und blickte tief in sie hinein.
 

Rauchige Nebelfetzen... wabernde Schwaden... weiß schimmernde Wirbel...
 

Verzerrte Stimmen... tanzende Bilder...
 

Stückchen von Leben...
 

Begonnen hatte es in Hogwarts, so wie immer alles in Hogwarts begann.
 

March 1969
 

Seine Hände zupften die Krawatte zurecht; er war jetzt Zweitklässler und es tat gut, nicht mehr zu den Kleinsten, den Neulingen zu gehören. Schon immer hatte er sich um so vieles erwachsener gefühlt, als seine Schulkameraden, hatte versucht bei den Älteren Aufnahme zu finden. Er wurde kaum beachtet, aber es hatte auch Vorteile. So konnte er seine Augen und Ohren überall haben, und Informationen waren das Wichtigste, wenn man dazugehören wollte.
 

Immer noch erschien ihm Hogwarts wie eine eigene fremde Welt, die nichts mit seinem vorherigen Leben zu tun hatte. Ihre Mauern bargen Geheimnisse, die er nicht einmal erahnen konnte. Und doch wollte er sie alle herausfinden, alles erfahren. Ebenso wie er die Geheimnisse der schimmernden Flüssigkeiten in den mächtigen Kupferkesseln ergründen wollte. Sein altes Leben war jetzt nicht mehr als ein böser Traum und die Zukunft gehörte ihm.
 

Trotzdem musste er verdammt vorsichtig sein, was die Vergangenheit anging. Das mit seinem Muggle-Vater brauchten sie nicht zu erfahren. Niemals. Was würden sie sagen...
 

January 23rd 1995
 

…wenn sie es herausfinden würden? Die Schande wäre unvorstellbar. Alle seine Freunde würden sich von ihm abwenden. Selbst Ron und Hermione würden es nicht verstehen. Wie denn auch? Er verstand es ja selbst nicht.
 

Warum hast du nicht energischer protestiert? Warum hast du dich nicht zur Wehr gesetzt? Du hast dich diesem verdammten Bastard ja regelrecht hingegeben.
 

Was, wenn Malfoy morgen in der Schule damit prahlen würde? Harry konnte sich gut vorstellen, wie er im Slytherin-Gemeinschaftsraum herumstolzierte. “Stellt euch vor, ich hab’ letzte Nacht Harry Potter flachgelegt...“ Bei einem miesen Typen wie Malfoy war das durchaus vorstellbar. Und noch Schlimmeres.
 

Sein Herz krampfte sich zusammen. Bei Merlin, wie sehr er ihn hasste...
 

September 1971
 

...wie sehr er ihn hasste, diesen verdammte Potter!
 

Sie waren immer schon die Pest gewesen, Potter und seine Bande. Unerträgliche Angeber, die keine Gelegenheit verstreichen ließen, sich vor anderen zu profilieren. Sie mischten sich überall ein, stolzierten herum, als gehöre die gesamte Schule ihnen. Er verstand nicht, wie die anderen so blind sein konnten, auf diese Sprücheklopfer hereinzufallen.
 

Er verstand nicht, wie Lucius so blind sein konnte.
 

Ein Zweig knackte unter seinem Fuß und er hielt mitten in der Bewegung inne. Hatten sie etwas bemerkt? Offenbar nicht, sie waren zu sehr in ihr Gespräch vertieft. Leider war er zu weit weg, um etwas Konkretes zu verstehen, nur den Namen Evans glaubte er aufgeschnappt zu haben. Redeten sie etwa über Lily? Was hatte Lily mit der ganzen Sache zu tun.
 

Lucius schien Potter irgendetwas zu erklären und legte dabei wie beiläufig eine Hand auf seine Schulter. Aber Lucius tat niemals etwas ohne Grund, soviel war sicher. Versuchte er gerade Potter’s Vertrauen zu gewinnen? Was bezweckte er damit?
 

Es war besser, so schnell wie möglich zu verschwinden. Vielleicht hatte Lucius das Knacken doch gehört und wusste, dass er beobachtet wurde. Und wirklich, sein Blick hob sich, ging über Potter hinweg und traf auf seinen eigenen. Er lächelte ihm zu, freundlich, so wie man einem guten Freund eben zulächelt.
 

Und seine Hand lag immer noch auf Potter’s Schulter. Sicher, es war nur eine Hand...
 

January 23rd 1995
 

...eine Hand, die auf seinem Körper spielte, als sei dieser ein Instrument. Immer genau wusste, wann sie behutsam vorgehen musste, und wann sie so richtig zudrücken konnte.
 

Eine Hand, die wilde Schauer durch seinen Körper jagte, die ihn willenlos machte. Ihn an den Rand der Ekstase trieb, nur um ihn anschließend grausam fallen zu lassen.
 

Und doch hatte er jeden Augenblick davon genossen, hatte sich nach diesen Berührungen gesehnt. Berührungen, die er vorher nie gekannt, nie erfahren hatte. Oh, wie sehr...
 

June 1974
 

...er auf diesen Tag gewartet hatte. Es war an der Zeit, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Heute Nacht würde er der Dunklen Bruderschaft seine Loyalität darlegen und seinen Wert beweisen. Sie hatten große Ziele und er würde ihnen helfen, sie zu erreichen. Er würde ein Teil der neuen glorreichen Ära sein, die bald über die Zaubererwelt hereinbrach.
 

Gemeinsam mit Lucius...
 

Fast zärtlich strichen seine Hände über die Maske, deren fahler Schein von Tod und Untergang kündete. Tod für die Feinde, Untergang für die alte Welt. Aus ihrer Asche würde eine neue, eine bessere Welt entstehen.
 

Lucius hatte recht behalten, der Meister war der mächtigste Magier aller Zeiten. Er hätte Lucius von Anfang an vertrauen und nicht an ihm zweifeln dürfen. Aber Lucius hatte ihn nicht aufgegeben, sondern ihn auf den richtigen Weg zurückgebracht. Lucius und Florence waren die einzigen, die ihn niemals aufgegeben hatten. Selbst Lily... aber nein, das war jetzt nicht mehr wichtig. Die Vergangenheit zählte nicht.
 

Nur die Zukunft zählte. Und sie begann...
 

January 23rd 1995
 

...heute Nacht hatte sich alles verändert. Wie konnte er jetzt zurückkehren, zu seinem normalen Leben? Sollte er so tun, als wäre nichts passiert? Einfach weitermachen, morgen aufstehen, frühstücken, zum Unterricht gehen?
 

Normales Leben? Lächerlich! Dein Leben war nie auch nur ansatzweise normal.
 

Nein, er konnte sich nichts vormachen. Zu all den Absonderlichkeiten, die ohne jede Vorwarnung in sein Leben einbrachen und über die er keine Kontrolle hatte, war nun eine weitere dazugekommen. Na schön, er hatte Basilisken, dreiköpfige Hunde, Spinnen und Lord Voldemort überlebt. Da sollte Malfoy doch...
 

February 19th, 1979
 

...das geringste Problem darstellen. Die Musik und die Lichter waren fern, aber dennoch schmerzten sie ihm in den Augen und Ohren. Was immer hier heute gefeiert wurde, er hatte keinen Anteil daran.
 

Oh, natürlich hatte er eine Einladung erhalten, die Lestranges wollten es sich schließlich nicht nehmen lassen, Lucius einen Verbündeten auszuspannen. Er könnte einfach hinein gehen in die Welt des Geldes und des Glanzes und der reinblütigen Zaubererfamilien, könnte ein Teil dieser Welt sein, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Mit der allergrößten Selbstverständlichkeit.
 

Warum war er also nicht zufrieden? Warum war er nicht glücklich?
 

Er versuchte sich einzureden, dass es mit Florence zusammenhing, aber er wusste, dass das nicht der alleinige Grund war. Natürlich hatte die Demütigung tief in seinem Herzen gebrannt, als ein anderer sie zum Altar führte. Aber es gab noch andere, weitaus tieferliegende Gründe.
 

Er zweifelte. Er zweifelte an Lucius, er zweifelte am Dunklen Lord, er zweifelte an allem, was er über die letzten Jahre hinweg zu verinnerlichen versucht hatte. Um einer Ideologie zu folgen, brauchte es einen festen Glauben, und dieser Glaube fehlte ihm im Moment. Würde er ihn wiederfinden? War es nur eine vorrübergehende Krise?
 

Oder gab es schon...
 

January 23rd 1995
 

...kein Zurück mehr? Welcher Zauber konnte Malfoy’s Präsenz wieder aus seinem Körper brennen? Ungeschehen machen, was geschehen war. Seine Seele reinwaschen und ihm seine verlorene Unschuld wiedergeben?
 

Sein eigener Körper war der Feind gewesen, der ihn verraten hatte. Lust, Erregung, und pure Begierde hatten ihn in Besitz genommen, ihn gefügig gemacht. Ihn so lange brennen lassen, bis jede einzelne Faser davon nach Linderung schrie. Bis selbst sein Geist keinen anderen Gedanken mehr kannte, als die Sehnsucht nach Erlösung.
 

Und letztendlich hast du den Preis dafür bezahlt, nicht wahr? Egal wie hoch er auch sein mochte. Du hast zugelassen, dass Malfoy über dich kam, deinen Körper in Besitz nahm, mit dir gemeinsam in Flammen aufging. Alles nur, um dieses Verlangen zu stillen, diesen furchtbaren Schmerz. Stechend wie ein Giftpfeil...
 

April 30th,1979
 

...raste der Schmerz durch seinen Arm, er zuckte zusammen, ballte die Hand zur Faust und unterdrückte einen Schrei. Zwar hatte er damit gerechnet, dass sein ehemaliger Meister bald nach ihm verlangen würde, denn seit der letzten Versammlung war schon zu viel Zeit verstrichen. Aber nichts konnte einen Mann auf diesen kurzen Moment äußersten Schmerzes vorbereiten und noch weniger auf die Panik, die ihm folgte.
 

Er ruft mich ... was soll ich diesmal für ihn tun? Welche Verbrechen in seinem Namen begehen?
 

Nein, keine Mission. Die Hochzeit von Lucius und der Lestrange-Tochter. Er hatte nicht geglaubt, dass sie schon heute Nacht stattfinden würde, andererseits war die Beltane-Nacht doch wie geschaffen für eine Hochzeit.
 

Narcissa Lestrange wirkte blass und zerbrechlich in dem weißen Kleid, sie erinnerte ihn an Florence unter dem Schleier. Lucius sah aus wie immer, aalglatt und stolz.
 

Das Ritual begann. Auf dem Altar lag bereits der Lederriemen, mit dem der Dunkle Lord die Hände des Brautpaares aneinander binden würde. Neben dem Altar stand die Schwester der Braut und hielt den goldenen Sonnenkelch, aus dem das Brautpaar trinken würde. Doch es war der dritte der heiligen Gegenstände, von dem sein Blick nicht wich, der gekrümmte Dolch in Form einer Mondsichel. Dies war die beste Gelegenheit. Eine andere würde so schnell nicht kommen.
 

Und Regulus Black war unaufmerksam...
 

Falls der Dunkle Lord den Diebstahl des Dolches bemerkte, würde er mit Sicherheit Black für den Verlust verantwortlich machen. Ein Todesser weniger, wie bedauerlich.
 

Er Apparierte nicht weit, nur bis zum vereinbarten Treffpunkt.
 

“Ich hatte schon befürchtet, Sie würden es nicht schaffen.“ Sein Gesprächspartner stand im Schatten einer mächtigen Eiche, die Kapuze seiner schwarzen Robe tief ins Gesicht gezogen.
 

“Ich bin hier, wie Sie sehen.“ Als er nähertrat, konnte er erkennen, dass die Robe nicht schwarz, sondern mitternachtsblau war. Der andere Zauberer sah ihm mit prüfendem Blick entgegen.
 

“Und? War Ihrer Mission Erfolg beschieden?“
 

“Allerdings.“ Er holte den Dolch hervor, an dem noch das Blut klebte. “Das Blut des Dunklen Lords, genau wie Sie es verlangt haben. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie mir verraten werden, was Sie damit vorhaben.“
 

Natürlich hatte er es nicht getan. Dieser Zauberer verriet nie jemandem seine Pläne, daran hatte sich bis heute nichts geändert. Bruchstücke vielleicht. Oder grobe Abläufe ohne Einzelheiten. Aber niemals das Gesamtbild.
 

Nein, Albus Dumbledore ließ sich nicht gerne in die Karten schauen. Diese Eigenschaft hatte er mit dem Dunklen Lord gemeinsam. Ein Meister der Magie verbarg...
 

January 23rd 1995
 

...seine wahren Absichten tief in seinem Geist. Er trug sein Herz nicht auf der Zunge, schrie seine Gefühle nicht in die Dunkelheit hinaus.
 

Aber du bist noch weit entfernt davon, die Magie zu meistern, nicht wahr? Wenn du nicht einmal die Kontrolle über dich selbst hast. Haben die Dursleys dich so ausgehungert, dass dir selbst die Berührung eines Feindes wie ein Segen erscheint?
 

Oder ist etwas nicht Ordnung mit dir? Bist du nicht normal? (Mal abgesehen von Narben und bösen Schwarzmagiern und ähnlichem Blödsinn) Bist du irgendwie verdreht oder krank im Kopf? Andere suchen nach Liebe, du dagegen schläfst mit deinem Feind. Wie kaputt muss man eigentlich sein, Harry Potter?
 

Nein, er brauchte jetzt keine verdammten Schuldgefühle. Er konnte schließlich nichts dafür! Es war alles Malfoy’s Schuld. Malfoy hatte...
 

December 21st, 1979
 

...ihn manipuliert. Und er hatte sich blenden lassen.
 

Nein, er hatte sich alles, was geschehen war, selbst zuzuschreiben.
 

Das Buch, das Buch der Geheimnisse. Die Seiten wirbelten in den Händen seines ehemaligen Meisters. Seiten, die der Sage nach mit Blut beschrieben sein sollten.
 

Ein Verräter hatte versucht, es zu stehlen. Das Herz pochte in seiner Brust; es gab einen weiteren Verräter in den Reihen des Lords. Ein Verräter, der nicht er selbst war. Oh, was hätte dieser Verräter für ein mächtiger Verbündeter sein können. Zu zweit hätten sie so vieles mehr an Möglichkeiten gehabt.
 

Aber, er wusste nicht, wer dieser Mann oder diese Frau war und mit größter Wahrscheinlichkeit würde die Person bald tot sein. Wenn der Dunkle Lord einen Verräter entlarvte, dann würde es keine Gnade geben.
 

Das Buch der Geheimnisse. Einer der vielen Schlüssel zur Macht des Dunklen Lords. Auch er selbst hätte es stehlen sollen, in Dumbledore’s Auftrag. Aber es war nicht möglich gewesen und jetzt, wo es diese beiden Kopien gab, noch unmöglicher als unmöglich. Selbst wenn er herausfinden konnte, wo sich alle drei Exemplare befanden, selbst wenn er alle Rätsel, Fallen und Schutzmechanismen umgehen konnte, so wusste doch niemand außer dem Lord selbst, welches das echte Buch war.
 

Nein, das war nicht wichtig. Dumbledore wollte das Buch schließlich nicht verwenden, er wollte nur dem Feind eine Waffe nehmen. Der alte Mann hatte seinen gewissen Ehrenkodex. Schließlich war er ein Zauberer des Lichts, wenn auch ein wenig zu strahlend, zu uneigennützig, und zu aalglatt. Er spielte gern die Rolle des freundlichen weisen Großvaters, aber das war nur die eine Seite. Darunter lauerten Dinge, die man sich nicht ausmalen wollte.
 

Er hob die Lider, blickte auf das Ritual, das inzwischen begonnen hatte. Ein Ritual, um Lucius’ Erstgeborenen in die Dunkle Bruderschaft aufzunehmen. Das Kind war gerade mal ein paar Monate alt, aber sein Weg war schon vorgezeichnet. Eine vorherbestimmte Zukunft ohne jegliche Entscheidungsfreiheit. Sollte es unter der Herrschaft des Dunklen Lords allen Kindern so ergehen?
 

Aber was wollte Dumbledore dagegen tun? Das Ritual verlieh seinem ehemaligen Meister Macht über diese Kinder. Worin diese Macht genau bestand, konnte er nicht sagen, aber sie war bestimmt stärker, als bei denen, die sich ihm als Jugendliche oder Erwachsene mehr oder minder freiwillig anschlossen.
 

Ein heiliger Bund, geschmiedet aus den drei ältesten und mächtigsten Buchstaben des Alphabets. Ein heiliger Bund, missbraucht und korrumpiert durch schwarze Magie, ebenso wie der Dunkle Lord die alten Riten des Ehegelübdes missbraucht und korrumpiert hatte. Ein heiliger Bund von Feuer, Erde und Luft...
 

January 23rd 1995
 

...chymische Hochzeit in einer Feuersbrunst, einem Erdbeben, im Mittelpunkt des Sturms. Leo rubeus, Draco viridis. Roter Löwe, Grüner Drache. Zwei kosmische Prinzipien in ewigem, alles verschlingendem Kampf. Zwei Körper, zwei Seelen, die miteinander eins wurden, als die Grenzen zwischen ihnen fielen, die Welt um sie herum verblasste. Ein Ringen ohne Anfang und ohne Ende, ein Moment, als die Zeit vollkommen stillzustehen schien. Ein niemals endender Kreislauf, der aus sich selbst heraus entstand, in sich selbst verging, und dröhnend im Universum widerhallte, von den mächtigen Glockentönen der ewigen Galaxien bis hinunter ins kleinste, flüchtige Elektron.
 

Und du glaubst tatsächlich, es geht hier um Schuld oder Nicht-Schuld?
 

Warum? Weil er das arme Opfer spielen wollte? Wer die Schuld bei einem anderen sucht...
 

November 1981
 

“...erhebt Anklage. Den Vorsitz führt unser hochgeschätzter Minister für Justiz und Einhaltung magischer Gesetze, Bartemius Crouch.“
 

“In den letzten vier Stunden, werte Hexen und Zauberer mussten wir uns eine Auflistung von Verbrechen anhören, die selbst die Hartgesottensten unter uns zum Schaudern gebracht hat. Mord, Folter, Erpressung – und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Keiner von Ihnen kann noch daran zweifeln, dass Severus Snape ein Todesser der schlimmsten Sorte ist, und dass er die Höchststrafe verdient.“
 

Kein Mitglied des Wizengamots hätte es je gewagt, Crouch bei einer seiner flammenden Reden zu unterbrechen, aber etwas an ihren Augen war anders als sonst. Normalerweise hingen sie förmlich an seinen Lippen und verfolgten jedes seiner Worte mit einer Art grimmiger Begeisterung. Heute aber lag in einigen dieser Augen Zweifel. Dumbledore hatte seine Verteidigung gründlich vorbereitet, hatte hieb- und stichfeste Beweise für seine, Snape’s Tätigkeit als Spion. Selbst feurige Hetzreden konnten diese kleinen logischen Details nicht vollkommen außer Kraft setzen.
 

Heute würde sich zeigen, wessen Wort dem Wizengamot mehr galt, das von Bartemius Crouch oder von Albus Dumbledore. Täter oder...
 

January 23rd 1995
 

Opfer? Nein, er hatte sich schon viel zu oft von anderen zum Opfer stempeln lassen. Damit war jetzt Schluss, verdammt noch mal! Und sich feige hinter Schuldzuweisungen verstecken? Nein, auf so etwas Armseliges würde er sich gar nicht erst einlassen.
 

Es war passiert, sie hatten es getan, und sie hatten es beide gewollt. Zwar hatte Malfoy ihn fast bis zum Wahnsinn gereizt, aber er hatte ihn auch nicht von sich weggestoßen oder war fortgegangen. Ganz im Gegenteil, als Malfoy ihn endlich losließ, hatte er nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn schleunigst wieder zu sich herzuzerren. Er hatte die Schenkel um ihn geschlossen, hatte sich in seine Hüften gekrallt, hatte nach mehr verlangt.
 

Jetzt, hinterher, mochte ihm das unglaublich peinlich sein, denn die Scham in ihm brannte fast ebenso schlimm wie zuvor die Leidenschaft. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass er es verdammt noch mal getan hatte. Auch wenn sich alles...
 

December 21st 1981
 

... in ihm dagegen sträubte. Es war vorbei, der Dunkle Lord tot, seine Anhängerschaft zerschlagen, und er selbst hatte seine Aufgabe erfüllt. Er war den schmalen Pfad des Verrats gegangen, hatte hundertfach sein Leben riskiert und tausendfach für seine Fehler der Vergangenheit gebüßt. Innerlich konnte er es noch gar nicht richtig begreifen, dass er jetzt ein freier Mann war.
 

Frei, aber verachtet...
 

Er würde fortgehen. Irgendwohin, wo ihn niemand kannte. Weit weg von England, weit weg von Europa würde er einen Neuanfang wagen. Selbst wenn es bedeuten würde, unter Muggles zu leben, es war ihm gleichgültig, wenn es nur die Schatten der Toten bannen konnte, die jede Nacht in der Dunkelheit seines Geistes aufstiegen.
 

