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☾ Mikadzuki

von

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Sorgen

Sesshoumaru hielt es nicht für nötig, der jungen Schamanin nachzublicken. Er konnte hören und wittern, dass sie, nachdem sie sich von ihrem Schreck erholt hatte, wieder richtung Schloss ging.

Ihre zunehmende Verzweiflung zu beobachten wäre fast amüsant gewesen – wenn er dazu gerade in der Stimmung gewesen wäre. Das war er allerdings nicht.

Er hatte ja nur angehalten, weil er mit einem stümperhaften Spion gerechnet hatte und den nicht bis auf sein eigenes Land im Nacken sitzen haben wollte. Als er dann aber die mit Blut eingefärbte Blüte im Haar, das unverkennbare Schamanenamulett gesehen hatte, hatte es ihn eines Besseren belehrt. Noch ehe sie sich vorstellte, hatte er geahnt, wer sie war. Natsus so geliebte Schwester.
 

Er musste innerlich kämpfen, seine Maske beizubehalten, nie war ihm das so schwer gefallen.

Die Gefühle tobten mehr denn je in ihm.

Ein Sohn. Sein Sohn. Stark.

Jeder andere hätte jetzt geseufzt.
 

Da hatte er nun einen Sohn, hatte eine Yôkai, die er liebend gern zur Gefährtin nehmen würde und dann stand ein ganzes Fürstenhaus dazwischen.
 

Daran musste doch zu rütteln sein! Es musste einfach! Verdammt, er war Sesshômaru! Er ließ sich doch nicht einfach unterkriegen!
 

Für einen ganz, ganz kleinen Moment verzog sich sein Gesicht zu einem Knurren, dann hatte er sich wieder im Griff. Er musste nicht hadern, er musste eine Lösung finden. Yôkai haderten nicht. Und er schon gleich garnicht!
 

~*~
 

Kohaku erwachte, als Kirara auf dem Boden aufkam. Vorsichtig richtete er sich auf, wissend, dass seine Schultern schmerzen würden, nach einem solchen Kampf.
 

„Kohaku, ein Glück…“
 

Der junge Taijiya blickte lächelnd auf.

Koume, war ja zu erwarten gewesen.

Seit Kirara – oder Katashi? – ihn mit dem jungen Mädchen bekannt gemacht hatte, verschaffte sie ihm manchmal Aufträge in der Umgebung – und war jedesmal sehr erleichtert, wenn er einigermaßen unverletzt zurückkehrte.
 

Zuerst kam aber Katashi bei ihm an, der sich hier im Dorf meistens wie eine gänzlich normale – wenn auch rotäugige und zweischwänzige – Katze verhielt und sich an Kohakus Knie abgestützt auf die Hinterbeine stellte um gekrault zu werden.
 

Kohaku tat ihm den Gefallen, ehe er von Kiraras Rücken rutschte.

Dann zog er die beiden Stoffbeutel – den mit seinem Kampfanzug und den mit der Bezahlung – von ihren Schultern und sie wechselte prompt in ihre kleine Form.

Er wusste, sie tat es aus Rücksicht auf die Dorfbewohner, Koume hatte ihm die ganze Geschichte erzählt.

Im Gegenzug hatte er ihr erklärt, zu was eine Nekomata sonst noch so fähig war und Kuroro war darauf eingestiegen, indem sie Koume anscheinend zum ersten Mal ihre große Form offenbahrt hatte.

Kohaku erinnerte sich gut, wie Koume zusammengezuckt war, ihre Furcht aber schnell überwunden hatte. Sie war eindeutig mutiger und unvoreingenommener als ihr Umfeld.
 

Inzwischen war auch sie bei ihm angenommen und Kohaku erwiderte ihre freundschaftliche Umarmung, ehe er zurücktrat.

Er zog ein kleines Ledersäckchen aus dem Proviantbeutel und drückte es Koume in die Hand.

„Für deine Vermittlerdienste“, sagte er schmunzelnd und beobachtete, wie ihre Augen ungläubig zu leuchten begannen, als sie die kleine, lachsfarbene Perle herauszog, die in dem Säckchen gewesen war. „Das kann ich nicht annehmen. Ich habe doch bloß ein wenig herumerzählt!“

Kohaku lachte. „Und mir damit in den letzten Monaten ein mehr als gutes Auskommen gesichert.“

Er zog zwei Streifen Trockenfleisch aus dem Proviantbeutel und reichte eines davon an Kirara weiter, die noch immer an seiner Seite stand. Sie brauchte es nicht, das wusste er, ihre Magie reichte, um sie sich wieder erholen zu lassen, aber sie mochte diese kleinen Leckereien.
 

