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Night's End

Der Wiedergänger
von

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Vorbereitungen

Ruhig lag das Meer, schimmerte graublau, reflektierte das Sonnenlicht so hell, dass Luca die Lider schließen musste.

Das Sonnenlicht sorgte im Moment zusammen mit dem Geruch nach Salz und Schweiß für ein unbezwingbares Gefühl von Übelkeit. Sein Gemüt hatte sich seit der vergangenen Nacht nicht wirklich beruhigt. Noch immer fühlte er sich schlecht und seine Gedanken drehten sich zu deutlich um die Angst, dass Aycos und seine Natur irgendwann verraten werden konnten. Jaquand, Raven, Thorn und Orpheu kannten dieses Geheimnis. Und zumindest dem Zwerg-Orc-Mischling traute Luca zu, dass der irgendwann ausplauderte, was sie waren.

„Aus dem Weg!“, rief ein Hafenarbeiter.

Luca hob die Lider und sah zu dem bulligen Mann, der einen Ochsenkarren mit mehreren Kisten beladen, führte.

Fast ein wenig widerwillig trat er zur Seite, in den Schatten des Lagerhauses, was Orpheu für sein Heer nutzte.

Einige Gefährten saßen bereits hier auf dem Boden, warteten geduldig und entspannt. Ayco trat gerade aus dem Schatten eines großen Lastenseglers, in seinen Händen ein breites Holztablett, auf dem gebackener Fisch lag.

Einige der Männer setzten sich nun auf und winkten ihn herbei.

„Und, was gab es?!“, rief Jaquand, der sich langsam vom Boden erhob und die steifen Gelenke streckte.

Ayco antwortete erst, als er seine Gefährten erreicht hatte.

„Mach die Augen auf, dann siehst du es“, knurrte er den Schützen an.

Der hob die Braue. „In welchem Monat bist du denn schwanger?!“, fragte er. „Wohl mit dem falschen Bein aufgestanden?“

Ayco bedachte ihn mit einem Blick, der Sarina mit einer Packeisschicht überziehen konnte.

Jaquand beachtete ihn gar nicht, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und begann neugierig die Auswahl an kleinen Fischen in Salzkruste zu inspizieren.

Bevor er seine Finger nach einer besonders schön durchgebackenen Sardelle ausstrecken konnte, schoss ein flinker, roter Drachenschwanz unter Aycos offenem Haarmantel hervor und ergriff den Fisch.

„Mistvieh!“, knurrte Jaquand. „Den hatte ich mir ausgesucht!“

Luca musste lächeln, trat nun aber auch näher heran, weil das Knurren von Tambrens Magen ihn langsam störte.

„Lecker, Fisch!“, schnurrte der Drachling, drehte seinen langen Schlangenhals hinab und schnupperte über den Fischen. „Das ist so herrlich...“ Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, da schnappte er auch schon nach einer kleinen Garnele, die sich Jaquand gerade nehmen wollte. Sofort zog der Mann die Finger zurück.

„Klar, behalt sie, Vielfraß. Drachensabber will ich nicht an meiner Garnele!“, knurrte er.

Der Drachling ließ sich auch nicht dabei stören.

Scheinbar war der Schütze heute zu wählerisch, denn seine Gefährten, Aycolén inklusiv, schnappten sich diverse Leckerbissen vor seiner Nase weg. Zu Ende begnügte sich Jaquand mit einem Stück Forelle, was ihm Mano übrig ließ.

Luca lief das Wasser im Mund zusammen. Der Duft des Fisches weckte bei ihm bohrenden Hunger. Aber er untersagte es sich. Askese und Genügsamkeit waren eine der Direktiven, den er sich immer beugen musste. Dennoch grenzte das Festmahl für ihn an seelische Grausamkeit, besonders weil Tambren auffällig gerne neben seinem Ohr schmatzte und kaute.

Er versuchte sich abzulenken, indem er sich die ganzen ausländischen Diplomatenschiffe betrachtete, die Flaggen, die unterschiedlichen Typen und die teils sehr schönen Galionsfiguren und Rammsporne.

Aber irgendwie funktionierte es nicht ganz so gut, wie er sich erhoffte. Einzige - etwas hämische - Rettung war der Gedanke, dass seine Freunde binnen kürzester Zeit nach Wasser verlangen würden.

Allerdings zog sich für ihn die Zeit, bis Orpheu und die letzten, noch fehlenden Männer endlich erschienen.

Der Hauptmann schien weitaus besserer Laune zu sein als an dem Vortag, an dem jedem noch der Tot Lucretias nachging.

Er rief seine, um das Lagerhaus versprengte Gruppe zusammen und erklärte entspannt und gelassen, dass sie von Mesalla alles gewünschte Material gestellt bekamen.