Zurück nach Hogwarts? Weiterhin in dieser Gesellschaft leben, die ihm so zuwider war? Weiterhin unter Dumbledore’s Fuchtel stehen?
 

Nein, niemals...
 

Dumbledore konnte ihn zwingen, den Job als Lehrer anzunehmen, wenn er das wollte. Immerhin hing seine Freiheit allein an Dumbledore’s Aussage, in Dumbledore’s Händen. Aber so weit würde der alte Mann nicht gehen, das wusste er genau. Er würde ihn ziehen lassen, denn er stand in seiner Schuld.
 

Schnee bedeckte die nächtliche Landschaft. Weiß und unschuldig. Im Ministerium in London feierten sie heute Weihnachten. Seltsam, wie schnell die Zaubererwelt zur Normalität zurückgekehrt war...
 

Aber das alles ging ihn jetzt nichts mehr an. Es war...
 

January 23rd 1995
 

…vorbei. Es war geschehen und es war vorbei. Vor wem musst du dich auch rechtfertigen? Du bist ein Teenager, bei dem gerade eben die Hormone durchgedreht sind. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.
 

Wetten, dass Malfoy, dieser Trottel, noch nicht mal weiß, was Hormone überhaupt sind? So was gibt’s wahrscheinlich gar nicht in seiner beschränkten Reinblütlerwelt. Da sind bestimmt irgendwelche kosmischen Energien dafür verantwortlich oder Magie. In der Zaubererwelt wird doch alles mit Magie erklärt.
 

Magie?
 

Was, wenn Malfoy ihn verhext hatte? Wenn es irgendein fieser Zauber war, um sich an ihm, Harry, zu rächen. Wenn diese ganze Aufforderung zum Duell nichts war, als eine große Falle, in die er blindlings hineingetappt war. Malfoy war so etwas durchaus zuzutrauen, er steckte schließlich voller...
 

January 23rd, 1982
 

“...Intrigen. Mir ist bewusst, dass Sie die Wahrheit über Lucius Malfoy kennen, und dass es Ihnen ein Bedürfnis sein muss, sie offen auszusprechen. Dennoch rate ich Ihnen, sich zurückzuhalten und sich nicht in die Angelegenheit verwickeln zu lassen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Voldemort ist möglicherweise nicht tot, sondern wird zurückkehren, und dann braucht die Zaubererwelt ihre Hilfe. Wenn Sie jetzt öffentlich Ihre ehemaligen Gefährten angreifen, zerstören Sie vielleicht Ihre letzten Verbindungen zu den Todessern. Das sollten Sie nicht riskieren, zumal Ihre Aussage vor Gericht nur wenige überzeugen wird...“
 

Dumbledore’s Worte. Wie immer hatte er recht und wie immer konnte es einen vernünftigen Menschen in den Wahnsinn treiben. Lucius Malfoy war schuldig, soviel stand fest. Und die Chancen standen gut, dass er seinen Hals wieder einmal aus der Schlinge ziehen würde.
 

Aber wie Dumbledore es so treffend gesagt hatte, er konnte nicht viel ausrichten, also war es besser zu schweigen. Wie allerdings seine ehemalige Freundschaft zu Lucius für Dumbledore nützlich sein sollte, war ihm im Moment noch vollkommen schleierhaft. Sie waren sich längst fremd geworden. Und jetzt, nachdem es öffentlich bekannt war, dass er für die andere Seite spioniert hatte, galt er bei den Todessern ohnehin als Verräter.
 

Und was, wenn es Lucius nicht gelang? Würde es ihm Befriedigung verschaffen, ihn in Azkaban zu sehen? Oder gar als Opfer der Dementoren, entseelt durch ihren Kuss?
 

Noch eine zerstörte Familie, noch ein Kind, das ohne Vater aufwuchs. Wie man es drehen und wenden wollte, es gab einfach kein Schwarz oder Weiß mehr.
 

Die ganze Welt versank in...
 

January 23rd 1995
 

...düsterem nebligem Grau. Nichts war mehr klar, nichts war mehr sicher. Nichts, so wie es vorher war. Alles drehte sich im Kreis und verursachte ihm Kopfschmerzen.
 

Natürlich hatte er diese Dinge irgendwann kennenlernen wollen. Sich verlieben, sich mit jemandem verabreden, der erste Kuss, und dann vielleicht jemand anderem auch körperlich nahe sein. Aber doch nicht so. Doch nicht aus heiterem Himmel übereinander herfallen und schon gar nicht mit jemandem, den er nicht ausstehen konnte.
 

Bisher hatte er immer geglaubt, dass so etwas aus Liebe geschehen müsste, oder doch zumindest aus Zuneigung. Dass es schön sein würde und zumindest mit einem Hauch von Romantik. Aber alle diese poetischen Vorstellungen hatten sich in einer einzigen Nacht zerschlagen.
 

Es hatte sich gut angefühlt. Malfoy zu spüren, hatte sich gut angefühlt. So verdammt gut, dass es nichts anderes gab, was sich damit vergleichen ließ, außer vielleicht Quidditch. Aber mehr konnte er darüber nicht sagen. Er mochte den Kerl nicht, und ob er ihn attraktiv fand, darüber hatte er noch nie wirklich nachgedacht. Und das wollte er auch nicht. Diese ganze Situation war...
 

November 1988
 

...schon haarsträubend genug. “Grünwurz, Mr. Diggory, Grünwurz. Habe ich Ihnen nicht klar und deutlich gesagt, dass der Grünwurz vor der Puffskein Galle in den Trank gegeben werden muss? Wie oft muss ich mich noch wiederholen, dass Sie mich verstehen, Diggory!“
 

Es war hoffnungslos mit diesen Schülern. Sie hatten weder das Interesse noch die Befähigung, sich mit der komplexen Kunst des Zaubertränkebrauens auseinander zu setzen. Wenn es nach ihm ginge, so würde nur ein kleiner Kreis von ihnen in diesem Fach überhaupt unterrichtet werden.
 

Aber als Lehrer hatte er diese Wahl nun mal nicht. Erst nach dem fünften Schuljahr konnte er diese Idioten aussieben und sich auf die wenigen Auserwählten unter ihnen konzentrieren.
 

Einen Abend, einen glorreichen Abend lang, hatte er sich den Träumereien hingegeben, an einem anderen Ort ein neues Leben anzufangen. Ein Leben ohne den Dunklen Lord, ohne Dumbledore, ohne die Vergangenheit, die schmerzvoll auf seiner Seele lastete. Doch noch am selben Abend war eine Gruppe Todesser ins Haus der Longbottoms eingedrungen, auf der Suche nach dem verschwundenen Meister. Wie Dumbledore glaubten auch sie, dass das letzte Kapitel in Voldemort’s Herrschaft noch nicht geschrieben war. Wie Dumbledore glaubten auch sie an seine Rückkehr.
 

Nein, es würde niemals wirklich vorbei sein. Wer einmal von der Dunkelheit des Lords berührt wurde, dessen Seele konnte nie wieder Frieden finden.
 

’Aber er wurde besiegt,’ dachte er mit grimmiger Miene, ’er wurde besiegt, und so wird es ein weiteres Mal geschehen. Egal wie hoch der Preis sein wird, den wir bezahlen müssen.’
 

Aber vielleicht würde es das Kind sein, das den Preis bezahlen musste. Dieser kleine Junge namens...
 

January 23rd 1995
 

... Harry Potter. Was brachte Draco Malfoy dazu, ausgerechnet Harry Potter zu verführen. War es Rache? Demütigung? Lust? War es einfach nur aus der Situation heraus entstanden oder war es von vornherein sein Plan gewesen?
 

Nein, einen solch perfiden Plan konnte sich nicht einmal Draco Malfoy ausdenken. Oder doch?
 

Er ist dir jahrelang hinterher gerannt. Hat dir in den Gängen und der Großen Halle aufgelauert. Wusste deinen Stundenplan auswendig, hat sich wegen dir ins Quidditch Team eingekauft. Ist seinen Freunden und seiner Familie mit seinen ewigen Geschichten über dich auf die Nerven gefallen. Sieh es ein, er ist total besessen von dir.
 

Aber warum das alles? Nur weil er Malfoy damals zurückgewiesen hatte, als dieser ihm die Hand zur Freundschaft hinstreckte. Das war doch schon viel...
 

May 1991
 

...zu lang her. Es mochte gut zehn Jahre her sein, dass er das Anwesen zum letzten Mal betreten hatte, aber alles war noch genauso wie in seiner Erinnerung. Das schmiedeeiserne Tor, die riesigen Parkanlagen, die Allee aus Magnolienbäumen, welche die Straße zum Haupthaus säumte. Um diese Jahreszeit blühten sie noch nicht, aber winzige schimmernde Knospen verbargen sich bereits zwischen ihren grünen Blättern.
 

“Ah, Severus. Ich freue mich, dass du meiner Einladung Folge leisten konntest. Möchtest du deinen Tee hier nehmen, oder lieber im Salon?“
 

“Wie es dir beliebt, Lucius.“
 

Seine Stimme – seine ganze Art, war immer noch diejenige eines Mannes, der sich nichts anmerken ließ. Die Aurori hätten ihn inmitten einer ganzen Stadt toter Muggles aufgreifen können, den rauchenden Zauberstab noch in den Händen, und er hätte nichts weiter getan, als seine Augenbrauen zu heben und ihnen zu versichern, er habe keine Ahnung, was er hier tue und wie er überhaupt hierher gekommen war.
 

Und sie hätten es ihm geglaubt. Ja, das hätten sie.
 

Es war die richtige Entscheidung gewesen, nicht gegen diesen Mann auszusagen. Seltsam, dass es ihm ausgerechnet in diesem Moment klar wurde, wo Lucius doch nichts weiter tat als ihn zu begrüßen wie einen alten Freund.
 

Und nur gut, dass es Dumbledore schon zehn Jahre früher klar gewesen war. In vielen Situationen war es das Wichtigste...
 

January 23rd 1995
 

...einfach die Nerven zu behalten. Selbst wenn Malfoy irgendwelche Gerüchte verbreitete, wer würde ihm Glauben schenken außer den Slytherins? Und die konnten ihn sowieso nicht leiden. Er wäre doch dumm, sich von ihnen ins Bockshorn jagen zu lassen.
 

Damals, vor zwei Jahren, als sie alle geglaubt hatten, er wäre Slytherin’s Erbe, das war wirklich schlimm gewesen. Oder zu Jahresanfang, als sein Name plötzlich im Gral des Feuers auftauchte und selbst Ron ihm nicht glauben wollte, dass es nicht seine Schuld war.
 

Ganz ehrlich, schlimmer als das konnten ein paar haltlose Gerüchte über irgendwelche nächtliche Affairen nicht sein. Schließlich tauchten solche Gerüchte in Hogwarts jede Woche auf und verschwanden ebenso schnell auch wieder. Er würde am besten überhaupt nichts dazu sagen, sondern sich einfach auf den Unterricht und die zweite Aufgabe konzentrieren, bis der Klatsch und Tratsch verstummt waren.
 

Aber was, wenn Malfoy ihn vor den anderen damit konfrontierte? Sollte er es abstreiten oder die Wahrheit sagen?
 

Notfalls konnte er ihn immer noch verwünschen, wenn gerade kein Lehrer in der Nähe war. Dazu genügte lediglich der Wink eines...
 

July 31st, 1991
 

...Zauberstabes, der das Feuer wieder zum Brennen brachte, doch die Reste des Tees waren selbstverständlich kalt geworden. Er würde sich einen neuen aufbrühen müssen.
 

Fröstelnd rieb er sich die Hände. Obwohl kühle Sommer in den albanischen Gebirgsregionen nichts Ungewöhnliches darstellten, war es ihm unbegreiflich wie es in einer Sommernacht dermaßen kalt sein konnte.
 

Doch es wäre übertrieben zu glauben, dass irgendwelche schwarzmagischen Kräfte für diese Temperaturen verantwortlich waren. In den drei Wochen, in denen er diese Wälder durchforstet hatte, hatte er nichts, aber auch gar nichts gefunden, was diese Gerüchte in irgendeiner Form bestätigen konnte. Keine seltsam verdorrten Pflanzen, keine auf ungewöhnliche Weise zu Tode gekommenen Tiere. Nur eine wildnatürliche Landschaft aus Wäldern und einsamen Bergkuppen, in der sich Wölfe, allerlei Rotwild und sogar die scheuen Wildkatzen tummelten, während sich die Valbona malerisch ihren Weg durch die zerklüfteten Felsen bahnte.
 

Es war, als würde man nach einer Stecknadel im Heuhaufen suchen. Er wusste ja nicht einmal in welcher Form oder welchem Zustand der Dunkle Lord sein würde – zumindest das, was von ihm noch übrig war. Ein Dämon, ein Geistwesen, oder am Ende gar eine Art Inferius? Er mochte es sich nicht ausmalen. Gerüchte und noch mehr Gerüchte waren alles, womit sie im Moment arbeiten konnten. Kein vernünftiger Mensch maß ihnen irgendeine Bedeutung bei.
 

Aber Dumbledore und er hatten den Status vernünftiger Menschen schon vor langer Zeit hinter sich gelassen.
 

Dumbledore würde vermutlich noch nicht einmal enttäuscht sein, wenn er unverrichteter Dinge zurückkehrte. Sie wussten beide wie unwahrscheinlich es war, hier irgendeinen Hinweis zu finden. Dennoch gab die Suche ihm etwas zu tun, etwas anderes als das sinnlose Herumwarten, bis der Schulalltag wieder begann. Eine Möglichkeit, sich abzulenken.
 

Manche Wunden können durch Zeit nicht geschlossen werden. Manche Erinnerungen...
 

January 23rd 1995
 

.... können durch den Willen nicht begraben werden. Und manche Flammen können durch Wasser nicht gelöscht werden.
 

Malfoy’s Zähne in deinem Nacken. Malfoy’s Atem, der über deine Haut streicht.
 

Harry hörte sein eigenes Keuchen, das sich mit dem Geräusch des herabströmenden Wassers vermischte, atemlose Versuche, nach Luft zu ringen, kehlige Laute des Verlangens. Seine eigenen Hände waren nicht so geübt wie die von Malfoy, aber nach einigen Minuten hatte er seinen Rhythmus gefunden.
 

Sein Körper, der dich niederdrückt. Seine Hände, die dich umfassen. Sein pochender Herzschlag zwischen deinen Schenkeln.
 

Zitternd lehnte Harry an der Wand und wollte einfach nur vergessen.
 

* * *
 

January 23rd 1995

Ein anderer Ort zur selben Zeit
 

Professor Severus Snape hob seinem Kopf aus dem Pensieve und verschloss es danach sorgfältig. Es war nicht seine Absicht gewesen, sich in Erinnerungen zu verlieren, vielmehr wollte er nach Informationen sammeln, die ihm dabei helfen konnten, die Zusammenhänge zwischen den seltsamen Ereignissen der letzten Wochen und Monate zu begreifen.
 

Angefangen hatte alles mit dem Zwischenfall bei der Quidditch Weltmeisterschaft, wobei es nicht so sehr der Angriff auf die Muggles war, der bei ihm der Alarmglocken schrillen ließ. Dafür waren mit Sicherheit ein paar rassistische Reinblütler verantwortlich, doch es hatte nichts mit dem Dunklen Lord selbst zu tun. Er wäre darauf bedacht, sich im Hintergrund zu halten, bis er zu seiner vollen Stärke zurückgefunden hätte. Einen solchen Trubel zu veranstalten, würde ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiterbringen.
 

Auch für das Dunkle Mal am Himmel war er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht verantwortlich gewesen. Trotzdem, derjenige, der es in den Himmel geschrieben hatte, musste ein Todesser sein, der noch an seinen Meister glaubte. Jemand, den sie keinesfalls unterschätzen durften.
 

Möglicherweise hatten auch das Verschwinden von Bertha Jorkins und der Tod des Muggles Frank Bryce damit zu tun. Bertha Jorkins war in Albanien verschwunden und Frank Bryce war der Hausmeister des ehemaligen Riddle Hauses gewesen. Konnte das alles Zufall sein? Lächerlich.
 

Und wer hatte Potter’s Namen in den Gral des Feuers geworfen? Natürlich konnte der Junge selbst dafür verantwortlich sein, auf der Suche nach noch mehr und noch größerem Ruhm. Potter war ja geradezu süchtig danach; er war genau derselbe hochmütige Angeber wie sein Vater vor ihm.
 

Aber besaß ein Viertklässler wirklich das Wissen, um ein solch mächtiges Artefakt nach seinem Willen zu manipulieren?
 

Schritte und ein Klopfen an der Tür rissen Severus aus seinen Gedanken. “Treten Sie ein, Schuldirektor,“ entgegnete er beinahe automatisch. Es gab nicht viele Menschen, die ihn um diese Zeit noch zu stören gewagt hätten und er war sich ziemlich sicher, Dumbledore’s Schritt erkannt zu haben.
 

“Entschuldigen Sie die späte Störung, Severus. Als ich das Licht sah, vermutete ich, Sie wären noch wach.“
 

“Wie Sie sehen...“ Severus bot Dumbledore einen Platz an, doch dieser schüttelte nachdenklich den Kopf. Er zog es vor, auf- und abzuwandern, wenn er sich über etwas Gedanken machte, diese Eigenschaft hatte er mit Lucius gemeinsam. “Ich habe noch einmal über die Sache mit Bertha Jorkins nachgedacht. Wir verfolgen ja immer noch die Theorie, dass Voldemort durch sie von der Veranstaltung des Trimagischen Turniers erfahren hat, und dass daraufhin einer seiner Diener den Gral manipuliert hat, um Harry’s Teilnahme an diesem Turnier zu garantieren. Bisher haben wir immer vermutet, dass Voldemort Harry dadurch in eine Falle locken will, um ihn zu töten. Aber was, wenn er Harry benötigt, um – nennen wir es mal, zu seiner alten Stärke zurückzufinden?“
 

“Worauf wollen Sie hinaus, Schuldirektor?“ Snape wusste im ersten Moment nicht, ob er Dumbledore’s Gedankengang folgen konnte.
 

“Sie erinnern sich doch an die Prophezeiung, nicht wahr, Severus?“
 

Natürlich tat er das. Wie oft hatten Dumbledore und er über dieser Prophezeiung gebrütet, waren sie Wort für Wort durchgegangen, hatten versucht, das gesamte Ausmaß ihrer Bedeutung zu erfassen, hatten Theorie um Theorie aufgebaut und doch wieder verworfen.
 

In den letzten Jahren hatten sie allerdings nicht mehr viel darüber gesprochen, da so ziemlich alles darauf hinwies, dass sich die Prophezeiung mit der Vernichtung Voldemort’s durch Harry Potter erfüllt hatte. Severus hatte wirklich kein Interesse daran, ein weiteres Mal alles durchzukauen, aber er würde es wohl müssen, wenn er Dumbledore’s Gedanken verstehen wollte.
 

Also gut, so würden sie noch einmal von vorne anfangen. Nicht bei Bertha Jorkins, nicht beim Quidditch World Cup, sondern bei jenem Juniabend im Jahr 1974, als diese seltsamen Worte über Trelawny’s Lippen kamen.
 

Sonne und Mond, Gold und Silber, Merlin und Morgana,

Seid am heutigen Tage Zeugen meiner Worte:

Der Schatten des geflügelten Todes liegt über uns,

Um unsere Welt in den Abgrund zu stürzen.
 

“Als wir das letzte Mal darüber sprachen, sagten Sie, mit den ersten beiden Zeilen benennt die Seherin möglicherweise die beiden kosmischen Prinzipien als Zeugen,“ begann Severus. “Das würde bedeuten, dass Sonne, Gold und Merlin für das helle Prinzip stehen und Mond, Silber, Morgana für das dunkle. Diese beiden Prinzipien können auch durch Yang und Yin repräsentiert werden, oder durch weiße und schwarze Magie, durch Tag und Nacht, männlich und weiblich, und viele weitere Gegensätze. Sie meinten, die Anrufung dieser Prinzipien bedeutet in vielen Fällen eine Art Stellungnahme des Sprechers, also der Seherin, dass sie selbst eine neutrale Position einnimmt. Tag und Nacht, Licht und Dunkel oder Gut und Böse sind vor ihr gleich. Sie steht nicht auf einer der beiden Seiten, sondern übermittelt nur das Wissen, welches ihr zuteil wurde.“
 

“Ja, Severus, das waren meine Worte.“ Dumbledore rieb die Handflächen aneinander, was auch kein Wunder war, denn in den Kerkern war es um diese Jahreszeit ziemlich kalt. “Aber was wäre, wenn diese sogenannten Zeugen sehr viel wörtlicher zu verstehen wären, als das. Vielleicht sind es symbolische Umschreibungen für die Personen, die an jenem Tag zugegen waren?“
 

“Mit allem Respekt, Schuldirektor, der Vergleich zwischen Ihnen und Merlin scheint mir doch ein wenig weit hergeholt...“
 

“Ja, das schien mir auch so, deshalb hatte ich diesen Gedanken auch ursprünglich wieder verworfen.“ Dumbledore blickte durch das Fenster in den nachtschwarzen See hinaus. “Aber vergessen wir nicht, dass Merlin nicht nur eine einzelne Person, sondern Jahrhunderte lang auch der Titel des obersten Druiden war. Und der oberste Druide war vor allen Dingen eins, ein Lehrer, der weitere Druiden in den Wegen der Natur und der Götter unterwies. Diese Position ist der eines Schuldirektors gar nicht so unähnlich.“
 

Trotzdem ergab diese Theorie keinen Sinn. Wenn mit Merlin Dumbledore gemeint war, wer sollte dann Morgana sein? Etwa Narcissa? Oder gar Trelawny selbst, die am Ende doch keine neutrale Seherinnenposition einnahm, sondern selbst kräftig mitmischte?
 

