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Privet und cześć!

Russian Lullaby
von

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Ist das eine Selbsthilfegruppe?

~Eine Gruppe von jungen Männern stand in einem Kreis und jeder Einzelne berichtete, was er erreicht hatte:
 

„Yo, alles klar Leute? Alles fit? Ihr kommt nicht drauf, daher sag ich's euch; ich hab 'nen Bestseller geschrieben, der so erfolgreich ist, dass gleich mehrere Verfilmungen, eine Graphic Novel und 'ne eigene Serie im Freitagabendprogramm diesbezüglich feststehen!", berichtete der erste von ihnen. Ein anderer zollte ihm Respekt indem er begann, sich wild zu gestikulieren und kurz darauf mit seinem Erfolg herausrückte:
 

„Ho-hoo! Nicht schlecht, nicht schlecht! Ich hab mir grad zum ersten Mal in meinem Leben eine Promi-News-Zeitschrift gekauft und habe soeben festgestellt, dass ich zum 'Sexiest Man Alive' gewählt wurde. Doch das krasse ist, dass es nicht nur für 2015 gilt. Nein! Es gilt auch für 2016 und 2017 und die Jahre darauf auch. Ich bin Sexiest Man Alive forever and ever, Baby! Schon seltsam...Dabei bin ich gar kein Promi!"
 

Ein Dritter trat hinzu und würdigte die Errungenschaften der beiden Ersteren mit einer selbstbewussten und lockeren Handbewegung.
 

„Alter Falter! Voll korrekt ihr zwei! Aber wisst ihr was? Ich kann das noch toppen! Ich habe eine Methode gefunden um voll funktionsfähige, naturalistisch aussehende und sehr authentische Körperprothesen zu entwickeln. Außerdem werden die Dinger von den Krankenkassen bezahlt!"
 

Respektvoll und schwer beeindruckt nickten die Mitgenossen. Sowohl in Gestik, als auch in Mimik war die Anerkennung deutlich zu beobachten. Als auch noch eine vierte Person hinzu trat, meinte man, jetzt käme die ultimative Steigerung. Der schwarzhaarige, junge Mann schien etwas überstrapaziert, was wohl daran lag, dass er in letzter Zeit zu wenig schlief. Aber das war auch verständlich, wenn man wusste, was für eine Errungenschaft er geleistet hatte:
 

„Ich habe Ophtalmophobie."
 

Ehe noch eine Reaktion der drei anderen Herren folgen konnte, platzte auch schon eine fünfte Person herein. Ein blonder Junge, der zwar auch sehr positiv und stolz wirkte, jedoch auf eine andere Weise, als die ersten drei.
 

„Und ich kann das verursachen!", rief er freudig. So basierte also der Erfolg des Schwarzhaarigen auf dem des Blonden.
 

Die ersten drei schauten sich schweigend und leicht verwirrt an.
 

Der Blonde vernahm das Misstrauen und schaute diese bedrückt an:
 

„Ja, was denn??"~
 

„NEIN!!!"
 

Schweißgebadet und mit aufgerissenen Augen, in denen sich meine Panik bzw. vielleicht auch meine Paranoia widerspiegelte, schnellte ich hoch. Ich brauchte ein paar Atemzüge, um mich wieder zu beruhigen und zu erkennen, wo ich war.
 

Ich saß gerade auf einem Bett in einem Zimmer und hielt mich mit meinen Händen verkrampft an der Bettdecke fest.
 

"..Es war nur ein Traum....", stellte ich nach einiger Zeit erleichtert fest. Oh, wie gut. Wie gut, dass ich aufgewacht war..Aber irgendwie wusste ich immer noch nicht so genau, wo ich war. Ich blickte noch einmal etwas ruhiger umher, um etwas zu erkennen. Das Zimmer kam mir bekannt vor. So langsam erinnerte ich mich, wo ich hier war.
 

....Ah, ja... Gut, okay. Da wäre nur noch eine Kleinigkeit, die mich beunruhigte. Langsam und vorsichtig richtete ich meinen Blick zur Seite nach links. Da lag er. Schlummerte seelenruhig und zufrieden vor sich hin. Bestimmt träumte er von Regenbögen und Gummibärchen und vielleicht sogar von Ponys. Aber nur vielleicht!
 