Aus dem Augenwinkel beobachtete er dabei, wie Koume die Augen nicht von der kleinen Perle lassen konnte. Ihre großen Augen schimmerten fast schwarz, wenn sie glücklich war. Er blinzelte etwas. Sie war hübsch, keine Frage, aber sie war jünger als er und er lebte ein gefährliches Leben. Es gab keine Gemeinschaft der Taijiya mehr, kein Volk, das sich gegenseitig beschützte. Er brauchte erst gar nicht darüber nachzudenken, ob er sich in nächster Zeit jemanden suchen wollte.
 

„Kommst du mit zum Fluss?“, riss Koumes Stimme ihn aus seinen Gedanken. Er nickte und richtete sich auf. Gemeinsam schlugen sie den Weg hinaus aus dem Dorf ein, auf dem Fuße gefolgt von den beiden, kleinen Nekomata. Er hatte in Koume jemanden gefunden, der ihm zuhörte, der ihn ermunterte, wenn er nicht weiter wusste. Das Leben als Taijiya war sein Leben, niemals hätte er es aufgegeben.

Damals, bevor er wirklich gekämpft hatte, hatte er Angst gehabt.

Die war auch nie verflogen, aber er erinnerte sich nur zu gut an Sangos Worte damals. Dass alle Taijiya Angst hatten. Aber dass das gut war. Wichtig, lebenswichtig manchmal. Ohne Angst verlöhre man schnell den Respekt und damit die Vorsicht vor einem Gegner. Kohaku war inzwischen erfahren genug, um ihre Worte bestätigen zu können. Aber die Angst zu dämpfen, das gelang sonst nur dem Team und auch wenn Kirara die zuverlässigste Partnerin war, die er sich vorstellen konnte, sie war nicht das, was man brauchte um anderes zu erledigen als einzelne Oni. Dazu brauchte man wieder ein Dämonenjägervolk. Und das gab es nicht mehr. Manchmal schmerzte ihn das sehr, aber aufgeben wollte er deswegen noch lange nicht.

Aufgegeben hatte er sich nie, nichteinmal als es um weit schwierigere Schicksalsschläge ging.

Aber leicht war das nicht.

Koume hatte sich als sehr gute Stütze erwiesen. Und dafür mochte er sie. Inzwischen war er unglaublich froh, dass Kirara ihn seinerzeit nachdrücklich mitgenommen hatte, als sie Katashi zurückbegleitete.
 

~*~
 

„Ich glaube, da kommen sie“, meinte Kagome leise und brachte Shiori damit dazu, aufzublicken.
 

Tatsächlich wurde die Reisstrohmatte gleich darauf beiseitegenommen und InuYasha kam hindurch, gleich gefolgt von den begeistert vorstürmenden Zwillingsmädchen, zuletzt schlossen sich Miroku und Sango an, letztere mit ihrem Sohn auf dem Arm.
 

Shiori wirkte etwas überrascht und Kagome grinste in sich hinein. Sie hatte Shiori mit Absicht nicht gesagt, was sich zwischen Sango und Miroku verändert hatte, seit damals, als sie Shiori aus den Fängen ihres Großvaters retteteten.
 

„Hey, Shiori“ InuYasha tat erfolgreich so, als würde es ihn überhaupt nicht wundern, dass das Halbdämonenmädchen hier im Dorf anzutreffen war.

„Hallo InuYasha“, antwortete die matt und versuchte ein freundliches Lächeln in Richtung Sangos und Mirokus, aber es gelang ihr nicht wirklich.

Sango lächelte umso freundlicher zurück, als sie sich neben der alten Bekannten niederließ und ihren Sohn neben sich setzte.

Der schien inzwischen einigermaßen wach zu sein und betrachtete die für ihn Fremde ebenso neugierig wie seine Schwestern.

„Ich muss zugeben, ich hätte dich nicht wiedererkannt. Du hast dich sehr verändert“, setzte Miroku an und kniete sich daneben.