“Lassen wir das einfach so stehen und kommen zum nächsten Teil,“ setzte Dumbledore seine Überlegungen fort. “Was fällt Ihnen zum geflügelten Tod ein?“
 

“Eine der vielen Bedeutungen des Namen Voldemort ist geflügelter Tod.“ Auch jetzt, nach so vielen Jahren konnte Snape den Namen seines ehemaligen Meisters nicht aussprechen, ohne dabei zu schaudern. “Und er hat versucht, unsere Welt, die Welt der Hexen und Zauberer in den Abgrund seiner tyrannischen Herrschaft zu stürzen.“
 

“Was genau er mit der Welt vorhatte, werden wir hoffentlich nie erfahren müssen,“ murmelte Dumbledore düster, “aber gut, dieser Teil der Prophezeiung ist in meinen Augen ziemlich einleuchtend. Kommen wir zum nächsten Teil.“
 

Geboren im Zeichen des Löwen, behütet durch die Liebe von Mutter und Vater,

Erblickt ein Kind das Licht dieser Welt.

Ein Funke, ein leuchtendes Schwert,

Das seine dunkle Macht bedroht.
 

“Auch dieser Teil scheint mir einleuchtend,“ erklärte Snape. “Das Kind ist Harry Potter. Er wurde im Zeichen des Löwen geboren und hatte zwei Eltern, die ihn liebten. Und er war derjenige, der den Dunklen Lord letztendlich besiegte.“
 

“Ja, Severus, doch finden Sie es nicht interessant, dass er mit Feuer und Schwert assoziiert wird?“
 

“Warum?“ wunderte sich Severus. “Das Element Feuer und das Artefakt Schwert sind zwei eindeutige Gryffindor Symbole. Und da Harry Potter in vielen Augen als der typische Gryffindor gilt...“
 

“Aber wenn ich mich nicht irre,“ setzte Dumbledore nach,“ gibt es in der Welt der Muggles noch andere Bedeutungen von Feuer und Schwert?“
 

Allerdings. Etwas mit Feuer und Schwert verbreiten, das bedeutete, es mit Gewalt durchzusetzen. Aber selbst wenn er Potter nicht ausstehen konnte, so glaubte er nicht, dass die Prophezeiung ihn als gewalttätigen Tyrannen darstellen wollte.
 

Etwas von diesen Gedanken musste sich wohl in seiner Mimik gezeigt haben, aber vielleicht riet Dumbledore auch einfach nur ins Blaue hinein, als er sagte: “Sie haben wohl doch eine höhere Meinung von dem Jungen, als Sie zugeben wollen, Severus.“ Dumbledore schmunzelte leicht, aber Snape zog es vor, diese Aussage unkommentiert zu lassen.
 

Geschmiedet in den Feuern Merlin’s, geführt vom Drachen Morgana’s

wird es die Macht erlangen, ihn zu vernichten.

Eine Flamme, ein brennendes Schwert,

Das sein dunkles Herz durchstößt.
 

“Und das ist nun der Teil in dem es wirklich kompliziert wird, denn es gibt so viele Möglichkeiten, diese Passage auszulegen,“ begann Dumbledore. “Wenn wir die alten Gedankengänge weiter verfolgen, so könnten die Feuer Merlin’s für Gryffindor stehen und der Drache Morgana’s für Slytherin. Durchaus zutreffend, wenn man bedenkt, dass Harry zwar in Gryffindor ist, der Auswahlhut ihn aber ursprünglich nach Slytherin schicken wollte.“
 

“Zumindest hat der Junge es behauptet.“ Severus war nicht wirklich überzeugt davon. Er konnte keinerlei Eigenschaften an Potter entdecken, die seine Ernennung zum Slytherin gerechtfertigt hätten.
 

“Und er hätte keinen Grund, mich anzulügen,“ antwortete Dumbledore bestimmt. “Die nächste Frage, die sich uns stellt ist, wie die Sache mit dem dunklen Herzen zu verstehen ist. Ist es einfach nur eine symbolische Deutung dafür, dass Harry Voldemort vernichten wird, oder in gewisser Weise schon vernichtet hat, oder steht das Herz für etwas anderes? Das menschliche Herz war immer schon etwas sehr Symbolträchtiges. Im alten Ägypten war das Herz der Sitz von Gut und Böse, die alten Griechen glaubten, es wäre der Sitz der Seele und in vielen östlichen Kulturen wird es eher mit dem Geist assoziiert.“
 

“Wie auch immer man es interpretiert, es läuft darauf hinaus, dass Harry Potter den Dunklen Lord besiegt und so ist es ja auch geschehen,“ stellte Severus fest. “Wenn dieser Sieg auch möglicherweise nicht von Dauer sein wird.“
 

“Und das ist genau der Grund, weshalb ich der Ansicht bin, dass sich die Prophezeiung noch nicht erfüllt hat.“ Zum ersten Mal während dieses Gesprächs schien Dumbledore tatsächlich nervös zu sein. Er strich sich mit fahrigen Bewegungen über den Bart und verschränkte schließlich die Hände ineinander.
 

“Aber es ist doch alles eingetroffen,“ wunderte sich Severus. “Harry Potter wurde geboren und er hat den Dunklen Lord besiegt. Wo sehen Sie denn im Text den Beweis, dass dies ein endgültiger Sieg zu sein hat? Vielleicht sollten wir diese närrische Prophezeiung endlich ad acta legen und nach anderen Möglichkeiten suchen, mit dem Dunklen Lord fertig zu werden, nach vernünftigen Möglichkeiten, die ausnahmsweise mal etwas mit dem Verstand zu tun haben, und nicht mit dem kryptischen Geschwätz von Seherinnen.“
 

Er wusste, dass er ein wenig die Beherrschung verloren hatte, doch seltsamerweise tadelte Dumbledore ihn nicht dafür. Er blickte ihn nur nachdenklich an und murmelte: “Sie wissen gar nicht, wie Recht Sie damit haben, Severus. Wir werden nach anderen Möglichkeiten suchen müssen. Wir müssen Harry da raushalten.“
 

Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
 

Der Schatten weicht dem Licht, das Feuer verglüht zu Asche und unsere Welt wird frei sein...
 

Die Welt war nicht frei.
 

Natürlich war die Welt der Hexen und Zauberer in den letzten dreizehn Jahren mehr oder minder optimistisch gewesen. Die Bedrohung war vorüber, alles wurde endlich besser und alle konnten aufatmen. Aber dieser Friede war trügerisch und nicht von Dauer. Der Dunkle Lord würde zurückkehren, ja, er hatte es schon getan, als er mit Hilfe von Quirrell versucht hatte, an den Stein der Weisen zu gelangen. Und solange er nicht besiegt war und zwar endgültig, konnte die Welt nicht frei sein.
 

Dumbledore hatte wie immer Recht behalten, die Prophezeiung hatte sich noch nicht erfüllt. Und damit war noch immer alles offen – nein eben nicht alles. Die Welt war nicht frei, der Schatten war nicht dem Licht gewichen und auch das Feuer war nicht verglüht.
 

“Was Sie also damit andeuten wollen, Schuldirektor, ist, dass sich die Prophezeiung erst dann erfüllt hat, wenn beide, sowohl der Dunkle Lord, als auch Harry Potter wahrhaftig und entgültig tot sind.“ Severus wusste, dass seine Worte gefühllos und in gewisser Weise auch provozierend klangen, aber für einen winzigen Moment lang, konnte er sich des kalten Triumphs nicht erwehren, dass auch Dumbledore nicht perfekt war. All die schlauen Pläne, all die sorgfältig gesponnenen Intrigen und am Ende standen sie doch am selben Punkt wie zuvor.
 

Harry Potter lebte. Dumbledore hatte geglaubt, er habe der Prophezeiung damit ein Schnippchen geschlagen. Aber in Wirklichkeit hatte er ihre Erfüllung lediglich hinausgezögert.
 

“Ist es nicht eine seltsame Ironie,“ begann Severus, als Dumbledore ihm nicht antwortete. “Damals haben Sie alles dafür getan, damit die Prophezeiung sich erfüllt und heute wollen Sie alles tun, um genau das zu verhindern?“
 

Aber er hatte seine Grenzen jetzt entgültig überschritten. Dumbledore fuhr herum und trat auf ihn zu, und Severus musste unwillkürlich einen Schritt zurückweichen, als er den Blick in den Augen des alten Mannes bemerkte. “Damals wie heute war nur eins von Bedeutung: Voldemort zu vernichten und das mit so wenigen Opfern wie möglich. Und deshalb werde ich heute ebenso wie damals alles in meiner Macht Stehende tun, um Harry Potter’s Leben zu schützen. Wir werden eine andere Möglichkeit finden.“
 

’Und was für eine Möglichkeit soll das sein,’ dachte Severus bitter, als er Dumbledore’s aufgebrachtes Gesicht betrachtete. ’Lehrt uns die Geschichte nicht genau das, nämlich das man mit dem Schicksal nicht verhandeln kann? Harry Potter lebt, aber zu welchem Preis? Der Dunkle Lord wird zurückkehren und viele weitere Opfer fordern. Werden wir das verhindern können? Und werden wir den Jungen immer noch beschützen können?’
 

“Noch ist es nicht soweit.“ Snape war sich sicher, dass sein Gesicht seine Gedanken nicht verraten hatten, aber Dumbledore hatte offenbar trotzdem etwas in der Richtung vermutet. “Noch haben wir Zeit herauszufinden, was Voldemort plant. Wir werden sie nutzen. Und auch Prophezeiungen sind nicht in Stein gemeißelt. Wir wissen ja nicht einmal, ob das Feuer, das zu Asche verglüht, wirklich den Tod bedeuten muss. Selbst wenn das Feuer für Harry steht, so kann ’zu Asche verglühen’ doch auch etwas völlig anderes symbolisieren.“
 

Dumbledore wandte sich ab und versuchte durchs Fenster in das schwarze Wasser des Sees hinaus zu sehen. Aber eigentlich starrte er nur sein Spiegelbild an, welches ihm geisterhaft aus der Scheibe entgegenblickte. “Wir werden einen Weg finden, Severus, wir werden einen Weg finden. Und wenn wir keinen finden, so werden wir ihn schaffen.“
 

* * *
 

February 6th,1995
 

Nein, du wirst nicht hingehen...
 

Deine Hände zerknüllen den Brief und hastig greifst du nach deinem Zauberstab, um ihn anzuzünden. Was bildet sich dieser verfluchte Bastard eigentlich ein? Wie kann er es wagen? Gut, was geschehen ist, ist geschehen und du kannst es nicht mehr rückgängig machen.
 

Aber zu glauben, du würdest noch einmal mit ihm... das ist doch echt die Höhe.
 

Du hast dich vor dem Moment gefürchtet, in dem du ihm wieder unter die Augen treten würdest, nach den Ereignissen dieser Nacht. Was würde er tun? Bissige Bemerkungen machen? Seinen Triumph feiern? Es überall herumerzählen und über dich lachen?
 

Aber seltsamerweise hat er nichts von alledem getan.
 

Er ignoriert dich. Sicher, er rümpft ab und zu mal die Nase, wenn ihr euch zufällig über den Weg lauft, aber das war’s dann auch schon. Er beobachtet dich nicht länger. Er macht keine Sprüche. Er lauert dir nicht mehr auf, weder in der Großen Halle, noch vor Zaubertränke oder Pflege magischer Geschöpfe.
 

Früher schien er immer zu wissen, wo du bist, aber jetzt siehst du ihn kaum noch. Und wenn ihr euch begegnet, sieht er nicht einmal in deine Richtung. Irgendwie macht dich das verdammt wütend, auch wenn es überhaupt keinen Sinn ergibt.
 

Nein... halt... natürlich ist das gut so. Je weniger du von dem Kerl siehst oder hörst, desto besser. Er soll sich einfach aus deinem Leben raushalten, er hat genug angerichtet. Jahrelang hat er dich und deine Freunde drangsaliert und als ihm das nicht mehr gereicht hat, hat er dich...
 

Vielleicht solltest du hingehen. Einfach nur, um ihm zu sagen, dass er verschwinden soll.
 

Wie konntest du es zulassen? Warum?
 

Nein, nicht schon wieder diese Fragen. Fragen, auf die es keine Antwort gibt...
 

Es ist verdammt noch mal passiert. Es war ein Fehler, du weißt das, und du kannst damit umgehen. Es ist schließlich nicht der erste Fehler, den du in deinem Leben gemacht hast. Er hat dich in einem schwachen Moment erwischt, er hat die Situation ausgenutzt, so wie er es immer tut, und die Runde ging an ihn. Es bedeutet nichts, überhaupt nichts. Im Grunde genommen ist es auch nichts anderes, als die Scharmützel, die er immer im Unterricht und in der Großen Halle anfängt. Bei eurem nächsten Schlagabtausch wirst du besser vorbereitet sein und ihm ins Gesicht lachen.
 

Wenn es überhaupt einen nächsten Schlagabtausch gibt. Im Moment tut er ja nichts weiter außer dir aus dem Weg zu gehen. Vielleicht solltest du ihn einfach mal provozieren und sehen, wie er darauf reagiert.
 

Vielleicht wäre es am besten einfach nicht hinzugehen. Ihn zu ignorieren, ist doch das Schlimmste, was du Malfoy antun kannst.
 

Und wie soll das funktionieren, wenn er dich ignoriert?
 

Er soll wissen, dass er dich mit solch billigen Tricks nicht besiegen kann. Und das wird er nur verstehen, wenn du hingehst und ihm sagst, dass er dich ein für alle mal in Ruhe lassen soll. Du hast keine Zeit und keine Nerven für diesen Blödsinn. Schließlich ist er ein Slytherin und ein Idiot und dein Erzfeind. Schließlich wird in weniger als drei Wochen die zweite Aufgabe stattfinden und du hast immer noch keine Ahnung wie du eine ganze Stunde unter Wasser überleben sollst. Schließlich... und überhaupt.
 

Keine Briefe mehr und keine heimlichen Treffen. Nie wieder!
 

Nein, du wirst nicht hingehen...
 

Du willst den verfluchten Bastard nie wiedersehen...
 

* * *
 

Es war kurz nach Mitternacht, als Harry aus dem Bett schlüpfte und sich seinen Tarnumhang überwarf. Atemlos horchte er in den Raum hinein, aber Ron, Neville, Dean und Seamus schienen fest zu schlafen. Sie reagierten nicht, als er in Richtung Tür schlüpfte und leise die Treppe hinunterhuschte. Seine Schuhe trug er in der Hand und zog sie erst an, als er sich sicher sein konnte, außer Hörweite zu sein.
 

In Gedanken ging er noch mal all die Dinge durch, die er Malfoy sagen würde, wenn sie sich begegneten. Erstens: “Lass mich in Ruhe.“ Zweitens: “Lass mich in Ruhe!“ Drittens: “Lass mich verdammt noch mal in Ruhe!“
 

Es würde nicht viel Sinn ergeben, Malfoy nach dem Grund für sein Handeln zu fragen. Vermutlich wäre die einzige Antwort auf eine solche Frage ein hämisches Grinsen und ein paar spitze Kommentare. Das konnte er sich schenken. Viel besser war es, diesem ganzen Blödsinn heute Nacht entgültig ein Ende zu setzen und nicht mehr daran zurückzudenken.
 

“Pine-Fresh!“
 

Das Passwort, das Cedric ihm gegeben hatte, funktionierte immer noch problemlos. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee von Malfoy gewesen, das Treffen hier abzuhalten, wo Mrs. Norris mit Sicherheit nicht herumschnüffeln würde. Katzen blieben dem Wasser am liebsten fern.
 

Natürlich würde dieses lächerliche Treffen nicht lange dauern, also war es den ganzen Aufwand auch überhaupt nicht wert. Aber man konnte ja nie wissen. Vielleicht würden sie in Wut geraten und sich gegenseitig anschreien und er hatte keine Lust, schon wieder Ärger zu bekommen. Der Aufstand mit Filch, Moody und Snape neulich hatte ihm gereicht. Hoffentlich würde Moody die Marauder’s Map nicht zu lange behalten, Harry vermisste sie schon. Mit der Karte hätte er jetzt nachsehen können, ob Malfoy wirklich auf ihn wartete, oder ob das Ganze eine Falle war.
 

Als er das Bad betrat, war von Malfoy noch nichts zu sehen. Bei jemandem, der es gewohnt war, dass die ganze Welt auf ihn wartete, war Pünktlichkeit wohl zuviel verlangt. Vielleicht war es auch nur wieder eine von Malfoy’s lächerlichen Machtdemonstrationen. Er wollte zeigen, dass er die Kontrolle hatte, dass er nur zu pfeifen brauchte und Harry würde springen. Vielleicht wollte er auch überhaupt nicht zu diesem angeblichen Treffen kommen, sondern sich nur über ihn lustig machen.
 

Nein, verdammt noch mal, nicht mit mir! Such’ dir doch einen anderen Idioten!
 

Harry machte auf dem Absatz kehrt und stürmte zurück in Richtung Tür. Was tat er eigentlich hier? Hatte er nicht das kleinste bisschen Stolz? Dass er mit arroganten, eingebildeten, selbstgefälligen, blasierten blonden Angebern nichts zu tun haben wollte, konnte er der genannten Person auch jederzeit schriftlich mitteilen. “Lieber Draco, bitte spring’ vom Astronomieturm. Herzlichst, dein Harry.“
 

“Du kommst spät, Potter. Aber bei jemandem, der es gewohnt ist, dass die ganze Welt auf ihn wartet, ist Pünktlichkeit wohl zuviel verlangt.“
 

Harry wirbelte herum und seine Hand griff automatisch zum Zauberstab. Seine Blicke schossen nach links, schossen nach rechts und konnten immer noch nichts entdecken. Erst eine Schrecksekunde später wurde ihm klar, wo Malfoy sich befand. Sein Feind räkelte sich gemächlich im warmen Wasser des Schwimmbeckens und es schien ihn nicht im mindesten zu kümmern, dass er nicht einen Faden am Leib trug.
 

“Was in aller Welt soll das werden?“ fragte Harry vollkommen entgeistert. Er hielt immer noch seinen Zauberstab in der Hand, schließlich gab es keine Garantie dafür, dass Malfoy den seinen nicht unter all dem Schaum verborgen hielt.
 

Draco zog die Augenbrauen hoch. “Ich bade. Das ist der Zweck eines Badezimmers, Potter. Kennt ihr so was bei den Muggles nicht, oder lassen die dich da nur zum Putzen rein?“
 

Harry grinste nur spöttisch. “Also, echt, Malfoy, deine Sprüche waren auch schon mal besser. Was kommt denn als Nächstes? Ron’s Geldmangel? Hermione’s Blutstatus? Ach, übrigens, meine Eltern sind tot. Und ich hab’ ’ne Narbe im Gesicht!“ Er schob seinen Pony mit der Hand nach oben. “Schau mal da!“
 

Draco ignorierte ihn geflissentlich und schwamm zu einer der Steinstufen am Rand des Beckens, auf welcher er sich so majestätisch niederließ wie ein Löwe auf seinem Felsen, wäre nicht der Vergleich zwischen einem Slytherin und einem Löwen schon an sich ein Sakrileg gewesen. Trotz des Schaums und der Lichtspiegelungen im Wasser erhaschte Harry immer wieder einzelne Blicke auf den etwas schmächtigen, aber wohlgeformten Körper. Bisher hatte er sich noch nie darüber Gedanken gemacht, ob er Malfoy attraktiv fand oder nicht, da er niemals ernsthaft in Erwägung gezogen hätte, jemals etwas anderes als die gewohnte Feindschaft für ihn zu empfinden. Aber die Nacht in der Kammer der Geheimnisse hatte alles verändert.
 

