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Icecube

Fortsetzung zu "Sugarcube"
von

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The vulnerable rose

Seine Hand zitterte. Der Vodka schwabbte beinahe über als das Glas energisch auf der Theke abgestellt wurde und die Eiswürfel gaben ihr typisches Klickern von sich, als sie durch die harte Bewegung aneinander schlugen oder das Glas streiften. Nervös ließ er seine unruhigen Finger durch seine blondbraunen Locken fahren, griff gleich darauf wieder zum Glas und nahm erneut einen Schluck. Er wurde langsam wahnsinnig... Was musste er noch alles tun um sich Yoshiki gegenüber zu beweisen? Hatte er dies nicht eigentlich schon oft genug getan? Was wollte er noch alles von ihm? Wann war er endlich mal an dem Punkt angelangt, an dem er dem Boss gut genug war? Gab es diesen Punkt überhaupt...? Oder lief er die ganze Zeit blind ins Leere.........? Taiji schüttelte rasch und energisch den Kopf, führte das Glas abermals an seine Lippen. Es ging doch nur um ein paar Songs; was konnte daran nur so schwer sein? Ein paar Songs.....mal wieder....
 

Er blickte auf das Stück Papier, Welches auf dem Tisch vor Yoshiki lag und auf Welchem der Boss soeben flüchtig drei seiner Lieder durchgestrichen hatte. Die Songs die nun noch übrig geblieben waren, waren fast ausschließlich nur von Yoshiki geschrieben worden. Eine Ausnahme waren zwei Stücke die hide geschrieben hatte und ein Titel, an welchem Toshi und Yoshiki gemeinsam dran gearbeitet hatten.

Leicht irritiert deutete der junge Bassist mit einem Finger auf seine drei durchgestrichenen Titel. „Warum machst du das jetzt?“, wollte er wissen und blickte auf Yoshiki, der vor ihm am Tisch saß.

„Die Songs passen nicht zum Konzept des Albums“, gab Dieser jedoch nur kurz angebunden von sich und ging die Liste weiter durch.

Taiji hob, für den anderen nicht zu erkennen, eine Augenbraue in die Höhe. „Warum das jetzt auf einmal nicht? Ich denk, die kommen mit drauf?!“

Der Leader seufzte leise auf. „Ich bin die Setlist nochmal durchgegangen. Und deine Stücke passen einfach nicht.“ Er wand sich auf dem Stuhl um, um Taiji ins Gesicht blicken zu können. „Sie sind einfach......zu rockig. Von der Sorte haben wir schon genug.“

Taiji glaubte, sich verhört zu haben und ließ den Kaffeebecher beinahe aus der Hand rutschen. „Zu rockig? Was ist X neuerdings für ´ne Band? Machen wir jetzt nur noch Weichspühler-Pop?“ Dieses Argument hörte er nicht das erste Mal von Yoshiki. Er hatte es ihm in letzter Zeit bestimmt schon ein-zwei Mal gesagt....mit genau dem gleichen Wortlaut.

„Taiji, bitte...“ Man hörte der Stimme des Drummers sofort an, dass dieser wieder auf dem besten Wege war, gereizt zu werden.

„Bitte 'was'?“ Taiji stellte den Becher geräuschvoll auf der Tischplatte ab, schob seine Hand über das Papier bis sein Zeigefinger bei einem Titel stoppte. 'Jungle'. Dieses Instrumental-Stück hatten Taiji und hide bereits vor längerer Zeit gemeinsam geschrieben. Nun war auch dieser Song Yoshiki´s Durchstreichwut zum Opfer gefallen. „Warum das? Warum 'Jungle'?“ Unverstanden blickte er dem sitzendem Leader ins Gesicht. „Du hast erst kürzlich gesagt, diesmal kommt es auf´s Album mit rauf! Warum jetzt nicht mehr?“ Manchmal glaubte er, Yoshiki mache das mit Absicht. Ihn zu ärgern. Ihn zu reizen. Ihn wütend zu machen.

Der schmale Drummer erhob sich nun von seinem Stuhl und ging leise schnaubend durch die halbe Küche, bis er sich wieder zum Jüngeren umdrehte. Er fixierte den Anderen mit festem Blick. „Weil X mir gehört und ich bestimme, was auf welches Album rauf kommt!“, zischte er.

Taiji hielt dem Blick des Bosses Stand – er hatte es schon unzählige Male trainiert. „Ohne uns wäre X nicht X.“

Zack. Dieser Satz saß. Obwohl Taiji nicht laut geworden war als er diese Tatsache aussprach, hatte er seine volle Wirkung erzielt. Er traf Yoshiki mitten ins Herz. Schmerzhaft musste er feststellen, dass nicht er allein die Band ausmachte. Dass es ohne die Anderen gar nicht ging...... Wollte man ihm auf diese Art und Weise beschleichen und ihm hinter dem Rücken was wegklauen....? X........? Hektisch schüttelte er bei dem Gedanken seinen Kopf. Nein! Stop! Solche Gedanken wollte er nicht haben, die hatten in seinem Kopf gar nichts zu suchen!! „Hör auf!“ Seine energische Stimme schallte durch die ganze Küche. „ICH habe zu bestimmen, ICH bin der Boss!“ Er fühlte sich in die Enge getrieben, fühlte sich bedroht. Doch das durfte er nicht zulassen!

Der Jüngere zuckte unmerklich, als Yoshiki zunehmends in Rage geriet, lauter wurde. Doch ergriff die Wut und das Unverständnis auch immer mehr und mehr ihn selbst und so konnte und wollte er sich schließlich nicht mehr zurück halten. Schnaubend ging er auf ihn los. „Du bildest dir ein, dir würde alles gehören und du könntest über jeden bestimmen!“ Er stand nun ziemlich rasch sehr dicht vor Yoshiki. „Kannst du aber nicht, denn über mich lasse ich niemanden bestimmen!“

Klatsch!

Taiji´s Wange färbte sich rot. Jedoch nicht aus Wut oder vor Scham. Das stechende Brennen erreichte seine Nervenbahnen. Im allerersten Moment noch perplex, blickte er Yoshiki an. Doch dann kniff er seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, ließ das nicht auf sich sitzen und verpasste ihm einen Kinnhaken.

Yoshiki taumelte, vom Schlag getroffen, keuchend ein-zwei Schritte rückwerts, fing sich dann aber wieder und startete erneut einen Gegenangriff. Diesmal war es Taiji´s Nase, die dran glauben musste. Blut spritzte auf Yoshiki´s Faust und der jüngere Cowboy krümmte sich leise jaulend. Er hielt sich kurz die betroffene, oder besser GEtroffene Stelle im Gesicht, blinzelte an seinen Fingern vorbei zu Yoshiki, bevor er erneut ausholte und auf Yoshiki zielte...
 

So war es die ganze Zeit hin und her gegangen, bis Yoshiki ihn schließlich hysterisch aus der Wohnung warf.

Taiji betastete mit den Fingerkuppen vorsichtig seine Nase. Bluten tat sie nicht mehr, wahrscheinlich hatte die Blutung schon gestoppt, bevor er die Kneipe hier betreten hatte, aber schmerzen tat sie nach wie vor. Er glaubte nicht, dass sie gebrochen war, aber selbst wenn Sie´s gewesen wäre, hätte es ihn höchstwahrscheinlich nicht sonderlich interessiert und hätte dennoch, so wie jetzt wieder, zum Glas gegriffen und den letzten Schluck Vodka in sich gekippt. Er behielt das leere Glas noch eine Weile in seiner Hand und betrachtete es. Leer. Leer, das beschrieb auch so ungefähr sein Inneres im Moment. Er fühlte sich leer, leer wie ein ausgetrunkenes Vodka-Glas......

Er killte in dieser Nacht noch ein weiteres Glas, dann verließ er schließlich torkelnd die Kneipe und trat auf die dunklen Straßen, die stellenweise durch buntes Neonlicht erhellt wurden. Er blickte nach links, er blickte nach Rechts. Es musste irgendwann weit nach Mitternacht sein; Taiji konnte nur schätzen, sein Zeitgefühl hatte er dank des Alkohols schon lange verloren. Es waren nicht viele Menschen auf diesen Straßen unterwegs. Der Lockenkopf zögerte noch einen Augenblick, dann schritt er drauf los. Oder besser, schwankte drauf los. Die Gleichgewichtsfindung....stimmt, da war ja was, was im Moment nicht so ganz anwesend war... Er wich haarscharf einem Straßenschild aus und buffte an der anderen Seite gleich darauf gegen die nächste Hauswand. Nein, so würde es ewig dauern, bis er bei seinem Zielort ankam. Taiji lehnte sich für einen Augenblick gegen die Hauswand, die vorhin einfach so plötzlich aufgetaucht war, und hielt sich mit einer Hand den Kopf. Nur eine kurze Pause, dann würde es gleich weiter gehen können, da war er sich sicher.

Eine sanfte Brise umstrich den jungen Bassisten.

Er blickte auf. In die Nacht hinein. Der kleine Windhauch gerade eben war frisch, doch fror er dadurch nicht. In keinster Weise. Es wirkte beinahe eher so, als hätte die leichte Brise ihn zum Weitergehen bewegen wollen...

Langsam tat er das auch. Zwar nach wie vor in Schlangenlinien, doch schlugen Diese nun nicht mehr ganz so drastisch aus wie noch vor wenigen Momenten. Auf diese Art und Weise überstand Taiji auch den gesamten Weg durch die Dunkelheit, bis er schließlich vor einer ihm wohlvertrauten Tür stand: Es war die Tür, hinter der sich Yoshiki´s Wohnung verbarg.

Ein schwaches Lächeln glitt über Taiji´s Lippen. Er zögerte jedoch nicht und griff in seine Jackentasche, um kurz darauf einen Schlüssel hervor zu holen, Der in dieses Schloß passen würde.

Nachdem Taiji mit der Zeit sich nach und nach immer öfter in Yoshiki´s Behausung aufhielt, hatte Dieser ihm den Zweitschlüssel für die Wohnung gegeben. Und genau dieser Zweitschlüssel verschmolz gerade auf innigste Art und Weise mit dem Türschloß, wurde herumgedreht und keine Sekunde später öffnete sich vor dem Lockenkopf die Tür mit einem ganz leisen Knacken.

Fast lautlos betrat er den Flur der Wohnung. Dass er den Schlüssel wieder aus dem Schloß zog und zurück in seine Jackentasche gleiten ließ, vergaß er im nächsten Moment auch schon wieder.

Er lauschte.

Es war totenstill. In der gesamten Wohnung war es stockduster und kein einziger Laut war zu hören. Ob Yoshiki überhaupt zu Hause war? Fast schon zielstrebig und doch ziellos durchstreifte er den finsteren Flur. Er kam an der Tür zum Wohnzimmer an. Sie war nur angelehnt und so stupste er mit den Fingerspitzen die Tür auf und trat durch sie durch. Hier war es nun ein klein wenig heller, aber auch nur weil von draussen das Licht einer Straßenlaterne durch´s Fenster fiel. Der fahle Schein traf den Fußboden, beleuchtete aber in seinem schrägen Winkel auch den Teil eines großen Regals. Auf Selbiges torkelte Taiji geradewegs zu und blieb dicht davor stehen. Viele Sachen standen in diesem großen schrankähnlichem Regal, viele verschiedene Sachen. Zum Beispiel eine einzelne Rose in einem dreieckiggeformten Glasgefäß. Fast wie von selbst streckten sich die Hände des alkoholisierten Bassisten zu dieser eigensinnig geformten Vase und hoben sie sehr behutsam von der Stellfläche.

Die Blüte der Rose war rot und bisher nur gut zur Hälfte geöffnet. Der sattgrüne Stängel hatte Dornen. Das eckige Glas war durchsichtig. Taiji´s Blick verlor sich inmitten der zahlreichen, eng zusammengefalteten Blütenblätter. Rosen waren Yoshiki´s Lieblingsblumen, schon so lange er ihn kannte und vielleicht sogar über diesen Zeitraum hinaus. Rosen............seine Gedanken streiften orientierungslos umher und mit einem Mal fiel ihm die unübersehbare Ähnlichkeit zwischen einer Rose und Yoshiki auf: Genau wie eine Rose presentierte Yoshiki sich gerne bildhübsch und stolz, anmutig und schön. Doch auch genau wie eine Rose hatte Yoshiki seine verschlossene, schüchterne Seite. Verschlossen, wie die vielen roten Blütenblätter, die sich alle sorgfältig, Eins nach dem Anderen, übereinander legten, um den hilflosen Kern in ihr zu schützen. Die Dornen, die Angreifer leicht verletzen konnten, dienten lediglich als Selbstschutz vor jedem. Verschlossen und hilflos....seine Fingerkuppen berührten die zarten, weichen Blütenblätter. Er hatte Yoshiki schon so manches Mal verschlossen und hilflos erlebt. Schon früher.....als er oft gar nichts davon wusste... Aber Taiji hatte schon ziemlich früh wahr genommen, dass der Boss zwei Gesichter hatte. Nur wie mit diesen beiden Gesichtern zeitgleich umgehen? Ohne sich dabei an den Dornen zu stechen oder den zerbrechlichen Kern im Inneren zu beschädigen?

Taiji´s glasiger Blick verweilte noch eine kurze Zeit auf der Rose, bevor er die Vase genauso vorsichtig zurück stellte, wie er sie aus dem Regal genommen hatte. Langsam entfernte er sich torkelnd aus dem Raum. Die hereinfallenden Strahlen der Straßenlaterne berührten die Rose nicht; sie stand stumm im Schatten.
 

Lautlos öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer. Taiji´s Lockenkopf schob sich durch die Tür, kurz darauf folgte auch der Rest seines Körpers etwas wackelig. Es war mucksmäuschenstill im Raum; nur das gelegentliche leise Rascheln seiner Klamotten war zu vernehmen.

In dieses Zimmer warf nun der Mond, der helle, große, runde Mond sein Licht durch das Fenster und erhellte das Stillleben, Welches sich dem Betrachter presentierte: Der Körper des schlanken Drummers lag regungslos auf dem großzügigen Bett, halbwegs umschlungen von einer Decke. Der Oberkörper hob und senkte sich sehr geringfügig, jedoch auch sehr gleichmäßig. Das Gesicht war behangen mit wirren Haarsträhnen.

Taiji trat dicht ans Bett, kniete sich schließlich auf die freie Seite der Matratze und ließ seinen vernebelten Blick über das fahlscheinende Gesicht Yoshiki´s gleiten. Da war sie wieder, die Zerbrechlichkeit. Sie war ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben.... Der Bassist hätte zu gerne die Züge des Gesichtes seines Liebsten mit den Fingerspitzen nachgemalt, doch teilte ihm irgendeine Ecke seines Verstandes mit, dass er in seinem jetzigem Zustand der Trunkenheit viel zu tapsig sein würde, um den Boss dadurch nicht zu wecken. Dennoch ließ sich das warme Lächeln auf Taiji´s Lippen nicht verheimlichen. „Mein Prinzesschen..........“ Er wusste dabei nicht, ob dies nur ein Gedanke war, oder ob er diese zwei Worte lautlos aussprach. In voller Montur, inklusive Lederjacke und Stiefel, senkte sich sein erschöpfter Körper zu einer liegenden Position nieder, schmiegte sich dabei so behutsam wie nur irgendmöglich an den Körper des Anderen und schloß die Augen. Das Lächeln blieb. Der bekannte Geruch der anderen Person wurde von ihm noch aufgenommen und er glaubte, mit diesem Geruch zu verschmelzen.........mit dem Duft seiner Prinzessin........seiner verletzlichen Rose................

apricot-marmalade

Er schlug die Augen auf. Sofort traf das grelle Sonnenlicht auf seine Pupillen. Schützend vor der plötzlichen Helligkeit, schlossen sich seine Lider sogleich wieder und er drehte sich auf die andere Seite. Ein leises Murren war von ihm zu vernehmen. Er blinzelte mehrfach, bis seine, noch vom Schlaf verhangenen, Augen sich von dem hellen Schock erholt hatten und wieder klar sehen konnten. Er hörte keinerlei Geräusche. Träge wälzte er sich nochmals zurück, kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um sie nicht wieder komplett dem Sonnenlicht auszusetzen. Er lag alleine im Bett.

Taiji setzte sich mit laschen Bewegungen aufrecht hin. Seine Hand fuhr durch die hellen Locken, sein Blick streifte flüchtig den Raum. Er war allein. Allein in diesem Zimmer. Und erst jetzt registrierte er auch, dass seine ganze Bekleidung sich noch an seinem Körper befand. Verwundert blinzelte er zu seinen Füßen, die unübersehbar von Cowboystiefeln umhüllt waren. Etwas irritiert wackelte er mit den Fußspitzen. Warum er das machte, wusste er selbst nicht.

Die robuste Lederjacke hatte er sich während des schlafens schon halb von den Schultern gestreift; dass er überhaupt mit ihr im Bett lag..... Dann lauschte er wieder. Aber er bekam auch dieses Mal nur monotones Schweigen der Stille als Antwort. Schleppend und ächzend begab er sich schließlich aus dem Bett. Er fühlte sich matt, kraftlos, schlapp. Deutliches Zeichen von Mineralstoffmangel, wie es nach starkem Alkoholkonsum üblich war. Immer noch mit einer gewissen Menge von Resterstaunen darüber, dass er sich vergangene Nacht offensichtlich doch inklusive Jacke ins Bett begeben hatte, schälte er sich aus Selbiger und warf sie mehr oder weniger achtlos auf das Bett. Dann trabte er aus dem Schlafzimmer und streifte durch den restlichen Teil der Wohnung. „Yoshi...?“ - Himmelherrgott klang seine krächzende Stimme furchtbar an diesem Morgen! War es überhaupt noch morgens? Oder hatte er bereits wieder den halben Tag verschlafen? Er war in der Küche angelangt und warf einen Blick auf die große, runde Wanduhr, die über der Küchentür hing.

Morgens, halb zehn in Japan....

Der Tag war also doch noch nicht so weit voran geschritten, wie er kurzzeitig befürchtet hatte. Zielstrebig steuerte er die Kaffeemaschine an und brachte sie dazu, ihrer alltäglichen Arbeit nachzugehen. Jetzt erst realisierte er, dass er auf sein Rufen keinerlei Antwort erhalten hatte. Er stiefelte nun einmal durch sämtliche Räume, auch durch das Badezimmer. Seine Vermutung bestätigte sich dabei jedoch zu 100 Prozent: Der Hausherr war nicht zu Gegend, er war allein in Yoshiki´s Wohnung. An und für sich nicht sonderlich ungewöhnlich, doch wenn man sich den vergangenen Abend zurück ins Gedächtnis rief.... Er war an diesem Morgen einfach verschwunden, ohne auf den gestrigen Vorfall hinzudeuten. Zumindest hatte der Cowboy bis jetzt noch keine Notizen in Form von Zettelchen oder Ähnlichem vorfinden können.

Die Kaffeemaschine blubberte unüberhörbar. Taiji trottete wieder zurück in die Küche. Seine Finger angelten einen Becher aus der hintersten Ecke der Küchenablage, platzierten ihn schonmal dicht neben die blubbernde Maschine. Und wieder schweiften seine Gedanken ab... Ob Yoshiki ihn überhaupt bemerkt hatte, als er das Bett verließ? Höchstwarscheinlich schon; ein vollbekleideter Mensch in einem Bett war nicht gerade der Normalfall von Unauffälligkeit. Aber dennoch hatte er ihn nicht geweckt, ihm keine Nachricht hinterlassen..... Diese Tatsache nagte momentan an ihm und er knabberte gedankenverloren an seiner Unterlippe herum, während er das heiße Morgengebräu in seinen Becher goss.
 

„Das muss echt ´n Hobby von euch beiden sein!“ hide stellte breit grinsend seine halbvolle Kaffeetasse auf den leeren Teller, Welcher mit einer Schar Brotkrümeln übersät war.

Taiji leckte gerade den Rest Aprikosenmarmelade von der Messerspitze, als er zu hide blickte. Nachdem er in Yoshiki´s Wohnung durch den ersten Kaffee vollständig wach wurde, hatte er sich kurzfristig mit hide zum Frühstück in dessen Wohnung verabredet. „Glaubst du, wir machen das aus Spaß?“

„Nein. Aber aus Unüberlegtheit.“ Der Bandälteste verschränkte seine Arme vor sich auf der Tischplatte. Seine blanken Augen waren unentwegt auf Taiji gerichtet. „Ihr seid beide trotzig und stur, da erzähl ich dir nix Neues...“

Taiji senkte ein Stückchen die Augenlider – aber auch nur so viel, dass er hide´s Blick ausweichen konnte. Das mitlerweile blitzeblankgeleckte Messer hielt er immer noch in der Hand, jedoch schenkte er ihm nun keine wirkliche Beachtung mehr. „Er hat meine sämtlichen Titel gestrichen – sogar unser 'Jungle'!“ Bei dem letzten Wort wagte er es wieder, seinem Gegenüber ins Gesicht zu blicken.

hide schien von der Info jedoch nicht allzu erstaunt. „'Jungle' hat auch schon einige Zeit auf dem Buckel...“

„Das is´ doch kein Argument, hide! Seit wann verschmähst du etwas, was nicht mehr taufrisch ist?“

„Das tu´ ich nicht. Aber schon mal daran gedacht, dass Yo-chan viel auf Atmosphäre setzt und 'Jungle' vielleicht ganz einfach keinen Funken von der Atmosphäre in sich hat, die er für das neue Album sucht?“ Sein Kopf hatte sich inzwischen ein kleines Stückchen in Taiji´s Richtung vorgeschoben.

Dieser antwortete darauf nicht sofort. Natürlich war es möglich, dass hide mit seiner Vermutung Recht hatte. Aber dennoch war es auffällig, dass ausgerechnet all seine Songs gestrichen wurden... „...schreib´ ich denn so schlechte Stücke...?“, murmelte er eher unbewusst. Seine Augen schauten nun wieder auf die zahllosen Krümel, die um hide´s Teller herum lagen.

„Ganz im Gegenteil“, entgegnete der Gitarrist sogleich. „Aber mal im Ernst: Die Songs sind nicht wirklich das Einzige, weshalb ihr euch immer wieder in der Wolle habt, oder?“ hide´s wissender Blick verriet, dass er keine faulen Ausreden hinnehmen würde.

Taiji senkte nun gänzlich den Kopf und seufzte tief auf. Es dauerte ein paar Augenblicke, doch dann war ein leises, murmeliges „Nein, sind sie nicht...“ zu vernehmen.

hide´s Blick ließ nicht vom Lockenkopf ab. „Na bitte, dann weißt du doch, woran ihr zu arbeiten habt.“

Taiji hob seinen Kopf, schaute den Älteren nur fragend an.

Dieser verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, in eine bequemere Lage. „Ihr seid beide verdammte Dickschädel und wollt immer eure eigenen Ideen durchziehen. Keiner von euch würde auch nur mal auf die Idee kommen, zurück zu stecken und den Anderen machen zu lassen. Jeder von euch beiden will mit seinem Kopf zuerst durch die Wand...“

Während hide diese Beobachtungen und Tatsachen aufzählte, senkte sich der Kopf des Bassisten erneut. Er fühlte sich im Moment, als würde man ihm seine ganzen bisherigen Lebenssünden vorhalten. Obwohl hide´s Stimme keinen Funken Vorwurf enthielt, fühlte er sich ertappt. Ertappt bei einer Sache, die immer wieder auftauchte, obwohl er sie mindestens genauso häufig in den Hintergrund schob, sich nicht mit ihr befassen wollte. War es vielleicht genau der Punkt.........? Sollte es möglich sein, dass der Kern ihrer ständigen Streitereien und Mißverständnisse die Tatsache war, dass sie nie darüber redeten? Es immer wieder nur fortfegten? Plötzlich fiel ihm auf, dass hide aufgehört hatte zu reden. Er schaute ihm mit leichter Überraschung ins Gesicht.

Auf hide´s Lippen hatte sich ein breites Grinsen seinen Platz gesucht. Dieses Grinsen sah anders aus. Es war das spezielle Grinsen, Welches hide von seinen oftmals getriebenen Späßchen deutlich unterschied. Es war das Grinsen eines guten Freundes, der verstand.

Taiji erwiderte es mit einem eingestehendem Lächeln. Manchmal erkannte man seine eigenen Fehler wirklich erst, wenn man mit jemandem darüber sprach; dann presentierten sie sich plötzlich wie von selbst vor der eigenen Nase.

„So schlimm kann´s zwischen euch beiden noch nicht sein. Hey, immerhin hat er dir 'Standing Sex' gewidmet!“, versuchte hide das Thema wieder auf eine lockerere Schiene zu lenken.

„Ja“, nickte der Jüngere und sein Lächeln wurde schief, „aber die Lyrics hat er unter ´nem Pseudonym angegeben. Als ob es ihm peinlich wäre, offen zuzugeben, dass er sie geschrieben hätte....“ Ein schwacher Hauch von Rotschleier legte sich auf sein Gesicht.

Hitomi Shiratori!“ hide lachte kurz aber frei, hob die Arme und verschrenkte sie hinter seinem Kopf. „Den Namen hat er schon mal benutzt. Mehrfach sogar. Bei 'Stab me in the back' und 'Orgasm' hat er seine Texte auch hinter diesen Frauennamen versteckt.“

Taiji nickte, sein Lächeln war immer noch schief. „Sogar bei 'Easy fight rambling' nannte er sich Hitomi. Dabei hat er den Text mit Toshi zusammen geschrieben!“

hide lachte schallend los, als dieser Titel genannt wurde. „'Easy fight'! Oh Mann, das Ding trifft immer noch auf euch beiden zu! Das nenn´ ich ´n Evergreen!“

Der Jüngere blickte nun auf und ihn wieder fragend an.

„Nun tu´ nicht so, als wüsstest du nicht, was die Inspiration zu dem Text gewesen war! Eure ständigen Zoffereien waren es!“ Seine geraden, weißen Zähne blitzten bei dem Grinsen deutlich hervor. „Er war nur zu feige, Das zuzugeben...!“ Er zwinkerte. „Und die anderen Songs haben alle versaute Texte. Drei Mal darfst´e raten, wegen wem.“

Der zuerst kaum merkliche Rotschleier auf Taiji´s Gesicht trat nun etwas deutlicher in Erscheinung.

„Genau“, bestätigte der Gitarrist ihn. „Unser Prinzeschen ist einfach zu schüchtern um zuzugeben, wer sein wahrer Traumprinz ist...“

Der Cowboy grinste ihm nun verschmitzt zu, wie er es fast nur bei hide tat. Ihre gemeinsame Freundschaft war ein starkes Band und der Ältere verstand es wirklich, geknickte Leute wieder aufzubauen.
 

Als Taiji durch die Wohnungstür Yoshiki´s trat, begrüßte ihn die gleiche Stille wie zu dem Punkt, an dem er die Wohnung verlassen hatte und sich zu hide begeben hatte. „Yoshi?“, rief er prüfend durch die helle Wohnung.

Schweigen.

Leise seufzend schloß er die Tür wieder hinter sich, stand nun einige Augenblicke grübelnd auf dem Flur. Wenn Yoshiki sich seit heute Früh nicht mehr in seinem eigenem zu Hause blicken hat lassen und heute keinerlei Termine anstanden – zumindest war Taiji für heute kein Termin bekannt – konnte es praktisch nur einen Ort geben, an Welchem sich der Leader so lange aufhalten würde. Und das war das Studio. Taiji machte auf dem Absatz kehrt und verließ wieder die Wohnung, die er erst vor wenigen Momenten betreten hatte.

Als er knappe vierzig Minuten später das Studio betrat, stieg ihm sogleich das wohlvertraute Aroma von Kaffee in die Nase. Yoshiki war hier, es gab gar keinen Zweifel! Plötzlich spürte er sein Herz etwas schneller schlagen. Er wollte das aufkeimende Gefühl von Aufregung und Unsicherheit unterdrücken, wollte es kühn hinunter schlucken – doch es ging nicht. Das Gefühl blieb in ihm und auch der Herzschlag verlangsamte sich nicht. An einen Rückzieher war jedoch auch nicht zu denken. Schließlich war er nicht umsonst hierher gekommen!

Seine Stiefelabsätze klackerten im regelmäßigem Rhythmus des harten Schrittes. Er konnte schon laute Musik aus Richtung des Aufnahmeraumes hören, noch bevor er Diesen erreicht hatte. Schließlich stand er aber vor der Tür zum genannten Raum und öffnete Diese.

Das Erste, was in sein Blickfeld fiel war Yoshiki´s Rücken. Der Boss saß mit Selbigem zur Tür und war über das Mischpult gebeugt. Ob die Musik zu laut war als dass er sein Eintreffen bemerkt haben sollte? „Yoshi...?“

Der Drummer hob seinen Kopf und drehte sich um. Mehrere Haarsträhnen hingen ihm im Gesicht, Welche er sogleich mit einer routinierten Handbewegung wegwischte. Er blickte Taiji überrascht an, schaute ihm direkt in die Augen.

Der Bassist trat ein, schob hinter sich die Tür wieder zu ohne Diese im Blickfeld zu haben. Er kuckte unentwegt in Yoshiki´s Gesicht, wollte dessen Blick Stand halten.

Yoshiki lächelte. „Du kommst gut. Los, setz´ dich her und hör dir das mal an...“ Seine Stimme klang ohne jeden Vorwurf, ja, regelrecht fröhlich!

Taiji tat wie ihm geheißen und saß wenige Sekunden darauf auf einem schwarzen Drehstuhl, dicht neben dem Drummer und hörte sich eine vertraute Songstelle an.

„So klingt der Bass noch etwas voller. Hab ich eben gemacht. Wie findest du das?“, erkundigte sich der Leader ernsthaft interessiert und ließ sein jüngstes Mitglied nicht aus dem Blick.

Taiji nickte. Seine Lippen kreuselten sich zu einem Grinsen. „Das kann sich ja richtig hören lassen, Mr. Hayashi.....!“

Ein rascher Knuff in den Arm und ein Grinsen waren die Antwort. Daraufhin folgte eine kurze Erklärung, wie er dem Song noch etwas mehr Klangtiefe geben wollte.

Taiji beobachtete ihn. Kein einziges Zeichen mehr von Aggression, von Vorwurf oder von Enttäuschungen. So war es oftmals. Am Morgen danach sah die Welt wieder ganz anders aus, die Prügeleien und Keifereien vom Vortag schienen wie vergessen. Schienen.....

Es lief eigentlich immer nach dem gleichem Muster, fiel es dem jungen Lockenkopf plötzlich auf. Es gab selten ein Nachspiel, manchmal wurde das Thema vom letzten Streit nochmal aufgenommen, kurz angesprochen. Doch in den seltensten Fällen gab es längere Gespräche daraufhin. Dann lief wieder alles wie gewohnt. Bis zum nächsten Streit.....

Plötzlich spürte er die Finger des Älteren an seiner Wange. Er blickte von den Reglern auf in Yoshiki´s Gesicht.

Dieser lächelte. Und das Lächeln bekam schon bald Züge, die Taiji nur zu gut kannte. „Noch Schmerzen?“, hauchte der Drummer sanft.

„Wenn du die Stellen noch nachbearbeitest, dann ja.“ Der Cowboy erwiderte das Lächeln. Er schob sein Gesicht dem Anderen entgegen, ohne lange nachzudenken traf er daraufhin auf diese Weise bald die ersehnten Lippen. Er leckte vorsichtig über Sie und sie gewährten ihm auch gleich Einlass. Kurz darauf spürte er auch schon die ersten Finger unter sein Shirt schieben.

December 8th, 1991

Wieder wand der Typ den Kopf in seine Richtung, wieder blickte er ihn mit erkennbarem Mißmut an, bevor er sich wieder seinem aktuellem Gesprächspartner, Yoshiki, zuwand.

Taiji fiel dieses merkwürdige Verhalten dieses Menschen schon die ganze Zeit auf. Er war einer vom Staff und schien in letzter Zeit allgemein nicht sonderlich gut auf den Bassisten zu sprechen zu sein. Zumindest häuften sich diese Blicke, die nichts Positives zu bedeuten schienen. Gesagt, dass irgendetwas nicht in Ordnung sei, hatte ihm bisher aber auch noch Keiner – dennoch spürte er, dass irgendetwas in der Luft lag. Irgendetwas Unheilvolles. Er konnte es bloß noch nicht benennen. Bei der nächstbesten Gelegenheit würde er allerdings Yoshiki mal darauf ansprechen. Dies würde jedoch noch ein paar Stunden dauern können; sie befanden sich gerade kurz vor Beginn eines Konzertes ihrer Violence in Jealousy-Tour. Unüberhörbar am ohrenbetäubendem Geschrei und Gekreische des Publikums draussen vor der Bühne zu erkennen.
 

Die Klänge der vertrauten World Anthem waren zu vernehmen, hide, Taiji, Pata und Yoshiki stiefelten nacheinander auf die Bühne und nahmen ihre Plätze ein. Es dauerte nicht lange, bis die einführenden Klänge verebbt waren. Sogleich wechselte die Bühnenbeleuchtung in ein starkes Blau, der dröhnende Sound von Blue Blood begann und Toshi preschte über die Bühne wie von der Tarantel gestochen.

Das bestätigende Gejubel und Gekreische der Fanmassen vor der Bühne hallte vertraut in den Ohren der Musiker wieder. Dennoch war an diesem Auftritt etwas anders als bei ihren bisherigen Konzerten dieser Tour: Durch das komplette Programm wurden sie von einem ganzen Orchester begleitet. Dieses hatte auch bereits schon jetzt, bei den fetzigen Tönen von Blue Blood, eingesetzt und würde das ebenso bei den fünf weiteren Titeln machen, die noch folgen sollten.

Taiji war vertieft in seinem Basspart; seine Gedanken jedoch kreisten um den Kerl vom Staff. Irgendetwas war einfach nicht in Ordnung und das spürte er. Er konnte das Gefühl nicht definieren, nicht fixieren – doch er wusste, dass eine große Veränderung statt finden würde und diese Veränderung würde auch nicht mehr ewig auf sich warten lassen. Plötzlich stieß er mit dem Ellenbogen sanft gegen Pata. Taiji hob den Kopf, blickte neben sich. Er hatte gar nicht gemerkt, wie Pata sich während des Spielens neben ihn gesellt hatte.

Der Braunhaarige lächelte ihm schwach zu. Ein kleines Zeichen der Aufmunterung.

Waren seine Gedankengänge für andere so offensichtlich erkennbar, fragte sich der Bassist, lächelte jedoch zurück.

Nach der Hälfte des Konzertes legte die Band und das Orchester eine Pause ein. Toshi steuerte erschöpft auf den Bühnenausgang zu. Pata, der sich allmälig von seiner Gitarre löste, watschelte dem Sänger hinterher.

Taiji blickte hinauf zur Anhöhe, auf Welchem Yoshiki´s Drumset platziert war, vor dem Orchester.

Der Leader kam verschwitzt und müde lächelnd die Stufen hinuntergewankt, direkt auf den Jüngeren zu.

Taiji nickte ihm kaum merklich zu, tappte auch auf den Ausgang zu und hielt seine Hand ausgestreckt hinter sich, um Yoshiki´s Hand sofort ergreifen zu können, sobald Dieser ihn erreicht hatte.

hide bildete das hüpfende Schlußlicht.
 

Kaum dass sie sich hinter der Bühne befanden, zog Taiji den erschöpften Drummer zu sich und küsste ihn innig. Er wollte nicht warten, bis das Konzert vorbei war – ihm war einfach gerade danach.

Yoshiki keuchte etwas überrascht auf, erwiderte den Kuss aber dennoch sanft. Scheinbar friedlich ließ er sich gegen den dünnen aber kräftigen Körper sinken. Es fühlte sich gut an jemanden an seiner Seite zu haben, der ihm stets solch ein gutes Gefühl vermittelte. In diesen Momenten gestand er sich ihre Streitereien und Auseinandersetzungen nicht ein. Blendete sie einfach aus. Wollte sie nicht sehen.

Taiji löste den Kuss auf, blickte ihm lächelnd in die Augen. „Woll´n wir nach dem Konzert noch irgendwohin gehen?“, wisperte er. Seine Hände hielten sein Gegenüber am Rücken fest.

Yoshiki blinzelte. „Hmm? Hattest du was Bestimmtes im Kopf?“

„Och....nicht wirklich.“ Er schmiegte sich fest an den Boss. Er wollte diese Geborgenheit spüren. „Irgendwohin, wo wir Zwei zusammen sind.“

Die zweite Hälfte des Konzertes kam Taiji irgendwie kürzer vor. Zufällig fiel sein Blick gen Bühnenausgang – und dort erblickte er wieder den Typen vom Staff. Er schaute sich die ganze Szenerie an, doch als sein Blick auf Taiji fiel, verfinsterte sich seine Mine merklich. Neben ihm stand ein weiterer junger Mann. Taiji war sich nicht sicher, doch er glaubte auch er gehöre mit zum Staff. Das Gesicht von dieser Person war ausdruckslos. Die fremden Augen waren auf Taiji regelrecht geheftet, doch die Ausdruckslosigkeit blieb.

Der junge Bassist merkte immer mehr, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er müsste mit Yoshiki darüber sprechen. Vielleicht konnte der ihm eine Antwort darauf geben.

Das letzte Lied für dieses Konzert begann, Endless Rain. Hier hatte Taiji nicht mehr viel zu tun. Er setzte sich auf eine der Stufen, nicht weit von Pata, und ließ seinen Blick über alles schweifen. Die Bühne war wieder in blauen Nebel getaucht, wie zu Beginn der Show. Doch die Klänge waren nun anders. Sanfter, gefühlvoller. Taiji mochte den Song. Er war davon überzeugt, dass es auf alle Fälle eines von Yoshiki´s Meisterstücken war. Und dann passierte es wieder: Der Refrain des Liedes wurde vom gesamten Publikum in der Halle mitgesungen. Jeder Einzelne sang die bekannten Zeilen laut, zusammen ergaben sie einen riesigen Chor. Der Song hatte sich verselbstständigt, war nicht mehr in der Gewalt der Band. Diese unglaubliche Tatsache war jedes Mal auf´s Neue ein faszinierendes Erlebnis für jeden von X.

Taiji´s Blick war auf Toshi gerichtet. Der Sänger hatte längst aufgehört die Zeilen ins Mikro zu schreien; er stand völlig ruhig am vorderem Rand der Bühne und seine Augen blickten in die singenden Massen. Völlig überwältigt davon, was dieses Lied bei jedem ihrer Konzerte immer wieder auslöste. Er schien zu tiefst gerührt.

Von Toshi schaute der junge Bassist hinauf zu Yoshiki. Dieser spielte nur noch ganz leise vereinzelte Töne auf dem Piano, passend zum Takt des Liedes, doch dann verstummte auch er. Blieb gebeugt über den Tasten hängen. Taiji konnte erkennen, dass der dürre Körper des Pianisten ungleichmäßig leicht zitterte. Er weinte. 'Let me forget all of the hate, all of the sadness...' Was mochte Yoshiki mit dieser Textzeile bloß meinen.......?
 

Taiji drehte gerade noch seinen Kopf zur Seite, als der silberne Dosenverschluss auf ihn zugeflogen kam. Somit traf er ihn nicht im Gesicht sondern verfing sich in seiner braunen Lockenmähne. „hide, du Biest!“, grinste der Bassist, pflückte sich rasch das Stückchen Leichtmetall aus den Haaren und warf es zurück zu seinem ursprünglichem Besitzer.

hide wich jedoch sofort aus und wurde dadurch nicht einmal von dem kleinen Wurfgeschoss gestreift. Er gackerte albern und streckte ihm triumphierend die Zunge entgegen. Er hatte bereits seine zweite Bierdose in der Hand.

Yoshiki hingegen war noch bei den letzten Haare-ordnen-Aktionen. Ob Yoshiki nun nach dem Konzert besonders lange für´s Abschminken und umziehen gebraucht hatte oder ob hide heute mal wieder ein Schnell-Trinker war, war schwer zu sagen. Was jedoch ziemlich eindeutig zu beobachten war, war die Tatsache, dass der Boss der Einzige der Truppe war, der sich nicht an den Gesprächen und den Albernheiten der Anderen beteiligte. Toshi, Pata, Taiji und hide saßen in dem großen Umkleideraum beisammen und erholten sich vom Auftritt, redeten locker miteinander und machten Späße. Nur Yoshiki saß mit dem Rücken zu ihnen und fummelte nun schon zum fünften Mal an ein und der selben Haarsträhne herum. Dadurch saß Diese zwar auch nicht besser, aber der Boss konnte zumindest eine gewisse Zeit weiter vorgeben, mit was unheimlich Wichtigem beschäftigt zu sein.

Als langjähriger Freund blieb Toshi dieser Versuch natürlich nicht verborgen. Er hatte immer mal wieder zu Yoshiki rübergeblinzelt. Nun stand er von seinem Stuhl auf, schlängelte sich an hide vorbei und trat hinter den Leader. Er blickte in den Spiegel und schaute ihm in die Augen. „Was los mit dir? Lief irgendwas nicht nach Plan?“, fragte er sanft.

Yoshiki´s Blick streifte flüchtig Den von Toshi, wand sich schnell aber wieder seinem eigenem Spiegelbild zu. „Alles in Ordnung...“, seufzte er, jedoch wenig überzeugend. Erst recht für Toshi. Vertraulich legte er ihm seine Hand auf die Schulter. „Habt ihr euch schon wieder gestritten?“, hakte er nach, leise genug dass Taiji es nicht hören konnte, jedoch laut genug für Yoshiki´s Ohren.

Der Drummer ließ nun zögerlich von seinen Haaren ab, blickte jedoch unentwegt weiterhin in den Spiegel. „Nein.....“, begann er, machte dann aber doch wieder eine größere Pause. Irgendwann wand er den Blick von sich selber ab. „Es ist was Anderes....“, murmelte er abwesend.

Toshi wusste aus Erfahrung, wenn er seinem Freund die Probleme so mühselig aus der Nase ziehen musste, dann steckte etwas Tieferes dahinter. Normalerweise besprachen sie gemeinsam die meißten Probleme, die den jeweils Anderen gerade quälten. Doch manchmal traf eine Sache Yoshiki so tief und schmerzhaft ins Herz, dass er selbst Toshi gegenüber kaum den Mund aufbekam.

Etwas lauter seufzend erhob er sich und trabte ein paar Schritte durch den Raum, von der kleinen Gruppe weg. Etwas bedrückte ihn stark, das war für Jederman unübersehbar.

Toshi´s mitleidiger Blick blieb an dessen Rücken hängen. Er mochte solch drückende Stimmung einfach nicht. Er hatte dann jedes Mal das Gefühl, großes Unheil stünde an; Veränderungen negativer Art. Und dieses Mal sollte er mit seiner Befürchtung sogar richtig liegen...
 

Taiji krempelte den Kragen seiner Jacke hoch. „Woll´n wir noch schnell ´n Abstecher beim Imbiss machen?“ Er sah Yoshiki an, Welcher neben ihm stand, die Hände tief in den Manteltaschen verborgen.

Es war ein kalter, regnerischer Spätabend vor der NHK Hall in Tokyo, der Vorplatz war dunkel, der Asphalt schwarz und nass, die Beleuchtung anscheinend defekt. Ein ungemütlicher Wind trieb das letzte spärliche Laub vor sich her.

Yoshiki schaute in die Dunkelheit hinein, schien völlig abwesend. Verzog keine Miene. Ob er Taiji´s Frage überhaupt realisiert hatte, war nicht zu erkennen.

„Yoshi, hey...“ Der Bassist stieß ihn sanft mit dem Ellenbogen an. „Träumst du?“ Ihm war die merkwürdige geistige Abwesenheit ihres Bosses schon den ganzen Abend über aufgefallen, hatte ihn jedoch bis jetzt nicht drauf angesprochen. Er hatte gehofft, es sei vorübergehend. Doch diesmal schien es nicht so zu sein. Irgendetwas musste ihn sehr beschäftigen.

„Ich habe keinen Hunger...“, kam plötzlich die monoton klingende Antwort, ohne dass er sein Starren ins Nichts unterbrach.

Taiji zögerte kurz. „Du hast irgendwas. Magst es mir nicht sagen?“ Seine Hand strich zärtlich über Yoshiki´s Arm.

Yoshiki aber reagierte nicht auf diese liebevolle Geste. Er behielt sein fast schon versteinertes Starren bei. Auch seine Wortkargheit – Letztere jedoch nicht ewig. „Der Staff hat mit mir gesprochen....“

Sofort wurde der Jüngere hellhörig. Sollte er jetzt endlich die Antworten auf seine noch ungestellten Fragen bekommen? „War nicht zu übersehen. Die klebten heute an dir wie die Fliegen am Fliegenfänger.“ Da Yoshiki immer noch nicht auf seine Liebkosung einging, vergrub er seine Hände in den Jackentaschen seiner gefütterten Jeansjacke. Der Wind schien eisiger zu werden.

Abermals Schweigen.

„Sie haben mir gesagt, sie kommen mit dir nicht klar. Sie wollen, dass ich dich rausschmeisse.“

Taiji hätte später nicht sagen können, wie lange er reglos neben Yoshiki stand und Diesen nur stumm ansah. Sich nicht regte und kein Wort sagte. Die Zeit schien ausgesetzt zu haben. Sogar der Wind griff seinen Körper nicht mehr an mit seinen klirrenden Temperaturen.

Nichts.

Das war für einige Zeit das Einzige, was Taiji spürte. Nichts. Weder Raum noch Zeit, weder Gefühle noch Gedanken. Irgendwann kehrte er jedoch wieder zurück in die Gegenwart. „Was hat der Staff sich zu beschweren?“ Seine Stimme war ziemlich rau und heiser; man konnte regelrecht hören, wie es dem Jüngeren den Hals zuschnürte. „Wenn die mit einer Band Probleme haben, können sie sich ja eine Andere suchen...“

„Sie haben nur Probleme mit dir“, kam es nun etwas konkreter von Yoshiki, Welcher seinen Blick allmählich senkte.

Es musste ein Fleischermesser gewesen sein, Welches daraufhin in Taiji´s Herz stieß. „...du hast ihnen hoffentlich deine Meinung gesagt...“ Er konnte nicht mehr sprechen ohne dass ihm sein Hals schmerzte. Die unsichtbare dünne aber feste Schnur um seine Kehle wurde von Augenblick zu Augenblick fester gezogen.

Der Drummer antwortete nicht. Seine Augen trafen den Boden.

Diese stumme 'Antwort' führte dazu, dass sich das Fleischermesser in seinem Herzen zu drehen begann. Er fühlte sich auf einmal meilenweit von Yoshiki entfernt. Bis vor wenigen Minuten war er felsenfest davon ausgegangen, sie beide gehörten zusammen. Fest zusammen. Und binnen kürzester Zeit sollte diese Verbundenheit einfach so aufgehoben werden? Wie ein Geschenkband zerschnitten werden? Warum antwortete er ihm nicht? Warum bekam er nicht das zu hören, was er zu hören bekommen wollte?

„Ich habe ihnen gesagt, dass du zu X gehörst....“, erklang plötzlich wieder Yoshiki´s Stimme. Sein Kopf war mittlerweile deutlich gesenkt. Doch wirkte es eher so, als spräche er zu sich selbst anstatt zu Taiji. Seine Hände hatten sich unbemerkt aus den warmen Taschen geschmuggelt und seine Arme umschlangen den eigenen dürren Körper. Der Leader von X setzte sich in Bewegung, alleine. Mit gleichmäßig großen Schritten überquerte er den Vorplatz. Der Regen wurde stärker. Regenwasser heftete sich bei jedem Schritt auf dem Asphalt an seine Schuhsohlen und verließen Selbige auch gleich darauf wieder.

If you don´t love me lie to me

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Please quit

Nervös griffen seine Finger nach dem kleinen Papierstapel um Selbigen zu durchwühlen, auf der erfolglosen Suche nach einer einzigen Notiz.

Toshi saß etwas abseits von Yoshiki´s beladenen Schreibtisch und beobachtete ihn. Er brauchte gar nicht zu fragen; Yoshiki´s Körpersprache verriet eine Menge. Dafür kannten sie sich wirklich schon lange genug. „Du hast noch nicht mit ihm darüber gesprochen, hm?“

Ein leichtes Zucken durchfuhr Yoshiki´s Körper, als er die Worte seines langjährigen Freundes vernahm. Und er antwortete auch nicht sofort sondern zog es lieber vor, weiter seine Zettelwirtschaft zu durchforsten.

Toshi stand auf, schritt langsam durch das geräumige Zimmer. „Es lässt sich sowieso nicht auf Ewig aufschieben, Yoshiki....“, sprach er ruhig und leise. „Irgendwann bekommt er zwangsweise Wind davon.“

Die schlanken Finger des Pianisten hielten in ihrer ziellosen Suche schließlich inne. Fast tonloses Seufzen entwich seinen Lippen. Ein regelrecht hilfloser Blick traf auf Toshi. „....ich weiß....“ ...und dennoch wünschte er sich die derzeitige Situation weit, weit fort von sich. Warum musste es soweit kommen? Warum musste diese Situation eintreffen? Warum konnten sie nicht einfach weiter machen wie zuvor auch?

Der kleinere Sänger schien die Gedanken seines Sandkastenfreundes an dessen Falten auf der Stirn ablesen zu können. Mit wenigen Schritten hatte er ihn erreicht, legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.

Sofort griff Yoshiki nach dieser Hand, legte Seine darauf und presste die Hand des anderen fest an sich. „.....ich will das nicht....“ Sein Blick wurde sofort glasig.

Toshi seufzte innerlich auf. „.....die Entscheidung liegt bei dir....“, antwortete er, bemüht so beruhigend wie möglich auf den Anderen zu wirken. Doch tatsächlich wusste er, dass er Yoshiki diese Entscheidung nicht abnehmen konnte. Er konnte ihm beistehen, aber mehr auch nicht.
 

Taiji sah von seinem Bass auf, als er das unzufriedene Schnauben Yoshiki´s hörte. Der Boss schien ihm schon die ganze Zeit leicht gereizt zu sein... Er hielt in seinem Spiel inne und schaute Yoshiki an. „Wie wär´s mit einer kleinen Pause?“, schlug er vor.

Der Leader erhob sich hinter seinem gequältem Drumset, stapfte wortlos an seinem Basser und dem Rest der Truppe vorbei und winkte nur knapp ab. Er ging zu seiner Jacke, die quer über einer Stuhllehne hing, kramte aus derren Tasche eine Packung Glimmstengel heraus und verließ – ebenfalls wortlos – den Proberaum.

Vier Augenpaare waren auf die Tür gerichtet, durch die Herr Hayashi soeben entschwunden war. Pata war der Erste, der sich daraufhin wieder regte. Auch er trabte nun zu ihrer gemeinsamen Sitzecke und fingerte sich eine Zigarette aus der, auf dem Tisch liegenden, Schachtel heraus um Selbige sogleich zwischen seine Lippen zu klemmen und dem freiem Ende die Bekanntschaft einer Feuerzeugflamme näher zu bringen.

Taiji legte nun auch sein Instrument beiseite. „Ich hasse es, wenn er sowas macht...“, nuschelte er leise zu sich selbst.

Pata, der Dies wohl gehört hatte, blinzelte auf, in die Richtung ihres Jüngsten.

Taiji hob sofort beschwichtigend eine Hand, als er sah, dass Pata sich offensichtlich angesprochen fühlte. „Nicht du!“ Er seufzte leise, stand dann auf und griff sich seine Jacke. „Ich schau mal nach unserem launischem Prinzesschen“, meinte er nur und streifte sich beim Rausgehen die Jacke über.

Taiji fand den Drummer kurze Zeit später, wie erwartet, draussen vor dem Haupteingang des Gebäudes, in Welchem sich ihr Proberaum befand.

Yoshiki hatte einen Arm fest um sich selbst geschlungen, hielt mit der freien Hand zitternd die halb aufgequalmte Zigarette und trat scheinbar frierend immer wieder von einem Fuß auf den Anderen.

„Hey...“, machte Taiji leicht besorgt und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Hast ja deine Jacke vergessen. Soll ich sie holen?“

Doch Yoshiki schüttelte auf das Angebot hin nur kurz den Kopf, trat wortlos weiterhin von einem Fuß auf den Anderen. Er sah den Bassisten gar nicht erst richtig an; sein Blick schien merkwürdig abwesend. Seine Lippen zitterten. Kein Wunder: Es war immerhin Dezember und die aktuellen Temperaturen verdeutlichten diese Tatsache nur noch.

Taiji musterte sein Gegenüber. Irgendwas stimmte hier nicht. Er hatte bloß keine Ahnung was. „Gibst mir auch Eine ab?“, fragte er als er bemerkte, dass er seine Zigaretten irgendwo im Proberaum vergessen haben musste.

„Klar.....“ Die Stimme des dürren Drummers war seltsam rau. War Dieser etwa gerade dabei, sich eine prima Grippe einzufangen?

Der Jüngere angelte sich eine Zigarette aus der Packung, die der Andere ihm hinhielt. Er griff in seine Jackentasche. Immerhin hatte er sein Feuerzeug dabei. Dieses zog er auch heraus und nutzte es nach gutem Gewissen. Wenige Augenblicke später inhalierte er den ersten Zug des vertrauten Gifts. Nur einen Moment darauf, als er den Qualm wieder ausstieß, drehte sich der kalte, sachte Winterwind und die kleine Nikotinwolke kam ihm sogleich wieder entgegen, begrüßte sein Gesicht. Wie eine ungebetene Vorankündigung. Der kleine Rauchwolken-Bruder der großen Nebelwand.

Taiji seufzte innerlich. Dann blickte er wieder in Yoshiki´s Gesicht. „Dich beschäftigt was.....“

Der Angesprochene senkte den Blick, Welcher bis soeben mal wieder in die Ferne schweifte. Kurzzeitig schlossen sich seine Augen. Er wollte ihm antworten – aber er wollte nicht seine Gedanken aussprechen. Er konnte es nicht ewig hinaus zögern, es ließ sich nicht ewig geheim halten. Yoshiki blinzelte in die braunen, vertrauten Augen des Anderen. „Ich bin ein wenig ausgelaugt...... Die vielen Termine jetzt zum Jahresende....“, seufzte er und nahm wieder einen Zug seiner mittlerweile fast vollständig hinunter gebrannten Zigarette. „...und bald ist wieder Weihnachten...“ Bei diesem laut ausgesprochenem Gedanken traf ihn augenblicklich ein tiefer Stich ins Herz. Er musste den Blick von Taiji abwenden. Versuchte seine Augen rasch auf irgendetwas zu richten, was ihn von seinen Gedanken ablenkte. Doch die Bilder der Erinnerungen, die bei dem Gedanken Weihnachten vor seinem innerem Auge auftauchten, ließen sich nicht wieder so schnell vertreiben.
 

Es war das erste Weihnachten, seit Taiji bei X spielte, ein festes Mitglied war. 1987. Die kleine Truppe hatte es sich damals in Yoshiki´s Hinterhof-Chaoswohnung gemütlich gemacht. hide hatte irgendeinen merkwürdigen Puntsch bereit gestellt. Ob er den irgendwo billig im Supermarkt gekauft hatte oder ihn selbst zusammengemischt hatte, wusste niemand so genau. Reinknallen tat er auf jeden Fall!

Damals hatte keiner von ihnen viel Geld; und dennoch hatte Yoshiki es irgendwie fertig gebracht, jedem von ihnen ein kleines Geschenk zu machen. Taiji hatte er ein schwarzes T-Shirt mit farbigem Schriftzug überreicht: 'Born to be wild' war unübersehbar darauf zu lesen. Ihr Bassist besaß damals nur eine spärliche Anzahl von Kleidungsstücken. Es war die Zeit, zu der er bei Yoshiki wohnte; er hatte nicht das Geld sich eine eigene Wohnung zu leisten.

Als Taiji das T-Shirt in die Hände gedrückt bekam, strahlte er über´s ganze Gesicht. Er freute sich wie sich sonst nur ein kleiner Junge freuen konnte und fiel dem Boss regelrecht um den Hals. In diesem Moment nahm Yoshiki das erste Mal eine starke Verbundenheit zum Küken wahr, die sich in den folgenden Jahren noch deutlich verstärken sollte...
 