Fix und fertig atmete ich aus. Man konnte dies wohl auch als Seufzer gelten lassen. Dieser Verrückte! Ich wusste, dass er mich sogar in meinen Albträumen verfolgen würde. Ich wusste es! So eine Frechheit. Da war man nicht einmal mehr in seinem eigenen Unterbewusstsein sicher! Der Typ war einfach überall.
 

Ich blickte Grzegorz noch einmal genauer an, um sicherstellen zu können, dass er auch wirklich noch schlief.
 

Okay, die Luft war rein. Jetzt brauchte ich ersteinmal etwas, um mich zu beruhigen. Aber was? Ich hatte nichts Essbares in meinem Koffer, da man ja keine verderblichen Lebensmittel einpacken durfte. Und um in den nächsten Laden zu gehen, kannte ich mich nicht genug aus. Wahrscheinlich war es auch noch zu früh. Die Situation schien ausweglos.
 

Doch dann fiel mir noch der Typ von gestern ein. Ihr wisst schon, der aus der Sesamstraße. Aber Vodka? Dann auch noch am frühen Morgen? .....Nein...nein, nein..Der würde mir nicht helfen. Ich brauchte etwas anderes. Sardinen? .........Ja..warum nicht, Sardinen sind doch immer gut..
 

Ich stand langsam auf, wobei ich darauf achtete keinen Krach zu machen und zog mir etwas über. Dann schlich ich zur Tür, öffnete diese wie ein Ninja, schlich hinaus und schloss sie auch wieder wie ein Ninja. Wenn ich sage, wie ein Ninja, meine ich einfach nur; sehr, sehr leise.
 

Auf dem Gang war es etwas heller, als in unserem Zimmer. Anscheinend hatte Grzegorz die Jalousien zugedreht. Das war aber sehr aufmerksam von ihm! Dann kann ich ihm ja fast nicht mehr böse sein, dass ich wegen ihm eine neue Angststörung entwickelt habe! Okay, sagen wir einfach die passt perfekt zu meiner Sammlung!
 

Spaß beiseite, ich sollte mich mehr auf den Weg konzentrieren. Sonst lief ich noch Gefahr mich zu verlaufen. Das wär' echt hart. Dann könnte ich gar nicht mehr in mein Zimmer zurückfinden.
 

.........Wobei...ich könnte dann einfach bei jemand anderem im Zimmer wohnen oder auf dem Dachboden...falls diese Einrichtung so etwas besaß. Wenn mein neuer Mitbewohner dichthalten würde, würden wir nie auffliegen. Nie! So nett das von Grzegorz auch war, die Jalousien zuzudrehen, aber fürs erste brauchte ich meine Ruhe.
 

Nach einiger Zeit meinte ich die Küche erreicht zu haben und tatsächlich; es sah hier sehr küchig aus! Zumindest die Tür vermittelte mir das Gefühl, sie gehöre zu einer Küche.
 

Ich drückte also die Klinke herunter und betrat die potentielle Küche, wobei ich sogleich vor lauter Verwunderung wieder stehenbleiben musste.
 

Mein Blick fiel auf den Kühlschrank, in welchem ich das 'Russische Müsli' vorzufinden gehofft hatte. Doch vor dem Kühlschrank stand eine gewisse Person. Jene erblickte ich nur von hinten, doch ich konnte erkennen, dass es sich um eine recht kleine Person handelte. Und wenn mich nicht alles täuschte, war diese Person, der Silhouette nach zu urteilen, eine weibliche Person. Ich hätte es auch für sehr merkwürdig empfunden, wenn sich ein Junge so die Haare gebunden hätte. Dann allerdings passierte etwas, was meinen Atem stocken ließ.
 