Er spürte die aufsteigende Röte in seinem immer wärmer werdenden Gesicht, und zwang sich zu einem stoischen, gleichmütigen Gesichtsausdruck. “Also hast du mir nun irgendwas zu sagen, oder hast du mich nur hierher bestellt, um mir dumme Sprüche an den Kopf zu klatschen?“
 

“Sprüche?“ Draco streckte sich im Wasser und lehnte sich gemächlich an den Beckenrand. “Ich könnte dir auch stattdessen einen nassen Waschlappen an den Kopf klatschen, wenn dir das lieber ist, Potter.“
 

“Ach ja? Das möcht’ ich sehen, wie du dich selbst nach mir wirfst, Malfoy!“
 

“Du willst einen Waschlappen? Du kriegst einen Waschlappen!“
 

Es war so klar. Einfach nur typisch. Natürlich hatte Malfoy unter all dem Schaum seinen Zauberstab verborgen gehalten. Aber so dumm war Harry schließlich nicht, dass er auf den ältesten Trick der Welt reinfallen würde. “Petrificus Totalus!“
 

Der Spruch erwischte den fliegenden Waschlappen, welcher allerdings erst eine ziemlich schmerzhafte Begegnung mit Harry’s Nase hatte, bevor er wie ein Stein zu Boden krachte. Der Spruch erwischte auch Draco und warf ihn seitlich ins Becken. Sollte der alte Fiesling wirklich einen Zauberstab in der Hand gehalten haben, so war dieser nun auf Nimmerwiedersehen im schaumigen Wasser verschwunden.
 

Malfoy selbst allerdings gleich mit.
 

Mist.
 

Jemanden ertrinken zu lassen, stand eigentlich nicht auf der Liste für Harry’s Abendplanung, selbst wenn es in diesem besonderen Fall einige Probleme gelöst hätte. Harry hechtete zum Beckenrand und fischte im schaumigen Wasser nach Draco. Er tastete den Rand entlang, doch die Stufe war leer, offensichtlich war Draco tiefer ins Wasser gerutscht. Harry blieben jetzt genau zwei Möglichkeiten: Zurück zur Tür rennen, seinen Zauberstab wieder aufheben und ausprobieren, ob ein Summoning Charm auch bei Menschen funktionierte oder...
 

Mist.
 

Harry schlüpfte aus den Schuhen und ließ seine Robe zu Boden gleiten, aber sich lange mit Pulli und Hose herumzuärgern, hätte nur Zeit gekostet. Er sprang mit einem Satz ins Wasser und zwang sich, die Augen zu öffnen, um den Grund des Beckens nach Malfoy abzusuchen. Aber Fehlanzeige – kein idiotischer Slytherin, der da unten rumlag. Erst als Harry wieder auftauchte, stieß er gegen etwas, das sich wie ein Bein anfühlte und auch so aussah, und in Ermangelung einer Alternative griff er danach und zog den dazugehörigen Körper zum Beckenrand. Wieso trieb Malfoy überhaupt oben, wenn das zusätzliche Gewicht des Erstarrungszaubers ihn eigentlich hätte nach unten ziehen müssen und wenn der Zauber ihn nicht getroffen hatte, wieso trieb er dann überhaupt im Wasser herum und wieso war er bewusstlos?
 

“Malfoy? Malfoy, kannst du mich hören? Hey, Malfoy!”
 

Er atmete nicht.
 

Nein, nicht auch das noch!
 

So, wie ging das gleich wieder? Nase zuhalten, in den Mund pusten, bis drei zählen, nein halt, es ging auch umgekehrt. Mund zuhalten und in die Nase pusten. Dann konnte er es sich zumindest ersparen, seinen Mund auf den von Malfoy zu legen. Obwohl Malfoy’s Nase nicht wirklich besser war.
 

Zum Glück blieb ihm jedoch beides erspart, denn Malfoy sog plötzlich die Luft ein, schlug die Augen auf und grinste Harry spöttisch an. “Das mit der Wiederbelebung sollten wir noch mal üben, nicht wahr, Potter?“
 

Gerade als es in Harry’s Kopf klick machte und seine Gedanken munter zwischen “Dieser verdammte Mistkerl!“ “Er hat mich reingelegt!“ und “Ich geb’ diesem verdammten Mistkerl, der mich reingelegt hat, eins auf die Nase!“ hin- und hersprangen, schlang sich auch schon ein Arm, um ihn und Harry fand sich im nächsten Moment in ziemlich unerwarteter Nähe zu einem ziemlich unbekleideten Körper wieder.
 

Selbst Protestgedanken dachten sich nicht wirklich gut, wenn sich nasser Stoff an nackter Haut rieb, wenn man Hitze spürte, die wohlig durch den eigenen Körper rauschte, wenn man selbst nicht mehr genau wusste, ob Wasser oder Schweiß auf dem eigenen Gesicht klebte. Zwar hatte er es irgendwie geschafft, eben dieses Gesicht zur Seite zu drehen, so dass Malfoy’s Lippen nicht auf seinen landeten, aber dafür wanderten dessen Lippen jetzt seine Wange hinunter und liebkosten die empfindliche Haut an seinem Hals. Er knabberte mal hier und mal da, platzierte hauchzarte Küsse unterm Kinn entlang und wieder hinauf bis zum Ohr.
 

“Oh, nein! Nein, nein, nein!“ Harry griff in Malfoy’s Haar und versuchte, den blonden Kopf von sich wegzudrücken. “Diesmal kriegst du mich nicht so einfach, du...“
 

“Soll das heißen, dass du es mir schwerer machst als beim letzten Mal?“ Mit einem Ruck zog Malfoy Harry auf sich. “Na, dann streng’ dich mal an.“
 

Allein für diese letzte Bemerkung hätte Harry den verdammten Angeber am liebsten verprügelt. “Das soll heißen, dass ich ganz bestimmt nicht hier bin, um irgendwelche blödsinnigen Dinge mit dir zu machen... und jetzt lass’ mich los!“
 

Das hatte Malfoy zwar schon getan, aber nur mit den Händen. Seine Beine hatte er in äußerst provokativer Weise um Harry’s geschlungen. “Blödsinnige Dinge,“ prustete er los und verpasste Harry einen Schubs mit der Hüfte, der ihn ungewollt aufstöhnen ließ. “Blödsinnige Dinge.“ Er hob den Kopf und blickte tief in Harry’s Augen, immer noch ein Grinsen auf den Lippen. “Du liegst oben, du Dummkopf! Warum stehst du nicht einfach auf und gehst?“
 

“Genau das mach’ ich auch.“ Harry stützte sich mit den Armen auf, um erst einmal seine Beine zu entwirren. Er senkte den Blick, um Malfoy nicht weiter ins Gesicht sehen zu müssen, doch auf seine Brust zu blicken, machte es auch nicht viel besser. Ein einzelner Wassertropfen hatte sich gelöst, perlte über die blasse Haut und umrundete eine der Spitzen, welche jetzt aufrecht stand. Wie ein kleiner rosafarbener Zuckergusskegel sah sie aus, und sie hob und senkte sich im heftigen Rhythmus von Malfoy’s Atem.
 

In einem plötzlichen Anfall von Ärger griff Harry danach und kniff kräftig hinein. Mit grimmiger Befriedigung stellte er fest, dass Malfoy nicht nur leise aufschrie, sondern, dass seine andere Brustspitze sich ebenfalls aufrichtete. Was immer er da für Spielchen mit Harry trieb, er war selbst auch nicht gerade immun dagegen. Ganz und gar nicht – denn da er keine Kleidung trug, ließen sich seine Reaktionen auch nicht verbergen.
 

Einen Moment lang fühlte Harry tatsächlich so etwas wie Triumph aufsteigen, im Augenblick befand er sich eindeutig in der besseren Position. Er war oben, Malfoy unten, er hatte ungehinderten Zugriff auf Malfoy’s Körper, und außerdem hatte er die Überraschung auf seiner Seite. Malfoy schien hoffnungslos verwirrt, er hatte nicht damit gerechnet, dass Harry so etwas tun würde und das selbstgefällige Grinsen war endlich von seinem Gesicht verschwunden.
 

Nein, natürlich würde Harry niemals zulassen, dass es noch einmal zu einer solchen Katastrophe kam wie in der Kammer der Geheimnisse. Aber warum sich nicht ein kleines bisschen rächen? Es diesem verdammten Kerl heimzahlen, ihn dafür büßen lassen, dass er Harry so weit getrieben hatte. Bisher war Harry nur vor ihm davongelaufen, hatte gehofft, ihm aus dem Weg gehen zu können. Aber warum nicht mal den Spieß umdrehen?
 

Malfoy versuchte tatsächlich Harry’s Hand wegzuschlagen, als dieser ihn erneut berührte. “Zu dumm, dass ich stärker bin als du, Malfoy,“ gab Harry spöttisch zurück.
 

Es war seltsam wie glatt sich Malfoy’s Haut anfühlte und dass er dort überhaupt keine Haare hatte. Auch unter den Achseln nicht, und nicht an den Beinen. Das war Harry schon bei einigen Jungs aufgefallen, sowohl im Bad als auch beim Duschen nach dem Quidditch-Training, aber bisher hatte er sich nie wirklich darüber Gedanken gemacht. “Du hast wohl dein Duschgel mit einer Enthaarungscreme verwechselt, was, Malfoy?“ stichelte er.
 

“Idiot.“ Malfoy entfuhr ein unwillkürlicher Seufzer. “Dass jemand wie du, der in einem Muggle-Schrank aufgezogen wurde, mit einem halben Urwald durch die Gegend rennt, wundert mich überhaupt nicht. Haben sie dir dort beigebracht, wie man Läuse züchtet?“
 

“Was, das ist so ’ne Reinblüter-Sache?“ prustete Harry los. “Wie diese komischen Hosen und Schnallenschuhe, die ihr immer tragt? Seid ihr alle miteinander bekloppt? Wenigstens ist Ron...“ Er brach erschrocken ab, doch Malfoy’s Gelächter verriet ihm, dass er bereits zuviel gesagt hatte. “Saint Potter, Miss Hasenzahn und Weasley, der Busch! Ihr verdient einander.“
 

“An deiner Stelle wär’ ich lieber vorsichtig mit solchen Kommentaren.“ Harry drückte zu, nicht so fest, dass er Malfoy ernsthaft weh getan hätte, aber Malfoy konnte schließlich nicht wissen, wie weit er gehen würde. So glaubte Harry für einen winzigen Moment eine Art Panik in den Augen seines Erzfeindes aufflackern zu sehen, doch im nächsten Augenblick hatte sich Malfoy wieder unter Kontrolle.
 

Allerdings nur, was mögliche Angst anging. Sein Keuchen war nicht zu überhören und seine Hände hatten sich bereits in Harry’s Arm gekrallt. “Verdammt, was tust du, Potter!“
 

“Eigentlich wollte ich gerade gehen.“ Harry ließ Malfoy los und griff nach seiner Robe “Viel Spaß mit deiner rechten Hand.“
 

Natürlich ließ Malfoy den Arm nicht los, aber Harry grinste nur. “Hast du schon wieder vergessen, dass ich stärker bin als du? Wenn ich gehen will, kannst du mich nicht aufhalten.“ Es kam äußerst selten vor, dass er stärker war, als irgendjemand anders. Vor Dudley’s Gang hatte er damals immer nur weglaufen können.
 

Aber jetzt gelang es ihm tatsächlich, Malfoy’s Hände zu lösen, doch dieser stellte ihm ein Bein und leider waren Dobby’s Weihnachtssocken nicht besonders gut darin, jemandem auf nassen Boden vor dem Stolpern zu bewahren. Ehe Harry sich versah, taumelte er nach vorne, stolperte erneut, diesmal über den Beckenrand und platschte ins Wasser.
 

Mist.
 

Nun, nasser als sie schon waren, konnten seine Klamotten eh nicht mehr werden.
 

Trotzdem war er jetzt entschieden im Nachteil, da Draco sich im Wasser weitaus besser bewegen konnte. Besonders der schwere Wollpullover machte Harry zu schaffen. Während er noch mit sich kämpfte, ob es eine gute Idee war, das Ding loszuwerden oder ob sein Erzfeind eine solche Geste eventuell missverstehen würde, hatte Malfoy den Pulli schon gepackt und ihm diesen mitsamt T-Shirt über den Kopf gezogen.
 

Allerdings wohlweislich ohne Harry’s Arme daraus zu befreien. “Du hättest wohl doch lieber gehen sollen, als du noch die Chance dazu hattest, oder, Potter?“ Draco kniff nicht, er zwirbelte Harry’s Knospen zwischen seinen Fingern, bis sie sich unter seiner Berührung röteten. “So macht man das, du Blödmann. Merk’ es dir für’s nächste Mal!“
 

“Es gibt kein nächstes Mal!“ Obwohl der Schmerz nicht übermäßig stark war, hatte Harry trotzdem das Bedürfnis zu schreien. “Glaubst du, ich hab’ nichts Besseres zu tun, als mit dir rumzumachen? Ich kann dich nicht mal leiden!“
 

“Denkst du etwa, ich dich?“ Draco spielte mit dem Reißverschluss von Harry’s Hose und da dessen Arme immer noch im Pullover steckten, konnte er nicht wirklich etwas dagegen tun, außer herumzuzappeln. “Mir macht es einfach Spaß, dich zu demütigen, das ist alles. Bei Salazar, was die Muggles für lächerliche Kleidung erfinden.“
 

“Das sind Boxershorts,“ begann Harry zu erklären, aber Malfoy hörte ihm überhaupt nicht zu. Er war untergetaucht und Harry war sich ziemlich sicher, dass er unter Wasser seinen Körper musterte. Eine Berührung fühlte er nicht, doch er konnte die Bewegung im Wasser spüren, als Malfoy um ihn herumschwamm. Ärgerlich bemerkte er, wie er schon wieder errötete und auch wenn Malfoy es im Moment gar nicht sehen konnte, so wollte er doch keinesfalls Schwäche zeigen. Aber es war so unangenehm, angestarrt zu werden.
 

“Du bist ganz schön schmächtig, Potter.“ Malfoy’s Kopf war wieder neben ihm aufgetaucht. “Und du solltest diese Socken ausziehen, das sieht einfach nur peinlich aus. Oh, ich vergaß, du kannst deine Arme ja nicht bewegen... verdammt, was tust du!“
 

“Ich demonstriere dir, dass ich sie sehr wohl bewegen kann.“ Unter all dem Schaum schien Malfoy überhaupt nicht bemerkt zu haben, dass es Harry tatsächlich gelungen war, sich von den nassen Klamotten zu befreien. Er verstand selbst nicht, wie er so wagemutig sein konnte, aber wahrscheinlich hatte er einfach keine Lust mehr darauf, sich von Malfoy – wie der das nannte – demütigen zu lassen.
 

Draco wand sich in Harry’s Griff und dieser konnte die Gänsehaut auf dem Bauch des anderen Jungen spüren, obwohl das Wasser sehr warm war. “Das kriegst du zurück, Potter!“
 

“Ach ja? Dir ist aber schon klar, dass in diesem Becken vielleicht noch andere Leute baden wollen?“
 

“Und das ist mein Problem, weil? Aber, falls es dich beruhigt, Mr. Moralapostel, die Hauselfen werden das Wasser morgen wechseln. Es sei denn natürlich, Granger kettet sich ans Abflussrohr.“
 

Bei dieser Vorstellung musste Harry gegen seinen Willen grinsen, aber er war natürlich froh darüber, dass Malfoy es in seiner gegenwärtigen Position nicht sehen konnte. Irgendwie hatte der Slytherin es geschafft, sich aus Harry’s Griff wieder zu befreien und versuchte nun seinerseits, diesen von hinten zu packen und festzuhalten. Harry wehrte sich, aber eine böse kleine Stimme in seinem Geist flüsterte ihm zu, dass seine Abwehrbewegungen bereits halbherzig wurden. “Es ist das letzte Mal,“ erinnerte er sich selbst nachdrücklich. “Das allerletzte Mal.“
 

Seine Gedanken wiederholten den Satz noch ein paar Mal, bevor sich die Wörter irgendwann in zusammenhangloses Gestammel auflösten, zu einer undefinierbaren Masse an Buchstaben, Lauten und Berührungen verschwammen. Kleine Wasserwellen schlugen rhythmisch gegen seinen Körper, Tropfen rannen spielerisch über seine Haut. Zitternd schloss er die Augen und wartete auf den Moment, in dem sich alles um ihn herum auflösen würde.
 

“Das funktioniert so nicht,“ stellte Draco nüchtern fest.
 

“Was soll das!“ Brüllend schlug Harry mit der Faust der Faust ins Wasser, lediglich seine Benommenheit hinderte ihn daran, sich umzudrehen und sie stattdessen in Malfoy’s Gesicht krachen zu lassen.
 

“Das soll heißen, dass es nicht klappt!“ Draco’s Stimme klang nicht weniger frustriert, auch wenn er nicht so laut schrie. “Keine Ahnung, warum, vielleicht weil wir diesmal stehen, oder weil das Wasser so nass ist, oder weil du deine dummen Schenkel nicht fest genug zusammendrückst.“
 

“Du blöder Idiot, dann mach’ irgendwas anderes. Aber verdammt noch mal, mach’ was!“
 

“Klar, damit du deinen Spaß hast und ich das Nachsehen!“
 

“Also schön.“ Harry holte tief Luft. “Du wirst nicht das Nachsehen haben. Ich hoffe, das reicht dir als Antwort, denn um irgendeinen langatmigen Gryffindor-Schwur zu schwören, fehlt es mir grade an GEDULD!”
 

“Geduld? Ihr Gryffintrottel wisst ja nicht mal, wie man das überhaupt buchstabiert. Kein Wunder, dass alle eure Pläne ’Auf Drei’ lauten. Beziehungsweise, ’Auf Drei’ lauten würden, wenn ihr denn überhaupt mal bis drei zählen könntet, aber sogar das überfordert...“
 

Den Rest des Satzes bekam Harry irgendwie nicht mehr mit und selbst wenn, wäre es auch egal gewesen. Erschöpft lehnte er am Beckenrand und versuchte, wieder Atem zu schöpfen, zu fertig mit der Welt und seinen Nerven, um sich auf alberne Wortgefechte einlassen zu können. Am liebsten hätte er einfach seine Klamotten zusammengesammelt und wäre gegangen, aber er hatte sein Wort gegeben und selbst jemandem wie Malfoy gegenüber, würde er es nicht brechen.
 

“Los, du bist dran.“ Malfoy räkelte sich wieder auf der Stufe am Beckenrand und blickte ziemlich gelangweilt drein. “Lass dir was einfallen.“
 

“Du warst auch nicht gerade kreativ.“ Harry biss sich auf die Lippen. Es war etwas völlig anderes, mal eben von seiner eigenen Leidenschaft überrollt zu werden und nichts dafür zu können, als im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte einen Typen anzufassen, den er nicht ausstehen konnte. Wenigstens war noch genügend Schaum da, dass er sich nicht ansehen musste, wohin er fasste.
 

“Ach ja? Wer von uns beiden hatte denn keine Geduld mehr?“ Malfoy lehnte sich zurück und schloss die Augen. Natürlich war es klar, dass er Harry dabei nicht ansehen wollte. Für ihn musste das Ganze ebenso abstoßend sein wie für Harry selbst.
 

Zumindest die Tatsache, dass sein Erzfeind ihm im Moment ziemlich hilflos ausgeliefert war, hätte Harry genießen können, aber eigentlich war er nur müde und genervt und wollte so schnell wie möglich in sein Bett.
 

Es war seltsam, vielleicht sogar ein wenig erschreckend, wie schnell die Maske der selbstgefälligen Arroganz von Malfoy’s Gesicht rutschte. Sie machte etwas anderem Platz, einem Mienenspiel aus Lust, Leidenschaft und – Harry hätte dieses Wort niemals im Zusammenhang mit Malfoy gebraucht – Verletzlichkeit. Jetzt, noch mehr denn je hatte er den Wunsch, sich zurückzuziehen, nicht noch tiefer in Malfoy’s Seele zu blicken, nicht noch mehr Dinge zu sehen, die nicht für seine Augen bestimmt waren.
 

Es war falsch, es war einfach so falsch...
 

“Also echt, Potter, das war ja zum Einschlafen.“ Malfoy stieß Harry von sich weg, das selbstgefällige Grinsen wieder im Gesicht. Nur sein heftiger Atem verriet, dass die Maske noch nicht wieder vollständig an ihrem Platz saß und ebenso die leichte Röte, welche seine Wangen überzog. “Du solltest zusehen, dass du alle deine Sachen findest, bevor irgendwelche diensteifrigen Hauselfen sie in die Wäsche tun und du nackt zurück zum Schlafsaal laufen musst.“
 

“Sieh du mal lieber zu, dass du im Wasser deinen Zauberstab wieder findest, bevor er im Abfluss landet.“
 

“Tja, nur gut, dass ich ihn sicher im Schließfach verstaut habe. Viel Spaß beim Sockensuchen, du Blödmann.“
 

“Idiot!“
 

“Narbengesicht!“
 

“Angeber!“
 

“Gryffintrottel!”
 

“Slytherschleimer!”
 

Zum Glück war es diesmal das endgültig letzte Mal gewesen.
 

* * *
 

February 19th,1995
 

Am allermeisten vermisst du das Quidditch...
 

Um einen klaren Kopf zu bekommen, gibt es nichts Besseres als Fliegen. Sobald du mit deinem Besen vom Boden abhebst, kannst du alles andere hinter dir lassen. Du musst dir keine Sorgen mehr machen, dir nicht mehr den Kopf zerbrechen, gar nichts mehr. Es gibt nur noch deinen Besen, den Wind, und den Snitch, den du schleunigst finden und fangen musst. Und zwar bevor Malfoy es tut.
 

