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Yoyogi

Tsuzuku & Meto
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und weiter geht's!
Tsuzuku kriegt zum ersten Mal Metos Lebensumstände zu sehen, und Metochen tut sich immer noch schwer damit, seinem neuen besten Freund von früher zu erzählen...
Merkt ihr, wie vertraut die beiden trotzdem miteinander sind? Hach, ich fangirle diese Freundschaft! *-*

Übrigens: "Tomodachi no uchi" heißt ganz einfach "das Haus eines Freundes" Komplett anzeigen

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Tomodachi no uchi

Den Sonntag verbrachten Tsuzuku und Meto ohne einander. Am Sonntagmorgen erhielt Tsuzuku einen Anruf von Hiroki, der ihn bat, seine Schicht im Restaurant zu übernehmen.

„Ich hab ein Problem in der Familie, kannst du für mich einspringen?“

„Natürlich“, antwortete Tsuzuku. „Aber übernimmst du dann meine am Montag?“

„Das kann ich jetzt noch nicht sagen, aber sonst sind ja auch noch Masahiro, Miki und Taro da. Einer von denen kann bestimmt.“

Also machte Tsuzuku sich auf den Weg zum Restaurant Tanaka und brachte den Vormittag mit fast ununterbrochener Arbeit zu. Gegen zwei Uhr nachmittags hatte er endlich eine längere Pause und kam mit Taro, dem ältesten Angestellten, ins Gespräch.

„Ganz schön viel los heute, oder?“, fragte er.

„Heute Abend wird’s hier ruhiger, denke ich. Im Park drüben ist ein kleines Schreinfest, da werden die meisten Leute hingehen“, antwortete Taro. „Du bist heute eingesprungen, also wäre es dein gutes Recht, wenn du heute Abend etwas früher Feierabend machst.“

„Und das geht, auch wegen der anderen?“

„Ja, klar.“ Taro lächelte. „Du hast eine gute Arbeitsmoral und, weißt du, Genki-san, du leistest schon sehr viel mehr, als wir am Anfang von dir erwartet haben. Als du damals sagtest, dass Arbeit mit Gästen eigentlich nicht so dein Ding ist, hieß es: Okay, lassen wir ihn versuchen. Wir dachten auch, ehrlich gesagt, dass du nicht sehr lange hier arbeiten würdest. Aber jetzt ist über ein Jahr vergangen und du bist immer noch hier. Und wir sehen alle, dass du dazulernst. Also mach dir keine Sorgen, dass wir dir irgendwas ankreiden.“

Tsuzuku wusste gar nicht, wie er mit so viel Ehrlichkeit und Anerkennung umgehen sollte. Sein Puls beschleunigte sich ein wenig und er brachte nichts weiter als ein kurzes „Danke.“ heraus.

Er arbeitete noch bis vier durch, dann sagte Taro zu ihm: „Was hab ich gesagt, es sind kaum noch Leute da. Du kannst also gern nach Hause gehen. Ich frag dann Masahiro und Miki, ob‘s geht, dass du morgen frei hast. Hiroki hat ja deine Nummer, oder?“

Tsuzuku nickte, nahm die bodenlange Schürze, seine Arbeitskleidung, ab und ging seine Tasche holen. In der Bahn nach Hause hörte er übers Handy Musik und freute sich auf einen langen, erholsamen Feierabend. Es war nicht das erste Mal, dass er an einem Sonntag gearbeitet hatte, schließlich war das im Gastronomiegewerbe normal. Nur die Samstage hielt er sich nach aller Möglichkeit frei.
 

Währenddessen saß Meto in seinem Zimmer, hörte Musik und las dabei in einem Buch, das zu fast jedem Thema der Weltgeschichte irgendwelche interessanten Informationen enthielt. Manchmal mochte er solche Bücher, und dann gab es auch wieder Tage, an denen er lieber Mangas las. Obwohl er nicht mehr zur Schule ging und mit niemandem über sein gesammeltes Wissen spreche konnte, lernte Meto gern, einfach der Beschäftigung wegen. Er konnte inzwischen genauso viele Kanji lesen wie jemand, der die Oberschule abgeschlossen hatte. Seit dem Ende seiner Schulzeit versuchte er, sich möglichst durchgehend irgendwie zu beschäftigen. Sei es, dass er lernte, Schlagzeug spielte oder einfach nur Videos und DVDs schaute, irgendetwas brauchte er immer zu tun.