Die Person (und ich hatte Recht, es war ein Mädchen), drehte sich um und schaute mich an. Man konnte deutlich erkennen, dass sie sich ertappt fühlte. Der Grund? Nun, sie futterte gerade mein Russisches Müsli auf. Es guckte sogar noch der Fischschwanz aus ihrem Mund heraus. Sogleich saugte sie ihn ein, als wäre es eine einfache Spaghetti gewesen. ........Auf eine...sehr abartige Weise..., war das irgendwie total niedlich...Ich..ich weiß auch nicht.... ..Jedenfalls..fingen wir kurz darauf an, uns anzustarren. (Okay! Ja, gut! Ich geb's ja zu! JETZT wurde ich rot! JETZT wurde ich tatsächlich rot! Seid ihr jetzt glücklich? Super! Schickt mir Fanpost!)
 

Eine Tatsache ließ mich besonders nervös werden: Das Mädchen vor mir, welches es soeben tatsächlich fertig gebracht hatte, in Vodka eingelegte Sardinen zu verspeisen, war auch das Mädchen von gestern. Ja! Die aus dem Bus!
 

„Mh...", fing sie an. Anscheinend wollte sie etwas sagen. Ich war ihr äußerst dankbar dafür, denn ich glaube nicht, dass ich im Stande gewesen wäre die Stille zu durchbrechen. Auch wenn...sie etwas verunsichert schien. Ich glaube jedoch, dass sie hundertmal gescheitere Dinge formulieren konnte, als ich in dem Moment.
 

Etwas schüchtern blickte sie mich an und fuhr fort: „Ähm...Gu-Guten Morgen..."
 

...............Ja...ja, ich wurde rot..N-na und...?! Das ist doch keine große Sache...! Im-merhin, wenn man von jemandem so angeschaut wird..., dann...dann kann man doch nur rot werden...! Das ist eine völlig natürliche Reaktion! A-außerdem bedeutet 'Rotwerden' nichts anderes, als das einfach mehr Blut als sonst durch bestimmte Gesichtspartien fließt!! Man..man wird immerhin auch rot, wenn man Fieber hat o-oder, wenn man zu lange einen Kopfstand gemacht hat! G-genau!!
 

....So, nachdem wir das nun geklärt haben, führe ich euch mal weiter aus, was sonst noch so passiert ist.. Also, es fiel mir nach einiger Zeit (!!) wieder ein, dass ich sie immer noch anstarrte. Und sie mich auch. Wir starrten uns gegenseitig an und mir wurde klar, dass das so nicht weitergehen konnte. Aber mein Mund war sich mit meinem Verstand noch nicht so ganz einig; er hielt es nicht für notwendig, eine Antwort zu äußern.
 

Also wirklich! Ich bin der Herr und Gebieter über meinen Mund! Vielleicht nicht immer über meine Blase, aber doch wohl über meinen Mund!! Also, wenn ich mich dazu entscheide, etwas zu sagen, dann tue ich das gefälligst auch!! Na los!! Nun sag doch endlich was!!!
 

...................wie ihr euch sicher denken könnt, sagte ich nichts.
 

Das war doch lachhaft. Wenn ich etwas sagen wollte, dann konnte ich das jederzeit; also los, Sergej; another try!
 

„.....Äh......m.............!", ...............DAS WAR DOCH JETZT ECHT NICHT WAHR!!!! Warum versagte meine Stimme denn jetzt so?!! Sergej!! Jetzt reiß Dich mal zusammen!!! Du wirst doch wohl einem Mädchen 'Hallo' sagen können! Seit Sascha ausgezogen ist, ist Dein einziger männlicher Mitstreiter in Deiner Familie Dein Vater, sonst ist das ein absoluter Frauenhaushalt!! Also sei ein Mann und - sag - was - !!!
 

„......Hi......", .......super, Junge...ich bin stolz auf Dich.
 

Das war wirklich deprimierend...aber wenigstens hatte ich etwas gesagt..! Das war doch besser, als nichts.....oder...?
 

Es war auf jeden Fall sehr deprimierend...Was machte eigentlich mein Gegenüber währenddessen?
 