Nein, du willst jetzt nicht an ihn denken. Nicht so kurz vor dem Einschlafen. Nicht jetzt, wo du es beinahe den ganzen Tag geschafft hast, nicht an ihn zu denken. Das ist so verdammt unfair. Du solltest noch mal aufstehen, zur Wasserkaraffe gehen und dir etwas kaltes Wasser über den Kopf gießen, das hilft immer.
 

Meistens jedenfalls.
 

Neville schnarcht schon wieder. Muss der blöde Trottel einen solchen Lärm machen? Du könntest stattdessen ihm das kalte Wasser über den Kopf gießen, verdient hätte er’s. Oder am besten gleich Ron, den du jahrelang für deinen besten Freund gehalten hast. Dabei ist er in Wirklichkeit nur eifersüchtig, weil du am Turnier teilnimmst und er nicht. Alles Idioten, alle miteinander. Du hast keine Freunde. Du brauchst keine Freunde. Du willst zur Flasche und etwas trinken.
 

Aber du darfst jetzt nicht trinken. Du musst dir deine Nahrung sorgfältig einteilen und der Rest in der Flasche muss für die ganze Nacht reichen. Wormtail kann Nagini erst morgen wieder melken und die Nacht ist noch lang. Du könntest noch einmal den Plan überdenken, aber das hast du schon so oft und er ist perfekt. Du könntest einen neuen Plan schmieden, darüber wie du diese Lackaffen aus dem Ministerium loswerden und selbst die Macht ergreifen kannst.
 

Oder musst du sie überhaupt loswerden? Kannst du sie nicht einfach als deine Marionetten behalten und alles beim Alten lassen? Du brauchst mehr Informationen. Vielleicht solltest du deine Prinzessinnen aktivieren, aber nein, dafür ist es noch zu früh. Niemand sonst darf von dir wissen, nicht bevor der Plan ausgeführt wurde. Dieser alte Muggle war Störung genug, wenn auch eine amüsante. Sein Gesichtsausdruck, als der giftgrüne Todeszauber ihn traf...
 

Ahhhhhhhhh!
 

“Ganz ruhig, Harry. Dir kann nichts geschehen. Es wird alles gut werden, das verspreche ich dir.“
 

Dumbledore’s Stimme. Er ist hier und er wird dich beschützen. Er ist stärker als die Dunkelheit um dich herum. Er kann machen, dass die bösen Träume verschwinden.
 

Alles um dich herum löst sich auf, der Raum, das garstige Gesicht von Wormtail und die Flasche mit dem grünen Gift. Es ist nur noch Dunkelheit um dich herum, aber es ist eine warme beschützende Dunkelheit in der du dich geborgen fühlst.
 

Alles wird gut werden. Dumbledore hat es dir versprochen...
 

* * *
 


 

“Ganz ruhig, Harry. Dir kann nichts geschehen. Es wird alles gut werden, das verspreche ich dir.“
 

Dumbledore’s Finger glitten über Harry’s Gesicht, strichen behutsam einige verschwitzte Haarsträhnen zur Seite, während seine andere Hand bereits den Zauberstab erhob.
 

Unwillkürlich stiegen Bilder vor Severus’ geistigem Auge auf, längst verblasste Erinnerungen an das erste und einzige Mal, als Vater ihn mit zur Jagd genommen hatte. Eine Hand zum Streicheln, die andere für den Hirschfänger...
 

Aber damals wie heute schwieg er. Einem angeschossenen Hirsch konnte man schließlich nicht guten Gewissens beim Leiden zusehen und ebenso wenig konnten sie tatenlos dabei zusehen wie der Dunkle Lord Pläne für seine Rückkehr schmiedete. Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, so hätte Dumbledore sie gefunden.
 

“Legilimens!“ Dumbledore’s Augen wurden starr, als er sich auf die Bilder konzentrierte, die nun bereits seinen Geist überschwemmen mussten. Was würde er dort finden? Eine mysteriöse Verbindung zum Dunklen Lord? Informationen über dessen Pläne? Eine Möglichkeit, dieselben zu verhindern?
 

Immer noch schweigend blickte Severus auf den schlafenden Jungen hinunter, lauschte seinen gleichmäßigen Atemzügen. Potter war so naiv, so vertrauensselig. Ein sentimentaler Narr, der sein Herz auf der Zunge trug. Es würde Dumbledore ein Leichtes sein, seine geistigen Barrieren zu durchbrechen.
 

Richtig war es trotzdem nicht.
 

Dumbledore zog den Zauberstab zurück, nahm Silberfäden der Erinnerung aus Potter’s Geist. Unruhig warf der Junge sich hin und her, krallte sich in sein Kopfkissen, murmelte unverständliche Worte im Schlaf. Dumbledore hielt seinen Kopf fest, damit Severus ihm einige Tropfen Traumlos-Trank einflößen konnte. Sofort beruhigte er sich wieder und rollte sich auf der Couch zusammen.
 

“Ich bringe ihn jetzt in seinen Schlafsaal zurück.“ Dumbledore verstaute die Gedankenfäden in seinem Pensieve und hob anschließend Potter so mühelos von der Couch als wäre dieser ein kleines Kind. “Severus, ich möchte, dass Sie sich währenddessen die Erinnerung ansehen. Vielleicht entdecken Sie noch weitere Hinweise, die ich vielleicht übersehen habe. Jeder noch so winzige Anhaltspunkt könnte uns weiterhelfen.“
 

“Wie Sie wünschen, Schuldirektor.“ Severus warf den beiden einen letzten grimmigen Blick hinterher, bevor er sich dem Pensieve zuwandte. Unruhige Nebelschwaden wirbelten darin herum, bildeten seltsame Formen, nur um sich anschließend wieder zu zerstäuben. Er beugte sich nach vorne... und fiel.
 

Die Bilder waren nicht sehr deutlich, verschwommen wie unscharfe Photographien. Severus kannte diese Art von Erinnerungen – alles deutete daraufhin, dass es sich hier nicht um tatsächliche Begebenheiten handelte, sondern um einen Traum. Einen Alptraum, den Potter wohl in einer dieser Nächte gehabt haben musste, in welchen er sich so ruhelos umherwarf, wie er es gerade eben getan hatte.
 

Und endlich zeigten die verworrenen Bilder ein Gesicht...
 

Peter Pettigrew. Zitternd und wimmernd wankte er im Dunkeln umher, katzbuckelte ein ums andere Mal, brabbelte mit hoher Fistelstimme, brabbelte Worte, die man nicht verstehen konnte. Soweit zeigten die Bilder nichts Unerwartetes, sie hatten beide gewusst, dass Pettigrew sich dem Lord bei der nächsten Gelegenheit wieder anschließen würde. Er brauchte einen starken Beschützer, vor dem er zu Kreuze kriechen konnte. Und alle anderen Wege waren ihm versperrt.
 

“Mein Lord, ich sage das nicht aus Sorge um den Jungen,“ quietschte Pettigrew ängstlich. “Der Junge bedeutet mir nichts, rein gar nichts! Es ist nur so... würden wir einen anderen Zauberer oder eine andere Hexe verwenden, ganz egal wen, könnte der Plan so viel schneller in Gang gesetzt werden...“
 

In Potter’s Träumen fanden sich also tatsächlich Spuren von den Plänen des Dunklen Lords, genau wie Dumbledore es vermutet hatte. Und Harry Potter war ein Teil dieser Pläne. Aber was wollte der Dunkle Lord erreichen? Es schien ihm wohl nicht zu genügen, den Jungen einfach zu töten. Brauchte er ihn wirklich, um, wie Dumbledore es vermutet hatte, zu seiner alten Stärke zurück zu finden?
 

“Wie ich dir bereits erklärte habe, so habe ich meine Gründe, den Jungen zu verwenden und ich werde keinen anderen Zauberer dafür hernehmen.“
 

Seine Stimme war erschreckend klar, auch wenn es nicht die Stimme war, die Severus in Erinnerung hatte. Es war eine hohe, kalte, zischende Stimme und sie war eindeutig nicht menschlich. “Ich habe dreizehn Jahre lang gewartet. Ein paar Monate mehr werden also keinen Unterschied machen. Was den Schutz angeht, der den Jungen umgibt, so denke ich, dass mein Plan Erfolg haben wird. Alles, was jetzt noch erforderlich ist, ist ein wenig Mut von dir, Wormtail, Mut, den du finden wirst – es sei denn, du möchtest das ganze Ausmaß von Lord Voldemort’s Zorn verspüren.“
 

Dreizehn Jahre lang? Wie passte das alles zusammen? Ging es um Rache? Nein, das konnte nicht sein. Wenn Pettigrew Recht hatte und der Dunkle Lord auch einen anderen Zauberer für seinen Plan verwenden konnte, dann konnte es sich nicht um persönliche Rache an Harry Potter handeln. Aber wenn es nicht darum ging, worauf hatte der Lord dann dreizehn Jahre lang gewartet?
 

“Du wirst deine Belohnung erhalten, Wormtail. Ich werde dir gestatten, eine bedeutungsvolle Aufgabe für mich zu übernehmen, eine Aufgabe für die viele meiner Diener ihre rechte Hand geben würden.“
 

Er hatte darauf gewartet, wieder stark zu sein. Wieder Macht zu besitzen. Bei seinem letzten Versuch, sie zu gewinnen, hatte er Quirrell’s Körper benutzt , um in den Besitz des Steins der Weisen zu gelangen. Und jetzt wollte er Potter für irgendetwas verwenden. Aber der Stein war zerstört, also musste er sich etwas anderes überlegt haben. Etwas nicht weniger Wirkungsvolles.
 

Und was war mit der rechten Hand? Auch diese Bemerkung musste etwas zu bedeuten haben. Er sagte solche Dinge nicht ohne Grund, dafür bildete er sich zuviel auf seinen Humor ein.
 

Angestrengt starrte Severus in die verworrenen Bilder, doch egal hinter welcher Fassade sich der Dunkle Lord zur Zeit verbarg, er konnte dieses Geschöpf nirgends entdecken. Aber er musste dort sein, denn Pettigrew hatte ihn angeblickt.
 

Nein, es gab einen guten Grund dafür, dass er ihn nicht sehen konnte. Der Traum war tatsächlich aus der Sicht des Dunklen Lords selbst. Harry Potter träumte aus der Sicht des Lords.
 

“Severus, sehen Sie sich diese Vision noch einmal genau an.“ Dumbledore war neben ihm in der Erinnerung aufgetaucht und blickte an ihm vorbei auf den umherhastenden Pettigrew. “Dieser Rahmen links und rechts, das sind die Lehnen eines Stuhls. Voldemort sitzt auf einem Stuhl.“
 

“Aber wie soll das möglich sein?“ Angestrengt kniff Severus die Lider zusammen und versuchte, sich auf das Bild zu konzentrieren. “Wenn das ein Stuhl sein soll, so müsste der Dunkle Lord ja... winzig sein!“
 

“Wir können davon ausgehen, dass Voldemort zum Zeitpunkt des Traums noch keinen menschlichen Körper besitzt. Auch diese verzerrte Stimme deutet darauf hin. Sein Geist muss sich irgendeinen Wirt gesucht haben, den er bewohnen kann, so wie damals Quirrell. Aber ein solcher Wirtskörper kann nicht lange überleben. Er wird sich einen dauerhaften Körper suchen müssen.“
 

Ein Frösteln zog sich durch Severus’ Glieder. “Wollen Sie damit etwa andeuten, dass er plant, Harry Potter als Wirtskörper zu verwenden? Ist er etwa selbst derjenige, der Potter’s Namen in den Gral des Feuers geworfen hat?“
 

“Kommen Sie, lassen Sie uns in die wirkliche Welt zurückkehren. Dann werde ich es Ihnen erklären.“
 

Dumbledore’s Büro schien kleiner geworden zu sein, als die vertrauten Formen wieder vor ihm auftauchten. Und heller... das Licht war geradezu grell. Es stach ihm in die Augen, so dass er sie geblendet schließen musste, bis sie sich wieder beruhigt hatten.
 

“Wir haben nur sehr wenige Informationen über Voldemort’s Pläne,“ begann Dumbledore und nahm an seinem Schreibtisch Platz. “Vermutlich hatte Harry noch andere Träume von ihm, aber dies ist der einzige, den ich finden und aus seinen Gedanken herauslösen konnte. Um noch weitere Träume zu finden, müsste ich tiefer in seinen Geist eindringen und das wage ich nicht. Ich will es nicht riskieren, dem Jungen Schaden zuzufügen. Es ist schlimm genug, dass wir auf solche Methoden zurückgreifen müssen.“
 

“Dieses Thema haben wir bereits hinlänglich diskutiert.“ Severus’ Blicke schienen sich geradezu in die Augen seines Gegenübers zu bohren. “Wenn ich Sie erinnern darf, Direktor, Ihre Argumentation war, dass wir viele Leben, unter anderem auch das von Potter selbst retten werden, wenn wir eine Rückkehr des Dunklen Lords verhindern.“
 

“Ihre Einwände sind mir durchaus bewusst, Severus, und ich weiß, dass meine Handlungen moralisch fragwürdig sind.“ Dumbledore hielt dem Blick ohne jedes Zögern stand. “Aber ich musste eine Entscheidung treffen und wieder einmal habe ich mich für die Möglichkeit entschieden, die am wenigsten Opfer kostet. Ich habe Harry nicht dreizehn Jahre lang beschützt, um ihn jetzt diesem Wahnsinnigen zu überlassen. Ihn nicht und auch keinen anderen meiner Schüler!“
 

“Sie hätten mit ihm sprechen können.“ Wie von selbst schlugen Severus’ Hände auf die Tischplatte, als er sich nach vorn lehnte. “Glauben Sie nicht, er hätte Ihnen diesen Traum freiwillig überlassen, wenn er wüsste, was auf dem Spiel steht?“
 

“Wenn Harry wüsste, was auf dem Spiel steht, könnte er keine Nacht mehr ruhig schlafen,“ donnerte Dumbledore’s Stimme durch den Raum. “Er würde sich seiner Alpträume bewusst werden und dann wäre es nur eine Frage der Zeit bis Voldemort die Verbindung zu Harry’s Gedanken erkennt und benutzt. Er würde Harry’s Geist mit Alpträumen fluten und ihn damit in den Wahnsinn treiben. Nein, je weniger Harry über diese Verbindung weiß, desto sicherer ist er vor ihr!“
 

“Unwissenheit schützt nicht vor Gefahr,“ gab Severus zurück. “Aber ich kenne Ihre Meinung zu diesem Thema und Sie kennen die meine. Vielleicht möchten Sie mir nun erläutern, was uns Potter’s Träume über die Pläne des Dunklen Lords verraten?“
 

Dumbledore lehnte sich in seinem Sessel zurück und schwieg einen Moment, sein Blick voller Sorge. Offenbar hatte die erneute Diskussion über das Thema einiges aufgewühlt und sein Gewissen machte ihm schwer zu schaffen. Aber Severus empfand kein Mitleid mit ihm. Der Direktor hatte sich für diese Methoden entschieden und nun musste er auch die Konsequenzen tragen. Auch Severus selbst musste die Konsequenzen seiner Handlungen tragen und es gab niemanden, der ihm diese Bürde hätte abnehmen können.
 

“Ich denke nicht, dass Voldemort einfach nur Harry’s Körper als Wirt benutzen möchte. Ein Wirtskörper hält nicht lange vor und es wäre unwahrscheinlich, dass er bis in alle Ewigkeit von Körper zu Körper springen möchte. Nein, es erscheint mir logischer, dass er plant, sich einen dauerhaften Körper anzueignen, ein Gefäß, welches seine Seele für längere Zeit halten kann. Einen solchen Körper müsste er allerdings erst erschaffen und für ein solches Unterfangen ist unglaublich mächtige Magie nötig.“
 

Dumbledore erhob sich. “Aber ich denke, ich weiß, wo ich nach den nötigen Informationen suchen kann. Severus, Sie erinnern sich doch an das Buch der Geheimnisse, welches möglicherweise die umfassendste Sammlung schwarzmagischer Schriften darstellt, die je existiert hat? Ich bin mir sicher, dass wir dort Antworten finden können.“
 

War der Alte jetzt komplett verrückt geworden? Wie in aller Welt wollte er denn an dieses Buch herankommen? Niemand außer dem Dunklen Lord selbst wusste, wo es sich befand.
 

Was hatte Dumbledore ihm verschwiegen?
 

“Ja, Severus, Sie haben richtig gehört. Wir erinnern uns, vor dreizehn Jahren hat Voldemort, um das Buch vor Diebstahl zu schützen, zwei gefälschte Kopien davon angefertigt. Sie konnten mir damals mitteilen, dass sich eines der drei Exemplare im Besitz von Lucius Malfoy befand. Da Malfoy letztendlich von allen Vorwürfen der Komplizenschaft freigesprochen wurde, wurde auch das Buch nie bei ihm gefunden. Die Besitzer der anderen beiden Exemplare hatten allerdings weniger Glück.“
 

Snape runzelte die Stirn. “Soll das etwa bedeuten, Sie wussten die ganze Zeit, wo sich diese beiden Exemplare befinden?“
 

“Nun, ich habe es eher zufällig herausgefunden,“ wehrte Dumbledore ab. “Niemand sollte das echte Buch erkennen, deshalb musste Voldemort auch sichergehen, dass die drei Exemplare nie wieder zusammen kommen, außer durch seinen Befehl. Was wäre also naheliegender, als das Buch jemandem zu geben, der ihm zwar treu ergeben, aber ansonsten mit den Malfoys verfeindet ist?“
 

“Lestrange.“ Severus spie den Namen förmlich aus. “Ich habe es immer vermutet, konnte aber nie einen Beweis dafür finden.“
 

“Ich ebenfalls nicht.“ Dumbledore starrte auf seine ineinander verschränkten Finger. “Zumindest nicht, solange die Lestranges sich auf freiem Fuß befanden. Nach ihrer Festnahme allerdings habe ich einige Beziehungen spielen lassen, um mich... sagen wir mal, etwas eingehender mit ihnen darüber zu unterhalten.“
 

Das überraschte Severus nicht. Allerdings stellte er fest, dass er kein wirkliches Interesse daran hatte, die genaueren Details dieser Unterhaltung zu erfahren.
 

“Jedenfalls, um die Sache abzukürzen,“ nahm Dumbledore den Faden wieder auf, “die zweite Kopie des Buches befindet sich im Besitz von Istave Lestrange und die dritte in den Händen seiner Tochter Camille. Es war ein ziemlich genialer Schachzug Voldemort’s die beiden Bücher so nahe beieinander zu verstecken. Niemand hätte eine solche Vorgehensweise vermutet, am allerwenigsten die Todesser selbst. Istave hält sein Exemplar noch immer verborgen, auch wenn er seit seiner Gefangennahme natürlich keinen Zugriff mehr darauf hat. Das Exemplar von Camille allerdings befindet sich seit geraumer Zeit in meinem Besitz.“
 

Dumbledore erhob sich. “Sie sind erst die zweite Person, mit der ich diese Informationen teile, aber die Zeit hat mich gelehrt, dass man manchmal einem anderen sein Vertrauen schenken muss, wenn man sich nicht in Misstrauen und Einsamkeit hineinsteigern will. Ich möchte Ihnen...“
 

“Geben Sie mir das Buch nicht.“ Severus spürte, wie seine Hände sich wie von selbst in das Holz des Tisches krallten. Eine solche Macht, eine solch unglaubliche Macht, wer würde ihr widerstehen können? “Ich möchte noch nicht einmal darin lesen. Es korrumpiert.“
 

“Das ist mir bewusst und ich respektiere Ihren Wunsch.“ Dumbledore erhob sich. “Ich werde das Buch allein studieren. Sollte ich allerdings Informationen darin finden, was Voldemort’s Pläne angeht, so würde ich diese gerne mit Ihnen teilen...“
 

“Natürlich,“ versicherte Severus. “Aber halten Sie dieses Buch fern von mir, Schuldirektor. Das ist alles, worum ich Sie bitte.“
 

* * *
 

March 13th, 1995
 

Lieber Sirius,
 

Das mit dem Essen ist gar kein Problem, die Hauselfen freuen sich immer darüber, wenn sie uns ein bisschen was extra geben können. Also mach’ dir deswegen keine Sorgen, es fällt nicht auf.
 

Hoffentlich tut es das wirklich nicht. Was ist, wenn sich jemand über diese riesigen Pakete wundert, die du immer losschickst? Ist schließlich allgemein bekannt, dass du keine Familie mehr hast.
 

Abgesehen von den Dursleys, natürlich. Und dass du denen nichts schicken würdest, ist auch allgemein bekannt.
 

Ansonsten gibt es nicht viel Neues. Ich trainiere weiter für die dritte Aufgabe und bin mittlerweile ziemlich gut darin, Verwünschungen abzuwehren. Moody hat uns diese Woche im DADA-Unterricht getestet .
 