Yoshiki warf den glimmenden Zigarettenstummel zu Boden, schenkte ihm keinerlei Beachtung mehr. Trat ihn nicht einmal aus. Kommentarlos drehte er sich um und ging durch die Eingangstür. Als er bemerkte, dass sein Bassist ihm nicht gleich folgte, hob er fragend seinen Blick.

Taiji stand ruhig da. Seine Augen trafen auf die des Leaders. Wortlos. Er nahm noch einen letzten Zug und warf dann auch seine Zigarette auf den eisigkalten Steinboden. Flüchtig erdrückte seine Stiefelspitze das hilflos qualmende Opfer. Dann folgte er Yoshiki. Kurz bevor die Tür hinter ihm zufiel, erhaschte ihn noch ein etwas stärkerer Windschub. Kalter Ostwind. Taiji fröstelte.
 

Yoshiki ging unruhig auf und ab.

Taiji folgte seinen Bewegungen mit den Augen. Es herrschte ein erdrückendes Schweigen im Raum. Irgendwann hielt der Jüngere diese schreiende Stille nicht mehr aus. „Willst du dich nicht setzen?“, fragte er einfach, um überhaupt was zu sagen.

Der Drummer blieb nun stehen, jedoch mit dem Rücken zu Taiji, und rührte sich nicht.

Der Lockenmähnige seufzte innerlich, schüttelte flüchtig seinen Kopf. Er hasste es, wenn Yoshiki sich so verhielt. Er hasste es wenn man überdeutlich merkte, dass der Boss etwas sagen wollte, jedoch sein Maul nicht aufbekam. „Ist es so schlimm, was du mir sagen willst.....?“, versuchte er einen neuen Ansatz zu finden.

Yoshiki drehte sich nun endlich um, ging auf einen Sessel zu und ließ sich in Selbigen sinken. Sein Blick streifte nur ganz kurz den Cowboy. Aber noch immer spielte er das 'Schweigen der Lämmer'.

Taiji fixierte dessen Gesicht mit den Augen. „Muss ich meine Zunge benutzen um deinen Mund zu öffnen?“, grinste er nun. Irgendwie musste er den anderen ja zum Reden bekommen.....

Der Leader ging jedoch überhaupt nicht auf diese Bemerkung ein, reagierte nicht darauf. Statt dessen fummelten seine Finger immer wieder unruhig in seinem Gesicht herum, strichen zwischendurch drei Mal eine imaginäre Haarsträhne hinter´s Ohr. Yoshiki hätte am liebsten laut aufgeschrien und wäre flüchtend aus dem Zimmer gerannt. Doch er wusste, er kam um das Bevorstehende nicht herum. Er saß hier mit Taiji alleine in diesem Raum und weder Taiji, noch er selbst hatte jemanden, der ihm den Rücken stärkte, der ihm beistand. Ein leises, bebendes Seufzen unterbrach die Stille. Leicht zitternd ließ er die Hand auf sein Knie sinken. Er hob den Kopf und blickte seinem jüngerem Gegenüber in die rehbraunen Augen. Innerlich fing er an zu schreien. „Bitte verlass´ uns.“

Don´t know what to say to you

Taiji starrte sein Gegenüber an. Starrte in die glänzenden, jahrelang vertrauten Augen, die irgendwie nicht so aussahen als würden sie lügen. Die Zeit schien auszusetzen, ebenso sein Herzschlag. Alles war ruhig. Und tief im Innersten spürte er, dass er gerade der Wahrheit gegenüber stand. Sämtliche Streitereien, die sie die vergangenen Wochen, Monate, Jahre gehabt hatten schwirrten ihm im Schnelldurchlauf durch den Kopf. War es ganz einfach zu viel geworden? War dies hier nun das Resultat ihrer häufigen Streitereien? War es vorauszusehen, dass so etwas kommt? Sein Mund war staubtrocken. „Yoshi.....“ Ein heiseres Krächzen statt einer standhaften Stimme. Er wagte es gar nicht, seine größten Ängste auszusprechen. Doch er kam nicht drum rum. „...nur X.....oder auch dich......?“ Von seiner sonstigen Selbstsicherheit war in diesem Augenblick kein Funken mehr vorhanden.

Yoshiki hatte so sehr gehofft genau diese Frage nicht hören zu müssen. Doch er wusste genau wie Taiji, dass sie in diesem Falle unausweichlich war. Der Ältere senkte den Kopf; er konnte dem Blick des Bassisten nicht stand halten. „Es tut mir Leid.“

Damit hatte Taiji seine Antwort. Sie war eindeutig. Er flog nicht nur aus X raus. Yoshiki wollte sich vollständig von ihm lösen. Ihm fiel wieder der Abend ein, an dem der Drummer für sie beide gekocht hatte. Schlagartig begriff er nun, um was es sich da gehandelt hatte: Um ein Abschiedsessen. Und der Sex danach war im wahrsten Sinne des Wortes 'Der krönende Abschluss'. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass er diesem Menschen so nahe war.

Yoshiki weinte. Taiji konnte nicht dessen Gesicht erkennen, da Dieses durch die gesenkte Position und die davor hängenden Haare weitestgehend verdeckt gehalten wurde, aber auf dem dunklen Stoff von Yoshiki´s Hosenbein bildeten sich kleine, noch dunklere Flecken. Stück für Stück. Bloß das Schluchzen unterdrückte er erfolgreich.

Es war endgültig. Dies war kein Hin und Her, kein 'vielleicht' oder 'womöglich'. Das war kein mieser Scherz und Taiji hätte alles dafür gegeben, wenn das hier nur ein böser Traum gewesen wäre. Aber es war die Realität. „Okay.....ich verschwinde........“, waren seine letzten Worte als er sich schwermütig vom Boss abwand und mit schleppenden, fast unmerklich zitternden Schritten den Raum verließ.
 

Das Zimmer wurde durchflutet von enormem Schweigen. Pata zählte nun bestimmt schon zum siebenundzwanzigsten Mal die Früchte in der Obstschale auf dem Couchtisch durch - und die Anzahl von Früchten wollte sich einfach nicht ändern - , hide knabberte unentwegt an seinen Fingernägeln und Yoshiki starrte pausenlos vor sich auf den Boden, während sich sein Körper, Welcher in einem gemütlichen Sessel platziert worden war, scheinbar keinen Millimeter rührte. Keinerlei Geräusche waren im Zimmer zu vernehmen – wenn man von den leisen Atemgeräuschen absah, die die Drei unwillkürlich von sich gaben. Aber ansonsten: Stille. Kein Radio, kein Fernseher, keine tickende Uhr.

„Und jetzt?“ hide´s Stimme klang fast schon deplatziert in diesem viel zu ruhigen Raum, als Dieser sich irgendwann äusserte weil das Schweigen ihn zu erdrücken drohte. Beinahe schon mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck blickte er durch seine beiden angewinkelten Knie hinüber zu Yoshiki.

Die Augenlider des Drummers zuckten, als er so unerwartet plötzlich die Stimme des älteren Gitarristen wie ein Beil in die Stille hinein schneiden vernahm. Seine Lippen öffneten sich nur wenige Millimeter, er wollte was sagen. Doch er tat es nicht.

hide registrierte dieses lange Zögern. Und als er merkte, dass er nach einer halben Minute immer noch keine Antwort erhalten hatte, setzte er erneut an. „Hast du ihn aus X gestrichen, oder auch zusätzlich aus deinem Leben?“

Pata wand seinen Kopf nun sofort zu hide um. Blickte ihn jedoch nur stumm an, ohne auch nur einen Ton zu sagen. Diese Frage zu stellen hätte er sich nie getraut. Zumal er der Meinung war, dass es ihn auch gar nichts anging. Zumindest nicht den privaten Teil zwischen Yoshiki und Taiji.

Yoshiki´s Herz krampfte sich zusammen, er kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen. Genau diese Frage hatte ihm Taiji auch gestellt. Genau diese Frage..... Ruckartig riss er den Kopf hoch, schaute hide an. „Was hätte ich sonst für eine Wahl gehabt? Ihn von allen Aktivitäten bezüglich X ausschließen aber parallel dazu mit ihm normal weiter leben? 'Hallo Schatz! Die Proben liefen heute auch super ohne dich! Schade, dass du nicht mehr dabei bist, in drei Tagen haben wir ´nen Auftritt in Shinjuku'?“ Seine Augen funkelten – von den aufsteigenden Tränen, die er krampfhaft versuchte, im Zaum zu halten.

hide wollte etwas darauf erwidern, öffnete seine Lippen – und ließ es dann doch besser auf sich beruhen. Seine Arme schlangen sich um seine hochgezogenen Knie und er blickte stumm auf Selbige. Konnte er Yoshiki´s Gefühlsausbruch nur zu gut verstehen....doch dachte er auch an Taiji.... So lange war beiden anzusehen, wie sehr sie sich nach dem Anderen sehnten, dann hatten sie es endlich mit Ach und Krach geschafft, sich das gegenseitig einzugestehen, konnten endlich ihre Sehnsüchte befriedigen – und jetzt sollte das alles schon wieder aus und vorbei sein? „...was ist mit den Konzerten im Tokyo Dome...im Januar.....?“, erklang hide´s Stimme nach einiger Zeit erneut, diesmal etwas schüchterner.

„Die machen wir noch mit Taiji.......da wir in der kurzen Zeit keinen neuen Bassisten finden werden, denke ich.....“, lautete die Antwort. Yoshiki´s Stimme klang mit einem mal sehr erschöpft und heiser.

Pata´s Blick verlor sich auf dem Fußboden, wie kurz zuvor schon Yoshiki´s. Neuen Bassisten.... Das klang so wie früher....als X noch eine blutjunge Indie-Band war und die Besetzung noch völlig unsicher war, öfters die diversen Saitenspieler ausgewechselt wurden... Obwohl Taiji schon längst bei X eingestellt war, als Pata festes Mitglied wurde, erinnerte er sich. hide und er, sie beide waren die Nachzügler gewesen. Der wortkarge Gitarrist musste unwillkürlich leicht grinsen. Seit sie beide die Gitarrenjobs angenommen hatten, gab es bei X keine Memberwechsel mehr. Jahrelang hatten sie Seite an Seite gekämpft, waren öfter mit der Band zusammen als mit ihren jeweiligen Familien oder Freundinnen.....weil X ihre Familie geworden war. Und jetzt.......jetzt auf einmal, nach all den vielen Abenteuern die sie gemeinsam bestanden hatten, jetzt sollten sie ein Mitglied verlieren...?
 

Taiji fühlte sich ziemlich deplaziert, wie er nun dastand im Flur, die Wohnungstür im Rücken. Etwas orientierungslos ließ er seine Blicke flüchtig über den Boden huschen, bis er seinen Kopf wieder ein Stückchen hob und dem Hausherrn ins Gesicht blickte.

Dieser schien jedoch nicht ganz so viel Mut aufbringen zu können, zumindest in diesen Momenten noch nicht. Seine Lippen öffneten und schlossen sich stetig, er schluckte trocken und seine Finger strichen mehrfach imaginäre Haarsträhnen hinter das Ohr. „..ich hoffe, du findest deine Sachen noch alle zusammen....“ Ein heiseres Räuspern. Ein verzweifelter Versuch, das Unausweichliche hinaus zu zögern. „....ich möchte das hier so zügig wie möglich hinter mich bringen.....“

Yoshiki sprach schon in der Einzahl, für ihn schien also schon alles abgeschlossen zu sein, ging es dem Jüngeren durch den Kopf. Dennoch nickte er knapp mit Selbigem. „Natürlich.“ Er hätte sich in den Arsch beissen können. Was für eine Heuchelei. Nichts war 'natürlich'! Nichts!! Doch anstatt diese Gedanken laut auszusprechen steuerte er nur das Wohnzimmer an und begann seine Sachen, die er im Laufe der Zeit vorübergehend bei Yoshiki gelassen hatte, einzusammeln. Es waren nicht Viele, dafür aber die Unterschiedlichsten. Wortlos griff er nach zwei Büchern die ihm gehörten, während er die Blicke des Leaders auf seinem Rücken spürte. Seines ex-Leaders. Seines ex-Leaders und seines ex-Freundes. Er konnte sich mit diesen Begriffen noch nicht anfreunden. Absolut nicht. Wer wusste, ob er das überhaupt jemals könnte. Er bemühte sich, die starrenden Blicke des Anderen zu ignorieren – funktionierte natürlich nicht. Obwohl er mit dem Rücken zu Yoshiki hockte, nahm er dessen Blicke doch war. Sie konnten sich nicht von ihm lösen. Sie wollten es auch gar nicht. Wahrscheinlich genauso wenig wie Yoshiki selbst. Warum tat er es dann aber trotzdem, verdammt?

Als hätte er die Gedanken seines ehemaligen Partners lesen können, wand er sich nun doch von dessen Anblick ab, kreuselte in stetiger Wiederholung eine Haarsträhne um seinen Finger, löste sich zögerlich vom Türrahmen des Wohnzimmers und verschwand kommentarlos in der Küche.

Taiji hielt in seiner Bewegung inne. Er hörte die sich sachte entfernenden Schritte. Zu gern hätte er sich umgedreht, in der Hoffnung noch einen Blick von Yoshiki zu erhaschen, wenn auch nur von dessen Rückenansicht – Welche, seiner Meinung nach, noch nie die Schlechteste war – seine Augen noch ein Mal unschuldig über dessen Anblick gleiten zu lassen. Er zögerte. Mehrere Momente verharrte er regungslos in seiner Position, registrierte gar nicht, wie flach sein Atem ging. Doch er drehte sich nicht um. Würde er damit doch nur versuchen wollen, etwas zu kitten was am auseinander brechen war. Und scheinbar auseinander brechen wollte. Taiji unterdrückte ein Seufzen, bevor er seine restlichen Sachen aus dem Wohnzimmer zusammen suchte. Er war damit rasch fertig und so machte er sich noch auf zum Schlafzimmer, in Welchem er noch einige seiner Klamotten vermutete.

Yoshiki ließ sich dort nicht blicken.

Eine ungewohnte Stille zog sich durch die gesamte große Wohnung. Wenn Yoshiki ihm nicht vorhin selbst die Tür aufgemacht hätte, würde Taiji vermuten, er befände sich hier vollkommen alleine. Langsam, schon beinahe widerwillig, trat er auf den großen Kleiderschrank zu und öffnete ihn. Sein Blick fiel in das Innere des Schrankes. Massenweise Kleidung. Wonach genau suchte er eigentlich? Welche seiner Klamotten vermutete er bei Yoshiki? Er wusste es nicht. Blind griff er mit einer Hand in die T-Shirt-Abteilung, bemühte sich, nicht all zu viel durcheinander zu bringen. Sofort blitzte ihm ein Tour-T-Shirt aus Blue Blood-Tour-Tagen entgegen. Er fischte es zwischen den ganzen anderen Shirts heraus und breitete es kurz aus. Eindeutig, das war Seins. Das kleine Loch, links unter´m Schriftzug....eindeutig Seins. Verstohlen schnupperte er an dem dunklen Stoff.

Waschpulver.

Genau das Waschpulver, welches Yoshiki benutzte. Es roch nach einem Teil von Yoshiki. Und wenn es auch nur der Teil seines Waschpulvers war.... Taiji schüttelte rasch den Kopf, als wollte er seine kurz aufgeflammten Gedanken schnell wieder abschütteln. Seine Hände suchten weiter, doch im Schrank fand er nichts mehr, was noch ihm gehören könnte. Dafür wurde er im übrigem Zimmer noch nach einem weiterem Shirt – wenn es auch schon ziemlich verschlissen war - , einem Sweatshirt und einer leicht ausgeblichenen Jeans fündig. Mit dieser kleinen Ansammlung von Bekleidungsstücken über dem Arm trat er wieder aus dem Schlafzimmer in den Flur.

Yoshiki kam fast zeitgleich aus der Küche raus. Er reichte dem Jüngerem noch ein Paar frisch gewaschene und zusammen gelegte Socken. „Die hast du vergessen“, war das Einzige, womit er seine Geste kommentierte.

Taiji nickte knapp und klemmte sich auch noch das Sockenpaar zwischen die Finger. Da stand er nun also, seine Klamotten über den rechten Arm gelegt, ein paar Bücher, Tapes und etlichen Kleinkram in beiden Händen. Mitten im Flur. In Yoshiki´s Wohnung. Noch nie kam er sich so unerwünscht in dieser Wohnung vor. So unerwünscht wie ein Staubsaugervertreter, ein schlimmer Schnupfen oder Stromausfall: Man wollte ihn schnellstmöglich los werden. Yoshiki machte auf ihn auch den Eindruck, als hoffe er seine Wohnung schnellstmöglich wieder für sich alleine zu haben, ohne Bassisten. Was gab es in so einer Situation noch viel zu sagen? „Also......ich geh dann mal...“, war das Einzige, was Taiji in diesem Moment heraus brachte und mit diesen Worten bewegte er sich auch richtung Wohnungstür zu.

Yoshiki ging ihm die paar Schritte hinterher, schob seinen Arm an ihm vorbei und öffnete ihm großzügigst die Tür. Krampfhaft und in einem rasendem Tempo durchwühlte er in dieser Zeit sein Hirn auf diverse, passende Verabschiedungen. Doch in dieser Situation fiel ihm keine Einzige ein. So warf er ihm nur einen Blick zu. „Es tut mir Leid“, sagte er heiser und leise.

Taiji blinzelte. Hatte er diese Worte nicht erst kürzlich schon mal gehört? Er erwiderte den Blick. „Es war deine Entscheidung“, war seine Antwort. Dann befand er sich auch schon allein im Treppenhaus. Er ging die wenigen Meter bis zur Haustür, schaffte es irgendwie Selbige zu öffnen und trat hinaus ins Freie. Kalte Luft empfang ihn. Und die erste Schneeflocke ließ sich in seinem Haar nieder.

lonesome Christmas

Er wischte sich mit dem Handrücken die warme Flüssigkeit von der Wange, die soeben sein Auge verlassen hatte.

Einsam.

Er kam sich einsam vor. Alleine. Verlassen. Leer. In ihm herrschte Leere und Chaos. Wut und Trauer. Warum hatte er das getan? Warum war es erst so weit gekommen? Wie konnte er seine eigene Tat nur zulassen? Warum hatte ihn niemand zurück gehalten? Und warum...war er einfach so gegangen? Ohne Gegenwehr......ohne Diskussion.....? Was war mit seinem großen Maul, Welches er sonst immer übermütig aufriss? Warum hatte er kaum was gesagt............?

Die warme Flüssigkeit, die unaufhaltsam aus seinen Augen trat, bedeckte seine Wangen nun schon großflächig. Yoshiki schloss seine Augen, die Welt verschwamm vor Selbigen. Es war so leise hier.... Keine Cowboystiefel, die über das Parkett klackerten, kein Ruf der quer durch die Wohnung hallte.......keine dunkle, warme Stimme, die ihm etwas ins Ohr raunte.....

Stille.

Was hatte er ihnen nur angetan....? Sich und Taiji.....und der Band? Aber hätte er eine Wahl gehabt? Er hatte sie gehabt, doch die sah auch nicht viel rosiger aus: Entweder der Staff ging oder Taiji. Und ohne den Staff, ohne all die Leute die sie schon so gut kannten, die ihnen solch eine enorme Hilfe waren.... - Aber waren sie das wert? War der Staff es wirklich wert, dass er Taiji verlor? Taiji..........der Junge war mehr als nur ein Bassist. Er war viel mehr.... Sogleich schossen ihm wieder Bilder von früher durch den Kopf, als Taiji das erste Mal bei X vorspielte. Er war so enthusiastisch und überzeugend; das hatte Yoshiki schon von Anfang an gefallen. Taiji zeigte von Beginn an vollen Einsatz – und genau so jemanden hatte er gesucht! Und er kam sich schon damals wie im falschem Film vor, als Taiji nach relativ kurzer Zeit die Band wieder verlassen wollte! Angeblich weil er eine andere Vorstellung der Musik einer Rockband hatte. Das war die offizielle Version seines damaligen raschen Rücktritts. Doch hatte Yoshiki von mehreren Bekannten und Musikerkollegen erfahren, dass der wahre Grund irgendetwas mit Taiji´s damaligem Zweitjob zu tun hatte. Es waren nur fahle Gerüchte und niemand wusste etwas Genaues – und den wahren Grund hatte er bis zum heutigen Tag nicht heraus finden können. Doch was immer es auch damals für einen Grund gegeben hatte, es dauerte weniger als ein Jahr und Taiji war wieder zurück bei X – und blieb auch dort. Bis jetzt. Bis zu dem Moment, in welchem Yoshiki ihn gebeten hatte, zu gehen. Ohne Erklärung, ohne tröstende Worte. Ob es wirklich die richtige Entscheidung war die er damit getroffen hatte, wusste er mittlerweile nicht mehr. Er wurde von Minute zu Minute unsicherer und jede Erinnerung an Taiji verursachte Schmerzen. Jedes einzelne Bild, Welches vor seinem innerem Auge aufflackerte.....

Trauer.

Yoshiki wand seinen Kopf zur Seite, sein Blick traf die weiße Wand. Heute war Weihnachten.
 

Ein leises Klackern ertönte, als die Tasse auf ihren Untersatz zurück gestellt wurde. Die braune Flüssigkeit schlug sanfte, kleine Wellen, bis zu den Innenwänden der Tasse, dort wurden sie erbarmungslos abgebremst. Langsam erstarben sie. Schwiegen. Passten sich der stummen Stille des Raumes an.

„....einfach so.......er hat es einfach so ausgesprochen....“ Taiji´s Blick war bewegungslos auf den Couchtisch vor sich gerichtet. Seine Stimme fast nur ein heiseres Flüstern.

hide hob den Kopf, als er die Stimme des Anderen durch die Stille vernahm. Mitfühlend haftete sein Blick an ihm. Er hatte sich so sehr geändert.... Knappe vier Jahre lang spielten sie Seite an Seite in der Band, hatten die verücktesten Ideen, trieben den unmöglichsten Unsinn, schrieben gemeinsam Songs und hörten Musik. Sie waren beide kaum zu bremsen in ihrem Tun, waren wie Brüder. Wie Verbündete. Und nun sah er den jungen Bassisten völlig in sich gekehrt, schweigsam und verletzt auf dem Sofa sitzen. Wie ein ausgesetzter Jungkater. Jemand, der von niemandem mehr gewollt wurde. Dabei wusste hide, dass das nicht zutraf. Seine Verbindung zu Taiji hatte sich durch die ungemütliche Nachricht nicht verändert – glaubte er im Moment zumindest noch. Und dass Yoshiki ihn eigentlich auch nicht wirklich gehen lassen wollte, war ihm auch klar. Unwillkürlich krallten sich seine Finger in das Sofapolster, auf Welchem er selbst saß. Sah das eigentlich kein Anderer ausser ihm? Waren alle anderen so blind oder ganz einfach masochistisch? Erst quälten sich diese beiden Sturköpfe Ewigkeiten rum, weil sich keiner von beiden traute, das Offensichtliche auszusprechen und als sie es endlich geschafft hatten und miteinander liiert waren, da kommt dann so eine Scheiße und alles bricht wieder auseinander. hide kam sich mittlerweile schon vor wie in ´nem schlechten Melodram. Wieso taten diese beiden Dickschädel alles dafür, dass sie aneinander vorbei liefen? Warum konnten sie nicht miteinander laufen? Zusammen glücklich sein, Vorhang zu, Ende aus?

„Tut mir Leid, dass ich dir nichts Besseres bieten kann...“, gab Taiji plötzlich von sich und senkte langsam den Kopf. „Wenn du.....Weihnachten lieber woanders verbringen möchtest und Spaß haben willst....könnt´ ich´s-“ Doch noch vor Beendigung des Satzes fiel ihm hide ins Wort.

„Hör auf damit. Hör auf, dich jetzt auch noch schlechter zu reden als du bist.“ Seine braunen Augen schauten direkt in Taiji´s, unverblümt und ehrlich. „Ich weiß, dass es dir schlecht geht. Wenn ich also eine riesen Monsterparty erwarten würde, wäre ich jetzt nicht hier. Aber ich bin hier. Wegen dir.“

Für einige Momente sagte keiner von beiden etwas. Beide schauten sich nur stumm in die Augen. Als hätte die Zeit für eine Weile ausgesetzt. Dann wand Taiji seinen Kopf ab, sank völlig in sich zusammen und schluchzte bitterlich.

hide ließ dieses Geräusch eine Gänsehaut über den halben Körper jagen. Er rutschte von seiner Sofaecke zum Bassisten hinüber und nahm ihn fürsorglich in die Arme. Zuerst schien sich Taiji´s Körper noch zu versteifen, als wolle er die gutgemeinte Geste nicht annehmen. Doch nach nur wenigen Augenblicken ließ er sich vollständig in die Arme des Freundes sinken. Sein Kopf presste sich an die Brust des Anderen, seine Finger klammerten sich in den Stoff von hide´s Pulli wie die Finger eines kleinen Kindes. Sein Körper wurde stetig von Schluchzern geschüttelt. Er fühlte sich so schrecklich hilflos und er hasste dieses Gefühl. Warum musste es soweit kommen? Warum musste ihre Geschichte solch eine drastische Wendung nehmen? Warum....? - Das berühmte 'Warum'. Das ungeliebte Wort. Die einsame Frage. „...er hat mich einfach rausgeschmissen....!“, schluchzte er in völliger Verzweiflung an hide´s Brust. „...rausgeschmissen wie ´nen billigen Sessionmusiker........!“

„Shhhh~....“, machte der Ältere beruhigend. Ihm hatte dieses Geräusch immer ein wenig die Angst genommen, wenn die Kinderärztin es gemacht hatte. Jetzt wollte er diese Hilfestellung weiter geben. „Ich weiß, Taiji.......“ Genauso wie er wusste, dass Yoshiki es sich keinesfalls so einfach gemacht hatte, wie Taiji offensichtlich glaubte. „Ich weiß....“
 

Es dämmerte bereits, als die Hand zärtlich über den Tank strich. Schweigend und geduldig stand sein treues Gefährt hier. Seit mehr als zwei Wochen saß er schon nicht mehr auf dem Ledersitz seines Bikes – seit er aus X [éks]ekutiert wurde. Taiji´s Fingerspitzen bewegten sich beinahe tänzelnd über den silbernen Lenker. Sein einziger Gedanke: Yoshiki. Selbst beim Anblick seines Motorrads bekam er den eigensinnigen Leader nicht aus seinen Gedanken verbannt. Ganz im Gegenteil, ihm schwirrten auf einmal wieder Erinnerungen von ihrer ersten gemeinsamen Fahrt auf dem Feuerstuhl durch den Kopf...
 

Taiji hatte das Glück gehabt, sowohl während des Drehs zu ihrem Videoclip „Celebration“ als auch in den Pausen reichlich Zeit mit den ganzen Motorrädern zu verbringen, die extra für das Video heran geschafft wurden. In einer Drehpause gab Yoshiki seiner Neugier nach und inspizierte die Dinger mal genauer. Es war natürlich unausweichlich, dabei auch auf das jüngste Bandmitglied zu treffen. Taiji schien ganz in seinem Element zu sein. Bei seiner Beobachtung wurde Yoshiki mal wieder bewusst, was für ein Fan Taiji von diesen Gerätschaften doch wahr....

Wenige Monate nach besagtem Video-Dreh ergab es sich, dass Yoshiki das erste Mal mit dem Bassisten auf dessen eigenem Bike rumkurvte.

„Und halt dich ordentlich fest“, meinte Taiji noch, als der Boss hinter ihm auf das Gefährt geklettert war.

„Willst wieder zeigen, dass du der Schnellste bist?“, grinste Yoshiki und schlang seine Arme um des Bassers Bauch.

„Du bist nicht der Einzige, der angeben kann!“ Mit diesem Satz drehte der Lockenkopf sich noch kurz zu seinem Hintermann um, streckte ihm keck und zwinkernd die Zunge entgegen und startete den Motor seines liebgewonnenen Gefährts. Im nächsten Moment düsten sie auch schon los.

Yoshiki gab ein kurzes Aufquieken von sich, als das Bike beim Starten kurz aufruckelte und sie dann losfuhren. Seine Arme schlangen sich sogleich haltsuchender um seinen schlanken Vordermann.

Taiji spürte das, spürte das überdeutlich. Er biss sich auf die Unterlippe als er registrierte, dass er sich schon wieder in so einer verdammten Situation befand, in der Yoshiki und er in so eindeutigem Kontakt zueinander standen, dass es schon zum schreien war, dass niemand von ihnen etwas sagte. Das sagte, was wahrscheinlich gerade beiden durch den Kopf ging. Taiji war sich sicher: Yoshiki hatte zeitweise ähnliche Gedanken wie er selbst. Zu Anfang dachte er noch, er würde es sich nur einbilden oder es wäre Wunschdenken. Doch im Laufe der Zeit wurde dem Bassisten immer klarer, dass er sich Yoshiki´s verträumte und teils verklärte Blicke nicht einbildete; er hatte sie wirklich. Und wahrscheinlich hatte er selbst sie auch. Warum machte er dann nie den Mund auf? Weil er Angst hatte – verdammte Angst vor Yoshiki´s Reaktion. Bei diesem Gedanken trat er unwillkürlich leicht aggressiv auf´s Gas. Und kaum dass sich dadurch ihr Tempo erhöhte, nahm er war wie sich Yoshiki´s Arme noch etwas fester um ihn schlangen und sich das Gesicht des Drummers scheinbar an seinen Rücken schmiegte. Taiji´s Herz schlug mindestens zwei Takte schneller als ihm das bewusst wurde und ein fürchterliches Kribbeln jagte in seine Magengegend. Gerade noch rechtzeitig sah er den Lastwagen, der aus der Seitenstraße kam. Die Vollbremsung, die er daraufhin einschlug, führte nur dazu, dass Yoshiki mit einem ordentlichen Ruck fest an ihn gedrückt wurde. Er spürte dessen Brust an seinem Rücken, er spürte dessen Schritt an seinem Arsch. Am liebsten hätte er in dem Moment alle Gedanken und Bedenken über Bord geschmissen und sich einzig und allein nur noch Yoshiki gewidmet... Doch statt dessen saß er geduldig auf seinem Bike und wartete brav, dass der Laster die Kreuzung passierte.
 

Es war vorbei. Das Kapitel war beendet, er war in der Besetzung nicht mehr vorhanden. Taiji schwang sich auf sein Bike. Er musste diesen Menschen aus seinen Kopf kriegen, er würde sonst nur alten Zeiten hinterhertrauern und an seiner Trauer zu Grunde gehen. Verbissen startete er seinen motorisierten Blechpartner, fuhr schneller als sonst aus der Einfahrt raus und raste sogleich die Straße entlang. Der verletzte, rebellische Bassist trotzte der Tatsache, dass bereits die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen und es danach aussah, als ob es im Laufe der Zeit auch noch mehr werden sollten. Er wollte einfach nur durch die Gegend fahren....der Wind als sein einziger Begleiter....der Wind von Weihnachten. Die, anhand der Witterungsverhältnisse, glatter werdenden Strassen ließ er ausser Acht.

Tears in Meguro

..................etwas Weißes...........lautlos.........weder Raum noch Zeit..........alles....oder nichts...? Taiji konnte nichts zuordnen, konnte keine Führung über das Geschehene übernehmen.....er wusste nicht, wo er war. Irgendwann war er der Meinung, er spürte wie sich sein eigener Körper bewegte....oder bewegt wurde..... Doch er konnte es nicht steuern. Verdammt, GOTTVERDAMMTE SCHEISSE TAT DAS WEH!! Als er etwas sagen wollte streikten seine Lippen und seine Zunge, als er schreien wollte hatte er keine Stimme. Sein Körper veränderte seine Position........waren das Hände, die er wahr nahm? Was war los? Wo war er und was passierte gerade? Doch noch bevor er überhaupt die Chance hatte, diese Fragen beantwortet zu bekommen, nahm das Weiß wieder zu und übermannte ihn.......... . . . . . . . . . . . . . . . .
 

Als Taiji das zweite Mal wach wurde, war das Erste was er sah abermals die Farbe Weiß. Seine Augenlider fühlten sich schwer wie Blei an, er bekam sie mit Mühe und Not gerade mal halb geöffnet.

Weiß.

Keinerlei Abhebungen, keine Unregelmäßigkeiten.

Nur nichtssagendes, monotones Weiß.

Doch dann fiel ihm auf, dass er seine Augen bewegen konnte. Er blinzelte vorsichtig zur Seite und erkannte eine gleichmäßige Einbeulung an der Wand. Nach kurzem Überlegen identifizierte er Dies als Fenster. Diese waren umrahmt von Gardinen – natürlich auch in Weiß. Gerade als er seine Umgebung weiter mit den Augen erkunden wollte, hörte er das Geräusch einer sich öffnenden Tür und die Schritte einer Person. Taiji gab sich einen Ruck und drehte seinen Kopf ein Stück in die Richtung, aus der er die Akustik vernommen hatte. Zu seiner Überraschung ging diese eine Bewegung viel leichter, als er selbst damit gerechnet hatte. Vor sich sah er nun einen mittelgroßen Mann stehen, schwarze Haare zu einem zeitlosen Kurzhaarschnitt und ein – was für eine Überraschung – weißer Kittel. Taiji hatte schon mehrfach Bekanntschaft mit solchen Gestalten gemacht. In dem Moment wurde ihm bewusst, dass er sich in einem Krankenhaus befinden musste.

„Ah, sie sind wach, sehr schön!“, freute sich der Arzt und schob seine Brille mit einer flüchtigen Handbewegung auf seiner Nase zurecht. „Wissen sie, wie sie heißen?“

Taiji blinzelte. Wie er selbst hieß? Wie hieß er noch gleich.....? „...äh........Sa-....Sawada..........Sawada...Taiji.....glaub´ ich...“ Seine Stimme war heiser und rau.

Der Arzt mit dem freundlichem Lächeln auf seinem runden Gesicht nickte zufrieden. „Sehr schön. Wissen sie noch, was passiert ist? Warum sie hier sind?“

Doch diesmal musste Taiji passen. Seine fragenden, rehbraunen Augen hafteten an Denen des Arztes.

„Sie hatten einen Verkehrsunfall mit ihrem Motorrad“, begann der gutmütige Mann im weißen Kittel.

Sofort riss Taiji seine eben noch schweren Augenlider vollständig auf! Panik stand in seinen Augen. „Yoshiki.....!“, keuchte er entsetzt.

Diese Namensnennung schien nun den Arzt leicht zu verwirren. „Wen meinen sie damit?“, hakte er vorsichtig nach.

„War....war Yoshiki nicht....dabei....?“, krächzte der lockige Patient. Er spürte, wie bei dem Gedanken an Yoshiki sein Puls deutlich höher schlug.

Der Arzt, der laut Namensschildchen 'Takanashi' hieß, warf einen Blick auf sein Protokoll, Welches er schon die ganze Zeit dabei trug. Überflog kurz die darauf festgehaltenen Informationen und blickte dann wieder Taiji an. „Es tut mir Leid......“

Taiji´s Puls raste, sein Herz hämmerte schmerzhaft gegen seinen Brustkorb, als er die Worte hörte. Das durfte nicht wahr sein, das durfte nicht.....

„...aber einen Beteiligten mit Namen Yoshiki haben wir nicht aufgelistet bekommen.“

Der Bassist schloss die Augen und schluckte hart. Wem auch immer er dafür danken konnte – er tat es gleich in doppelter Ausführung.

Herr Doktor Takanashi blickte fragend auf seinen Patienten. „Ist alles in Ordnung?“

Taiji nickte nur ganz knapp, behielt die Augen jedoch geschlossen. Er wollte nicht noch mehr Weiß sehen.

Wieder warf der Arzt einen Blick auf sein Protokoll. „Wie gesagt, ein Verkehrsunfall, in Welchem sie auf nasser und glatter Fahrbahn offenbar die Kontrolle über ihr Motorrad verloren haben“, berichtete er.

Wenn es nur das Motorrad gewesen wäre, über Welches er die Kontrolle verloren hatte... Allmählich kamen ihm wieder Fetzen der Erinnerung, was vor besagtem Unfall passiert sein musste. Nur reichten diese Fetzen nicht bis zum Unfall selbst.

„Sie hatten jedoch großes Glück, ein junger Mann war sofort vor Ort und Stelle und hat erste Hilfe geleistet. Sie haben mehrere Prellungen und Abschürfungen erlitten, und wie es aussieht auch eine kleine Gehirnerschütterung. Ansonsten fehlt ihnen nichts. Danken sie ihrem Schutzengel.“ Der Arzt sah Taiji an und nickte. „Wir würden sie dennoch gerne für zwei Tage zur Beobachtung hier behalten. Nur um auch wirklich sicher zu gehen.“

Taiji´s Aufmerksamkeit war jedoch schon bereits nach dem Wort 'Schutzengel' nur noch zur Hälfte anwesend. Er musste wirklich einen Schutzengel gehabt haben, denn Motorrad-Unfälle gingen meißtens nicht so glimpflich aus. Für gewöhnlich erlitten die Fahrer viel schwerwiegendere Verletzungen, oftmals noch mit dauerhaften Folgeschäden und nicht selten kam ein Motorradfahrer bei einem Unfall auf offener Strasse um´s Leben. Der junge Bassist war sich über die Gefahren dieser Art der Fortbewegung durchaus bewusst. Auch wenn man es ihm nicht immer ansah. Doch warum hatte ausgerechnet er in dieser Situation solch unheimliches Glück gehabt...? Warum lief es nicht völlig anders......? Dann wäre alles vorbei gewesen.... Kein X, kein Yoshiki – kein Taiji. Er schloss die Augen. Yoshiki...... War er wegen ihm nicht überhaupt erst auf´s Bike gestiegen? Um ihn zu vergessen?
 

„WAS??!“

hide kniff die Augen fest zusammen, als sein Gehör dieser Lautstärke ausgesetzt wurde. Den Telefonhörer, den er durch eine reflexartige Bewegung von seinem Ohr weggehalten hatte, führte er nun wieder langsam zu Selbigem. „Du brauchst mir deswegen keinen Hörsturz zu verpassen....“, knirschte er und seine schlanken Finger angelten nach einem beschrifteten Zettel. „Er liegt im Shirasugi-Hospital und hat-“ Doch noch bevor hide weiter sprach, vernahm er das monotone Tuten am anderen Ende der Leitung Welches ihm vermittelte, dass sein Gesprächspartner voreilig aufgelegt hatte. „Yo-chan? Yoshiki!!“ Verständnislos gaffte er den Hörer in seiner Hand an, bevor er ihn zurück auf die Gabel legte. Wieder mal typisch für Yoshiki, dass er nicht mal zwei Sekunden warten konnte. Doch gleichzeitig konnte hide sich auch denken, warum der Leader so urplötzlich das Telefongespräch beendet hatte: Er hatte Angst um Taiji.
 

Gleich nachdem er wusste in welches Krankenhaus Taiji eingeliefert wurde, hatte Yoshiki sich auf den Weg dorthin gemacht. Zu Vieles ging ihm gleichzeitig durch den Kopf und er spürte mehrfach, wie ihm schwindelig wurde. Doch er hörte nicht auf seinen zitternden Körper, lief so lange durch die Krankenhausflure, bis er das richtige Zimmer gefunden hatte. Er zögerte eine halbe Sekunde bevor er die Tür öffnete, hatte er doch ganz kurzzeitig Bedenken, wie Taiji in dieser Situation auf ihr reagieren würde. Doch im nächsten Augenblick stand er auch schon im Zimmer und starrte auf das Krankenbett, Welches sich vor ihm bot.

Taiji.

Er hatte einen Druckverband um den Kopf, sein Gesicht war ihm leicht abgewand, der Rest des Körpers wurde von der Bettdecke umhüllt. Langsam ging er auf den Freund zu, versuchte sein Zittern krampfhaft zu unterdrücken.

Taiji hatte seinen Besucher registriert, schon kurz nachdem Dieser das Zimmer betreten hatte. Langsam wand er seinen Kopf in Yoshiki´s Richtung, verfolgte ihn mit den Augen, bis er an seiner Bettseite stand. Yoshiki.......... Taiji´s Denkvermögen setzte aus, er sah nur noch den Älteren vor sich stehen.

Das Zittern des Drummers wurde stärker; verbissen kniff er sich mit den Fingernägeln unter den Daumennagel um sich mit dem daraus resultierendem Schmerz von seiner Nervosität abzulenken. Die braunen Locken seines Gegenübers fielen eigensinnig über den weißen Verband; zu gerne hätten seine Finger durch die wiederspänstige Lockenmähne gestrichen, doch konnte er das nicht. Wie würde Taiji darauf reagieren wenn er das jetzt einfach machen würde? Er hatte doch auch so schon genug angerichtet....... Plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Blitz: Wenn dieser Unfall nur durch ihn zu Stande gekommen wäre.... Wenn Taiji versucht hätte, sich.... Ein leises, ersticktes Schluchzen entglitt seinem Mund. Ungewollt. „.....nie wieder......“ Unwillkürlich sank er auf die Bettseite und ergriff mit beiden Händen Taiji´s Arm, Welcher halbwegs von der Bettdecke umhüllt war. „Mach so etwas nie wieder.....“, wiederholte er seine heiseren Worte und ließ aufgelöst den Kopf sinken.

Taiji erschrak innerlich, als er den plötzlichen Gefühlsausbruch des Leaders von X sah. Was war nur so plötzlich mit ihm geschehen? Was wollte er ihm auf diese Weise sagen? Aus den paar Worten die der Andere von sich gegeben hatte konnte er sich nichts zusammen reimen. Er blickte auf Yoshiki´s gesenkten Kopf, auf dessen Hände die sich fast schon hilfesuchend in seinem Arm verkrallt hatten. Von einem Moment auf den Anderen traf es jedoch auch Taiji wie ein Blitz: Sah das hier für Yoshiki gerade möglicherweise so aus, als hätte er versucht sich umzubringen? Der Lockenkopf spürte eine Gänsehaut seinen halben Körper bedecken. Das durfte doch nicht wahr sein.... Sah es wirklich so aus? „Yoshi......hey...“, versuchte er die Aufmerksamkeit des Anderen zu erlangen. Er schob langsam beide Arme unter der Decke hervor und legte sie vorsichtig um Yoshiki´s Schultern. „Hey Großer......“ Er spürte das leichte Beben des Oberkörpers, Welchen er gerade behutsam umarmt hielt. „Es ist nicht so wie du denkst....“ Seine Stimme klang ruhig und warm; er wunderte sich darüber selbst als er sie vernahm.

Sofort hob der Ältere seinen Kopf, als er die zärtlichen Worte hörte. Seine Augen hatten sich in den wenigen Momenten bereits gerötet, sein Blick war glasig und spiegelte Verzweiflung wieder.

Taiji spürte, wie sich ihm die Kehle binnen von Sekunden zuschnürte. Er wusste, woran Yoshiki in diesen Augenblicken dachte.
 

Das Publikum tobte, schrie vor Freude und klatschte sich die Handflächen wund. Das gesamte Fernsehstudio war von einer unbeschreiblichen Freude und positiver Energie gefüllt, die begeisterten Rufe der Fans wollten einfach nicht verstummen.

Es war nun genau eine Woche seit seinem Unfall vergangen und jetzt stand er hier neben seinen baldigen ex-Kollegen in einem der NHK-Studios, aus Welchem die Musik-Sendung 'Kouhouku' live übertragen wurde. Die Moderatoren verstanden sich prächtig mit Yoshiki, witzelten mit ihm rum. Taiji hingegen stand beinahe schon ein kaum merkliches Stückchen abseits von den Anderen und schenkte den Moderatoren kaum Beachtung. Sein Blick war auf das bunte Publikum gerichtet, doch schaute er durch sie hindurch. In der Vergangenheit hatte er solche Sylvester-Veranstaltungen immer für lustig empfunden. Doch dieses Mal konnte er keinen Funken Freude spüren. Das Einzige, was in seinem Kopf Platz gefunden hatte, waren X und Yoshiki. Und ein nervenzermürbender Strudel, der diese beiden Sachen mit sich riss. Fast so als hätte man den Stöpsel aus der Badewanne gezogen und das benutzte Wasser eilte wirbelartig und um sich selbst drehend auf den Ausfluss zu.....

Nach ihrem Auftritt in der Sendung begaben sich X nach Meguro, wo sie schon für den Live-Countdown erwartet wurden. Sie lagen noch gut in der Zeit und hatten sogar noch vor ihrem Auftritt eine gute halbe Stunde Freizeit. Diese nutzte jeder von ihnen auf seine ganz eigene Art. hide löste sich bald schon von den anderen und begab sich zu einem der hinteren Fenster des großen Aufenthaltsraumes. Mit fließenden Bewegungen öffnete er es, stützte seine Unterarme auf den Fensterrahmen und blickte hinaus. Alles ohne eine Bemerkung von sich zu geben, ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Er wollte auch gar nicht reden. Wollte nur in die Nacht hinaus blicken. In die Nacht, die so schwarz und undurchsichtig war wie seine Gedanken. Dies war das letzte Mal, dass X Sylvester gemeinsam verbrachte. Gemeinsam mit Taiji. Gemeinsam als Gruppe, die über die Jahre gewachsen war, gewachsen an Erfahrung und Kraft, an Kreativität und Erfolg. Zusammen.

Sie hatten immer zusammen gehalten, auch wenn die Zeiten noch so bedrohlich und kräftezehrend waren. Sie hatten sich alle gegenseitig Halt gegeben in den härtesten Situationen. Jeder konnte sich auf den Anderen verlassen.

Seine Augen füllten sich immer bedrohlicher mit Tränen; es würde nicht mehr lange dauern bis das Augenlid die Flüssigkeit nicht mehr tragen könne.

Er hatte oft mit Taiji zusammen gesessen und Gitarre gespielt... Einfach nur so, zum Spaß. Diese Bilder tauchten immer und immer wieder in seinem Kopf auf. Das gemeinsame Spielen und ihr gemeinsames Interesse für Musik hatte sie so fest zusammen geschweißt. Konnte diese Verbindung reissen? Wie würden sie miteinander umgehen, wenn Taiji nicht mehr dazu gehörte, kein Teil von X mehr war? Würden sie dann trotzdem noch gemeinsam ihre Saiteninstrumente erklingen lassen, die Töne sich miteinander mischen lassen? Oder sollte mit diesem Kapitel von X auch das Kapitel ihrer Freundschaft zu Ende gehen? Sollte das Band reissen....?

War der Erfolg der Gruppe vielleicht auch einfach nur zu schnell zu sehr in die Höhe geschossen? Nachdem sie sich durch die Anfänge durchgebissen hatten, trieben sie immerhin regelrecht auf einem Erfolgskurs, den nicht jede Band in ihrer Laufbahn verzeichnen konnte. Vielleicht verlangte so ein enormer Erfolgsaufstieg im Laufe seiner Zeit einfach ein paar Opfer. Vielleicht war so ein tiefer Einschnitt unausweichlich...... Sah das niemand ausser ihm?

Die ersten Tränen hatten es geschafft und die Hürde des unteren Augenlids überwunden. Ungehindert lieferten sie sich einen Wettlauf über hide´s Wangen. Und neue Konkurenten tauchten in rascher Folge auf. hide stand bewegungslos am Fenster, starrte hinaus und gab keinen Laut von sich. Dass sich einige Meter hinter ihm Toshi befand und ihn beobachtete, registrierte er nicht.

bloodstained reflection

Rasant steigender Geräuschpegel. Man musste schon deutlich lauter als Zimmerlautstärke reden, um sich seinem Gesprächspartner klar verständlich zu machen. Das unregelmäßig einsetzende Gelächter und gelegentliche Gegröhle nahm mit der Zeit immer mehr zu. Die Stimmung war ausgelassen, locker, fröhlich. Man begrüßte in dieser Nacht das neue Jahr........ - oder hing noch seinen alten Gedanken nach. Taiji beugte sich kurz nach vorne, setzte sein Glas auf dem Tisch vor sich ab und ließ sich anschließend wieder zurück in die Sofapolster sinken. Vorhin auf der Bühne hatten sie noch die Sekunden bis zum Neujahrswechsel gezählt. Er selbst zählte immer noch. Denn sein eigener Countdown bezog sich nicht auf den Neujahrswechsel, sondern auf die Zeit, die ihm noch mit X verblieb. Eine Woche. 7 Tage. Etwas mehr als 160 Stunden. Er hatte mit Yoshiki gesprochen und mit ihm vereinbart, dass er das dreitägige Konzert im Tokyo Dome noch mitmachen würde. Danach sei er endgültig draussen. Taiji schloss die Augen. Der Partylärm umhüllte ihn, er kam sich vor wie in einem Kokon. Überall hörte er Menschen lachen....hörte deren Freude aus dem Gelächter heraus.......die Luft begann allmählich nikotinisiert zu werden...........er spürte, wie der Alkohol langsam aber sicher durch seine Adern floss, in sein Blut überging................jemand war gegen ihn gesunken........... Taiji machte keine Anstalten diesem Jemand mitzuteilen, dass er´s sich gerade irgendwie halbwegs auf seinem Schoß gemütlich zu machen schien; warum sollte er auch......dieser Jemand war schön weich....und warm........... Taiji öffnete plötzlich ruckartig die Augen, sein Blick fiel sofort auf die Person, die es sich neben ihm, bzw. mittlerweile schon eher auf ihm bequem gemacht hatte. Yoshiki. Der erschlaffte Oberkörper des Leaders war zur Seite gekippt und parkte nun halb auf seinem Bauch und halb auf seinem Schoß. Eine Hand hatte es sich auf Taiji´s Schenkel gemütlich gemacht, zwischen ihren schlanken Fingern klemmte eine halb abgebrannte, glimmende Zigarette. Der Blick des Bassisten ruhte einige Momente stumm auf diesem Bild. Dann hob er ansatzweise sein, von Yoshiki´s Hand in Beschlag genommenes, Bein um auf sich aufmerksam zu machen. „Yoshi...hey....“ Seine Stimme klang nach wie vor sanft und weich bei der Aussprache des so vertrauten Namens.

Yoshiki reagierte nicht sofort, erst nach einigen Sekunden drehte er seinen Kopf wie in Zeitlupe Richtung Bassistenbrust, um darüber das von einer warm-braunen Lockenmähne eingerahmte Gesicht des Jüngeren zu erblicken. Der Leader grinste ihn an.

Taiji konnte in dessen Augen erkennen, dass der Drummer die Auswirkungen eines gesteigerten Alkoholpegels genoss. Er war betrunken und womöglich begriff er gar nicht, was er hier gerade tat. Für einige Momente gab er sich dem verschleiertem Blick des Anderen hin. Doch dann holte ihn die Gegenwart wieder ein – trotz Alkohol. „Was machst du da?“

Yoshiki blinzelte. „Kuscheln...“, kam die lallende Antwort und das Grinsen wurde noch ein bißchen breiter.

Der Lockenkopf seufzte innerlich. Kuscheln....ja, kuscheln würde er jetzt auch zu gerne....kuscheln und getröstet werden.... Warum tat Yoshiki das? Warum strich er ihn erst aus der Band, aus seinem Privatleben – und kam nun an um zu 'kuscheln'? Natürlich ist es der Alkohol, dachte Taiji sich. Wäre der Andere in diesen Momenten stocknüchtern, würde er bei Weitem mehr auf Abstand gehen, dessen war er sich sicher. Gottverflucht, dieser Blick..... - machte der Kerl das doch mit Absicht? Der Jüngere war völlig hin und her gerissen. Herz gegen Verstand. Sehnsucht gegen Vernunft. Verstand und Vernunft gegen Alkohol.

Yoshiki schien gerade überhaupt keinen inneren Kampf mit sich selbst auszuführen. In aller Seelenruhe drehte er seinen teils betäubten Körper auf den Rücken, richtete seinen Oberkörper etwas auf, kam mit seinem Gesicht dem Gesicht des Jüngeren immer näher...

War es spätestens jetzt nicht Zeit dafür, etwas zu sagen? Taiji´s Gedanken überschlugen sich schon beinahe, doch ihm fielen keine passenden Worte zu dieser Situation ein. Und eigentlich wollte er auch gar nichts sagen, wenn er sich die Lippen betrachtete, die da langsam immer näher auf ihn zukamen. Doch irgendwo tief in sich vernahm er soetwas wie eine Stimme. Vielleicht sein Verstand, der ihm etwas mitteilen wollte..... KÜSS IHN NICHT! Seine Finger bewegten sich wie von selbst zum Gesicht des betrunkenem Kuschelbedürftigen, strichen zärtlich und liebevoll über die leicht gerötete Wange... Küss ihn nicht! ...glitten von dort aus gleich zu den Lippen hinüber.....zu diesen wunderschönen, weichen Lippen....... ...küss ihn nicht...!.... .....so weich....und vertraut.......... ......küss.....ihn nicht........ Taiji´s Gesicht näherte sich die wenigen Zentimeter bis zu seinem ersehntem Ziel, bis sich ihre Lippen berührten..... ..........nicht........ni........... ......und ihre Zungen Eins zu werden schienen........
 

Etwas kitzelte ihn an der Nase. Taiji wackelte mit Selbiger wie ein Kanichen. Doch es verschaffte keine Abhilfe. Das feine, sensible Gekitzele hielt an. Träge öffnete er seine schweren Augenlider. Ebenso träge schaffte es seine Hand sich Richtung Nase zu bequemen und dem Störenfried einen Strich durch die Rechnung seiner zukünftigen Taten zu machen. Eine seiner eigenen Haarlocken war es, die ihm ungünstig ins Gesicht gefallen war und bis eben mit seiner Nase geflirtet hatte. Er strich sie sich flüchtig und auch eher abwesend hinter´s Ohr, nur damit sie im nächsten Augenblick wieder hervor rutsche und abermals sein Gesicht ansteuern konnte. Der junge Lockenkopf schmatzte ein paar Mal leise, bevor er seine Sicht klarer blinzelte und seinen Kopf hob. Sein Kopfkissen hatte eine merkwürdige Form heute....bis ihm im nächsten Moment auffiel, dass sein Kopfkissen, um dessen ungewöhnliche Wärme er sich schon bereits gewundert hatte, eine Männerbrust war. Sofort riss er seinen Blick zur oberen Partie, die sich überhalb besagter Brust befand und aus einem Kopf mit friedlich schlafendem Engelsgesicht bestand. Yoshiki. Taiji konnte für einen Augenblick nicht beurteilen, ob sein Herzschlag rasant zu nahm oder sich drastisch verlangsamte. Yoshiki........warum lag er hier? Was war geschehen, dass er mit Yoshiki in einem Bett lag? War sein Rauswurf aus X etwa nur ein mieser Traum gewesen? Für schier endlose Sekunden starrten seine Augen auf die entspannten Züge des Anderen. Schemenhaft traten schließlich wieder die Erinnerungen vom letzten Geschehen in sein Gedächtnis. Doch dieser Rückblick reichte nur bis zum Abend, als sie alle was getrunken hatten....und irgendwann kam der Kuss.......und dann war Sense. Was danach geschah bekam Taiji nicht mehr zusammen gepuzzlet. Hatten sie etwa Sex gehabt...? Sie konnten sich schon beide nicht beim küssen voneinander abhalten – was sollte sie dann also daran gehindert haben, es wieder miteinander zu treiben? Der junge Bassist fuhr sich leise stöhnend mit der Hand über´s Gesicht. Wie sollte das nur weiter gehen? Yoshiki wollte sich von ihm trennen – und das nicht nur als Bassisten – aber voneinander ablassen gelang ihnen beiden nicht....? Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er griff nach der Bettdecke und hob sie vorsichtig an. Sein Blick fiel sogleich auf seine Boxershorts, die unversehrt seine untere Körperregion umhüllte. Sein Atem ging flacher. War dieses unscheinbare Kleidungsstück jetzt ein Indiz dafür, dass es doch nicht zum Sex zwischen ihnen gekommen ist in dieser Nacht? Er hob die Decke behutsam noch ein Stückchen mehr. Yoshiki´s Unterleib sah genauso aus wie Seiner: bedeckt. Zwar war dessen Shorts schon ein bißchen verrutscht, aber dennoch haftete sie an seinem Körper. Taiji seufzte leise und fast schon erleichtert auf. Dennoch stellte er sich die Frage, wie er mit Yoshiki in einem Bett landen konnte. Endlich hob er seinen Blick und schaute sich im Raum um. Sein Hotelzimmer war das hier eindeutig nicht, also musste es Yoshiki´s sein. Er hatte bloß keinerlei Erinnerungen daran, wie er hierher gekommen war. Filmriss. Gottverflucht, ausgerechnet jetzt. Taiji wischte leise stöhnend mit der Hand über sein Gesicht. Fast gleichzeitig ertönte ein zweites Stöhnen – nein, eigentlich war es ein verschämtes Seufzen. Das leise Seufzen von jemandem, der gerade aufwachte. Sofort richtete der Wuschelkopf seine volle Aufmerksamkeit auf seinen Bettpartner.