Ich schaute zu ihr und erblickte ein kleines (das heißt von der Körpergröße her), recht zierliches und stilles Mädchen mit leicht welligen, weichen Haaren, deren Farbe ich nicht direkt zuordnen konnte (Es war irgendwas zwischen blond und braun...oder beides. Auf jeden Fall sehr hell.). Wie lang sie genau waren, konnte ich nicht sagen, denn sie hatte sie in einem interessanten Etwas zusammen gebunden. Es war kein Pferdeschwanz, aber auch kein Dutt. Wieder so ein Zwischending. Ihre Haut war sehr hell und hatte einen rosigen Teint. Doch was wirklich besonders war, waren ihre Wimpern. Ernsthaft; sie hatte irgendwie 50.000 Wimpern! Und sie sahen nicht so aus, als wären sie angeklebt. Sie wirkten natürlich, vor allem weil sie nicht gestriegelt in eine einzige Richtung wuchsen. Sie waren irgendwie ein wenig unordentlich, aber das sollte jetzt nicht heißen, dass es irgendwie hässlich aussah oder unästhetisch. Nein, das....äh.....sah wirklich sehr...schön aus....Ja, ähm und ihre Augen waren wirklich sehr groß! Was...aber auch daran liegen könnte, dass sie jetzt so große Augen machte..ACH DU SCHANDE! Was tat ich denn da??!
 

Ich habe sie jetzt keine Ahnung wie lange angestarrt und einfach Schritt für Schritt ihr Aussehen in Gedanken beschrieben! Und - sie - dabei - die - ganze - Zeit - AN-GE-STARRT! DIE - GANZE - ZEIT - !
 

Ist ja kein Wunder, dass sie mich so verängstigt ansieht! Ich mein, wie lange rede ich hier denn schon??! Fünf Minuten?? Oder sogar noch länger?? Oh, Mann...Das arme Mädel...!!
 

Erst falle ich ihr im Bus auf die Nerven...dann starre ich sie stundenlang an...und - Moment.. Der Bus.....Das hatte ich ja total vergessen!! Oh, Maann!! Was sollte das denn?! Sergej!! Wie gedenkst Du Dich jetzt bei ihr zu entschuldigen, hä?! Mit einem einfachen 'Ja, sorry, Schnecksche' ist es nicht getan! Und - Moment. Schneck...wo hab ich das denn jetzt her...? Ach...das...spielt doch jetzt ehrlich keine Rolle, oder...?
 

Was im Moment viel wichtiger war, war die Tatsache, dass ich langsam mal was sagen musste und zwar mehr als 'Hi.'. Was sollte das überhaupt?! 'Hi.'...Was für ein Checker bist Du denn?! Fehlt ja nur noch, dass Du sie mit zurückgelehnten Schultern und halb offenen Augen mit einem totalen Smirky-Face ansiehst! Boah, Junge es reicht echt...
 

Okay, ich musste etwas sagen. Sie wirkte nämlich mehr als verunsichert. Ich mein, ist auch halbwegs verständlich. Wenn ich in ihrer Rolle wäre, ich würde auch Angst kriegen, wenn ich vor einem 1,91m großen, schwarzhaarigen Schrank stehen würde. Okay...ganz so ein Schrank war ich auch wieder nicht...aber egal. Das tat jetzt nichts zur Sache! Hm...aber was sagte ich denn jetzt..?? Ich konnte sie ja noch nicht einmal vernünftig begrüßen!
 

Hach, das war ja alles so traurig...jetzt war ich bei ihr bestimmt schon unten durch, noch bevor ich überhaupt richtig mit ihr geredet habe...Dabei habe ich mich noch nicht einmal bei ihr entschuldigt...
 

...Dabei habe ich mich noch nicht einmal bei ihr entschuldigt.
 

....
 

Das....IST ES!! Danke liebes Hirn! Manchmal bist Du etwas langsam, aber ich bin wirklich froh, dass es Dich gibt!
 

Ich setzte also alle Hebel in Bewegung, um endlich das zu tun, was schon lange nötig war: „Hey...ähm, hör mal. Ich wollte..."
 

Doch leider wurde mir dieser Triumph auch diesmal nicht gestattet.
 