In dem einen halben Jahr, dass er fast ausschließlich in seinem Zimmer zugebracht hatte, war ihm das oft nicht gelungen, dann hatte er nur da gesessen, meist im Dunkeln, und sehr bald die Kontrolle über seine Gedanken verloren. Düstere, bedrohliche Sachen waren ihm in den Kopf gekommen und er hatte auch ein paar Dinge getan, die man besser sein ließ. Seine Eltern hatten davon nichts mitbekommen und auch Kasumi wusste nichts davon, zu welchen dunklen Gedanken Metos Kopf fähig war. Er konnte nicht darüber schreiben und so blieben diese Gedanken und Taten allein bei ihm.

Wenn er daran zurückdachte, so wie jetzt, fragte er sich manchmal, ob er das alles vielleicht auf irgendeine Weise gebraucht hatte, um so zu werden, wie er jetzt war. Vor sich selbst stand er zu diesen dunklen Zeiten, zu seiner finsteren Seite, doch er war sich überhaupt nicht sicher, ob er das jemals vor jemand anderem können würde.

Als er vor eineinhalb Jahren beschlossen hatte, nicht länger dieses Hikikomori-Leben führen zu wollen, hatte er nicht nur seinen Kleiderschrank und sein Aussehen komplett verändert. Er hatte auch sein Zimmer neu gemacht, die Möbel anders hingestellt und sogar neue bekommen. Nichts in seinem Zimmer sollte ihn an seine dunklen Gedanken und Taten erinnern. Durch diese vielen, von einem Tag auf den anderen beschlossenen Veränderungen war aus dem schwachen, undefinierten Hikikomori Haruka Maeda der bewusste Exzentriker Meto geworden, der zwar immer noch Angst vor den meisten Menschen hatte und nicht sprach, doch damit vor sich selbst sehr viel selbstbewusster umging und seine Ängste vor allem zu kontrollieren und mit ihnen umzugehen wusste.

„Meto! Es gibt Essen!“, rief seine Mutter aus der Küche. Meto stand auf, legte das Buch beiseite und machte die Musik aus. Sein Vater war nicht da, sicher hatte er wieder länger zu arbeiten. Meto war darüber heute ganz froh, denn er wusste: Sobald er und sein Vater sich wieder über den Weg liefen, würde es erneut eine Predigt über Arbeit, Geld und Sprechen hageln. Nicht, dass er nicht einsah, was seine Eltern ihm sagen wollten, nein, er verstand es sogar ganz gut. Aber er hatte nichts vorzuweisen, was sie zufriedenstellte. Er hatte das Sprechen so sehr verlernt, dass er keine Möglichkeit sah, in diesem Zustand eine Arbeit zu suchen oder gar zu finden. Und er wollte auch gar nicht sprechen. Seine Stimme, wie sie inzwischen auch klingen mochte, war sicher tiefer geworden und das passte nicht zu seinem Äußeren und dem Bild, was er sich von sich selbst gemacht hatte. Er dachte an Mana, der aus demselben Grund schwieg, und fand, dass es durchaus ein berechtigter Grund war.

„Hast du noch einmal darüber nachgedacht?“, fragte seine Mutter. Jetzt fing sie auch noch damit an?! Reichte es nicht, wenn sein Vater ihm Druck machte?