Yoshiki´s Augenlider öffneten sich träge und das Erste was er erblickte war Taiji. Im ersten Moment schien er daran nichts Ungewöhnliches zu finden – doch nach wenigen Sekunden legte sich in seinem Kopf ein Schalter um und er schnellte hoch. Mit aufgerissenen Augen starrte er sein Gegenüber an. „Was machst du hier in meinem Bett??“ Seine Stimme klang unerwartet schrill.

Der Angesprochene starrte perplex zurück; er hatte sich zwar schon gedacht, dass Yoshiki heftig reagiert sobald er ihn in seinem Bett vorfindet, doch insgeheim gewünscht, er täte es doch nicht.... „Ich hatte gehofft das könntest du mir sagen....“, antwortete er mit belegter und, im Gegensatz zu der des Drummers, ruhiger Stimme.

Der Ältere blickte ihm verständnislos in´s Gesicht. „Bitte? Das hier ist mein Bett und du bist hier der Eindringling! Also erklär´ du mir gefälligst, was du hier verloren hast!!“

'Eindringling'.......das Wort klang so distanziert....so feindseelig.... Taiji seufzte leise. „Ich weiß es nicht...“

„Wie, du weißt es nicht?“ Ruckartig stand Yoshiki auf – nur um sich im nächsten Moment stöhnend und mit leichtverzerrtem Gesicht den Kopf zu halten.

„Genau deswegen“, entgegnete der Jüngere und schaute zu ihm hoch. „Wegen dem Alk. Ich hab ´nen Filmriss.“

Yoshiki stöhnte erneut, ließ sich wieder auf die Bettkante nieder sinken.

„...und du offensichtlich auch....gepaart mit einem hübschen Kater....“, fügte er gedämpft hinzu.

Der Leader von X erhob sich abermals – diesmal jedoch sichtlich bedachter als beim vorherigem Male – und steuerte auf den Tisch zu, der ihm wenige Meter schräg gegenüber stand. Seine Hand griff nach der 1,5-Liter-Mineralwasserflasche, entledigte ihr den Plastikdrehverschluss, führte ihre Öffnung zu seinen Lippen und trank mehrere, demonstrativ große Schlucke. Als wolle er zusammen mit dem Wasser auch seine Gedanken und Sorgen hinunter spülen.... Als er die Wasserflasche kurze Zeit später wieder abstellte, sagte er noch immer nichts. Statt dessen verschwand er im Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Ohne Taiji auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
 

Yoshiki starrte ihm unentwegt in die Augen, hielt den Blicken des Anderen stand. Versuchte mit seinen Augen regelrecht die braunen, glänzenden Tiefen des Anderen zu durchbohren. Doch der Andere schien eine genauso große Ausdauer und Verbissenheit zu besitzen denn er starrte unentwegt zurück. Sein Spiegelbild. Was um alles in der Welt hatte er vergangende Nacht nur getan? Hatte Taiji seine alkoholisierte Situation ausgenutzt? Yoshiki´s Finger strichen durch die zerzausten Haare, um sich selbst die ins Gesicht gefallenen Strähnen zurück zu kämmen und die Sicht auf die Augen seines Spiegelbildes wieder frei zu geben. Nein...Taiji wirkte vorhin im Bett selbst zu verloren und orientierungslos, als dass er es auf diese Art von Erwachen gezielt angelegt haben könnte. Traute er ihm so eine Tat überhaupt zu.....? Er wusste es nicht. Jedoch traute er jemand anderem diese Tat zu: Sich selbst. Er konnte sich selbst gegenüber nicht mehr leugnen, dass er imense Schwierigkeiten hatte, bei Taiji konsequent auf Abstand zu gehen. Obwohl er diese Schwäche nie jemandem gegenüber zugegeben hätte. Er wusste, dass es auf Dauer mit X immer größere Probleme geben würde, würde sich keine Änderung einstellen. Doch seine Empfindungen für Taiji konnte er nicht einfach so abstellen wie hide den Verstärker für seine Gitarre. Taiji und X zusammen liefen so, wie es im Moment war, volle Geschwindigkeit Richtung Sumpf. Wenn nicht bald eine Änderung eintraf, würde alles mehr und mehr feststecken und der Kampf, da wieder raus zukommen, würde immer erschwerlicher werden. Taiji und X getrennt, aber parallel – konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Wie sollte das gehen? Zudem glaubte er, Taiji damit das Herz endgültig in tausend Teile zu zerschlagen, würde er die Beziehung mit ihm aufrecht erhalten, ihn gleichzeitig aber von allem, was mit X zu tun hat, ausschließen. Wie ein Tornado kamen ihm seine Gedanken vor, ein Tornado der rasch heran wuchs und sein Gehirn zu einem Schlachtfeld umwandelte. Alles riss er mit, jede kleinste Überlegung, jeden Fetzen Zweifel! Er liebte X und er liebte Taiji, aber beides gleichzeitig konnte er nicht Aufrecht erhalten! Sein Herz und sein Verstand lieferten sich einen erbitterten Kampf miteinander...! - Bis das laute, helle Klirren von Glas durch den Raum erklang, in dem Moment wurde alles ruhig. Für wenige Sekunden.
 

Taiji vernahm das Klirren hinter der Tür zum Badezimmer und den dazu fast parallel zu hörenden, grellen Aufschrei. Sofort sprang er vom Bett auf, hastete zum Badezimmer und riss die Tür auf. Sein Blick fiel ohne Umwege sofort auf Yoshiki. Wie er leicht über dem Waschbecken gebeugt dastand, zitternd. Seine rechte Hand war blutüberströhmt. Die rote Flüssigkeit bahnte sich ungehindert ihre Wege über die helle Haut, bis sie irgendwann immer mal wieder ein bißchen Halt verlor und als Bluttropfen in die schier endlose Tiefe fiel, um zum Schluss auf der weißen Keramikoberfläche zu zerspringen.

Taiji starrte fassungslos auf das Szenario, kurz darauf ebenso fassungslos in das Gesicht des Drummers.

Yoshiki´s Gesicht war ein reines Gemälde der Verzweiflung. Seine Augen waren glasig, fast bis zum Anschlag mit Tränen gefüllt, wie es schien, und sie schauten den jungen Bassisten ebenso geschockt an, wie Dieser sie anschaute. Als könne er selbst nicht begreifen, was soeben passiert war.

Die glatte Spiegelfläche war halb zertrümmert und blutbefleckt.

'Tokyo Dome 3 Days'

„Verdammt, Yoshi! Was hast du gemacht?!“, schrie der geschockte Bassist und hastete die wenigen Schritte zu Yoshiki, der noch immer bewegungsunfähig am Waschbecken stand. Übervorsichtig und mit zitternden Fingern griff er nach der blutigen Hand des Drummers, besah sie sich eingehend. Es schienen einige Schnittverletzungen zu sein, ganz genau konnte er das nicht erkennen – das Blut bedeckte die Wunden überwiegend. Er konnte nicht einmal erkennen, ob noch kleinere Glasscherben im Fleisch steckten. Doch er ging davon aus, dass das möglicherweise der Fall war. Taiji´s Blick erhob sich von der Verletzung zu den Augen des Anderen. „Was machst du nur für ´ne verfluchte Scheiße?“, zischte er, doch war in seiner Stimme deutliche Verzweiflung raus zuhören.

Yoshiki erwiderte den Blick, hatte noch immer glasige Augen, sagte aber keinen Ton. Von dem Moment an, als er aus einem Impuls heraus auf sein eigenes Spiegelbild eingeschlagen hatte, nahm er alles um sich herum nur noch in Zeitlupe war. Er konnte seinen eigenen Körper kaum rühren, geschweige denn etwas sagen. Und im Moment wollte er auch gar nichts sagen. In seinem Kopf sagten so viele Stimmen gleichzeitig so viele Sachen....sie sollten endlich aufhören, all das zu sagen. Er wollte es nicht mehr hören, nicht mehr hören......... Als er zwischenzeitlich mal wieder was von dem registrierte, was um ihn herum geschah, fand er sich in liegender Position auf seinem Hotelbett wieder. Sein Arm wurde von einer kräftigen Hand senkrecht nach oben gehalten.....von Taiji´s Hand........sonst war ja kein Anderer da......

Der Lockenkopf saß auf der Bettkante, hielt mit einer Hand Yoshiki´s Handgelenk fest und dessen Arm somit nach oben um die Blutungen zu lindern, mit der anderen Hand krallte er sich das Telefon vom Nachtschränkchen, hielt den Hörer verkrampft fest und wählte den Notarzt. Er zitterte am ganzen Leib, spürte seinen hämmernden Herzschlag durchgehend von Kopf bis Fuß – wohingegen Yoshiki vollkommen ruhig, ja fast schon tranceartig dalag und keinen Ton von sich gab...
 

Er hatte Glück gehabt, die Verletzungen fielen nicht so schwer aus wie sie zuerst aussahen. Der Notarzt, den Taiji sofort verständigt hatte, war binnen kürzester Zeit eingetroffen. Yoshiki´s Kreislauf blieb halbwegs stabil, der Schock über die ersten Momente ließ ihn dennoch eine ganze Weile abwesend wirken. Aber es waren keine weiteren Glassplitter tiefer ins Fleisch gedrungen. Die Wunde wurde gereinigt und ärztlich versorgt: Um Yoshiki´s rechte Hand prangte nun ein schneeweißer Verband. Entgegen dem Rat der Ärzte, sich zumindest für den heutigen Tag noch Ruhe zu gönnen, hatte er den Fernseh-Termin für die Neujahrsshow nicht abgesagt und so kam es, dass nun Pata, hide, Yoshiki und Taiji auf einem breiten, buntem Sofa mitten in einem Fernsehstudio saßen und schon zur Begrüßung von der, eigentlich sehr warmherzigen, Moderatorin zugeschnattert wurden. Toshi war nicht dabei, der hatte einen anderen Termin irgendwo ausserhalb, worum Taiji ihn in diesen Momenten beneidete. Der Bandjüngste saß ganz aussen auf dem Sofa, neben Yoshiki und kam sich gerade vor wie im falschen Film. Alle Beteiligten schienen entspannt und fröhlich zu sein – ausser ihm. Er hatte sich seinen Hut tief in die Stirn gezogen, dunkle Sonnenbrillengläser verbargen seine Augen....und er wünschte sich fort. Wollte nicht hier sein, nicht jetzt, nicht heute. Nicht hier bei den ganzen Menschen, die scheinbar alle so unbeschwert waren, nicht neben Yoshiki, der andauernd nach seinem Getränk griff und sein Dauergrinsen so häufig zum Einsatz brachte, wie es nur möglich war. So, als sei nichts geschehen. Als sei alles in Ordnung. Als hätte er nicht noch vor sechs Stunden im Krankenhaus gesessen und sich die Hand verbinden lassen. Als hätte er niemals irgendeinen Spiegel zertrümmert und als hätte er niemals seinem Bassisten gekündigt. Es tat weh, diesen zwei Welten gleichzeitig in die Augen zu sehen. Sich einerseits der Realität bewusst zu sein und andererseits mitansehen zu müssen, wie scheinbar jeder die Realität auszublenden versuchte oder vielleicht noch nicht einmal von ihr wusste.

Jetzt kam auch noch Makoto ins Studio gestapft, steuerte bedächtigt auf die Sofamitte zu, wo hide und Pata ihm gerade Platz gemacht hatten. Makoto war schon in Ordnung. Strange wie sie alle irgendwie, aber der mit Abstand erträglichste Moderator, den sie regelmäßig vor der Nase hatten. Er erzählte irgendwas. Was es war, wollte Taiji gar nicht wissen. Es hatte irgendetwas mit Yoshiki zu tun und das Erklingen von dessen Kichern und Auflachen war für den Lockenkopf wie ein mittelschwerer Dolchstoß ins Herz. Er blendete alle Gespräche um sich herum aus, wollte nichts mehr mitkriegen. Saß nur noch hier um das Bild nicht noch unvollständiger erscheinen zu lassen als es ohne Toshi schon war. - Gottverflucht, er fühlte sich so fehl am Platz. Seine Tage in dieser Gruppe waren gezählt und doch versuchte er bis zur allerletzten Minute noch dabei zu sein. Weil er Angst hatte. Angst vor dem Moment, aussen vor zu stehen. Angst vor dem Moment, nicht mehr dazu zu gehören. Angst vor dem Moment, von dem getrennt zu sein was ihm so verdammt viel bedeutete. Angst davor, alleine zurück zu bleiben. Angst davor, alleine zu sein. Angst vor der Leere, vor der er dann stünde. Angst.

Wieder drang das vertraute Lachen des Drummers in sein Gehör. Zögerlich blinzelte er in dessen Richtung, ohne seinen Kopf zu bewegen. Grinsend nuckelte dieser Mensch an seinem Strohhalm herum, beachtete den Bassisten überhaupt nicht. Benahm sich so, als könnte der Abend gar nicht besser laufen. Wie hatte es Toshi einmal so treffend formuliert...? 'Unsere Schauspielerin'. Und wie Recht er doch hatte, denn das war Yoshiki wirklich. Er mochte für das Publikum, für das Fernsehteam noch so sorgenfrei wirken; Taiji wusste, dass es in ihm bei weitem nicht so aussah wie er es versuchte vorzutäuschen. Er kannte den Leader mittlerweile ganz gut und hatte im Laufe der Jahre gelernt, wie Dieser sich in bestimmten Situationen verhielt. Und Yoshiki´s dauergrinsendes Strohhalmgenuckel war eine Maske.

Als X wenige Minuten nach dem Interview mit einem Haufen Musiker die Bühne betraten um, wie schon beim Extasy Summit, den Song „Anarchy in the U.K.“ loszuschmettern und Yoshiki das Startsignal ins Mikro brüllte, stahl sich Taiji wortlos davon. Bei dem ganzen Gewusel auf der Bühne würde man ihn sowieso nicht vermissen.
 

Das Rumoren in seinem Magen wurde fast von Minute zu Minute deutlich unangenehmer. So unwohl hatte er sich schon ewig nicht mehr vor einem Auftritt gefühlt. Und für gewöhnlich war Lampenfieber nicht sein größtes Problem. Behauptete er zumindest immer. Er räusperte sich, rutschte auf seinem Stuhl etwas hin und her. Wie oft er das innerhalb der vergangenden halben Stunde bereits getan hatte, war ihm gar nicht bewusst.

hide warf ihm einen Blick rüber. Es war ein wissender Blick. Der wissende Blick eines Beobachters.

Taiji registrierte das. Er wusste Bescheid. Sie wussten alle um ihm herum Bescheid, aber niemand sprach es aus. Niemand sagte ein Wort dazu. Heute hatte der Endspurt seines Countdowns begonnen. Heute, am ersten Tag der 'Tokyo Dome 3 Days'. Drei Konzerte, dann war Schluß. Endgültig. Dann hieß es byebye X. Taiji schüttelte den Kopf. Sein Magen machte ihn wahnsinnig. Es war fast wie damals, bei seinen allerersten Bühnenauftritten als unerfahrener Gitarrist bei seiner ersten Band Trash. Nur dass es damals alles erst angefangen hatte. Nun steuerte er unausweichlich auf das Ende zu. Und er wollte das gar nicht.....

Eine Hand legte sich kurzzeitig auf seine Schulter, als jemand hinter ihm vorbei ging. Taiji hob seinen Kopf, schaute sich rasch um.

Toshi. Er lächelte ihm aufmunternd zu, zumindest versuchte er das. Doch seinen Lippen war anzusehen, dass ihnen dies auch nicht leicht fiel.
 

Seine Stiefel beschritten Stufe für Stufe. Früher kam ihm diese Prozedur auch irgendwie leichter vor. Das Kreischen und Schreien der Fans dröhnte durch die Halle – heute schien es ihm sogar lauter als zuvor. Sogar lauter als am gestrigen Abend. Noch zwei Mal. Zwei Mal würde er jetzt noch mit den anderen auf der Bühne stehen, dürfte mit ihnen ihre gemeinsamen Songs spielen. Zwei Mal dürfte er noch diese faszinierende Atmosphäre spüren, die sie alle zusammen hielt, ihre Verbundenheit symbolisierte. Obwohl....wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er den rasch größer werdenden Riss schon längst gespürt. Ihre einste Verbundenheit war nicht mehr so wie früher. Die Abnabelung zwischen ihm und X hatte bereits eingesetzt. Er spürte es. Spürte, wie sich alles und jeder nach und nach von ihm zu entfernen schien.

Er setzte den ersten Schritt auf den für das Publikum einsehbaren Bereich der Bühne. Das bunte Licht der Scheinwerfer streifte ein paar Mal sein Gesicht. Die Masse schien ein einziges Meer aus Freude zu sein. Warum konnte er sich nicht mitfreuen? Er senkte seinen Kopf unmerklich ein kleines Stück. Weil er in 24 Stunden das letzte Mal diese Prozedur erleben würde... Er bekam von einem jungen Mann seinen Bass in die Hand gedrückt. Zum vorletztem Mal. Taiji legte sich den Gurt seines Instrumentes um. Patas Gitarre erklang, wenige Augenblicke später setzte er gemeinsam mit hide ein. Sein Song. 'Dear Loser'. Als er ihn damals geschrieben hatte, wäre er nie auf die Idee gekommen, diesen Song auf sich zu beziehen. - Heute fühlte er sich wie Einer.
 

...let me forget all of the hate, all of the sadness...“ Yoshiki spielte immer und immer wieder nur eine Melodienfolge. Als wenn er sich an den Rest des Stückes nicht mehr erinnern könnte.

Toshi hatte schon längst aufgehört zu singen, das Publikum übernahm seine Arbeit.

Taiji saß auf einer der Bühnenstufen, den Hut tief ins Gesicht gezogen, und starrte nur vor sich hin. Das letzte Lied. Auf dem letztem Konzert, bei dem er dabei war. Er lauschte dem Piano. Immer wieder, immer wieder diese eine Melodie, wie eine nicht enden wollende Spirale. Er wollte die Zeit austricksen, wollte die vergangenen Jahre zurück holen. Wollte wieder unbeschwert mit den anderen zusammen sein, mit Pata und Toshi und hide und Yoshiki. Wo war die Zeit geblieben? Wo war sie hin, warum endete sie so plötzlich? Verstohlen blinzelte er zu hide.

Der Gitarrist mit der grellen Strickjacke, die er völlig falsch herum trug, hatte einen Blick drauf der Bände sprach. In diesen Momenten sah man nicht mehr, dass hide der Bandälteste war – jetzt sah er einfach nur aus wie ein kleiner, verzweifelter Junge, der krampfhaft versuchte seine Tränen hinunter zu schlucken. Doch so sehr er sich auch anstrengte, seine Augen waren zu sehr gefüllt, die Flüssigkeit nahm überhand. Sein Hals schnürte sich zu, das Schlucken tat weh und seine Nase begann langsam zu verstopfen. Es flossen die ersten Tränen, heisse Tränen und noch eine Unzahl Weiterer sollten folgen.

Pata betrachtete sich den Bassisten. Er konnte erkennen, wie sehr sich Dieser bemühte, sich zusammen zu reissen, wie sehr er versuchte sich unter Kontrolle zu halten. Es war typisch Taiji: Nur nicht zu viel Schwäche zeigen, sich bloß keine Blöße geben. Doch so tief ihr jüngstes Mitglied sich seine Hutkrempe auch ins Gesicht zog – dass er unzählige Tränen vergoss wusste Pata. Auch wusste er, wieviel ihm X bedeutete. So unterschiedlich sie beide auch waren aber dass es soweit kommt hätte er ihm nie gewünscht. Tränen verließen nun auch seine eigenen dunklen Augen. Sie hatten alle gemeinsam schon die steinigsten Wege beschritten und immer zusammen gehalten.....und nun sollten sie jemanden von ihnen auf ihrem Weg zurück lassen.....?

Der Pianoklang erstarb zeitweilig. Yoshiki spürte, wie sich ihm alles drehte, wie ihm teilweise die Kraft aus dem Körper entzogen wurde. Etwas begann sich aufzulösen. Durch tränenverschleierte Augen schaute er zum Publikum, in die singende Menge. Es war ein Teil ihrer Selbst, ein Teil von X Welches begann sich aufzulösen. Er hatte jemandem von ihnen die Fortsetzung verweigert. Er hatte einen ihrer Bestandteile abgetrennt. Das X bekam auf der einen Seite ein kürzeres Beinchen und stand schief. Was hatte er nur getan....? GOTTVERFLUCHT WAS HATTE ER NUR GETAN??? In seinem Kopf rotierte pures Chaos. War seine Entscheidung richtig gewesen.....?

Toshi stand still da, das Mikro mit einer Hand fest umschlossen. Vor ihm das überwältigende Publikum, hinter ihm der Rest von X. Und ohne sich umdrehen zu müssen wusste er, wie es hinter ihm aussah, wusste er was die anderen Vier machten. Weinen. Still weinen. Er konnte die Hilflosigkeit spüren, in der sich gerade jeder von ihnen irgendwie befand. Die Frage, ob mit der getroffenen Entscheidung auch der richtige Weg eingeschlagen wurde – denn die Frage hatte sich in seinen eigenen Kopf festgesetzt. Er spürte Yoshiki´s Schmerz, spürte ihn wie einen unsichtbaren Strahl der ihn gnadenlos traf. '3 Days Tokyo Dome'......drei Tage hintereinander ausverkauft und doch lag ein nicht ignorierbarer Schleier der Traurigkeit über ihnen allen.

Irgendwann, das Zeitgefühl hatte mitlerweile jeder von ihnen verloren, verließen die Fünf gemeinsam die Bühne und zeigten sich erst nach einer kleinen Verschnaufpause wieder, um sich von den Fans ausgiebigst zu verabschieden. Und doch war der Abschied diesmal etwas größer als sonst. Es war das letzte Mal, dass ein Abschied in dieser Formation statt fand.

Taiji wanderte gemäßigten Schrittes die Bühne entlang, bewunderte ein letztes Mal die Massen, die sich nur wegen ihnen versammelt hatten. Er zitterte. X war die letzten Jahre zu seinem Leben geworden. Jetzt begann sich sein Leben aufzulösen. Wer war er noch, wenn er gleich diese Bühne das allerletzte Mal verlassen würde...? hide kam ihm entgegen, umschloss kurz die Hand des Bassisten. Eine wortlose Geste. Eine stumme Entschuldigung. Am liebsten hätte der Gitarrist beide Arme um den Jüngeren geschlungen, ihn fest an sich gepresst und der ganzen Welt entgegen geschrien, dass Taiji nicht gehen dürfte. Dass er bleiben musste. Doch hide wusste, dass er nicht in der Position war, diese Entscheidungen zu treffen.

Yoshiki rannte, rannte als sei der Teufel persönlich hinter ihm her. Rannte den Tatsachen weg, rannte seiner Trauer und Angst weg, wollte die Realität hinter sich lassen. Bis er irgendwann in Toshi´s Arme sprang und sich an ihn festklammerte wie ein junger Koala an seine Mutter. Toshi...Toshi war noch da. Toshi sollte nicht weggehen, er wollte nicht ganz alleine zurück bleiben. Nicht alleine sein.... „.....bleib bei mir.....“, keuchte er leise an Toshi´s Schulter. Ob Dieser ihn bei der Lautstärke, die von den Fans ausging, überhaupt gehört hatte, wusste er nicht. Aber er und Toshi kannten sich schon lange genug – Worte waren manchmal schon gar nicht mehr nötig.

Taiji umarmte jeden der Vier einzeln, an jedem von ihnen hafteten ein paar seiner Tränen. Als er hide in den Armen hielt spürte er, wie Dieser ihn gar nicht mehr loslassen wollte. hide, der Erste von der Rasselbande mit dem er sich dicke angefreundet hatte. hide, mit dem er stundenlang zusammen spielen und sich über Musik unterhalten konnte... Und dann stand er vor Yoshiki. Vor seinem Boss. Vor seinem Geliebten. Vor dem Mann dessen Gesicht schon so feucht und verwischt war, dass er nicht mehr erkennen konnte ob es sich um Tränen oder Schweiß handelte. Er überwand den letzten Meter zu ihm und zog ihn sanft aber bestimmend in seine Arme. Yoshiki´s Körper begann sofort zu beben; er weinte. Taiji bekam nur am Rande mit, dass sein Körper genau das Gleiche tat.

„.........es tut mir Leid..........es tut mir so Leid.........“, brachte der Leader unter Schluchzen heiser hervor. Seine Finger krallten sich fast schon bedrohlich in des Bassers Rücken. Er wollte ihn nicht gehen lassen. Er wollte den nächsten Moment nicht erleben, wollte nicht spüren wie sich der Jüngere von ihm lösen würde, wollte nicht sehen wie er sich umdrehen und endgültig die Bühne verlassen würde.

Taiji ruhte seinen Kopf kurzweilig auf Yoshiki´s Schulter aus, schnupperte an dessen feuchten Hals. Schweiß. Ein paar angeklebte Haarsträhnchen. Er musste an so manche Liebesnacht denken, die ähnlich endete. Mit Schweiß. Mit in den Armen des anderen liegen. Nur diesmal....würde es anders aus gehen. Er würde am nächsten Vormittag nicht mit Yoshiki Kaffee trinken oder mit den anderen Proben. Am nächsten Vormittag hätten sich ihre Wege schon längst getrennt. Seine Tränen sickerten in den weißen Stoff von Yoshiki´s Kostüm, verschmolzen mit dessen Schweiß. Taiji´s Lippen streiften ein letztes Mal den weichen Hals des anderen, bevor er ihn langsam los ließ. Er liebte Yoshiki. Er würde ihn immer lieben.

Der Drummer stand für einen Moment still da. Er sah Taiji sich umdrehen, er sah ihn die Bühne verlassen. Er wollte das doch gar nicht sehen......

dreams of pink and lilac

Er drängte sich durch´s Getümmel, hatte kein festes Ziel, wollte einfach nur mittendrin sein. Mitten in der Menge. Wollte nicht alleine sein, musste Menschen um sich haben, um sich ablenken lassen zu können. hide steuerte gezielt auf einen fast schon überladen wirkenden Tisch zu, wo er ein paar Bierflaschen erblickte. Kaum dort angekommen, grabschte sich seine Hand eines dieser verlockenden Fläschchen, machte kurzen Prozess mit dem Verschluss und füllte die Hälfte des Inhaltes ohne Umwege sofort in sich. Normalerweise waren solche Aftershowpartys nicht ausschließlich nur zum Saufen gedacht. Aber heute dachte hide anders. Heute hatte er kein anderes Ziel als möglichst schnell möglichst viel Promille zu bekommen. Schneller als sonst. Er besah sich die Flasche in seiner Hand. Für dieses Vorhaben dürfte es aber nicht nur beim Bier bleiben... Er begab sich die wenigen Schritte zum nächstliegendem Sofa, ließ sich neben zwei anderen Gästen nieder und schloss die Augen. Ohne Taiji würde X nie mehr so sein wie vorher..... Obwohl Yoshiki und Taiji so oft Differenzen miteinander hatten, dass Taiji´s Rausschmiss, bei genauer Betrachtung, eigentlich eine ziemlich normale Folge dessen war, klaffte plötzlich ein Riesenloch in X. Wen auch immer sich Yoshiki als Ersatz suchen würde – es würde in der Zukunft nie mehr so werden wie bis zu diesem heutigen Abend. hide blinzelte, führte die Flasche zu seinen Lippen und leerte sie nun vollständig. Und er war nicht in der Lage gewesen, seinen Freund bei X behalten zu können... Er hatte so viel Einblick in die Beziehung der beiden Streithähne gehabt – warum hatte er ihnen nicht helfen können? Vielleicht, wenn er sich angestrengt hätte, hätte er noch irgendwas kitten können, vielleicht wäre Taiji dann noch bei ihnen. Er war ein miserabler Freund, miserabel und unfähig.

hide beugte sich vor, stellte die leere 0,5-Liter-Flasche zurück auf den Tisch. Suchend huschten seine Augen umher. Da – gerade mal einen Tisch von ihm entfernt wartete schon eine noch ungeöffnete Flasche Sake auf ihn. Ohne sein Ziel aus den Augen zu lassen erhob er sich und pirschte sich beinahe schon an sein wehrloses Opfer heran. Erst als er die Flasche mit beiden Händen umschlossen hatte, verspürte er das Gefühl von...'Sicherheit'...
 

Ein leichter Druck innerhalb seines Schädels war es, der ihn langsam wachdämmern ließ. Yoshiki blinzelte – und kniff sofort wieder die Augen zu, als ihn das helle Licht blendete. Murrend drehte er sich auf die andere Seite – und stieß dabei gegen irgendetwas. Der erst halbwache Drummer stutzte. Er hielt für einen winzigen Moment inne, bevor er erneut seine Augen aufschlug und sein Blick ohne Umwege auf ein feminines, zartes Gesicht fiel Welches von schwarzen Haaren eingerahmt wurde. Was zur Hölle...... Yoshiki richtete sich auf – verdammt nein! Keuchend krümmte er sich und sank zurück in die weichen Kissen. Er tat diesen Fehler doch immer wieder. Wann würde er sich bloß mal angewöhnen bedächtigere Bewegungen durchzuführen wenn er gerade am Aufwachen war – und die Nacht zuvor was getrunken hatte? Er rieb sich sanft die Schläfen, in der Hoffnung das Hämmern in seinem Kopf damit etwas besänftigen zu können. Im nächsten Augenblick fiel ihm dann aber wieder ein, weshalb er überhaupt so urplötzlich hochgefahren war. Er bewegte seinen Kopf nur so weit zur Seite wie es gerade mal nötig war, um die andere Person erblicken zu können. Musternd betrachteten seine Augen das fremde Gesicht. Wer war dieses Mädchen? Jung und hübsch, keine Frage – aber wer war sie? Und vor allem: Was machte sie in seinem Bett? Das Hämmern seines Schädels blieb konstant. Bei dem Versuch sich an die Menge des konsumierten Alkohols letzter Nacht zu erinnern scheiterte er ebenso wie bei dem Versuch, sich an den Grund der Anwesenheit seiner Bettgefährtin zu erinnern.

Sanftes Seufzen, gefolgt von verstohlenem Schmatzen riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Zwei große, dunkle Tiefen blickten ihn mit einem Mal müde aber zärtlich an. Ein zartrosanes Lippenpaar begann zu lächeln, bevor es ein leises „Guten Morgen“, flüsterte.

Yoshiki war ein wenig perplex. Irgendwie passte die Frau gerade nicht so ganz zur Situation, irgendwie passte die ganze Situation gerade überhaupt nicht! Der Versuch, das Lächeln zu erwidern, scheiterte großspurig. Nur ein echoartiges „Guten Morgen“ entwich seinem trockenem Mund.
 

Stille.

Das war das Erste was er wahr nahm als er die Augen aufschlug. Absolute Stille. Kein Klappern aus der Küche, kein Gezeter aus dem Bad, kein Radio, kein Fernseher – nur Stille. Noch nie zuvor wurde Taiji von Stille geweckt. Träge drehte er sich auf die andere Seite. Sein Blick glitt über den Stoff seiner Bettwäsche. So weit....so viel Platz....... Er fühlte sich plötzlich regelrecht verloren in seinem Bett. Obwohl sein Bett noch nicht einmal besonders groß war. Und es war auch nicht das erste Mal, dass er sein Bett für sich alleine hatte. Aber heute.....heute war etwas anders...völlig anders als je zuvor..... Sein Arm streckte sich langsam aus, seine Handfläche fuhr über das Laken, als würde sie etwas suchen. Etwas, was sich aufgelöst hatte......etwas, was nicht mehr da war wo es hingehörte. Der junge Bassist verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Er fühlte sich leer. Jedoch nicht leer aufgrund mangelnder Nahrungsaufnahme. Leer......als hätte man einen Teil von ihm genommen. Genommen und weit weg getragen. Zu weit weg um es zu erreichen und wieder einzusammeln. Er kniff seine Augen zusammen und die dadurch freigewordenen Tränen fanden ihr frühes Ende im Stoff des Kopfkissens. Er blieb nicht lange so ruhig in seinem Bett liegen. Bald schon zwang er sich selbst aus den Laken, schob die Bettdecke weit weg von seinem Körper, setzte seine Füße auf den Boden. Erst in diesem Moment rasselte eine Frage auf sein Gehirn ein: Was hatte er letzte Nacht gemacht? Er wusste, dass er die Aftershow-Party ziemlich früh verlassen hatte – bewusst. Und dann wanderte er noch durch die Gegend..... Aber er konnte sich nicht mehr dran erinnern, ob er was getrunken hatte. Taiji starrte leicht abwesend auf seine schwach wackelnden Zehen. Direkt nach dem Konzert hatte er nichts getrunken, obwohl ihm irgendwer sogar was angeboten hatte. Doch er wollte nicht. Er hatte gesehen, wie sich alle in die Menge stürzten, wie alle scheinbar ausgelassen feiern wollten. Niemand hatte ihm in dem Moment Beachtung geschenkt. Nicht Toshi, nicht hide, nicht Pata und auch nicht Yoshiki. Niemand. Nur einer der jüngeren Roadies hatte ihm kurzzeitig einen undefinierbaren Blick zugeworfen. Dieser Moment, in dem sich scheinbar niemand der Anwesenden für ihn oder seine Gefühle interessierte, machte ihm endgültig bewusst, dass er nun wirklich nicht mehr dazu gehörte. Dann wollte er nur noch weg. Ein bestimmtes Ziel hatte er nicht gehabt. Wo er dann noch überall war wusste er nicht mehr. Er konnte sich nur noch an eine Menge bunter Neonlichter erinnern. Und ob und wieviel Alkohol er in dieser Nacht getrunken haben mochte – er wusste es nicht. Er hatte allerdings nicht die geringsten Anzeichen eines Katers.
 

Die Sonne strahlte hemmungslos in sein Gesicht, als er die Bahnhofshalle verließ und auf die Straße trat. Mit einer lässigen Handbewegung angelte er seine Sonnenbrille hervor und bedeckte mit Dieser seine Augen. Kaum war er vor dem grellen Licht geschützt, erkannte Taiji auch schon die Person mit der er sich verabredet hatte und die ihn vom Bahnhof abholen sollte. Ein zufriedenes Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht als die Person näher kam und ihn schließlich erreichte.

„Alles okay?“, fragte der blonde junge Typ und zog Taiji in eine kurze aber herzliche Umarmung, bevor er sich dessen Koffer annahm.

Der Angesprochene nickte vergnügt und setzte sich gemeinsam mit seinem Begleiter in Bewegung. „Könnte nicht besser sein.“

Das Sonnenlicht tauchte die Straßen in eine fast schon irreale Kulisse, ließ jeden Stein heller erscheinen als er vielleicht in Wirklichkeit war. War man nicht, wie Taiji, mit einer Sonnenbrille ausgestattet, konnte man kaum die Gesichter der Menschen um einen herum erkennen, so gleißend war das Sommerlicht. Die Luft war sehr warm, aber nicht drückend oder stickig. Man mochte sich gerne bewegen.

Nach einem unbegrenzten Zeitraum fand sich Taiji in einem kleinen, schmalen Zimmer wieder. Er sollte hier warten, wurde ihm gesagt. Wie lange? Bis es Zeit war. Wann es Zeit war, würde er noch rechtzeitig erfahren. Wartend saß der lockige Bassist auf einem sehr einfachem Bett, das bei genauer Betrachtung doch schon stark an ein Krankenbett erinnerte. Das Bettzeug war hell, unscheinbar. Genauso wie das zweite Bett, Welches in einiger Entfernung an einer anderen Wand stand. Darauf saß jedoch niemand Wartendes. Taiji blickte sich um. Der Raum war ulkig geschnitten, wie ein L. Die Wände waren weiß und unpersönlich. Überhaupt fehlte diesem Raum so etwas wie eine Persönlichkeit. Hier schien es nichts zu geben, was dieses Zimmer ausmachte. Alles war problemlos austauschbar, veränderbar. Und still. Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht benennen konnte, senkte er seinen Oberkörper nach vorne bis sein Blick unter das Bett fiel. Was seine Augen dort erblickten, faszinierte ihn. Ein kleines Königreich aus Farben hatte er soeben entdeckt! Er streckte seinen Arm aus und griff nach etwas. Im nächsten Augenblick hatte er eine betörende Auswahl verschiedenster Lilafarbtöne in Form von unterschiedlich geformten, glatten, plastikartigen Steinen in der Hand. Die Farbnuancen schienen alle wie unsichtbar miteinander verbunden, stumm aber doch so lebendig und faszinierend fremdartig zugleich. Das Augenpaar bewunderte diese Farbenpracht noch einige Momente, bevor er sie auf der Bettdecke ablegte und erneut mit seiner Hand in das Farbenkönigreich eindrang. Diesmal hatten seine Finger nach einem Schuh gegriffen. Schlanke Form, hellbraunes Wildleder, verziert mit einer Menge kleiner, heller Muscheln und ebenso kleinen, aber kunterbunten Steinchen. Eine Unmenge aus Farben, er hätte sie gar nicht zählen können, selbst wenn er es versucht hätte. Es wirkte wie ein Damenschuh, Mokassin-ähnlich, doch sicher war er sich nicht. Seine Neugier und Faszination war nicht mehr zu zügeln und so erkundete er das Reich unter´m Bett weiter. Das Nächste, was er angelte, glich auf dem ersten Blick einem mittelgroßem Kissen in Blumenform, weiß und pink. Doch schon beim Betasten des Gegenstandes konnte Taiji nicht mehr hundertprozentig beteuern, dass es sich hierbei um Stoff handelte. Er kannte dieses Gefühl nicht, seine Haut war noch nie zuvor mit solch etwas in Berührung gekommen. Es war weich, doch fremdartig....fremdartig angenehm. Und die weiße Farbe schien in unregelmäßigen Abständen fließend und lautlos unterschiedliche, aber stets sehr blasse Farbtöne von hauchzartem Rosa anzunehmen. Was war das nur für ein Wunderwerk....?

Der Lockenkopf krabbelte nun vom Bett runter und kniete sich vor Selbiges, um besser an die verborgene Farbenwelt zu gelangen. Ein weiterer Griff – diesmal wurde er belohnt mit einer Art Mini-Kronleuchter aus bunten Plastikglastropfen in Farben, die er teilweise noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Noch während er sich dieses seltsame Gebilde betrachtete, wechselte es wie von Geisterhand seinen Ort und war im nächsten Moment unter der Decke des Zimmers wieder zu finden. Als hätte es dort schon immer gehangen. Kein einziger Tropfen regte sich. Taiji´s Augen konnten sich noch so anstrengen, aber hinter das Geheimnis des plötzlichen Ortwechsels des kleinen Kronleuchters kamen sie nicht. Dafür nahm er aus den Augenwinkeln eine Person wahr, die am Ende des Zimmers auf einem Stuhl saß. Er wand seinen Kopf und erblickte hide. Eingehüllt in seinem schwarzen Mantel saß er reglos da, die Arme locker vor der Brust verschrenkt. Den Kopf leicht nach unten geneigt, als sei er eingenickt. Seine blonden Haare flossen aus dem großen, schwarzen Hut hinab auf seine Schultern. Seine Augen waren nicht zu erkennen. Sein Körper zeigte nicht die geringste Regung, nicht einmal ein leichtes Auf- und Abheben des Brustkorbes anhand der Atmung. Nichts. Still und stumm wie der Raum. Leblos.

Der nächste Augenblick war jedoch schon wieder geflutet mit warmen, grellem Sonnenlicht, das Einen fast erblinden ließ. Taiji schlenderte mit seinem Begleiter im gemütlichem Schritttempo durch die Straßen. „Ich freu mich ehrlich, dass du gekommen bist“, meinte sein Gastgeber und lächelte ihn an.

„Ich bin gerne bei dir“, entgegnete der Angesprochene und blickte die Straße entlang. Die Luft war gut. Obwohl es fast windstill zu sein schien, war die Luft angenehm und das trotz dieser Wärme. Sie bogen in eine Seitenstraße ein und betraten einen kleinen Supermarkt. Jetzt erst fiel Taiji wieder ein, dass er sicherlich schon den halben Tag lang nichts mehr gegessen hatte. Nach etwas Leckerem Ausschau haltend streifte er die Regale entlang. Mitten im Keksregal entdeckte er ein kettenähnliches Gebilde aus rundlichen Steinen in einem warmen orangefarbenem Ton. Das Material....so glatt, er hatte es schon mal irgendwo gesehen...... - Ja, die Plastikglastropfen unter dem Krankenbett, die sahen auch so aus. Seine Augen verließen die Kette wieder und er griff nach einer Packung Keksen, die gleich daneben lag. Kurz darauf verschwand seine freie Hand in seiner Hosentasche, um nach seinem Portemonaie zu angeln. Doch da war kein Portemonaie. Der junge Musiker stockte. Wühlte tiefer in seiner Tasche. Nichts. Und dann fiel es ihm schlagartig ein: Wo war überhaupt seine Jacke, die er zu Anfang noch dabei hatte? Wo war sein Koffer? Rasch wand er sich zu seinem Begleiter um. „Wo sind meine Sachen?“

Ein etwa hundgroßes Tier, einem Stofftiger sehr ähnlich sehend, lag aufgeschlitzt neben ihren Füßen auf dem Boden. Der Rumpf war zu etwa drei Vierteln durchtrennt, Blut floss kein einziger Tropfen. Das Gesicht war leblos aber traurig. Als hätte das Tier schon immer neben ihren Füßen gelegen.

Ein unvorhergesehener Schleier aus blassem, fliederfarbenem Lila irritierte Taiji´s Augen. Wo kam Dieser her, was sollte das? Im nächsten Moment fand er sich auf der Straße wieder. Der Andere stand ihm noch genauso gegenüber wie vor wenigen Sekunden im Supermarkt. Erst jetzt fiel ihm auf, wie ruhig diese Straße doch wahr. Er blickte in die ihn anschauenden braunen Augen. „Ich kann mich nicht mehr dran erinnern.“ Der Lockenkopf durchwühlte im Schnelldurchlauf sein Gedächtnis, seine Erinnerungen, wann er seine Sachen, sein Gepäck das letzte Mal bei sich hatte, was er alles gemacht hatte, wo er gewesen war.....doch wo waren seine Sachen geblieben? Wo hatte er seinen Koffer abgestellt, seine Jacke abgelegt? Dieser Teil seiner Erinnerungen fehlte. Er war nicht vorhanden, wie rausgeschnitten, gelöscht. Alle Ereignisse waren noch da, konnten klar und deutlich im Geiste noch einmal abgespielt werden, nur dieser eine Teil nicht. Ihm fehlte ein Stück Erinnerung. Fassungslos blickte er wieder in die braunen Tiefen der anderen Person. „Ich kann mich nicht mehr dran erinnern.“

Sein Begleiter schaute ihn stumm an, begann plötzlich zu zittern. Ein kleines Döschen glitt aus seiner Hand, fiel lautlos zu Boden.

Im selben Moment nahm Taiji einen Teil des Supermarktinneren wahr, der sich mitten auf die Strasse verirrt hatte. Dazu gehörte auch eine der Kassen. Hinter dieser Kasse saß Yoshiki. Regungslos. Mit gesenktem Kopf und leerem Blick. Ebenso leblos wirkend wie vorhin hide. Wie unter der Kontrolle einer anderen Person stehend........ . . . . . . . . . . . . . . . . .
 

hide schreckte ruckartig hoch. Das Erste was er erblickte war sein eigenes Schlafzimmer. Als er diese beruhigende Tatsache langsam realisierte, entspannten sich seine Glieder ganz langsam wieder. Er sackte ein wenig in sich zusammen, fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. Was war das nur für ein wirrer Traum gewesen? Was waren das für Bilder?

the morning after / the postcard

Er hielt das dünne Stück Pappe ruhig zwischen seinen Fingern. Seine Augen überflogen die wenigen per Hand geschriebenen Zeilen wieder und immer wieder. Bis sich schließlich die erste Träne aus den überfüllten Augen löste, über die Wange ronn um schließlich am Kinn abzutropfen und binnen kürzester Zeit auf der hellen Pappe zu zerspringen. Die schwarze Tinte verrmischte sich sofort mit dem Tropfenopfer. Dieser unglücklichen Träne sollten noch Mehrere folgen.

Bald schon konnten die Finger nicht mehr ganz so still halten und sie begannen sachte zu zittern. Taiji hatte, während er lustlos darauf wartete dass die Kaffeemaschine ihm das fertige Gebräu ausspuckte, eher nebenbei seine Blicke ziellos über etlichen Krempel in seiner Wohnung wandern lassen. Irgendwann fing sein Blick eine Karte ein, die Yoshiki ihm mal geschrieben hatte. Als sie noch zusammen waren. Eine einfache Karte mit Rosenmotiv. Typisch Yoshiki. Auf der Rückseite standen nur zwei Sätze, dass er ihn liebte und wie glücklich er mit ihm sei. Zwei Tage darauf hatten sie wieder einen ihrer Streitereien. Es war zu der Zeit, als ihre Streitereien und Meinungsverschiedenheiten begannen deutlich zu zunehmen. Wieso hatte er damals nicht schon etwas gemerkt, wieso hatte er damals nicht schon begonnen, den drohenden Riss zwischen ihnen zu umgehen, zu kitten? Warum war er mitten in den Abgrund gerannt und hatte Yoshiki mitgerissen? Warum war er so ein verquerter Hohlkopf, der nie nachgeben konnte und immer seinen Dickschädel durchsetzen wollte? Warum hatte er seine impulsiven Gefühle nicht besser unter Kontrolle halten können? Warum konnte er sich nie zurück halten, sich nie zusammen reissen? Warum hatte er nie gesehen, was er damit für einen Schaden anrichtete?

Die beschriftete Seite der Karte zierten mittlerweile schon eine ganze Reihe von Tränen, manche der geschriebenen Worte waren schon fast bis zur Unleserlichkeit verwaschen. Sie verlor ihren Halt zwischen Taiji´s Fingern und segelte haltlos gen Boden.

Der junge Musiker lehnte sich mit dem Rücken zur Wand, nur um sich gleich darauf an Selbiger runter rutschen zu lassen und schluchzend zusammen zu sacken. Wie konnte er nur allen ernstes glauben, Yoshiki würde diese stetig steigenden Strapazen zwischen ihnen beiden ewig mitmachen? Warum war er nur so unachtsam mit dieser Person umgegangen? Wie konnte er riskieren, alle Blütenblätter seiner Rose im Wind zu verlieren? Erst jetzt wurde ihm so wirklich bewusst, was er in der Vergangenheit alles für Fehler begangen hatte, Fehler die in zu häufiger Ausführung ein schmerzhaftes Ergebnis übrig ließen. Diese langsam aber sicher zum Vorschein kommende Erkenntnis zerriss ihm innerlich das Herz.
 

Es war die Türklingel, dessen störender Ton durch den Raum hallte, der bis eben nur mit dem leisem Gebrodel der Kaffeemaschine und einem ungleichmäßigem Schluchzen gefüttert war. Taiji blickte auf, lauschte für einen Moment. Bis er das eben gehörte Geräusch auch wirklich als Türklingel identifiziert hatte. Besuch... Oder der Postbote. Beides wollte er nicht. Zumal ihm nicht einfiel, wer ihn ausgerechnet heute besuchen wollen würde. Also blieb nur noch der Postbote übrig. Sein Kopf sank zurück in seine, auf den Knien ruhenden, verschränkten Arme.

Abermals ein Klingeln.

Taiji schloß die Augen, biss sich auf die Unterlippe. Kein Postbote der Welt sollte ihn in seinem Selbstmitleid stören.

Doch das Klingeln ertönte ein weiteres Mal. Diesmal aber war der Klingelton in einem bestimmten Rhythmus zu vernehmen. Taiji kramte kurz in seinem Gedächtnis, dann hatte er es. Er kannte nur eine Person, die in solch einem Rhythmus eine Türklingel betätigen würde. hide. Der Lockige erhob sich, schwankte zur Wohnungstür und öffnete durch Knopfdruck dem unten Wartenden die Haustür. Seine eigene Tür öffnete er erst, als er den erkennenden Hall von hide´s Stiefeln im Treppenhaus die letzten Stufen bis zu seiner Wohnung hochsteigen hörte. Durch den entstehenden Spalt sah er schon hide´s schwarzen Mantel. Zögerlich öffnete er seine Tür ein bißchen weiter.

Der blonde Gitarrist stand vor der Wohnung des Anderen und blinzelte Diesen durch den Türspalt fragend an. „....darf ich rein kommen?“

Anstatt zu antworten ließ er den Freund hinein. Kaum dass hide den Flur betreten hatte, schloss er die Tür auch schon wieder. Die Begrüßung ließ er aus.

hide wandte sich sogleich zu Taiji um. Betrachtete ihn erst nur stumm. Im schummrigem Licht des Flures konnte er die Tränenspuren und die geröteten Augen nicht erkennen. Nachdem Taiji aber nur ohne viele Worte und scheinbar etwas unschlüssig an der geschlossenen Wohnungstür stehen blieb, machte hide ein paar Schritte zur Seite um in die Küche zu gelangen. Der Andere würde ihm schon folgen. Die meißten Leute folgten ihrem frisch eingetroffenem Besuch, wenn Dieser ohne Aufforderung ein Zimmer betrat. Sein erster Blick fiel auf die Kaffeemaschine, die, wie es aussah, gerade mit ihrer Arbeit fertig war. „Wie geht’s dir?“, fragte er den Bassisten und nahm sich wie selbstverständlich zwei Becher, um Diese mit der tiefdunkelbraunen, heissen Flüssigkeit zu füllen.

„Hervorragend“, krächzte Taiji, der ihm nun in die Küche gefolgt war, und wischte sich mit der Hand notdürftig den größten Anteil der Tränen vom Gesicht. Aus den Augenwinkeln sah er wie hide ihnen beiden Kaffee einschenkte.

hide schwieg. Er wusste, dass Taiji log. Er wusste auch, dass seine eigene Frage eigentlich völlig überflüssig war. Seine Hände ergriffen die nun gefüllten Becher, er wand sich zu Taiji um und hielt ihm einen Becher anbietend entgegen. Jetzt erst sah er in das Gesicht seines Gastgebers. In die geröteten, verquollenen, glasigen Augen. „Taiji.....“

Der Jüngere nahm den Kaffeebecher wortlos an und wand sich wieder ab. Fast schon schüchtern wirkte diese Handlung. Warum lag plötzlich dieser erstaunte Ton in hide´s Stimme? War es wirklich so verwunderlich, dass er weinte? War es nicht verständlich, heute, hier und jetzt? Er merkte wie sein ganzer Körper plötzlich schwerer wurde und er setzte sich auf einen Stuhl an den Küchentisch. Neue Tränen bahnten sich ihren Weg aus seinen Augen. Er wollte sie jetzt nicht spüren, versuchte ihnen den Weg über seine Wangen zu verwehren und strich sich mit den Fingern über die geschlossenen Augen, doch die Gegner waren in der Überzahl.

hide kniete sich vor Taiji, sah wie Dieser seinen Kampf gegen die Tränen verlor. Fürsorglich streichelte er dessen Oberschenkel. Seinen Becher stellte er abwesend auf dem Tisch ab. Seine Augen waren auf Taiji´s Gesicht gerichtet, doch sehen tat er gerade den letzten Abend. Das letzte Konzert....Taiji´s herzzereissender Anblick.... Er hatte ihm die Traurigkeit, die Verzweiflung und Enttäuschung die ganze Zeit über angesehen. Doch stand er ihm bei? Hatte er ihn getröstet? Hatte er ihn auch nur ein Mal herzlich in den Arm genommen, wie er es ganz offensichtlich brauchte? Nein. Er war ein feiger Hund gewesen, der seine Trauer in sich reinstopfte, sie in sich festhielt und einen Korken drauf drückte, bevor seine Gefühle nach aussen dringen konnten. Und trotz dieser Anstrengung hatten sie hier und da ein kleines Schlupfloch gefunden..... Der, der sich das ganze Konzert über am meißten um Taiji gekümmert hatte war Toshi. Niemand war während des gesamten Auftrittes über so oft an Taiji´s Seite gewesen, hatte ihn so oft animiert wie Toshi. hide selbst hatte sich die ganze Zeit über nur hinter seiner Gitarre versteckt.......versteckt und sich in sicherer Entfernung aufgehalten. Als Taiji ihn gebraucht hätte, war er nicht da. Und jetzt war vieles schon zu spät.......... Das leise, ungleichmäßige Schluchzen Taiji´s riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Kurzerhand schlang er seine Arme um den Bauch des Anderen und drückte ihn sanft an sich.

Taiji gab nun endgültig auf, ließ seinen Oberkörper etwas nach vorne sinken und stützte sich somit auf dem vor ihm knienden hide. Aus seinem leisen Schluchzen wurde lautes Weinen. Nie wieder würde es so werden wie früher. Nie wieder.
 

Toshi stand im Bad vor dem Spiegel und ließ seinen Blick über sein Gegenüber wandern, während er mit einem weißem Frottée-Handtuch seine noch leicht rosaverfärbten, langen Haare halbtrocken rubbelte. Diese Tönung, die hide ihm angedreht hatte, schien wohl doch ein bißchen hartnäckiger zu sein als er angenommen hatte. Aber das Gröbste der Farbe war draussen und der Rest würde sich nach ein paar weiteren Malen Haare waschen auch erledigt haben. Er ließ schließlich von seiner feuchten Mähne ab und hang das ebenfalls feuchte Handtuch ordentlich über den Handtuchhalter neben sich. Nachdem er seine Haare mit Hilfe eines wiederständigen Kammes mehr oder minder gebändigt hatte, verließ er das Badezimmer, schlüpfte in den Rest seiner Klamotten und machte sich auf zum Frühstückssaal. Wen von den anderen er heute morgen dort noch zu erwarten hatte wusste er nicht so genau. Und als er den Raum betrat durfte er etwas ernüchternd feststellen, dass er der einzige aus der Band war. Diese Tatsache registrierend setzte er sich an den leeren Tisch und gab bei der zierlichen Bedienung, die sofort zu ihm hoppelte, seine Bestellung auf. Während er auf Diese wartete faltete er drei Mal seine Serviette anders, bevor er seine Blicke aus dem Fenster schweifen ließ. Von hier aus hatte man den direkten Blick auf die Hotelterasse. Und trotz sorgfältigster Pflege Selbiger, sah es draussen grau und ungemütlich aus. Der Himmel war bedeckt, man konnte die bedrückende Kälte beinahe schon sehen. Bei diesem Wetter mochte man sich nicht lange draussen aufhalten. Seine Gedanken glitten unwillkürlich zum Bassisten. Wo er sich jetzt wohl gerade aufhielt? In seiner Wohnung? Oder ob er die Nacht durchgetrunken hatte und jetzt im Bett irgendeiner Stripperin oder eines Freundes lag? Letzten Abend musste er sich jedenfalls recht früh von der Party gelöst haben, denn er hatte den Jüngsten schon bald nicht mehr ausfindig machen können. Auch Yoshiki war irgendwann verschwunden und Toshi hatte irgendwie das Gefühl, dass der Leader diese Nacht nicht im Hotel verbracht hatte. Über hide´s und Pata´s Verbleib hatte der Sänger ebenfalls keinerlei Ahnung. Wenn sie die Nacht noch im Hotel verbracht haben sollten, würde es zumindest noch bis zum Vormittag dauern, bis hide sich bemerkbar machen würde.

Als er gerade wieder die nahenden, tippelnden Schritte der Bedienung vernahm, wand er sich vom Fenster ab – und erblickte plötzlich einen Pata neben sich sitzen. Und eben dieser Pata grinste ihn auch noch breit an, als Dieser Toshi´s überraschten und verdutzten Gesichtsausdruck erblickte. Der Gitarrist musste sich klammheimlich angeschlichen haben....oder war er so tief in seinen Gedanken versunken gewesen...?