Ich war wirklich kurz davor endlich das zu sagen, was ich seit drei Kapiteln kläglich versuchte. Ich wollte endlich diese Ungereimtheit aus der Welt schaffen. Ich wollte...endlich mein Gewissen erleichtern, aber vor allem mein tiefes Bedauern der Person gegenüber ausdrücken, welcher ich so zur Last gefallen war.
 

Ich wollte das alles wirklich bereinigen! Doch...dieses Glück wurde mir nicht gegönnt...Denn Sergejs sind nicht dazu bestimmt, glücklich zu sein. Besonders Sergej Braginskis nicht. Und ganz besonders keine Sergej Braginskis mit einem lilafarbenen Schal (Ja, ich trage einen lilafarbenen Schal. Den hab ich von meiner Schwester bekommen, aber psscht!). Das war einfach nicht fair. Aber...vielleicht hatte ich es auch nicht anders verdient...Immerhin war ich es, der auf Grzegorz' kranke Psychospielchen eingegangen war...Ich war es, der laut los gerufen hatte, als die mentale Last zu groß wurde...ICH war es, der nie die Rosamunde Pilcher bis zum Ende hatte ertragen können! Ich! Ich! Ich! Mea culpa! (←Für alle, die Latein abgewählt haben: Das bedeutet 'Meine Schuld!')
 

Ihr mögt jetzt vielleicht denken, dass ich hier übertreibe...überreagiere...überinterpretiere...Aber glaubt mir; ich weiß wovon ich rede!
 

'Was mag nur der Grund für sein Denken sein?', könntet ihr euch fragen. Aber das ist eine andere Geschichte, die zu erzählen nicht für heute bestimmt ist. Stattdessen sage ich euch einfach, weshalb ich mich nicht ganz einfach bei ihr entschuldigen konnte.
 

Denn in dem Moment, als ich endlich versuchte zur Sache zu kommen, wurde ich durch einen...ahhh, ich will's nicht Schrei nennen...durch einen Zwischenruf unterbrochen.
 

Ich blickte hinter mich. Lautes Gelächter. Allem Anschein nach, kam es aus dem Flur. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und ein Mädchen mit längeren blonden Haaren und einer Skimütze auf dem Kopf trat ein. Sie sah sehr unzufrieden aus. In derselben Weise, in der sie mich anstarrte, sprach sie mich auch an: „Ihr sollt kommen."
 

Dann drehte sie mir wieder den Rücken zu und verschwand durch die Tür.
 

Wow. Ging das eigentlich noch freundlicher? Ernsthaft, was hat die denn gefrühstückt? Wahrscheinlich gar nichts. Das würde auch ihre Laune erklären. Oder war sie immer so? ...Na hoffentlich nicht.
 

Ich seufzte leise und ging zur Tür, als mir noch auffiel, dass das Mädchen aus dem Bus ja immer noch da war. Ich kam mir jetzt zu dumm vor, als dass ich noch etwas zu ihr hätte sagen können. So öffnete ich die Tür, machte ihr Platz und blickte zur Seite. Ich weiß, nicht gerade die beste Art. Aber es war mir im Moment zu peinlich, sie anzusehen. So, wie mein Verhalten in der letzten Zeit schief lief...Aber ich wollte wenigstens zeigen, dass ich nicht so unhöflich war, wie man wohl dachte und hielt ihr die Tür auf. Ich hätte es ohnehin getan, nur hätte ich sie vielleicht dabei angesehen, hätte ich das Missgeschick ausräumen können.
 

Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sie mit gesenktem Blick schnell hinauslief. Ich hätte wieder einen Seufzer von mir geben können, aber eine Sache irritierte mich etwas. Es schien mir, als habe ich etwas gehört, sehr leise zwar nur, aber irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los. Ich grübelte etwas darüber nach, denn so richtig verstanden hatte ich es nicht. Es hatte sich ein wenig wie 'Danke' angehört, aber wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein.
 