Meto antwortete nicht, ließ den Stift einfach liegen und sah auf seinen Teller. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

„Irgendwann musst du etwas dazu sagen, das weißt du, oder?“

Er nickte, schrieb aber immer noch nichts. Als er seinen Block anschaute, sah er, dass er fast vollgeschrieben war. Er nahm den Stift, schrieb „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ und riss das Blatt heraus, um es seiner Mutter hinzulegen. Dann stand er auf, nahm den Block und lief in den Keller. Dort unten hatte er, in einem kleinen Raum neben dem Schlagzeugzimmer, sein kleines „Archiv“, in dem er alle Notizblöcke, die er seit über zwei Jahren als Kommunikationsmittel vollschrieb, sammelte. Aufbewahrte Worte, Dialoge, dazwischen auch ein paar Tagebücher. Alles in Kartons, jeder ordentlich mit dem Datum des Zeitraumes beschriftet. Ganz vornean stand der aktuellste Karton, in den Meto jetzt seinen ebenfalls mit Datum versehenen Notizblock legte, zu den vielen anderen, die er in den letzten Monaten verbraucht hatte.

Im letzten Moment stockte er, nahm den Block wieder heraus und schlug die letzte Seite auf, wo er auf dem Kartonrücken die Liste mit Menschen, die nett zu ihm waren, angelegt hatte. Er riss jenen beschriebenen Rücken des Blockes ab und steckte ihn in die Hosentasche. Dann ging er ins Schlagzeugzimmer zurück, setzte sich dahinter und begann seine allabendliche Übungsstunde.
 

Am nächsten Morgen wurde Meto davon geweckt, dass sein Handy mehrmals einen kurzen Signalton von sich gab. Verschlafen drehte er sich zum Nachttisch hin, griff nach dem Handy und schlug dabei versehentlich das Buch, in dem er gestern Abend noch gelesen hatte, herunter. Er ließ es unbeachtet liegen und schaute auf sein Handy: Eine Nachricht. Von Tsuzuku.

„Guten Morgen, Meto. Ich habe heute frei, wir könnten uns irgendwo treffen. Wo möchtest du gern hingehen? Tsuzuku“

Meto dachte einen Moment nach. Gab es irgendeinen Ort, den er seinem neuen Freund gern zeigen wollte? Einen Ort außerhalb der Gegend um Harajuku und Yoyogi? Ihm fiel keiner ein, jedenfalls kein öffentlicher Platz. Stattdessen dachte er daran, Tsuzuku vielleicht zu sich nach Hause einzuladen. Das machte man doch unter Freunden so und nah genug fühlte er sich dem Älteren schon, besonders nach der Einkaufstour am Samstag.

„Du kannst zu mir nach Hause kommen, dann zeig ich dir mein Schlagzeug und alles. Ich wohne in Adachi, im zweiten Bezirk. Frag einfach den Omawari-san nach der Nummer 20-43-5, der bei uns kennt sich gut aus. Meto“

Doch als er die Nachricht abgeschickt hatte, fühlte er sich dann doch etwas seltsam. Wenn Kasumi zu ihm nach Hause kam, war das eine Sache, schließlich tat sie das seit seiner Kindheit. Bei Tsuzuku war es etwas ganz anderes.

Sein Handy gab wieder den Signalton einer Nachricht von sich: „Okay, bin auf dem Weg. Tsu“

In zwei Sekunden war Meto aus dem Bett, riss den Kleiderschrank auf, suchte sich in Windeseile ein Outfit zusammen und hetzte dann ins Bad, um sich zu duschen, zu kämmen und zurechtzumachen. Am Ende fiel alles recht casual aus, viel zu privat, doch sehr viel ändern konnte er nicht mehr, denn als er gerade soweit fertig war, klingelte es auch schon an der Tür.

„Wer ist denn das so früh am Morgen?“, fragte seine Mutter.

Meto hatte seinen Block nicht mit ins Bad genommen und so konnte er nicht antworten, als seine Mutter zur Tür ging und öffnete.

„Guten Morgen.“ Tsuzukus Stimme! „Sind Sie Meto-kuns Mutter? Ich bin ein Freund von ihm und wir haben uns heute verabredet.“

„Ach, dann bist du Tsuzuku-san? Meto hat schon von dir erzählt. Komm doch rein, er ist gerade noch im Bad.“

Meto stand vor dem Spiegel und starrte sein Spiegelbild prüfend an. Seine Haare hingen glatt herunter, sein Make-up war wie gesagt viel zu simpel ausgefallen und sein eilig zusammengesuchtes Outfit bestand aus einem weißen T-Shirt mit der Aufschrift „Horror Doll“ und einer blau-grauen Jeans. Kein Vergleich zu dem aufwändigen Styling, in dem Tsuzuku ihn kannte!