Dass du heute, zwei Tage nach dem Test, immer noch das Gefühl von zuckenden Ohren hast, braucht er ja nicht unbedingt zu wissen. Schließlich soll Sirius dich nicht für einen Schwächling halten. Es ist schon leichtsinnig genug, dass er wieder nach Hogsmeade gekommen ist, auch wenn du dich natürlich darüber gefreut hast, ihn zu sehen. Hoffentlich ist er vorsichtig.
 

Ron und Hermione helfen mir bei den Vorbereitungen. Wie du vorgeschlagen hast, hat Ron einen Brief an Percy geschrieben und ihn gefragt, ob er etwas Genaueres über Mr. Crouch weiß. Bis jetzt hat er uns aber leider noch nicht geantwortet.
 

Ob Percy das überhaupt tun wird? Schließlich betet er Crouch an. Ron meint, er würde ganz bestimmt nichts schreiben, was Crouch belasten oder sogar kompromittieren könnte. Andererseits, wenn Percy der Meinung ist, dass es Crouch helfen könnte, meldet er sich vielleicht.
 

Wir haben auch versucht, Winky ein paar Informationen über Mr.Crouch zu entlocken, aber das hat nicht funktioniert. Sie weiß definitiv etwas, aber sie verrät es nicht.
 

Bis dann,

Harry
 

Vielleicht hättest du ihm doch etwas von den ganzen Hassbriefen an Hermione schreiben sollen, aber andererseits, es würde ihn nur unnötig aufregen und es gibt schließlich nichts, was er in seiner Situation dagegen tun kann. Auch Hermione kann nur abwarten, bis diese Briefe von selbst aufhören. Irgendwann wird es den Leuten langweilig werden, ihr Affairen anzudichten.
 

Du faltest den Brief zusammen und steckst ihn in das Päckchen mit dem Essen.
 

Es ist schon wieder größer ausgefallen, vermutlich wirst du zwei Eulen brauchen, um es transportieren zu lassen. Du suchst dir zwei aus, die auf einer der Stangen nebeneinander sitzen und gibst dir die größte Mühe, Hedwigs beleidigten Blick zu ignorieren. Es ist schwer, das Paket so festzuschnallen, dass sie es zwischen sich tragen können. Nächstes Mal solltest du wirklich versuchen, es ein wenig kleiner zu machen.
 

Aber Sirius ist doch so hungrig. Er kann doch nicht die ganze Zeit nur von Ratten leben...
 

Ein Geräusch lässt dich zusammenfahren, jemand hat hinter dir die Tür zur Eulerei geöffnet. Das fehlt gerade noch, dass irgendwer dir zusieht und sich über das große Paket wundert. Hoffentlich ist es jemand, der sich nicht für dich interessiert... aber davon gibt es an der Schule nicht viele. Wenigstens ist es jetzt wegen des Turniers und nicht mehr nur wegen der Narbe.
 

Aber wie es scheint, hast du heute kein Glück.
 

Draco Malfoy wirft dir einen spöttischen Blick zu, das selbe wissende Lächeln in seinen Mundwinkeln, das dich schon seit Wochen zu verfolgen scheint. Wenn niemand darauf achtet, nimmt er sich zusätzlich die Freiheit, sich mit der Zungenspitze über die Lippen zu fahren, als wärest du ein besonders leckerer Eisbecher bei Florean Fortescue und als könnte er es nicht abwarten, dich zu verzehren.
 

Du möchtest ihm etwas entgegenschleudern, einen Wutschrei, ein Schimpfwort, aber du bringst es nicht fertig, ihm diese Genugtuung zu geben. Es auszusprechen, würde es wirklich machen, würde ihm zeigen, dass es ihm gelingt, dich aus der Fassung zu bringen.
 

Diesen Triumph kannst du ihm nicht gönnen.
 

Du fühlst die Röte der Wut in dein Gesicht steigen und bist froh, als er sich abwendet und einen Brief hervorzieht. Seinen langen schmalen Finger öffnen den Umschlag und legen etwas hinein, einen kleinen silbernen Schlüssel. Anschließend bindet er den Brief an das Bein einer Schuleule und ignoriert den beleidigten Blick seines Uhus. Als sich die Eule aus dem Fenster erhebt, kannst du noch einen Blick auf den Umschlag werfen, doch er ist schon zu weit weg, um die Adresse noch lesen zu können. Sie ist allerdings ziemlich kurz, dessen bist du dir sicher.
 

Du bist dir auch sicher, dass du diesen Schlüssel kennst, aber die Erinnerung will nicht so recht kommen.
 

* * *
 

Aus dem Umschlag fiel ein kleiner silberner Schlüssel.
 

Das konnte doch echt nicht wahr sein! Malfoy hatte neben ihm in der Eulerei gestanden, er hätte ihm den Brief einfach geben können. Stattdessen hatte er sich nichts anmerken lassen und ihn an Harry weitergeschickt. Entweder wollte Malfoy ihn besonders dreist provozieren oder aber er war übervorsichtig.
 

Nun gut, sie hatten alle beide sehr viel zu verlieren, falls ihnen jemand auf die Schliche kam.
 

Aber dieser Schlüssel. Harry wusste ganz sicher, dass er ihn schon vor dem Zusammentreffen mit Malfoy gesehen hatte, aber zu der Frage wann und wo das gewesen sein könnte, ließ ihn seine Erinnerung im Stich. Er vermutete, dass einer der Lehrer ihn benutzt haben könnte, vielleicht für einen Schrank oder ein Klassenzimmer. Er hoffte inständig, dass es nicht Snape gewesen war, aber der Zaubertränkelehrer würde vermutlich keinen Schlüssel mit der Verzierung einer Rosenranke verwenden. Trelawny wäre das schon eher zutrauen, aber wofür und wozu?
 

Malfoy’s Brief war auch nicht sehr hilfreich. Du hast bis Mitternacht Zeit, die Tür zu finden, zu welcher dieser Schlüssel passt. Und was, wenn er diese Tür überhaupt nicht finden wollte? Er hatte nicht die geringste Lust auf weitere nächtliche Treffen. Gut, vielleicht war es etwas vermessen in diesem Zusammenhang von ’Keine Lust’ zu sprechen, aber darum ging es jetzt nicht. Eher darum, dass er keinesfalls als Idiot dastehen wollte, nur weil er ein solch einfaches Rätsel nicht lösen konnte.
 

Tagsüber versuchte er sich unauffällig an diversen Klassenzimmern, aber Hogwarts besaß über tausend verschiedene Türen (Geheimtüren nicht mitgerechnet) und selbst wenn er im Drei-Minutentakt von einer zur anderen wetzte und dabei wie durch ein Wunder nicht die Aufmerksamkeit der gesamten Schule auf sich zog, würde es ihn mehrere Tage kosten, sie alle auszuprobieren. Abends, während er darauf wartete, dass Ron und die anderen einschliefen, versuchte er es mit einer geistigen Lösung des Problems. Gab es denn eine irgendeine Tür, die im Zusammenhang mit einer Rosenranke stand? Oder hatte er dieses Symbol schon mal irgendwo gesehen?
 

Endlich, kurz vor elf Uhr, verriet der ruhige Atem seiner Mitschüler, dass er sich nun gefahrlos auf den Weg machen konnte. Da war er schon fast so weit, Dobby um Hilfe zu bitten, denn der Hauself wusste mit Sicherheit über Schlüssel und Türen Bescheid.
 

Als schlussendlich die Erkenntnis mit der sprichwörtlichen Wucht einer Bombe in seinen Geist einschlug, war es bereits zehn Minuten vor Mitternacht und Harry befand sich auf einer Treppe irgendwo zwischen dem fünften und dem sechsten Stock, nahe dem Aufgang zum Ravenclaw Turm. Zwei kostbare Minuten verlor er noch, bis die Treppe sich entschieden hatte, wo sie andocken wollte, dann jagte er wie ein geölter Blitz weiter nach unten, durchquerte einen Innenhof, wetzte den Betörungskunst-Korridor entlang, und stand schließlich atemlos vor der verschlossenen Tür von Gewächshaus Zwei, welches sich als einziges in einem offenen Flügel innerhalb der Schlüsselmauern befand.
 

Rosenranken und Gewächshaus, eigentlich hätte er viel früher darauf kommen müssen. Jetzt hatte er entweder Glück oder Malfoy meinte ein anderes Gewächshaus und erwartete von ihm, sich auch noch durch ein versperrtes Schlosstor zu manövrieren.
 

Er hatte kaum den Schlüssel im Schloss herumgedreht, als dieser sich auch schon zwischen seinen Fingern in Nichts auflöste. Es gab da tatsächlich irgendeinen Spruch, mit dem man Gegenstände kopieren konnte, aber da Hermione fand, dass dieser ihm beim Turnier keine unverzichtbare Hilfe sein würde, hatte Harry ihn nicht genauer nachrecherchiert.
 

Vorsichtig, damit die Tür nicht quietschte, schob Harry sie einen Spaltbreit auf und sich selbst hindurch.
 

Er schloss sie wieder und horchte angestrengt in die Dunkelheit. Ein Lumos-Zauber würde nicht notwendig sein, denn ganz so finster wie im Korridor war es hier nicht. Als er durch den schmalen Gang zwischen den Beeten schlich, sah er dass der unerwartete Lichtschein von den phosphoreszierenden Blüten einiger großer Büsche herrührte, welche in der Mitte des Gewächshauses einen kleinen Rasenplatz umrahmten. Der Weg endete hier, um auf der anderen Seite des Platzes wieder zu beginnen. Nur einige schmale Trittsteine führten noch über das Gras.
 

Kleine Nachtfalter schwirrten zwischen den schimmernden Blüten hin- und her, angelockt durch ihren phosphoreszierenden Lichtschein. Diese Blüten waren riesige violettfarbene Dolden, welche Harry ein wenig an Magnolien erinnerten. Sie verströmten einen süßlich-schweren Geruch wie überreife Früchte oder die Süßigkeiten im Honeydukes im ersten Moment, wenn man den Laden betrat. Ein Duft, der wie ein Versprechen in der Nase kribbelte, ein Versprechen auf zukünftige Köstlichkeiten.
 

Der Ort wirkte ganz anders als sonst. Harry fragte sich, warum er die Blüten während des Unterrichts nie gesehen hatte, aber vermutlich schlossen sie sich tagsüber und entfalteten sich nur im Mond- und Sternenlicht.
 

“Ich hätte wissen müssen, dass du bis zur letzten Minute warten würdest, um einen dramatischen Auftritt hinzulegen, Potter.“ Draco saß unter dem größten der Büsche auf dem Rasen, die langen Beine von sich gestreckt und spielte mit einem abgefallenen Blütenblatt.
 

Als Harry nähertrat, pustete er ihm das Blatt entgegen, welches durch die Luft tanzte und sanft zwischen ihnen auf dem Gras landete. “Obwohl, so besonders dramatisch war dein Auftritt nun auch wieder nicht. Ich hätte eigentlich erwartet, du kommst mit deinem Besen durchs Dach geflogen oder reitest auf einem von Hagrid’s Knallviechern. Damit hättest du dann mehr oder minder erfolgreich vor mir verbergen können, dass du zu blöd bist, um ein einfaches Rätsel zu lösen.“
 

“Malfoy, ich weiß zwar nicht, was dein Problem ist, aber ich bin mir sicher, dass es irgendwas Langes, Lateinisches ist.“ Harry hatte keine Lust auf alberne Wortgefechte. Eigentlich hatte er Lust auf sein Bett, eine Partie Zauberschach, Quidditch, und/oder ein Stück Zitronenkuchen. Da sich aber im Moment nichts davon in greifbarer Nähe befand, beschränkte er sich darauf, Malfoy finster anzustarren, als sei dieser allein dafür verantwortlich.
 

Was er ja im Grunde genommen auch war. Er hatte Harry an diesen seltsamen Ort voller tanzender Blüten und Farben und betörender Düfte gelockt, weil er genau wusste, dass Harry einem Rätsel nicht widerstehen konnte.
 

“Harrius Pottericus.“ Malfoy sprang mit einem Satz auf die Füße, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse. “Na, war das lang und lateinisch genug für dich? Ansonsten können wir auch gerne ’Harrius Pottericus Stupiditensis’ daraus machen.“
 

Warum benahm Malfoy sich so merkwürdig? Sein Schritt war beschwingt, seine Augen glänzten und die sonst so blassen Wangen hatten einen Anflug von Röte. Außerdem, wenn der Kerl ihn schon mitten in der Nacht hierher schleppte, hätte er doch wenigstens etwas Zitronenkuchen mitbringen können.
 

Aber nicht, dass die Hauselfen dem freiwillig welchen geben würden.
 

“Harrius Pottericus Stupiditensis Maximus.“ Draco wirbelte noch einmal herum, taumelte gegen Harry und riss ihn mit sich zu Boden. “Oops, jetzt bin ich gegen deine Brille gerannt. Was hast du auch so eine riesige Brille?“ Er legte den Kopf zur Seite und betrachtete Harry’s Brille mit einer Faszination, als habe er noch nie zuvor eine gesehen. “Leihst du mir die mal aus?“
 

Und bevor Harry ’nein’ oder ’Finger weg’ oder auch nur ’Verschwinde aus meinem Wahrnehmungsbereich’ sagen konnte, (was er zwar nie sagen würde, da Malfoy es einmal zu ihm gesagt hatte, und schließlich würde er niemals Malfoy’s Sprüche nachplappern, weil das erstens peinlich wäre und zweitens hatte Malfoy ohnehin kein Recht, ihm so etwas zu sagen, schließlich war er derjenige, der Harry immer hinterherlief, aber darum ging es jetzt nicht, es war nur eine rein hypothetische Überlegung) jedenfalls, bevor Harry irgendetwas Sinnvolles denken, sagen oder tun konnte, das Malfoy eventuell von seinem hinterhältigen Vorhaben hätte abhalten können, packte Malfoy Harry’s Brille, riss sie ihm von der Nase und sprang hämisch feixend auf.
 

“Jetzt ist es meine!“
 

“Gib sie her, Malfoy!“
 

Warum musste sein Körper sich ausgerechnet jetzt wie Watte anfühlen? Das war sooo ungerecht, schließlich konnte er morgen doch nicht ohne Brille zum Unterricht aufkreuzen. Die ganze Klasse würde ihn auslachen, wenn er halb blind gegen alle Tische und Bänke knallte. Und was würden erst die Lehrer sagen? Und Malfoy war es zuzutrauen, dass er das arme Ding einfach über die Burgmauern warf.
 

Im Geiste sah Harry sich schon auf seinem Besen ums Schloss herumfliegen und im Gebüsch nach der verschwundenen Brille suchen, da fiel ihm ein, dass er ja schließlich noch ein Paar Beine hatte, selbst wenn die sich im Moment wie Watte anfühlten. Er zog sich an den Zweigen des nächstliegenden, mit sonnengelben Blüten bestückten Busches hoch und machte sich an die Verfolgung des Brillendiebes.
 

Quidditch wäre noch eine Option gewesen, aber er hatte ja immer noch keinen Zitronenkuchen.
 

Die Büsche und bunten Blüten verschwammen, wie dunkle Schatten mit bunten Farbflecken huschten sie an ihm vorbei. Auch Malfoy selbst war nichts als ein Schatten mit einem hellblonden Farbtupfer auf seinem Kopf. Das einzige, das Harry klar und deutlich erkennen konnte, waren Malfoy’s Augen hinter den Brillengläsern, zwei riesige sturmgraue Wolkenstückchen, die ihn unverwandt anblickten, während ihr Besitzer sorgfältig darauf achtete, immer außerhalb seiner Reichweite zu bleiben. “Im Gegensatz zu dir seh’ ich mit dem Ding intelligent aus, Potter!“
 

“Nein, das Gesicht sieht man noch,“ entgegnete Harry trocken. Draco setzte zu einer Erwiderung an, doch vor lauter Potter hatte er wieder mal nicht auf den Weg geachtet, und stand plötzlich mit dem Rücken in einem Busch. Mit schnellem Griff riss er sich die Brille herunter, um sie von Harry wegzuhalten. Aber Harry packte seine Faust und versuchte sie aufzubiegen und wunderte sich dabei, warum Malfoy’s Haare diesen leichten Rosa-Ton angenommen hatten, aber vielleicht war Pink gerade Mode in Slytherin und außerdem war er sich nicht so ganz sicher, ob die Haare nicht vielleicht doch grün waren.
 

Vielleicht lag es aber auch nur am Lichtschein der Blüten, die gerade von Zartrosa zu einem kräftigen Lindgrün wechselten. Ihr Geruch durchdrang Harry’s Gedanken, machte seinen Körper rastlos und erweckte ihn ihm den Wunsch, seine Haut in ihrem Duft zu baden. Mit einer fließenden Bewegung zog er sich das T-Shirt über den Kopf, spürte die angenehme Kühle der Nacht auf seinem vom Herumtoben erhitzten Körper.
 

“Nanu, was ist denn hier passiert?“ Wie Ameisen kitzelten Draco’s Finger die nun glatte Unterseite seiner Achseln entlang, erkundeten die empfindliche Haut. “Macht sich da etwa jemand Gedanken um sein Aussehen?“
 

“Im Gegensatz zu dir, bin ich in der Lage zu denken.“ Harry packte Malfoy’s Fuß und versuchte die Spangen an seinem Schuh zu öffnen, aber irgendwie hatten diese damit begonnen, hin- und herzuhüpfen, um dem Griff seiner Hände zu entkommen. Nach einer kurzen Rangelei war Harry derjenige, der zu Boden ging, das Gras glatt und kühl unter seinem bloßen Rücken.
 

Malfoy lachte auf, ein kurzer kehliger Laut, der zu seinem spöttischen Blick passte. Doch es lag neben Spott noch etwas anderes darin, etwas das Harry nur als Hunger beschreiben konnte, auch wenn er sich sicher war, dass es dabei nicht um Zitronenkuchen ging. Malfoy’s Hand ergriff eine der Blüten, pflückte sie, warf sie in die Luft und ließ es Blütenblätter regnen. Wie rubinrote Schneeflocken fielen sie auf Harry’s Brust und Schultern, landeten in seinem zerzausten schwarzem Haar.
 

Ihre Berührung war hauchzart , ließ seine Haut sanft vor Erregung kribbeln. Malfoy’s Finger umfassten eines der Blütenblätter, er pflückte es aus Harry’s Haaren, als sei dieser selbst eine Blüte und begann damit, über dessen Haut zu streichen. Behutsam fuhr er die Konturen seines Gesichtes entlang, um die Augen, die Ohren und dann die Wangenknochen übers Kinn bis hinunter zur Kehle. In der Halsgrube ließ er das Blatt schließlich liegen, und seine Augen schienen genau zu beobachten, wie es sich unter Harry’s heftiger werdendem Atem hob und senkte.
 

Erneut griff er danach, aber diesmal wanderte die seidige Berührung weiter über die Innenseite von Harry’s Armen, zuerst den rechten, dann den linken. Wie in Zeitlupe kreiselte das Blütenblatt über der empfindsamen Beuge seines Ellenbogens, sandte prickelnde Impulse durch seine Haut. Das erste Mal ließ Malfoy sich wirklich Zeit, seinen Körper zu erkunden, quittierte jeden Seufzer, jedes Erschauern mit einem Blinzeln und diesem spöttischen Lächeln in seinem Mundwinkel, das Harry nur allzu gut von ihm kannte.
 

Das Blütenblatt wanderte über seine nackte Brust, und obwohl Malfoy’s Finger ihn gar nicht berührten, konnte Harry mit jedem Atemzug die Wärme seiner Hand fühlen. Er schwebte in einer watteweichen Wolke aus Blütenduft und fühlte sich durchdrungen von süßen Wohlgerüchen. Irgendwo im hintersten Winkel seines Verstandes schimpfte eine kleine Stimme, dass es ganz schön mies von Malfoy gewesen war, ihn hierher zu locken, und erst als das wohlige Gefühl die nervtötende kleine Stimme schon wieder zum Schweigen gebracht hatte, wurde ihm bewusst, dass er den Gedanken laut ausgesprochen haben musste, denn Malfoy’s Grinsen wurde noch ein wenig breiter.
 

“Solanum lunaris.“ Die Worte wurden leise an seinen Mundwinkel geraunt. “Wie es scheint, haben wir jetzt alle beide ein langes lateinisches Problem, Potter.“
 

“Du hast es gewusst.“ Es war eine Feststellung, keine Frage und die kleine Stimme in seinem Hinterkopf verlangte, dass er empört aufspringen und Malfoy eine reinhauen solle. Aber irgendwie lag er gerade zu bequem und außerdem hatte Malfoy sich ohnehin in seiner eigenen Falle gefangen.
 

Harry blickte in Malfoy’s fiebrig glänzende Augen und entschied, dass er sich nicht länger wie ein vom Drachen geraubter Jüngling zwischen Blütenblättern räkeln wollte. Er rollte sich herum und begrub den Slytherin unter sich – das war weniger anstrengend, als ihm eine reinzuhauen und es hatte ungefähr dieselbe Wirkung.
 