„Es sind viereinhalb Jahre vergangen. Ich bin nie anders gealtert als ein Menschenkind“, gab Shiori zurück, aber noch immer klang ihre Stimme nicht im Geringsten, als habe sie Freude an der Unterhaltung. Ihr Blick war ebenso düster umwölkt, wie ihre Gedanken.

Kagome merkte das nur zu gut und bemühte sich, das Thema dementsprechend zu lenken. „Und was führt dich jetzt auf einmal zu uns?“

Shiori ließ den Kopf wieder hängen und seufzte. „Das ich es bis hier geschafft habe, war Zufall. Ich habe einfach nach einer Zuflucht gesucht, nach der Flucht-“ „Flucht?“, fragte InuYasha dazwischen.

„Ja, ich… naja, um von vorne anzufangen… ich habe Tián zu seiner Familie begleitet, aufs Festland. Wenn ich gewusst hätte, was für eine Tragödie das gibt, ich wäre hier geblieben. So aber ging alles schief.“

„Aber warum das denn?“, wollte Sango verständnislos wissen.
 

„Wegen mir. Nicht, weil ich eine Hanyô bin, ich glaube, das hätten sie sogar noch hingenommen, aber es störte sie zutiefst, was für eine Hanyô ich bin“, gab Shiori leise zurück und zupfte unbehaglich an einer Strähne ihres hellen Haares.

„Tián hatte mir vorher seine Geschichte erzählt, die Geschichte seiner Familie. Sie kommen hier aus Japan, wurden aber – wie viele andere Komori-Familien auch – vor Jahrhunderten verjagt. Damals war Tián vielleicht so alt wie ein siebenjähriges Menschenkind. Der Flucht ging ein blutiges Massaker voraus, bei dem unter anderem auch Tiáns kleiner Bruder Yuan getötet wurde, ein gerade anderthalbjähriges Dämonenkind – das entspricht einem neunmonatigen Menschenkind.

Schließlich also zog sich der Rest seiner Sippe mit drei anderen Familien fluchtartig übers Meer zurück und siedelte sich an der Festlandküste wieder an.

Man akzeptierte sie dort, sie konnten in Ruhe leben.

Aber die erwachsenen Yôkai pochten auf Rache. Und ausgerechnet Tiáns Familie, dessen Oberhäupter besonders strikt für Vergeltung waren, wurde zur Anführerfamilie gewählt. Die Ältesten der vier Familien flogen ab und an noch nach Japan zurück um mit dem Dortgebliebenen in Kontakt zu bleiben, bis auch das zu gefährlich wurde.

Seit dem waren die Überlebenden der japanischen Komorivölker vollkommen abgekapselt und brauten nur noch fröhlich an ihrer Racheaktion.

Tián als das älteste, überlebende Kind wurde zum Erben dieser Rache auserwählt und bekam dafür, als er etwa in einem Alter war, das man mit einem zehnjährigen Menschenkind vergleichen kann, sein Aikuchi.

Es ist das Symbol für den Plan der Komori, man nannte es Ekô – Echo. Seine Klinge ist aus normalem Metall, aber der Griff ist mit einem Stück Haut des großen Peinigers, wie sie ihn nennen, umwickelt und die Waffenscheide im Blut des großen Massakers gebadet. Mit diesem Aikuchi sollte Tián, wenn die Zeit gekommen war, den großen Peiniger und dessen Verwandtschaft auslöschen.“

Das junge Halbblutmädchen wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und schaute kurz hoch.
 

Die Erwachsenen hingen an ihren Lippen, den Kindern war die Erzählung zu langweilig geworden, berichtete Shiori doch kraftlos vor sich hin.
 

„Wollen wir wissen, wer jener große Peiniger ist?“, fragte Kagome schließlich nach einem Moment der Stille.

Shiori ließ die Hand sinken und seufzte tief. „Ihr wisst es, ihr wollt es bloß nicht wahrhaben, stimmts?“, fragte sie zurück, anstatt zu antworten.

Nach einer Weile nickte Kagome langsam. „Taigokumaru…“

Shiori bejahte müde.

„Und aus einem Stück von dessen Haut ist die Griffumwicklung?“, fragte Miroku etwas ungläubig.