„Gut geschlafen?“, nuschelte Pata, während er nach der Kaffeekanne griff und sich seine Tasse füllte.

Toshi blinzelte, bevor er antwortete. „Nicht erwähnenswert. Aber zumindest bin ich nicht wieder davon wach geworden, dass hide den Flur vollkotzt.“ Er schenkte sich nun auch Kaffee ein und platzierte eine Toastscheibe auf seinen Teller. „Ist der überhaupt noch im Hotel?“

„Wer, der Flur?“ Bevor Pata den Brotkorb mit den Toastscheiben auch nur anrührte, führte er seine Kaffeetasse zu seinen Lippen und nahm ein paar heiße Schlucke.

„hide.“ Toshi schaute ihn von der Seite an.

„Als ich auf mein Zimmer ging, drang aus Seinem kein Laut und von den Türen auf dem Gang war auch keine Einzige beschädigt.“ Zeigefinger, Mittelfinger und Daumen angelten nun auch nach einem Toast und gleich darauf nach dem gefüllten Marmeladenglas. „Entweder er hat die Nacht auf´m Klo verbracht oder er ist vorzeitig gegangen.“
 

hide hatte sich ganz offensichtlich wirklich schon aus dem Staub gemacht, denn sein Hotelzimmer war leer. Pata und Toshi hatten sich nach dieser Feststellung entschlossen, sich jeweils ein Taxi kommen zu lassen und ließen sich nach Hause chauffieren. Dort angekommen entleerte Toshi das bißchen Gepäck, das er dabei gehabt hatte und begab sich anschließend ins Wohnzimmer, wo er versuchte das Buch zu lesen, Welches er sich kürzlich erst gekauft hatte. Doch er schaffte es nicht über die dritte Seite hinaus – er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Schon seit dem Frühstück herrschte eine innere Unruhe in ihm, Welche sich nicht einfach so abschütteln ließ. Seine Gedanken kreisten um die Band, um Taiji, um Yoshiki. Und darum, wie es nun ohne Bassisten weiter gehen sollte. Nachdem er bei dem Satz mit dem Gartenbrunnen nun schon ein viertes Mal ansetzte und immer noch nicht so richtig begriff, was er da eigentlich las, klappte er das Buch seufzend wieder zusammen und begab sich zum Telefon. Automatisch wählten seine Finger Yoshiki´s Nummer, während er den Hörer an sein Ohr hielt. Doch ausser dem monotonem Freizeichen drang kein Laut aus der Hörmuschel. Als auch nach dem einundzwanzigstem Tuten niemand abnahm, legte Toshi wieder auf. Obwohl es immer noch die Option gab, dass Yoshiki sich arbeitswütig ins Studio verzogen hatte, beschloss der Sänger zu Yoshiki´s Wohnung zu fahren.

Es dauerte nicht lange, bis er vor der Wohnungstür seines besten Freundes stand und auf den Klingelknopf drückte. Er konnte es sich nicht recht erklären, aber irgendwie hatte er ein mulmiges Gefühl in der Magengegend – und das lag sicherlich nicht am Frühstück. „Yoshiki?“ Er klopfte an die Tür. Mit jeder Sekunde, die er länger vor der Tür stand, bekam er mehr und mehr das Gefühl, Yoshiki müsse sich in der Wohnung befinden. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären wieso, aber er wurde immer überzeugter von diesem Gedanken. „Yoshiki, ich bin´s, Toshi!“ Nochmal klopfen, nochmal klingeln. Irgendwann, Toshi hatte aufgehört auf die Zeit zu achten, vernahm er hinter der Tür zögerliche, leise schlurfende Schritte, kurz darauf das Umdrehen eines Schlüssels im Schloss und im nächsten Moment wurde die Tür einen Spalt weit geöffnet.

Toshi blinzelte. Doch es fiel nicht genügend Licht durch den Türspalt um Genaueres zu erkennen. Lediglich ein Auge blinzelte ihm entgegen. Als eben dieses Auge sein Gegenüber scheinbar eingeordnet bekam, öffnete sich die Tür weiter und Toshi konnte schließlich die vollständige Person vor sich erkennen. Und der Anblick war übel: Die Haltung des sehr schlanken Körpers war eingeknickt, das Sweatshirt hing völlig auf halb acht, die Haare waren total zerzaust und hingen seinem Besitzer teils wirr im Gesicht rum und Selbiges war aschfahl und eingefallen. Die Augen waren kraftlos, erschöpft und stumpf. Toshi kannte diesen Blick nur zu gut und anhand Yoshiki´s derzeitigem Erscheinungsbild konnte er sich ziemlich bildhaft ausmalen, was Dieser zuletzt getan hatte.

neonlight

„Hast du gekotzt?“ Toshi stellte diese Frage direkt, obwohl er die Antwort schon kannte.

Yoshiki senkte daraufhin sogleich seinen glanzlosen Blick, sein Körper schien noch etwas mehr gekrümmt zu sein als wenige Augenblicke zuvor. Schleichend und ohne jegliche Auskunft zu geben, wand er sich um und entfernte sich im Schneckentempo einige Schritte vom Türramen – bevor er ganz kurz inne hielt und sofort wieder ins Badezimmer hastete.

Toshi hatte mitlerweile den Wohnungsflur betreten und schloss die Tür hinter sich, als er auch schon wohlbekannte Geräusche aus dem Bad vernahm. Er schloss kurz die Augen und seufzte innerlich; Toshi wollte gar nicht wissen was das Erste war, was sein Freund an diesem Tag zu sich genommen hatte. Er ging die paar Schritte durch den Flur bis er das Wohnzimmer erreichte. Als er Dieses jedoch betrat, stutzte er sogleich: Man hätte fast meinen können, jemand Fremdes wäre in Yoshiki´s Wohnung eingedrungen und hätte in dessen Wohnzimmer nach etwas gesucht. Fast die ganze Zimmereinrichtung war völlig durcheinander geraten, dem Sänger lag das Chaos zu Füßen. Ungläubig ließ er seinen Blick durch das großräumige Zimmer gleiten. Würde Yoshiki noch mit Taiji zusammen wohnen, hätte er sich über diesen Anblick weit weniger gewundert denn er wusste, dass ihr Bassist – ihr ex-Bassist – noch nie den größten Wert auf Ordnung gelegt hatte. Aber Yoshiki war diesbezüglich eigentlich anderer Natur. Immer noch auf das Chaos starrend, ohne zu wissen was er davon halten sollte, registrierte Toshi plötzlich wieder die schlurfenden Schritte, die aus dem Bad über den Flur tönten und er drehte sich um, um Yoshiki wie einen Geist an sich vorbei wandeln zu sehen.

Der kraftlose Drummer steuerte das Schlafzimmer an, ohne Toshi auch nur eines Blickes zu würdigen.

Dieser folgte dem Freund in das andere Zimmer – vor dem er einen halben Meter stehen blieb und noch ungläubiger als vorhin schon im Wohnzimmer starrte. Das Schlafzimmer war völlig verwüstet. Als hätte eine Bombe eingeschlagen. Oder als hätte jemand seine Nerven verloren. Er beobachtete wie Yoshiki, völlig unbeeindruckt von seinem eigenem Chaos, ohne Umwege auf sein Bett zusteuerte und sich sogleich hineinsinken ließ. Toshi zögerte noch ein, zwei Momente, dann betrat auch er endlich das Zimmer und begab sich sogleich zum Bett, musste auf dem Weg dahin über einen Haufen auf dem Boden liegender Bücher, Zeitschriften und loser Zettel sowie einer Nachttischlampe und diversen Kleidungsstücken steigen. Bei seinem Ziel angekommen, ließ er sich auf dem Bettrand nieder und platzierte seine Hand auf Yoshiki´s Rücken.

Für einige Momente ließ er diese Geste zu, dann wand Yoshiki seinen Kopf langsam in die Richtung seines langjährigen Freundes. Die wirren Haare hingen ihm wie Spinnweben vor dem Gesicht. Seine blasse Haut unterstrich diesen Eindruck nur noch. „Hab ich was falsch gemacht?“ Seine Stimme war mehr ein rauhes Krächzen, seine Augen blickten verzweifelt und fragend in Toshi´s Gesicht. „War es die falsche Entscheidung?“ Ein Schluchzen begleitete die Frage.

Der blonde Sänger schaute ihn stumm an. Schaute in die tiefe Verzweiflung. Sachte hob er seine Hand und strich dem Bandleader die zerzausten Haare aus dem Gesicht.
 

hide hatte ihm angeboten für ein paar Tage bei ihm wohnen zu können, doch Taiji hatte abgelehnt. Obwohl er die Fürsorge des älteren Gitarristen sehr zu schätzen wusste und obwohl es in seiner eigenen Wohnung meißt unerträglich ruhig war. Doch irgendwas in seinem Inneren hielt ihn von diesem Angebot ab. Vielleicht war es die Angst, bemitleidet zu werden, vielleicht war es die Angst, als armseeliger Trottel dazustehen. Nein, als Trottel würde er von hide sicherlich nicht angesehen werden. Trotzdem war ihm einfach nicht wohl bei dem Gedanken.

Völlig geistesabwesend schlenderte Taiji durch das dichte Menschengedränge auf den Gehwegen. Er hatte absolut nichts Essbares mehr im Haus gehabt und hatte sich dazu entschlossen, ein paar der wichtigsten Dinge zu kaufen. Als er nun völlig in seiner Gedankenwelt verloren durch den Feierabendverkehr wanderte, merkte er gar nicht dass er sich von seinem eigentlichem Wohnviertel immer mehr entfernte. Seine Füße nahmen Schritt für Schritt, wo sie ihn gerade hinführten, seine Augen blickten mit leichter Melancholie ins Leere. So bekam er auch nicht mit, dass sich mitten in diesen Massen plötzlich ein Augenpaar an ihn heftete und von Diesem verfolgt wurde. Er hatte keinen blassen Schimmer von der Person, die hinter ihm herging, stets bemüht den jungen Cowboy in dem dichten Gedränge nicht aus dem Blick zu verlieren. Erst als er die Hand spürte, die sich zaghaft um sein eigenes Handgelenk schloss, blieb er abrupt stehen und wirbelte herum. Als er die Person erkannte, die ihn am Weitergehen hindern wollte, staunte er nicht schlecht. Er blickte in das vertraute Gesicht Patas. In die traurigen, bittenden Augen der Person, die ihm von X am gegensätzlichsten war. Die Momente, in denen sich ihre Blicke wortlos trafen, kamen Taiji wie eine Ewigkeit vor.

„Komm zurück.“ Pata´s Stimme war ein heiseres Flüstern. Seine Finger hielten immer noch das Gelenk des Anderen mit lockerem Griff fest.

Der Jüngere hatte auf einmal das Gefühl, parallel in zwei Welten zu sein. Patas Worte klangen in Anbetracht zur derzeitigen Situation so fremd, so fehl am Platz... Sie passten nicht zu dem was gerade war. Trotzdem spürte er, dass es Pata ernst zu meinen schien. Er hatte noch nie zuvor diesen Blick in seinen Augen gesehen, diesen flehenden Blick......

„Ohne dich sind wir nicht mehr X....“ Pata´s Stimme war jetzt noch leiser als zuvor. Seine Finger begannen minimal zu zittern. Um dieses Zittern zu unterdrücken und seine Aussage zu unterstreichen festigte er seinen Griff um das Handgelenk des Freundes etwas. Er wollte ihn kein zweites Mal gehen lassen. Wollte ihn zurück holen. Wollte den Ausstieg des Bandkükens rückgängig machen. Wollte in diesen Momenten nicht wahr haben, dass er das nicht konnte. Aber ohne Taiji wären sie nicht mehr das, was sie mit ihm waren. Und das war der einzige Gedanke, der immer und immer wieder in seinem Kopf rotierte.

Ohne dich sind wir nicht mehr X..... Dieser Satz versetzte Taiji einen tiefen Dolchstoß mitten ins Herz. Er hatte sich noch kein einziges Mal darüber Gedanken gemacht, wie die Anderen die Band ohne ihn sehen würden. Hatte er wirklich geglaubt, sein Ausstieg würde keinerlei Spuren hinterlassen? Hatte er wirklich geglaubt, niemand würde von seinem Verschwinden Notiz nehmen? Ja, vielleicht hatte er das wirklich geglaubt... Und jetzt stand Pata vor ihm mit einer Bitte, die er als letztes ausgerechnet von Pata erwartet hätte und er sah ihn mit einem herzzerreissendem Blick an, bei dem dem Jüngerem die Tränen hätten kommen können. „Pata......“ Er schloß den Anderen in seine Arme. Suchte nach den passenden Worten. Und fand Keine. „.....es tut mir Leid.......“

Fast schon verzweifelt schlossen sich auch Pata´s Arme um den Körper des Anderen. Er wollte ihn nicht gehen lassen, er wollte ihn zurück holen. Wieso glaubte eigentlich jeder, er, Pata, würde jede Situation kommentarlos annehmen und mit jeder Situation zurecht kommen? Er kam nicht mit jeder Situation zurecht und mit Dieser hier wollte er auch gar nicht zurecht kommen! Sie waren alle zusammen gewachsen und gereift, wie eine Familie. Und er wollte diese Familie nicht verlieren. Seine Familie. Wie ein stures Kind presste er seine Arme noch etwas fester um den Jüngeren.

Dieser realisierte das und streichelte Pata sanft über den Rücken. „....es tut mir Leid....“, wiederholte er leise. Ihm fielen immer noch nicht die richtigen Worte ein.
 

Sie hatten sich ohne viele Worte voneinander getrennt. Taiji hatte den Schmerz in Pata´s Augen realisiert, die Angst und Verzweiflung. Doch er wusste, dass er Pata´s (und um ehrlich zu sein auch seinen eigenen) Wunsch nicht mehr erfüllen konnte. Er hätte Pata zum Schluß am liebsten gar nicht mehr gehen lassen, zumindest nicht alleine. Der arme Kerl sah so betrübt und traurig aus, dass Taiji sich zusammen reissen musste, nicht selbst anzufangen zu weinen. Er hatte ihn selten so tieftraurig gesehen. Und noch seltener so verzweifelt. Aber vielleicht hatte auch Pata eine Fassade. Eine Fassade die ihn wirken ließ wie jemand, der mit jeder Situation umgehen konnte. Jemand, an dessen Schulter man sich stets lehnen konnte. Doch wessen Schulter hatte Pata, an die er sich lehnen konnte?

Mit seinen Gedanken noch beim Gitarristen, packte er mit monotonen Handbewegungen seine paar Einkäufe aus der Tüte geistesabwesend in den Kühlschrank. Als er den vorletzten Artikel, eine Packung Butter, in seiner Hand hielt, schaute er erstmals richtig auf das, was er da in den Kühlschrank einräumte. Was tat er hier eigentlich? Seinen Alltag ganz normal nachgehen? Ganz normal....? Dinge tun die man halt tat? Und wofür? Wofür noch.......? „Scheiße, verdammt.....!“, fluchte er leise, feuerte das Stück Butter achtlos in die Weiten seines Kühlschrankes, schmiss das letzte Stück aus seiner Einkaufstüte hinterher und warf die Kühlschranktür etwas heftiger zu als nötig. Wofür kaufte er überhaupt noch ein? Wofür machte er diesen ganzen Quatsch noch? Was hatte das alles noch für einen Sinn? ....X hatte ihm über die Jahre so viel Sinn, so viel Lebensinhalt gegeben......was war davon jetzt noch übrig? „Fuck off....“ Schnaubend grabschte er nach seiner Jacke, streifte sie sich über und verließ fast schon fluchtartig wieder seine Wohnung.

Kurze Zeit später streifte Taiji durch das erwachende Nachtleben. Die Dämmerung hatte bereits schon eingesetzt und die bunten Neonlichter der Straßen kamen nun langsam zur Geltung. Der Bassist wollte nicht ewig ziellos umherirren – nicht jetzt, denn in seinem Kopf tat er seit einer bestimmten Zeit nichts anderes mehr -, daher entschied er sich in einer mittelmäßigen Kneipe einzukehren. Der Laden war nicht schlecht, aber er war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Er war drei, vier Mal mit hide hier gewesen, Pata war auch ein Mal dabei gewesen und mit Yoshiki zusammen hatte er diesen Laden nur ein Mal in Anspruch genommen. Während er sich an die Bar setzte, versuchte er diese Erinnerungen fort zu wischen. Seine erste Bestellung – ein einfaches Glas Whiskey – kam auch ziemlich rasch. Die ersten drei Schlucke erreichten schnell seine Kehle. Während er die bekannten, betäubenden Empfindungen im Mund- und Halsbereich wahr nahm, begann er jedoch vom Neuen zu grübeln, ohne es eigentlich zu wollen. Wie sah sein Leben von nun an aus? Was sollte er machen? Ohne eine Band, ohne......ohne Halt. Vielleicht einfach weiter Musik machen? Allein? Hätte er überhaupt noch Chancen in der Musikindustrie, ohne X? Wäre er als einzelne Person überhaupt gefragt, oder war er die ganzen Jahre über nur so interessant, weil er ein Teil von X war, ein Teil einer so bekannten und so groß rausgekommenen Gruppe? Sich über all diese Fragen Gedanken machend leerte er sein Glas und auch noch ein Zweites, Welches er gleich im Anschluss bestellte. Dann wollte er plötzlich weg. Raus aus dieser Kneipe. Rein in die Menschenmengen. Und dieses Lokal hier war nur mäßig besucht. Wie es halt eben ein mittelmäßiges Lokal war. Also bezahlte er seine zwei Whiskeys, gab ungewollt viel Trinkgeld raus und verschwand. Kurze Zeit später betraten seine Stiefel wieder den vielbegangenen Bürgersteig und gleich darauf schlugen sie den Weg ins tiefere Vergnügungsviertel ein. Es war kalt aber die zwei Whiskey begannen langsam seinen Körper zu wärmen, mit Ausnahme seines Herzens. Er kam in eine Gegend, in der die Gehwege schmaler wurden, die Anzahl der Menschen um ihn herum jedoch nicht. Es war die Gegend, in der die Leuchtreklame mit nackten Damen zunahm, einzelne Lokalitäten immer anzüglichere Namen erhielten und man innerhalb kürzester Zeit einen Haufen Geld loswerden konnte, wenn man es zuließ. Er streifte einige Schaufenster, aus denen ihm die feinen Gesichtszüge junger Mädchen und größtenteils freigelegte, posierende Körper entgegen blitzten. Er lächelte den Mädchen flüchtig zu. Die Mädchen lächelten zurück. Es war ihr Job zu lächeln.

Die Silhouette einer entblösten, sich auf einer Wolke räkelnden Frau zierte die Leuchtreklame des 'Blue Angel', ein Sexkino mit ungewöhnlichem Namen fragte jeden, der daran vorbei ging, '(do you get) excited?' und auf einem blauen Neonleuchtschild strahlte Taiji der Schriftzug 'seXes' an, wobei die letzten beiden Buchstaben spiegelverkehrt zu lesen waren. Gleich dahinter machte mit haufenweise bunter Lämpchen 'Paradise City' auf sich aufmerksam. Trotz dieser ganzen verlockenden Namen und der bunten Lichter ließ Taiji sie alle hinter sich, um schließlich einen Laden zu betreten, dessen schwarzes Schild mit roter Leuchtschrift verriet, dass es sich hierbei um die 'Fruit Lounge' handelte. Dunkelheit umgab ihn im Inneren des Raumes, in rascher Folge immer wieder von zuckenden, roten Scheinwerfern durchbrochen. Der Club war recht groß, sehr geräumig und sehr beliebt. Man konnte, wenn man die 'Fruit Lounge' gerade erst betreten hatte, die Gesichter der meißten Gäste nicht erkennen; die Augen mussten sich an die herrschenden Lichtverhältnisse erst gewöhnen. Melodische, überwiegend elektronische Klänge und eine laszive Frauenstimme vom Band hallten durch die Räumlichkeiten. Taiji steuerte ohne zu zögern abermals auf die Bar zu und begab sich auf einen der wenigen freien Plätze. Der junge Barkeeper, der gerade mit einem Handtuch und einem Glas rumhandtierte, zwinkerte ihm zu. Taiji gab ihm seine Bestellung durch, ohne auf das Zwinkern einzugehen. Er hatte diesen Mann zuvor noch nie gesehen und es war das erste Mal, dass er diesen Club betreten hatte. Seine Augen beobachteten das Geschehen. So viele Leute in einem Lokal und irgendwie schienen sich alle ausnahmslos gut miteinander zu verstehen. Alle lachten, alle hatten gute Laune. Es wirkte beinahe schon ein bißchen zu unecht. Gleich neben der Bar, in zwei-drei Meter Entfernung, befand sich ein käfigähnliches Gebilde, in Welchem sich eine mehr oder minder nackte Frau räkelte beziehungsweise herum turnte, harmonierend zum Rhythmus der Musik und doch eigen. Taiji´s Blick blieb an dieser Dame kleben, genauso wie es auch so manchen anderen Männern erging. Den geschmeidigen Bewegungen ihres gelenkigen Körpers zu folgen war schon faszinierend... Das immer wieder wirr zuckende Rotlicht, Welches jedes Mal über ihren Körper fiel, machte Diesen noch reizvoller. Taiji glaubte, auf ihren roten Lippen (zumindest ging er davon aus, dass sie rot waren, was sich in diesem Licht jedoch auch nur vermuten lies) ein Lächeln zu erkennen. Unwillkürlich übertrug sich dieses Lächeln auch auf seine eigene Mundpartie.

„Die Kleine is´ schon nett anzuschauen, hm?“

Taiji wirbelte herum. Diese Stimme, die zu ihm sprach, war gerade so dermaßen unpassend und in etwa so willkommen wie der Igel zum Arsch abwischen. Sein suchender Blick traf schon bald das Gesicht der Person, die dicht neben ihm an der Bar gelehnt stand. Hiroki.

obstinate

Sein Lächeln erstarb augenblicklich als er das Gesicht vor sich erkannte. Hiroki. Er hatte ihn zuletzt vor Monaten gesehen und ihn seit dem aus deinen Gedanken verbannt. Vor Monaten, als Yoshiki seinen kleinen Bruder nieder geprügelt hatte weil Dieser den Bandleader und Taiji gegeneinander ausspielen lassen wollte. Von dem Tag an hatte er nie wieder etwas von Hiroki gesehen, geschweige denn gehört und das war auch gut so. Und jetzt, auf einmal, erschien er wieder wie aus dem Nichts unangekündigt auf der Bildfläche.

„Scheinst dich ja nicht so über meinen Anblick zu freuen“, stellte Hiroki fest, ohne jedoch das Grinsen in seinem Gesicht vollständig zu verlieren. „Is´ dir der von der süßen Schnecke da lieber?“

„Wundert dich das?“, entgegnete Taiji nur perplex mit einer Gegenfrage. Irgendwie arbeitete sein Hirn plötzlich langsamer...als ob ihn die bloße Anwesenheit seines Gegenübers lähmen würde.

Hiroki tat leicht gekränkt, seine Fingerspitzen tänzelten über die glatte Tresenfläche. „Ich hatte angenommen, du freust dich ein bißchen mehr deinen Lebensretter wieder zu sehen...“

Taiji stockte der Atem, seine Augen wurden größer. Wer war hier besoffen, er oder Hiroki? „Sag mal hackt´s bei dir oder was?“, fuhr er ihn fassungslos an. „Was redest du da für einen Scheiß?“

Die Augen des Blonden, die kurzzeitig seine tänzelnden Finger beobachtet hatten, blickten nun wieder in das Gesicht des Lockenkopfes. Wieder schien sein Blick leicht amüsiert. Wie jedes Mal, wenn er sich überlegen fühlte. „Na was glaubst du wohl, wer dir zu Weihnachten das Leben gerettet hat und dich im Halbdunkeln von der Fahrbahn gebracht hat bevor die nächsten Autos dich überrollt hätten.....?“

Die Augen des lockigen Bassisten weiteten sich, sein Herz schlug ihm bis zum Hals und setzte dann einen Moment lang aus. Ihm wurde gleichzeitig speihübel und schwindelig. Mit den aufgenommenen Worten Hiroki´s wusste er sofort wovon Dieser sprach. Sein Motorradunfall. Zu Weihnachten. Kurz nach dem Gespräch mit hide. Taiji schloss nun die Augen, erinnerte sich an die Aussage des Arztes im Krankenhaus, der von einem 'jungen Mann' sprach, der sofort erste Hilfe geleistet hatte. Hiroki war dieser besagte junge Mann gewesen. „Warum hast du das gemacht....?“ Seine Stimme war nur ein Flüstern. Und im Moment war er dem kindlichem Glauben verfallen, dass Hiroki verschwand, wenn er nur seine Augen geschlossen behielt.

„Schon mal was von Sozialcourage gehört?“, entgegnete Dieser nur.

X´s ehemaliger Basser schlug die Augen sofort wieder auf. „Von dir nicht.“ Mist, er war immernoch da. Als könne er dieser Tatsache damit entkommen, griff er nach seinem vodkahaltigem Getränk und spülte damit seine Kehle.

Hiroki beobachtete ihn dabei unentwegt. Er musste leicht schmunzeln, war es doch unübersehbar wie sehr Taiji ihn doch gerade fort wünschte. Doch den Gefallen würde er ihm nicht so einfach tun. Seine Finger spielten inzwischen mit einem Streichholz auf dem Tresen herum. „Und du hast nun also ein Auge auf die Schnecke da geworfen?“ Er machte eine knappe Kopfbewegung zu der räkelnden Dame im Käfig, obwohl sein unfreiwilliger Gesprächspartner nicht in seine Richtung blickte.

Taiji reagierte nicht.

„Is´ ja auch kein Wunder. Die fängt mit ihrer Show ja nun auch wirklich jeden Blick ein. Wenn sie ´nen Schwanz hätte, könnte sie fast schon für Yoshiki durchgehen.“

Wusch – schon war der Lockenkopf dem Jüngerem wieder zugewand.

Bingo! Triumphierend grinste er in sich hinein; wusste er doch, womit er die Aufmerksamkeit des Anderen jederzeit wieder auf sich lenken konnte. „Hab gehört, mein Bruder hätte genug von dir und du seist jetzt arbeitslos...?“

Der Cowboy sprang regelrecht von seinem Hocker herunter und packte den Jüngeren am Kragen. „Lass Yoshiki aus deinen miesen Spielchen raus, sag ich dir!“ Sein Fauchen war drohend und scharf. Hiroki schlug der Geruch von Whiskey und Vodka ins Gesicht. „Ich kenne deine hinterhältigen Tricks, du kleine Ratte...!“ Seine Augen funkelten. Obwohl Yoshiki und er nun nicht mehr zusammen waren, nahm er ihn weiterhin in Schutz, so gut er konnte. So war er nunmal, jeden der ihm wichtig war wollte er beschützen. Und da er Yoshiki trotz alledem was vorgefallen war, nicht hasste, galt das auch für ihn.

Hiroki schien dies alles jedoch nicht wirklich zu beeindrucken. Jedenfalls zuckte er bei keinem von Taiji´s Worten auch nur mit der Wimper. „Ich mag deine wilde Seite.....die ist so erregend...“, gab er nur leise schnurrend von sich und strich mit der flachen Hand anzüglich über die Brust seines Gegenübers.

Dieser stieß ihn jedoch nur schnaubend von sich weg, widmete sich haltsuchend wieder seinem Glas. Was bildete sich dieser Typ da nur gerade ein? War er wirklich dem Glauben verfallen, ihn mal eben so abschleppen zu können, nur weil er offiziell von seinem Bruder getrennt war? Denn es war schon auffällig genug dass Hiroki ausgerechnet kurz nach seiner Trennung von Yoshiki und seinem Rausschmiss aus X wieder auf der Bildfläche auftauchte, wo er doch die ganze Zeit davor wie vom Erdboden verschluckt gewesen zu sein schien. Erst als Hiroki weiter sprach, wurde er wieder aus seinen abschweifenden Gedanken gerissen.

„Das ist typisch für meinen Bruder: Sobald ihm jemand zu langweilig wird, wirft er ihn weg wie unnützes Spielzeug...“ Der Kopf des jungen Blondschopfes sank ein Stückchen zur Seite und seine fast schon unschuldig kuckenden Augen beobachteten wahnsinnig beschäftigend seine eigenen Finger, die immernoch mit dem einsamen Streichholz spielten.

Ein bedrohliches Grollen drang aus Taiji´s Kehle, sein Kopf wand sich gefährlich langsam zu Yoshiki´s kleinem Bruder um, seine Augen waren zu schmalen Schlitzen geformt. „Noch ein so´n dummer Spruch und du hast dein dämliches Grinsen verloren......“

Doch Hiroki´s Grinsen blieb bestehen, nein, es vergrößerte sich sogar noch. „Du weißt doch, dass ich auf die harte Tour stehe.“ Lasziv bleckte er andeutungsweise die Schneidezähne.

Taiji konnte es nicht fassen – wie notgeil konnte man nur auf jemanden sein?? Hatte dieses kleine Biest in der Vergangenheit denn gar nichts gelernt? War es ihm damals nicht Lehre genug gewesen, als Yoshiki ihn vor Wut regelrecht krankenhausreif geprügelt hatte? Wollte dieser Bastard immer noch nicht aufgeben? Warum? Wofür? Er spürte eine fremde Hand sich auf seinen Arm niederlassen. Entgeistert blickte er in das Gesicht des Besitzers besagter Hand.

„Ich weiß wie dir zu Mute ist, Taiji.“ Hiroki´s Stimme klang ungewohnt....verständnisvoll.

„´nen Scheißdreck weißt du!!“ Grob riss sich der Lockige aus dem sanften Griff des Anderen, griff nach seinem Glas um auch noch die letzten Schlucke aus ihrem durchsichtigem Gefängnis zu befreien, knallte den genauen Geldbetrag auf den Tresen und rauschte aus dem Inneren der 'Fruit Lounge' heraus.
 

Seine Gedanken waren ein einziger Klumpen Chaos als sich der kalte Nachtwind in der kleinsten Falte seiner Jeans festbiss und ihn nicht mehr los ließ. Sein Blick fiel ziellos über die Straßen, ohne das Sehende wirklich zu registrieren. Seine Finger glitten nervös in seine Jackentasche und entnahmen Dieser eine Schachtel Zigaretten. Im nächsten Moment wurde einer der besagten Glimmstengel mit den Lippen Taiji´s festgehalten und das nackte Ende bekam nur kurze Zeit später die erwärmende Erlösung zu spüren, als es sich für einen ganz kurzen Augenblick mit der Flamme des Feuerzeuges vereinen durfte. Mit nicht mehr ganz so sicherem Gang setzte der lockige Bassist seinen Weg durch die neonbeschienenden Straßen fort. Er überlegte, ob er einen Laden auf der Ecke kannte in Welchen er sich nun verziehen könnte. Doch schon beim nächsten Atemzug kam ihm die Frage in den Sinn, ob er jetzt überhaupt noch Lust auf ´ne einsame Kneipentour hatte... Trotz dieser Überlegung trugen ihn seine Füße weiter den Gehweg entlang, Meter für Meter. Irgendwann machte er Halt und er stand vor einer Kneipe, die erst vor Kurzem eröffnet zu haben schien. Zumindest sah es von Aussen noch alles sehr neu aus. Taiji nahm den Zigarettenstummel, dessen Glut sich mittlerweile seinen Lippen gefährlich genähert hatte, zwischen Selbigen heraus und beförderte ihn achtlos gen Boden. Obwohl sich seine Lust nach wie vor ziemlich in der Nähe des Null-Punktes aufhielt, betrat er das Lokal. Ähnlich wie zuvor schon die 'Fruit Lounge' war auch das Innere dieses Ladens deutlich größer und geräumiger, als es von Aussen den Anschein machte. Allerdings war es hier heller und es gab auch keine Nackttänzerinnen in Käfigen. Nicht wirklich enttäuscht von dieser Tatsache steuerte Taiji abermals die Theke an. Er nahm auf einem der Hocker – hier waren auch noch Einige mehr frei – platz und gab einem der Barkeeper mit wenigen Worten seine Bestellung durch. Vielleicht sollte es ihm endlich hier gelingen, seine Gedanken und Sorgen endgültig im Alkohol zu ertränken. Dass Alkohol in Wirklichkeit konservierte, daran dachte er in diesen Momenten gar nicht. Nein, er wollte vergessen, wenigstens vorübergehend. Unerwartet schnell stand seine Bestellung plötzlich vor seiner Nase. Er blinzelte. Solch eine rasche Bedienung hatte er aber auch selten erlebt. Oder er hatte mittlerweile schon völlig sein Zeitgefühl auf der Strecke gelassen. Wie dem auch war.......er griff nach dem Glas und tat das, was er am heutigen Abend schon ein paar Mal gemacht hatte. Der erste Schluck war um Yoshiki runter zu spülen. Der zweite Schluck war um ihre gemeinsame Vergangenheit runter zu spülen. Der dritte Schluck war um X runter zu spülen. - Nein, für X reichte kein einzelner Schluck...

Der Cowboy blinzelte. Die ersten Leute begannen schon ansatzweise vor seinen Augen zu verschwimmen. Hoffentlich taten seine Gedanken das auch bald.

„Hast schon die 'Hot Lagoon' probiert? Empfehlenswert...“

Taiji´s Augen weiteten sich. Er hoffte inständig dass diese Stimme nur eine haluzinugene Begleiterscheinung des Alkohols war. Doch als er seinen Kopf schließlich ruckartig zur Seite wand musste er einsehen, dass dies nicht so war. „Gottverdammt was machst du denn schon wieder hier? Lass mich doch einfach nur in Ruhe“, fauchte er mit rauher Stimme seinen Sitznachbarn an. Das konnte doch nicht sein dass dieses Biest ihn jetzt auch noch gnadenlos verfolgte!

Hiroki rührte nur gelassen mit seinem Strohhalm in dem bunten Cocktail rum, der vor ihm auf dem Tresen stand. Und er machte nicht im Geringsten den Eindruck, als würde er sich von Taiji´s Mißmut einfach so vertreiben lassen. „Manchmal hilft es, wenn man über seine Probleme redet...“

Taiji blickte ihn erst ungläubig, dann abwertend an. „Mit dir? Na ganz sicher nicht.“

Hiroki´s Lippen umschlossen den Strohhalm, saugten ein-zwei Schlucke der farbenfrohen Flüssigkeit, bevor sie Ihn wieder frei ließen. „Musst mir ja nicht alles auf einmal erzählen. Häppchenweise verdaut sich´s oft besser anstatt alles in Einem runter zu schlingen.“

„Ich geb dir gleich Häppchen!“ Der ältere Bassist spürte wie rasant die Wut wieder in ihm hoch kam. „Verpiss dich einfach aus meinem Leben, Hiroki, so wie du es die letzten Monate über getan hast!“

„Hättest du dir das zu Weihnachten auch gewünscht? Dass ich mich an dem Abend auch einfach verpisst hätte?“

Taiji versuchte verbissen, seinen Blick zu Hiroki stand zu halten und ihn nicht ständig durch die betäubende Wirkung des Alkohols wegrutschen zu lassen. „Ich habe dich nicht darum gebeten mir zu helfen.“

„Aber du hattest auch nichts dagegen.“

„Ich war bewustlos, verdammt!!“ Taiji hatte seine eigene Lautstärke nicht mehr unter Kontrolle und so fiel Diese ungewollt etwas lauter aus, sodass einige Gäste schon die Köpfe nach den jungen Rebellen wanden.

„Das brauchst du mir nicht zu erzählen. Ich hab dich schließlich vorgefunden.“ Der Jüngere schien von der gesteigerten Lautstärke keinen Deut beeindruckt zu sein.

Dieser Typ nagte langsam an Taiji´s Nerven. Was man auch sagte – dieser Kerl fand immer einen Weg, es sich recht zu biegen. „Verfuckte Scheiße, was willst du von mir?“, fragte er schließlich sichtlich genervt. „Sex? Geld? Meinen Verstand?“

Um die rosigen Lippen des Blondschopfes wirbelte ein Lächeln. „Soll das ein Angebot sein?“

Taiji griff kommentarlos nach seinem Glas und leerte Dieses. Die nächste Bestellung folgte. Für einige Zeit sagte keiner von beiden ein Wort. Bis von Hiroki schließlich wieder eine Frage zu vernehmen war. „Willst du das hier noch die ganze Nacht so machen?“ Er bezog sich damit auf Taiji´s auffällig hohen Alkoholkonsum.

„Ja“, entgegnete Dieser nun, „die ganze Nacht, bis ich irgendwann in der Ecke liege und in meiner eigenen Kotze einpenne und dein blödes Gesabbel nicht mehr ertragen muss.“

„Und nach acht Stunden mit ´nem Kater wieder aufwachst und wieder vor den selben Problemen stehst wie vorher auch“, vervollständigte Yoshiki´s Bruder die Ausführung des Anderen.

Im Moment bist DU mein einziges Problem!, wollte der Lockenkopf eigentlich sagen, ließ es dann aber doch sein. Dieses ewige Hin und Her mit dieser Person hatte keinen Sinn. Wenn sie so weiter machten wären sie noch bis morgends um sechs damit beschäftigt. Und dafür fehlte ihm sowohl die Lust als auch die Energie. Er überlegte schließlich mehrere Minuten, bevor er die Frage tatsächlich laut aussprach: „Warum tauchst du gerade jetzt auf?“ Wenige Sekunden später wurde ihm bewusst, wie blödsinnig diese Frage doch war. Der Alkohol benebelte zunehmend sein Hirn....

„Hängt nicht alles im Leben irgendwie miteinander zusammen....?“, entgegnete er nur mit einer Gegenfrage.

„Ja. Und ich will den Deinen wissen.“ Taiji´s Augen wirkten müde und genervt.

Plötzlich veränderte sich etwas. Die ganze Stimmung, die ganze Atmosphäre. Hiroki´s Blick veränderte sich, seine gesamte Körperhaltung. „Ich weiß wie es ist, alleine zu sein.“ Seine Stimme klang mit einem Mal so nüchtern. „Es ist kein schönes Gefühl.“

Taiji hob seinen Kopf, wand seinen Blick abermals zum Jüngerem. Er versuchte ihn einzuschätzen. „Wundert dich das?“, meinte er schließlich. „So wie du dich anderen gegenüber verhältst is´ es auch kein Wunder...“

Auch Hiroki blickte nun seinen Gesprächspartner an, schaute ihm tief in die Augen. Wortlos. So sehr man sich auch bemühte, aber man konnte einfach nicht in Ihnen lesen, was er gerade dachte. Sie schienen so tief und doch so verschlossen. „Jede Tat hat seine Vorgeschichte. Und jede Vorgeschichte seinen Ursprung.“

Der Ältere kuckte ihm stumm entgegen. Diese Antwort war zu allgemein gefasst und er wollte ihrer wahren Bedeutung nicht auf den Grund gehen. Denn würde er dies versuchen, würde Hiroki ihn nur wieder gekonnt einwickeln und er selbst würde die Orientierung verlieren. Und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er eigentlich von Anfang an gar nicht so lange mit ihm reden wollte.

Hiroki schien seine Gedanken offensichtlich lesen zu können denn ein wissendes Lächeln schob sich über seine Lippen. „Das Glas ist ein stummer Zuhörer. Von ihm wirst du keinerlei Resonanzen erfahren. Ich hingegen kann dir zu hören und dich dennoch ernst nehmen.“

Taiji seufzte innerlich. Sein Blick versank im Glas, in Welchem nur noch der Boden mit einem oder zwei Schlucken hochprozentiger Flüssigkeit bedeckt war. Er hatte mit einem Mal das Gefühl, nirgends mehr wirklich zu zugehören.
 

„.....ich weiß nicht ob ich ihm die Schuld geben kann......auch wenn er diese Entscheidung getroffen hat...“ Taiji´s Nuscheln verschwand halbwegs in seiner Faust, auf der er sein Kinn stützte. Die beiden Bassisten hatten sich von dem Bartresen getrennt und saßen sich nun an einem der vielen kleinen Tischchen gegenüber.

Hiroki´s Blick war verständnisvoll. „Er ist der Boss, er muss Entscheidungen treffen.“

„Ja, aber.......“ Taiji zögerte. Parkte seinen Blick irgendwo zwischen seinem Glas (Welches in diesem Lokal bereits das Dritte war) und der Tischfläche. „......ich bin mir nicht sicher ob diese Entscheidung wirklich von ihm kam...oder.........“ Ihm kamen wieder die Blicke vom Staff in Erinnerung, diese Blicke die teilweise voller Mißmut, ja teils schon abwertig waren. Doch davon wollte er Hiroki nichts erzählen. Er wollte nicht noch mehr Demut auf sich ziehen. Und er wollte Yoshiki nicht möglicherweise als Hampelmann dastehen lassen, der sich seine Bandpolitik von Dritten vorschreiben ließ. Er war viel zu sehr in seinen Gedanken vertieft als dass er bemerkte, wie sich seine Augen zunehmend mit Tränen füllten.

Hiroki wartete eine großzügige Zeit lang, für den Fall dass sein Gegenüber den Satz doch noch zu Ende sprach. Als dies aber nach einiger Zeit immer noch nicht der Fall war, erhob er sich leise von seinem Stuhl und ging halb um den Tisch herum.

Taiji hob seinen Kopf. Wollte der andere gehen? Hatte er es sich anders überlegt und wollte sich nun doch nicht mehr den Herzschmerz eines arbeitslosen Bassisten anhören? Oder musste er einfach nur mal auf´s Klo? Seine Gedankengänge wurden in dem Moment abrupt gestoppt als er zwei Arme um seine Schultern spürte, die sich mit eleganten Bewegungen über seine Brust bewegten und schließlich über Kreuz dort verweilten. Als er Hiroki´s Gesicht sanft gegen seinen Kopf schmiegen spürte, hatte auch endlich sein betäubtes Gehirn gecheckt, dass das auch Hiroki´s Arme waren, die sich so vertraut um ihn geschlungen hatten. Irgendwo ganz hinten in seinem Hirn kam die Meldung, dass das hier gerade nicht richtig war. Doch schob sich gleich darauf auch eine große Ladung Sehnsucht, gepaart mit dem Wunsch nach Geborgenheit vor diese so weit entfernte Warnmeldung. Er fühlte diese sich anbietende, einladende Wärme und er wollte sich ihr hingeben....was er doch sonst so selten tat da er es doch sonst immer war, der anderen seine helfende Hand anbot....

Yohimbe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Firetales

„Warum hast du das getan?“ Taiji tupfte mit einem weichem Tuch behutsam und vorsichtig das Blut von der Wunde, während die Finger seiner anderen Hand die hellblondierten Haare Hiroki´s zur Seite hielten um die Arbeit nicht zu behindern.

Der Gefragte jedoch reagierte nicht darauf, blieb stumm. Zeigte nicht einmal irgendwelche Regungen als das Tuch im direkten Kontakt mit seiner Kopfverletzung kam.

Taiji seufzte verärgert auf als er keine Antwort bekam. Die Wunde behandelte er jedoch weiter und war nun gerade dabei sie zu desinfizieren. Das entlockte seinem Patienten nun allerdings doch ein ersticktes Keuchen, denn der Alkohol brannte doch ganz schön an der offenen Kopfhaut. „Selbst Schuld....“

„Es war es wert....“, entgegnete Hiroki nun doch und seine Lippen zeigten wieder sein typisches, leicht abwesend wirkendes Lächeln.

Taiji hielt in seiner Arbeit kurz inne, blickte den Jüngeren an der seinen Blick nicht erwiderte. „Wie meinst du das?“

Hiroki schloß für einen kurzen Moment die Augen, sein Gesichtsausdruck signalisierte Zufriedenheit. Dann wand er seinen Kopf ein kleines Stückchen und blinzelte den Älteren an. „Du hast es auch genossen....es war überdeutlich zu spüren.....“

„Ich habe dich durchgefickt weil ich wütend auf dich war!“ Der Lockenkopf spürte abermals Zorn in sich aufkommen als er Hiroki´s Selbstgefälligkeit erkannte.

Der Blonde lachte kurz und knapp auf. „Das müssten dann ja herrliche Bilder gewesen sein, wie du meinen Bruder jedes Mal durchgerammelt hast wenn ihr euch wieder um irgendwelche Songs gestritten habt und euch wegen der musikalischen Organisation in den Haaren lagt...“

„Ich hab dich gefickt weil ich wütend war dass du deine miesen Tricks nicht lassen kannst! Ich war wütend!“, schrie Taiji ihn nun mit wildfunkelnden Augen an. Woher dieser über die stetigen Streitigkeiten in der Band zwischen ihm selbst und dem Boss Bescheid wusste, fragte sich der Bassist in diesen Momenten gar nicht.

Doch Hiroki schien man nicht mit persönlicher Lautstärke beeindrucken zu können. Er blickte den aufbrausenden Rebellen nur ruhig an. „Man bekommt nicht aus purer Wut ´nen Ständer. Dein Körper war geil, das kannst du vor mir nicht leugnen. Und er ist es auch immer noch....“ Beim aussprechen des letzten Satzes streckte er seine Hand ein Stückchen aus und strich mit den Fingerspitzen liebevollst und zärtlich über den nackten Oberarm Taiji´s. „Die Wirkung hält noch einige Zeit an....“, grinselte er wissend.

Taiji durchrieselte ein Schauer, als er diese Berührung spürte. Seine Haut war noch immer so überempfindlich...... Der Lockenkopf sprang vom Sofa, auf Welchem er bis eben noch saß und Hiroki´s aufgeschlagene Kopfwunde verarztete, auf und schleuderte die blutbefleckten Wattebäusche und das Tuch wutschnaubend auf das Sitzpolster. „Du bist einfach nur ein hinterhältiges Aas, Hiroki!“ Er kochte, er kochte und brodelte und war ganz knapp davor überzulaufen. „Ich will nur endlich eines wissen: Warum bist du so? Warum macht es dir solch einen Heidenspaß andere Menschen unglücklich zu machen?“ Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen geformt und fixierten seinen Gesprächspartner. „Warum hast du Freude daran, andere zu quälen?“

Hiroki hob seinen Kopf, legte Selbigen etwas schief und hielt den feurigen Blicken des Älteren mühelos Stand. „Womit habe ich dich denn gequält?“, entgegnete er seelenruhig. „Willst du mir ernsthaft deine Naivität vorwerfen?“

Taiji ballte die Hände zu Fäusten, sein Blick verfinsterte sich zunehmendst. Er hasste Hiroki für das was er gesagt hatte – und wusste gleichzeitig, dass er Recht hatte. Er war an seiner jetzigen Situation zum Teil selbst Schuld.

„Und...bist du wirklich der Annahme, ich verhalte mich jedem einzelnem Menschen gegenüber gleich?“, fügte der Jüngere nach kurzem Zögern hinzu.

Vor dem geistigem Auge des Lockenkopfes rauschten sämtliche Situationen mit Hiroki aus der vergangenen Zeit im Schnelldurchlauf vorbei. Und allmählich dämmerte ihm ein Zusammenhang. „Willst du Yoshiki oder mir schaden?“ Seine Stimme war düster aber ruhig.

„Sah es für dich bisher so aus, als wolle ich dir ernsthaften Schaden zufügen?“, lautete nur die Gegenfrage.

Sofort hatte Taiji wieder die Bilder seiner Entführung im Kopf. „Du hast mich betäubt, verschleppt und mir wieder einen deiner Zaubertränke verabreicht! Hälst du das für ´nen Kavaliersdelikt?“ Die Ruhe, die sich eben gerade noch in seiner Stimme eingefunden hatte, war wieder verpufft.

„Hätte ich dich einfach nur gefragt, wärst du mir bestimmt nicht für die kleinen 'Dreharbeiten' behilflich gewesen“, vermutete Hiroki.

Schnaubend wand sich der Cowboy ab. Wer war hier verrückt? Hielt der kleine Blondschopf sein Handeln allen ernstes für gerechtfertigt? Ihm war danach die Wohnung mit großen Schritten zu verlassen, die Tür hinter sich zuzuschlagen und diese kleine Mistratte für immer zu vergessen. Doch auf der anderen Seite hatte er irgendwie das Gefühl, dem Geheimnis um Hiroki jetzt so nahe wie nie zuvor zu sein... Er atmete einige Male tief ein und aus, dann wand er sich wieder dem Jüngerem zu. Mit festem Blick fixierte er die Augen des Anderen. „Warum?“ Taiji wusste schon gar nicht mehr, wie oft er Hiroki in den letzten vierundzwanzig Stunden diese Frage gestellt hatte.

„Warum was?“, entgegnete der Jüngere nur im Unschuldston, als wäre dieses Wort das Erste, Welches Taiji an ihn gerichtet hätte.

Ihm platzte der Kragen. Der lockige Bassist packte Hiroki am Selbigen und zog ihn weit an sich ran, sodass sich ihre beider Nasen nur noch wenige Millimeter voneinander trennten. „Hör zu, es gibt genügend Gründe dich anzuzeigen“, zischte er im gefährlichem Ton.

„So wie ich dich wegen Körperverletzung anzeigen könnte?“ Der Blondschopf war mit dieser Drohung einfach nicht zu beeindrucken.

Taiji blickte ihm noch einige Momente stumm in die Augen, bis er wieder von ihm los ließ. Er mochte es nicht wahr haben, dass dieser Typ im Notfall tatsächlich die Situation zu seinem eigenem Nutzen auslegen konnte. Diese Tatsache ließ ihn selber hilflos erscheinen und er hasste das Gefühl. „Ist das dein Ziel? Leute zu erpressen? Sie erst in Sicherheit zu wiegen und sie dann auszunehmen?“

Lächelnd wand Hiroki seinen Blick von ihm ab. „Ich habe keinen Grund dich erpressen zu wollen.“ Es war schon irgendwie bewundernswert, dass der Blonde selbst in solchen gespannten und gereizten Situationen ohne äusserlich erkennbare Veränderung völlig ruhig bleiben konnte. „Da hätten Andere es viel mehr verdient...“

Nun wurde Taiji hellhörig. Er blickte ihn für einen Moment stumm an, dann kam er ihm wieder näher. „Meinst du mit 'Anderen' Yoshiki?“

Hiroki zögerte. Zögerte bis er seinen Kopf wieder dem Älteren zuwand. Ihm in die Augen schaute und nichts sagte.

Plötzlich schlug Taiji´s Puls einen Takt schneller. Er hatte gerade das Gefühl ganz knapp vor der Enthüllung des Geheimnisses um Hiroki zu sein. „Du willst deinem Bruder Schaden zufügen.“

„Wer Schaden verursacht bekommt irgendwann auch die Rechnung“, entgegnete er nur knapp. Doch seine Stimme war jetzt nicht mehr so selbstsicher und fest wie die ganze Zeit zuvor.

Taiji war kurz davor ihn darauf hinzuweisen, dass er sich mit seiner Äusserung ebensogut selbst in die Pfanne hauen konnte, doch hielt er sich noch rechtzeitig zurück da er merkte, dass ihn diese Bemerkung nur wieder einen Schritt von seinem eigentlichem Ziel entfernen würde. Er hockte sich dicht vor den Jüngeren hin und legte ihm eine Hand auf´s Knie. „Welchen Schaden hat er angerichtet?“

Der Angesprochene blinzelte, wand seinen Blick dann doch wieder ein Stückchen von ihm ab um gedankenverloren ins Nichts zu starren. Eine ganze Weile schwieg er. Dann öffneten sich seine Lippen schließlich doch noch. Aber die Stimme die nun aus ihnen trat hatte nicht mehr viel mit der gemeinsam, die er zuvor noch so selbstsicher an den Tag gelegt hatte. „Ich war drei Jahre alt.....“, begann er....
 

Es war das ungewöhnliche Geräusch, das ihn wach werden ließ. Das fremde Knistern, welches immer lauter wurde. Hiroki blinzelte verschlafen, schob die Bettdecke beiseite um ein freieres Blickfeld zu bekommen. Dann sah er sie auch schon, die Flammen. Er begriff in den ersten Momenten noch gar nicht, wie groß die Gefahr war, in der er sich befand. Doch er spürte instinktiv dass hier etwas absolut nicht richtig war. „Yoshikiii....!“, fiepste er zur gegenüberliegenden Zimmerwand, wo parallel zu seinem eigenem Bett das seines großen Bruders stand. Der kleine Junge setzte sich in seinem Bett auf und die kleinen Hände hielten sich krampfhaft am Saum der weißen Bettdecke fest. „Yoshikiii!“

Von der hellen, zittrigen Stimme des Jüngeren wurde nun auch Yoshiki wach. Er lag mit dem Rücken zu ihm und wand sich nun in dessen Richtung. Als seine müden Augen ihn suchten, sah er nur Flammen. Sofort war er hellwach und sprang aus seinem Bett. „Hiro!“

„Yoshiiii~...!“ Langsam begann Hiroki zu wimmern. Angst kroch durch seinen zierlichen Körper und er war wie erstarrt, blieb wie angewurzelt in seinem Bett sitzen.

Yoshiki war sich der Gefahr, in Welcher sie sich befanden, bewusster und alles andere als starr vor Schreck. Rasch huschte er die paar Meter zu seinem Bruder und zog ihn mit sanfter Gewalt aus seinem Bett. „Wir müssen Mami und Papa Bescheid sagen!“, rief Yoshiki, um das laute Flammenknistern zu übertönen. Schnell lief er zur Kinderzimmertür, Welche auch schon in Flammen stand. Der Türknauf war fast nicht mehr zu erkennen, verschwand im züngelndem, heißem Feuer. Er kniff die Augen zusammen; die Hitze brannte ihm in Selbigen. Er besah sich die Tür, durch Welche sie irgendwie hindurch mussten. Aber wie, wenn man den Türknauf nicht benutzen konnte? Er erinnerte sich wie er mal im Fernsehen einen Film gesehen hatte, wo sich ein Mann gegen eine Tür geworfen hatte, die auch brannte. Immer wieder hatte er seinen Körper gegen die Tür gestoßen – und irgendwann war sie aufgegangen. Vielleicht funktionierte das hier auch? Yoshiki zögerte nicht lange und warf sich verzweifelt gegen die Kinderzimmertür, an einer Stelle wo das Feuer noch nicht hingelangt war. Er kniff die Augen zusammen, versuchte die angreifende Hitze des Feuers und den beissenden Qualm zu ignorieren, konzentrierte sich ganz auf die Tür, die er aufbekommen musste. Zwei Mal. Drei Mal. Vier Mal. Nochmal und nochmal stieß er gegen das Holz der Tür. - Bis Selbige geschwächt plötzlich nachgab und aufsprang. Yoshiki stolperte dabei zu Boden, rappelte sich aber sofort wieder auf. Mit Entsetzen musste er nun jedoch feststellen, dass das Feuer auch schon den Flur eingenommen hatte. Er blickte geradeaus. Seinem und Hiroki´s Zimmer gegenüber lag das Schlafzimmer ihrer Eltern. „Mama! Papaaa!“

„Yoshiki...! Warte....!“, erklang plötzlich die angsterfüllte und zittrige Stimme Hiroki´s. Er wollte seinem großen Bruder nachlaufen, wollte nicht alleine gelassen werden. Seine kleinen Füße setzten sich endlich in Bewegung, liefen dem Älteren hinterher – doch schon nach wenigen Schritten stolperten sie völlig unvorhergesehen über etwas, was ihnen im Weg rumlag. Ein Malblock. Hiroki fiel der Länge nach hin. Ein kleiner Aufschrei, ein verzweifeltes Keuchen. Er blinzelte, sah nur die Flammen um sich herum. Wo war Yoshiki, wo war sein großer Bruder? Warum half er ihm nicht? Warum sah er nichts als Feuer? „Yoshiiii!!“ Seinem verzweifeltem Schrei folgte ersticktes Husten.

Yoshiki vernahm die hilflose Stimme seines Bruders und wand sich wieder zum Kinderzimmer um. Er befand sich im Flur gerade genau auf halbem Weg zwischen ihrem Zimmer und dem der Eltern. „Hiro...!“ Sein Herz raste; er sah Hiroki inmitten des Zimmers auf dem Boden liegen, mittlerweile fast gänzlich vom Feuer eingeschlossen. Sie brauchten Hilfe, jemand der das Feuer stoppte. „Mamaaa!!“ Er stürmte das Zimmer der Eltern.