Während seine Mutter Tsuzuku Kaffee und Kekse anbot, versuchte Meto, seinen plötzlich sehr beschleunigten Puls in den Griff zu bekommen und zumindest sein Make-up nach seinen Maßstäben zu steigern. Doch obwohl er eineinhalb Jahre Übung darin hatte, sein Gesicht fast bis zur Unkenntlichkeit zu schminken, heute wollte es ihm nicht so recht gelingen. Schließlich gab er auf und ging ins Esszimmer, wo Tsuzuku, heute ebenfalls recht lässig gekleidet, am Tisch saß und frisch gebrühten Kaffee trank.

„Guten Morgen, Meto.“

Meto lächelte und hob kurz die Hand. Dann lief er über den Flur in sein Zimmer und holte einen neuen Schreibblock und den Stift. „Entschuldige, ich hab’s nicht so schnell geschafft, mein Zimmer aufzuräumen.“

„Kein Problem. Du kannst mir auch zuerst dein Schlagzeug zeigen“, sagte Tsuzuku. „Und wenn du wüsstest, wie meine Wohnung manchmal aussieht…“ Er lächelte. Und irgendwie schaffte er es mit diesem Lächeln, dass Meto sich entspannte und ihn schließlich ganz ruhig in den Keller zum Schlagzeugzimmer führen konnte.

„Das sieht ja richtig professionell aus! Na ja, so spielst du ja auch“, bemerkte Tsuzuku, als er das Schlagzeug und die große Musikanlage sah.

Meto lächelte, verlegen und geschmeichelt. Während Tsuzuku einen Blick auf den hier unten befindlichen Teil von Metos CD-Sammlung warf, stand er selbst eine Weile unschlüssig da, doch dann setzte er sich kurzentschlossen hinters Schlagzeug und begann zu spielen. Als er mit dem Stück fertig war, sagte Tsuzuku: „Also, du bist wirklich richtig, richtig gut, Meto. Hast du schon mal überlegt, das professionell zu machen?“

„Ja, klar hab ich das!“, schrieb Meto. „Aber ich krieg den Anfang nicht hin, weißt du, das Suchen und Ansprechen und so.“

Das war genau dasselbe Problem, das Tsuzuku auch hatte. Er wusste, dass er gut war und er wollte liebend gern professionell singen, doch er fand den Anfang der Garnrolle nicht, beziehungsweise traute sich das mit der Kontaktaufnahme und so weiter nicht so recht zu.

Aber dann kam ihm eine Idee: „Wir könnten uns doch irgendwann mal zusammen umsehen. Irgendwo, vielleicht bei den Bands im Yoyogi oder in einem Club, wo solche Musik gespielt wird. Was hälst du davon? Vielleicht schaffen wir es zu zweit ja besser.“

Meto nickte begeistert. Tsuzuku war einfach toll! Und er hatte so viel mit ihm gemeinsam! Dieselbe Distanz zum Rest der Welt, dieselbe Liebe zur Musik und zum Visual Kei, dieselben Probleme bei der Suche nach musikalischem Anschluss… Meto konnte es kaum glauben.

„Sag mal, was machst du eigentlich? Du sagst, du suchst auch eine Band, aber wofür?“, fragte er.

„Ich singe“, antwortete Tsuzuku.

„Zeig mal.“

„Später vielleicht. So aus dem Stegreif kann ich nicht.“

„Okay ^^ “

„Und jetzt? Zeigst du mir dein Zimmer?“

So unaufgeräumt war es gar nicht, fand Tsuzuku, als er Metos Zimmer betrat. Zwar war das Bett nicht gemacht und ein paar Sachen lagen auf dem Boden herum, doch es sah um einiges ordentlicher aus, als Tsuzuku das von seinem eigenen Zimmer früher her kannte. Und auch heute noch sah seine Wohnung manchmal furchtbar aus, besonders, wenn in seinem Kopf ein ähnliches Durcheinander herrschte. Es spiegelte sich dann sozusagen in seinem Lebensraum.