Nun denn. Grumpy-Girl meinte ja, wir sollen kommen. Sie würde wohl noch grumpiger werden, wenn ich sie länger warten ließ. Also ließ ich die Tür los und bewegte mich Richtung Flur. Dort angekommen erwartete mich wieder ein ganz bizarrer Anblick:
 

Da waren drei Jungen, und wenn ich 'Jungen' sage, dann nur, weil ich mir zu dämlich vorkam, die Typen bei der Aktivität, welche sie vollzogen, als 'Kerle' oder 'Männer' zu bezeichnen. Wow. Das war ein sehr langer Satz. Ich sollte mir das wirklich abgewöhnen.
 

Na ja, jedenfalls waren da drei männliche Individuen, welche...auf dem Flurboden herumrutschten. Das hört sich jetzt nicht besonders spektakulär an, aber es sah einfach nur albern aus. Besonders, weil sie es mit so einer Leidenschaft taten und diese auch lautstark zum Ausdruck brachten.
 

„Woohooou!! Alter, das macht ja voll Spaß hier! Der Boden hier ist super!!"
 

-„Ja, voll! Bei mir Zuhause klappt das nie..."
 

Mir fiel gerade auf, dass der Australier ebenfalls zu der munteren Truppe gehörte.
 

........Irgendwie war das klar....
 

Die Drei hatten noch richtig viel Spaß, allerdings kam relativ zeitnah jemand angedackelt, der nicht solchen Spaß daran hatte:
 

"Hey, was tut ihr denn da??! Ich habe den Boden heute Morgen frisch gebonnert!!", rief ein Mann mittleren Alters, während er zu den Fußbodenrutschern eilends hineilte.
 

"Tut uns leid, Herr Hausmeister...", sprachen die Drei im Chor. Einer der dreien löste sich allerdings von der Eintönigkeit, indem er hinzufügte:
 

"Aber es macht solchen Spaß! Der Boden ist wirklich glat; Sie haben gute Arbeit geleistet!"
 

"Ächz....wie alt wart ihr noch gleich...?", erwiderte der Hausmei--- Oh. Guck mal einer an; Sesamstraßenmann. Vielleicht sollte ich mich auch bei ihm entschuldigen, für die gestrige Situation?
 

Doch noch ehe ich mir weitere Gedanken darüber machen konnte, betrat auch schon eine weitere Person den Ort des Geschehens: Ein Mann, wieder mittleren Alters, welcher ziemlich groß war, trat in den Raum ein. Er hatte recht breite Schultern und sein Gesicht wirkte ebenfalls etwas kantig. Er hatte sehr kurze, braune Haare und trug eine schwarze Brille. Seine Statur war etwas schwierig zu beschreiben; nun er war nicht dick, aber wirklich schlank war er auch nicht. Alles in allem hatte er ein recht maskulines Erscheinungsbild, welches aber durch sein munteres Lächeln erweicht wurde.
 

"Guten Morgen zusammen! Sind schon alle wach?", begrüßte er uns, wartete aber noch damit ab, sich vorzustellen. Anscheinend wollte er noch damit warten, bis alle da waren. Kurze Zeit später wies er uns an, in den Aufenthaltsraum zu gehen. Dort befand sich ein großer Stuhlkreis, allem Anschein nach um uns gegenseitig vorzustellen. Irgendwie hatte das was von einer Selbsthilfegruppe. Oder einer Besprechungsrunde in einer Schulklasse.
 

Ohne mir groß Gedanken zu machen, setzte ich mich einfach irgendwo hin. Später wünschte ich mir, meinen Platz mit mehr bedacht ausgewählt zu haben, denn ich landete letztendlich wieder bei Grzegorz. Als nun alle Stühle besetzt waren, kam auch der Mann von grade zu uns hinzu und setzte sich ebenfalls zu uns. Er hielt eine Liste und einen Stift in der Hand und schaute freundlich in die Menge.
 

"Okay, also grüßt euch allerseits! Mein Name ist Stefan Schwartz und ich bin einer der Betreuer dieses Projektes. Falls ihr irgendwelche Fragen haben solltet, fühl euch frei euch an mich zu wenden. Im Laufe des Tages werdet ihr aber noch weitere Mitarbeiter kennenlernen.", stellte er sich nun vor. Stefan Schwartz...das klang irgendwie deutsch. Jetzt fiel mir auch auf, dass er einen leichten Akzent aufwies, welcher auf seine Wurzeln hindeutete. Aber es schien irgendeinem Dialekt entsprungen zu sein. Vielleicht bayrisch oder österreichisch. Irgendwie die südliche Richtung.
 