„Ja. Aus einem Stück Flügelhaut, wenn ich das richtig verstanden habe – warum?“

„Weil Dämonenhaut sich normalerweise im toten Zustand rasch zersetzt. Wir Dämonenjäger mussten starke Banne legen, um die Dämonenreste zu konservieren, bis wir sie weiterverarbeiten konnten“, mischte Sango sich ein, die den Gedankengang ihres Mannes nachvollziehen konnte.
 

„Keine Ahnung, was man da gemacht hat, um es zu erhalten. Jedenfalls muss es tatsächlich die Haut meines Großvaters sein, das war auch der Grund, dass ich etwas zurückgezuckt bin, als ich das Aikuchi um ersten Mal in der Hand hatte. Tián erzählte, das dir das aufgefallen ist, InuYasha. Irgendwie muss ich einen kleinen Rest Yôki darin gespürt haben, Yôki, das mir bekannt vorkam. – Naja. Jedenfalls, dass Tián Taigokumarus letzte Verwandte mitbrachte, statt sie getötet zu haben, gefiel seiner Sippe nicht.

Eine Weile feindeten sie mich nur an, aber nachdem sie gemerkt hatte, wie einträchtig Tián und ich miteinander umgingen, meinten sie wohl ich hätte ihn irgendwie beeinflusst, verhext oder was weiß ich. Jedenfalls passten sie einen Moment ab, in dem ich allein war, nahmen mich gefangen und setzten mich gefesselt in einer unterirdischen Höhle fest. Tián wusste nichts davon, er erfuhr es erst später und ist dann wohl ziemlich Sturm gelaufen. Mit dem Ergebnis, dass sie ihren Verdacht nur bestätigt sahen und sogar der Meinung waren, ich hätte ihn bezirtzt. Was ich in meinem Verlies an Wortfetzen mitbekam, warfen sie ihm sogar vor, er müsste sich doch nicht um eine Nachkomme des großen Peinigers bemühen, nur weil die ihm ein Kind unterschieben wolle…“ Shiori verstummte, als sie die aufgerissenen Augen ihrer Zuhörer sah.

„Wie kamen sie denn da… ich meine… bist du…“ Kagome wusste offensichtlich nicht, wie sie beginnen sollte.

Shiori winkte aber auch sofort ab, obgleich sie etwas rot geworden war.

„Schwachsinn. Natürlich bin ich nicht schwanger, die Behauptung war völlig haltlos. Ich… ich nehme an, sie haben es daraus gezogen, dass Tián eben mein Leben schützen wollte, keine Ahnung. Jedenfalls hat er dann gar nichts mehr gesagt, weil er merkte, dass er nicht mehr weiter kam. Ich… ich habe stundenlang in meinem Verlies gestanden, die Hände weit über dem Kopf mit magischen Fesseln gesichert, sodass ich ganz gestreckt da stand. Ich hatte fürchterliche Angst, das muss ich zugeben. Und das steigerte sich nur, als ich feststellte, dass dieses Höhlengefängnis wohl Zugang zum Meer haben musste, denn das Wasser stieg. Mir wurde klar, dass sie mich ertränken wollten.

In der Nacht, als das Wasser mir schon bis zu den Hüften stand, kam dann plötzlich eine verhüllte Gestalt zu mir.

Tián.

Nach langem Suchen hatte er mein Gefängnis gefunden. Ironischerweise nutzte er ausgerechnet Ekô um die Fessel durchzuschneiden, ehe er mir den Weg hinaus zeigte, hinunter zur Küste. Eindringlich bat er mich, zu fliehen, aber ich wollte erst nicht, wollte, dass er wenigstens mitkäme. Aber er wusste, dass das nicht möglich war, nicht, bevor er nicht noch so einiges geklärt hatte. Man würde ihn verfolgen, jetzt wo sie wussten, dass die Verwandtschaft des großen Peinigers bis auf mich ausgelöscht war.

An… an der Küste erwartete uns eine seiner Cousinen, ich hatte schon gemerkt, dass er seinen Cousins und Cousinen mehr vertraute, als allen anderen. Besagte Cousine sollte mich also übers Meer bringen. Inzwischen war der Ausbruch bemerkt worden, man hörte Rufe und näher kommende Schritte. Es musste alles unheimlich schnell gehen. Ich konnte mich kaum mehr verabschieden, da packte Tiáns Cousine mich und flog los.