Offensichtlich musste der Prinz schon jetzt etliche Waffen und Rüstungen geliefert haben, denn Orpheu bat sie alle in das Lagerhaus, um sich von der Passgenauigkeit und Qualität zu überzeugen.

Luca kannte den großen Raum bestens. Durch die Oberlichter fiel helles Sonnenlicht und ließ Staubkörner in der Luft tanzen. An der Nordwand waren voneinander abgetrennte Verschläge, hoch gefüllt mit Kisten und Netzen, in denen sich Waffen, Rüstzeug und Kleidung befanden. Fast automatisch steuerte Luca seinen kleinen Bereich an, blieb aber stehen, als er bemerkte, dass Ayco vollkommen ratlos, aber auch ziemlich beeindruckt von dem schweren Kriegsgerät, den Rammböcken, Spornen, Ballistren und Pferderüstungen, verharrte.

„Das ist unfasslich“, murmelte er. „Wann wird das eingesetzt?“

„Bei Feldzügen“, erklärte Luca und trat hinter ihn.

Sanft zwang er den jungen Mann zu einem Alkoven, nah dem seinen.

„Das sind deine Sachen“, erklärte er, während Ayco ihn fragend musterte.

„Du hattest meine Rüstliste geschrieben“, sagte er unsicher. „Meinst du, Mesalla ist auf alles eingegangen, was du für mich bestellt hast?“

„Schau einfach nach“, forderte Luca ihn auf. „Ein Rapier und eine Lederrüstung, kann er kaum verwehren.“

Der Elf neigte sich dicht zu Lucas Ohr.

„Aber all die anderen Sachen, meine ich“, wisperte er.

Luca hob eine Braue. Dann zog er eine große Rolle herab.

Es war eine vollständige Schlafausrüstung mit mehreren Decken und einer Bastunterlage.

„Die hast du schon mal“, lächelte der Magier.

Neugierig griff Ayco nach einem Beutelchen, das nicht nennenswert größer als ein Geldbeutel war. Mit fliegenden Fingern öffnete er das Lederband und betrachtete mit leuchtenden Augen den Inhalt.

„Rauchkugeln“, strahlte er.

Luca nickte. Anderes hatte er kaum erwartet.

Sorgsam schnürte der junge Mann den Lederbeutel wieder zu und legte ihn behutsam auf die Schlafrolle.

In einem weiteren Beutel fand er winzige Glasballons, in denen sich die gewünschten Schlafgase befanden. In einer schlanken Truhe lag ein fein gearbeitetes und wunderschön verziertes Rapier, in dessen Griff ein rotgoldener Stein eingelassen war. Als Ayco es bewundern streichelte und aus der Kiste hob, musste Luca sich ein glückliches Lachen verkneifen, denn er hatte bei Mesalla um eine besondere Waffe gebeten.

Vorsichtig testete Ayco die Waffe auf ihre Ausgewogenheit von Klinge zu Griff und hob es dann dich vor sein Gesicht.

„Das ist ein Traum“, flüsterte er.

„Versuche, wie es bei einigen Probeschlägen in deiner Hand liegt, Liebster“, forderte Luca ihn auf.

Der Elf trat einige Schritte zurück und begann einen eleganten Schwertwirbel. Luca sah, wie der Stein aufglühte und die feine Klinge flammende Ornamente in die Luft zeichnete, die den Schlägen folgten.

Ayco stieß einen leisen Schrei aus, hielt die Waffe dann ruhig und betrachtete sie neugierig. Eine sanfte Lohe umgab die Schneide und verlosch.

„Was... Luca!“, er hob den Blick und sah seinen Geliebten an. „Das ist ein magisches Rapier!“

Bevor Luca auch nur ein Wort sagen konnte, sprang Ayco ihm in die Arme und umklammerte ihn fest.

„Das ist das schönste und Wertvollste, was ich je besessen habe!“, rief er.

Luca lachte nun glücklich. Mit seiner Auflistung hatte er Mesalla gebeten seinen Sold einzubehalten und einen seiner Flammenzauber, den er speziell dafür abgeschrieben hatte, in die Waffe einarbeiten zu lassen.

Insgeheim war der Magier sehr dankbar, dass der Prinz darauf eingegangen war.

Er drückte Ayco fest an sich.

Rapier und Scheide waren sein persönliches Geschenk für seinen Geliebten.

Ayco legte die Waffe auch sofort an.