In dem Moment als Yoshiki zu den Eltern rannte, löste sich der vom Feuer angefressene obere Balken des Türramens und fiel lodernd zu Boden. Somit versperrte er Hiroki auch noch den letzten Fluchtweg, der ihm geblieben wäre. Die verängstigten Augen des Jüngeren sahen gerade noch wie sich sein Bruder ihm abwand und zum anderen Zimmer lief, dann versperrten ihm auch schon die hungrigen Flammen jede weitere Sicht. Schluchzen entrann seiner kleinen Kehle, heiße Tränen kullerten über seine Wangen. Wohin er auch sah – überall nur Feuer. Lautes, knisterndes, unerträglich heisses Feuer Welches ihm immer näher kam. „...nein.......Yoshi........hilfe....!“ Hiroki´s Stimme wurde immer dünner, seine Ausrufe wurden immer häufiger von Husten unterbrochen. Der Qualm drang unerbittlich in seine Lunge um Diese zu beissen und zu quälen. Der kleine Junge krümmte sich am Boden, rang nach Luft und erhielt doch nur Qualm... Alles um ihn herum war heiß und laut.....keiner war da der ihm hier raus half..... „...Yoshiiii~......!“ ...alles drehte sich...die Farben verschwammen ineinander.....allein und so viel Fremdes.......
 

„....ich hatte eine mittelschwere Rauchvergiftung. Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin, saßen unsere Eltern an meiner Seite. Von Yoshiki jedoch keine Spur.“ Hiroki hatte seinen Kopf gesenkt, seine blonden Haare versperrten Taiji die Sicht auf dessen Gesicht.

Taiji selbst saß stumm neben ihm, hatte schweigend der ganzen Geschichte zugehört. Was er nun fühlte, darüber war er sich selbst nicht so ganz im Klaren. Trauer, Hilflosigkeit, Mitleid oder vielleicht einfach nur Überwältigung, dass ausgerechnet Hiroki ihm diese Sache anvertraute.

Dieser hielt seinen Kopf unentwegt weiterhin gesenkt. „Er hat mich im Stich gelassen...obwohl er wusste, dass ich seine Hilfe brauchte.....“ Er senkte seinen Kopf noch ein Stückchen weiter. „Unser Vater hat sich selbst in Gefahr gebracht um mich zu retten. Yoshiki war nicht dazu bereit gewesen.“ Seine Stimme wurde immer heiserer. „Er hat es verdient auch zu spüren wie es ist, im Stich gelassen zu werden....“

Ink and skin

Seine Augenlider zuckten, bevor sie sich zögerlich öffneten. Das vertraute und doch fremd klingende Summen zerrte ihn langsam aus seinem Schlafzustand. Vertraut, weil er es irgendwo irgendwann schonmal gehört haben musste und fremd, weil es irgendwie fehl am Platz zu sein schien. Blinzelnd orteten die braunen Augen des jungen Mannes ihre Umgebung. Graues Mauerwerk war alles, was sie in den ersten Momenten erblickten. Als er sich regen wollte spürte er erst, dass seine Arme weit über seinem Kopf von irgendwas festgehalten wurden.... Taiji legte vorsichtig seinen Kopf in den Nacken und versuchte auszumachen, was seine Arme in so einer Position hielt. Sein Gesichtsausdruck spiegelte Verständnislosigkeit wieder, als er erkannte dass seine Hände mit Eisenketten gefesselt waren und in einer aufwendig aussehenden Konstruktion hoch über seinem Kopf in der Luft hingen. Kaum dass er diese Tatsache realisiert hatte, keuchte er erschrocken auf. Eine spitze Nadel berührte seine Haut in der unteren Körperregion, drängte sich ihr immer unangenehmer auf. Taiji´s Kopf schnellte nach unten. Vor ihm kniete Hiroki, in seiner Hand eine elektrische Tätowiermaschine. Ein sicheres Lächeln umspielte die Lippen des Jüngeren.

Taiji´s Augen jedoch starrten geschockt auf dieses unnatürliche Bild nieder. Starrten auf die Hände des Anderen, starrten auf das Gerät, auf die dünne Nadel die seine Haut berührte... „....nein....“, entwich es seinen Lippen heiser.

Als sei es eine Antwort mutierte das Lächeln auf Hiroki´s Lippen zu einem Grinsen. Sein Blick senkte sich langsam auf die entblößten Leisten Taiji´s, genauso entblößt wie der gesamte übrige Körper. „Halt still, dann tut es auch nicht so doll weh....“, flüsterte er leise und konzentriert, bevor er begann die Nadel tiefer unter die Haut zu stechen.

„Nein...!“, wiederholte Taiji, nun deutlich panischer. Er konnte nicht glauben was Hiroki da vorhatte, obwohl es so offensichtlich zu sein schien. Von Angst ergriffen wand er seine Handgelenke in den Fesseln, doch ließen ihm die metallenen Gegner keine Chance auf Freiheit. Und schon spürte er ihn, den Schmerz unter seiner Haut. Viel zu empfindlich war sein Körper an den Leisten, dort wo die schwarze Tinte Stück für Stück unter die Hautschichten gestochen wurde. Ein greller Aufschrei drang ungebremst aus seiner Kehle.

„Kleiner Dummkopf..... Ich hab doch gesagt, halt still.“ Äusserst konzentriert verfolgten Hiroki´s Augen die Bewegungen der Nadel. „Wenn ich mit dir fertig bin, wird Yoshiki dich nie wieder zurück haben wollen, selbst wenn du auf den Knien vor ihm kriechen würdest....denn dann trägst du meinen Namen...“ Seine Stimme klang gelassen, aber auch kalt.

Taiji begann sich vor lauter Panik zu winden – und bereute dies im nächsten Augenblick auch sogleich schon wieder. Die Nadel drang zu tief unter seine Haut.

„Je weniger du mitspielst, desto länger werde ich hierfür brauchen“, erklärte Hiroki in aller Ruhe und blickte ihn verschmitzt grinsend an.

„Nein....nein...hör auf!!“, schrie der braune Lockenkopf angsterfüllt auf und über seine Wangen flossen die ersten Tränen.

Nun ließ die Nadel tatsächlig von der Haut ab, Hiroki erhob sich langsam und ließ seine Blicke über den vollkommen entblößten Körper vor sich gleiten. „Du tust so, als sei das dein erstes Tattoo....“, hauchte er in einem Ton, als könne er die Reaktionen des Anderen überhaupt nicht verstehen. Seine Augen blieben an dem Motiv auf Taiji´s Brust haften, dem Totenschädel umringt von züngelnden Flammen. Sanft ließ er seine Finger über das Tattoo streichen, bevor seine Lippen es noch behutsamer küssten. „Sei brav und ich bin bald fertig“, versprach er, bevor er sich langsam wieder niederkniete und die Nadel erneut ansetzte.

Taiji schluchzte und wimmerte, presste seine Augen so fest zusammen wie er nur konnte, aus denen immer wieder neue heiße Tränen drangen. Er wollte nicht sehen, wie sich die leicht verschnörkelten Buchstaben von Hiroki´s Namen auf seinem Körper vermehrten und für immer an ihm haften bleiben sollten......... . . . . . . . . . . . . . . . . . .
 

Mit einem lauten Schrei schreckte Yoshiki aus dem Schlaf hoch und saß sogleich kerzengerade in seinem Bett. Wild keuchend blickte er sich mit aufgerissenen Augen in dem dunklen Raum um, bis er schließlich begriff dass er sich in seinem Schlafzimmer befand. Als sein Verstand das realisiert hatte, sank der bebende Körper in sich zusammen und das wilde Keuchen wurde mehr und mehr zu einem Schluchzen. Angst und Trauer umklammerte die dünne Figur. Diese Bilder....so nah und real...... Die schlanken Finger legten sich wie ein schützender Schleier vor das tränennasse Gesicht. Wie ungläubig schüttelte sich der Kopf mit den zerzausten Haaren langsam hin und her. Er wollte es nicht sehen, er wollte nicht sehen wie sein Bruder ihm Taiji entriss. Er wollte nicht sehen wie Taiji ihn vergaß. Immer wieder blitzte vor seinem inneren Auge das Bild von der zarten Haut des Bassisten auf, wie sie Hiroki´s Namen trug.....von ihm gebrandmarkt war..... Doch plötzlich stockte der weinende Mann. Niemand konnte ihm Taiji mehr entreissen. Denn Taiji und er waren nicht mehr zusammen. Taiji führte sein eigenes Leben und konnte zusammen sein mit wem er wollte. Sogar mit seinem Bruder. Bei dieser Vorstellung traf Yoshiki ein tiefer Stich ins Herz. Er hatte ihn gehen lassen, noch schlimmer, er hatte Taiji von sich gestoßen. Und das obwohl er ihn doch immer noch brauchte.

Sie waren wieder da, seine Schlafstörungen.

Yoshiki saß zusammengesunken in seinem großen Bett. Das Schluchzen war erloschen. Er atmete nur noch flach, seine Augen blickten vor sich ins Leere. Seit seiner Kindheit plagte er sich mit Schlafstörungen herum, Medikamente konnten die Situation kaum bessern. Irgendwann hatte er diese Tatsache angenommen, den Fakt, kaum eine Nacht ruhig durchschlafen zu können. Es war ein Teil von ihm geworden. Als er aber mit Taiji zusammen kam, änderte sich dies schlagartig. Schon in der ersten Nacht von dem Zeitpunkt an seit dem sie offen zueinander standen und keiner von beiden mehr seine Gefühle zum jeweils anderem leugnete, schlief er das erste Mal nach sehr, sehr langer Zeit völlig friedlich und problemlos durch. Taiji vermittelte ihm eine Art von Geborgenheit, wie er sie schon längst zu vergessen zu haben glaubte. Eine Geborgenheit, wie sie mit Worten nicht zu beschreiben war. Von dem rabaukenhaftem und doch so sanftmütigem Bandküken ging eine solche Wärme und ein solcher Schutz aus.... Im Nachhinein fragte er sich, ob Taiji sich selbst jemals im Klaren darüber war, was für eine Wirkung er auf ihn gehabt hatte. Und in diesen Momenten wünschte er sich nichts sehnlicher als die jungen, starken Arme des Bassisten um sich zu spüren, um seinen Körper geschlungen wie einen Schutzwall, der ihm nicht nur Schutz, sondern auch Wärme und Liebe gab......
 

Pata drückte gerade seine Kippe im Aschenbecher aus, als ihm ein Teller mit einer roten, kernigen Masse vor die Nase geschoben wurde. Etwas mißtrauisch beäugte er das fremdartige Gelee, Welches farblich jedoch gut mit dem mit Puderzucker berieselten schwarzem Tellerrand harmonierte. „Was ist das?“, fragte er, ohne den Blick von diesem rotem Etwas, welches möglicherweise essbar sein konnte, abzuwenden.

„Granatapfel-Dessert“, antwortete hide und stellte sich nun selbst den zweiten Teller auf den Tisch, gegenüber seines Gastes.

Jetzt erst blickten die tiefdunklen Augen Pata´s wieder auf, fixierten hide´s Gesicht. „Schmeckt das?“ Der Begriff 'Granatapfel-Dessert' drang heute das erste Mal an sein Ohr. Und trotz der gut gewählten farblichen Zusammenstellung sah das Zeuchs für ihn merkwürdig aus.

„Nein, absolut zum kotzen und wiederwertig. Darum stell ich´s dir ja auch hin“, entgegnete hide mit todernster Stimme und setzte sich im Schneidersitz auf den, mit einem großem, buntem Kissen gepolsterten Stuhl an den Tisch. Er ließ einen Löffel über die Tischfläche zu Pata rübersausen, bevor er seinen eigenen Löffel nahm und eifrig drauf los futterte.

Der braunhaarige Gitarrist betrachtete hide kurz, musste dann aber unweigerlich doch schmunzeln und schüttelte kurz den Kopf über hide´s Sarkasmus. Er griff nach dem Löffel und kostete zögerlich dieses merkwürdige, glibberige Gericht. Sein anfänglich skeptischer Gesichtsausdruck hellte sich nun auch auf als er den süßen Geschmack realisierte.

hide beobachtete diese Reaktion heimlich, während er sich Löffel für Löffel reinschaufelte und insgeheim freute es ihn zu sehen, dass es seinem Freund wohl doch zu schmecken schien.

„Was ist denn da alles drin?“ Nun wurde Pata doch neugierig. Dieser ungewohnte aber angenehme Geschmack war ihm fremd, aber er gefiel ihm.

„Granatapfelkerne und ein bißchen hiervon und davon, zwölf Stunden in Kühlschrank gestellt und warten, dass Pata kommt“, lautete die aussagekräftige Antwort. Eine ausführlichere Beschreibung sparte der Gastgeber sich, da er wusste dass Pata soetwas eh nie nachkochen würde. Dass er den Restinhalt der Orangenlikörflasche minus der 2 cl für das Dessert gestern noch in seinen Körper befördert hatte, verschwieg er ebenfalls.

Nachdem beide, mehr oder weniger schweigend, das ungewöhnliche Mahl aufgegessen hatten, zündeten sie sich fast zeitgleich ihre Zigaretten an. hide nahm den ersten Zug und lehnte sich auf seinem Stuhl etwas nach hinten. Er fixierte den Freund auf der anderen Seite des Tisches. „Was glaubst du, warum Yo-chan das getan hat?“ Diese Frage warf der Ältere einfach so in den Raum, ohne dass sie zuvor an diesem Tag das Thema auch nur angeschnitten hatten. Und doch wusste Pata augenblicklich worum es ging. Er hob seinen Blick, schaute in hide´s abwartendes Gesicht, bevor er ebenfalls einen Zug nahm, nur um den Qualm kurze Zeit später wieder aus seinem Mund entweichen zu lassen. „Ich kenn auch nur die offizielle Version.“

„Ja, aber die reicht mir nicht“, entgegnete hide mit entschlossener Stimme und aschte seine Zigarette kurz ab.

Pata blinzelte. „Was willst du dann statt dessen hören?“

Der Blonde mit den verwaschenen, bunten Haartönungen schaute einige Momente stillschweigend in das vertraute Gesicht, welches ihn immer noch fragend ansah. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort, doch kam Diese dann in einem um so überzeugterem Tonfall. „Das ist nicht seine Art. Mal ganz ehrlich“, und hide stützte sich nun mit beiden Ellenbogen auf dem Tisch ab, „seit wann lässt Yo-chan sich erpressen?“ Wieder nahm er einen Zug. „Seit wann macht er das was man ihm sagt?“

„Wenn der Staff sich von uns getrennt hätte, säßen wir ganz Ohne da“, versuchte Pata zu erklären.

Doch hide schüttelte, kaum dass Pata ausgesprochen hatte, energisch seinen Kopf. „Wenn überhaupt, hätte sich eh nur ein Teil des Staffs von uns getrennt. Nicht jeder von ihnen hatte Probleme mit Taiji. Ausserdem: Was sollen das überhaupt für Probleme gewesen sein? Hat Yoshiki dir je etwas Genaueres darüber erzählt?“

Der braunhaarige Gitarrist schüttelte knapp und auch nur ansatzweise den Kopf, sein Blick verlor sich auf der glatten Tischfläche. „Ich hätte eher gedacht, er hätte dir gegenüber vielleicht mal explizitere Erläuterungen gemacht.“

„Siehst du? Und genau das meine ich. Es gibt keine wirklich genaue Erklärung, warum Taiji nicht mehr dabei sein darf.“ Abermals machten seine Lippen Bekanntschaft mit dem Glimmstengel. „Es wird immer nur drumrum geredet, es kommen immer nur große Worte bei raus.“ Ein kurzes Zögern folgte. „Aber über den genauen Hintergrund weiß eigentlich keiner Bescheid. Ausser Yoshiki.“

Pata´s Blick blieb nun seinerseits aufmerksam auf hide gerichtet. „Bist du dir sicher, dass du dich da nicht gerade in etwas hineinsteigerst?“ Er wusste dass auf diese Fragestellung so ziemlich jede Reaktion von Seiten hide´s kommen konnte. Und kaum hatte er sie ausgesprochen überlegte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre sie anders zu formulieren.

„Yo-chan liebte Taiji!“ hide´s Stimme war lauter als ursprünglich beabsichtigt und da er wusste, dass Pata´s Frage nicht böse gemeint war, hielt er sich selbst einige Momente zurück um seinen Gast nicht mit einer Redeflut zu überschwemmen. „Taiji gehörte fest zu uns, er war nicht irgendein Aushilfsspieler. Und er gehörte auch zu Yo-chan.“ Wieder abaschen. „Die Zwei haben so lange gebraucht um zueinander zu finden – das würde sich Yoshiki nicht einfach durch irgendwelche Launen des Staffs wieder kaputt machen lassen.“ Seine Tonlage verriet eindeutig, dass er der offiziellen Erklärung um Taiji´s Ausstieg keinerlei Glauben mehr schenkte.

Pata saß nur schweigend da, ließ sich die aufgenommenen Worte durch den Kopf gehen.

„Taiji war schon dabei, als noch niemand an uns glauben wollte. Er war schon bei X, noch bevor ich überhaupt in der Band war!“ Ohne es wirklich steuern zu können rauschten im Schnelldurchlauf mehrere Szenen aus der gemeinsamen Vergangenheit früherer Tage durch seinen Kopf. „Er hat uns Kostüme genäht, er hat sich den Arsch aufgerissen um die Miete des Studios mitbezahlen zu können, selbst wenn er gar kein Geld mehr übrig hatte! Er hat gemeinsam mit uns auf ein Ziel hingearbeitet – verdammt, er war ein Teil von X! Ein Teil von uns... Und Yoshiki will ihn einfach so mal eben aus der Band geworfen haben, nur weil ein paar Staffmitglieder mit dem falschem Fuß aufgestanden sind?“ hide´s Augen blitzten erregt, als er Pata ansah. „Da muss noch mehr hinterstecken.....“

Veils everywhere

Starr blickten seine Augen vor sich hin, ohne wirklich etwas zu erkennen. Reglos saß er auf seinem Bett, das Kinn in die Hand gestemmt. Kein Ton drang durch´s Zimmer. Ein Aussenstehender hätte diese Szene auch für ein Standbild halten können.

Es war Irrsinn.

Erst stieß Yoshiki ihn von sich und wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, dann stolperte er eher unfreiwillig in die Arme von dessem kleinen, hinterhältigen Bruder und Dieser fragte ihn plötzlich, ob Taiji bei ihm wohnen wollen würde. Es war Irrsinn. Es wirkte in dieser Verbindung schon regelrecht unwirklich. Soetwas kam doch sonst nur in schlechten Filmen vor. Taiji schüttelte seinen Kopf. So wie er es vorhin getan hatte, als Hiroki ihm diese Frage gestellt hatte. Und in beiden Fällen tat er es aus dem gleichen Grund: Fassungslosigkeit. Unverständnis. Er hatte noch Hiroki´s Blick vor Augen, wie er ihn vor wenigen Stunden angeschaut hatte, während diese unerwartete Frage aus seinem Mund schlüpfte. Und in diesen besagten Momenten hatte Taiji das Gefühl, einen völlig anderen Menschen vor sich gehabt zu haben. Diese Blicke, die Hiroki draufgehabt hatte, waren so.......weich, fast sehnsuchtsvoll. So absolut unpassend, wenn man ihn bisher nur als Intrigenschlampe kannte. Der Ältere war zu perplex gewesen, um ein „Ja, aber natürlich doch!“ oder ein „Nein, du bist mir zu undurchsichtig“ hervorzubringen, geschweige denn um überhaupt irgendwas zu sagen. Statt dessen hatte er sich nur seine Jacke geschnappt und wortlos Hiroki´s Wohnung verlassen. Er hatte kurzweilig sogar überlegt, ob die Frage ernst gemeint war. Doch dann rief er sich wieder den Blick des Blondschopfes ins Gedächtnis...und dieser Blick erschien einfach erschreckend ehrlich. Was Taiji aber in diesen Momenten am meißten erschrak war die Tatsache, dass er sich gerade ernsthaft einen Kopf um diese Sache machte. Wo war das Problem? Hiroki war ein Psycho-Spinner, warum sollte er zu ihm ziehen wollen? Er hatte schließlich seine eigene Wohnung, war ja nicht so dass er auf der Strasse sitzen würde. Der Lockenkopf schüttelte Selbigen abwesend und erhob sich von seinem Bett. Dieser Junge schaffte es immer wieder, dass man sich über ihn den Kopf zerbrach. Unschlüssig und scheinbar vergessend, warum er gerade eben noch aufgestanden war, traf sein Blick abermals den Fußboden knapp einen Meter vor sich. Wieder schlich sich die Geschichte von dem Feuer in seine Gedanken. Es war schon komisch: Yoshiki hatte ihm die ganzen Jahre über nie auch nur ansatzweise etwas von diesem Geschehnis berichtet. Von einem lebensbedrohlichem Feuer im Hause Hayashi wurde ihm nie etwas erzählt! War das Erlebnis für Yoshiki so traumatisch gewesen, dass er nie darüber sprach? Vom Feuer eingeschlossen......Taiji versuchte sich das vorzustellen, doch es gelang ihm nicht. Wenn ihm diese Vorstellungskraft fehlte, was muss das dann erst für Hiroki für ein Horror-Szenario gewesen sein? Abwesend kraulte er sich am Kinn. War das das wahre Geheimnis um den jungen Blondschopf? War das Feuer-Ereignis die Erklärung für sein zwiespältiges und teils hinterhältiges Verhalten?

Taiji stöhnte laut auf. Er dachte viel zu sehr über diese Dinge nach! Entschlossen stapfte er nun in die Küche um sich ein paar Spiegeleier in die Pfanne zu hauen. Doch mit einer kurzen Koch-Session sollte es nicht getan sein; er würde auch noch im weiteren Verlauf des Tages über diese Erlebnisse grübeln.
 

hide blieb vor der großen, schweren Tür stehen und lauschte dem Sound, den Yoshiki´s Drums im Proberaum veranstalteten. Kannte er diesen Rhythmus nicht? Irgendwo weit hinten in seinem Kopf sagte ihm etwas, dass er diese Rythmusfolge schon einmal gehört hatte, jedoch bereits vor längerer Zeit. Es war kein neues Stück, es musste ein altes, unfertiges Stück in der Rohfassung gewesen sein, was der Drummer da ausgebuddelt hatte. hide drückte die Tür auf und trat in den Proberaum ein. „Du spielst 'End of the world'?“, begrüßte er den Bandleader und schloß die Tür sogleich wieder hinter sich.

Yoshiki hörte augenblicklich mit spielen auf, als er hide und seine Frage wahr nahm. Er blickte den Gitarristen an und schien regelrecht etwas überrascht zu sein, dass Dieser sich noch an diesen Song erinnerte. Er nickte nur stumm und verfolgte hide´s weitere Bewegungen, als der Bandälteste seine schwarze Tasche auf den großen Tisch ablegte und sich selbst auf die Kante des robusten Möbelstücks setzte. „Willst das Lied als nächstes einspielen?“, fragte der Gitarrist gelassen und fixierte den Freund, der nur wenige Meter vor ihm hinter seinem Drumkit saß.

„Ich denke, es ist gerade die richtige Zeit dafür angebrochen“, antwortete Yoshiki und ließ seinen Blick flüchtig über die bereits leicht abgenutzten Drumsticks in seinen Händen gleiten.

hide´s Augen wurden bei dieser Aussage und dieser Reaktion minimal schmaler. Doch er sprach seine Gedanken nicht einfach ohne jeglichen Umweg aus. Er trat lieber von der anderen Seite an das Thema heran. „Hast du dir auch schon überlegt, wer den Bass-Part übernehmen soll?“

Betretenes Schweigen.

Der Ältere lies seinem Gesprächspartner eine ganze Weile Zeit für seine Antwort, bis er irgendwann, scheinbar aus Langeweile und auch eher unbewusst, sein eines Bein zu schlenkern begann, Welches vom Tisch hinunter baumelte.

„Ich könnte jemanden fragen.....vielleicht hilft uns jemand aus....“, nuschelte Yoshiki leise vor sich hin und blickte dabei kein einziges Mal zu hide auf. Es war unübersehbar dass ihm dieses Thema unangenehm war.

Für eine Zeitlang sprach wieder keiner von ihnen ein Wort. hide´s Blicke jedoch verharrten auf dem Boss. So sehr er Yoshiki mochte und dessen Entscheidungen respektierte – aber so ganz in seinen Kopf bekam er es immer noch nicht, dass die Zukunft der Band ohne Taiji weiterlaufen sollte. Und insgeheim wollte er diese Tatsache wohl auch gar nicht wahr haben.

„Das geplante Album ist gecancelt“, kam es urplötzlich von Yoshiki.

hide blinzelte. Er brauchte mehrere Augenblicke um diese wahllos in den Raum geworfene Aussage überhaupt einsortieren zu können. Dann jedoch wusste er was gemeint war. Und sofort schoss ihm die Szene in den Kopf, als Taiji nach einem weiterem Streit mit Yoshiki bei ihm auftauchte und sie bei einem gemeinsamen Frühstück über Yoshiki´s Auswahl der Album-Tracks diskutierten. Damals hatte hide dem Bassisten noch Mut machen wollen, glaubte nicht an ein vorzeitiges Ende ihrer Beziehung. Dieses Gespräch war noch gar nicht lange her gewesen.... Doch dann blinzelte hide abermals und sein Blick, zurück in der Gegenwart, traf wieder Yoshiki. „Endgültig?“, wollte hide wissen um auf das letzte Thema zurück zu kommen.

Yoshiki vermied noch immer den direkten Blickkontakt mit dem Älteren. „Erst einmal vorübergehend...“ Man hörte ihm überdeutlich an dass er darüber nicht mehr Worte verlieren wollte als nötig.

Wieder ließ der Gitarrist sein vom Tisch hinunterhängendes Bein hin und her baumeln. „Was willst du statt dessen machen?“

Sein Gesprächspartner blickte nun endlich wieder auf, schaute ihm ins Gesicht. „'End of the world'“, lautete die knappe Antwort.

„Eine Single ohne Bindung an ein Album? So wie 'Standing Sex'?“

Wieder senkte sich der Blick des Drummers, musste er bei dem Titel doch unwillkürlich an Taiji denken. Aber schon mit der nächsten Handbewegung, die eine imaginäre Haarsträhne hinter das Ohr beförderte, wischte er die kurz auflodernde Erinnerung an Taiji fort. „Nein, 'End of the world' wird ein Mini-Album sein. Mit nur einem Song beinhaltend.“

hide hob eine Augenbraue.

Yoshiki registrierte diese Skepsis. „Keine Sorge, es wird nicht an Spielzeit mangeln.“

„Das weiß ich und das ist auch gar nicht meine Sorge“, begann hide, „ich wunder mich nur, dass du nach so langer Zeit diesen alten Schinken wieder hervorgeholt hast.“ In Wirklichkeit wunderte er sich nicht über die Zeit, denn es war nicht ungewöhnlich einen Song längere Zeit in seiner Rohfassung beiseite zu legen und sich irgendwann später wieder mit Selbigen zu beschäftigen um die Feinheiten auszuarbeiten. Aber er wusste noch genau dass Yoshiki und Taiji mehrere Abende stundenlang über die Arrangements dieses Stückes diskutierten und gemeinsam herumtüftelten. Und hide war sich ziemlich sicher, dass Yoshiki sich daran auch noch gut erinnern würde.

„Wie gesagt, jetzt scheint erst die richtige Zeit dafür zu sein, sich mit diesem Song ausführlicher zu beschäftigen.“ Vielleicht konnte sich Yoshiki gut daran erinnern, doch im Moment konnte er es mindestens ebensogut verbergen.

Und das ärgerte hide. Der Leader hatte es geschickt geschafft, dem Thema 'Bassist' auszuweichen und zu umgehen. „Vielleicht sollte man sich auch mit Taiji´s Rausschmiss noch etwas ausführlicher beschäftigen“, entgegnete er schließlich, konnte er sich nun doch nicht mehr zurück halten.

Yoshiki starrte den Freund an. Was war mit hide los? Warum musste er auf einmal wieder dieses Thema anschneiden?

Der Gitarrist hielt dem starren Blick des Anderen jedoch wieder problemlos stand. Er wollte eine Erklärung zu dem Thema haben. Selbst wenn ihn die private Beziehung zwischen Taiji und Yoshiki an und für sich nichts anging, war Taiji doch über mehrere Jahre ein Arbeitskollege (und guter Freund) gewesen und er wollte sich nicht mehr mit Halbwahrheiten und Ausreden trösten lassen. Schließlich hüpfte er vom Tisch. „Komm Yo-chan, der Staff, das Gerede....das ist doch nicht alles, da steckt doch noch mehr hinter...“ Er ging ein paar kleinere Schritte auf den Boss zu.

Yoshiki´s Augen formten sich wieder zu schmalen Schlitzen, sie hatten wieder diesen gefährlichen, bedrohlichen Blick der seinem Gegenüber signalisieren sollte, dass man sich nicht unnötig mit ihm anlegen sollte. hide hatte diesen Blick bisher kaum zu spüren bekommen, doch in diesem Moment schien Yoshiki sich deutlich in die Enge getrieben zu fühlen und in solchen Situationen konnte man sich nie sicher sein was als nächstes passieren würde, ausser dass etwas passieren würde... „Ich habe zu diesem Thema bereits alles Nötige gesagt“, zischte er hörbar gereizt.

hide ließ sich aber nicht einschüchtern. „Es tut mir Leid aber...ich glaube dir nicht, Yo-chan.“ Er stand mit beiden Füßen sicher auf dem Boden, seine Körperhaltung schien die einer Mauer zu sein. Er wollte die Wahrheit ans Licht bringen, auch wenn das einige Unannehmlichkeiten mit sich ziehen würde. „Taiji hat zu vieles mitgemacht, ist mit uns durch Dick und Dünn gegangen, hat auch in schlechten Zeiten nie gekniffen – dagegen klingt deine Erklärung mit dem miesgelauntem Staff geradezu wie ein Witz!“

„Willst du mir etwa vorwerfen dass ich lüge?“ Yoshiki´s Stimme war nun deutlich lauter als hide´s.

„Nein, nur dass du nicht alles sagst.“ Seine Stimme blieb fest. „Taiji gehört zu X, so wie jeder andere von uns auch! Und nicht nur zu X sondern auch zu dir!“

Der letzte Satz war zu viel. Der schlanke Drummer schmiss mit voller Wucht seine Drumsticks zu Boden. Das Geräusch der, mit dem Boden hart zusammentreffenden, Hölzer vermischte sich mit Yoshiki´s Schnaufen. „Halt dich aus dieser Sache raus, hide! X gehört mir und ich lasse nicht zu dass jemand X gefährdet! Auch Taiji nicht!!“

hide war automatisch kurz zusammen gezuckt, als die Sticks unter Zwang den Boden küssten. Doch das war auch die einzige Schockreaktion von ihm gewesen, denn nun wurde er hellhörig. „X gefährden? Womit hätte Taiji X gefährden können?“ Er stämmte seine Hände in die Hüften. „Und warum hätte er das tun sollen?“

Der Jüngere fauchte ihn an wie ein Raubtier dass sein Revier verteidigte. Er griff seinen weißen Mantel und ging mit großen, harten Schritten auf den Freund zu. „In manche Dinge solltest du dich einfach nicht einmischen, hide.“ Seine Stimme war ein drohendes Zischen. Dann stiefelte er ohne Umwege zur Tür und verließ den Proberaum.

growing doubts

Seine Stiefelabsätze klackerten laut bei den harten und energischen Schritten auf dem Asphalt, als er ungebremst in den Hauseingang abbog und das 'Undertaker', eine kleine Kneipe im Western-Stil, betrat. Erst als er die Schwingtür aus dunklem, stabilem Holz durchtreten hatte, machte er Halt. Die Silhouette des schlanken, nicht allzugroßen Mannes nahe des Eingangs wirkte fast wie aus einem Western-Film, nur der riesige Schlapphut irritierte den Betrachter etwas und ließ ihn recht schnell darauf schließen, dass es sich doch um eine modernere Zeit handelte in der er sich gerade befand.

hide musste die Sonnenbrille abnehmen um in diesem schummrigen Dämmerlicht überhaupt etwas erkennen zu können. Er ließ seinen Blick kurz umherschweifen um sich einen guten Platz zu suchen. Dabei erregten zwei Männer an der Bar seine Aufmerksamkeit. Er sah sie nur von hinten, aber anhand der langen, dürren Figur, der langen, schwarzen Haare und der ebenso schwarzen Lackbekleidung der einen Person schloss er sofort dass es sich hierbei nur um Hiroshi Morie handeln konnte, besser bekannt unter seinem Bühnennamen 'heath'. Die zweite Person kannte er nicht, aber sie war ziemlich leger gekleidet und er vermutete dass es sich hierbei um irgendeinen befreundeten Studio-Menschen handelte. hide steuerte die Bar an und pflanzte sich sogleich auf den freien Barhocker nebst heath. Er stützte das Kinn in die Hand und grinste seinen Nachbarn an.

Dieser registrierte erst nach einigen Momenten dass sich jemand neben ihn gesetzt hatte und als er seinen Kopf wand um diesem Jemand eines kurzen Blickes zu würdigen, blitzten die Augen des Schwarzgekleideten freudig auf. „hide!“

„Live und in Farbe“, entgegnete der Blonde mit einem breiten Grinsen.

heath war die Freude über die Anwesenheit des Gitarristen richtig anzusehen. Dann fiel ihm jedoch wieder ein mit wem er ursprünglich hier war und er wand sich zu seiner Begleitung um. „Das ist hide, der Gitarrist von X“, erklärte er überflüssigerweise, bevor er sich wieder hide zuwand, „und das ist Takeshi, unser Tontechniker.“

Der besagte Tontechniker nickte hide knapp und schweigend zu.

Bingo. Studio-Mensch. „'Unser'?“, fragte X's Gitarrist und hob fragend eine Augenbraue. „Was machst du zur Zeit?“ Im fließendem Übergang zu dieser Frage winkte er den Barkeeper zu sich heran und gab ihm seine Bestellung durch.

„Ich spiel aktuell bei 'Majestic Isabelle' Bass“, kam die prompte Antwort.

Bass. Bei diesem Wort verspürte hide für einen ganz kurzen Augenblick ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend. „Und wie läuft´s?“

heath nickte zufrieden. „Alles im grünen Bereich. Kann mich nicht beklagen.“

Na wenigstens Einer der mit seiner aktuellen Situation zufrieden zu sein schien. hide griff nach dem Whiskeyglas, welches ihm gerade serviert wurde, und nahm die ersten Züge.

„Und bei euch?“, kam bald darauf die etwas schüchtern klingende Gegenfrage.

Der Blonde setzte das Glas ab. „Beschissen. Taiji wurde gefeuert.“ Seine Stimme war nüchtern, sein Blick vor sich auf den Tresen gerichtet.

heath machte große Augen und beugte sich ungläubig ein Stückchen zu hide hinüber. „Du machst Witze, oder?“ Doch auf seine Frage erhielt er nur einen stummen Blick von hide der ihm mehr als deutlich machte, dass er mit dieser Aussage alles andere als scherzte. Der Jüngere schüttelte ungläubig den Kopf. „Warum macht Yoshiki soetwas? Ihr habt mit Taiji doch einen absoluten Glückstreffer gelandet!“

„Verklicker das mal unserem Prinzesschen“, nuschelte hide und nahm sogleich die nächsten paar Schlucke.

„Und jetzt? Macht ihr weiter?“ heath´s Augen ruhten fragend auf dem Freund.

Dieser hob langsam seinen Kopf und schaute ihn an. An´s Aufhören hatte er noch keine Sekunde lang gedacht... Klar gab es Bands die sich auflösten, sobald ein Mitglied die Gruppe verließ, er kannte sogar mehrere davon. Aber X und aufhören? Das klang ungefähr so realistisch wie sich mit dem Papst über Empfängnisverhütung zu unterhalten. „Klar machen wir weiter“, war die selbstbewusste Antwort. Dass er selbst noch nicht den blassesten Schimmer hatte wie es weiter gehen sollte verschwieg er.

Takeshi schien von dem Gesprächsthema nicht sonderlich beeindruckt, zumindest rauchte er schon seine zweite Zigarette in Folge und hielt sich auch sonst ziemlich im Hintergrund.

heath musterte hide, wand seinen Blick wieder ab um einen Schluck seines Cognacs zu nehmen, zögerte kurz und wand sich doch wieder hide zu. „Ich weiß, es...es geht mich eigentlich nichts an und du musst auch nicht drauf antworten wenn du es nicht willst aber......warum?“ Seiner Stimme war deutlich anzuhören dass es ihm, trotz seiner Neugier, unangenehm war diese Frage zu stellen.

„Glaub mir heath, ich würde es dir sagen – wenn ich es denn selber wüsste!“ hide leerte sein Glas und bestellte gleich darauf noch Eins. Doch seine Gedanken schweiften wieder zurück zu heath´s vorherige Frage...... Würde sich X wirklich nie auflösen? Wäre jeder von ihnen austauschbar...? Wäre er austauschbar? Was würde mit X geschehen wenn er eines Tages mal selber – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr dabei wäre; würden sie ihn dann auch einfach durch einem anderen Gitarristen ersetzen? Oder wenn Toshi eines Tages weg wäre? Ein neuer Sänger, eine neue Stimme für X, wäre das denkbar....? hide kniff die Augen zusammen, schüttelte minimal den Kopf. Das war einfach undenkbar! Yoshiki und Toshi hatten X gegründet, sie haben die Band gemeinsam aufgebaut – sie waren praktisch das 'Gerüst' von X. Der Kern. Mit beiden oder keinem. Würde auch nur einer der beiden nicht mehr mitmachen, könnte der andere die Band nicht mehr tragen. hide legte das Kinn auf seine, auf der Tresenfläche verschränkten, Arme. Auf einmal kam ihm X so verletzlich vor, so leicht zerbrechlich wie hauchdünnes Porzellan.... Sie waren im Laufe der Zeit wie eine Familie zusammen gewachsen, sie fühlten sich gemeinsam so stark, so mächtig und sicher..... Doch jetzt fühlte er sich überhaupt nicht mehr sicher. Nicht weil er Angst hatte, Yoshiki würde ihn als Nächsten feuern, sondern weil er Angst hatte, die alte Sicherheit würde durch die Abwesenheit einzelner Mitglieder nicht mehr gewährleistet werden können. - Aber Moment mal; war sie das denn überhaupt jemals? Hätte denn nicht jederzeit soetwas passieren können? Nun war es passiert, Taiji musste gehen und die ganzen Jahre zuvor war es nicht passiert. Ein Zeitpunkt konnte so unwillkürlich sein.

heath stupste den älteren Gitarristen mit dem Finger an.

Dessen Kopf schnellte hoch und blinzelte ihn fragend an.

„Ob du dich noch an Kiyoshi erinnern kannst, hab ich dich gefragt.“ heath´s Stimme klang, trotz der Tatsache dass der Andere ihm wohl nicht ganz zugehört hatte, nicht vorwurfsvoll sondern eher sanft.

hide blinzelte nochmal. „Kiyoshi? Dieser Verrückte auf Speed?“

Der jüngere Bassist grinste. „Diesen Vergleich musst ausgerechnet du ziehen....“, schmunzelte er. „Aber ja, den mein´ ich.“

„Was ist mit dem?“ hide führte das Glas Whiskey routiniert zu seinen Lippen um die betäubende Flüssigkeit ebenso routiniert durch Selbige gleiten zu lassen.

„Der sucht aktuell auch Leute für seine Band 'Media Youth'.“

Der Gitarrist hob nur minimal und kaum erkennbar eine Augenbraue, während er sich aus der Jackentasche seine Zigarettenschachtel heraus fummelte. Kiyoshi....er konnte sich nicht helfen aber irgendwas an diesem Menschen war ihm unsympathisch. Er hatte eine Zigarette aus der Schachtel befreit und klemmte sie sich nun zwischen die Lippen, während die Schachtel beiläufig auf dem Tresen abgelegt wurde und seine Hand die Taschen nach einem funktionierendem Feuerzeug durchforstete. „Hast du nicht auch mal bei 'Media Youth' mitgespielt?“, fragte er durch die Zähne hindurch. „Mir war so als hätte ich deinen Namen schonmal in Verbindung mit denen gehört.“ Endlich wurde er fündig und entzündete im nächsten Augenblick auch schon den nikotinhaltigen Begleiter.

heath nickte. „Hab ich. Aber 'Media Youth' war mir zu unstrukturiert, da hat´s mich doch zu 'Majestic Isabelle' hingezogen“, erklärte er. Sein Glas war inzwischen leer, aber er sah nicht so aus als würde er sich das nächste Glas in Folge bestellen wollen. Statt dessen liebäugelte er mit hide´s Zigarettenschachtel.

Dieser bekam das schnell mit und schob sie ihm nur nickend zu. Er paffte entspannt und schweigend an seiner Zigarette, als er heath schließlich wieder ins Gesicht blickte. „Magst du nicht bei uns aushelfen?“, fragte er ohne Vorankündigung in einem Ton, als sei es das Normalste der Welt.

heath ließ vor Schreck seinen soeben aus der Packung gefischten Glimmstängel in das leere Cognac-Glas fallen, als er diese völlig unerwartete Frage vernahm. Und selbst Takeshi schien seine Coolness für einen Moment verloren zu haben und blickte hide überrascht an.
 

Toshi blinzelte immer mal wieder zur Seite auf den Beifahrersitz, dort wo sein bester Freund saß. Aber so oft er auch in diese Richtung schaute, bot sich ihm doch stets der gleiche Anblick: Yoshiki saß stillschweigend da und blickte aus dem Seitenfenster, durch die Regentropfen an der Scheibe in die schwarze Nacht. 'Lass uns nur so durch die Gegend fahren' hatte er gesagt, als er plötzlich vor dem Sänger gestanden hatte. Diese Aufforderung hatte er schon lange nicht mehr gehört. Damals, als Toshi seinen Führerschein gerade gemacht hatte, da kam Yoshiki öfter auf die Idee einfach ziellos quer durch die Stadt zu fahren – oder besser gesagt sich fahren zu lassen -, aber irgendwann hatte Yoshiki auch seinen Führerschein gemacht und Chauffeur Toshi war nicht mehr so oft gefragt. Natürlich hatte er sofort gerochen dass da was nicht in Ordnung war, als Yoshiki ihn mit diesem leicht abwesenden Blick und ebenso abwesender Stimme vorhin um den Gefallen gebeten hatte. 'Lass uns nur so durch die Gegend fahren' war auch das Letzte was er aus dessen Mund zu hören bekam, denn seit dem schwieg er nur. Und Toshi hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht ihn zum reden zu bewegen denn er wusste aus langjähriger Erfahrung: Wenn Yoshiki nicht sprechen wollte, tat er es auch nicht.

Der kleine blonde Sänger lenkte das Auto auf dem regennassen Asphalt um die nächste Ecke in eine ruhige Seitenstraße. Die Wischblätter der Scheibenwischer quietschten verdächtig und Toshi überlegte, wann er Diese eigentlich zuletzt ausgewechselt hatte.

„Erinnerst du dich noch an den Laden?“, erklang es plötzlich in dem Wageninneren. Yoshiki deutete mit einem Finger auf das von ihm gemeinte Objekt, ohne seinen Chauffeur dabei anzukucken.

Toshi´s Augen folgten dem Fingerzeig und sein Blick fiel auf einen alten, kleinen Second-Hand-Laden: 'Cinderella´s Place' stand mit blauer, verwaschener Farbe auf einem grauen Schild über dem kleinen Schaufenster. Hier war die Band zu tiefsten Indie-Zeiten eiserner Stammgast gewesen und sie hatten sich dort für wenig Geld teilweise die ausgefallensten Klamotten gekauft.

„Weißt du noch wie du dir dieses unmögliche T-Shirt gekauft hast?“ Yoshiki lächelte leicht bei dieser Erinnerung.

Auch Toshi musste schmunzeln. Das Shirt hatte eine deutliche Kastenform mit entsprechendem Ausschnitt und breiten, horizontal verlaufenden weiß-schwarzen Streifen gehabt. Es hatte definitiv eine sträflinghafte Ausstrahlung. „Natürlich erinnere ich mich an das gute Stück“, gestand er mit sanfter Stimme. „Du hast mich ja jedes Mal damit aufgezogen, wenn du mich darin hast rumlaufen sehen.“

Ein kaum erkennbarer Rotschleier legte sich auf Yoshiki´s Wangen. Er hatte wieder das Bild vor Augen, wie Toshi sein frisch erstandenes Shirt gleich am Körper behielt und aus dem Laden trat. Von dem Moment an hatte Toshi den Sträflingsvergleich aufgebrummt bekommen und musste sich so manch alberne Kommentare von Yoshiki und den anderen gefallen lassen. Aber Toshi stand voll und ganz zu seiner neuen Mode. Und dafür hatte Yoshiki ihn noch ein Stückchen mehr respektiert als er es ohnehin schon tat. Doch nun kamen auch Bilder aus der Erinnerung auf, in denen Taiji ihre Bühnenkostüme nähte, ausbesserte und verzierte. Wie er gekaufte Klamotten aus 'Cinderella´s Place' umänderte und bemerkenswerte Unikate daraus erstellte. Taiji...... Was wäre wohl gewesen wenn er schon damals gewusst hätte, wie nah sie sich eines Tages mal sein würden? Und wie fern.....? Der schlanke Mann mit den femininen Zügen war so weit in seinen Gedanken vertieft dass er gar nicht mitbekommen hatte dass Toshi sie schon wieder zu sich nach Hause gefahren hatte. Erst als der Fahrer das Auto bremmste und den Motor abstellte blickte Yoshiki auf um zu schauen was los war.

Leicht verwirrte Augen trafen Toshi und er lächelte dem Freund nur warm zu. „Genug für diese Nacht. Jetzt kommst du erst mal mit mir rein und ich mach uns ´nen Tee.“
 

Schon eine ganze Weile starrte er stumm in die hellbraune, heisse Flüssigkeit in seinem Teebecher, ohne auch nur einen Schluck davon genommen zu haben. Und obwohl er schon eine halbe Ewigkeit seinen Blick nicht mehr erhoben hatte, wusste er doch dass Toshi nach wie vor neben ihm saß und ihn abwartend, wie immer, anschaute. Er wusste dass er sich auffällig benommen hatte und es auch immer noch tat und er wusste auch dass Toshi verdammt viel Geduld hatte wenn es darum ging heraus zu bekommen, was mit seinem Freund los war. Das alles wusste er – und dennoch wagte er es kaum, seine Gedankenwelt offen zu legen. Er seufzte leise und umschloss das warme Behältnis mit beiden Händen, als würde es ihm Kraft spenden können. „Ich....weiß nicht mehr, was richtig ist“, gestand er schließlich, ohne jedoch seinen Blick vom Tee abzuwenden.

Toshi nahm einen Schluck aus seinem eigenem Becher, behielt ihn in der Hand anstatt ihn wieder abzusetzen. „Worauf bezieht sich das?“ Seine Stimme klang ruhig und gelassen.

Yoshiki kämpfte innerlich mit sich selbst. Wieviel konnte er Toshi sagen? Wieviel durfte er ihm sagen ohne ihn zu tief in etwas mit hinein zu ziehen, wohin er niemanden mit hinein ziehen wollte? Was war erlaubt?

Als hätte der Blonde die Gedanken seines Freundes gelesen, legte sich plötzlich eine Hand um den schmalen Unterarm des Leaders. „Du weißt, dass ich immer für dich da bin“, sprach er in vertrautem Ton. „Was auch immer sein mag, ich halte zu dir. Möge kommen was wolle.“

Seit sie die Wohnung betreten hatten war es nun das erste Mal, dass Yoshiki ihm in die Augen blickte. „Ich weiß nicht mehr ob es richtig war, Taiji zu feuern.“ Yoshiki´s Stimme kam einem hilflosem Fiepsen gleich.

Toshi´s Hand streichelte den Arm des anderen. „Ich weiß, was du meinst. Ich finde es auch seltsam mir vorzustellen, dass er in Zukunft nicht mehr dabei sein wird.“

Doch Yoshiki schüttelte den Kopf. „Nein, bei aller Liebe Toshi, aber du weißt nicht was ich meine. Ich liebte ihn.“ Um ein Haar hätte er diese Aussage in der Gegenwart vollzogen. „Ich liebte ihn und ich vertraute ihm. Er war ein erstklassiger Basser und ich habe ihn von mir gestoßen....um X zu beschützen.“ Bei den letzten Worten senkte er wieder seinen Kopf. Dabei hat er mich immer beschützen wollen, hätte er fast ganz leise hinzugefügt, doch behielt er diesen Satz letztendlich doch für sich.

In Toshi´s Augen war eine Spur von Verwirrtheit zu erkennen. „...um X zu beschützen? - Vor ihn?“

Yoshiki antwortete nicht. Zumindest nicht sofort. „Taiji hat etwas gemacht.......was nicht gut war“, kam es schließlich im gedämpftem Ton und mit nuschelnder Stimme doch noch von ihm.

Der Sänger blinzelte. Er hatte eigentlich gedacht, alles über den Rausschmiss zu wissen. Er hatte eigentlich gedacht, das Thema sei durch. Klar war die Wunde noch sehr frisch, auch bei ihm und natürlich würde der Schmerz über den Verlust noch eine ganze Weile anhalten. Aber das was Yoshiki da sagte klang so, als gäbe es noch einen unoffiziellen Grund für den Rausschmiss, eine zweite Seite. Erwartungsvoll sah er dem jungen Drummer ins Gesicht.

Dieser wand Selbiges dem Freund aus Kindertagen wieder zu. Die braunen, verzweifelten Tiefen hefteten sich hilfesuchend an die so wohlvertrauten Augen des Anderen.

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„Bist du sicher?“ Toshi fixierte die glasigen Augen seines langjährigen Freundes.

„Ich hab´s doch selbst gesehen!“ Die Antwort klang verzweifelt. Der Drummer blickte den Kleineren hilfesuchend an.

Dieser senkte seinen Kopf mit einem hörbaren Seufzer, dachte nach. „Hast du ihn darauf angesprochen?“

Nun senkte auch Yoshiki seinen Kopf, jedoch stillschweigend.

Für Toshi aber war das Antwort genug. Ruckartig erhob er wieder seinen Blondschopf. „Du hast ihn gefeuert ohne ihn zu fragen ob die Sache wirklich so stimmt?“

„Was gibt es da denn noch zu fragen, Toshi?“ Die Verzweiflung in seinen Augen, die sich nun wieder seinem Gesprächspartner zuwandten, schien noch immer weiter zu wachsen. „Hätte die Presse davon Wind bekommen, wäre das X´s Todesurteil gewesen!“ Seine Stimme zitterte. „.....ich will X nicht verlieren.....“, folgte kurz darauf als heiseres Schluchzen. Yoshiki saß zusammengesunken am Tisch, sein Anblick war jämmerlich.

Der beste Freund aus Kindertagen beugte sich zu ihm rüber und liebkoste den knochigen Rücken, an dem sich jede einzelne Rippe auch noch durch die Kleidung hindurch erfühlen ließ. Er spürte das leichte Beben des Körpers und wusste dass der Freund stumm weinte, obgleich er dessen Gesicht hinter all den vorhängenden Haaren nicht erkennen konnte. Was ist das nur für eine verfahrene Situation, dachte Toshi bei sich und streichelte den Anderen gleichmäßig weiter. Wenn das, was er soeben erfahren hatte, stimmte, und er hätte nicht gewusst warum Yoshiki ihn diesbezüglich anlügen sollte, dann gab es tatsächlich nur zwei Lösungen: Mit Taiji reden oder ihn von sämtlichen Bandaktivitäten auszuschließen. Warum Yoshiki Ersteres nicht getan hatte wusste er nicht. Vielleicht war es Angst. Die Angst, der er jetzt auch ausgesetzt war. Die Angst vor Verlusten. Und doch hatte er mit dieser Entscheidung auch Einen gemacht. Taiji´s Fehlen war für den Leader ein größerer Verlust als er je offen zugeben würde.

Als schließlich doch noch ein, scheinbar entflohenes, Wimmern zu hören war Welches wohl nicht mehr zurück gehalten werden konnte, stand Toshi auf, ging um den Tisch herum und zog Yoshiki in seine Arme.

Dieser nahm die Geste sofort an, klammerte sich regelrecht an den Anderen, presste sein Gesicht an dessen Schulter und ließ weitere Schluchzer verlauten.

„Shhhhhh....Yoshiki, es wird alles wieder gut“, wisperte er beruhigend, obwohl er gerade nicht den blassesten Schimmer hatte, wie das möglich sein sollte. Nach alledem was passiert war.... Er hatte Yoshiki schon öfters nach Streits mit Taiji erlebt, er wusste dass Yoshiki nie beabsichtigte einem Menschen ernsthaften Schaden zuzufügen – erst recht nicht Taiji -, er wusste wie schmerzhaft es jedes Mal für Yoshiki selber war – und doch passierte es immer mal wieder. Scheinbar waren solche 'Ausbrüche' unvermeidbar, so schien es ihm mittlerweile zumindest. Toshi erinnerte sich an einen Tag aus ihrer Indie-Zeit, als Yoshiki ihm davon erzählt hatte dass er auf Taiji eingedroschen hatte, nur weil Dieser sich eine Zigarette anzündete kurz nachdem Yoshiki es selber getan hatte und er sich durch diese vermeintliche 'Nachahmung' provoziert gefühlt hatte. Es hatte keinen ernsthafteren Grund gegeben ausser dieser Banalität, aber Yoshiki war völlig ausgerastet und hatte auf den jüngeren Bassisten eingeschlagen, während er selber anfing zu heulen... Manchmal hatte Toshi das Gefühl, Yoshiki´s Inneres sei so zwiespältig wie dessen Stachelfrisur aus früheren Tagen.
 

Torkelnd setzte ein Stiefel vor den anderen, das schlurfende Geräusch der Sohlen drang deutlich durch die schmale Seitenstraße; plötzlich verfing sich die rechte Stiefelspitze hinter dem linken Absatz, der Träger ging mit einem Ächzen zu Boden. Die Unterarme stützten den laschen Körper, der für einen Moment reglos auf dem Gehweg verweilte. hide hob langsam seinen Kopf und lugte durch eine blonde Haarsträhne, bevor er sich selbst wieder hochstemmte, nur um den noch verbleibenden Weg ebenfalls torkelnd fortzusetzen. Er blinzelte, doch sein Blick wollte nicht mehr klar werden. Ob heath wirklich für sie spielen würde? Wenigstens als Aushilfe? Sie brauchten einen neuen Bassisten für die kommenden Aufnahmen und solange er nicht rausgefunden hatte weshalb genau Taiji nun gehen musste, musste Ersatz her. Der Gedanke, Taiji nie wieder bei X zu haben, den verbannte hide nach ganz ganz weit hinten in seinen Kopf. heath konnte Taiji zwar spieltechnisch nicht das Wasser reichen, aber schlecht war er auch nicht und für vorübergehend war er sicherlich eine gute Wahl. Ausserdem war er ein netter Kerl und der Gitarrist war sich sicher, dass die anderen ihn auch mögen würden. Er streckte die Hand zur nebstliegenden Hauswand aus um während des Gehens noch einen weiteren Halt zu haben. Plötzlich breitete sich ein unübersehbares Grinsen auf seinem Gesicht aus. Hatte heath ihn doch tatsächlich gefragt ob sie für ihn ein Taxi rufen sollten. Als ob er neuerdings nach ein paar netten Drinks nicht mehr allein nach Hause finden würde. Der Junge war echt süß mit seiner fürsorglichen Art. - Wieder ein Stolpern, doch diesmal konnte er noch rechtzeitig das Gleichgewicht halten. Ob er mal mit Toshi sprechen sollte? Toshi war Yoshiki´s Vertrauter Nummero Uno, vielleicht hatte der Boss mit ihm näher über diese Taiji-Sache gesprochen. Seine Augenlider wurden schwerer, fielen ihm für immer längere Zeit zu. Seine Beine fühlten sich auch stets mehr nach Blei an. Sein Körper verlangte ganz eindeutig rasch nach einem Bett. Wie lange er wohl noch nach Hause brauchte? Wo war er jetzt überhaupt...? Mühevoll blinzelnd versuchte hide das nächste Straßenschild ausfindig zu machen, doch das stand noch zu weit weg als dass er durch seine unklare Sicht den Namen hätte lesen können. Er fluchte darüber dass seine Füße nicht immer in die Richtung wollten in die er wollte, rempelte unkontrolliert einen entgegenkommenden Passanten an und flog darauf fast schon wieder hin, konnte sich nur noch in letzter Sekunde an der Hauswand festhalten. Während hide seinen betrunkenen Weg nach Hause versuchte zu beschreiten, wanderte Yoshiki´s jüngerer Bruder alleine auf der Parallelstraße in entgegengesetzter Richtung durch die Nacht.....
 