Ich sah nur noch, wie Tián sich seiner Sippe entgegen stellte.

Bestimmt einen ganzen Tag verbrachten wir über dem Meer, dann setzte Tiáns Cousine mich an der hiesigen Küste wieder ab und flog direkt zurück.

Ich war einfach fertig mit den Nerven. Irgendwoher erinnerte ich mich an Andeutungen, die ihr irgendwann einmal über die Lage dieses Dorfes gemacht hattet und ging einfach los, durch die Stürme und Unwetter der letzten Tage, hoffend, dass ich dieses Dorf finden und erreichen würde, bevor meine Nacht der Schwäche käme. Ich habe einfach gehofft Zuflucht zu finden, weil ich nicht mehr weiter wusste.“
 

Die Freunde sahen betroffen drein. Das war ja wirklich keine schöne Geschichte, kein Wunder, das Shiori so durch den Wind war.

Unwillkürlich hatte Sango nach der einen Hand des Halbdämonenmädchens gegriffen und sie leicht gedrückt.

Shiori lächelte zaghaft und auch wenn es ihre Augen noch immer nicht erreichte, war klar, dass das Erzählen ihr gut getan hatte. „Ich verstehe nur nicht, wie man so verbohrt sein kann. Ich meine, ich bin eine Hanyô und außerdem habe ich wiederum meine Geschichte dort erzählt, sie wissen wie meine Eltern waren und vorallem, dass ich ebenso von Taigokumaru drangsaliert wurde. Warum behandeln sie mich so?“

„Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum Hanyô im Allgemeinen geschmäht werden“, gab InuYasha brüsk zurück.

„Das ist etwas anderes, InuYasha. Ihr Hanyô seit Wesen zweier Welten. Für die einen zu mächtig, für die anderen zu schwach, die einen haben Angst, die anderen verachten euch – und auch wenn euer Erbe kein Grund dafür ist, so ist es doch eine Grundlage. Das, was Shiori wiederfahren ist, ist ungleich starrköpfiger und haltloser“, gab Miroku zu bedenken.

InuYasha brummte nur vor sich hin, aber er schien verstanden zu haben.
 

„Und jetzt?“, fragte Kagome schließlich sanft und blickte wieder Shiori an.

„Wenn… wenn ich darf, würde ich gerne eine Weile hier bleiben. Ich hoffe immer noch, dass Tián es schafft, mir zu folgen, dort alles zu klären, dass sie ihn wenigstens gehen lassen.“

Die Freunde sahen sich an.

„Von mir aus gerne. Aber sagtest du nicht, Sesshômaru sagt dir irgendwann einmal Bescheid, was genau er von dir will und dann musst du nach seiner Pfeife tanzen?“, sprach Sango schließlich aus, was alle abwägten.

Kagome grinste schief. „Naja, ich hoffe mal, ihm fällt noch eine genaue Verwendung für mich ein, solange ich noch lebe. Wer weiß, wie gut er sich mit der Lebensspanne eines Menschen auskennt. Aber davon mal ganz abgesehen… selbst wenn wir umziehen müssen, um es mal vorsichtig auszudrücken, was spricht dagegen Shiori – und Tián – dann einfach mitzunehmen?“

„Sesshômarus Plan gilt für die Fürstentümer“, warf Miroku ein.

„Die Komori waren einst das neunte, organisierte Dämonenvolk. Außerdem… zwei Bewohner der Inseln mehr oder weniger…“, entgegegnete Shiori, sichtlich erleichtert, dass sie nicht gleich wieder vor die Tür gesetzt wurde und bewies damit, dass sie den Gesprächen während der Reise durchaus gelauscht hatte, auch wenn sie sie nicht wirklich etwas angingen. Dennoch unterdrückte sie nun nur mühsam ein Gähnen.

„Das ganze Geschehen hat dich ausgezehrt, oder?“, fragte Kagome prompt.

Shiori nickte etwas.

„Na, dann schlaf noch ein wenig. Ich muss jetzt sowieso zu Jinenji – bei Gelegenheit stelle ich ihn dir mal vor, er ist auch ein Hanyô, weißt du? Jedenfalls… wenn du etwas brauchst, frag‘ Kaede, sie war vorhin wach, weiß, wer du bist. Und wenn nicht, dann frag‘ dich zu Sango und Miroku durch, die beiden wohnen am Dorfrand“, erklärte Kagome noch, ehe die vier mit den Kindern im Schlepp Kaedes Hütte verließen.
 