"Okay, also, da ihr euch wahrscheinlich noch nicht alle so gut kennt, machen wir jetzt mal eine kleine Vorstellrunde. Ihr nennt euren Namen, das Alter, woher ihr genau kommt und was ihr so gerne macht. Alles klar, dann fangen wir mal an mit...", der Betreuer schaute auf seine Liste. Allerdings verging ihm das Lächeln alsbald. Er starrte ratlos das Stück Papier an und wusste nun wirklich nicht, was er sagen sollte.
 

"Das spricht man Grzegorz aus!", hörte ich plötzlich neben mir eine Stimme erklingen. Ich war wirklich erstaunt darüber, dass Grzegorz sofort erkannt hatte, dass es um seinen Namen ging. Den er lag tatsächlich richtig. Offenbar passierte ihm das öfter.
 

"Oh, achso. Ja, natürlich! Gut, dann stell Dich mal vor!", erwiderte der Betreuer dankbar und darauf verzichtend, den Namen zu wiederholen.
 

Grzegorz, sichtlich zufrieden, fing mit seiner Vorstellung an:
 

"Ja, also, ich heiße Grzegorz Brzeczyszczykiewicz und---"
 

"Warte, warte, warte!", wurde Grzegorz plötzlich unterbrochen. Der Junge, dem diese Stimme gehörte, saß neben dem Australier und einem anderen Jungen. Jedenfalls handelte es sich um die Drei, welche vorhin so munter auf dem Flurboden rumgerutscht waren. Was ihn selbst anging, konnte ich nicht klar sagen, wie alt er war. Zwischen 14 und 17 hätte es alles sein können. Er hatte ein relativ weiches Gesicht und relativ mandelförmige Augen. Ja, ich weiss, alles relativ. Ha, ha. Na ja, um ihn weiter zu beschreiben, seine Haare waren zu einer etwas kürzer als üblich geratenen Skaterfrisur zur Seite gekämmt. Seine Haarfarbe war auch bemerkenswert: Eine seltsame Mischung aus straßenköterblond und goldblond, dazu mit einem leichten naturrotstich. Seine Augenfarbe konnte ich nicht genau erkennen, aber es schien etwas mit blau darin zu sein. Von der Statur her wirkte er schlank und definitiv kleiner als ich, allerdings auch definitiv größer als Grzegorz. Von den drei Flurskatern war er von der Größe her in der Mitte.
 

Jedenfalls meldete er sich weiter zu Wort: "Alter, das kann doch keiner aussprechen!"
 

"Äh, doch! Wie Du eben gemerkt hast! Das ist ganz einfach, Grzegorz Brze---", wollte Grzegorz noch kontern, wurde aber derweil unterbrochen, ehe er noch zu Ende sprechen konnte.
 

"Hör mal, sorry, ich will Dir jetzt nicht zu nahe treten, aber hast Du vielleicht 'nen Spitznamen?", fragte der Skaterjunge.
 

"Spitznamen?"
 

"Ja, irgend'ne Abkürzung. Ich mein; Aussprache ist eine Sache, aber dafür müsst ich mir Deinen Namen erstmal merken können! Ich mein', wie heißt Du noch gleich mit Nachnamen?"
 

"Brzeczyszczykiewicz!"
 

"Da hast Du's! Ich hab's schon wieder vergessen!"
 

"Ah, okay...Gut, nennt mich einfach Levi!"
 

"Alles klar!"
 

...Okay, er hatte jetzt zwar einen Spitznamen und die meisten schienen recht erleichtert darüber zu sein. Aber....was bitte hat 'Levi' mit 'Grzegorz' oder 'Brzeczyszczykiewicz' zu tun?! Da ist noch nicht einmal ein 'L' drin in seinem Namen! Bin ich jetzt echt der Einzige, denn das irritiert?! Ah, nein...Stefan scheint auch deswegen verwirrt zu sein. Wie schön! Ein Geselle!
 