Er setzte sich auf den Stuhl vor Metos Schreibtisch, während Meto selbst auf dem Bett saß. Eine Weile saßen sie nur so da, schauten sich an und schwiegen. Dann stand Meto auf, ging zur Musikanlage hinüber und schaltete sie ein. Sofort schallte GazettE‘s „Toguro“ durchs Zimmer.

„Und was machst du so den ganzen Tag über, wenn du nicht gerade Schlagzeug spielst oder in Harajuku bist?“, fragte Tsuzuku.

Meto setzte sich wieder aufs Bett und schrieb: „Meistens lese ich. Oder ich zeichne irgendwas.“

„Du zeichnest? Darf ich ein Bild sehen?“

„Die liegen da auf dem Tisch.“

Tsuzuku drehte sich um und fand mitten auf dem Schreibtisch eine schwarz-weiße Kugelschreiber-Mangazeichnung, die auf den ersten Blick ein Mädchen wie aus einem Horrorfilm zeigte. Ein auf dem Rücken liegendes Mädchen mit hellen, wirren Locken, einem blutbespritzen, teilweise zerrissenen Lolita-Kleid und mit einem Teddy im Arm. Doch als er genauer hinsah, fiel ihm auf, dass sie blutige Löcher auf den Wangenknochen hatte und ihr weißes Kleid denselben Schnitt hatte wie das rosa-weiße, welches Meto am letzten Samstag getragen hatte.

„Bist du das?“, fragte er.

Meto nickte.

„Und hat das irgendeinen Grund, dass du so ein gruseliges Bild zeichnest? Ich meine, soll es irgendwas über dich aussagen oder so?“

Meto brauchte eine ganze Weile, noch länger als sonst, bis er die Antwort schrieb: „Dass ich kaputt bin. Es schon immer war.“

„Kaputt?“

„Ich hab noch nie gut funktioniert. Also bin ich kaputt.“ Meto sah Tsuzuku an und dieser erkannte, dass der Kleine dazu nichts weiter antworten würde. Statt etwas zu schreiben, griff Meto nach Ruana, die neben seinem Kopfkissen saß, und drückte sie fest an sich. Auf einmal wirkte er noch ein ganzes Stück kindlicher.

„Hey, Ruana-chan, du bist Metos Schatz, oder?“, sprach Tsuzuku den Bären an.

Ruana nickte. Sie war ebenso stumm wie ihr Besitzer, natürlich, doch Tsuzuku kam sie eben dadurch auf einmal irgendwie menschlich vor.

Die Musik wechselte. Das nächste Lied war „Linda“.

„Das ist aber nicht dasselbe Album“, stellte Tsuzuku fest.

Meto griff sich wieder seinen Block und antwortete: „Nein, die CD hab ich selber zusammengestellt.“

„Deine Lieblingslieder?“

„Das waren die ersten, die ich gehört habe.“

Mehr wollte Meto dazu nicht schreiben. Dass er bis vor anderthalb Jahren überhaupt keine Musik gehört hatte? Nein, das musste niemand wissen.

Andauernd kam das Gespräch an Punkte, über die Meto nichts verraten wollte und konnte. Dinge, die mit seiner dunkelsten Zeit zusammenhingen. Und Tsuzuku schien auf einmal so neugierig zu sein, so freundlich gewillt, ihn besser kennen zu lernen! Aber würde er auch noch so nett und freundlich sein, wenn er irgendwann auf irgendeinem Weg erfuhr, wie Metos Leben vor seiner radikalen Selbstveränderung ausgesehen hatte? Wohl kaum. Damit konnte keiner umgehen, das war bestimmt jedem zu viel! Nein, Meto wollte nicht, dass Tsuzuku diese Dinge wusste.

Natürlich bemerkte Tsuzuku, dass Meto etwas vor ihm verbarg. Doch er wollte nicht weiter nachfragen. Wenn Meto irgendwann darüber reden, beziehungsweise schreiben wollte, würde er einfach da sein und sozusagen zuhören.