Brummend fuhr er sich mit einer Hand durch´s Gesicht und drehte sich träge zur Seite. Ganz langsam öffnete er seine Augenlider einen schmalen Spalt weit und blinzelte vorsichtig.

Halbdunkel.

Die Augenlider öffneten sich zögerlich ein Stückchen weiter und der noch nicht ganz klare Blick huschte orientierungslos umher. Schließlich hob hide den Kopf um ein besseres Bild seiner aktuellen Umgebung zu bekommen. Ein paar unsortierte Bücher in den Regalen, haufenweise herumliegende Cassettentapes, eine große verwelkte Blume in einer durchsichtigen Vase auf dem Schrank, terracottafarbene Vorhänge vor dem Fenster und Blümchenbettwäsche. Pata´s Schlafzimmer. Hier war er schon so einige Male wach geworden. Aber was suchte er diesmal hier? Erneut fuhr er sich durch´s Gesicht, als fast im gleichem Moment der Hausherr persönlich den Raum betrat. „Gut geschlafen?“, fragte er fast wie beiläufig als er zum Fenster hinüber ging und die Vorhänge beiseite zog um das Zimmer mit Licht zu fluten.

Leise murrend wand hide seinen Kopf dem grellen Sonnenlicht ab, Welches ihm da so plötzlich entgegen strahlte. „Wie immer“, kam die träge Antwort während er sich langsam aufrichtete und sich mittlerweile den Kopf hielt. „Aber....wie komm ich überhaupt hier her?“ Nun blickte er zum ersten Mal an diesem Tag in Pata´s Gesicht.

„Auf deinen zwei Beinen, nehm ich an. Zumindest standest du noch auf denen als ich dich letzte Nacht vor meiner Haustür aufgegabelt hab als ich vom Einkaufen wieder kam.“ Und damit wanderte Pata auch schon wieder durch die Tür und ließ seinen Freund alleine im Schlafzimmer zurück, meinte aber noch etwas lauter aus dem Flur: „Du weißt ja wo die Sachen stehen!“

hide konnte sich ein unwillkührliches kleines Grinsen nicht verkneifen. Es war nämlich nicht das erste Mal dass er nach einer seiner Sauftouren bei Pata gelandet war. Der sanftmütige Freund hatte seit einiger Zeit ein zweites Handtuch und eine zweite Zahnbürste, mehr oder weniger für hide, in seinem Badezimmer deponiert um genau für solche Fälle gerüstet zu sein. Noch leicht schlaftrunken machte sich der blonde Gitarrist auf dem Weg zum Bad und stolperte schon in der Schlafzimmertür beinahe über Kotetsu, eine von Pata´s beiden Katzen, die sich gerade gemütlich ins frei gewordene Schlafgemach begeben wollte.

Keine Viertelstunde später saß er am Küchentisch wo Pata ihm kommentarlos ein Glas Wasser inklusive Aspirin vor die Nase setzte. hide blinzelte den jüngeren, aber oftmals älter wirkenden Freund an; sie kannten sich mittlerweile schon so gut dass in manchen Situationen gar keine Worte mehr nötig waren. Dennoch beförderte er die Tablette leicht abwesend und mit nachdenklichem Gesichtsausdruck in sein Körperinneres. Er zögerte kurz, bevor er seine Frage stellte. „Was hab ich letzte Nacht gemacht?“

„Nicht mehr viel, zumindest nicht seit du bei mir aufgetaucht warst“, kam die Antwort von Pata, der sich gerade seinen Kaffee zusammenbraute. „Du standest vor meiner Tür und hast ununterbrochen auf meinen Klingelknopf gedrückt, als sei dein Finger daran festgewachsen. Selbst als ich schon längst neben dir stand.“ Mit routinierten Handgriffen nahm er eine Dose Katzenfutter aus dem Küchenschrank, öffnete sie und verteilte die matschige Pampe in zwei Futterschalen. „Du hast nur unverständliches Zeug geredet, wovon ich fast nichts verstanden habe.“ Die Futterschalen wurden nun auf den Fußboden unter dem Küchenfenster gestellt und sofort tapperte eiligst Kotaru, die zweite Katze des sanftmütigen Musikers, an und begutachtete neugierig den frischen Inhalt der Schalen. Pata beobachtete seine kleine Flauschbombe lächelnd. „Ich hab dich dann mit zu mir hochgenommen.“ Nun wand er sich endlich hide zu. „Also im Grunde so wie immer.“ Ein leichtes, verschmitztes Schmunzeln lag noch auf seinen Lippen.

hide hatte ihm nur stumm zugehört. Etwas abwesend starrte er vor sich hin und hielt noch immer mit beiden Händen das inzwischen völlig geleerte Wasserglas fest.

Pata registrierte die Abwesenheit des Anderen und setzte sich ihm gegenüber an dem kleinen Holztisch. „Ich hatte das Gefühl, du wolltest mir irgendwas mitteilen...aber bei dem was du schon intus hattest, hab ich einfach nichts mehr verstanden. Ich glaub, du hast dauernd irgendeinen Namen gesabbelt...“

Irgendwie waren das gerade vertauschte Rollen was die Sprachintensität anbelangt, ging es dem Älteren durch den Kopf... Doch plötzlich durchfuhr es ihn wie einen Blitz und seine Augen hefteten sich ruckartig an Pata´s. „Namen?“

Der Lockige zuckte nur mit den Schultern. „Wie gesagt, ich hab nichts Genaues verstanden.“ Er stand wieder auf und begab sich zu der Kaffeemaschine, die sich ihrer Arbeit allmählich dem Ende zuneigte.

hide starrte in das leere Glas. Ob es heath´s Name war, den er da dauernd von sich gegeben haben soll? Ob er seine Idee, heath als Aushilfsbassist zu nehmen, in seinem Suff schon wieder aller Welt mitteilen wollte? Warum verlor er nur immer so die Kontrolle über sich und sein Handeln wenn er etwas getrunken hatte...? Plötzlich schob sich ihm ein Becher Kaffee entgegen. Wortlos blickte er Pata an, der den Blick nur stumm erwiderte. Diese warmen, dunklen Teddyaugen waren so vertraut... Er war wirklich wie ein großer Bruder zu ihm. „Magst was essen?“, fragte besagter großer Bruder schließlich.

hide, dem jetzt erst auffiel dass sein Kater gar nicht so stark war wir ursprünglich angenommen und der mittlerweile sogar Appetit verspürte, nickte nur. Er beobachtete Pata dabei, wie Dieser nun wieder aufstand und ein paar einfache Scheiben Brot zubereitete. Plötzlich fiel dessen Blick jedoch auf den Wandkalender und er hielt einige Momente inne.

„Sag mal....steht für heute eigentlich eine Probe an?“, wollte der Lockenkopf wissen, ohne seinen Blick vom Kalenderblatt abzuwenden.

„Ja, wieso?“ hide´s Aufmerksamkeit steigerte sich unwillkürlich.

Nun wand er seinen Blick wieder ab und widmete sich der Fertigstellung des Frühstücks. „Nur so....“, war murmelnd von ihm zu vernehmen.

Die Augen des blonden Gitarristen warfen einen kurzen Blick auf den Kalender, dann wieder auf Pata, der ihm in diesen Momenten gerade das Frühstück servierte. Seit wann war sich Pata nicht mehr über einen vereinbarten Termin zur Probe sicher? Auch in der knappen Antwort schwang ein auffällig unauffälliger Ton mit. Ganz so, als ob er noch etwas vorgehabt hätte.... Innerlich stöhnte hide auf. Irgendwie war ihm das derzeitig zu viel Geheimniskrämerei in seinem Umfeld.
 

Mit lustloser Mine schlenderte Taiji am Fisch- und Fleischregal entlang, doch wirklich interessieren tat ihn das alles nicht. Ab und an griff er nach einer Packung Wurstscheiben, Tintenfischringen oder Lachsfilet, legte sie jedoch nach knappen näherem Betrachten wieder zurück an ihren vorherigen Platz. Es war demotivierend einzukaufen wenn man keinen Hunger hatte und nicht die geringste Idee besaß womit man seinen Kühlschrank für die nächsten paar Tage füllen könnte. Eigentlich hatte er auch gar keine Lust sich über soetwas Gedanken machen zu müssen, aber der Körper verlangte ja hin und wieder nach Nahrungsaufnahme... Die letzten Tage hatte er nicht wirklich viel zu sich genommen und allmählich glaubte er sein Kreislauf würde sich Dank dessen schon bemerkbar machen. Dass er bereits an Gewicht verloren hatte, hatte er selbst noch gar nicht bewusst realisiert. Nun stand er schließlich in einer der langen Schlangen an der Supermarkt-Kasse – und sein Einkaufskorb war zum Großteil mit Reisbällchen, Krabbenchips, getrocknetem Tintenfisch und anderen snackänlichen Gebilden gefüllt. Die ausgewogene Ernährung musste noch auf sich warten. Bei der Anzahl von Menschen die noch vor ihm standen würde es wohl noch eine Weile dauern bis er an die Reihe kam. Gedankenverloren schweifte sein Blick über die Menschen vor und um ihn herum. Gebügelte Geschäftsmänner, dazwischen vereinzelte Geschäftsfrauen, eine Menge Hausfrauen, nicht selten mit ein oder zwei Kindern an der Hand oder auf dem Arm, Schüler in Uniformen.....angepasst, gesittet und geordnet.......eigentlich passte er gar nicht wirklich hierher, ging es dem jungen Musiker durch den Kopf. Schon allein wegen seiner Tattoos würde er hier im Supermarkt garantiert einige seltsame Blicke erhaschen, wären seine Tattoos nicht von Pulli und Jacke verdeckt gewesen. Überhaupt fühlte er sich stets wenig hingezogen zu den konventionellen Menschengruppen, von denen er sich jedoch oft genug umzingelt fühlte. Er suchte sich stets die Schlupflöcher, suchte stets den Kontakt zu Leuten denen es ähnlich ging wie ihm, die noch daran glaubten dass es noch etwas anderes geben musste als das was der Großteil der Gesellschaft ihnen vorleben wollte. Wenn er sich zurück erinnerte, war er eigentlich schon immer so gewesen, wofür er in der Schule sowohl verachtet als auch bewundert wurde. Seine Eltern hatten es sicherlich nie wirklich leicht mit ihm gehabt, aber Taiji fühlte sich auf seinem eigenem Weg wohler und ehrlicher, als wenn er den bereits vorgefertigten Weg der Masse beschritten hätte. Obwohl er immer mehr das Gefühl bekam, dass sein Weg auch der Einsamere war...

„Taiji Sawada, richtig?“

Die fremde Stimme, die unmittelbar hinter ihm erklang, riss ihn schlagartig wieder aus seinen Gedanken und er drehte sich rasch um. Seinen Namen hatte er in letzter Zeit eher selten zu hören bekommen. Vor ihm stand nun ein Mann, dessen Gesicht ihm zwar irgendwie bekannt vor kam, er es aber nicht einzuordnen schaffte. „Richtig. Und wie darf ich dich nennen?“ Wie unhöflich für einen Japaner, gleich zur Begrüßung eines scheinbar Fremden so ungehalten zu reagieren...

„Akira Takasaki“, antwortete der Gefragte sogleich und schien sich von Taiji´s Direktheit in keinster Weise angegriffen zu fühlen.

Der Bassist jedoch erkannte nun schlagartig, in dem Moment der Namensnennung, wen er hier vor sich zu stehen hatte.

the frozen butterfly

Taiji blinzelte. „Akira Takasaki“, wiederholte er, „du bist von Loudness, ne?“ Im selben Augenblick hätte er sich dafür auf die Zunge beissen können. Warum fragte er so blöd nach, wenn er es eh wusste?

Sein Gegenüber jedoch grinste nur leicht und nickte. „So ist es. Und du bist seit neuestem arbeitslos hab ich gehört?“

Der ex-X-Bassist blickte ihn nur stumm an, während sich ein blasser, kaum wahrnehmbarer Rotschleier auf sein Gesicht legte. Für einen kurzen Moment hatte er seine derzeitige Situation vollkommen vergessen, doch dann musste ihn dieser Akira wieder brutal auf den Boden der Tatsachen zurück holen. Schließlich nickte er nur ganz knapp. „Ja.“

„Uhm, hast du vielleicht Lust bei uns mit zu machen? Unser Bassist hat uns seit letztem Jahr im Regen stehen lassen.“ Akira klang so unkompliziert, als er ihm dieses Angebot machte.

Taiji jedoch starrte ihn ungläubig an. Er bei Loudness? Von X zu Loudness? War das hier ein Traum?

„Man, ich hatte dich etwas wortgewandter erwartet“, gestand Loudness´ Gitarrist etwas verlegen, war ihm jetzt wohl doch erst bewusst, was für einen Eindruck das auf den jungen Bassisten machen musste, was er ihm gerade anbot.

„Willst du mich hier verscheissern oder ist das dein Ernst?“ Der Cowboy war von dieser Vorstellung noch immer baff und realisierte daher auch nicht dass sich hinter ihm inzwischen schon eine mindestens einen Meter breite Lücke in der Schlange gebildet hatte da die Kunden derzeitig an der Kasse alle schnell rankamen und er daher schon längst hätte aufrücken müssen – was er aber nicht tat da er mit Akira redete und daher falsch herum stand.

„Ganz bestimmt nicht“, versicherte er ihm. „Ich dachte nur du hättest vielleicht Interesse, immerhin hast du eine Menge Potential.“ Gleichzeitig deutete er mit dem Zeigefinger hinter Taiji, da nun doch schon die ersten Leute hinter seinem eigenem Rücken etwas unruhig wurden, warum die beiden 'Wilden' nicht in der Schlange weiter gingen.

Taiji holte den Abstand in der Reihe entschuldigend auf, wand sich dann aber wieder Akira zu. 'Potenzial'...wann hatte er dieses Lob das letzte Mal von Yoshiki zu hören bekommen? „Wann soll´s los gehen?“
 

Knurrend brach Yoshiki das Lied ab, das sie gerade spielten.

Toshi´s Gesang erstarb nur eine Sekunde später, die Gitarren waren es die als Letztes verstummten.

Mit schmalen Augenschlitzen blickte er in die Runde. „Verdammt Leute, wieso könnt´ ihr heute kein einziges Mal den Takt halten? Wir spielen das Stück doch nicht zum ersten Mal!“, zischte der Boss und schaute vom einem zum anderem.

„Wir sind nicht die einzigen die nicht im Takt bleiben“, antwortete hide daraufhin nur.

Yoshiki starrte sofort den blonden Gitarristen an, seine blitzenden Augen wurden gleich noch etwas schmaler. „Fall du mir noch in den Rücken, hide“, fauchte er gefährlich. „Ihr habt euch an meine Vorgaben zu halten – warum tut ihr das nicht, verflucht?!“ Bei den letzten Worten begann seine Stimme wieder zu zetern.

„Yoshiki, ist gut“, versuchte Toshi ihn zu beruhigen und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Der Drummer jedoch schien die Hand entweder gar nicht zu spüren, oder aber verdammt gut zu ignorieren. Jedenfalls erhob er sich nun abrupt, ließ seinen giftigen und kampfbereiten Blick jeden in diesem Raum spüren. „Wenn ihr nicht in der Lage seid vernünftig zu spielen könnt ihr auch wieder nach Hause gehen! Was macht ihr überhaupt noch hier?“ Seine Stimme betrat wieder den Bereich der Hysterie.

„Nun komm aber mal wieder runter, Yo-chan! Es ist einfach scheiße zu proben ohne Basser“, meinte hide, der sich von der gelegentlichen Reizbarkeit des Bosses nicht mehr beeindrucken und statt dessen einen giftgrünen Kaubonbon aus einem buntem Stück Papier befreite und in seinem Mund verschwinden ließ.

„Dann übernimm du den Bass solange wir keinen neuen Ersatz haben! Pata kann seine Gitarre auch alleine spielen. Wieso muss man euch eigentlich immer alles sagen, wieso denkt ihr nicht selbst nach?“, keifte der knochige Drummer noch, bevor er seine Drumsticks wütend auf den Boden pfefferte und ohne Umwege schnurstracks den Proberaum verließ.

hide stöhnte leise auf. So sehr er Yoshiki auch mochte, aber manchmal konnte dieser Typ einfach furchtbar anstrengend sein. Er griff nach seiner eigenen Jacke, da er nicht den gleichen Fehler wie Yoshiki machen wollte bei den Temperaturen die draussen herrschten ohne Jacke vor der Tür zu stehen, und verließ ebenfalls den Raum um den Freund wieder auf den Boden zu kriegen.

Pata und Toshi blieben alleine zurück. Pata nutzte dies sogleich für eine Zigarettenpause.

Toshi´s Blick verweilte noch ein wenig auf der Tür. „Wenn Taiji noch hier wäre wäre er jetzt draussen bei Yoshiki und nicht hide“, murmelte er, wand seinen Blick schließlich von der Tür ab.

Pata blickte auf. „Oder Taiji wäre der Grund gewesen, weswegen Yoshiki wieder ausrastete“, entgegnete er ruhig mit seiner glimmenden Zigarette zwischen den Fingern.

Der Sänger schaute ihn an. „Taiji und hide konnten ihn immer am besten wieder beruhigen.“ Er zögerte eine Weile, bis er fortfuhr: „Wenn einer von ihnen aufgebracht und wütend war, schafften es die anderen beiden immer den einen wieder zur Ruhe zu bringen. Sie ergänzten sich gegenseitig....“ Toshi´s Blick schien mittlerweile abwesend ins Leere gerichtet.

Der qualmende Gitarrist sah sich seinen Gesprächspartner an. Irgendwie hatte er damit Recht...
 

Die erste gemeinsame Probe mit Loudness funktionierte besser als Taiji sich vorgestellt hatte. Die drei Jungs waren alle sehr umgänglich und er kam von der ersten Sekunde an bestens mit ihnen zurecht. Auch das gemeinsame Zusammenspiel funktionierte. Beinahe so, als hätten sie alle schonmal gemeinsam mit ihm gespielt. Masaki, Akira und Munetaka waren angenehme Zeitgenossen mit denen Taiji jederzeit ein Bier trinken gegangen wäre. Vielleicht lief das gemeinsame spielen deswegen so gut. Vielleicht passte er hier einfach her.....

Den drei Jungs von Loudness schien er auch zu gefallen. „Dieser Yoshiki muss doch nicht ganz dicht gewesen sein, so ein Talent wie dich einfach rauszuschmeissen“, kam es von Munetaka hinter seinen Drums, als sie ein Lied zu Ende gespielt hatten. „Laufen ihm die Plattenverkäufe im Moment zu gut?“

Taiji schenkte dieser Bemerkung nur ein verlegenes Lächeln und ein Achselzucken. Man verabredete sich für den nächsten Tag zur zweiten Probe und Taiji bedankte sich bei den Jungs für die herzliche Aufnahme in der Band. Dann nahm er seinen Bass und machte sich auf den Weg auf die Straße zu seinem Auto. Selbiges schloss er rasch auf, verfrachtete sein Instrument auf den Rücksitz und setzte sich hinter´s Steuer. Bevor er den Zündschlüssel ins Schloß steckte rieb er sich die kalten Hände. Wenn´s nach ihm ginge könnte es ruhig bald Frühling werden; er sehnte sich nach milderen Temperaturen... Um sein Auto zu starten brauchte er diesmal drei Anläufe. Die alte Klapperkiste schien wohl langsam auch schon in die Jahre gekommen zu sein. Lange würde sie es wohl nicht mehr machen denn bereits bei der letzten Reparatur vor gut einem halbem Jahr wurde ihm geraten, sich besser nach einem neuen Auto umzusehen. Doch das hatte erst einmal Zeit, fand Taiji. Ausserdem hatte er auch noch sein treues Bike, welches ihm nicht so schnell die Dienste verweigern würde.

Die Fahrt nach Hause dauerte nicht lang. Dort angekommen nahm er seinen Bass wieder an sich, schloss die Haustür auf und betrat das Treppenhaus. Da er es heute bisher verpasst hatte öffnete er auch sogleich mal seinen Briefkasten und befreite den dort eingepferchten Inhalt. Rechnungen, Rechnungen, Rechnungen, eine Tageszeitung – und ein schneeweißer Umschlag ohne Absender. Nur der Vorname des Empfängers stand drauf: TAIJI. Fein säuberlich und mit schwarzer Tinte geschrieben sprangen die großen Buchstaben, die seinen Namen bildeten, ihn regelrecht an. Diese Art einen Briefumschlag zu beschriften erinnerte ihn irgendwie an Yoshiki. Er wendete den Brief, doch auch auf der Rückseite war kein Absender vorhanden. Einen Moment zögerte der junge Musiker, dann riss er den Umschlag auf. Eine Karte fand er darin vor auf der ein gefrorener und vereister Schmetterling zu sehen war auf einem ebenso vereistem, dünnem Zweig. Der Falter sah aus als würde er jeden Moment die Flügel aufschlagen und davon fliegen, doch hinderten ihn daran die tausenden von erbarmungslosen Eiskristalle, die ihn gnadenlos gefangen hielten. Die Rückseite der Karte war beschriftet: 'Lust heute Abend zum Essen vorbei zu kommen? Hiroki', las er. Taiji blinzelte. Dass Hiroki es für nötig hielt ihm eine Karte zu schreiben.... Wo er doch so gut drin war Leute zu kidnappen die er bei sich haben wollte, dachte er zynisch und ging nachdenklich mit seinem Instrument, der Post und der Zeitung hoch zu seiner Wohnung.
 

Es klingelte.

Der Blondschopf blickte zur Uhr. Zwei Minuten vor acht. Überpünktlich sogar. Zufrieden grinsend begab Hiroki sich zur Wohnungstür und öffnete sie. Er erhielt genau den Anblick, den er erwartet hatte.

Taiji stand in der Tür, mit einem ungewohntem und nicht leicht definierbarem Gesichtsausdruck, jedoch konnte man ihm ansehen dass ihm eine Frage ganz heiß auf der Zunge brannte – und im nächsten Augenblick sprach er Diese auch schon aus. „Was soll die Karte?“ Er hielt ihm Selbige unter die Nase.

„Wenn du sie gelesen hast wirst du wissen was sie soll“, antwortete Hiroki nur gewohnt ruhig und machte eine einladende Handbewegung.

Taiji zögerte einen Moment, ließ seinen Blick rasch an dem Jüngeren vorbei durch das Wohnungsinnere huschen, bevor er schließlich doch eintrat. Warum er das tat – wusste er in diesem Augenblick auch nicht.

Ohne viele Worte geleitete der Gastgeber den Älteren in die Küche. Und kaum hatte Taiji eben Diese betreten, blieb er wie angewurzelt stehen. Der Tisch war gedeckt und verziert, nicht übertrieben aber dennoch recht ansehnlich. Es roch nach frisch gebratenem Fleisch und einer noch undefinierbaren Soße. Keine Frage – Hiroki hatte gewusst dass er kommt. Schlagartig fiel ihm wieder das letzte Abendessen mit Yoshiki ein, wie Dieser sich alle Mühe gegeben hatte und für sie beide was gekocht hatte....zum Abschied. Taiji bekam für einen Augenblick ein flaues Gefühl im Magen – und das lag nicht an seinem Hunger. Schnell versuchte er sich wieder zu fassen und wand seinen Blick Hiroki zu. „Du glaubst doch nicht, dass ich auch nur noch ein Mal was bei dir esse oder trinke. Du hast mich zwei Mal deine Hexenküche spüren lassen. Ein drittes Mal fall ich darauf nicht rein.“

Hiroki lachte leise auf. „Junge, du klingst so als würde dir Sex keine Freude machen“, schmunzelte er und spielte damit auf die Wirkungen an, die seine sogenannte 'Hexenküche' bei Taiji in der Vergangenheit herbeigeführt hatte. „Aber ich kann dich beruhigen: Diesmal ist absolut nichts untergemischt, was deine Erregung ungewohnt steigern könnte.“ Er schmunzelte. „Ausser natürlich, dir geht beim bloßen Anblick von Essen schon Einer ab.“

Taiji knurrte leise. Er hasste es von diesem Menschen provoziert zu werden und so wand er sich um und ging geradewegs auf die Wohnungstür zu.

Hiroki rührte keinen Finger, blieb in der Küche stehen. „Bist du sicher dass du zurück in die Kälte möchtest...? Dorthin wo niemand mit einer warmen Mahlzeit auf dich wartet?“

Diese Worte zeigten Wirkung. Noch bevor er seine Hand zum Türknauf ausgestreckt hatte, blieb der Cowboy im Flur stehen. Spürte einen unangenehm kalten Schauer über den Rücken laufen. Er hatte Recht, da draussen wartete tatsächlich niemand auf ihn. Es wartete niemand auf ihn........ Hier drinnen war jemand der Interesse an ihm hatte, Interesse das über das Berufliche hinaus ging, Interesse an seiner Person..... Taiji hätte später nicht sagen können wie lange er da im Flur stand, ob es eine halbe Ewigkeit war oder nur wenige Sekunden, aber schließlich kehrte er der Tür, auf die er vorhin noch so zielsicher zugestürmt war, den Rücken zu und setzte langsam abermals einen Fuß vor den Anderen in Richtung Küche.

Hiroki blickte ihn an, nun nicht mehr mit einem spöttischem Grinsen im Gesicht sondern mit Mitgefühl. Als der Cowboy wieder vor ihm stand streckte er beide Arme nach ihm aus und zog den Anderen zu sich heran.

Taiji ließ es einfach geschehen, spürte wie er gegen den schmalen Körper des Jüngeren sank und von dessen Armen gehalten wurde. Spürte dass da jemand war der ihn nicht von sich stieß. Spürte Wärme. Eine Wärme die er mit den alles zertrümmernden Worten „Bitte verlass uns“ auf Ewig zu verlieren geglaubt hatte. Eine Wärme voller Verständnis.

different points of view

„Ich weiß wie das ist plötzlich zur Seite gestoßen zu werden. Ich weiß wie das ist von einem geliebten Menschen enttäuscht zu werden.“ Er streichelte Taiji gleichmäßig über´s Haar. Spürte den drahtigen Körper dicht an Seinem, wie er Schutz suchte, Schutz und Halt. Er nahm den Geruch des Anderen heimlich auf, spürte dessen Bauchmuskeln an seinem Körper. „Ich weiß wie es sich anfühlt, aussen vor zu stehen....“, fuhr er leise fort und kämmte mittlerweile schon mit den Fingern sorgfältig durch die braunblonden Haare des Älteren.

Taiji gab währenddessen keinen Laut von sich, dafür klammerten sich seine Finger immer fester in den Stoff von Hiroki´s Sweatshirt. Seine Augen hielt er geschlossen, sein Gesicht war in Hiroki´s blondweißer Mähne vergraben. Die Worte die Dieser sagte, sie klangen so schmerzhaft vertraut... Als würde Hiroki seine Gefühle ablesen und aussprechen.

„Es tut weh niemanden zu haben und alleine dazustehen“, sprach der Jüngere wieder.

Über Taiji´s Wangen ronnen Tränen. Er biss sich auf die Unterlippe, versuchte krampfhaft sein Schluchzen zu unterdrücken. Sein Körper zitterte schon ein wenig aufgrund dieser Bemühungen.

Hiroki spürte das und drückte den Anderen noch ein wenig fester an sich, so als würde er ihm Halt geben wollen, als wolle er ihn nicht fallen lassen. „Lass es raus....“, hauchte er schließlich mit leiser aber warmer und beruhigender Stimme.

Dem starken Kontrast aus Geborgenheit, die Hiroki ihm gerade vermittelte und dem schmerzhaftem Chaos das sich derzeitig in seinem Kopf abspielte hielt Taiji schließlich nicht mehr stand und ein herzzerreißendes Schluchzen drang aus seiner Kehle, gefolgt von einem ergebenem Aufheulen und vieler, vieler heißer Tränen. Er konnte es nicht mehr aufhalten, die ganzen Schmerzen, Enttäuschungen und erstorbenen Hoffnungen hatten sich zu sehr angestaut und brauchten nun ein Ventil um hinaus zu gelangen. Der sonst so lässige und unbefangene Cowboy hing nun völlig hilflos und schutzsuchend in Hiroki´s Armen und weinte laut, weinte als müsse er die unvergossenen Tränen der letzten Tage und Wochen nachholen. Weinte das erste Mal aus vollem Herzen, seit er die Band und Yoshiki verlassen hatte. Wie einem Sturzbach ließ er nun seinen Gefühlen uneingeschränkt freiem Lauf, was er sonst meißt zu verhindern versucht hatte. Es war pures Balsam für die Seele sich an dem anderen Körper festhalten zu können, seinen Kopf auf die Schulter des Anderen legen zu können, den Geruch des Anderen wahr nehmen zu können und somit die Gewissheit zu haben, dass da jemand war. Dass er nicht ganz alleine war, dass da jemand war der seine Trauer verstand und ihn auffing. In diesen Momenten gab Taiji seine gesamte Gegenwehr auf, ließ raus was raus musste.

Hiroki nahm jedes Zittern, jede noch so kleine Erschütterung des anderen Körpers wahr. Nach langer Zeit hielt er wieder einen weinenden Menschen in den Armen der bei ihm Trost suchte. Lange war es her dass er das zuletzt tat. Nicht, weil er es von sich aus nicht gewollt hätte. Doch mit der Zeit hatte er sich mit seinem undurchsichtigem Verhalten immer mehr in ein fragwürdiges Licht gerückt, auch für andere und das wusste er. Er war sich durchaus darüber bewusst wie er auf andere wirkte. Doch für ihn war es notwendig um an das zu gelangen was er erreichen wollte. Dass das so manches Opfer mit sich zog wie mangelnde Sympathie oder fehlende Zuneigung machte sich trotz alledem immer wieder bemerkbar, erst recht in solchen Situationen wie dieser hier. Ganz sanft griffen seine Hände nach Taiji´s Kopf und manövrierten Diesen vor sein Gesicht. Er blickte in zwei verheulte, gerötete und sichtlich aufgelöste Augen. Erwiderte diesen tieftraurigen Blick nur mit einem kaum wahrnehmbarem Lächeln bevor seine Lippen auf die des Anderen trafen und seine Zunge in die vertraute warme Mundhöhle des verzweifelten Cowboys drang. Er ließ den Kuss gleich von Anfang an intensiv werden und steigerte dies nochmals als er spürte, wie Taiji´s Zunge auf die Liebkosungen einging.
 

„Das ist heath!“

Mit diesem durchdringendem Satz betrat hide den Proberaum, dicht neben sich heath stehend, dessen Arm von hide´s Hand sicher umschlossen gehalten wurde, für den Fall dass er´s sich doch noch anders überlegen sollte und versuchen wollte abzuhauen.

Toshi, Yoshiki und Pata, die allesamt schon anwesend waren, hoben ihre Köpfe und blickten das frisch dazu gekommene Paar an. Allen dreien sah man die unsichtbaren Fragezeichen über ihren Köpfen an.

„Hiroshi Morie“, stellte heath sich nun selbst mit vollem Namen vor und machte, scheinbar aus purer Höflichkeitsgewohnheit, eine angedeutete Verbeugung.

Immer noch starrten die anderen Drei sie an.

Innerlich rollte hide mit den Augen. Was war denn daran nicht zu verstehen? „heath ist unsere neue Aushilfe am Bass!“, erklärte er nun endlich und trat mit seiner Begleitung auf seine Kollegen zu.

Yoshiki musterte den jungen Fremden ausgiebig. In der sündhaft engen schwarzen Jeans, dem luftigem schwarzen Hemd und der ebenfalls schwarzen und knapp geschnittenen Jacke sah dieser Kerl schon fast aus wie ein Modell. Auch die wallenden, schwarzen langen Haare stachen ihm ins Auge.

Toshi entgingen die Blicke des langjährigen Freundes nicht. Er kannte ihn schon zu lange als dass er nicht aus Ihnen lesen konnte, dass Yoshiki sich von der Optik des Neuen deutlich angesprochen fühlte. „Ich kenn dich noch vom Summit“, brachte Toshi das Gespräch nun endlich mal ins Laufen und lächelte heath aufmunternd zu, da ihm dessen Nervosität nicht entgangen war.

„Ja, da habe ich gespielt...zusammen mit Majestic Isabelle“, antwortete der Gast mit einem schüchternen Lächeln.

„Und jetzt willst du bei uns spielen?“, erklang es nun auch endlich von Yoshiki.

heath wurde verlegen. „Nunja.....hide hat erzählt dass ihr momentan unterbesetzt seid und er war der Meinung, ich sollte mal vorbei schauen.“

„Is´ doch ´ne coole Idee“, fand hide ganz selbstüberzeugt und setzte sich schwungvoll auf einen der Verstärker. „Er hat was drauf und sieht zudem auch noch gut aus!“ Frech zwinkerte hide grinsend heath an, bevor er seinen Kopf zur Seite wand um sich Pata, der bisher immernoch schweigend mit seiner Les Paul dasaß, zuzuwenden. „Was meinst du dazu, Aniki?“

Pata hob träge ein Stückchen seinen Kopf, blinzelte hide an. „Nenn mich nicht Aniki“, brummte er nur.

„Okay“, schaltete sich nun wieder ihr Boss ein und trat einen Schritt auf heath zu, „wann kannst du vorspielen?“

heath blickte ihn mit offenem Gesicht an. „Jederzeit. Sofort.“

Sogleich sprang hide auf und eilte in die hinterste Ecke des Proberaumes, um den einzigen Bass, der derzeitig hier rumstand, zu greifen und heath zu überreichen. Als er mit dem Bass an Pata, Toshi und Yoshiki vorbeikam, wurden derren Blicke allesamt etwas wehmütig und betroffen. Es war Taiji´s Bass, den hide durch den Raum trug und dem Neuen anbot. Es war der einzige Bass von Taiji der noch hier war, den er scheinbar fast schon zu vergessen haben schien mitzunehmen.

Auch hide wusste das und auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, rumorte es gerade ganz gewaltig in seiner Magengegend als er den fest umschlossenen Hals des Instruments in seiner Hand spürte. Aufmunternd lächelnd hielt er dem jungen Bewerber den Bass hin, den dieser auch sogleich entgegen nahm. heath war der einzige im Raum der nicht wusste, wem der Bass ursprünglich gehörte. Hätte er ihn genommen wenn er es gewusst hätte...?

So jedenfalls spielte er den Anderen eine Zeitlang etwas vor bis Diese sich schließlich ihrer eigenen Instrumente besannen und mit einfielen. Es wurde eine richtige Jam-Session daraus, bei der sich Yoshiki´s Blicke jedoch auch nie so ganz von dem Neuen entfernen konnten. Mehrfach musterte er äusserst genau die Beine des Bassisten.

heath´s Beine fielen einem aber auch schnell ins Auge: In der engen schwarzen Jeanshose wirkten sie noch dünner als sie wahrscheinlich eh schon waren und bei manchen Bewegungen schienen sie regelrecht linkisch zu sein.
 

„In welchen Bands warst du sonst noch so, ausser in Majestic?“, fragte Yoshiki, als sie alle ihre Instrumente nach langem jamen beiseite gelegt hatten – ausser hide, der, obwohl seine Aufmerksamkeit auf heath gerichtet war, noch immer seine Klampfe in den Händen hielt und leise an den Saiten herum zupfte.

„Hm, in mehreren Verschiedenen“, antwortete der junge Schwarzhaarige und schien einen kurzen Moment zu überlegen. „Angefangen hab ich damals bei Paranoia und Chaos Mode, dann war ich kurzzeitig Sänger bei Beet-Sweet, aber mit der Band hatten wir nur eine Hand voll kleinerer Auftritte; wir haben nie etwas veröffentlicht“, begann er aufzuzählen und machte dann wieder eine kleine Pause. „Bei Sweet Death war ich dann wieder am Bass, aber die Band hat Kiyoshi ja kurz danach in 'Media Youth' umgetauft.“

hide zog eine Grimasse als Kiyoshi´s Name fiel; er mochte den Kerl einfach nicht.

„Dann bin ich bei Majestic Isabelle gelandet und nun sitz ich hier“, beendete heath seinen musikalischen Lebenslauf und blickte Yoshiki mit erwartungsvollen, offenen Augen an.

Der Bandleader, der sich zwischenzeitlich eine Zigarette angezündet hatte, nickte nur leicht abwesend. „Also bringst du schon durchaus eine gewisse Bühnenerfahrung mit“, schlussfolgerte er. „Das ist gut...“ Yoshiki machte eine kleine künstlerische Pause und nahm einen langen Zug seiner Zigarette. „Wir brauchen nämlich jemanden der sich gut eingliedern kann, dem man nicht alles nochmal von vornherein erklären muss. Wir brauchen für das aktuelle Projekt einen zuverlässigen Basser – und vor allem brauchen wir Einen, der die Show mit uns auch auf der Bühne durchzieht.“

heath nickte um zu signalisieren dass er sehr wohl verstand worauf es Yoshiki ankam. „Ich möchte so wenig Zeit wie möglich verlieren und unsere derzeitige Lücke schnellstmöglichst füllen. Wenn du dir das zutraust würde ich dich gerne bei uns aufnehmen.“

Aus hide´s Ecke erklang ein völlig falscher Ton, bevor das leise Gitarrengeklimper komplett erstarb. Sein Blick richtete sich nun von seiner Gitarre zu Yoshiki auf. Yoshiki hatte vor heath fest in der Band anzustellen? Aber er selber hatte heath doch nur als Aushilfe vorgeschlagen! Für den Zeitraum der benötigt war um rauszukriegen was nun der wahre Grund für Taiji´s Rausschmiss war und die beiden Streithähne wieder zusammen zu führen. Aber scheinbar wollte Yoshiki gar keine Versöhnung mehr, er wollte einen 'Neuen'... hide bekam Bauchschmerzen. War er wirklich zu naiv gewesen?
 

„Yumi!“ Pata winkte einer kleinen, stämmigen Japanerin zu, die sogleich über die Strasse gelaufen kam und Pata freudig begrüßte.

hide der dabei stand zog die Augenbrauen ein Stückchen hoch. „Yumi?“, wiederholte er nur den Namen des Mädchens und blickte Pata neugierig an.

Dieser nickte nur und grinste wie ein Honigkuchenpferd nachdem er Yumi mit einer Umarmung und einem scheuen Kuss auf die Wange begrüßt hatte. „Erinnerst du dich an den Tag an dem du verkatert bei mir aufgewacht bist?“, wollte Pata von hide wissen.

„Da gab es so einige Male... Aber wenn du das letzte Mal meinst: Ja.“

Pata´s Grinsen wurde nun verschmitzt. „Sie war der Grund weswegen ich mich über die am Folgetag festgelegte Bandprobe nicht sonderlich gefreut hatte“, lautete die Erklärung.

„Aaaaaah...!“ hide´s Augen wurden größer und er betrachtete das junge Paar sogleich eingängig. „Du hattest ´n Rondevou mit ihr“, schlussfolgerte er und nun malte sich auch in binnen von Sekundenbruchteilen ein breites Grinsen auf sein Gesicht.

Wieder nur ein Nicken Pata´s. „Kommt, wir gehen was essen“, schlug er plötzlich spontan vor und hatte seinen Arm schon sanft um die Taille Yumi´s gelegt.

Nur wenige Minuten später saßen die Drei in einer Sushi-Bar und labten sich an ihren Speisen. Yumi schien ein sehr ruhiger Zeitgenosse zu sein; trotz ihres offenen Gesichts und ihrer wachen Augen hatte sie, seit sie zu den beiden Musikern gestoßen war, kaum etwas gesagt. Aber zumindest schien sie kein anhimmelnder Fan zu sein und diese Tatsache beruhigte hide schon ungemein. „Was hälst du.....eigentlich so von heath?“, fragte er irgendwann den Freund mit vollem Mund.

Pata bevorzugte es seinen Bissen erst einmal runter zu schlucken, bevor er hide antwortete (nachdem er sich vor einigen Jahren fürchterlich an seinem Essen verschluckt hatte als er jemandem mit vollen Mund antworten wollte und bei dem mißglücktem Versuch fast halb erstickt wäre). „Macht ´nen netten Eindruck“, fand er, „bin jedenfalls gespannt wie er sich bei uns einarbeiten lässt.“ Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte:“Sein Stil unterscheidet sich stark von Taiji´s...wird eine große Umstellung sein.“

hide schaute ihn mampfend an.

Pata bemerkte das. „Hm?“, erwiderte er mit fragendem Blick.

„Du hast Taiji also auch schon abgeschrieben?“, sprach er seinen Gedanken – mit abermals vollem Mund, aber deutlich verständlich – aus.

„Was heißt abgeschrieben...“, murmelte der dunkelhaarige Gitarrist und blickte auf seinen halbleeren Teller. „Er ist nunmal raus und Yoshiki muss sich um den weiteren Verlauf der Band kümmern.“ Nun schaute er wieder auf und geradewegs in hide´s Gesicht. „Ich dachte, das sei genau der Grund gewesen weshalb du heath mit angeschleppt hast.“

Yumi, die nur erahnen konnte worum es hier genau ging, blickte abwechselnd aufmerksam zwischen den beiden Männern hin und her, sagte jedoch nichts zum aktuellem Thema und aß schweigend nebenher weiter.

hide schluckte die Ladung, die seine Kauleisten soeben noch bearbeitet hatten, herunter und seufzte leise. „Eigentlich war heath mehr als Aushilfe gedacht...“, gestand er nun leise.

Sein Gesprächspartner schwieg eine Weile, bevor er den Kopf ein Stückchen zur Seite legte und hide aus etwas zusammengekniffenen Augen ansah. „Taiji ist draussen. Endgültig.“ Seine Stimme war nach wie vor ruhig, doch schwang nun eine deutliche Ladung Bestimmtheit mit ihr, wenn auch im bekanntem warmen Pata-Stil. „Und Yoshiki machte auf mich alles andere als den Eindruck, dass er unseren Cowboy nochmal zurück holen wollen würde...so Leid mir die Sache auch selber tut.“ Bei den letzten paar Worten war die soeben erst aufgetauchte Bestimmtheit auch schon wieder flöten gegangen.

„Aber wir wissen doch nicht einmal genau was eigentlich vorgefallen ist!“ hide´s Stimme war nicht viel lauter als zuvor auch, dafür aber verzweifelter und man merkte ihm überdeutlich an dass er sich mit den derzeitigen Tatsachen nicht anfreunden wollte.

Pata stützte die Stirn seufzend in die Hand. „hide, das Thema hatten wir doch schonmal....“

Dem Ältesten wurde nun erst so richtig bewusst, dass er offenbar tatsächlich der Einzige war der noch ernsthaftes Interesse an einer Versöhnung zwei seiner besten Freunde hatte. Warum akzeptierten nur alle um ihn herum so schnell diese doppelte Trennung, sowohl die private als auch die Musikalische zwischen Taiji und Yoshiki? Gab es, ausser ihm, denn gar keinen mehr der an der Auflösung des Rätsels Interesse besaß? „Ich krieg´ schon noch raus was da gelaufen ist....“, nuschelte er in einer Kombination aus Entschlossenheit und Frust und leerte zeitgleich seinen Teller.

Pata hatte seinen Kopf mittlerweile seitlich auf die Hand gestützt und schaute hide nur stillschweigend zu, als Dieser im nächsten Augenblick blitzartig zum Wasserglas griff und hastig große Schlucke nahm, weil er es mal wieder mit der Wasabi-Sauce übertrieben hatte.

Don't wanna touch you but you're under my skin.....

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

NUDE

Keuchend wand heath seinen Kopf zur Seite und drückte mit einer Hand Yoshiki´s Gesicht von sich. Ein, zwei Sekunden brauchte er um zu registrieren dass sich die fremde Zunge nicht mehr in seiner Mundhöhle befand, dann wand er sich wieder Yoshiki zu und blickte ihn entgeistert an. „Was soll das?“, fragte er mit gedämpfter Stimme. Flüchtig huschten seine Augen umher. Zwei oder drei Leute hatten schon zu ihnen rüber geschaut als der Ältere ihn mit diesem Kuss überfallen hatte.

Yoshiki schmunzelte nur. „Hat es dir nicht gefallen?“ Er schien vollkommen gelassen zu sein.

Gefallen? Ja.....nein....was sollte er darauf antworten? Er hatte nicht einmal mit diesem Kuss gerechnet – weder hier noch von Yoshiki! Zumal hatte er in seinem Leben erst ein Mal einen Jungen geküsst und das war schon Jahre her...

Der Drummer schien sich über die Scham und Verlegenheit des Jüngeren leicht zu amüsieren. „Na komm schon...nimmst du mir das jetzt so übel?“ Er buffte ihn mit der Faust sanft in den Oberarm.

heath erwiderte die Frage mit einem unsicherem Blick. „Ist das so eine Art Einstellungstest bei euch?“

Yoshiki grinste. „Das ist eine nette Idee.....“, murmelte er bevor sein Blick sich in eine Kombination aus Erstaunis und Neugier wandelte. „Oder hattest du etwa noch nie was mit Kerlen?“

Ein unfreiwilliger Rotschimmer legte sich auf heath´s Wangen und er wich dem Blick des Anderen aus. Was sollten all diese seltsamen Fragen auf einmal? Klar, er hatte schon oft gehört dass Yoshiki keine großen Berührungsängste zu haben schien und es durchaus passieren konnte dass er alles nahm was nicht bei drei auf den Bäumen war wenn er in Stimmung war. Aber erstens hatte er bisher immer gedacht das bezog sich auf irgendwelche Aftershow-Partys oder änlichen Saufgelagen und zweitens.....ja, zweitens war er eigentlich immer noch zu verwirrt um klar über das soeben Passierte nachzudenken. Sollte er darüber überhaupt nachdenken oder konnte man auch einfach wieder zur Tagesordnung übergehen? - Wieder spürte er die Faust des Anderen in seinen Oberarm buffen.

„Sprichst du jetzt gar nicht mehr mit mir?“ Nun klang Yoshiki´s Stimme fast schon ein bißchen enttäuscht.

Wieder hob heath den Kopf und blickte ihn an. „Ich dachte eigentlich wir sind hier um was zu essen und uns etwas besser kennen zu lernen.....über die verbale Schiene, nicht über die sexuelle.“

Der Drummer lächelte verlegen und schob sich eine Hand in den Nacken. Es kostete ihn einiges an Mühe um nicht zu grinsen denn er fand die deutliche Naivität und kindliche Unerfahrenheit des Jüngeren einfach zu niedlich. „Tut mir Leid.....“, kam es nuschelnd von ihm. „Aber ich denke du müsstest dir zumindest teilweise darüber bewusst sein, wie du auf andere wirkst, so wie du rumläufst...“, ergänzte er seinen Satz und musterte heath ohne Vorwurf in den Augen.

Dieser blickte ihn daraufhin nur stumm an.

„Na komm, wie ´ne Nonne kommst du nun wirklich nicht rüber.“ Unerfahrenheit hin oder her, aber so naiv konnte der Junge doch nun wirklich nicht sein, oder?, ging es Yoshiki durch den Kopf.

heath wand den Blick wieder ab, griff nach seinem Glas und trank ein paar Schlucke. „Machst du das mit jedem?“, kam irgendwann die leise Frage.

„Du meinst, ob ich meinem Image als 'Bandschlampe', wofür mich viele halten, gerecht werde?“ Nun bekam doch noch ein Grinsen die Oberhand über seine Lippen.

Der Schwarzhaarige nickte nur.

Ein leises Lachen erklang. „Nein, eigentlich nicht.“ Er stützte seinen Kopf in eine Hand und lächelte ihn verschmitzt an. „Sag schon...ist es wirklich das erste Mal dass sich ein Mann für dich interessiert?“

heath zögerte. Was sollte er darauf antworten? War der Junge, der ihn damals geküsst hatte, wirklich an ihm interessiert? Es war schließlich nur ein Kuss, es lief nichts Sexuelles zwischen ihnen. Und woher sollte er wissen ob sich noch andere Männer im Laufe seines Lebens für ihn interessiert hatten? Beziehungen hatte er bisher nur mit Mädchen geführt... Die Tatsache, dass er von Männern zumindest schon mehrfach sehr eindeutige Blicke erhalten hatte, versuchte er sich gerade selbst nicht einzugestehen. Er fühlte sich in diesem Moment wie auf die Probe gestellt. Als würde man ihn mit dem Rücken an eine imaginäre Wand drängen. Er hatte damit einfach nicht gerechnet....
 

Die Proben liefen wie geschmiert, es war nichts an ihnen auszusetzen. Als hätte er schon seit Jahren in dieser Band gespielt, passte Taiji´s Stil einwandfrei hier rein. Manchmal fragte er sich selbst, ob diese Tatsache nicht schon fast ein bißchen zu viel des Guten war... Sogar neues Songmaterial wurde schon geschrieben und Akira plante dass Loudness mit einer, noch nicht ganz fertig produzierten, Single in absehbarer Zeit bei einem großen Rockfestival auftreten würden.

Obwohl Taiji nach dem Rausschmiss aus X zunächst so tief gefallen war schien es, als würde nun der überraschend schnell eintreffende Aufschwung kommen. Sichtlich zufrieden griff er nach seiner Gitarrentasche, in der sein Bass lagerte, und verließ das Gebäude in dem der Proberaum integriert war. Kaum aus der Tür getreten blieb er sogleich stehen. - An einer Parkuhr gelehnt stand Hiroki, lässig die Hände in die Taschen seiner hellen Jeans gesteckt und fröhlich lächelnd. Als er Taiji aus der Tür treten sah ging er sogleich auf ihn zu. „Hey, da bist du ja... Hab mir gedacht ich hol dich ab und wir können noch ein paar Besorgungen zusammen machen.“

Taiji war perplex, das sah man ihm ohne Frage an. Obwohl er in letzter Zeit viel Zeit mit Hiroki verbrachte und eigentlich schon fast bei ihm wohnte, hatte er dennoch nicht mit solch einem Empfang gerechnet. Da Yoshiki und er ja in der selben Band gespielt hatten kam es so gut wie nie zu solchen Gelegenheiten wie dass der Eine den Anderen von den Proben abholte. Es war schon eine ganze Weile her dass er so etwas erlebt hatte... Damals, als er noch mit diesem kleinem, sehr zierlichem Mädchen zusammen gewesen war.....wie hieß sie noch gleich...? Chizu...?

„Also, was is´?“

Hiroki´s Frage riss ihn wieder aus seinen Erinnerungen raus und er blinzelte ihn kurz an, bevor er antwortete. „Von mir aus gerne.“ Warum er das 'gerne' noch dazu gesetzt hatte wusste er nicht. Er war irgendwie immernoch verwundert über Hiroki´s große Fürsorge. Vielleicht hatten ihn die vergangenen Erfahrungen mit ihm so misstrauisch gemacht – wäre wohl auch das Verständlichste gewesen. Doch da schien auch noch was anderes zu sein....er konnte es nur noch nicht definieren...

Hiroki jedenfalls schien voller Tatendrang zu sein und steuerte mit ihm das nächstliegendste Kaufhaus an. Als erstes landeten sie in einem Lebensmittelgeschäft, was Taiji wiederum gar nicht wunderte. Er hatte schon bemerkt dass der Jüngere gerne kochte. Und das schmeckte man auch. Taiji musste schmunzeln; irgendwie erinnerte ihn das ein wenig an sich selbst. Während sie beide quer durch das Kaufhaus pilgerten fiel dem neuen Loudness-Basser immer mehr Hiroki´s positive Ausstrahlung auf. Irgendwie hatte sich in der letzten Zeit etwas verändert. Der Weißblonde machte auf ihn einen offeneren Eindruck, schien nicht mehr so undurchsichtig zu sein wie die ganze Zeit davor. Er wirkte.......ja, wenn Taiji es nicht besser gewusst hätte würde er glatt behaupten, Hiroki wirkte glücklicher. War es wegen ihm...? Er bemerkte nicht dass sein Schritttempo stets etwas nachließ und er bald schon hinter statt neben Hiroki schlenderte. Sein Blick blieb jedoch fest an dem anderen haften. Als er Hiroki damals kennen gelernt hatte war bereits bekannt, dass er ständig wechselnde Bettgefährten hatte. Er flirtete ungeniert mit allem was nicht bei drei auf den Bäumen war und ein gewisses Schlampenimage haftete an ihm. Dies schien ihn jedoch in keinster Weise je gestört zu haben, ganz im Gegenteil. Er genoss es offenbar sogar. Mit der Zeit jedoch hatte sich der Weißblonde von einer einfachen 'Schlampe' zu einer Intriegenschlampe gewandelt, damals nämlich als er gezielt Taiji und Yoshiki gegeneinander ausspielen wollte. Und es war ihm zeitweise auch geglückt. Jedoch nicht auf Dauer. Und dann war er untergetaucht... Niemand wusste wohin – bis zu dem Zeitpunkt als er wie aus dem Nichts wieder auftauchte. Als es zwischen Yoshiki und Taiji krieselte. Als hätte er nur auf diesen Augenblick gewartet...

„Taiji!“

Der Zugerufene hob verwirrt seinen Blick und durfte feststellen dass zwischen ihm und Hiroki mittlerweile ein Abstand von zwanzig Metern herrschte. Er war die letzten Minuten ganz offensichtlich immer langsamer gegangen, je mehr er sich in seinen Gedanken vertieft hatte. Verlegen lächelnd holte er den Vorsprung wieder auf und befand sich wieder an Hiroki´s Seite. „Heute bist du wohl dauernd am träumen, was?“, lachte Dieser und wuschelte ihm verspielt durch die Haare, die nur noch die ehemalige Dauerwelle andeuteten.

„Tut mir Leid“, nuschelte er, sein verlegenes Lächeln beibehaltend. Doch es sollte an diesem Tag nicht das letzte Mal sein, dass er mit seinen Gedanken abschweifte. Denn als sie schließlich an einem Buchladen vorbei kamen, prangte an einer Wand unübersehbar ein Werbeplakat für ein ganz bestimmtes Buch, welches frisch auf den Markt kam: Zu sehen war in Überlebensgröße eine sich räkelnde Schönheit in schwarzer Spitze mit wirr um sich liegenden rotbraunen Engelslocken und einem verführerischem Schlafzimmerblick. Darüber der goldene Schriftzug in Großbuchstaben: NUDE – [NOW ON SALE]. Taiji blieb wie versteinert stehen, als er das Werbeplakat erblickte. Diese Schönheit, die jeden Betrachter so verführerisch anblinzelte, war Yoshiki. Schlagartig machte sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit. Wie hypnotisiert ging Taiji auf den Buchladen zu, direkt zu dem Werbeplakat worunter mehrere Exemplare des beworbenen Buches lagen. Mit langsamen, aber nicht zögerlichen, Bewegungen streckte er seine Hand aus und ergriff eines dieser Bücher. Nude.....irgendwo ganz weit hinten in seinem Hirn dämmerte es. Er hatte noch kurz vor seinem Rausschmiss bei X halb mitbekommen dass die Redaktion der Musikzeitschrift 'Fool´s Mate' Yoshiki solch ein Angebot gemacht hatte....ein Projekt mit freizügigen Fotos.... Das war es nun also. Er begann in dem Buch zu blättern. Was er auf den einzelnen Seiten zu sehen bekam übertraf seine Erwartungen. Yoshiki, ins Bild gesetzt wie ein junger Gott – oder besser einer jungen Göttin – räkelte sich in scheinbar unschuldigen und gleichzeitig doch so eindeutigen Posen, als einzigen Begleiter stets ein weißes lakenähnliches Tuch, von dem Taiji sich heimlich fragte ob Yoshiki auf dieses Tuch verzichtet hätte wenn es keine Zensur gäbe. Die Blicke, die der abgelichtete dürre Musiker seinem jeweiligem Betrachter zuwarf, waren typisch für ihn: Verrucht, unschuldig, sehnsüchtig – und doch schrien sie alle regelrecht nach Sex. Und obwohl Taiji diese Blicke die ganzen Jahre zuvor bereits so vertraut geworden waren, hatten sie nun in diesem Buch wieder eine völlig neue Wirkung auf ihn. Vielleicht weil er nun nicht mehr in der Situation war diesen bittenden Augen ihre Sehnsüchte und ihr Verlangen zu stillen... Abwesend glitt er mit den Fingerspitzen auf einem Bild über Yoshiki´s Brust. Er konnte sich noch haargenau an das Gefühl seiner warmen Brust erinnern, wusste noch ganz genau wie sich diese Haut anfühlte. „Er ist so schön....“ Taiji´s Äußerung war nur ein Hauchen in der kaum Stimme lag, und doch hörte man die Traurigkeit zweifellos aus ihr heraus.