Allerdings erwarteten den jungen Mann noch etliche Überraschungen. Mesalla hatte ihn auch ausgestattet mit Seilen, Haken, Keilen, Wurfdolchen und Pfeilen, neuer Kleidung, wie Luca zugestehen musste Gewandungen bester und edelster Qualität und Parierdolchen. Hinzu kamen Roben und Material seitens des Ordens.

Scheinbar konnte der junge Mann kaum seinen Augen trauen, denn er strahlte und staunte mit jedem Paket und jeder Kiste, die er inspizierte, mehr.

Orpheu räusperte sich irgendwann. Scheinbar war er der Ansicht, dass seine Männer sich genügend an den neuen Waffen ergötzt hatten.

„Hört mir zu“, begann er. „In zwei Tagen werden wir Valvermont verlassen und nach Sarina aufbrechen.“

Leise beschwerten sich einige seiner Männer, viele, weil sie kaum Zeit für ihre Frauen und Kinder hatten.

„Ihr wisst was unser Auftrag ist. Genauso ist bekannt, dass Raven nicht mit uns zieht. Er wird bis auf weiteres hier in Valvermont bleiben.“

Die Stimmung sank mit Orpheus Worten. Jeder spürte noch das Echo des Schmerzes.

„Morgen wird Lucretia zu Grabe getragen. Ich verlange von euch, dass ihr dieser Frau die letzte Ehre erweist.“

Diesem Befehl würden sich alle beugen, das wusste Luca zu gut, mochten doch die Meisten Raven sehr.

Ihm würde der fröhliche Trickser und Falschspieler sehr fehlen. Raven war immer Teil des Heeres gewesen, und Luca dachte mit viel Schmerz wieder an die wundervolle Hochzeit des Paares.

Orpheu hob die Hände. „Morgen, bei Sonnenuntergang sammeln wir uns im Hof von Lucretias Vater und geleiten sie bis zum Grabhügel hinauf.“

Schweigen und Trauer antwortete ihm.

„Übermorgen werden wir bei Sonnenaufgang von hier Aufbrechen. Unsere Schiffe werden hier vorne ankern“, führte er aus. „Es sind die beiden bewaffneten Küstensegler Rangar und Zara. Die Kapitäne erwarten uns und laufen eine Stunde nach Sonnenaufgang aus.“

„Was ist mit dem Weibsvolk?“, fragte einer der Männer. „Schleppen wir die mit?“

Orpheu nickte. „Kione, Linnette, Ria und Nea nehmen wir bis zur kaiserlichen Hauptstadt mit uns.“

„Sind wir dann die Weiber wieder los?!“, rief Mano.

„Ria würde ich gerne dabei behalten!“, knurrte Thorn. „Sie kann heilen und zuhauen. Das ist für eine Frau eine gute Mischung!“

Der Höhlentroll rollte mit den Augen. „Nea ist auch eine gute Kriegerin, aber ich mag ihre giftige Art nicht!“

Orpheu atmete tief durch. „Haltet die Klappe!“, schrie er.

„Wir geleiten die Frauen bis nach Sarina. Wenn sich Ria uns anschließen will, so kann ich mir seitens Mesalla keine Einwände dagegen vorstellen. Sie ist fähig und robust. Nea ist ebenfalls eine brauchbare Kriegerin. Wir haben einige Männer verloren und nur zwei neue dazu bekommen. Lorn und Ayco sind in ihrem Bereich mit ziemlicher Sicherheit unschlagbar, aber ich brauche wirklich mehr Männer oder Frauen, die kämpfen können und meinen Befehlen bedingungslos Folge leisten.“

„Was ist mit der hübschen Kione?“, fragte ein anderer Soldat.

„Marcellino, du denkst mit deinem...“, begann Orpheu lachend, wurde aber von dem gismondischen Krieger barsch unterbrochen.

„Sag’s nicht Hauptmann. Mein Weib und meine Kinder haben das selten Talent immer das zu hören, was sie nicht sollen!“

„Hier, im Hafen bist du sicher“, beruhigte Orpheu ihn spöttisch. „Sie ist im Handwerksviertel. Von da aus müsstest du schon quer durch die Stadt brüllen, und sie dich hören!“

Marcellino lachte. „Das bringt die auch fertig!“

Orpheu lachte, beruhigte sich dann aber. „Nein, Kione werde ich kaum mitnehmen, auch nicht für euer aller Befriedigung. Ein Weib mit zwanzig unterschiedlichen Bälgern brauche ich nicht in meinem Heer!“

„Linnette können wir ja dann mitnehmen. Sie ist doch Amme!“, rief Jaquand.