Irgendwann rief Metos Mutter zum Mittagessen. „Will Tsuzuku-san auch mit uns essen?“, fragte sie.

Meto sah ihn fragend an und Tsuzuku nickte.

Nach dem Essen (es gab Sukiyaki) kam Metos Vater von der Arbeit zurück.

„Wir haben gerade gegessen.“

„Wer ist denn das?“

„Tsuzuku. Meto hat doch schon von ihm erzählt, letzte Woche, weißt du noch?“

„Schön, dich kennen zu lernen. Es freut uns immer, wenn Meto jemand nettes kennenlernt.“ Metos Vater lächelte und Tsuzuku stand auf und verbeugte sich leicht.

„Seltsam…“, dachte er, „…ich hatte irgendwie vermutet, Meto würde kein sehr gutes Verhältnis zu seinen Eltern haben. Dass er deshalb so ist. Aber hier scheint alles okay zu sein. Also… also muss es wohl irgendeinen anderen Grund haben.“

Meto wurde ein wenig angespannt. Er wusste: Sobald Tsuzuku wieder gegangen war, würde sein Vater noch einmal mit ihm reden wollen. Und er hatte natürlich immer noch keine Idee, wie das Problem „Arbeit und Geld“ zu lösen war.

Zuerst einmal ging er mit Tsuzuku zurück in sein Zimmer. Sie hörten zusammen Musik, Tsuzuku sah sich noch ein paar Zeichnungen an, welche weniger finster waren als die erste, und sie unterhielten sich über dies und das, hauptsächlich über Musik und Kleider. Zwar war das, worüber sie „redeten“, nichts sehr persönliches, doch allein dadurch, dass sie sich austauschten, kamen sie sich weiter näher.

Gegen sieben schaute Tsuzuku auf die Uhr und sagte: „Es ist schon ziemlich spät.“

Meto nickte. Eigentlich wollte er nicht, dass Tsuzuku schon ging… Aber vertraut genug zum Übernachten fühlte er sich auch noch nicht.

„Man soll gehen, wenn’s am Schönsten ist“, sagte Tsuzuku und stand auf. „Du kannst mir jederzeit ne Nachricht schreiben, das weißt du, oder?“

Meto nickte. Er begleitete seinen Freund noch zur Tür und ging dann ins Wohnzimmer zu seinen Eltern, in Erwartung einer weiteren Ermahnungspredigt. Doch anscheinend sahen sich seine Eltern heute lieber die Nachrichten an, als ihn daran zu erinnern, dass er noch immer nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Also ging er zurück in sein Zimmer und verbrachte den Rest des Abends wieder allein mit seinem Buch.
 

Tsuzuku saß in der Bahn und sah aus dem Fenster. Obwohl es nicht so ausgesehen hatte, war es für ihn doch nicht ganz einfach gewesen, bei Meto zu Hause zu sein, sich dessen Eltern als der Freund aus dem Yoyogi-Park vorzustellen und ganz normal und unauffällig zu wirken. So ging es ihm immer, wenn er Leute neu kennenlernte. Sein Herz klopfte schneller, seine Hände wurden schweißnass und manchmal fiel ihm dann auch das Sprechen schwer.

Zum Glück war er heute relativ ruhig geblieben und musste sich keine Sorgen machen, dass Metos Eltern ihn für verrückt hielten.