Wurde Zeit, dass sie ihren Tagesgeschäften nachgingen und vorallem das erledigten, was während der zähen Regentage liegen geblieben war. Kagomes Kräuterunterricht zum Beispiel.

So schlugen InuYasha und sie also den Weg zu Jinenji ein, während Sango und ihre Familie ihrer Wege gingen.
 

~*~
 

Im Fenster ihres Zimmers im Schloss des Westens saß derweil eine schmale Gestalt und blickte über die Ebene, jenseits der Schlossmauern. Glänzende, dunkle Augen beherrschen das noch etwas kindliche Gesicht und doch schien das Mädchen nicht so ganz hierher zu passen.

Der Grund dafür war einfach: sie war ein Mensch. Und das Schloss war ein Dämonenschloss. Daran störte Rin sich aber nicht im Geringsten. Sie sang fröhlich vor sich hin und beobachtete dabei den Schlossgarten, der um diese Jahreszeit langsam wieder aus dem Winterschlaf erwachte.
 

„Ihr habt mich rufen lassen, Herrin?“, erklang eine scheue Stimme neben ihr.

Rin unterbrach ihr Lied und wandte rasch den Kopf. „Lass diese Scheu, Arisu. Ich habe dir doch schon gesagt, dass du mich mit Namen anreden kann, wie jeder andere auch“, gab sie zurück und kletterte vom Fensterbrett.

Die junge Yôkai vor ihrer Nase neigte den Kopf noch tiefer. „Wie Ihr wünscht, He-…äh… Rin?“

„Schon besser“, befand Rin lachend. „Und jetzt steh auf. Sag mal, wer soll hier eigentlich wem Benimm beibringen?“

„Ich soll Euch die Benimmregeln bei Hofe beibringen, so verlangte es der Taishô.“

„Mag sein. Aber wenn ich sage, du brauchst nicht weiter da unten zu knien, dann gilt das doch auch, oder?“

„Natürlich. Solange der Herr-“

„Sesshômaru-sama ist nicht da. Außerdem wird er sicher nichts dagegen sagen, wenn ich möchte, dass du in meinem Gemach nicht so tust, als sei es die Höhle eines blutrünstigen Wolfes.“

„Seid Ihr da sicher?“

Wieder lachte Rin fröhlich. „Er hat es mir höchstpersöhnlich versichert. Hier in meinem Gemach habe ich das Sagen – solange er nicht grundsätzlich etwas anderes sagt und ich es nicht auseinander nehme.“

„Wozu wohl kaum die Gefahr besteht“, bemerkte die Yôkai trocken und wagte nun, aufzublicken.

„Ganz recht. Ich finde es viel zu schön hier drin. Aber trotzdem möchte ich gerne raus in den Garten. Und solange Jaken beschäftigt ist, brauche ich anderweitig Begleitung, stimmts?“

„So besagen es dir Regeln, ja.“

„Siehst du. Ich kenne den Benimm inzwischen, aber ich kann doch trotzdem ich bleiben, oder?“

„Sicher, He-… Rin.“
 

Rin verkniff sich diesmal das Lachen und winkte die junge Yôkai, die ihre Zofe sein sollte, hinter sich her. Die folgte sofort.

Sie gingen die Zimmerflucht entlang, in der sich auch Sesshômarus Gemächer, sein Arbeitszimmer und einige weitere Räume befanden und liefen dann die breite, halbrund geschwungene Treppe hinab, die erst auf die Galerie und von dort in den großen Saal führte, in dem vor etwa einem Jahr noch das Jahrhunderttreffen der Dämonenfürsten gewesen war.

Dahinter befanden sich die Pforten auf den Schlosshof, richtung Ställe, Hinterhof – und Schlossgarten. Dorthin wandte Rin sich zielsicher.

Sie war schon oft hier gewesen, liebte die bunten Anlagen, die sie nun schon in Sommer, Herbst und Winter kannte. Der Frühling, der gerade begann, fehlte dagegen noch.

Außerdem war es hier schön ruhig, niemand blickte ihr komisch nach.