„Danke!“, wehrte Orpheu ab. „Wirklich nicht. Wir hätten sie vielleicht bei deinem Weib lassen sollen. In neun Monden braucht sie eine Hebamme, oder?!“

Jaquand zuckte grinsend mit den Schultern. „Man tut was man kann!“

Unmerklich hatte sich Lorn weiter nach vorne geschoben. Die Männer wichen vor ihm zurück und schlossen sich wieder hinter ihm, ohne mehr zu bemerken, als den Todeshauch, den er ausatmete.

„Wie verteilen wir uns auf den Schiffen?“, fragte er leise.

Orpheu nickte. „Stimmt, das hätte ich fast vergessen. Wir teilen uns so auf, dass auf dem Schiff mit unserer besonderen Fracht die ganzen Magier und ihr, Priester reist. Das heißt, ihr seid zusammen mit Ayco und Lysander auf der Zara. Das gilt auch für Ria, Sjorn und Jaquand. Ansonsten werde ich euch ziemlich gleichmäßig verteilen.“

Luca spürte Lorns Blick auf sich. Er empfand allerdings weder Abscheu noch Abneigung im Gegensatz zu den anderen Söldnern.

„Die Wachen werde ich so verteilen, dass Aycolén jeden Tag Zeit findet, seine magischen Studien mit Lysander voranzutreiben. Und um dem vorzubeugen, dass die anatomischen Studien vertieft werden“, schob Orpheu nach, „wird Meister Lorn euren Raum teilen.“

Luca ahnte, dass kein anderer seine Kajüte mit dem Priester teilen würde.

Enttäuscht seufzte Ayco.

„Dann haben wir gar keine Zeit für uns?“, flüsterte der Elf.

„Wenig“, nickte Luca.

Er betrachtete Lorn, konnte aber aus seiner Mimik nichts herauslesen. Lediglich seine Augen schienen etwas heller als zuvor. War das seine Art Freude zu zeigen? Der Magier begann sich für den stillen Priester immer mehr zu interessieren. Lorn war sicher ein Mann, der viel verbarg, denn das Gefühl, dass seine stille und oft ausdruckslose Art nicht aufgesetzt war, sondern er wirklich Geheimnisse hatte, die er anders nicht zu schützen wusste, wurde Luca nicht mehr los.

„Er ist mit Sicherheit ein guter Mann“, flüsterte Luca und lächelte Ayco aufmunternd zu.

„Klar, das dachte ich auch nicht“, entgegnete der Elf. „Allerdings bezweifele ich, dass wir auch nur eine Nacht ruhig schlafen werden. Bei seiner Aura läuft mir immer ein Schauer über den Rücken.“

„Lorn, Lysander und Aycolén, ihr wechselt euch in der Wache immer mit Sjorn ab“, befahl Orpheu.

Luca nickte nur still. Auch Lorn deutete seine Zustimmung an. Ayco allerdings sah Orpheu an.

„Diese Frau wird sich sicher nicht gerne von einem Schüler der Magie bewachen lassen“, gab er zu bedenken.

„Das wird sie aber müssen“, betonte Orpheu.

Ayco zuckte die Schultern und sah unbehaglich zu Luca.

„Hoffentlich geht das alles gut“, murmelte er. „Und hoffentlich lässt mich Lea in Ruhe.“

„Hast du sie in letzter Zeit gesehen?“, fragte Luca leise.

Der junge Mann schüttelte leicht den Kopf. „Sie hasst mich vermutlich jetzt. Aber ich ertrage ihre Nähe auch einfach nicht mehr, Luca. Soll sie bei Justin bleiben. Dann kann sie keinen Schaden mehr anrichten.“

Orpheu räusperte sich. „Auch wenn ihr Magier seid“, rief er. „Haltet den Mund, wenn ich rede, klar?!“

Das Paar verstummte.

Mit einem breiten Lächeln wendete sich der Hauptmann an seine Söldner. „Dann verschwindet nun! Wir sehen uns morgen Abend!“
 

Als Luca das Lagerhaus verließ, fiel ihm bei Orpheu etwas auf. Der schwarze Hauptmann trug ein rotes Seidenband mehrfach um sein Handgelenk gewickelt.

Dieses Mal bedurfte es keiner Worte dazu. S’ielle hatte seinen Antrag angenommen. Orpheu musste ihr in der vergangenen Nacht das Heiratsversprechen gegeben haben. Nun würde er mit viel mehr Vorsicht an alles herangehen, denn die Trauung wollte er sicher in einem Stück und gesund erleben.

Beschwingt und fröhlich über das Glück seines Freundes trat Luca zusammen mit Ayco den Rückweg an.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anfang 2015 erscheint im Incubus-Verlag ein weiterer Roman der in Äos (der Welt von Night's End) spielt.

Mehr zu meinen Projekten findet ihr auf Facebook und meinem Blog Komplett anzeigen

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