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Myth, Story, Legend

Kurzgeschichten aus Desteral
von

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Die nette Geste

Der Berater schaute höchst überrascht, als Madame Yne zusammen mit ihrem Leibwächter, Avrial, pitschnass das Schloss betrat. Es war nicht gerade einfach, zu erklären, was geschehen ist, ohne dass der Neuling gleich am ersten Tag schlecht da stand.

Dank guter Ansprache konnte Yne das schlimmste verhindern – doch einen guten Eindruck hatte diese Aktion trotzdem nicht bei dem Berater hinterlassen.

Im Schloss gesittet und höflich, benahm sich die Fürstin außer reichweite ihrer Soldaten, Bediensteten und Berater viel entspannter. Kein Wunder, dass sie ein wenig frieden herbei sehnte, bei all der Arbeit, dem politischen Kram und dem bemühen, beim Volk stets gut da zu stehen.

Bislang war es die Sache des Beraters, Madame Yne mit irren Versprechungen und anderen Dingen ins gute Licht zu zwängen. Seitdem die Fürstin frei von Soldaten und in Begleitung Avrials unterwegs war, konnte sie dies selbst in die Hand nehmen. Ohne irre Versprechungen.

Auf dem Dorfplatz hörte sie sich jeden Freitag die Wünsche und Klagen ihrer Bürger an. Manche hatten Probleme mit ihrer Ernte, andere benötigten neue Geräte für die Arbeit. Ein paar waren sehr arm und hatten nichts zu essen, wieder ein anderer konnte nicht den Arzt bezahlen, der sich um seine kranke Tochter kümmerte.

Natürlich gab es auch unmögliche Fälle, wie ein beinloser Bettler, der sich neue Beine wünschte. Diesem zumindest konnte mit Nima über die Runden geholfen werden.

Eines der größten Ziele, die Madame Yne anstrebte, war die Ungleichheit zwischen Mann und Frau zu beseitigen. Männer hatten stets mehr Rechte; konnten bei wichtigen Ereignissen abstimmen, hatten in manchen Familien das Recht, über die Frau zu bestimmen und diese ohne triftigen Grund zu verlassen.

Hingegen die Frau durfte in vielen Familien nicht arbeiten gehen (außer auf dem Feld), musste sich jederzeit um die Kinder kümmern und durfte niemals laut ihre Meinung äußern.

Dies zu ändern war keine Tat von heute auf morgen. Yne wusste das – doch war es ihr wichtig, den ersten Schritt zu tun.
 

In ihrer Freizeit beschäftigte sie sich viel mit Avrial. Schon lange gab es keine Einzelentscheidungen mehr; sie fragte sehr gerne, worauf der Magier gerade Lust hatte.

So gab es Spaziergänge durch den Park, Jausen auf der Wiese, gesellschaftliche Brettspiele, Ausflüge auf Bauernhöfe, Besuche bei der netten Gasthaus-Besitzerin, bei der Avrial einst wohnte und gemütliche Abende, mit Tee und Erzählungen von Geschichten.

An einem Freitag schließlich, nach getaner Arbeit auf dem Dorfplatz, fragte Madame Yne auf dem Weg zurück ins Schloss nach Avrials verbundenem Auge. Zwar hatte er oftmals einen anderen Verband oben, doch wunderte sie sich schon seit längerem, wieso er es stets verbarg und ob die Wunde, die er aus ihr unerfindlichen Gründen hatte, nicht schon längst abgeheilt sein müsste.

Dem Magier war es unangenehm, darüber zu sprechen. Doch es war Yne, die danach fragte. Schließlich konnte er nicht anders, als ihr die Wahrheit zu sagen, ihr zu verraten, dass er auf dem rechten Auge blind sei.

Statt dem erwarteten schockierten Gesichtsausdruck, lächelte die Fürstin verständnisvoll über sein „Geheimnis“. Doch wäre es ihr lieber, wenn er nicht ständig mit einem Verband umher laufen würde – wenn er es verbergen wollte, dann musste eine Augenklappe her. Zumindest für den bevorstehenden, großen Maskenball.
 

Der Maskenball war Tradition in Ikana. Vor vielen Jahren begann er als einmaliges Ereignis, veranstaltet vom damaligen Fürsten zur positiven Aufmerksamkeit. Da die Bewohner jedoch so viel spaß hatten, beschlossen sie, auf eigene Faust einmal im Jahr einen Ball her zu richten. Ob dieser jemals öfter stattfinden wird, stand in den Sternen.

Madam Yne war für die Heutige Veranstaltung in einem verzierten, weißen Kleid unterwegs. Ihre goldenen Haare waren hochgesteckt zu einer Frisur, ebenwürdig für einen Ball. Auf der Nase trug sie eine Maske, mit ebenso weißen Federn geschmückt, dessen Augenform einem Vogel glich.