Als die Bahn nach etwa einer Stunde Fahrt in Ichigaya hielt, stieg er aus und bemerkte, dass es zu regnen begonnen hatte. Am Morgen war das Wetter noch schön gewesen, deshalb hatte er natürlich keinen Schirm dabei und die Bahnstation war eine gute Wegstrecke von seiner Wohnung entfernt. Es war zwar nur Nieselregen, doch die winzigen Tropfen legten sich auf sein schwarzes Haar, sodass er, als er zurück in seiner Wohnung war, erst den Mantel auszog, dann ins Bad ging und begann, sich mit einem Handtuch die Haare zu trocknen. Dann ließ er sich im Wohnzimmer, das übrigens wieder einmal ziemlich unordentlich aussah, aufs Sofa fallen. Erst wollte er den Fernseher anschalten, doch dann entschied er sich anders, stand auf, ging ins Schlafzimmer, zog sich aus und legte sich hin. Er lag noch eine Weile wach und dachte nach, über sich, über Meto, und darüber, wie er sich fühlte, seit er diesen Jungen, der ihm so ähnlich war, kennengelernt hatte. Und so war es gar nicht mal so verwunderlich, dass er in dieser Nacht von ihm träumte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ausnahmsweise 'ne kleine Vorschau auf's nächste Kapitel: Es wird süß, seeehr süß.
Freut euch drauf ^^
lg
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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2014-10-19T14:46:42+00:00 19.10.2014 16:46
Hi, habe mal wieder zeit weider zu lesen.^^

Schönes Kapitel hat mir sehr gut gefallen.^^

Lg^^
Antwort von: Harulein
19.10.2014 19:05
Dankeschön ^^
Von: Futuhiro
2014-08-01T19:46:42+00:00 01.08.2014 21:46
*kicher* Klassischer Fall von <dumm gelaufen>. Ich hab Meto regelrecht das Gesicht einschlafen sehen, als Tsuzuku zusagte. Das hatte was von <Au F**k, der kommt wirklich her! Das war so aber nicht geplant!>

Ich finde es cool, daß Meto alle seine Notizblöcke noch aufgehoben hat. Das hat richtig was von Exzentriker und macht ihn in der Geschichte so richtig autenthisch.

"sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zu schminken" XD Das ist ja nun keine Kunst. Meto [Mejibray] sieht ja immer aus als wäre er dreimal nacheinander in den Farbkasten gefallen. ^^

„Das ist aber nicht dasselbe Album“ Über diese Aussage hab ich auch gelacht. Kennt Tsuzuku alle Alben von Gazette auswendig? Ist ja irre. Hm, ein paar Songs kann ich schon zeitlich einordnen, aber beileibe nicht alle.

Hm, ich tippe mal drauf, daß Tsuzuku ihn nun in der Rückrunde zu sich nach Hause einläd. ^^

Das Kapitel war irgendwie gut gemacht, so von der Stimmung her, die dabei rüberkam. Es ist zwar nicht viel passiert, aber es kam toll diese wechselseitige Verunsicherung rüber, die sie beide empfunden haben. Sie wussten miteinander nichts so richtig anzufangen, ohne mehr von sich preiszugeben als sie wollten. Das hat man als Leser deutlich gemerkt.
Antwort von: Harulein
02.08.2014 06:53
Okay, dann erklär ich mal wieder. Ich mach das immer so, Antworten ist für mich selbstverständlich und ich versuche, dem Leser meine Geschichte so verständlich wie möglich zu machen.

1. Zufällig weiß ich, dass Toguro und Linda nicht auf demselben Album sind, weil ich das eine hab, das andere nicht. Ich hab einiges von Gazette und Tsu hier halt auch.

2. Na ja, ne Einladung ist es weniger, aber auch das kommt noch.
Antwort von: Futuhiro
02.08.2014 12:47
Ah ja, das ist natürlich auch ne Erklärung, wenn man das ein Album hat und weis, daß das andere Lied da definitiv nicht drauf ist. So weit hatte ich wieder nicht gedacht. XD Danke.
Von:  Tesla
2014-05-14T06:48:49+00:00 14.05.2014 08:48
Uhi Zucker. Jaaaaa freu.. Dieses Kapitel war ja auch eher leise und ein bisschen traurig, da tut ein wenig zucker schon ganz gut. Singt tsu im nächsten Kapi dann endlich mal was für meto?
Antwort von: Harulein
14.05.2014 13:45
Nee, das Singen kommt erst im übernächsten Kapitel. Aber dann richtig ^^
Antwort von:  Tesla
14.05.2014 13:49
Ok dann muss ich mich noch in geduld üben... oh man wo das doch so gar nicht meins ist^.^


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