Instinktiv stemmte Malfoy sich mit beiden Händen gegen seine Brust, doch Harry war flink genug, vorher seine Arme um ihn zu legen und die Schnürungen seiner Robe an den Seiten zu lösen. Er besaß nicht genügend Spielraum, um sie Malfoy über den Kopf ziehen zu können, aber sie saß jetzt locker genug, dass er daruntergreifen konnte. Auch das Hemd bereitete ihm keine größeren Schwierigkeiten, da es nur Knöpfe hatte und keine weiteren komplizierten Schnürungen.
 

Voller Genugtuung spürte er, wie Malfoy’s Muskeln sich unter seinen Berührungen verkrampften. Sein Erzfeind gebärdete sich wie ein wild bockender Hengst in dem verzweifelten Versuch, Harry abzuwerfen. Harry verspottete ihn – und lag plötzlich selbst wieder auf dem Boden, zwischen Grashalmen, Blütenblättern und wild verstreuten Kleidungsstücken, bei denen er keine Ahnung hatte, wann sie ihm abhanden gekommen waren. Doch das spielte jetzt auch keine Rolle. Dieses Mal gab es keinen Badeschaum, der Malfoy’s Körper vor seinen Blicken verborgen hätte.
 

Malfoy war ihm ausgeliefert und er ihm ebenso. Es war aufregend, ihn an Stellen zu berühren, wo er ihn noch nie zuvor berührt hatte, etwa an der empfindlichen Haut seiner Kniekehle, an der Innenfläche seiner Hände oder zwischen Kopf und Nacken hinter seinen Ohrmuscheln. Es war wie ein weiteres Duell zwischen ihnen und Harry war gespannt, wer den anderen als erster besiegen würde.
 

Malfoy war für Harry die verbotene Frucht, einfach aufgrund dessen, wer sie beide waren. Was zwischen ihnen stand. Aber das bedeutete jetzt nichts, denn hier in dieser zeitlosen Wolke aus Blütenduft gab es keine Grenzen mehr. Hier auf dem kühlen Gras, unter den samtigen Berührungen der Blütenblätter, lieferte er sich ihm aus und nahm sich, wonach er sich so verzweifelt sehnte.
 

* * *
 

April 15th, 1995
 

Du weißt, dass nichts davon wahr ist.
 

Es sind nichts weiter als Alpträume, Geschöpfe aus Schatten und Angstphantasien. In ihnen wanderst du die Korridore eines alten Herrenhauses entlang, nein, du wanderst nicht, du wirst von jemandem getragen. Der Boden knarrt unter seinen Füßen. Sein Arm hält dich nicht warm und sicher, sondern schief und zitternd, voller Furcht und Abscheu.
 

Doch diesmal ist es anders. Keine Korridore, nur die Dunkelheit eines Mantels über dir. Du musst fort, so schnell wie möglich fort aus deinem Versteck. Du bist entdeckt worden.
 

Entdeckt, oder verraten? Niemand weiß, dass du hier bist, nur zwei treue Diener. Keiner von beiden kann es gewesen sein, du würdest wissen, wenn sie lügen. Wie also hat Severus dich gefunden? Auch er war einst ein treuer Diener, aber jetzt ist er nur noch ein Verräter. Er kann es nicht gewusst haben.
 

Ein Verdacht keimt in dir auf. Sie könnte es getan haben, ja sie. Du hast ihren Geist berührt, du hast ihn besessen. Vielleicht ist etwas darin zurückgeblieben. Etwas hinter den Spiegeln. Etwas, das lebt und sieht und weiß.
 

Harry, geh’ nicht nach Ezhamavid.
 

Nein, Harry, geh’ nicht nach Ezhamavid.
 

Wenn du nach Ezhamavid gehst, wirst du sterben!
 

Deine Laken sind schweißgebadet, dein Geist dreht sich, deine Haut glüht wie im Fieber. Es ist gut, es ist alles gut. Die Atemzüge deiner Zimmerkameraden sind ruhig und gleichmäßig, noch kann es nicht Morgen sein. Du bist durstig, du möchtest etwas trinken. Nein, kein Wasser, sondern etwas, das die Träume fernhält.
 

Ein Schatten bewegt sich außerhalb des Fensters. Du starrst angestrengt in die Dunkelheit, in der Hoffnung, es könnte vielleicht eine Eule sein. Eine Eule mit einer Nachricht. Es ist schon wieder eine ganze Weile her.
 

Du willst es dir nicht eingestehen, willst den Gedanken mit Macht beiseite schieben. Schließlich kannst du ihn nicht ausstehen, willst nicht in seiner Nähe sein.
 

Aber eben diese Nähe hält die Träume fern. Es ist als scheuen sie die Berührungen, die Leidenschaft, die in euch beiden brennt. Wie Schatten, die im Licht nicht existieren können.
 

Ich hasse dich, lass mich nicht allein...
 

* * *
 

Es war also tatsächlich das Anwesen der Riddles gewesen...
 

Er hatte alles aufs Sorgfältigste überprüft und sogar den Raum gefunden, in dem sich Pettigrew und der Dunkle Lord aufgehalten hatte. Alles stimmte überein, selbst der Lehnstuhl auf welchem der nicht-menschliche Körper seines ehemaligen Meisters gesessen hatte. In diesem Haus war der Muggle Frank Bryce ermordet worden – hatte auch er Dinge gesehen, die nicht für seine Augen bestimmt gewesen waren?
 

Doch der Dunkle Lord hatte seine Spuren gut verwischt. Nichts deutete mehr darauf hin, dass irgendjemand dieses Haus als Zuflucht verwendet hatte. Selbst der Staub befand sich wieder an den richtigen Stellen.
 

Severus ließ sich in seinen Sessel sinken und stützte den Kopf in die Hände. Hätten sie die Hinweise auf das Riddle-Anwesen doch schon früher gefunden. Die Zeichen waren doch überdeutlich gewesen, wie hatten sowohl Dumbledore, als auch er selbst sie übersehen können? Warum waren sie alle beide so blind gewesen?
 

“Grämen Sie sich nicht, Severus, wir konnten nicht erwarten, ihn noch dort zu finden.“ Während Severus’ Bericht hatte Dumbledore hauptsächlich geschwiegen und ihn nur unterbrochen, um bei einigen Details nachzufragen. Jetzt stand er schon eine Weile reglos am Fenster und starrte in die Schwärze des Sees hinaus. Er machte keinen Versuch, auf und ab zu wandern, wie er es normalerweise tat, wenn er überlegte.
 

“Wir haben also für den Moment keine Möglichkeit herauszufinden, wo er sich verbirgt. Also bleibt uns nur, Harry weiter zu beschützen, damit er nicht in Voldemort’s Hände fällt.“
 

“Wir tun seit Jahren nichts anderes, Direktor.“ Severus merkte selbst, wie erschöpft und gereizt seine Stimme klang. Wieder einmal waren sie mit ihren Überlegungen in einer Sackgasse gelandet. Wieder einmal entzog der Dunkle Lord sich ihren Gedankengängen. Er war ihnen immer einen Schritt voraus.
 

“Ich glaube trotzdem, dass ich eine vage Vermutung habe, was Voldemort mit Harry vorhat...“
 

Der Alte und seine vagen Vermutungen. Er konnte es echt nicht mehr hören. Manchmal kam er sich vor, als wären sie alle nur Figuren in einem Schachspiel in welchem Dumbledore und der Dunkle Lord die Figuren bewegten.
 

“Wie wir beide sehr genau wissen, Severus gibt es schwarzmagische Rituale, um einer umherirrenden Seele einen neuen Körper zu erschaffen, den sie bewohnen kann...“
 

“Nein!“ Severus fuhr aus seinem Sessel hoch. “Das kann nicht sein! Nicht dieses Ritual! Und nicht mit Potter! Das ist einfach nicht möglich!“
 

Fleisch des Dieners, willentlich gegeben... Du wirst Deinen Meister wiedererwecken...
 

Unwillkürlich fuhr seine Hand zu seiner vernarbten Schulter. Severus empfand selten Furcht, er war schon zu abgestumpft gegenüber Gefühlen, aber jetzt kroch sie in ihm empor wie eine giftige kleine Schlange. Er wandte den Blick Dumbledore zu, forschte in dessen Augen nach irgendetwas, Unsicherheit, Bedenken, Zweifel oder zumindest eine gesunde Skepsis. Eine vage Vermutung hatte Dumbledore es genannt. Trotzdem schien er sich seiner Sache unglaublich sicher zu sein.
 

“Ein sehr kluger Mann, ein Muggle, sagt einst: ’Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was am Ende übrigbleibt, die Wahrheit sein, wie unwahrscheinlich es auch sein mag.“
 

Severus antwortete nicht. Er stand reglos, verriet mit keiner Miene wie aufgewühlt er innerlich war. Verdammt, es passte zusammen, es passte tatsächlich zusammen. Er hatte lange genug mit dem Dunklen Lord zu tun gehabt, um seine Denkweise zumindest ansatzweise zu verstehen. Blut des Feindes – wer würde auch nicht den stärksten und gefährlichsten Feind dafür verwenden, schon allein um den eigenen Triumph vollkommen zu machen? Natürlich, in gewisser Weise war Dumbledore der gefährlichste Feind, aber Harry Potter war derjenige, der den Dunklen Lord vor den Augen der Welt besiegt hatte. Das war eine Schmach, die es zu überwinden galt. Nicht zuletzt schrieb der Mythos Potter allerhand besondere Kräfte zu, die der Lord ebenfalls sein eigen nennen würde, wenn er Potter’s Blut für seinen neuen Körper verwendete.
 

Pettigrew’s rechte Hand! Auch davon hatte sein ehemaliger Meister in Potter’s Vision gesprochen. Er hatte also Pettigrew als seinen Diener auserwählt. Das wiederum schien keine sehr kluge Wahl, denn Pettigrew verfügte definitiv über keine besonderen Fähigkeiten, außer vielleicht seinen Animaguskräften. Andererseits war es möglicherweise auch Absicht, einen Diener zu verwenden, der vollkommen von der Gnade seines Meisters abhängig war und der keinerlei Möglichkeiten besaß, sich gegen diesen zur Wehr zu setzen oder sich am Ende gar zu rächen.
 

Wobei sich die Frage stellte: Konnte der Dunkle Lord überhaupt einen anderen Diener verwenden? Wie vielen seiner ehemaligen Anhänger hatte er sich offenbart und wem konnte überhaupt noch vertrauen? Seine treuesten Diener saßen in Azkaban und alle, die davongekommen waren, hatten in den letzten dreizehn Jahren ein mehr oder minder bürgerliches Leben geführt. Würden sie es aufs Spiel setzen, um einem halbtoten Geist zu neuer Macht zu verhelfen?
 

Seine Pläne mochten hochtrabend sein, doch sein gegenwärtiger Zustand war immer noch sehr schwach. Alles, was sie also tun mussten, war, ihn rechtzeitig aufzuspüren und ihm einen Riegel vorzuschieben.
 

“Nun, wie gesagt, es ist lediglich eine Vermutung und es ist durchaus möglich, dass ich mich irre. Allerdings waren Voldemort’s Worte ein ziemlich deutlicher Fingerzeig in diese Richtung, ganz besonders die Bemerkung über Pettigrew’s Hand.“
 

Dumbledore lehnte sich nach vorne. “Desweiteren habe ich mir erlaubt, den Friedhof in Little Hangleton von einem vertrauenswürdigen Zauberer überprüfen zu lassen und dort gab es definitiv Hinweise auf magische Aktivitäten, was meinen Verdacht noch erhärtet. Schließlich befindet sich dort die dritte Komponente, die Voldemort für das Ritual noch benötigen würde.“
 

Der Knochen des Vaters? Die Todesser waren also dort gewesen, vermutlich um das Grab des alten Riddle zu entweihen. Damit hätten sie tatsächlich zwei der drei Komponenten, um das Ritual durchzuführen. Nur die letzte fehlte ihnen noch.
 

Harry Potter’s Blut...
 

Aber wie wollten sie an den Jungen herankommen? In Hogwarts war er vor ihrem Zugriff sicher, nicht einmal der Dunkle Lord selbst konnte dort gegen Dumbledore’s Willen – nein, er hatte es bereits getan. Mit Hilfe von Quirrell hatte er ins Schloss eindringen können.
 

Allerdings hatte er selbst Harry Potter nicht berühren können. Er musste also jemand anderen auf ihn ansetzen. Pettigrew vielleicht? Seine Animagus-Form war bekannt, aber wie sollte Dumbledore eine winzige Ratte davon abhalten, sich ins Schloss zu schleichen?
 

“Schuldirektor.“ Severus räusperte sich. “Was genau verstehen Sie unter magischen Aktivitäten? Wurde das Grab von Tom Riddle Senior geschändet, um an die erste Komponente zu gelangen?“
 

“Ich fürchte, ja.“ Dumbledore blickte ihn ernst über den Rand seiner halbmondförmigen Brille an. “Aber diesen Bericht sollen Sie aus erster Hand erfahren. Sie erinnern sich, dass ich neben Ihnen noch einen zweiten Zauberer ins Vertrauen gezogen habe? In Zukunft wollen wir zu dritt zusammenarbeiten und gemeinsam werden wir hoffentlich einen Weg finden, um Voldemort’s Pläne durchkreuzen.
 

Severus, mir ist durchaus bewusst, dass Sie und Alastor nicht gerade die besten Freunde sind, aber manchmal ist es nötig, persönliche Differenzen außen vor zu lassen. Wir müssen uns hier auf das Wesentliche konzentrieren...“
 

* * *
 

April 23rd, 1995
 

Ihr Haar sieht so schön aus, wenn es in der Sonne glänzt…
 

Lackschwarz mit einen ganz leichten Anflug von Blau. Als die Fünftklässler vor einigen Tagen aus dem Gewächshaus Drei kamen, konntest du es genau sehen. Leider nur von Weitem, von der Balustrade aus. Dennoch war es ein ganz besonderer Anblick. Wie gern würdest du es noch einmal aus der Nähe sehen.
 

Oder vielleicht sogar berühren. Aber sie zu berühren, erscheint dir fast wie ein Sakrileg. Es wäre, als würde man eine Blüte packen und einfach mit den Fingern abreißen. Sie ist nicht dazu gedacht, berührt zu werden. Sie ist etwas, das man aus der Ferne bewundert wie ein schönes Bild oder ein Monument. Es reicht vollkommen aus, wenn sie dich ab und zu ansieht und lächelt. Aber selbst das tut sie kaum noch. Sie ist mit ihren Gedanken ja nur bei ihm.
 

Cedric Diggory ist ein Blödmann. Selbst wenn er dir geholfen hat. Was findet sie nur an ihm? Er ist vielleicht älter als du, aber du bist mindestens ebenso cool wie er.
 

Nein, eigentlich ist er schon in Ordnung. Du bist eifersüchtig, das ist alles. Weil du sie magst und weil sie Diggory dir vorzieht.
 

Und aus lauter Frust machst du jetzt mit einem Typen rum, den du nicht mal ausstehen kannst?
 

Nein, so ist das nicht. Es ist anders.
 

Aber mit Worten kannst du gar nicht beschreiben, wie es ist. Wie es wirklich ist. Seit dem Quidditch-Spiel im letzten Jahr war sie immer ein Teil deines Lebens. Du warst glücklich, wenn du ab und zu in ihr schönes Gesicht blicken oder die Melodie ihrer Stimme hören konntest. Bewunderung, Träumerei und ein kleines bisschen Erfurcht.
 

Aber es war nie so, dass dein ganzer Körper brannte, wenn sie vorbei ging. Du hast dir nie vorgestellt, ihren Schweiß zu riechen oder ihren Atem auf deiner Haut zu spüren. So etwas hättest du nie gewagt. Aber er... schon allein ihn anzusehen, sorgt dafür, dass das Blut durch deinen Körper schießt. Das hat nichts mit mögen zu tun, es ist einfach nur pure Begierde. Noch nie hast du etwas Ähnliches empfunden. Das Einzige, womit es sich ansatzweise vergleichen lässt, ist der Spiegel von Erised. Auch zu diesem Spiegel bist du immer wieder zurückgekehrt. Weil dein Verlangen so stark war. Weil du es nicht unter Kontrolle hattest.
 

Dumbledore hat der Sache damals ein Ende gesetzt. Würde er das auch diesmal tun, wenn er Bescheid wüsste? Schließlich ist es nicht eben ungefährlich, was du tust. Was, wenn Malfoy die Situation ausnutzt, um dir zu schaden? Noch mehr, als er es ohnehin schon tut?
 

Andererseits geht es Dumbledore überhaupt nichts an. Er soll seine lange Nase nicht in dein Privatleben stecken.
 

Malfoys höhnisches Lachen klingt zu dir herüber. Du weißt nicht, worüber er mit den anderen Slytherins gesprochen hat, aber als du zu ihm hinüber siehst, fängt er für einen winzigen Moment deinen Blick auf und verzieht die Mundwinkel zu einem Grinsen. Er lässt langsam, ganz langsam die Zungenspitze über seine leicht geöffneten Lippen wandern. Dann zieht er die Augenbrauen hoch und streicht mit den Fingerkuppen über den Stiel des alchemistischen Gefäßes, das er gerade in der Hand hält. Nach oben und wieder nach unten.
 

Dir wird heiß. Alles um dich herum wird still. Die Röte schießt dir in die Wangen und du hast das Gefühl, alle Blicke wären auf dich gerichtet.
 

Nur, dass es mehr als ein Gefühl ist. Alle Blicke sind auf dich gerichtet.
 

Nur die Stille bleibt nicht. Sie wird von einer schneidenden Stimme unterbrochen. „Nachsitzen, Potter.“
 

* * *
 

“Das hat Malfoy doch mit Absicht gemacht,” empörte sich Ron. „Er hat Harry mit seinen Faxen abgelenkt, weil er wollte, dass Snape ihm eine Strafarbeit verpasst.“
 

„Aber selbst Malfoy konnte nicht wissen, dass Professor Snape Harry ausgerechnet in diesem Moment nach der Verwendung von Baumschlangenhaut fragen würde. Was war nur mit dir los, Harry? Er hat dich ganze drei Mal gefragt? Du solltest es doch besser wissen, als ausgerechnet im Zaubertränkeunterricht vor dich hin zu träumen.“
 

Hermione hatte recht und Harry wusste es. Wie hatte er nur so dumm sein können? Snape war jeder Vorwand recht, um ihm eins reinzuwürgen, da musste er ihm nicht auch noch in die Hände spielen. Nachsitzen bei dem alten Widerling war nicht unbedingt das, was er sich unter einem erfolgreichen Auftakt fürs Wochenende vorstellte.
 

Schon als er an die Tür zum Zaubertränkelabor klopfte und es nicht Snape’s Stimme war, die ihn zum Eintreten aufforderte, hatte er die vage Vermutung, dass Ron’s Theorie nicht ganz aus der Luft gegriffen war. Es war nämlich nicht Professor Snape, der in dem großen Ohrenbackensessel herumlümmelte und dabei frech die Füße auf den dazugehörigen Schreibtisch gelegt hatte.
 

„Du!“ Automatisch fuhr Harry’s Hand zum Zauberstab, aber gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass es wohl nicht klug war, Malfoy ausgerechnet hier anzugreifen. Was, wenn Snape sich doch in der Nähe befand? Eine weitere Strafarbeit für morgen wollte er sich mit Sicherheit nicht einfangen. Damit wäre das Wochenende endgültig gelaufen.
 

„Du solltest besser auf deine Ausdrucksweise achten, falls das für jemanden mit deiner Intelligenz nicht zu viel verlangt ist,“ höhnte Malfoy, der sich in seinem Triumph suhlte. Harry schwieg jedoch, ohne auf die Stichelei einzugehen. „Wo ist Professor Snape?“ fragte er schließlich.
 

„Beschäftigt. Er ist drüben in seinem privaten Labor bei einer äußerst wichtigen Aufgabe, die keinerlei Aufschub duldet.“ Malfoy legte eine kurze Pause ein, offenbar wartete er darauf, dass Harry nachfragen würde. Den Gefallen tat Harry ihm aber nicht.
 

„Wie dem auch sei, jedenfalls hat Professor Snape mir die ehrenvolle Aufgabe übertragen, deine Strafarbeit zu beaufsichtigen. Du wirst die getrockneten Achillea-Blüten von ihren Stielen entfernen, anschließend pulverisieren und das Pulver in diesen Flakons sammeln. Und achte bloß darauf, dass nicht das geringste Stückchen Stiel in das Blütenpulver gerät, sonst wird es als Zaubertrankzutat wertlos.“
 

Harry wollte gerade etwas erwidern, als Malfoy hinzufügte: „Sei froh, dass es nur Blüten sind und keine Flobberwürmer.“
 

Harry würdigte Malfoy keines weiteren Blickes und ging nach hinten durch zu den Arbeitstischen, wo bereits mehrere große Weidenkörbe voller getrockneter Blumen lagen. Er setzte sich, hob das erste Bündel auf den Tisch und machte sich daran, die winzigen weißen Blüten abzuknibbeln. Mit äußerster Selbstbeherrschung zwang er sich dazu, sich nicht umzudrehen, als er Malfoys Schritte hinter sich hörte.
 