Hiroki, der schon längst neben ihn getreten war, legte ihm in fast schon schützender Geste einen Arm um die Schultern. Auch sein Blick fiel auf die reizvollen Bilder seines großen Bruders. „Er wird dir nie wieder weh tun. Ich versprech´ es dir...“, sprach er mit ruhiger Stimme.

Taiji schaute von dem Buch in seiner Hand auf in Hiroki´s Gesicht. Die Augen des Jüngeren erinnerten an Yoshiki´s Augen, doch erkannte Taiji in diesen Augen nun eine Wärme und Zuneigung die er mittlerweile bei Yoshiki vergeblich suchen würde.
 

hide stöpselte seine Gitarre aus dem Verstärker und stellte sein Instrument zur Seite. Seine Augen waren dabei jedoch kaum auf die Gitarre oder die Anschlüsse gerichtet, sondern auf Yoshiki, dessen Turteleien mit ihrem neuen Basser jedes Mal auf´s Neue hide´s Aufmerksamkeit auf sich zog. Seit Tagen beobachtete er wie auffällig Yoshiki´s Zuneigung zu heath war, wie dicht er stets bei ihm stand wenn er ihm irgendwas erklärte. Und die Blicke ihres Bosses sprachen eh für sich, fand hide. Heute hatten sie den neuen Song geprobt, an dem Yoshiki schon seit längerer Zeit komponierte. Das 'Monsterstück', wie hide es nannte. 'Monster' weil die Länge des Liedes mit rund dreißig Minuten ziemlich beachtlich war. Yoshiki hatte mit dieser Komposition schon lange vor Taiji´s Rausschmiss begonnen und immer mal wieder zeitweise auf Eis gelegt, es dann doch wieder hervor geholt und weiter dran gefeilt. 'End of the world' lautete der damalige Arbeitstitel noch. Doch von diesem Titel hatte Yoshiki sich in letzter Zeit immer mehr entfernt, gab den Song manchmal als namenlos an, als befände er den alten Titel nicht mehr als passend und sei noch auf der Suche nach einem neuen Titel.

Toshi zog sich schon seine Jacke über und Pata steuerte bereits die Tür ihres Proberaumes an. Auch hide beschloss zu gehen, blickte jedoch noch ein Mal in den hinteren Bereich des Raumes in welchem sich heath und Yoshiki aufhielten und sich blendend verstanden. Offiziell schien es um die Bassläufe bei einer bestimmten Stelle des Liedes zu gehen, denn Yoshiki wedelte unerlässlich mit einem Stapel Notenblättern vor der Nase des großgewachsenen Jüngeren herum. Doch die Gesten und der enge Körperkontakt der beiden verrieten eine andere Sprache.

hide wand sich ab, lief ein paar Schritte hinter Pata und Toshi, die den Raum mittlerweile verlassen hatten, her. „Darf ich mit zu dir nach Hause kommen, Aniki?“, fragte hide den anderen Gitarristen bei seinem Kosenamen. Er hatte irgendwie das Gefühl er müsse jetzt mit jemandem zusammen sein, da es ihn sonst höchstwahrscheinlich doch wieder nur in die nächste Bar getrieben hätte und er unter zu viel Alkoholeinfluss wieder Dinge gemacht hätte die nicht gut waren.
 

Keine halbe Stunde später betrat der Bandälteste gemeinsam mit Pata dessen Wohnung, wo auch schon ein hungriger Kotaro auf leisen Samptpfoten auf sie zutappste und Pata mit erwartungsvollem Blick begrüßte.

Der dunkelhaarige Gitarrist beugte sich lächelnd zu seinem Vierbeiner hinunter und kraulte ihn kurz am Kopf, lies dann wieder von ihm ab und steuerte, noch bevor er seine Jacke auszog, die Küche an um das Futter für seine beiden Katzen vorzubereiten.

Ein schwaches Lächeln huschte über hide´s Lippen als er dieses Schauspiel beobachtete. Pata sorgte einfach liebevoll für seine beiden Katzen. Er kannte keinen Menschen der mit Katzen so bedingungslos harmonierte wie sein lockiger Freund. Dennoch wand er sich rasch wieder ab und stiefelte wortlos in das halbdunkle Wohnzimmer, wo er einfach ungefragt den Fernseher einschaltete und sich breitbeinig auf´s Sofa fallen lies. Er fühlte sich erschöpft. Aber nicht nur von den heutigen Proben, sondern auch von seinen Bemühungen, endlich hinter das wohlgehütete Geheimnis um Taiji und Yoshiki zu kommen. Es schien sich alles mehr und mehr voneinander zu entfernen und jetzt flirtete Yoshiki schon regelmäßig mit heath rum. hide kam sich mittlerweile vor als hätte er Yoshiki einen neuen Lover zugespielt – obwohl er doch eigentlich etwas vollkommen anderes vorgehabt hatte.... Was da gerade im Fernsehen lief, den er kurz zuvor selbst eingeschaltet hatte, registrierte er überhaupt nicht. Er wollte mit dem eingeschaltetem Gerät lediglich eine Geräuschkulisse erzeugen; Stille wäre im Moment nur tödlich gewesen. Was er jedoch registrierte war der flauschige Körper der es sich soeben auf seinem Schoß gemütlich gemacht hatte und nun ganz offensichtlich auf ein paar Streicheleinheiten hoffte. Kotetsu schien gerade nicht so interessiert an neuem Futter zu sein wie sein Geselle Kotaro.

Ohne Scheu streckte hide seine Hand aus und liebkoste das weiche Fell der Katze, die sich eigentlich nicht auf jedermann´s Schoß begab, aber hide schien eine der wenigen Ausnahmen zu sein.

Nun betrat auch Pata den Raum, sein Tier versorgt und seine Jacke endlich ausgezogen. Ebenfalls wortlos setzte er sich neben hide auf das Sofa und warf ihm lächelnd eine Mandarine zu, bevor er seine eigene Mandarine anfing abzupellen.

hide fing Diese mit der freien Hand auf. Auch er begann die Frucht zu pellen, ließ die Katze weiterhin auf seinem Schoß ruhen. Dies war wieder einer der Momente in denen die zwei Gitarristen keine Worte brauchten. Sie waren ein eingespieltes Team. Pata wusste dass hide nicht gerne alleine war und schon gar nicht, wenn er sich mit Problemen herum schlug. Und hide wusste dass Pata die innere Ruhe und Ausgeglichenheit besaß die ihm selbst fehlte und von der er versuchte sich ab und an ein Stück zu borgen indem er in solchen Momenten wie Diesen in seiner Nähe war.

On the verge of destruction

„Hast du schon mal daran gedacht etwas alleine auf die Beine zu stellen?“ hide's Kopf lag auf einem von Pata's Schenkeln, seine Beine hingen über der Armlehne des Sofas. Die beiden Freunde hatten zusammen schon ein gutes halbes Dutzend Mandarinen verdrückt während der Fernseher lief. Kotetsu hatte in der Zeit mehrfach seinen Platz auf hide gewechselt, bis das Tier sich irgendwann auf die Rückenlehne des Möbelstücks zurückgezogen hatte.

Pata blickte vom Bildschirm auf, wand seinen Kopf jedoch nur ein kleines Stück gen hide, ohne ihn direkt anzukucken. „Hm?“, war die leise gebrummte Gegenfrage.

hide's Blick wechselte unentwegt zwischen Decke und ihm gegenüberliegender Wand. „Solo. Deine eigene Musik machen, neben X.“ Ausser seiner Augen und Lippen regte sich derzeitig nichts an ihm.

Pata schwieg kurz, bevor er antwortete. „Hast du denn schon mal daran gedacht...?“, fragte er vorsichtig. Für ihn war dieser Gedankenschritt Neuland.

Und für hide war es Neuland, dass Pata seinen Fragen so auswich. Scheinbar war sein Freund nicht auf jedem Gebiet so sicher wie es oft schien. „Ich hab da mal ein paar Sachen komponiert, die würden nicht zu X passen....aber schlecht sind sie auch nicht...“

„Du meinst, sie sind zu gut um sie zu verwerfen...“, vervollständigte der Lockige diesen Gedanken nun.

„Mhm“, kam es von hide nur. Kurz schwiegen sie, bevor hide wieder ansetzte. „Kennst du Tusk? Der Typ von Zi:Kill... Ich bin am überlegen ob ich mit ihm was zusammen mache...“

Ein kleines Grinsen zog sich über Pata's Lippen. „Natürlich kenne ich ihn... Du hängst ja gerne mal mit ihm zusammen rum.“

Dann war es wieder still. Nur der Fernseher lief immernoch, jedoch drang die Lautstärke nur gedämpft durch den dunklen Raum. Es war inzwischen später Abend geworden, die Gardinen waren halb vor das Fenster gezogen und der Bildschirm des Fernsehers war somit die einzige Lichtquelle in diesem Zimmer.

„Also, hast du?“ Es waren mehrere Minuten des Schweigens vergangen, bevor hide diese Frage nun in den Raum warf.

Pata blickte kurz auf den Kopf mit den strohigen, blondierten Haaren, der schon die ganze Zeit auf seinem Oberschenkel ruhte. Trotz der Pause wusste er sogleich wieder, was der Ältere meinte. „Ich hab da auch ein paar Rohfassungen von Liedern rumliegen, ja.....“ Mehr sagte er nicht.

Mehr brauchte er auch nicht zu sagen, für hide war diese Antwort ausreichend.
 

„Ich darf doch, oder?“ Ohne die Antwort abzuwarten setzte Hiroki sich mit in die Sitzecke an den runden Tisch.

Der junge Mann, zu dem er sich gesetzt hatte, schaute ihn überrascht an. „Ehm...eigentlich ist hier schon reserviert...ich warte nur noch auf jemanden.“

Hiroki machte eine flüchtige, wegwerfende Handbewegung. „Keine Sorge, wenn deine Flamme kommt bin ich auch schon wieder weg. Wollt' mich nur kurz setzen und 'nen Schluck trinken.“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen winkte er auch schon eine der Bedienungen heran und bestellte zwei Gläser Pflaumenwein – für seinen Sitznachbarn gleich mit.

Dieser blinzelte nun sichtlich irritiert.

Hiroki bemerkte das und lächelte ihn nur an. „Keine Sorge, geht auf mich.“ Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich lässig zurück. „Ich hab heute meine Gehaltserhöhung bekommen und bin in Spendierlaune“, gab er als Erklärung ab, bevor er den schlanken Typen neben sich genauer musterte. „Dein Gesicht kommt mir bekannt vor....“

Der Andere lächelte verlegen und schlug seinen Blick kurzzeitig nieder. „Ich bin heath. Eigentlich Hiroshi Morie.“ Nun wand er seinen Blick wieder seinem Gesprächspartner zu. „Ich hab zuvor bei 'Majestic Isabelle' gespielt und bin nun bei X.“

Hiroki machte große Augen und beugte sich nun wieder nach Vorne, stützte sich mit den Unterarmen auf der Tischfläche ab. „Natürlich! Du bist der Neue bei X! Ich hab schon gehört dass die ihren alten Basser gefeuert haben. Hm, der Name 'Majestic Isabelle' kommt mir aber auch bekannt vor...“ Hiroki kratzte sich am Kinn und sah so aus als würde er gerade angestrengt nachdenken. „Hast du sonst noch wo gespielt?“

heath nickte knapp. „Ja. Bei 'Media Youth'. Die dürften dir wohl mehr sagen; Majestic hatten kaum Veröffentlichungen, im Gegensatz zu 'Media Youth'.“

Nun nickte auch Hiroki. „'Media Youth' kenn ich.“ Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. „Oh, entschuldige bitte! Ich bin Hiroki!“ Und da wurde ihnen auch schon der bestellte Pflaumenwein an den Tisch gebracht.

heath schmunzelte wieder etwas verlegen, als er den so ähnlich klingenden Namen des Anderen endlich erfuhr. Er griff etwas schüchtern zum Glas – es kam ihm immer noch etwas seltsam vor dass ein für ihn völlig Fremder ihm Einen ausgab – und stieß mit Hiroki an.

„Bist du öfters hier?“, fragte Hiroki nach den ersten Schlucken unverblühmt.

„Nein, eher selten. Heute ist, glaube ich, erst das dritte Mal“, gab der Großgewachsene zur Antwort.

„Solltest du ändern, der Laden hier ist wirklich gut. Gutes Essen und trinken, gutes Personal....“ Hiroki blickte sich kurz im Lokal um, als wolle er damit seine Aussage unterstreichen. Das 'Hollywood', in dem sie gerade saßen, war sowas wie eine Kombination aus Kneipe und Restaurant. Hier kamen viele Angestellte nach Feierabend her um etwas zu essen oder ihr abendliches Bierchen zu sich zu nehmen, aber man traf hier auch genauso oft auf Musiker verschiedenster Bands, die sich einen gemütlichen und geselligen Abend machen wollten. Zwar war die Musik, die dauerhaft aus den Lautsprechern dudelte, meißtens nur Standart-Folk-Rock-Pop, aber das wäre auch schon der einzige Makel in Hiroki's Augen gewesen. Besonders auffällig an diesem Laden war die Tatsache, dass es hier nur sehr selten zu Schlägereien unter den Gästen kam, was wohl daran lag dass das gesamte Personal sehr strikt mit Möchte-gern-Prüglern umging und in solchen Fällen auch sehr schnell Hausverbot verordnet wurde. Ein Fakt, der Hiroki gerade heute Abend nur allzu gelegen kam...

Während sie so redeten musterte er immer wieder heimlich seinen Gesprächspartner. heath schien mit zu den Menschen zu gehören bei denen Alkohol sehr schnell anschlug, denn er wurde zusehends lockerer und offener. Als Hiroki unbemerkt etwas dichter zu heath rückte, sagte Dieser noch nichts dazu. Als er seine Hand auf den Schenkel des Größeren legte, schaute heath ziemlich verwirrt. Und als Hiroki seine Lippen auf die des Anderen setzte und seine Zunge zum Einsatz brachte, konnte der überrumpelte Bassist gar nichts mehr sagen. Hiroki schmeckte zuerst nur das Aroma des Pflaumenweins, bevor er irgendwann mal heath's Eigengeschmack wahr nahm. Er gefiel ihm. Zwar züngelte der Andere sehr zurückhaltend, aber das konnte eben so gut daran liegen dass er selbst gerade so dominant dabei war. Er vernahm ein ersticktes Seufzen als er gerade dabei war, seine Hand unter das weiße Hemd seines Opfers zu schieben. Ganz warme Haut. Angenehm. Und für heath offenbar auch, denn er wehrte sich nicht. Oder das bißchen Alkohol reichte schon aus um sein Gehirn völlig zu benebeln.

Hiroki blinzelte weit nach links. Punktgenau. Da stand Yoshiki im Eingang des Lokals, wie zur Salzsäule erstarrt. Doch der Blonde ließ sich seine Entdeckung nicht anmerken, zog den innigen Kuss mit dem Naivling weiterhin in die Länge und streichelte ausgiebigst dessen nackte Brust unter dem Stoff des Kleidungsstücks.

Yoshiki fühlte sich wie gelähmt. Dieses Bild, was sich ihm bot, wirkte einfach zu irreal. Sein verhasster kleiner Bruder vergriff sich gerade demonstrativ an seinem neuen Basser..... Ihn selbst hatte heath nie an die Klamotten gelassen, wenn er es versucht hatte. Bisher hatte er sich mit Küssen zufrieden geben müssen. Und jetzt? Jetzt führte Hiroki allen Gästen des Hollywood vor, dass es auch anders ging? Der Drummer bekam das Gefühl, in diesen Momenten von seinem eigenem Körper getrennt zu sein. Dieses Bild tat weh. Es tat so sehr weh dass ihm die Kontrolle über sich selbst vollkommen entglitt. Er bekam nicht mehr mit, wie er mit großen Schritten auf die Sitzecke zustiefelte, er bekam nicht mehr mit wie er anfing Hiroki an den Haaren zu packen um ihn von heath weg zu ziehen und auf ihn einzuprügeln, er bekam lediglich seine eigenen Schreie mit. Sein Wutgeschrei, voller Hass, voller Verzweiflung und Verletzlichkeit. Yoshiki's Sicht war völlig verschwommen, er sah nichts klar, er orientierte sich fast nur an Farben wenn er auf etwas einschlug. Oder plötzlich anfing zu randalieren und den runden Tisch, der sich vor Hiroki und heath befand, zu packen und in sprichwörtlich blinder Wut umzustoßen. In seinen Ohren erklang nur sein eigenes Wutschnauben, sein eigenes Gebrüll und seine eigenen Schreie. Die Stimmen um sich herum nahm er nicht wahr, überhaupt gab es im Moment nur drei Personen für ihn. Dass dies nicht der Realität entsprach merkte er erst ganz langsam, als er von mehreren kräftigen Händen gepackt wurde um von weiteren Randalen abgehalten zu werden. „Das war's, du hattest deine Chance gehabt!“, hörte er eine Männerstimme dicht neben seinem Ohr rufen. Obwohl sein Körper zappelte wie ein Fisch an der Angel wurde er doch von mehreren kräftigen Männern aus dem Lokal herausgeschoben und vor die Eingangstür verfrachtet, wo er aufgrund eines kräftigen Stoßes erst einmal den Gehweg küsste.

„Du hast Hausverbot! Endgültig!“, vernahm er noch von der selben Männerstimme, die zuvor schon zu ihm gesprochen hatte. „Lern endlich deine Gewalt besser zu zügeln!“ Das war's. Danach hörte er nichts mehr. Die Männer mussten wieder ins Innere des Ladens gegangen sein und hier draussen machten nur einige Passanten mit seltsamen Gesichtsausdrücken einen Bogen um den langhaarigen, am Boden liegenden Mann. Da er dem Boden noch immer sein Gesicht zugewand hatte, konnte auch niemand erkennen dass es sich bei diesem Rowdy um Yoshiki handelte.

Er fühlte sich wie betäubt. So ähnlich wie im ersten Moment, als er das Hollywood betreten hatte und seinen Bruder mit heath sah. Nur fühlte es sich jetzt stärker an. Als ob sein ganzes Wesen von Betäubung eingenommen sei. Von den Verletzungen von der Prügelei spürte er keine einzige Schramme. Die waren auch nicht wichtig für ihn. Wichtiger war das Bild was er gesehen hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Hiroki wusste dass heath der neue Basser von X war und er glaubte auch dass Hiroki das Wissen hatte, dass er selbst an heath Gefallen gefunden hatte. Nur ob Hiroki diese eben gerade abgelaufene Szene auch genauso geplant hatte oder ob es tatsächlich Zufall war, dass heath zu früh am vereinbarten Treffpunkt war und Hiroki die zeitliche Lücke ausnutzte, konnte er nicht mit Genauigkeit bestimmen. Zugetraut hätte er seinem Bruder Ersteres jedoch allemal. Langsam erhob sich die geknickte Gestalt auf dem Gehweg, taumelte kurz ein paar Schritte im Halbkreis, wischte sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht und torkelte langsam in die Nacht hinein.
 

Schon mit dem ersten Augenaufschlag an diesem Morgen hatte Toshi ein ungutes Gefühl. Warum konnte er selbst nicht sagen, aber es ließ ihn keine Ruhe, konnte in der Dusche nicht abgespühlt und beim Frühstück nicht runtergeschluckt werden. Und irgendwie hatte er nach einiger Zeit das Gefühl, dieses ungute Gefühl hätte etwas mit Yoshiki zu tun. Also griff er nach dem Frühstück zum Telefon und wählte die Nummer von Yoshiki's Wohnung. Doch es nahm keiner ab. Toshi warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Viertel vor Zehn. Um die Uhrzeit befand er sich auch garantiert nicht mehr zu Hause - wenn er Dieses letzte Nacht überhaupt aufgesucht hatte – sondern saß mit Sicherheit im Studio. Doch als er die Nummer vom Studio wählte, wurde er enttäuscht. Niemand nahm ab, auch nicht nach dem zwölften Freizeichen. Na gut, wenn Yoshiki gerade in irgendeiner Abmischung stecke und durch die Kopfhörer vom akkustischem Rest der Welt abgeschnitten war, konnte er wohl auch kein Telefon wahr nehmen. Obwohl Toshi sich mit diesen Gedanken selbst beruhigen wollte, verfehlten sie ihre Wirkung auf ganzer Strecke. Er griff ein drittes Mal zum Hörer und wählte die Nummer ihres Proberaums. Aber auch hier wartete er unbeachtet in der Leitung. Mit sorgenvollem Gesicht legte Toshi schließlich auf. Er überlegte einen kurzen Moment, dann griff er sich seine Autoschlüssel, zog rasch Schuhe und Jacke an und fuhr zum Proberaum.

Warum ihn sein Weg ausgerechnet hierhin führte, obwohl er doch telefonisch erfolglos gewesen war, wusste er nicht. Er wusste nur dass seine Gedanken an Yoshiki immer stärker wurden, je näher er dem Proberaum kam. Toshi hatte Glück und erhaschte direkt vor dem Gebäude, in Welchem ihr Proberaum integriert war, einen Parkplatz. Hastig schloß er seinen Wagen ab und trat durch den Haupteingang, lief schon fast die Treppenstufen hinunter und öffnete die schwere Eisentür, die schließlich in ihren Proberaum führte. Er hatte nicht einmal den ersten Schritt in den großen Raum gesetzt, da stockte er auch schon. Was er sah verschlug ihm fast vollkommen die Sprache. Das Einzige was er im ersten Moment hervor brachte war ein gekeuchtes „Yoshiki!“

snow and blood

Der Raum war ein einziges Schlachtfeld: Der große Schrank, in dem hauptsächlich Ersatzteile für die Instrumente lagerten, lag am Boden zertrümmert und in seine Einzelteile zerlegt, das Sofa aus der Sitzecke lag nun schräg auf dem Boden und auch an einer völlig anderen Stelle als es sich normalerweise befand, das Drumkit war eingetreten und völlig zerschmettert, überall lagen Einzelteile herum, diverse Kabel zogen sich quer auf dem Boden durch den Raum – und inmitten des ganzen Chaos kauerte, völlig in sich zusammen gesunken, Yoshiki.

Nachdem er den ersten Schreck halbwegs verdaut hatte stieß Toshi sich vom Türrahmen ab und lief die paar Schritte hastig zu seinem langjährigem Freund. Er ließ sich dicht neben ihn auf die Knie fallen, legte beschützend seine Arme um ihn und versuchte sein Gesicht zu erkennen, was sich als etwas schwierig heraus stellte, da die langen wirren Haare die freie Sicht auf eben Dieses versperrten. Der Sänger spürte dass Yoshiki zitterte, wenn es nicht sein eigenes Zittern war. „Um Himmels Willen Yoshiki....! Was-was machst du...?“, war das Einzige, was er im Moment hervor brachte. Mühselig versuchte er den Kopf des Freundes mit einer Hand zu halten um ihn anzukucken, was nicht ganz einfach war da der erschöpfte Körper des Drummers immer wieder in sich einsacken wollte. Schließlich aber gelang es Toshi doch noch – und er sah in das Gesicht eines Geistes. Zumindest glaubte er das im allerersten Moment.

Yoshiki's Gesicht war leichenblass, er hatte erhebliche Ringe unter den Augen, zudem an einem Auge noch ein gehöriges Veilchen, seine Wange und Unterlippe bluteten – und seine Augen schauten leblos durch Toshi hindurch.

Für mehrere Sekunden verharrte der blonde Sänger in seiner Position, bemühte sich diesen erneuten Schreck abermals zu verkraften, bevor er mal auf die Idee kam, Yoshiki in eine angenehmere Lage zu schaffen. Jedoch war der Proberaum so verwüstet, dass er ihn nicht einmal auf einen simplen Stuhl hätte setzen können – denn die lagen hier auch überall verstreut herum und die Wenigsten von ihnen waren überhaupt noch intakt. Also ließ er kurzerhand den schlaffen Körper Yoshiki's doch nochmal los um das Sofa wieder aufzurichten, auf Welches er den Drummer anschließend ablegte.

Yoshiki war bei seinem eigenem Transport, auch wenn es sich dabei um kaum drei Meter handelten, alles andere als hilfreich. Er war lasch wie eine Puppe, seine Arme und Beine baumelten leblos herum als Toshi ihn kurzzeitig zum Sofa trug, sein Kopf hing entweder hinten über oder sein Kinn verweilte auf seiner Brust.

Als Toshi ihn nun auf das Sofa gebettet hatte, fühlte er sogleich nach dessen Puls. Dieser war erstaunlich deutlich zu spüren und im Grunde wohl aktuell das Lebendigste an Yoshiki. Sorgenvoll strich er dem Leader über die nicht blutende aber kreideweiße Wange. „Was hast du nur gemacht? Warum hast du das nur gemacht...?“ Seine eigene Stimme war im Moment nicht mehr als ein heiseres Fiepsen.

Yoshiki's lebloser Blick regte sich mit einemmal als er Toshi's Stimme vernahm. Er blinzelte ihn müde und erschöpft an. „Ich kann nicht mehr....“, wisperte er nach einigem Zögern mit tonloser Stimme.

„Was meinst du? Wovon redest du?“ Toshi strich ihm die Haare vollständig aus dem Gesicht. Er hatte Yoshiki in der Vergangenheit schon einige Male austicken erlebt, doch konnte er sich heute, hier und jetzt keinen Grund für das aktuelle Chaos erklären.

Der Blick des Drummers driftete wieder ab, schaute wieder ins Leere. „.....alles geht kaputt....“, hauchte er schließlich kaum hörbar.

Doch das half dem Sänger auch nicht weiter. Warum ging seiner Ansicht nach alles kaputt? Hatten sie nicht erst einen neuen Bassisten gefunden? Waren sie nicht mitten in den Proben und Aufnahmen zu ihrer neuesten Platte? Das klang alles mehr nach Fortsetzung, wenn nicht gar nach Aufschwung, wenn man das Chaos einige Monate zuvor bedachte. Wo sah Yoshiki etwas kaputt gehen? „Warte...“, bat Toshi ihn plötzlich, obwohl er nicht wirklich davon ausging dass der Andere in seiner aktuellen Situation in der Lage war überhaupt eigenständig aufzustehen. Er ging in eine Ecke des Raumes und holte von dort eine kleine Wasserflasche – etwas von den wenigen Sachen in diesem Zimmer, was nicht Yoshiki's Zerstörungswut zum Opfer gefallen war.

„.....Hiroki.......“, kam es heiser geflüstert aus Yoshiki's Richtung.

Toshi befand sich noch mit dem Rücken zu Yoshiki gewand und war gerade dabei nach einer Wasserflasche zu greifen, hielt aber mitten in der Bewegung kurz inne, als er diesen Namen hörte. Er wusste dass Yoshiki nicht gut auf seinen kleinen Bruder zu sprechen war und er wusste auch von den ewigen Streitereien aus ihrer Kindheit. Deswegen hatte Toshi sich auch damals gewundert, als Hiroki kurzzeitig noch zu tiefsten Indie-Zeiten bei X mitspielte. Der blonde Sänger erwachte aus seiner Starre, ergriff nun endgültig eine der Flaschen und ging mit ihr zu Yoshiki zurück, während er den Verschluss öffnete.

Ohne jegliche Aufforderung sprach Yoshiki mit gebrochener Stimme weiter. „...Hiroki...macht alles kaputt.....“ Seine Augen schlossen sich. „Er macht mich kaputt....“

Toshi kniete sich wieder an das Sofa und hielt dem Freund die Flaschenöffnung an die Lippen, während er dessen Kopf mit der anderen Hand etwas stützte.

Der Drummer trank, wenn auch nicht viel.

Als Toshi die Flasche wieder absetzte fragte er ruhig: „War Hiroki hier?“

Yoshiki zuckte nur leicht mit dem Kopf, was wohl einem verneinendem Kopfschütteln gleich kommen sollte. „Er hat........heath......“ Er wand sein Gesicht ein Stückchen der Rückenlehne zu. Seine Mimik sah unglücklich, schmerzhaft aus.

Zuerst dachte Toshi, Hiroki hätte den neuen Basser gekidnappt, doch da sprach Yoshiki schon weiter.

„Er hat ihn geküsst.......vor meinen Augen....“

Der Sänger hatte schon seit einiger Zeit den Verdacht, dass Yoshiki etwas von heath wollte, doch nun hatte er aufgrund Yoshiki's Verhalten die Gewissheit dass seine Vermutung richtig war. Wieder strich er ihm über die Stirn. „Aber das ist nicht der einzige Grund dafür, dass hier alles in Schutt und Asche liegt, oder?“ Toshi wusste, dass da noch mehr hinter stecken musste. Auch wenn ihr Bandleader den Ruf einer Diva weg hatte, so war er dennoch keine krankhaft eifersüchtige Furie die aufgrund eines simplen Kusses alles kurz und klein haute. Er hätte seinem Bruder Eine gescheuert, aber das Chaos was im Proberaum herrschte zeigte ganz andere Spuren.

Yoshiki hob eine Hand und hielt sich den Handrücken halb vor die Augen. Sein Körper zuckte ungleichmäßig und er schluchzte. „Ich wollte X retten......und....Hiroki nutzt einfach alles aus....“, brachte er mit gepresster und tränenerstickter Stimme hervor.

Toshi blickte etwas ratlos auf seinen langjährigen Freund. Er wusste nicht so recht wie diese beiden Aussagen zusammen passen sollten. Fürsorglich strich er ihm die ersten Tränen von der Wange. „Aber was hat Hiroki heute noch mit X zu tun?“

Das Schluchzen wurde lauter. „Er....er zeigt mir wie alles zerbricht.....! X ist nicht mehr so wie früher.....mit Taiji...“ Als Taiji's Name fiel wurde seine Stimme deutlich leiser, bevor sie sich wieder erhob. „Und dass er heath geküsst hat....er.....er wollte mir damit vor Augen führen, dass alles zerbricht! Dass...dass alles verschwindet.......alles, was.........was mir wichtig ist....!“ Sein Schluchzen wurde zunehmend zum Hyperventilieren. Er wand sich auf dem Sofa hin und her, krümmte sich schließlich zusammen und atmete viel zu schnell. Garniert wurde dieses Schauspiel mit lauten, kläglichen Schluchzern und fiepsenden Geräuschen.

„Yoshiki, nein... Yoshiki, beruhig dich!“ Toshi versuchte sein Möglichstes um Yoshiki von weiterem Hyperventilieren abzuhalten, bevor Dieser wieder in halbe Bewustlosigkeit verfiel, wie er es schon ein oder zwei Mal geschafft hatte. Ganz nebenbei versuchte er die ihm gegebenen Informationen in seinem Hinterkopf wie Puzzleteile zusammen zu fügen.
 

Regentropfen sammelten sich an seinen durchnässten Haarspitzen, bevor sie nacheinander los ließen und in den ebenfalls feuchten Stoff des schwarzen Mantels sanken oder gleich gen Boden fielen und dort zersprangen. Seine schwarzen Stiefel, die durch's Treppenhaus hallten, hinterließen mit jedem Schritt eine kleine Lache. Aber hide hatte sich gar nicht erst über den plötzlich hereingebrochenen Regen auf halbem Wege aufgeregt, wusste er doch dass das eh nichts brachte. Er war zu Fuß von Pata's Wohnung aus zurück nach Hause gegangen. Pata wollte ihn nicht fahren und das nötige Kleingeld für ein Taxi hatte hide nicht dabei gehabt. Nun stand er triefnass vor seiner Wohnungstür und angelte den Schlüssel aus den Tiefen seiner Manteltasche. Als er endlich fündig wurde ließ er Schlüssel und Schloß sich miteinander vereinigen und er hatte kaum den ersten Schritt in seine Wohnung getan, da klingelte auch schon das Telefon. „Ich bin noch nicht mal richtig angekommen, da will gleich schon wieder jemand was von mir...“, murmelte hide zu sich selbst, zog sich den großen, schwarzen Schlapphut vom Blondschopf und hängte das ebenfalls pitschnasse Kleidungsstück, das man hätte auswringen können, über einen Garderobenhaken, bevor er zwei große Schritte machte und den Hörer vom Telefon abnahm. „Hier ich, wer da?“, lautete seine knappe Begrüßung.

„hide? Ich bin's, Toshi.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang ernst, leicht besorgt.

Sofort ratterte hide in Gedanken seinen Terminkalender durch. Bandproben standen heute nicht an die er vergessen hätte können. Warum klang Toshi dann so seltsam? „Was gibt's?“

Toshi zögerte einen kleinen Moment, bevor er antwortete. „Hör mal, irgendetwas stimmt mit Yoshiki nicht...“

„Das ist sein Normalzustand, Toshi. Daran solltest du dich nach all den Jahren eigentlich gewöhnt haben.“ Nebenbei versuchte hide sich einhändig aus seinem Mantel zu schälen.

„Ich meine es ernst, hide.“ Und Toshi's Stimme unterstrich diese Aussage nur noch. „Ich habe ihn vor gut einer Dreiviertelstunde im Proberaum vorgefunden, nachdem er den erst einmal kurz und klein geschlagen hat. Und er selber sieht auch nicht besser aus.“

hide stockte in seinen Bewegungen. Nun wurde er doch hellhörig. „Was ist passiert?“ Was auch immer es war, es konnte keine Kleinigkeit sein. Nach der kurzen Beschreibung zu urteilen musste es was Ernstes sein.

„Das hab ich auch versucht rauszukriegen aber so ganz schlau bin ich immer noch nicht. Es hat wohl irgendwas mit Hiroki zu tun. Mit ihm, heath und X.“

„Hiroki?“, wiederholte hide den Namen sogleich. „Der spielt doch jetzt bei 'F.F.' mit, die sich kürzlich in 'thirteen' umbenannt haben, ne?“ hide hatte bei Hiroki stets ein sehr gemischtes Gefühl. Einerseits wusste er dass Yoshiki mit seinem kleinen Bruder seit Ewigkeiten auf Kriegsfuß stand und er mochte es nicht, wenn Dieser Yoshiki ärgerte. Andererseits musste er sich eingestehen mit Hiroki persönlich gut klar zu kommen. Er konnte sich mit ihm bisher immer vernünftig unterhalten – wenn Yoshiki nicht in der Nähe war.

„Keine Ahnung wo der jetzt spielt“, und Toshi klang auch so als ob ihn das nicht weiter interessierte. „Da lief wohl irgendwas zwischen dem und heath...zumindest hat Yoshiki vorhin irgendsowas angedeutet... Von wegen Hiroki und heath hätten sich geküsst oder so... Keine Ahnung was da dran ist.“

Irgendwie wurde hide's Mund plötzlich sehr trocken als er das hörte. Wenn es Yoshiki ernsthaft schon interessierte, von wem heath geküsst wurde, dann war da doch mehr zwischen ihrem Boss und dem neuen Basser... Zumindest von Yoshiki's Seite aus. hide hatte ja schon längst den Verdacht, dass Yoshiki sich mit heath nur trösten wollte um seine Trauer über Taiji – und hide war felsenfest davon überzeugt DASS diese Trauer existierte – zu verstecken.

„Jedenfalls meinte er auch, X sei ohne Taiji nicht mehr das Gleiche“, fügte Toshi noch hinzu.

Bingo! „Könnte er ganz leicht wieder ändern...“, murmelte hide, der sich aus seinem Mantel mittlerweile übrigens befreit hatte und das triefende Stück ebenfalls an die Garderobe hängte, nebst dem tropfenden Hut.

„Nicht nach dieser Sache, hide.“

Der Gitarrist spürte ein Stechen in der Magengegend, gefolgt von mächtigem Kribbeln. „Du kennst den Grund?“

Toshi zögerte kurz, bevor er sprach. „Hat er es dir nicht erzählt?“

„Nein! Es redet ja niemand darüber, ganz so als hätte X nie einen Basser namens 'Taiji' gehabt!“, fuhr der Ältere ihn regelrecht an, obwohl solch eine heftige Reaktion eigentlich gar nicht von ihm beabsichtigt war.

Wieder herrschte eine Weile Schweigen in der Leitung. Diesmal jedoch länger als zuvor. „Taiji hat gedealt.“

hide lies sich mit dem Rücken gegen die Wand fallen. „Sag das nochmal...“ Seine Mundhöhle glich inzwischen einer Wüste. „Mit was?“

„Na bestimmt nicht mit Plektren!“ Nun war es Toshi's Stimme die erregter klang als gewollt. Dieses brisante Thema griff die Nerven doch schneller an, auch wenn man sich um das Gegenteil bemühte. „Koks“, kam es dann nur sehr knapp aus dem Hörer.

hide konnte es irgendwie nicht so recht begreifen. Oder wollte es vielleicht auch nicht.

„Er hat wohl häufiger vor oder nach unseren Konzerten das Zeuchs verkauft.“

„Hat Yo-chan ihn dabei erwischt?“ Langsam erlangte hide seine Fassung wieder aber auch nur weil ihm bewusst war, dass er mit seiner Sprachlosigkeit nicht unbedingt an mehr Informationen kam. Und Informationen waren genau das was er jetzt brauchte.

„Nein, einer vom Staff hat es ihm gesagt.“

Der Gitarrist schnaufte, umfasste den Hörer unwillkürlich fester. „Nur weil Einer vom Staff Blödsinn geredet hat ist Taiji gleich draussen?“

„hide, du weißt dass auf Koks locker zehn Jahre Knast kommen können. Auch gerne mehr. Was glaubst du was in den Medien losgewesen wäre wenn man bei Taiji das Zeuchs gefunden hätte als er noch bei uns war? Das wäre X's Todesurteil gewesen und somit auch Yoshiki's.“

„Wenn wenn wenn!“, äffte hide den Sänger nach. In ihm kochte es nun zunehmend. „Du kennst Taiji, er würde X nicht mit in Gefahr bringen! X war für ihn wie eine Familie! Wie für uns alle!“ Er merkte wie seine Aggression überhand nahm und bemühte sich, sich selbst zu bremsen. Ein tiefer Atemzug folgte. „Weißt du wer aus dem Staff das war, der Yo-chan davon erzählt hat?“

„Ja. Sagt dir der Name 'Toki' was?“

hide zuckte mit den Schultern, bis ihm mal einfiel dass Toshi das ja nicht durch's Telefon sehen konnte. „Nein.“

„Der war bei einem Großteil unserer letzten Konzerte dabei, auch bei Taiji's drei Letzten“, lautete die Erklärung.

„Hast du seine Nummer?“, wollte hide nun wissen.

„Nein“, kam es aus dem Hörer, „aber ich kenne jemanden, der seine Nummer haben könnte, Moment...“

hide vernahm leises Rascheln aus der Leitung und vermutete, dass Toshi gerade in seinem Adressbüchlein rumblätterte. Wenige Augenblicke später erhielt er die Nummer eines Bekannten vom Sänger, der mit Vielen aus ihrem Staff befreundet war. Bevor hide das Telefonat beendete, erkundigte er sich noch: „Wie geht es Yo-chan jetzt?“

„Er liegt hier auf dem Sofa im Proberaum und schläft. Ich werde ihn nachher nach Hause fahren und noch etwas auf ihn aufpassen...“

hide nickte, wieder vergessend dass Toshi das nicht sah. Er verabschiedete sich von dem Freund, dann wählte er die fremde Nummer.
 

Taiji wusste nicht wie spät es war als er aufwachte, aber dem Lichteinfall nach zu urteilen musste es noch morgens sein. Als sein Blick noch leicht verträumt durch das helle Zimmer streifte, fiel Selbiger irgendwann plötzlich auf einen zerzausten, blonden Haarschopf, der neben ihm im Bett auf einem zweiten Kissen lag. So ruhig wie Hiroki da lag ging er davon aus dass der Jüngere schlief. Dabei fiel Taiji auf, dass er ihn in der Nacht zuvor gar nicht nach Hause kommen gehört hatte. Er selbst war irgendwann nach Mitternacht ins Bett gegangen, Hiroki war noch nicht da. Er hatte auch keine Ahnung gehabt wo er sich zum damaligen Zeitpunkt rumtrieb. Auch war er in der Nacht kein einziges Mal wach geworden. Sanft strichen seine Finger durch das weißblonde Haargestrüpp, als er mit einemmal stutzig wurde. Etwas Dunkles schimmerte durch die vielen Haare hindurch. Er schob die einzelnen Strähnen vorsichtig beiseite, bis eine mit Blutkruste bedeckte Kopfverletzung ans Tageslicht kam. Erschrocken warf Taiji seinen Blick auf Hiroki's Kopfkissen und tatsächlich, da war ein unübersehbarer Blutfleck, vielleicht so groß wie zwei Bierdeckel und bereits am eintrocknen. „Hiro...!“, keuchte er und rüttelte den schmächtigen Bassisten sanft an der Schulter.

Diese Behandlung zeigte Erfolge, denn Hiroki wurde wach. Leise brummend wand er seinen Kopf zu Taiji um und blinzelte ihn aus kaum geöffneten Augen völlig verpeilt und schlaftrunken an. „Hmmm...?“

„Hiro, dein Kopf....du blutest! Was ist passiert?“ Seiner Stimme war deutlich die Sorge anzuhören die er sich in diesen Momenten um den Jüngeren machte.

Hiroki blinzelte ein paar Mal, doch seine trägen Augen wollten davon auch nicht wacher werden. „Das ist nichts....mach dir keine Sorgen...“, murmelte er nur und setzte noch ein „...ist alles in Ordnung......“ hinzu, während er sich auch schon wieder umdrehte um weiter zu schlafen.

Taiji jedoch konnte nun überhaupt nicht mehr ans schlafen denken, er war hellwach. Und wieder sah ihn diese blutverkrustete Kopfwunde an. Die Wunde die etwas zeigte und doch schwieg.

The truth that breaks the day

Seine flache Hand trommelte im hektischem Rhythmus gegen die Tür, zeitgleich verweilte sein Finger scheinbar dauerhaft auf dem Klingelknopf. Jede weitere Sekunde in der ihm nicht geöffnet wurde kam hide wie eine Ewigkeit vor. „Hiroki, mach auf!!“, hallte es durch das Treppenhaus. „Hiroki!“ Er hatte gerade so viel Energie in sich, so viel Wut, dass er nicht einmal still stehen konnte sondern andauernd von einem Fuß auf den anderen trat. Dass er mit seinem Überfallkommando zunehmend bei den Nachbarn für Aufmerksamkeit sorgte, registrierte er gar nicht. Auch die schlurfenden Schritte, die von der anderen Seite der Tür immer näher kamen, nahm er nicht wahr. Erst als sich die Tür vor ihm plötzlich nach innen öffnete und er mit seiner Hand beinahe in das Gesicht der ihm nun gegenüberstehenden Person geschlagen hätte, anstatt weiterhin gegen die Tür, wurde er mit einem Mal sofort still. Aus purer Überraschung aufgrund der Tatsache, wer da gerade, nur mit Boxershorts bekleidet, vor ihm stand.

„Mensch, bist'e bekloppt oder was so-“ Taiji hielt abrupt inne, sah nur ungläubig in hide's Augen, die genauso ungläubig zurück schauten.

Es brauchte einige Sekunden, bis der Gitarrist, dem noch regennasse Strähnen ins Gesicht hingen, seine Sprache wieder gefunden hatte. „Was machst du hier?“

„Ich wohne hier... So halb...“, gab Taiji zur Antwort und fuhr sich mit einer Hand durch das noch ziemlich zerwühlte Haar. „Mensch hide, was ist los dass du hier so' Aufstand machst?“

hide bekam tellergroße Augen als er diese Auskunft erhielt und ging auf Taiji's Frage gar nicht erst ein. „Du wohnst hier?“, wollte er wissen und seine Stimme überschlug sich dabei fast. Er stand hier doch vor Hiroki's Wohnungstür – oder?

„Ja, verdammt. Hab ich doch eben gerade gesagt...“ Dem Basser war anzusehen dass er hide's Aufregung absolut nicht verstand. Seit wann hatte er ein Problem mit Hiroki?

„Ouh Taiji, was hat er mit dir nur gemacht....“, nuschelte hide mit leicht verzweifeltem Unterton, schob sein Gegenüber aber gleichzeitig zur Seite und drängte sich in die Wohnung. „Hiroki!“, brüllte er durch die ganze Wohnung, sah sich kurz um und trat dann orientierungslos ins Schlafzimmer. Taiji's aktuelle Garderobe hatte ihn irgendwie zuerst an dieses Zimmer erinnert. Und er lag damit auch nicht falsch – vor ihm auf dem Boden lag der Gesuchte, oder besser vor ihm auf dem Futon, sicher eingehüllt von weißen Decken und Kissen. „Aufstehen!“, fuhr hide ihn sogleich barsch an und griff ihm in die zerzauste Haarmähne – ungewöhnlich grob wenn man die Tatsache beachtete, dass hide keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte und somit völlig nüchtern war.

Hiroki, der zuvor den Eindringling mit erschrockenen Augen von unten angestarrt hatte, kreischte gellend auf als er so brutal an den Haaren nach oben gezogen wurde. In Windeseile stand er auf seinen Füßen um den zu starken Schmerz an seiner Kopfhaut zu lindern. „Hör auf, verdammt!“, keifte er und versuchte verzweifelt hide's Hand von seinem Haar loszuwerden.

„Warum hast du das gemacht?“, schrie hide ihn an. „Wem willst du damit mehr schaden?“

Taiji, der immer noch leicht neben sich stand und einfach zu überrascht war von dem Auftritt des älteren Gitarristen, fing sich nun endlich wieder als er feststellte dass er die Wohnungstür immer noch offen hielt, schloss Diese und eilte ins Schlafzimmer zu den anderen beiden. „hide, hör auf! Er hat schon eine Kopfverletzung!“ Energisch griff er nach der Hand des Freundes und zwang ihn Hiroki los zu lassen. „Was ist in dich gefahren, verflucht?“ Taiji's Blick war eindringlich, er hielt hide's Handgelenk weiterhin fest.

„Er hat dir Koks untergeschmuggelt und dafür gesorgt dass Yo-chan dich aufgrund dessen feuert. Er hat behauptet du dealst!“

WAS?“ Taiji blieb im ersten Moment beinahe die Luft weg und er starrte den Freund mit weit aufgerissenen Augen an, obwohl sein Verstand noch einige Sekunden mehr benötigte um die vollständige Bedeutung dieser Aussage zu verarbeiten.

„Das kannst du nicht beweisen!“, blaffte Hiroki hide großschnäuzig an.

„Ich hab die Aussage Toki's, das ist mir Beweis genug!“, fauchte hide zurück und funkelte den Jüngeren wild an.

„Toki?“, erklang Taiji's Stimme zwischen dem Gezeter der beiden Streithähne und seine nun fragenden Augen sahen hide erwartungsvoll an.

„Toki vom Staff“, begann der ältere Gitarrist. „Während unserer 'Violence in Jealousy'-Tour hat Hiroki ihn darauf angesprochen ob er wüsste dass du dealst. Er wusste natürlich nichts davon. Dann hat er sich mit ihm in die Garderobe geschlichen als wir schon längst auf der Bühne standen und geprobt haben und hat in deiner Jackentasche ein kleines Plastiktütchen mit weißem Pulver gefunden“, erklärte hide nun ausführlicher. „Hiroki hat behauptet dich damit gesehen zu haben, wie du kurz vor den Proben an einem der Seiteneingänge der Halle etwas von dem Zeuchs verkauft hast.“

Taiji kannte Toki; das war einer der Typen der ihn bei den letzten Konzerten ganz besonders missmutig angefunkelt hat. Und wenn diese Koks-Sache stimmte, dann konnte er dessen Missmut sogar verstehen.

Hiroki ließ sich immer noch nicht beeindrucken. „Woher willst du wissen dass Toki die Wahrheit spricht? Er kann genausogut lügen!“

„Er würde ganz X mit so einer Aussage in Gefahr bringen und sich selber strafbar machen wenn sich seine Aussage als Lüge heraus stellen würde!“ hide wurde immer aufgebrachter je länger er sich mit Hiroki stritt.

„Worte sind Lügen! Worte können alles behaupten, aber sie zeigen dir nicht die Wahrheit! Die einzige Wahrheit sind Taten! Aber du hast nur Worte!“ Hiroki's schreiende Stimme war nun die Lauteste im Raum und grenzte schon knapp an Hysterie, was einem die seltene Gelegenheit gab die Verbindung zwischen Yoshiki und Hiroki zu erkennen.

Taiji, der inmitten dieser Streiterei noch immer versuchte zu realisieren, was hier gerade passierte, traf nun ein tiefer Stich ins Herz. Es tat weh das zu hören. Irgendwann rang er sich wieder zum sprechen durch. Dass dieses 'Irgendwann' keine zwei Sekunden nach Hiroki's Aussage statt fand, realisierte er nicht. „hide, würdest du bitte gehen?“

Der Blonde mit dem schwarzen Schlapphut wand seinen Kopf rasch vom Beschuldigten zu Taiji. „Was?“ Er schien überrascht von dieser Aufforderung.

„Bitte“, wiederholte Taiji und ein Hauch von Schärfe lag in seiner Stimme.

Der Freund blickte ihn noch einen Moment lang an, dann verließ er sichtlich widerwillig aber doch der Aufforderung nachkommend die Wohnung. Jedoch nicht ohne noch ein leises „Meld' dich mal bei mir“, im Flur verlauten zu lassen.

Dann waren Hiroki und Taiji wieder allein. Standen sich beide im Schlafzimmer gegenüber, beide mit nicht mehr als ihren Boxershorts bekleidet.

„Er hat trotzdem keine Beweise“, murmelte Hiroki verbissen und blinzelte durch seine zerzausten blonden Haare, die ihm zum Teil ins Gesicht hingen, den Älteren an.

Taiji wusste dass Hiroki sich mit diesem wiederholten Satz selbst verraten hatte. Er fühlte sich sicher und beharrte deswegen immer wieder auf die Beweislage, die es seiner Ansicht nach ja nicht gab. Ein verheerender Fehler.
 

„Er ist kein schlechter Mensch.“ Taiji saß auf dem Sofa in hide's Wohnzimmer, zupfte sachte die Saiten seiner Akkustik-Gitarre und starrte abwesend vor sich hin.

hide, der ihm kommentarlos sein Instrument überlassen hatte, saß ihm in einem Sessel versunken schräg gegenüber und beobachtete den Freund. „Als was würdest du einen Menschen denn sonst bezeichnen, der Andere systematisch zu zerstören versucht?“

Taiji hielt in seinem Gezupfe inne und schaute langsam auf. Sein Blick haftete sich an hide's ruhige Augen. „Es ist nicht so stumpfsinnig und eingleisig wie es aussieht“, entgegnete er, „Hiroki ist kein hirnloser Irrer der nicht darüber nachdenkt was er tut.“ Er schwieg für einen kurzen Moment. „Okay, irre ist er vielleicht schon, aber er hat auch seine Gründe...“ Sein Blick driftete wieder unwillkürlich von hide's Augen ab ins Leere.

hide legte die Fingerkuppen beider Hände aneinander, spreizte die Finger. „Dass er über seine Taten nachdenkt habe ich nie bezweifelt. Sonst würden sie nicht den gewünschten Effekt erzeugen.“ Er zögerte einen kurzen Moment. „Warum nimmst du ihn so vehement in Schutz?“

Die Augen des jungen Bassers fixierten wieder den Anderen. „Vielleicht weil ich Hintergründe kenne die euch unbekannt sind. Oder wusstest du etwas von einem Feuer im Hause Hayashi?“ Er sah wie sich hide's Augen bei der Bemerkung ein Stückchen weiteten. Das war ihm Antwort genug. „Ich auch nicht. Und ich habe die Story auch nie von Yoshiki erfahren, sondern von Hiroki.“

„Was für ein Feuer...?“ hide's Stimme war leise und seine Augen fixierten seinen Gesprächspartner.

Taiji seufzte leise. „Hiroki war noch sehr klein als bei ihm und Yoshiki im Elternhaus ein Feuer ausbrach. Er wurde im Kinderzimmer von Flammen eingeschlossen und hatte wohl darauf gehofft, dass Yoshiki ihm hilft. Aber letztenendes war es ihr Vater der Hiroki gerettet hat.“ Er machte eine kleine, nachdenkliche Pause. „....ich glaube, Hiroki hing in seinen ersten Lebensjahren sehr an seinem großen Bruder. Bis zu diesem Ereignis. Dass Yoshi ihm damals nicht geholfen hat scheint ihn schwer enttäuscht zu haben....“

„Sie waren noch Kinder. Beide“, entgegnete hide zwar mit ruhiger aber auch betonter Stimme.

„Das weiß ich auch, aber gerade als Kind hast du eine andere Sicht der Dinge. Und gerade Dinge die dir in der Kindheit widerfahren prägen sich um so stärker ein. Das weißt du doch selber am besten...“

hide senkte unwillkürlich seinen Blick; er wusste worauf Taiji damit ansprach und er hoffte innigst dass man ihm das Blut, das ihm gerade in die Wangen schoss, nicht ansah.

„Und wenn du die Sichtweisen, die Enttäuschungen aus Kindertagen beibehälst und sie nicht deiner übrigen Entwicklung anpasst“, Taiji zuckte mit den Schultern was fast schon einen etwas hilflosen Eindruck machte, „.....dann passiert vielleicht soetwas...“

Der Blonde ließ sich die Geschichte kurz durch den Kopf gehen. Er hatte tatsächlich bis eben noch nie von so einem Feuer in Verbindung mit Yoshiki oder seiner Familie gehört. „Woher willst du wissen ob das nicht auch wieder eine Lüge von ihm war? Eine Lüge um dich einzuwickeln?“

Taiji schloss kurz die Augen und schüttelte behutsam den Kopf. „Ich hab ihn gesehen und gehört als er mir diese Geschichte erzählt hat. Und das waren keine Lügen, hide. Das waren keine Lügen.....“

hide versuchte ihm dies zu glauben, obwohl es ihm schwer fiel nachdem sich die Koks-Sache als riesige Intrige von Seiten Hiroki's heraus gestellt hatte. Er hätte dem jüngerem Bruder so einen großen Schlag gegen ihren Boss, oder vielmehr gegen X, bis zu diesem Zeitpunkt nie zugetraut, auch wenn er wusste dass es zwischen den beiden Brüdern nie wirklich rosig aussah. Mittlerweile fragte er sich schon was Hiroki in der Vergangenheit noch alles angestellt haben mochte, was bis heute nicht aufgedeckt worden war... „Hast du ihn geliebt?“

Taiji schwieg. Auch wenn er hide in der Vergangenheit schon so manche Sorgen und Gedanken anvertraut hatte, von denen er sich nie hätte vorstellen können sie überhaupt einer zweiten Person zu beichten, wollte er auch nicht sein gesamtes Gefühlsleben offen legen, auch hide nicht gegenüber.

Der Ältere schien dies zu registrieren und bohrte nicht weiter nach. „Wirst du wieder zurück kommen?“

Der Bassist wusste schlagartig dass hide von X sprach. Und er hatte auch den sehnsüchtigen Unterton in seiner Stimme vernommen. Aber auch hier schwieg er im ersten Moment. „Weißt du...es ist viel passiert, hide. Ich spiel jetzt bei Loudness.“

„Na und?“, und es klang fast wie kindlicher Trotz, ohne dass hide sich dessen bewusst war. „Man kann doch auch in zwei Bands spielen.“

Der Jüngere senkte den Kopf. „Das ist es nicht allein.....“, murmelte er leise. „Ich weiß nicht.........ob ich nochmal zu X zurück gehen kann...“

hide trieb diese Aussage fast die Tränen in die Augen. All die Anstrengungen, Bemühungen und Hoffnungen sollten am Ende doch um sonst gewesen sein...? Er hatte stets an Taiji geglaubt und trotzdem wollte er ihnen den Rücken zukehren?