Der seltsame Mix aus Respekt – immerhin galt sie als Ziehtochter des Fürsten hier als Hime, auch wenn ihr das nicht wirklich bewusst war – und Verachtung – ein Menschenmädchen im Dämonenschloss – war nicht immer leicht zu ertragen, so unbefangen Rin auch war.
 

Daran verschwendete sie jetzt aber keinen Gedanken, sondern schlüpfte nur durch das reich geschmückte Tor und lief in das Grün hinein.

Arisu folgte langsamer, sichtlich nicht wissend, was sie vom Verhalten ihrer Dienstherrin halten sollte.

Kurzerhand packte Rin die Hand der Yôkai und zog sie mit sich, während sie spielerisch über die Kieswege tanzte.

Erst kam Arisu nur zögerlich hinterher, dann aber schien sie ebenfalls Spaß an der Sache zu finden und als Rin nach einer Weile lachend und keuchend ins noch spärliche Gras sank, setzte Arisu sich daneben. „Ihr seid verrückt!“, befand sie und japste ebenfalls ein wenig nach Luft.
 

Rin lachte nur noch lauter, drehte sich auf die Seite und blickte ihre ‚Zofe‘ an. „Ich bin ich. Und ich bin froh, dass ich bei euch so sein kann. Die Menschen haben es mir früher nie erlaubt“, antwortete sie leichthin und der kleine Funken Melancholie in ihren Augen verschwand sofort wieder hinter ihrer üblichen Unbefangenheit.

Arisu sah erstaunt drein. „Aber die Menschen… das ist Euer Volk, Eure Art!“

„Irgendwie ist es schon lange nicht mehr so. Ich bin ein Waisenkind, weißt du, Arisu. Meine Eltern und Geschwister wurden von Banditen gemeuchelt, da war ich gerade sechs. Ich musste es mit ansehen, aber ich habe überlebt. Mein Dorf nahm mich auf, doch ich musste alle möglichen Dienste erledigen und durfte im Gegenzug nichts. Wollte ich für mich selbst sorgen – manchmal, wenn es nicht anders ging, dann auch dadurch, das ich stahl – wurde ich geschlagen, getreten, sowas. Dann lernte ich Sesshômaru-sama kennen. Er duldete mich bei sich, beschützte mich, behandelte mich gerecht. Ich bin dankbar.“

Arisu sah nachdenklich aus. „Der Taishô ist, sofern ich das beurteilen kann, die Ehrerfüllung in Person. Aber die anderen Dämonen hier, Ihr wisst schon, dass sie Euch nur akzeptieren, weil sie Angst vor Sesshômaru-sama haben, oder?“

Rin lächelte etwas. „Und du? Respektierst du mich auch nur, weil Sesshômaru-sama das von dir verlangt?“, fragte sie zurück.

Arisu zögerte. „Nein… ich… ich habe Euch kennengelernt. Ich glaube, Ihr seid etwas Besonderes.“

„Na siehst du. Haben die anderen dazu je Gelegenheit gehabt?“

„Sicher, dass sie das überhaupt wollen? Der Taishô ist jetzt seit Tagen weg. Wer sagt Euch, dass niemand die Gelegenheit nutzt, Euch aus dem Weg zu schaffen?“
 

Rin ließ sich zurück auf den Rücken fallen und verschränkte die Arme unter dem Kopf, beobachtete die Wolken. „Das glaube ich nicht, Arisu. Was habe ich ihnen denn getan, das einen Angriff rechtfertigen würde?“

Die Sika-Yôkai sagte nichts mehr. Als Sesshômaru-samas Ziehtochter seid ihr eine Hime, ein Mensch, der höhergestellt ist, als die meisten Yôkai in diesem Schloss… wenn das Mal nicht Grund genug ist… Arisu musterte ihre Dienstherrin. Sie selbst war als Sika auch nicht gerade der typische Bewohner dieses Schlosses, sie war froh ob ihres Postens, neidete diesem Menschenmädchen vor sich nichts. Aber sie kannte selbst in der Dienerschaft genug, die dies taten.

Ihr lebt gefährlich… Herrin…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nun, wir werden sehen, wer am Ende Recht behält, Arisu oder Rin...

Das nächste Kapitel wird ganz unter dem Motto "Hilfsangebote" und -gesuche stehen. Wer jetzt allerdings wem... verrate ich nicht^^ Komplett anzeigen

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