"Also, ich bin Levi.", fuhr Grzegorz aka Levi fort, wurde aber sogleich von einem Chor, angestimmt von, wer hätte es gedacht, den drei Jungens. Ich gebe ihrer lustigen Truppe jetzt einen Namen, denn es ist mir zu umständlich immer 'die Drei', 'die drei Typen' oder ähnliches zu schreiben. Also, der Chor wurde angeführt vom Trick-Trio (tolle Namensgebung, ich weiss):
 

"Hallo Levi!"
 

Wieder einmal löste Skaterboy sich von der Menge, welche nur aus drei Personen bestand und äußerte den nächsten Gedanken:
 

"Leute, das hat irgendwie was von einer Selbsthilfegruppe. Wollen wir das jetzt bei jedem so machen? Das hat dann dieses coole Gemeinschaftsfeeling!"
 

Schlug er das jetzt ernsthaft vor? Und Stefan? Was sagte der dazu? Lachte er da etwa gerade? Tatsache! Er lachte einfach! Wenn auch leise. Amüsierte ihn das etwa? Schnade! Das ist doch nicht lustig! Das ist traurig! Traurig ist das! Wie kann man sich denn so als halber Erwachsener verhalten? ....Naja, es heißt ja nicht umsonst 'halber Erwachsener'.
 

Grzegorz verkraftete es erstaunlich gut, dass er so oft unterbrochen wurde, durfte dann aber doch letztendlich fortfahren.
 

"Äh, okay. Also ich bin 15 Jahre alt und ich bin hier, weil ich gern singe und tanze. Und ähm, E-Gitarre spiele ich auch." E-Gitarre? Respekt, das hätte ich ihm jetzt nicht zugetraut. Aber singen? Das klingt jetzt vielleicht etwas gemein, aber ich glaub, das will ich bei ihm nicht hören. Aber vielleicht irre ich mich ja auch. Okay, tut mir ja leid...
 

"Und woher genau kommst Du, Levi?", fragte Stefan, von Grzegorz Spitznamen sofort Gebrauch machend.
 

"Aus Danzig in Polen!"
 

"Oh, Danzig. Ich habe gehört, das soll eine sehr schöne Stadt sein?" NEIIN!! Stefan!! Was tust Du denn da?! Ich dachte wir wären Kameraden?? Mein Fehler lag darin, nicht schnell genug abgehauen zu sein, weswegen Grzegorz mich vollquatschte. Aber Du! Du rennst da ja freiwillig rein!! Es tut mir leid, aber an diesem Punkt muss ich jetzt einmal lachen! Einmal kurz und herzhaft. Ha, ha! Sie Narr!
 

Und mein Verdacht bestätigte sich, denn Grzegorz fuhr sogleich fort uns lang und breit von seiner Heimat zu erzählen. Er erzählte wirklich so ausführlich und zugegebenermaßen auch lebendig, dass wir eine Pause einleegen mussten, weil es schon Mittagszeit war und das Essen bereits auf uns wartete.
 

Aber wisst ihr was? Das Ganze hatte auch etwas Positives! Und wisst ihr auch warum? Es gab Sardinen mit Tomatensoße!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-06-29T16:15:15+00:00 29.06.2016 18:15
*räusper* Sergej, du hast Fanpost. XDDDDDDD

Woher hat dieses eine Mädchen gewusst, dass die zwei in der Kücher sind? Wie viel Zeit ist in der Kücher vergangen? Niemand hat was von einem Termin am frühen Morgen gesagt. Was ist mit dem Frühstück? Ich bin verwirrt @_@ freue mich aber trotzdem auf s nächste Kapitel
Antwort von:  Nosferatu-kyoudai
22.08.2016 02:32
Sergej: "...Ähm...." =///=
*and out*

Du weißt gar nicht, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe! Q^Q

Du brauchst Dir da nicht so viele Gedanken zu machen, hab ich auch nicht (huehue). x'D


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