Es herrschte sehr langes Schweigen und jeder der beiden hing seinen eigenen Gedanken nach.

Bis irgendwann Taiji´s ruhige Stimme wieder im Raum erklang. „Woher wusstest du eigentlich, dass ich nichts mit dieser Koks-Sache am Hut hatte?“

hide schaute ihm in die Augen. Sein Blick war ehrlich. „Ich kenne dich, Taiji. Und ich weiß dass du uns nie in solche Schwierigkeiten gebracht hättest. Selbst wenn du es für notwendig befunden hättest zu dealen, hättest du es geschickter angestellt und X nicht mit reingezogen.“

Ein leises Seufzen vom Cowboy und er senkte den Blick abermals. „Und warum hat Yoshiki das nicht gewusst...?“ Seine Stimme war leise und traurig.

„Yo-chan hatte Angst alles zu verlieren. Sowohl X als auch dich. Also hat er sich nur von einem getrennt, bevor ihm alles durch die Finger entwich – und das warst dann du.“ hide wusste dass diese Antwort nicht gerade aufbauend war. „Er hat unter der Trennung mehr gelitten als du dir vielleicht vorstellen magst, Taiji“, fügte er mit belegter Stimme hinzu. „Und er leidet noch immer.“

Auch wenn Taiji hide's Aussagen Glauben schenkte, tat es weh. Zu wissen, dass Yoshiki sich bewusst gegen ihn entschieden hatte. Dass Yoshiki nicht einmal den Mut besessen zu haben schien mit ihm über das Koks zu reden. Ihn zu fragen ob es wahr war, so wie es ihm berichtet wurde. Nein, Yoshiki bekam Torschusspanik und warf ihn hinaus, um X nicht zu verlieren.... Taiji wusste nicht ob er ihm deswegen böse sein konnte, aber er wusste was X für Yoshiki bedeutete. X bedeutete für ihn selbst etwas sehr Ähnliches. Nur stand er nicht an Yoshiki's Position – auch wenn er sich in der Vergangenheit oftmals in bandinterne Sachen eingemischt hatte, in die sich sonst kein anderer mehr einmischte. Vielleicht war es ein unbewusstes Handeln um Yoshiki nicht ganz allein in seinen Entscheidungen dastehen zu lassen, obwohl die Entscheidungen nach seiner Einmischung auch nicht unbedingt leichter zu treffen waren... Ihm ging eine Szene aus dem letzten Dezember durch den Kopf, als er mit Yoshiki nach einem ihrer Konzerte auf dem Vorplatz der NHK Hall in Tokyo stand. Es war nass und kalt und ungemütlich und Yoshiki wirkte so schrecklich bedrückt. “Sie haben mir gesagt, sie kommen mit dir nicht klar. Sie wollen, dass ich dich rausschmeisse.“ Dass hatte er ihm an dem Abend über den Staff erzählt. Ob Yoshiki zu dem Zeitpunkt schon von dem Koks gehört hatte wusste Taiji nicht. Doch was ihm im Nachhinein am meißten weh tat war nicht die Tatsache dass der Staff Yoshiki offenbar dazu gedrängt hatte ihn aus der Band zu werfen. Oder dass Yoshiki es tatsächlich getan hatte. Was am allermeißten weh tat war die Tatsache, dass er nicht mit ihm über die wahren Gründe gesprochen hatte.

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„Schläft er?“, war das Erste was hide fragte als Toshi ihm die Tür von Yoshiki's Wohnung öffnete.

„Mhm“, machte der Sänger nur und nickte bestätigend, bevor er zur Seite trat um hide herein kommen zu lassen. Doch kaum stand er im Flur erkannte er, dass Toshi's Aussage nicht stimmte.

Eine kläglich dreinblickende Person, auch bekannt als Leader von X, stand im Halbdunkel des Flures und sah alles andere als ausgeschlafen aus.

Nachdem Toshi die Tür wieder geschlossen hatte und sich umdrehte erkannte er das nun auch. Und er kannte auch diesen Blick in Yoshiki's Augen. Es lag an seinen Schlafstörungen, mit denen er schon seit seiner Kindheit lebte. Und bei der ihm kein Arzt langfristig erfolgreich helfen konnte. Oder wollte.

Yoshiki's Augen blickten müde auf hide, wanden sich kurz Toshi zu, bevor sein Blick zum Gitarristen zurück glitt. Er machte keine weiteren Anstalten sich auf einen der beiden Freunde näher zu zubewegen. Aber er erkannte irgendetwas in hide's Blick. Irgendetwas das aussah wie eine Information, eine Nachricht...

hide ging mit sicheren aber ruhigen Schritten langsam auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen. Seine Augen verankerten sich mit denen Yoshiki's, sahen ihn eindringlich und ohne jede Scheu an. „Ich kenn' den Hintergrund. Den wahren Hintergrund.“

Yoshiki's Blick veränderte sich minimal, als würden sie hide fragen was genau er meine.

Der Bandälteste registrierte das. „Das Koks war nicht von Taiji.“ Eine kurze Pause folgte. „Es war von Hiroki.“

Sowohl Toshi's als auch Yoshiki's Augen weiteten sich. Doch blieb es bei Yoshiki nicht nur beim Augenweiten. Sein ganzer Körper wurde binnen weniger Sekunden von Panik befallen und begann zu zittern und zu beben, dann drang ein herzzerreißender, von Schmerz genährter Schrei durch die gesamte Wohnung. Laut, schrill, gedehnt. Als nächstes gaben seine Beine nach und er hätte vermutlich dem Fußboden Gesellschaft geleistet, wenn hide den erschlafften und eigentlich viel zu schmalen Oberkörper des Drummers nicht rechtzeitig festgehalten hätte. Yoshiki's Hände griffen nach hide als er realisierte dass er gehalten wurde und seine Finger krallten sich voller Verlustängste fanatisch in den Stoff dessen Jacke. Lautes Schluchzen und haltloses Weinen war der Klang der nächsten paar Minuten, immer mal wieder unterbrochen von ein paar verschluckter Tränen.

hide, der doch überrascht von dieser Reaktion war aber dennoch schnell handelte, konnte sich nur zusammenreimen und erahnen, worauf dieser enorme Gefühlsausbruch basierte.

Toshi hingegen wusste es genauer und ihm blutete das Herz seinen langjährigen Freund so leiden zu sehen. Es war die ewige, stille Fehde zwischen Yoshiki und Hiroki, die in Yoshiki's Innerem schon solche stetigen Unruhen und Ängste gebildet hatte dass sich eben Diese schon längst festgefressen hatten und nicht mehr von ihm lassen wollten. Nur ab und an ließen sie sich besänftigen und in einen scheinbaren Schlaf schicken, der jedoch auch nur vorübergehend war. In der Zeit als Yoshiki und Taiji zusammen wahren und sich ihrer gegenseitigen Gefühle auch nicht mehr schämten, fand eine Veränderung bei Yoshiki statt, dass war dem Sänger sofort aufgefallen. Es war fast so als sei der Basser Balsam für die zerrüttete Seele des Leaders gewesen, als hätte er unbewusst einen Schutz, ein 'Pflaster' über die Wunden gelegt. Als sie auseinander waren war es mit Yoshiki wieder genauso wie vorher. Und nun zu hören zu bekommen dass es Hiroki war der für das Chaos bei X verantwortlich war, der dafür mitgesorgt hatte dass Taiji die Band verlässt und der es somit drauf angelegt hatte dass Yoshiki irgendetwas verlor was ihm wichtig war – möglicherweise X wenn er Taiji behalten hätte und die Koksgeschichte an die Öffentlichkeit gekommen wäre oder halt Taiji selbst – war für Yoshiki ein enormer Schock. Ein Schock der ihm vor Augen hielt dass sein eigener Bruder für seine Verluste verantwortlich war und diese Macht so gut es ihm möglich war auch einsetzte und ausspielte. Hiroki hatte ihn in der Hand gehabt. Es war nicht Taiji, der für seinen Rausschmiss selbst gesorgt hatte, dem man jetzt noch irgendein Fehlverhalten hätte vorwerfen können. Es war Hiroki. Und Taiji war nur das Opfer. Das Chaos war kein Zufall, Yoshiki's Nervenzusammenbrüche wurden gezielt geplant. Der Verlauf von X und seinen einzelnen Mitgliedern wurde aus dem Hintergrund von Hiroki gesteuert. Er war der Spieler und die Anderen seine Marionetten. Und niemand hatte es gesehen, keiner hatte es geahnt. Ausser hide, wie es schien. Toshi's Blick blieb leicht abwesend an dem Gitarristen haften, dessen Verhalten und Taten nicht immer leicht zu verstehen waren.

Yoshiki hing noch eine Weile in hide's Armen und verbarg sein tränennasses Gesicht in dessen langen Haaren, dann wurde er langsam ruhiger und sein einst so lautes Weinen verebbte zu leisem Schluchzen und Schniefen. Schließlich löste sich der Gitarrist ein wenig von ihm und blickte ihn an. „Lass uns Eis essen gehen“, war sein einziger Kommentar.

Yoshiki blinzelte durch seinen Tränenschleier um hide besser erkennen zu können. Ihm war die Verwirrung aufgrund dieses spontanen Vorschlags sichtlich anzusehen.

Doch hide ließ nicht locker. „Los komm, das wird sicher lustig“, lockte er ihn weiter mit einer Tonlage, die Geborgenheit vermittelte. Zudem wusste er dass man ihm solche Aufforderungen selten ausschlagen konnte. Für seine Hartnäckigkeit war er bekannt.
 

Obwohl es schon am fortgeschrittenem Abend war kannte hide ein Lokal Welches eine Mischung aus Teestube und Café war und auch um diese Uhrzeit noch geöffnet hatte. Und da es langsam auch etwas milder wurde beschlossen die Drei an einem Tisch draussen zu sitzen. Ausserdem verspürte hide nach all dem Chaos und der ganzen Aufregung den Drang nach frischer Luft. So frisch es an dieser Straße zumindest ging. So dauerte es auch nicht lange und schon bald saßen die drei Freunde vor ihren extra großen Eisbechern. Wieder herrschte erst einmal Schweigen, nachdem sie sich auf dem Weg hierher, wenn auch recht bedacht, unterhalten hatten. Yoshiki führte den langen, schmalen Löffel immer nur mit Mini-Portiönchen von Eiscreme in seinen Mund, während hide bei sich schon großzügiger vorging. Toshi blickte immer wieder abwechselnd zwischen den beiden hin und her, als würden Yoshiki und hide eine rein geistliche Konversation führen und er würde als einziger Zuhörer das Gespräch verfolgen können. Unausgesprochene Fragen lagen in der Luft, nur ganz dicht über ihnen.

„Wirst du mit Taiji reden?“

Da war schonmal die Erste.

hide schaufelte weiterhin sein Erdbeereis in sich rein, während er auf eine Antwort von Yoshiki wartete. Und er sollte ein ganzes Weilchen warten.

„Ich wollte das alles nicht“, antwortete Yoshiki nur, während sein Blick auf seinem eigenem Eisbecher kleben blieb.

Toshi hatte aufgehört mit zu zählen wie häufig Yoshiki diesen Satz seit Taiji's Rauswurf schon gesagt hatte.

hide ließ sich jedoch nicht so leicht abwimmeln. „Das ist keine Antwort auf meine Frage“, entgegnete er bestimmt aber dennoch sanft. Er wusste dass es für Yoshiki nicht einfach war, doch er empfand es nur als gerecht, wenn die beiden gerade jetzt miteinander reden würden. Wer von ihnen den Anfang machte war ihm letzten Endes egal, wichtig war ihm nur dass sie wieder miteinander sprachen.

Yoshiki wusste das wohl auch, obwohl er sein Eis gerade pausenlos so intensiv anstarrte als versuche er die einzelnen Inhaltsstoffe rauszuerkennen. Irgendwann bekam er aber doch nochmal den Mund auf, und das nicht nur zum Eis essen. „Ich weiß nicht, ob ich Taiji...überhaupt nochmal unter die Augen treten kann.....nach dem was ich ihm angetan habe...“ Der letzte Teil des Satzes war deutlich leiser.

„Was glaubst du wirst du ihm erst antun wenn du nicht mit ihm sprichst“, lautete hide's Gegenargument.

„Was ist mit heath?“, schaltete sich nun auch Toshi mit ein.

Yoshiki durchzuckte ein Blitz bei diesem Namen. heath...den hatte er zuletzt gesehen als er ihn mit Hiroki in diesem Lokal zusammen erblickt hatte. Verdammt, und heath hatte aus erster Reihe miterleben dürfen wie er auf seinen Bruder einschlug. Seit dem hatte er den Bassisten nicht mehr gesehen. Er konnte es heath allerdings auch nicht verübeln dass er ihn seit dem noch nicht wieder aufgesucht hatte. Es kam ihm vor als sei das alles erst gestern gewesen...bis ihm einfiel, dass es erst gestern gewesen war.

Auch hide bekam bei heath's Nennung ein Gefühl in der Magengegend als würde ihm jemand eine unsichtbare Faust in Selbige rammen. An heath hatte er jetzt zuletzt gar nicht mehr gedacht. Und irgendwie tat er ihm Leid, dass er in all dem ganzen Tumult steckte. heath hatte mit all dem hier doch eigentlich gar nichts zu tun, und dennoch steckte er mit drin – und wusste von allem am Wenigsten. Obwohl das Chaos und die Undurchsichtigkeiten nun im Gröbsten aufgedeckt waren, machte sich in hide unaufhaltsam die Gewissheit breit dass, egal was die Zukunft auch bringen mochte, X nie wieder so sein würde wie zuvor. Wie ein Tropfen Tinte den man in klares Wasser entgleiten lies.....
 

Sein Atem ging schwer, die ungleichmäßige Schrittfolge seiner torkelnden Füße hallte in den langen unterirdischen Gängen der U-Bahn-Station wieder. Seine Hand klatschte gegen die kalte Kachelwand und hielt sich an ihr fest. Er hob langsam den Kopf, blinzelte durch seine zerzausten Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen. Hiroki blickte die leere Rolltreppe abwärts. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kaum erkennbarem Grinsen. Abwärts, es ging alles abwärts. Langsam setzte er einen Fuß nach dem anderen auf die oberste Stufe der Rolltreppe und hielt sich mit einer Hand an der gummierten Haltevorrichtung fest. Langsam und gemächlich wurde er im gleichbleibendem Tempo nach unten befördert. Nach unten..... Es ging alles nach unten..... Taiji war, ohne auch nur ein Wort zu sagen, gegangen. Nachdem hide sie beide am Morgen überfallen hatte, hatte Taiji seine sieben Sachen genommen und war gegangen. Ohne ihm auch nur noch eines einzigen Blickes zu würdigen. Er behandelte ihn wie Luft, als sei er gar nicht da, als gäbe es ihn gar nicht. Und das tat weh. Verdammt weh. Nachdem hide Taiji über die wahren Hintergründe seines Rauswurfs aufgeklärt hatte, hätte Hiroki damit gerechnet dass Taiji vollkommen ausrasten würde und auf ihn einprügelte. Nicht dass er scharf darauf gewesen wäre – obwohl er schon zugeben musste dass es ihn anmachte beim Sex hart rangenommen zu werden. Aber es passierte nichts davon, Taiji verpasste ihm nicht einmal eine Ohrfeige. Er wand sich nur von ihm ab, zog sich an, nahm seine Sachen und ging. Selbst als Hiroki nach einer halben Stunde und mit großer Überwindung bei Taiji anrief, nahm Dieser nicht ab. Als sei er von einer Sekunde auf die Andere aus dem Leben des Bassers gestrichen worden.

Hiroki spürte wie sich sein Herz bei diesen Erinnerungen wieder zusammenzog. Alles nur weil hide seine Nase in Dinge reinstecken musste die ihn nichts angingen. Im Grunde hatte er nichts gegen den älteren Gitarristen, aber dessen Neugier und Hartnäckigkeit verfluchte er!

Mittlerweile war er am Fuße der Rolltreppe angekommen. Er hob die bereits halb geleerte Whiskeyflasche, die er die ganze Zeit in seiner anderen Hand spazieren trug, und nahm ein, zwei Schlucke daraus. Das Brennen des Alkohols in seinem Hals nahm er schon nicht mehr wahr, dafür war sein Körper bereits zu gut betäubt. Er schwankte gen Bahnsteigkante und es dauerte nicht lange bis er sich im U-Bahn-Schacht befand. Unwillkürlich wurde sein Blick traurig. Auch wenn er Taiji zu Anfang wie ein Instrument benutzt hatte, irgendwann hatte er doch Gefühle mit ihm verbunden. Und diese Gefühle hatte er selten bei anderen Menschen erlebt und diese Gefühle waren schön. In den letzten Wochen hatte er sich so wohl gefühlt in Taiji's Gegenwart; und es lag nicht an der Überlegenheit die er über sein Spiel hatte. Es lag an Taiji selbst, an seiner Art, an seinem Verhalten. Er spürte irgendwann diese Wärme, wenn er mit ihm zusammen war. Und diese Wärme gab ihm so viel Kraft und Energie.

Seine Füße wanderten quer über die Bahngleise, sicher wenn auch torkelnd, angstlos. Bis er die gegenüberliegende Seite des Schachtes erreicht hatte. An dieser Stelle war das Gleis nur mit ein paar Metallzäunen vom benachbartem Gleis getrennt, da auf eben diesem benachbartem Gleis diverse Erneuerungen statt fanden. - Jetzt, mitten in der Nacht befand sich auf dem abgesperrtem Gleis natürlich kein Mensch und die Metallzäune wurden auch nur mit Ketten locker zusammen gehalten sodass es keine größere Anstrengung kostete die Zäune einen schmalen Spalt auseinander zu schieben. Trotz seines Alkoholpegels gelang es Hiroki ohne Probleme sich durch den entstandenen Spalt hindurchzuschlängeln und so geisterte er wenig später auf dem still gelegtem Gleis herum. Verlassen und einsam wie dieses Gleis, so fühlte er sich in seinem Inneren. So hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Warum verfolgte ihn das Gefühl immer wieder? Damals, als Yoshiki ihn nicht aus dem Feuer gerettet hatte, kurz bevor er ohnmächtig wurde, da hatte er genauso gefühlt. Damals hatte er es zum ersten Mal gespürt. Und später, als seine erste Freundin ihn in frühen Jugendjahren verlassen hatte, war dieses Gefühl auch wieder present gewesen. Damals hatte er sich geschworen dass er dafür sorgte dass ihn andere nie wieder in diesen abgelegenen und kalten Teil seiner Gefühlswelt verstießen. Er wollte anderen nicht mehr erlauben Kontrolle über seine Gefühle zu haben, er wollte die Gefühle anderer kontrollieren.

Die Beleuchtung des U-Bahn-Schachts wurde immer spärlicher, je weiter Hiroki ging. Die Station, bei der er sich auf die Gleise begeben hatte, lag schon weit hinter ihm, er befand sich bereits mitten im Tunnel. Dunkel war es, obwohl an den Wänden in gleichmäßigem Abstand zueinander kleine Lampen befestigt waren. Doch die gaben nur bedingt Licht an ihre Umgebung ab. Hiroki wusste nicht bis wohin die Strecke gesperrt war, auf der er sich gerade befand, doch er dachte darüber auch nicht nach; es interessierte ihn nicht. Seine Gedanken kreisten eh immer wieder um Taiji. Der süße Rebell, der so erotisch wirken konnte wenn er sich aufregte, hatte sich aus seinen Fängen gewunden. Oder war es hide gewesen, der ihn ihm entrissen hatte? Immerhin wäre Taiji ohne hide's Aufklärung vermutlich nie darauf gekommen, was wirklich zu seinem Rausschmiss geführt hatte. Dafür war Taiji einfach nicht helle genug. Und doch mochte er ihn so sehr. Oder vielleicht gerade deswegen. Taiji konnte ihm nie gefährlich werden.

Ab und an führte er immer mal wieder die Flaschenöffnung an seine Lippen und betäubte sich Stück für Stück mehr mit dessen Inhalt. Was für gefährliche Schritte er machte und wie er damit den Schienen nahe kam realisierte er nicht. Erst als vor ihm plötzlich ein schräg auf den Gleisen stehender, einzelner U-Bahn-Wagon auftauchte, stutzte er und blieb stehen. Das Bild sah einfach zu skurril aus: Dieser einzelne Wagon, der schon von aussen ziemlich schäbig und mitgenommen aussah, wirkte wie ein kaputtes, aussortiertes Spielzeug, das achtlos am Rande stehen gelassen wurde. Hiroki blinzelte mehrmals um sicher zu gehen, dass dieses Erscheinungsbild keine Halluzination aufgrund des Alkohols war. Doch dieser Wagon stellte sich als real heraus, denn soviel er auch blinzelte, das Ding verschwand nicht. Vielleicht war das, was am skurrilstem wirkte, das Licht, Welches unübersehbar im Wageninnerem brannte.

Abwesend nahm der Blonde wieder einen Schluck Whiskey, bevor er sich langsam in Bewegung setzte und auf den einsamen Wagon zutorkelte, das vielleicht warnende Licht im Inneren Selbigens ausser Acht lassend. Etwas unbeholfen und durch den Alkohol teilweise ausser Gefecht gesetzt krabbelte er an der Seite des Wagons durch eine der scheinbar dauergeöffneten Türen in das seltsame Ungetüm herein. Die leichte Schräglage des ehemaligen Fahrzeugs und die Tatsache, dass die Seite, die Hiroki sich für seinen Einstieg ausgesucht hatte, höher lag, ließ ihn in seinem Zustand ungewöhnlich tollpatschig erscheinen. Aber er wollte sich in seiner Einsamkeit zurück ziehen und ausserdem wurde er langsam müde, sodass dieser scheinbar verlassene Wagon für ihn aussah wie ein, mehr oder minder, gemütliches Plätzchen zum übernachten. Als er sich aufstellte, machte ihm die Schräglage des Bodens zusätzlich zu seinem betrunkenem Zustand noch mehr Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten. Wie sehr wünschte er sich jetzt ein paar starke Arme die ihm Halt gaben....und eine Brust an die er sich schmiegen konnte......... Sein Blick wurde zunehmend glasig. Doch mit einemmal bildete er sich ein Stimmen zu hören. Vom anderem Ende des Wagons.

„Scheiße, wer ist das?“, fluchte eine mittellaute, hektische Stimme.

„Irgendein besoffener Penner“, meinte kurz darauf aus der selben Richtung eine zweite, rauhere Stimme.

Hiroki wand langsam seinen Kopf in die Richtung, aus der die seltsamen Stimmen zu kommen schienen. Sein unscharfer Blick erkannte zwei Personen mit schwarzen Mützen, schwarzen Jacken und vor ihnen einen Karton mit goldsilbernem, seltsam glitzerndem und aufblitzendem Inhalt. Er blinzelte nochmals, doch er bekam einfach keine klare Sicht mehr. Da war wieder die erste Stimme zu hören.

„Besoffen vielleicht, aber wie 'n Penner sieht der nicht aus...“ Der Typ mit der hektischen Stimme beäugte den Eindringling prüfend, seine Miene war wachsam.

„Scheiße....“, murrte nun auch der zweite, etwas Größere als ihm klar wurde, dass dieser schmächtige Blonde, der da völlig orientierungslos in ihrem Versteck stand, unter Umständen doch nicht so harmlos wie ein Penner war – auch wenn er besoffen war. Seine Hand wanderte zu seinem Hosenbund und im nächsten Augenblick hielt er eine schwarzglänzende Pistole fest im Griff, die er auf den Fremden gerichtet hielt.

Hiroki erblickte die Mündung der Waffe, die auf ihn zielte.

Er fühlte sich einsam. Hilflos.

Taiji......

Ein Schuss hallte durch das Wageninnere und Hiroki sah tausend explodierende Farben vor seinen Augen. Sein Kopf wurde durch die Wucht ungebremst nach hinten gerissen und zog seinen gesamten Körper mit sich.

Die Whiskeyflasche glitt ihm aus der Hand und zersprang, der Rest der goldbraunen Flüssigkeit ran durch die Scherben den Boden entlang. Dicht neben dem reglos daliegendem Körper.

Dann wurde alles weiß, gleißend weiß............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

new beginning?

. . . . . . . . . . . . . . . ..........es war alles weiß. Überall weiß. Seine trägen Augenlider konnten sich kaum offen halten, immer wieder erlagen sie der Versuchung zu kapitulieren. Zu groß war die Anstrengung, zu schwach der Körper. Als er sich dem Kraftaufwand nicht gewachsen fühlte und sich der körperlichen Ohnmacht wieder hingeben wollte, vernahm er ein Geräusch von der Seite. Es erinnerte ihn an eine Tür die geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wurde. Sofort flatterten seine Augenlider und er startete doch noch einen verzweifelten Versuch, klare Sicht zu bekommen. Plötzlich schob sich ein Männergesicht in sein Blickfeld. „Hayashi Hiroki?“, fragte eine dunkle, ruhige Stimme.

Hiroki blinzelte, das Gesicht über ihm wurde langsam klarer. Woher wusste dieser Mensch seinen Namen? Er war sich sicher diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Zumal er auch nicht besonders japanisch geschweige denn asiatisch aussah. Die fremden Züge erinnerten ihn vielmehr an einen Europäer.

„Mein Name ist Doktor Baessler.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach. „Wissen sie, wo sie sich befinden?“

Der junge Japaner mit dem zerzaustem, blonden Haar blickte seinen Gesprächspartner nur stumm an. Auch wenn er nicht wusste was hier los war, die Stimme von diesem Doktor klang angenehm warm in seinen Ohren. Und im Nachhinein fiel ihm auf, dass dieser Europäer fast akzentfrei sprach.

Als Doktor Baessler auch nach einigem Warten keine Antwort von seinem Patient erhielt, klärte er ihn über den aktuellen Stand der Dinge auf. „Sie sind im Krankenhaus, Herr Hayashi.“

Hiroki's Mimik blieb unbeeindruckt. Irgendwie wunderte ihn diese Antwort nicht, obwohl er sich nicht erklären konnte wie er hierher gekommen sein sollte. Und warum.

„Sie haben einen Kopfschuss erlitten.“ Wieder machte der Doktor mittleren Alters eine kurze Pause um den Anderen diese Nachricht erst einmal aufnehmen zu lassen. Und er registrierte wie sich die braunen Augen des jungen Mannes, der fast noch wie ein Jugendlicher wirkte, minimal weiteten als er das Wort 'Kopfschuss' vernahm. „In den meißten Fällen endet ein Kopfschuss tödlich. Sie hatten jedoch ungeheures Glück. Die Kugel ist zwar in ihre Schädeldecke eingedrungen, jedoch noch in Selbiger stecken geblieben wodurch ihr Gehirn gänzlich unverletzt blieb. Wir haben die Kugel in einer Not-OP entfernen können. Gegen die Schmerzen haben wir ihnen ein starkes Schmerzmittel gegeben.“

Hiroki musste schlucken. Sein Hals fühlte sich mit einemmal furchtbar trocken an. Sein Blick driftete unwillkürlich von Doktor Baessler weg. Die nächsten Minuten war er erst einmal damit beschäftigt, diese neuen Informationen geistig zu begreifen.

Der Mediziner mit dem kernigem Vollbart erkannte das auch und entschied sich dafür, Hiroki erst einmal die Nötige Ruhe und Zeit zu geben. „Rufen sie mich wenn sie mich brauchen. An der Seite ihres Bettes finden sie eine Strippe mit einem Notrufknopf.“ Mit diesem letztem Hinweis verließ er das Krankenzimmer mit großen, aber ruhigen Schritten und schloß die Tür hinter sich.

Hiroki blieb alleine zurück. Und starrte auf die gegenüberliegende Wand.

Alleine.

Kopfschuss.

Plötzlich tauchten Bilder aus dem U-Bahn-Schacht in seinen Erinnerungen auf, wenn auch sehr verzerrt und verschwommen. Aber Stück für Stück kamen die Szenen, die vor dem Kopfschuss passiert sein mussten, wieder zurück in sein Gedächtnis, wenn er auch die korrekte Reihenfolge nicht ordnen konnte. Doch dann drängte sich eine Frage in den Vordergrund: Warum hatte er überlebt? Warum war die Kugel nicht bis zu seinem Hirn durchgedrungen und hatte Dieses zerfetzt? Wer hatte ihn gefunden und in ein Krankenhaus gebracht? Warum lebte er noch?

Ganz langsam und zögerlich hob er schließlich seinen linken Arm, was nicht so schwierig war wie er es erwartet hatte aber dennoch Kraft kostete. Schließlich erreichte seine Hand den Kopf und sofort spürte er den rauen Verband an seiner Handfläche und den Fingerkuppen. Ein Verband, der um seinen Kopf gebunden war. Die blonden Haare hingen ihm zerzaust über Selbigem. Dass ihm an der Einschussstelle etwas von seinem Haar wegrasiert worden war registrierte er nicht. Es war also tatsächlich Realität, der Schuss und die anschließende OP hatten wirklich statt gefunden. Warum hatte er solch ein Erlebnis nur überlebt? Was gab es für einen Grund dafür? Diese Fragen kreisten immer und immer wieder in seinem Kopf herum, jagten sich wie Hund und Katz. Bis sich schließlich eine Möglichkeit gegen diesen Kreislauf stellte. Sollte er mit seinem Überleben vielleicht....eine zweite Chance erhalten haben? Trotz seiner diversen Taten die seinen Mitmenschen Schaden zugefügt hatten dessen er sich stets bewusst war? Sollte das hier sein eigener Neuanfang sein? Soetwas wie eine geistige Wiedergeburt, nur im alten Körper? Neuanfang.... Hiroki wand seinen Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster.

Der Himmel war blau.
 

Yoshiki ging ununterbrochen im Proberaum auf und ab, seinen Blick stets stur auf den Boden gerichtet und es war ein Leichtes ihm seine Anspannung anzusehen.

Ähnlich wie Yoshiki ging es auch Toshi, der ebenfalls nicht ruhig sitzen konnte und sich deshalb stehenderweise den Platz hinter dem Sofa ausgesucht hatte auf welchem hide, Pata und heath saßen. Der Blick des Sängers suchte immer wieder das Gesicht Yoshiki's, doch Dieser erwiderte den Blickkontakt nie.

hide saß am linken Rand der Couch und knabberte nervös auf seiner Unterlippe herum und neben ihm verweilte Pata mit Bauchschmerzen. Diese merkte man ihm jedoch keineswegs an, da er so ruhig war wie man es doch so oft von ihm kannte. Der Letzte in der Runde und auf dem Sofa war heath, und er war auch der der sich hier wohl gerade am deplatziertesten vorkam. Unsicher gingen seine Blicke immer wieder von Yoshiki zu den beiden Gitarristen neben sich. Seine Augen waren fragend und wartend. Wie alle anderen im Raum überlegte auch er sich wann das große Chaos hier statt finden wird. Ob es überhaupt statt finden würde. Denn eine Person fehlte noch. Taiji.

Zu allem Überfluss hatte Yoshiki heute morgen auch noch einen Anruf von seinem Anwalt erhalten; es ging um eine amerikanische Punkrockband die auch 'X' hießen und leider schon ein paar Jährchen länger aktiv waren als sie selber. Und diese Band wollte ihnen nun ihren Bandnamen streitig machen was bedeuten würde, Yoshiki müsste seiner Band einen anderen Namen verpassen. Einen anderen Namen für X..... Yoshiki hatte sofort ungläubig mit dem Kopf geschüttelt als er diese Nachricht erhielt. Er konnte sich nicht vorstellen X einen anderen Namen aufzudrücken. Und er fragte sich ob er dieses Dilemma auch gehabt hätte, wenn er nicht den Versuch gestartet hätte mit X einen Durchbruch in den USA zu erlangen...

Plötzlich öffnete sich mit fließenden Bewegungen die schwere Tür des Proberaums.

Alle fünf Musiker verharrten in den jeweiligen Tätigkeiten denen sie bis zu diesem Moment noch nachgegangen waren und starrten auf die Tür. Es schien fast so als hielten sie alle gleichzeitig den Atem an.

Taiji trat in den Proberaum. Das erste Mal seit Monaten. Und was ihn begrüßte waren zehn Augen die ihn ansahen und ihm das Gefühl gaben er sei ungefähr so willkommen wie eine hartnäckige Erkältung. Nachdem er die Tür hinter sich wieder geschlossen hatte, blieb er nicht viel mehr als einen Meter vor Selbiger stehen und wartete erst einmal ab. Schließlich waren die anderen stark in der Überzahl. Obwohl er das natürlich von Anfang an gewusst hatte.

Yoshiki's Herz schlug ihm in diesen Sekunden bis zum Hals. Es war das erste Mal dass er Taiji wieder vor sich stehen sah, seit sie ihr letztes Konzert mit ihm im Tokyo Dome absolviert hatten. Die paar kurzen Fernsehauftritte mit Loudness zählten nicht. Und obwohl er sich fest vorgenommen hatte dieses Gespräch so sachlich wie möglich zu führen, fiel dieser Plan gründlich ins Wasser denn Yoshiki bekam erst einmal gar keinen Ton heraus. Das Öffnen seiner Lippen funktionierte noch, aber weiter ging es dann auch erst mal nicht.

Taiji ließ seine Blicke ruhig über jedes einzelne Bandmitglied gleiten und blieb zum Schluß an heath hängen. Wie musste der sich wohl gerade fühlen? Hier vor allen anderen seinem 'Vorgänger' ausgeliefert zu sein...?

Pata's Bauchschmerzen wurden schlimmer. Er hatte das Gefühl mit seinem Mageninneren würde irgendjemand Fußball spielen. Er war auch der Erste der seinen Blick wieder von Taiji nahm weil er es als unhöflich empfand den armen Kerl in solch einer Situation ununterbrochen anzustarren.

hide hatte in dem Moment aufgehört auf seiner Lippe herum zu kauen als Taiji den Raum betreten hatte. Doch seine Nervosität war damit nicht verschwunden. Er befürchtete das Schlimmste nach diesem Gespräch, welches ihnen jede Sekunde bevorstand, und gleichzeitig sträubte er sich gegen den Gedanken.

Toshi war kurzzeitig am überlegen ob er seinen Stehplatz hinter der Couch doch nicht endlich aufgeben und sich lieber zu Yoshiki gesellen sollte, einfach um ihm Beistand zu leisten. Doch aus irgendeinem Grund den er selber nicht erklären konnte blieb er wie angewurzelt an seinem Platz stehen. Irgendwas sagte ihm dass Yoshiki durch diese Sache alleine musste und das ihm die Worte niemand abnehmen konnte. Auch er als sein langjährigster Freund nicht.

heath, dem Jüngstem im Raum, konnte man mit einem Blick in den Augen ablesen dass er sich am liebsten für seine Anwesenheit entschuldigt hätte.

Irgendwann, nach einer scheinbar endlosen Zeit, begann Yoshiki dann doch noch zu sprechen. „Wie ihr ja mittlerweile alle wisst“, begann er und sein Blick wanderte gen Boden, „hat.....Hiroki mir in letzter Zeit ziemlich übel mitgespielt.“

Jeder in diesem Raum merkte dass dem Leader die Worte 'kleiner Bruder' in diesem Zusammenhang nicht über die Lippen wollten.

„Er hat......“ Yoshiki fasste sich an die Stirn; es kostete so verdammt viel Überwindung das alles jetzt nochmal vor den Anderen auszusprechen. Ein schweres Seufzen erklang. „.....dafür gesorgt dass falsche Informationen in Umlauf geraten sind und mich, sowie auch andere, daher glauben machen ließ Taiji würde mit Koks dealen.“ Mit größter Überwindung hob er seinen Kopf, doch den anderen in die Augen kucken konnte er nicht. Seine Blicke huschten rasch über sie, kuckten an ihnen vorbei – aber nicht in ihre Gesichter. Wieder ein Seufzer der Überwindung. „Hiroki hat es so geschickt angestellt dass diese Behauptung sich verfestigte und schließlich dazu führte dass Taiji von der Band ausgeschlossen wurde.“

Dem Cowboy verpassten diese rückblickenden Worte einen Stich ins Herz. Ihm war klar dass Yoshiki diesen Satz so allgemein formulierte anstatt einfach zu sagen dass er ihn gefeuert hatte. Er kannte Yoshiki und er wusste wie Dieser sich in bestimmten Situationen auszudrücken pflegte, und doch tat es irgendwie ein bißchen weh. Die Worte klangen so allgemein, so distanziert.

„Leider....“, setzte Yoshiki wieder an und man merkte überdeutlich wie schwer es ihm fiel seine eigenen Fehler zuzugeben, „...habe ich erst viel zu spät hinter die Fassade dieses miesen Spiels blicken können...“ Sein Blick senkte sich während des Sprechens langsam wieder. Nach einer weiteren Schweigeminute hob sich sein Kopf zögerlich und er sah Taiji an. Seine Augen schrien nach Entschuldigung.

Taiji fing diesen Blick auf und nach einem kurzen Moment schenkte er ihm ein ganz kleines Lächeln. Und zum ersten Mal seit er diesen Raum betreten hatte fing er an zu sprechen. „Ich spiele nun bei Loudness. Und ich bin dort gut aufgehoben, keine Sorge. Ich werde euch in Zukunft nicht mehr in die Quere kommen und ich werde heath auch seinen neuen Platz als Bassist bei euch nicht streitig machen.“ Bei dem letzten Teil seines Satzes schaute er auf den sichtlich verunsicherten heath.

Und ganz X starrten wieder Taiji mit großen, runden Augen an. Er wollte gar nicht mehr zurück? Jeder von ihnen hatte damit gerechnet, dass Taiji zumindest versuchen würde irgendwie wieder als X-Basser aktiv zu werden. Dass er diese Option nun aber scheinbar nicht einmal mehr in Erwägung zog, damit hatte keiner gerechnet.

hide rutschte das Herz bis in die Hose. Er wusste dass Loudness zu Taiji's Lieblingsbands zählten und dass es für ihn sicherlich eine Menge bedeuten musste bei seinen eigenen Idolen mitspielen zu können. Aber mit dieser Aussage, die der Bassist soeben verkündet hatte, wurde jeder noch so kleine Funken Hoffnung an eine Wiederkehr Taiji's ausgelöscht. Er fühlte sich gerade als hätte er seine gesamte Energie um die Aufklärung der ganzen Sache um Yoshiki, Taiji und Hiroki umsonst verbraucht.

„Taiji......“, krächzte es plötzlich heiser und leise aus Yoshiki's Ecke.

Der Angesprochene wand seinen Blick wieder seinem einst Geliebten zu, unterließ sein seltsames, angedeutetes Lächeln nicht, machte dann jedoch eine sehr knappe Kopfbewegung die man mit einem verneinendem Kopfschütteln hätte deuten können. Dann waren seine Augen auch schon wieder auf den Rest der Truppe gerichtet. „Ich hab mit euch wirklich gerne zusammen gearbeitet....und gelebt. Mit euch allen.“ Sein Kopf senkte sich leicht und wieder erfolgte ein angedeutetes Schütteln mit Selbigem. „Aber es ist einfach zu viel passiert.“ Mit dem letzten Satz wurde seine Stimme hörbar rauer, auch wenn er versuchte das zu verbergen. Nach einem kurzem Schweigemoment in dem scheinbar jeder in diesem Raum von der Bedeutung der gesprochenen Worte zu überwältigt war, wand Taiji sich direkt an heath. Er wollte ihm die Angst nehmen, wenigstens ein bißchen. „Lass dich nicht unterkriegen und halt mir meine ehemaligen Jungs im Zaum“, zwinkerte er und seine Lippen formten sich zu einem aufmunterndem Grinsen. „Und lass deine Klamotten um Himmels Willen nicht unbeaufsichtigt wenn hide in der Nähe ist. Sonst hast du bald Keine mehr.“

hide stiegen bei diesen freundschaftlich gemeinten Worten schlagartig Tränen in die Augen, doch er versuchte verbissen sie herunter zu schlucken. Er wollte hier jetzt nicht anfangen zu heulen. Obwohl ihm gerade verdammt danach war.

Ein letztes Mal ließ Taiji seinen Blick über seine ehemaligen Kollegen schweifen, dann wand er sich um und auf dem kurzen Weg zur Tür kam er auf Yoshiki zu. Ohne ihm einen gesonderten Blick zu schenken schlenderte er dicht an ihm vorbei, wobei seine Finger Yoshiki's Finger zart streiften.

Die Finger des Drummers versuchten daraufhin sofort die des Bassers mit den Kuppen fest zu halten.

Doch Taiji's Finger ließen diesen Fangversuch nicht zu und waren ihnen schon entglitten noch bevor sie sie wirklich erwischen konnten. „Es war einfach zu viel“, hauchte der Jüngere so leise dass nur Yoshiki direkt neben ihm den Satz verstehen konnte. Dann trat er durch die Tür.
 

Es war Jin, der Sänger von 13-thirteen, der Yoshiki erst Tage später – dafür aber umso aufgeregter – die Nachricht überbrachte dass Hiroki mit einem Kopfschuss ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Und obwohl Yoshiki zuerst gezögert hatte entschied er sich doch seinen Bruder im Krankenhaus aufzusuchen. Warum er das nach all dem was Dieser ihm angetan hatte überhaupt noch machte, konnte er sich selbst nicht ganz erklären. Aber irgendetwas zog ihn dorthin. Nachdem er im Krankenhaus, Welches ihm Jin genannt hatte, angekommen war und sich an der Rezeption durchgefragt hatte, fand er schließlich auch das Zimmer in Welchem Hiroki liegen sollte. Als er nun vor der Tür stand ergriff ihn wieder ein Anflug von Zögern und die Zweifel, ob er diesen Schritt tatsächlich wagen sollte. Ob er wirklich durch diese Tür gehen sollte und sich somit in einen Raum gemeinsam mit Hiroki begeben sollte. Hiroki hatte sein halbes Leben auf den Kopf gestellt, das waren keine Kinderstreiche mehr. Wollte er ihn wirklich nochmal zu Gesicht bekommen?

Doch da griff seine Hand schon zum Türknauf und öffnete Selbige. Er wusste nicht was ihn erwarten würde. Sein Blick fiel auf das einzige Bett in diesem Zimmer. Es war leer. Die Decke lag halb aufgeschlagen und zerwühlt auf der Matratze, das Kissen bot sich ebenfalls leicht zerwühlt. Hiroki war nicht hier.

Yoshiki irritierte das. Er hatte mit etwas anderem gerechnet.

„Suchen sie Hayashi Hiroki?“

Der schlanke Drummer zuckte zusammen als er plötzlich die Stimme neben sich hörte. Er wand seinen Kopf zur Seite und blickte in das ruhige Gesicht von Doktor Baessler. „J-ja...“, kam es von ihm als kurze, stotternde Antwort.

„Wir wissen im Moment leider nicht wo er sich aufhält. Eine Schwester hat vor einer halben Stunde die Abwesenheit von Herrn Hayashi fest gestellt. Auch seine Kleidung die er bei seiner Einlieferung an hatte sind verschwunden. Wir vermuten dass er sich selbst vorzeitig entlassen hat, obwohl das in seinem Zustand nicht gerade ratsam ist...“ Der Arzt musterte den femininen Mann vor sich, der ihm schweigend zugehört hatte und nun wieder auf das leere Bett starrte. „Sind sie ein Verwandter von ihm?“, fragte er schließlich nach kurzem Zögern.

„Ich bin sein großer Bruder...“, sprach Yoshiki leise und fast abwesend. Sein Blick ruhte auf dem Bett. Er versuchte sich Hiroki in Diesem vorzustellen. Es mißglückte ihm. Der Hiroki den er vor seinem innerem Auge sah war drei Jahre alt.

Doktor Baessler schwieg einen Moment, bevor er wieder sprach. „Dann hoffe ich dass ihr Bruder weiß was er tut. Ein Kopfschuss ist kein kleiner Kratzer.....“

Yoshiki's Augen glitten vom Bett hinüber zum Fenster. Er sah in den wolkenlosen, strahlendblauen Himmel. Nein, ein Kopfschuss war kein kleiner Kratzer.....
 

. . . . . let me forget all of the hate, all of the sadness . . . . .



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Von:  Hara_Michiyo
2011-01-16T19:32:21+00:00 16.01.2011 20:32
das ist eindeutig eine deiner besten fanfic´s doch auch die traurigste
*.*´
himmel ich hab echt tränen vergossen, so gut kommte man sich rein versetzen, zumal alles immer nur noch schlimmer wurde und der arme hide sich wirklich so viel mühe gegeben hat, aber kein happy end
ohhh man
1++++++ wirklich super
Von:  hideplueschtier
2009-02-02T18:38:53+00:00 02.02.2009 19:38
So, nun hab ich das Würfelchen also auch endlich durch und kann meinen Senf dazu abgeben...
Alles in allem gefällt mir die Geschichte sehr gut, besonders das Ende, da es nicht typisch kitschiges happy end ist(hätte auch nicht zur Story gepasst), sondern offen, zwar klärend, aber immer noch ein bisschen in der Schwebe, wie es auch im normalen Leben ist.
Die Charaktere sind dir mit ihrem Verhalten sehr realistisch gelungen, ihre Empfindungen, ihr Denken und Handeln beschreibst du sehr emphatisch und generell beitet deine fanfic viel Atmosphäre.
Ein paar Einzelheiten sind zwar nicht so glatt (z.B. hab ich mich die ganze Zeit über gefragt, wieso denn hide Kiyoshi nicht leiden können solle; wie realistisch es ist, dass Taiji sich von Yoshiki hat so schnell abspeisen lassen, ohne hartnäckig auf einen Grund/ Erklärung für seinen Rausschmiss zu bestehen; oder wie realistisch es ist, einen Kopfschuss zu überleben, wenn dieser doch so stark ist, dass er einen so heftig von den Beinen reißt), aber trotzdem ist dir die ff sehr gelungen.
Du verstehst es sehr gut, den Leser zu fesseln und im Bann der Geschichte zu halten, unter anderem durch die Erzählstruktur oder auch damit, dass du die Charaktere Andeutungen machen lässt, welche die Leser zum Grübeln bringen (z.B. dadurch dass du hide immer wieder den wahren Grund für Taijis Rausschmiss hast suchen lassen), oder einfach durch unvorhergesehene Verläufe der Story (z.B dass die Sache mit dem Dealen eine Lüge war, die auf Hirokis Konto ging).
Großes Lob auch für die Charas an sich, besonders Hiroki ist dir sehr faszinierend gelungen. Ich wusste ja von Anfang an nicht recht, was ich von ihm halten sollte und ehrlich gesagt weiß ich es immer noch nicht ganz, denn einerseits ist er einfach ein Miststück, andererseits empfindet man auch sehr viel Mitleid für ihn. Aber gerade dieses Gefühl des "Nicht einschätzen könnens" macht ihn meiner Ansicht nach sehr realistisch.
Auch Yoshikis Überwindung zu dem Entschluss hin, dass er Hiroki aufsucht, gefällt mir sehr gut, denn es zeigt, dass er sich weiterntwickelt hat und wirklich einen neuen Anfang machen kann.
Einziges Manko bei der Charaktergestaltung ist meiner Meinung nach heath. Er war zwar erst in den letzten Kapiteln dabei, trotzdem hättest du ihm etwas mehr Tiefe verleihen können. Denn obwohl seine Schüchternheit sich gut in die Geschichte einpasst, wirkt er zuweilen nur wie Yoshikis und Hirokis Spielball, der ziemlich inaktiv bleibt, was eigentlich sehr schade ist, da ihm ein bisschen mehr Eigeninitiative durchaus nicht hätte schaden und zu einem interessanteren Charakgter hätte machen können.
Alles in allem aber wie gesagt eine wunderbare fanfic mit sehr vielen schönen, bewegenden und auch überraschenden Momenten.

Ich glaube das war nun acuh mehr als genug Senf, ne ^^?
Liebe Grüße und weiterhin viel Erfolg beim Schreiben,
dein hideplueschtier
Von:  devitto
2009-01-09T03:29:12+00:00 09.01.2009 04:29
Alles gelesen =)
Das ist teilweise SO rührend, du bist der dritte Autor, der mich zum weinen bringt T_T
Also.. jetzt nicht im letzten Kapitel^^
Wirds eine Fortsetzung geben? Das wäre super!
Mh.. freue mich über Benachrichtigung ^.^
LG <3
Von:  Croft_Manor
2009-01-01T22:44:27+00:00 01.01.2009 23:44
Am meisten berührt...hat mich diese szene, in der Taiji an Yoshiki vorbeigeht- das mit dem streifen der Finger. Ich weiss nicht warum... Aber ich fands echt schön.
Ich weiss nicht obs dir irgendwie gross was bedeutet, aber du kannst echt stolz sein, den eigentlich les ich keine FF's- und ich schreib auch keine Kommis.

Ich habe während der ganzen FF, nicnt jetzt speziel in diesem Kapitel. immer wieder geschluckt, weil mit an einigen stellen die Wortwahl nicht ganz so gefällt- an anderen dafür wieder serh gut. War nen Hin und Her aber alleine schon sie tatsache das ich sie zuende gelesen hab ist schonmal was ^^
Von:  Lacrima_de_Romana
2008-12-31T08:25:32+00:00 31.12.2008 09:25
ok, ich denke ich muss nichts mehr sagen, immerhin haben die anderen schon alles gesagt.
aber irgendwie ... ja ich weiß ich bin neugierig, aber ich würde trotzdem gerne wissen wie es mit hiroki weiter geht und ob er seinen neuanfang schafft und vielleicht doch mal zu einem gespräch mit yoshiki kommt, man weiß ja nie, schön wäre es auf jeden fall und auch irgendwie wünschenswert. zu den kleinen rechtschreibfehlerchen sag ich mal nichts, mach ja selber immer welche. egal .. vielleicht gibt es ja von icecube auch eine fortsetzung wie von sugarcube, oder eine extra ff mit hirokis leben danach, oder generell wie alles danach ausgeht.
mal schauen, schön wäre es auf jeden fall

Von: abgemeldet
2008-12-30T20:36:26+00:00 30.12.2008 21:36
so... das war's also?... komisches gefühl...
hm, das ende... hab's irgendwie so erwartet... ein happy end im sinne von taiji und yoshiki für immer zusammen und alles... wär unrealistisch... es passt gut so wie du's geschrieben hast.
und was hiroki angeht... ich wusste, dass du ihn vieI zu Iieb gewonnen hast um ihn einfach sterben zu Iassen...
ist vermutlich auch gut, dass er seinem bruder nicht mehr begegnet ist... ich vermute mal stark, dass dabei kein vernünftiges gespräch rausgekomme wär... wohl eher vorwürfe... eigentlich ist hiroki ja schuld an der ganzen misere... ich würds ihm ja schon krumm nehmen...
und heath ist wohl ein ziemlicher stein vom herzen gefallen... is n blödes gefühl, kenne das, war auch mal an einer ähnlichen stelle wie taiji (also jetzt mal von drogen und affairen etc abgesehen) ... hab übrigens das gleiche gemacht (also die band verlassen)... du hast dich also echt gut in die situation hineinversetzt...
ich fand's nur schade, dass das kapitel doch ein bisschen kurz war...
aber dennoch... danke für die schöne romantische geschichte, hab mich immer gefreut wenn ne kleine rothaarige auf dem balken saß mit nem ens-schild in der hand.
das heißt du kannst mir gerne auch weiterhin bescheid geben wenn's wieder was neues gibt...*zwinker*

Von: abgemeldet
2008-12-30T18:50:57+00:00 30.12.2008 19:50
woooooow oo
das war ein schönes letztes kapitel ^.^~
hat spaß gemacht es zu lesen~~ auch wenn ich ein bisschen traurig bin, dass es wirklcih das letzte kapitel dieser FF sein soll ;_; hab ich so dran gewöhnt, dass man sich immer wieder auf neue kapitel freuen kann U_U
die FF hat mir in erster linie so gut gefallen, weil sie einfach so realistisch dargestellt war ^^ auch das ende....(leider) sehr realistisch ^^ na ja im grunde hat es mir sogar gefallen.....und hide war so süüß >.<°°° *quitsch* xD jah ich bin und bleibe halt ein hide-fangirl xD~
der satz der mich am meisten zum lachen gebracht hat, war der mit heaths blick xxxD von wegen so gucken, als würde ihm seine anwesendheit leid tun oda so xD~ ich konnte mir das so bildlich vorstellen, das war so herrlich xxD~
jah und hiro...hm....o.o ich könnte mir vorstellen dass er irgendwo hingefahren is, wo ihm seine vergangenheit nicht in die quere kommt~~ und für yoshi wird es wohl auch das beste sein...oo
ah, dass du diesen konflikt mit dem bandnamen noch eingebracht hast, hat zwar etwas gequetscht gewirkt, aber irgendwie hat es die ganze szene platischer, wieder mal realistischer gemacht xD~ ^^
fand ich also gut, so wie eigentlich alles~
taiji und yoshi~...joah...ham sich nach allem was passiert bestimmt auch so weit auseinander gelebt, dass ein neu anfang, obwohl beide in verschiedenen bands spielen sicher nicht geklappt hätte denk ich....oo~ war schön dargestellt, wie Taiji reinkommt und so..(und wie hide fast anfängt zu heulen U_U) und yoshikis reaktion.....hach jah, da hat man fast mitheulen wollen U_U
also ich fand es war ein sehr gelungenes letztes kapitel ^.^
*winke*
vllt finde ich ja an deiner nächsten FF genauso großen gefallen ^.^
_pinkuuu_
Von: abgemeldet
2008-12-12T21:10:48+00:00 12.12.2008 22:10
öhm..jah.......oo
;__;
tot? ;_;
doof <.<° du mit deinen doofen cliff hängern..und uns dann wieder nen monat warten lassen *mecker*
xD
nein okay, bei so schönen kappis wartet man ja gerne *.*
vor allem...hach jah, die stelle mit hide und yoshi *.* die war soooo toll..aba..ds hast du dir sicha schon gedacht dass ich die stelle mag xxxD
die szenerie mit hiro fand ich richtig toll o.o hab mir ds alles aba so ähnlcih wie im metro inneren von paris vorstellt und war deshalb nen bissl schaurig oo
war trotzdem tollig ^^ bin nur mal gspannt ob hiro nun wirklcih tot is OO...oda net..oda..überhaupt oo wo is taitai überhaupt? oô
alsooo schnell weiter schreiben, jah? ^^;;
*winke* ^^
_pinkuuu_
Von:  Croft_Manor
2008-12-12T01:48:05+00:00 12.12.2008 02:48
Tja.. irgendwie merke ich gerade, das ich nicht gut im Kommis schreiben bin.
Nein, ich werde jetzt nicht diese standart Frage stellen XD Den ich kann mir fast denken, das es nicht so ist.

Eis...ist ne gute Idee. zwar kein erdbeereis, aber eis finde ich gut XD
Tja ich bin hin und her gerissen. Irgendwo tut mir Hiroki leid- andersherum... hat ers auch irgendwo verdient. also nicht, zu sterben... aber...~ na ja. Ich lasse mich einfach überraschen
Von: abgemeldet
2008-12-11T21:17:29+00:00 11.12.2008 22:17
Öhm.... bin ich etwa die erste?
okay, also was gibt es zu dem kapitel zu sagen?
zuerst einmal die standart frage: Ist Hiroki jetzt etwa tot???
Wenn ja...... dann hast du ja meinen lieblingsbösewicht kaputt gemacht... ;___; auch wenn ihn ja sonst scheinbar jeder hasst... naja, in der realität würd ich ihn ja auch hassen... oder zumindest nicht mögen... so is es nich (;
okay, was is noch passiert?... achja, yoshiki weiß jetzt, dass das koks nich von taiji war... ich persönlich hätte ihn ja einfach mal drauf angesprochen... aber yoshiki is ja ein andres kaliber (;
jetzt scheint ja ein treffen zwischen taiji und yoshiki bald mal wieder stattzufinden... bin ja gespannt was die sich zu sagen haben und wie sie aufeinander reagieren... hihi


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