Jahr für Jahr hatten die Männer immer das gleiche Outfit: schwarzer Anzug mit schwarzen Stiefeln und Zylinder, die Hose war gräulich bis weiß, wie das Hemd darunter. Allein die Masken hatten immer unterschiedliche Formen.

Auch Avrial konnte diese Tradition nicht umgehen. Am liebsten wäre er erst gar nicht auf dem Maskenball erschienen – doch weil Madame Yne anwesend war, war es seine Pflicht als Leibwächter, für sie da zu sein. Ihm gefiel der Zylinder nicht. Er hatte für normal nur selten eine Kopfbedeckung und ein Zylinder war für ihn alles andere als eine praktische Sache.

Avrial hatte dies auch bei der Vorbereitung erwähnt, während Yne fertig für den Ball war. Die Fürstin gab ihm Recht, dass der Zylinder zu seinen ohnehin schon pechschwarzen Haaren nicht passte – ihrer Meinung nach würde ihm dunkelrot viel besser stehen.

Für Avrial wurde speziell eine Maske angefertigt. Diese verdeckte die halbe Gesichtshälfte; sparte Nase und Mund aus, deutete aber das rechte Auge nur an.

Wie man sich denken kann, stand der Magier nicht gerade begeistert unter all den Leuten des großen Saales, welcher sich in der nähe des Dorfplatzes befand. Genauer gesagt lehnte er Arme verschränkt an einer seitlichen Säule, stets ein Auge auf Yne gerichtet, die sich gerade vornehm mit anderen Leuten aus einer höheren Schicht unterhielt.

Da huschte, leicht torkelnd, ein Mann an ihm vorbei und verschüttete dabei sein Weinglas. Avrial hatte zum Glück nichts abbekommen, doch der vorzeitig betrunkene schien zu glauben, der Arcaner sei an dem Missgeschick schuld – auch wenn er die ganze Zeit regungslos an der Seite gelehnt war. Als der Leibwächter sich weder verteidigte, noch beschwerte – er sagte einfach gar nichts – ging der Mann selbstgesprächig weiter.

Von dem Vorfall etwas abgelenkt, blickte Avrial zurück ins Gewimmel, auf der Suche nach Madame Yne. Sie stand nicht mehr bei den Leuten von vorhin. Doch wo war sie dann?

Die Augenbrauen überlegend zusammengezogen, machte der Magier einen Schritt nach vorne, um eventuell einen besseren Blick zu erhaschen.

Unerwartet griff Madame Yne nach seiner rechten Hand und zog ihn mit sich. „Yne-!“, er stockte, „Madame Yne, was habt Ihr vor-?“

„Wir gehen jetzt tanzen!“

„Was? Nein!“

„Kommt schon, Herr Avrial! Alles kann man lernen!“, sie kicherte dabei überaus fröhlich.

Avrial ließ sich von ihr wieder einmal erweichen. Wie konnte man denn auch die Tanzaufforderung einer sowieso schon schönen Person in einem noch viel schöneren Kleid ablehnen?

Am Anfang war der Magier miserabel. Jeder zweite Schritt endete damit, entweder ein anderes Tanzpaar zu stören, oder der Fürstin auf die Zehen zu steigen. Sie jedoch gab nicht auf – als Avrial flüchten wollte, hielt sie ihn erneut am Arm fest.

„Das ist alles eine Frage der Übung! Wenn nicht jetzt, wann wollen Sie es dann lernen?“, kurz musste die Fürstin schmunzeln, „Du meine Güte… zum Glück bin ich eine große Frau. Wir würden gemeinsam ziemlich komisch aussehen, so groß, wie Sie sind, was? …Passt auf, es gibt einen Rhythmus, dem Sie folgen müssen.“

Yne und der Leibwächter gingen wieder in Stellung, ehe sie den ersten Schritt machte. „Eins-“, dann den nächsten. „Zwei.“ Als Avrial ihr gefolgt war, wiederholte sie das ganze, nur etwas schneller. „Eins- zwei.“, und abermals schneller. „Eins, zwei, eins zwei.“ Kurz war sie stehen geblieben, um ihr kichern zu unterdrücken. „Das Lied ist ja gerade zu Perfekt; es fängt ganz langsam an und wird immer schneller!“, nun griff sie wieder nach ihrem Leibwächter, „Kommt, Herr Avrial, das geht noch besser!“ und fing mit dem leicht überforderten Mann an zu tanzen, nach dem Rhythmus. Tatsächlich hatte Avrial in der Mitte des über achtzehnminütigen Liedes den Bogen raus und konnte tanzen, ohne das andere Tanzpaare leiden mussten.
 