„Ein bisschen mehr Fingerfertigkeit könnte dir nicht schaden,“ hauchte Malfoy in seinen Nacken. Er stand jetzt so dicht hinter Harry, dass dieser nicht nur seinen Atem spüren, sondern auch seinen Duft riechen konnte. Einerseits war es irritierend, dass so viele männliche Zauberer Parfums benutzten, andererseits schienen viele dafür ein Händchen zu haben, denn im Gegensatz zu den oft aufdringlichen Duftwässerchen der Mädchen waren ihre Gerüche dezenter und angenehmer.
 

Dieser Geruch hatte etwas Herbes, Samtiges an sich, das so gar nicht zu einem kalten berechnenden Frosch wie Malfoy passen wollte. Wie ein warmer Windhauch oder ein Sommertag im Wald. Plötzlich sehnte Harry sich danach, draußen an der frischen Luft zu sein und nicht in einem unterirdischen Kerker zu hocken und sinnlose Strafarbeiten zu verrichten. Ganz besonders nicht mit seinem Erzfeind im Nacken.
 

„Kein Grund, so den Kopf einzuziehen.“ Zwei Hände legten sich rechts und links auf seine Schultern und schoben sie mit sanften Druck nach unten. „Wenn ich dich hätte angreifen wollen, hätte ich die Gelegenheit dazu schon längst gehabt. Aber ich hab’ ja was ich wollte, nicht wahr? Du bist mir für die nächsten drei Stunden hilflos ausgeliefert. Ich kann mit dir machen, was ich will.“
 

Harry verharrte ungläubig in der Bewegung, während Malfoys Finger über seine Schultern und seinen Nacken glitten. Das konnte Malfoy nicht ernst meinen. Nicht in Professor Snape’s Labor. Überall, aber nicht hier. „Willst du mich verkohlen, Malfoy?“
 

„Nein, dich ein bisschen zu foltern reicht mir vollkommen aus.“ Wie immer schien Malfoy unglaublich von sich selbst überzeugt. Er hob die Hände an, nur um Harry stattdessen mit den Fingernägeln zu traktieren. „Lass dich bloß nicht von der Arbeit abhalten, Potter. Professor Snape wird gar nicht zufrieden sein, wenn er später zurückkommt und du hast nichts geschafft.“
 

„Worauf du dich verlassen kannst, Blödmann.“ Harry hatte nicht vor, sich durch irgendetwas, das Malfoy sagte oder tat, ablenken zu lassen. Mit voller Wucht pfefferte er den fertigen Strauß in einen leeren Korb und machte sich an den nächsten. Von jetzt würde er das tun, was bei Malfoy am besten funktionierte. Ihn einfach ignorieren.
 

Er starrte auf seine Hände und die Blüten, während er arbeitete und verzweifelt darauf hoffte, dass Malfoy nicht mitbekam, wie sein Körper unter den Berührungen zusammenzuckte. Am Rücken war er nicht so empfindlich, an der Seite jedoch umso mehr. Malfoy hatte das bereits herausgefunden und nutzte es gnadenlos aus. Wahrscheinlich führte er irgendwo heimlich Buch über die Schwächen seiner Gegner.
 

Seiner Gegner? Harry fragte sich plötzlich, ob Malfoy nur mit ihm solche Dinge anstellte, oder ob es für ihn eine altbewährte Methode war, um andere aus dem Konzept zu bringen. Oder machte Malfoy mit jedem rum, auf den er gerade Lust hatte und dachte gar nicht weiter darüber nach?
 

In diesem Punkt schien die Zaubererwelt genau wie die Mugglewelt zu sein. Jungs konnten tun, was immer sie wollten, während Mädchen auf ihren Ruf achten mussten. Eigentlich war es ziemlich unfair.
 

Harry versuchte, sich daran zu erinnern, ob Malfoy laut Gerüchteküche eine offizielle Freundin oder einen Freund hatte, aber da er nie groß auf den Klatsch und Tratsch in der Schule geachtet hatte, konnte er es nicht mit Bestimmtheit sagen. „Was wäre eigentlich, wenn deine tollen Slytherin-Freunde herausfinden würden, was wir miteinander anstellen?“ entschied er sich schließlich für einen Direktangriff.
 

Malfoy’s Hände krallten sich so fest in seine Haut, dass es beinahe wehtat. „Falls du glaubst, du kannst mir drohen, vergiss es! Wer sagt denn, dass sie nicht schon längst Bescheid wissen, hm? Wer sagt denn, dass wir uns nicht abends im Gemeinschaftsraum köstlich darüber amüsieren, wie der große Harry Potter sich von mir flachlegen lässt?“
 

Harry packte Malfoys Arm und versuchte dessen Hand unter seiner Robe hervorzuziehen. „Das hätte vielleicht funktioniert, wenn du es ihnen im Januar erzählt hättest, als es noch das erste Mal war. Jetzt aber haben wir April. Ist dir eigentlich klar, dass diese Sache schon seit drei Monaten läuft? Wohin soll das führen?“
 

„Ich kann dir genau sagen, wohin es führt.“ Malfoy beugte sich über Harry und begann an dessen Hals herumzuknabbern. „Ich vögele dich, solange ich Lust auf dich habe und wenn es mir irgendwann langweilig wird, lass’ ich dich fallen wie eine heiße Kartoffel.“
 

Harry packte Malfoy’s Kopf mit beiden Händen und drückte ihn mit aller Kraft von sich weg. „Das war’s!“ fauchte er. „Du lässt in Zukunft deine verdammten Hände von mir oder es ist das letzte Mal, dass du welche gehabt hast.“
 

„Ach, was ist denn hier passiert?“ Mit einer Bewegung seines Ärmels wischte Malfoy den fast fertig entblüteten Strauß vom Tisch. „Kannst du denn nicht aufpassen, Potter? Das sind wertvolle Zaubertrankzutaten.“
 

„Du hebst das auf,“ zischte Harry zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Wut schnürte ihm beinahe die Stimme ab. Glaubte dieser verdammte Mistkerl eigentlich, er könne sich alles erlauben?
 

„Bist du sicher, dass du das wirklich riskieren willst?“, hauchte Malfoy an Harry’s Ohr. In einer einzigen fließenden Bewegung ließ er sich auf die Knie sinken und schlüpfte mit der Anmut einer Raubkatze unter den Tisch.
 

Harry versuchte seinen Stuhl nach hinten zu schieben, aber Malfoy hielt eines der Stuhlbeine fest, während er sich langsam zwischen Harry’s Knie schob. Harry zuckte zusammen, als er den hungrigen Ausdruck in den blitzenden grauen Augen sah, die ihn unverwandt anstarrten. Während eine Hand noch das Stuhlbein festhielt, machte sich die andere bereits am Reißverschluss seiner Hose zu schaffen. „Eins muss man diesen albernen Muggle-Hosen lassen, einfach zu öffnen sind sie.“
 

Harry wollte aufspringen, schreien, Malfoy fortstoßen, irgendetwas, aber seine Muskeln waren wie gelähmt und jeder Laut blieb ihm in der Kehle stecken.
 

In der Eingangstür stand Professor Snape...
 

Einen schrecklichen Augenblick lang war Harry sich sicher, dass jetzt alles vorbei war und er seine Koffer packen konnte. Schlimmer noch, sein Ruf war für alle Zeiten ruiniert. Noch jahrelang würde die Zaubererwelt hinter vorgehaltener Hand darüber tuscheln, warum Harry Potter von der Schule geflogen war. Und Snape würde dafür sorgen, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit geriet.
 

Das einzig Gute an der Sache war, dass es auch Malfoy erwischte. Snape konnte ihn da nicht mehr rausholen. Wenn Harry flog, dann auch Malfoy.
 

„Sie haben gerade mal einen halben Korb geschafft, Potter. Wenn Sie in diesem Tempo weiterarbeiten, sitzen Sie bis morgen früh hier.“
 

Harry war so verwirrt, dass ihm die Worte fehlten, aber im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass Snape Malfoy von der Tür aus gar nicht sehen konnte. Die großen Weidenkörbe verdeckten vollständig den Blick auf ihn. Snape hatte also noch gar nicht bemerkt, was unter dem Tisch vorging.
 

Wenn Malfoy klug war, würde er sich jetzt einfach ganz still verhalten.
 

„Ich versuche mein Bestes, Professor.“ Harry beugte sich wieder über die getrockneten Blumen, während er darum kämpfte, einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Vielleicht würde Snape nur kurz bleiben und gleich wieder verschwinden.
 

„Ihr Bestes, Potter, war für meinen Unterricht noch nie gut genug.“ Snape starrte ihn durchdringend an.
 

Harry lag die Erwiderung schon auf der Zunge, als er plötzlich eine Berührung verspürte. Im ersten Moment glaubte er noch an einen Zufall, aber schon Sekundenbruchteile danach, war die Berührung unmissverständlich.
 

Malfoy war ganz und gar nicht klug. Malfoy war ein verdammter Idiot und ein hinterhältiger Mistkerl noch dazu.
 

„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“ Snape betrachtete Harry mit einer Mischung aus Abneigung und Amüsement. Harry fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, er hatte keine Ahnung, was er jetzt sagen sollte. Er hatte nicht einmal eine Ahnung, ob er überhaupt in der Lage war, einen zusammenhängenden Satz herauszubringen.
 

Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Seine Hände zitterten unkontrolliert, als er nach der nächsten Pflanze griff, aber zum Glück ließ er sie nicht fallen. Noch nicht.
 

„Sie wissen, dass Sie diese Strafe verdienen, nicht wahr?“ fragte Snape provokativ. „Sie mögen sich ja für unglaublich clever halten, aber ich kann eins und eins zusammenzählen.“
 

‚Das wäre mir neu,’ schoss es Harry durch den Kopf und er krallte sich mit einer Hand an der Tischkante fest, um nur ja keinen Laut von sich zu geben. Er überlegte kurz, ob er es riskieren konnte, mit der anderen Hand unter den Tisch zu greifen und Malfoy eine wohlverdiente Ohrfeige zu verpassen. Eine Genugtuung wäre es allemal.
 

Snape trat plötzlich einen Schritt in den Raum hinein, direkt auf ihn zu. „Wenn Sie eine Aufgabe des Turniers mit Hilfe von Gillyweed lösen und eben dieses Kraut in der Nacht zuvor aus einem meiner Vorratsschränke verschwindet, was schließen wir daraus?“
 

Harry bekam einen solchen Schreck, dass er hörbar die Luft einsog und sich an seinem eigenen Atem verschluckte. Dass sich irgendwo in seinen Hustenanfall ein leises Stöhnen verirrte, trug nichts dazu bei, um die Situation einfacher zu bewältigen.
 

„Interessant, wozu ein schlechtes Gewissen führen kann“, bemerkte Snape. „Meinen Sie nicht, dass Sie sich besser fühlen würden, wenn Sie mir einfach die Wahrheit sagen?“
 

‚Nicht um alle Rennbesen dieser Welt’, dachte Harry, während ein heftiges Beben durch seine Knie lief. Rennbesen, das war überhaupt die Lösung. Er musste an Rennbesen denken. Oder an Skrewts. Ja, ganz genau, an Skrewts. Skrewts, deren Stacheln explodierten.
 

Nein, lieber doch nicht. Explosionen waren jetzt irgendwie das falsche Thema.
 

„Benötigen Sie vielleicht ein Glas Wasser, bevor Sie hier noch den Erstickungstod sterben?“, fragte Snape. Harry presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Das Letzte, was er jetzt wollte, war, dass Snape noch näher kam oder gar um ihn herum zum Wasserhahn ging. Seine Finger zerdrückten die Pflanze, die sie gerade umfassten.
 

„Sie sollen die Blüten entfernen, nicht den Stiel zerdrücken.“ Snape’s Stimme wurde gefährlich leise. „Können Sie sich nicht einmal die einfachsten Dinge merken? Würden Sie zusätzlich gern einen Aufsatz schreiben, zum Thema: ‚Wie ich mit Trankzutaten umgehe?’“
 

Harry schüttelte erneut den Kopf und versuchte es mit Luft anhalten, aber sein Körper verlangte nach Atem. Schwindel erfasste ihn, die Welt verschwamm vor seinen Augen und sein Herz hämmerte so heftig gegen seinen Brustkorb, dass er glaubte, es müsse im nächsten Moment zerspringen.
 

„Oder wie wäre es mit einem Essay über die sachgemäße Verwendung von Gillyweed und Baumschlangenhaut? Sie werden ja sicherlich einen Grund dafür haben, warum Sie sich ausgerechnet so brennend für diese beiden Zutaten interessieren.“
 

Harry’s Hinterkopf schlug gegen die Lehne seines Stuhls, bevor sein Körper erschlaffte und wie eine Stoffpuppe in sich zusammensank. Zum erstenmal fielen ihm die Maserungen an der Zimmerdecke auf.
 

„Dann ist es also beschlossen. Sechs Zoll Pergament. Nachdem Sie hier mit ihrer Arbeit fertig sind,“ schnarrte Snape, drehte sich auf dem Absatz herum und rauschte mit wehenden Roben zur Tür hinaus.
 

Bestimmt stammten die Maserungen von dem Rauch aus den ganzen Kesseln. Eigentlich ein ganz hübsches Muster, wenn man es genauer betrachtete.
 

* * *
 

Amicus Draconis – 2nd Cycle: Cycle of the Snake – Part 16: That I Must Love a Loathéd Enemy
 

XIII. Die Hohepriesterin
 

Der zweite Schritt auf der Reise des Narren. Üblicherweise wird angenommen, dass die Hohepriesterin eine sexuelle Komponente besitzt, in meinen Augen ist dies jedoch Humbug. Die Farbe Hellblau ist eine äußerst keusche Farbe und wird im europäischen Raum oftmals mit der Gottesmutter Maria in Verbindung gebracht, der natürlichen Nachfolgerin von älteren weiblichen Gottheiten. So steht die Hohepriesterin für das weibliche Prinzip, für eine Art Übermutter und bildet somit ein Gegenstück zum Magier, dem Übervater. Eine liebende Mutter, die unserem Narren nachwinkt, als er aus der Tür tritt, und dabei jämmerlich in ihr Taschentuch trompetet.
 

Wie humoristisch, dass der dritte Buchstabe des Alphabets, Gimel, auch gleichzeitig Kamel bedeutet.
 

Auch wenn das Kamel in alten Zeiten sicherlich eine sehr positive Konnotation besaß.
 

Die Hohepriesterin steht für den Weg von Kether nach Tiphareth, eine Verbindung, die sentimentalere Geister als Brücke zwischen Kopf und Herz bezeichnen würden. Ihr Planet ist der Mond, der in vielerlei Kulturen mit diversen Göttinnen und weiblichen Mysterien in Verbindung gebracht wird.
 

Eine weibliche Figur also, die den reisenden Helden mit nützlichem Wissen und höherer Weisheit anleiten soll. Wer wäre für eine solche Rolle geeigneter, als eine Lehrerin? Minerva McGonagall agiert zwar vorzugsweise mit ihrem angeblich logischen Verstand, anstatt mit empathischer Spiritualität, aber für die meisten Frauen ist Logik ohnehin ein sehr dehnbarer Begriff.
 

Amicus Draconis - 2. Zyklus: Zyklus der Schlange – Teil 16: Dass ich muss lieben den verhassten Feind
 

* * *
 

Tsuzuku…. to be continued



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  Jackiieh-Chan
2012-01-29T19:27:35+00:00 29.01.2012 20:27
SHERLOCK HOLMES
Och wie kannst du nur. ^^
Ich bin doch gerade in trauer.
Naja wegen Aithusa dem weißen drachen von merlin ♥

Lg Jacky immer auf die neuen updates warte :D

Von: abgemeldet
2011-07-13T18:28:36+00:00 13.07.2011 20:28
Ich lese deine Fanfic nun schon zum dritten Male... die besten potter Fanfic die es gibt... wirklich!!!

ich wünschte nur, es gäbe noch häufiger Updates...
Von:  Jackiieh-Chan
2011-04-17T20:23:11+00:00 17.04.2011 22:23
Ich bin echt froh das ich erst jetzt angefangen habe zu lesen xD
- war ich vor Jahren (als du begannst mit dem schreiben der FF) viel zu jung ^^
- Konnte ich so mehr auf dauer lesen und habe eine Art sucht entwickelt xD

Ich finds wirklich toll wie du des alles schreibst die sich ergenzenden Textpassagen, Pläne, Prophezeiungen, Rituale, Sontexte und so weiter ich freu mich jetzt schon auf die nächsten szenen :)

Lg Jackiieh
Von:  Callamari
2011-01-30T20:25:16+00:00 30.01.2011 21:25
Juchu es gab wieder ein bisschen was neues!^^
Bin echt total gespannt wies weiter geht und es gefällt mir sehr gut dass du die Beziehung von Draco und harry nicht so verkitscht darstellst. Man kann den Konflikt in dem sich die beiden befinden wirklich gut nachvollziehen und die Abschnitte mit Snape und Dumbledore sind sauspannend.
Freu mich schon aufs nächste update!!
Von: abgemeldet
2011-01-16T21:03:08+00:00 16.01.2011 22:03
die szene im bad finde ich gut gelöst, sie ist für meinen geschmack genau richtig - nicht zu detailliert beschrieben, sonder zwischen den zeilen zu lesen. bitte ganz schnell weiterschreiben :) lg lokus
Von:  Seraphin
2011-01-09T11:34:11+00:00 09.01.2011 12:34
Kann mich dem Kommi oben nur anschließen.

Kennzeichne die neuen Abschnitte. Es sind oft nur wenige Sätze die neu hinzukommen und nachdem monatelang gar nichts war, erinnert man sich einfach nicht dran, was vorher war.

Ansonsten, das übliche... Die tollste Harry Potter HP die ich je gelesen hbe, aber leider halte ich sie für eine Unvollendete.

Kann mir nicht vorstellen, dass sie jemals fertig wird. Sorry, aber du updatest zu wenig und zu selten, als dass das noch mal was werden könnte. Und 10 Jahre auf eine Story zu warten find ich unattaktiv.

Schade...
Von:  vulkan_chan
2011-01-08T21:54:28+00:00 08.01.2011 22:54
es ist jedesmal aufs neue ein kleiner schock für sich, wenn mal wieder einkleiner absatz dazukommt. über die monatelange wartezeit vergesse ich manchmal, dass das hier ja bei weitem noch nicht abgeschlossen ist und auch noch nicht aufgegeben wurde.
es ist immer eine ziemliche sucherei, bis man den absatz gefunden hat, bei dem man das letzte mal aufgehört hat. es wäre hilfreich, wenn da irgendwie ein Kennzeichen wäre. naja. ^^

immernoch eine der besten harry potter ffs überhaupt. beziehungstechnisch ist dieses kapitel ja sowieso besonders interessant ^^
ich warte wie immer gespannt darauf von einem neuen update überrascht zu werden.
Von: abgemeldet
2010-08-05T09:13:33+00:00 05.08.2010 11:13
Hey,

Du glaubst gar nicht, wie ich mich über dieses Update freue!!!
Ich habe vor ein paar Wochen den ersten Zyklus noch mal von vorne durchgelesen und im Anschluss gleich den zweiten dazu. Jetzt weiß ich zwar wieder über jegliche Ereignisse bescheid, befürchte jedoch, die einzelnen Hinweise und Andeutungen wieder vergessen zu haben, wenn sie dann für die Geschichte relevant sein werden. Ich frage mich bloß, wie du das Schreiben meisterst? Aber du bist ja schließlich der Mastermind und hast das ganze Plot im Kopf oder immerhin auf Zettelchen, nehm ich an ;)

Anyway, ich gratuliere zum Studienabschluss und wünsche viel Erfolg bei der Jobsuche! Bis hoffentlich bald zum nächsten 'pitel.
Viel Spaß beim Schreiben wünscht dir
Lokus
Von:  Callamari
2010-01-04T21:35:55+00:00 04.01.2010 22:35

Hey!
Ich kann mich kleines_steinchen nur anschließen: Die übergänge zwischen den beiden erzählperspektiven sind dir wirklich gut gelungen. Durch diese erzählweise wird man irgendwie in einen Strudel gezogen und die abfolge der ereignisse wirkt viel dramatischer.
Ich freu mich natürlich auf ganz viele Draco/Harry szenen und bin total gespannt wies weiter geht. Obwohl die andeutungen von harry zu beginn des kappis ja nicht auf eine besonders glückliche liebe schließen lassen. Aber fühlt er wirklich ncihts mehr für draco?
Freu mich aufs nächste update!
lg
Von:  stone0902
2009-12-31T17:50:30+00:00 31.12.2009 18:50
Hallo,
die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen waren wirklich beeindruckend!

"Geschmiedet in den Feuern Merlin’s, geführt vom Drachen Morgana’s"
Hierbei habe ich mir gedacht, dass, wenn Morgana Narzissa sein soll, die ja bei der Prophezeiung anwesend war, der Drache ihr Sohn ist, also Draco. Er führt letztendlich das Schwert, welches Voldemort vernichtet. Möglich ist es, da Draco nicht wirklich Todesser sein will, bzw. nicht töten möchte etc.

Ich freue mich auf mehr :)


Einen guten Rutsch wünsche ich dir und ein erfolgreiches neues Jahr!


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