Es wurde langsam spät in Ikana. Viele Gäste des Maskenballs waren bereits nach hause gegangen, andere volltrunken vor die Tür gesetzt, um unnötigen Ärger zu ersparen.

Der Sichelmond war bereits am sinken, da lehnte Madame Yne am Geländer des breiten Balkons und sah hinaus, ins Meer. Sie wurde allmählich müde – und ihre Füße schmerzten von den unbequemen Stöckelschuhen.

„Madame Yne?“, Avrial schob den Vorhang der Tür zur Seite, um sie allein am Balkon zu entdecken. Nachdem er sich versichert hatte, dass wirklich sonst niemand anwesend war, kam er auf sie zu. „Was machst du denn hier draußen…?“

„Ich brauchte nur eine Pause.“, seufzte sie und strich dabei über das Geländer. „Der Maskenball ist schön, bis einem die Nachteile einer Frau wieder einfallen.“

Der Magier verstand nicht ganz. Er lehnte sich neben sie und verdrehte leicht den Kopf in ihre Richtung: „Die Schuhe?“

„Die Schuhe.“

Nach einem kurzen schweigen sah Yne wieder hinaus, ins weite Meer. „Weißt du, Avrial… mein Vater hatte mir damals viele Geschichten über das Festland, Desteral, erzählt… wie groß es seien muss und wie unendlich der Himmel.“, sie lächelte und sah hinab, obwohl sie es gar nicht fröhlich meinte: „Wir wollten gemeinsam hinreisen, doch leider starb er vorher…“

„Darf ich fragen… woran er gestorben ist?“

„Eine lange Geschichte. Es begann schon vor Jahren, doch konnte ihm kein Arzt helfen.“, sie seufzte und lehnte den Kopf an das Geländer, „Seine inneren Organe versagten, eins nach dem anderen.“

Nun wusste der Magier nicht, was er sagen sollte. Es tut mir leid? Mein Beileid? Oder doch lieber etwas Aufmunterndes?

Noch eher er sich entscheiden konnte, sah Yne lächelnd zu ihm auf: „Was ist mit dir, Avrial? Wie waren deine Eltern so?“

„Also… uhm…“, er fasste sich an den Nacken, „Ich kann mich nicht so recht erinnern… ich war sehr klein, als ich sie verlor. Aber eine Erinnerung an meine Mutter ist mir geblieben. Ich weiß, dass sie eine starke Frau war. Eine, die ihren Kopf durchsetzte, egal, was passierte.“

„Du hast sie verloren…?“

„Ja… wenn es wahr ist, dann durch den arcanischen Krieg. Ich bin in einem Weisenhaus in Desteral aufgewachsen, zusammen mit einem anderen Magier-“

„Du bist in Desteral aufgewachsen!?“, fast vor Neugierde platzend, hob Yne den Kopf und sah dem zurück weichenden Leibwächter ins Gesicht: „Wie ist es dort so? Gibt es Schlösser wie hier? Berge und Seen? Erzähl mir mehr!“

„Nun, also…“, Avrial musste kurz überlegen. „Oh, also Berge gibt es viele… und große. Viel größer als auf Ikana.“

„Wirklich?“

„Ja – es gibt auch Wüsten, große Wälder und unendliche Wiesenlandschaften. Neben der schönen Natur gibt es aber auch majestätische Städte – die Hauptstadt, Destercity, ist eine der größten, die ich kenne – abgesehen von Ikana natürlich.“

„Wow-“, begeistert hatte die Fürstin Avrials Worten gelauscht. Für eine junge Frau, die ihr ganzes leben auf einer Insel verbrachte, klang das alles märchenhaft.

„Nun…“, der Magier überlegte abermals. Hatte Madame Yne doch so eine Begeisterung für Desteral – ließ sich da nicht etwas zu ihrer Freude machen? „Weißt du… sofern das Wetter gut ist… und der Berater einverstanden… spricht doch eigentlich nichts gegen einen Tagesausflug?“, bei Ynes fragenden Gesichtsausdruck, redete er schnell weiter. „Ich meine, auch eine Fürstin braucht einen freien Tag. Als dein Leibwächter lässt sich dein Berater mit Sicherheit zu einem Picknick an der Küste Deserals überreden-“

„Ist das dein ernst? Das würdest du für mich tun!?“, fast schon so, als ob das Unternehmen eine feste Sache wäre, fiel Yne dem Magier um den Hals. „Vielen Dank! Danke!“

Perplex von ihrer Umarmung, wusste Avrial wieder einmal nicht, wie er sich verhalten soll. Schließlich aber erwiderte er sie und drückte die Fürstin an sich.

Auch sie hatte nun begriffen, was sie da gerade tat und ließ von ihm ab, so schnell, wie sie ihm auch um den Hals gefallen war. Doch waren ihre Hände immer noch auf seinen Schultern, während ihr Blick in die gelben Augen des Arcaners fiel.

Avrial konnte nicht anders. Besser gesagt, spürten beide in diesem Moment eine Macht, sodass keiner sie daran hindern konnte, sich dem Gesicht des anderen zu nähern. Der Leibwächter machte dabei nur den Anfang und hatte seine Augen geschlossen, ehe er die zarten Lippen Ynes berührte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SunnyFlower
2012-06-06T18:50:31+00:00 06.06.2012 20:50
Here comes the comment :D Ich darf nicht die Korrektur vorher machen, dann werde ich Kommentarfaul xD°

"Der Berater schaute höchst überrascht, als Madame Yne zusammen mit ihrem Leibwächter, Avrial, pitschnass das Schloss betrat."

Awwwwww~ Ich wusste es! xD

"Bislang war es die Sache des Beraters, Madame Yne mit irren Versprechungen und anderen Dingen ins gute Licht zu zwängen."

Irgendwie kommt mir als irre Versprechung nur "Eines Tages werden wir ganz Aira regieren!" in den Sinn xD°

"Auf dem Dorfplatz hörte sie sich jeden Freitag die Wünsche und Klagen ihrer Bürger an. Manche hatten Probleme mit ihrer Ernte, [...]"

Cool und Avrial könnte ihnen allen helfen! :D Na gut, fast xD°

"Dies zu ändern war keine Tat von heute auf morgen. Yne wusste das – doch war es ihr wichtig, den ersten Schritt zu tun."

Aww~ Yne ist toll^^

"In ihrer Freizeit beschäftigte sie sich viel mit Avrial."

*kichert* Der Satz klingt etwas so, als wäre Aviral ihr Haustier :P Avrial, der Wachhund, hihi x3

"Doch wäre es ihr lieber, wenn er nicht ständig mit einem Verband umher laufen würde – wenn er es verbergen wollte, dann musste eine Augenklappe her."

Ist Avrial ein Pirat? o.o Obwohl, ein Glasauge wäre gruseliger ><° *schauder*

"Ihm gefiel der Zylinder nicht. Er hatte für normal nur selten eine Kopfbedeckung und ein Zylinder war für ihn alles andere als eine praktische Sache."

*fängt an, zu lachen* XXXXD

"ihrer Meinung nach würde ihm dunkelrot viel besser stehen."

D'awwww~ :3

"„Yne-!“, er stockte, „Madame Yne, was habt Ihr vor-?“"

Ich liiiiiiebe es, wenn Yne ihren Kopf durchsetzt! xD Das ist so herrlich, weil Avrial dabei etwas schüchtern ist ^.^

"Wie konnte man denn auch die Tanzaufforderung einer sowieso schon schönen Person in einem noch viel schöneren Kleid ablehnen?"

Awww~ Avrial ist blind vor Liebe~♥ x3 *Herzchen in die Luft mal*

"Wir würden gemeinsam ziemlich komisch aussehen, so groß, wie Sie sind, was?"

Oooh, das erinnert mich an etwas...xD *Sunny und Avrial*

"Sie wurde allmählich müde – und ihre Füße schmerzten von den unbequemen Stöckelschuhen."

Stöckelschuhe sind die Werkzeuge des Teufels D|

"„Du bist in Desteral aufgewachsen!?“, fast vor Neugierde platzend, hob Yne den Kopf und sah dem zurück weichenden Leibwächter ins Gesicht [...]"

Awww~ Ynes Reaktion ist so süß xD Es muss komisch sein, sein ganzes Leben auf einer Insel zu verbringen - Palooza ist ja um einiges größer als Ikana, da ist es nicht so schlimm, mmm...

"Perplex von ihrer Umarmung, wusste Avrial wieder einmal nicht, wie er sich verhalten soll."

Awww~ Ich mag den jungen Avrial, der ist so schusselig! <3 (Wobei es nur allzu verständlich ist, schließlich ist er in einen Waisenhaus aufgewachsen ^^°)

"[...] Der Leibwächter machte dabei nur den Anfang und hatte seine Augen geschlossen, ehe er die zarten Lippen Ynes berührte."

Hihihihihi ♥ Das ist so schön x3 Hoffentlich stört Steiner sie jetzt nicht und gibt ihnen eine Standpauke xD°

♥ Ich bin schon gespannt aufs nächste Kapitel >3< ♥


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