Zum Inhalt der Seite

Deliverance

Wenn du bei mir bist
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Waiting

Das saftig grüne Gras wiegte sich seicht in der lauen Brise, die mit ihm spielte. Eine Wieselfähe lugte über die Halme hinweg, witterte und verschwand flink in ihren Bau zu ihren Jungen. Dieser milde und angenehm sonnige Maitag versprach ruhig zu werden.
 

Kai saß im Garten auf der Terrasse und beobachtete das Treiben der vielen kleinen und geschickten Geschöpfe auf der Nachbarwiese neben ihrem Grundstück. Da der Silberhaarige schon seit geraumer Zeit sehr still, fast erstarrt war und keinen Ton von sich gegeben hatte sondern einfach nur die Natur genoss, trauten sich viele Tiere auch schon in den Garten der Bladebreakers.

Eine kleine Haselmaus flitzte geradewegs auf ihn zu, stoppte kurz vorher und machte sich über die Brotkrumen her, die Tyson gestern großzügig beim Abendessen auf den Steinplatten verstreut hatte. Plötzlich spitzte das Mäuschen ihre runden Ohren und hüpfte in den nächstgelegenen Blumentopf.
 

Schritte.
 

Kai sah auf die Uhr. Halb neun. Seufzend erahnte er, wer da kam. Es gab im Moment nur ihn und diesen Ruhestörer im Haus: Tyson.

Seit der letzten WM hatten sich die Bladebreakers in diesem schmucken Häuschen niedergelassen und eingerichtet und sich von den Strapazen erholt.

Der Kampf gegen Brooklyn hatte gezeigt, dass sie nicht ohne einander konnten, daher hatten sie sich für den Kauf eines Hauses mit relativ großem Grundstück entschieden und waren gemeinsam eingezogen.

Doch nun waren alle bis auf Tyson und Kai ausgeflogen.

Ray besuchte seine Eltern in China, die White Tiger X hatten ihm angeboten, mit ihnen zurückzufliegen. Kenny traf sich auf einer Computermesse, die mehrere Tage dauerte, mit den Kennern dieses Gebietes. Max war mit seinem Vater zu Judy nach L.A. geflogen – und falls jemand nach Daichi fragte: der wohnte ohnehin nicht bei ihnen. Gleich nach der Meisterschaft zog er hinaus in die Welt, um auf seiner Reise möglichst viele Gegner zu treffen und Erfahrungen zu sammeln und dann damit seinem Ziel, Tyson bei seiner Rückkehr zu schlagen, näher zu kommen.

Da besagter Weltmeister seine Familie in Japan hatte, war er nun zu Hause geblieben.

Kai dagegen hätte sich gerne mit jemandem getroffen, doch dieser Jemand zog es vor, weder auf SMS, noch Emails, noch Anrufe oder den AB zu reagieren. Also vertrösteten sich beide Jungen mit der Anwesendheit des jeweils anderen.

„Geht es vielleicht noch lauter?“, murrte der Silberhaarige genervt, als Tyson die Tür zum Wintergarten aufstieß und den blechernen Eimer, der dort zur Zierde stand, mit lautem Scheppern umstieß, so dass die Buchfinken erschreckt aus dem Rhododendron neben der Terrasse stoben.

„Kai!! Ich habe eine wahnsinnig gute Idee!!!“, fing der junge Wirbelwind an.

„Wohl eher wahnsinnig denn sonst irgendwas“, meinte Kai lapidar und nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.

„Ach Mann, Kai! Jedenfalls, ich hab mir so gedacht…. Sag mal hast du trainiert oder… geht es dir nicht so gut?“

Tyson hielt in seiner Rede inne und beäugte misstrauisch Kais Unterarme. Diese waren übersäht mit kleineren Kratzer und Risswunden, die relativ gradlinig verliefen. Auch einige Pflaster erweckten den Anschein, dass Kai sich selbst verletzte.

„Tyson. Ich arbeite doch jetzt während der Ferien in dieser Fabrik, da wo Kunststoffe hergestellt werden“, erklärte Kai, „und nach dem Thermoformen muss ich die Teile ausstanzen und die Kanten dieser Platten sind nun mal sehr scharf!“

„Ach so…. Na ja dann…“

„Genau!!“

Kai verkroch sich wieder hinter der Zeitung, die er vor Tysons Kommen beiseite gelegt hatte um die Natur zu beobachten.

„Kai!“, quengelte der Blauhaarige jetzt, „hör doch mal! Was ich sagen wollte, ist: Ich werde heute Abend mit Hilary ausgehen! Ich werde sie ins Kino einladen!“

„Schön für dich. Mach doch. Was hab ich damit zu tun?“

„Du… na ja, du… bist dann allein zu Hause…“

„Und?!“

„Ist das okay für dich?“

Tyson schwieg kurz und sein Blick glitt erneut zu Kais Unterarmen.

„Es ist bei der Arbeit passiert, Takao!“, bekräftigte der Teamleader ungeduldig. Er nannte Tyson bei seinem japanischen Namenspendant, ein Zeichen dafür, dass der blauhaarige Gipfelstürmer es langsam zu weit trieb und er sich in Acht nehmen sollte.

„Ich wünsche euch viel Spaß. Geh und kauf ihr Blumen. Kommt sicher gut an. Und hol sie ab. Pünktlich!“

„Das hatte ich auch vor!“, erwiderte Tyson patzig auf Kais gut gemeinte, doch recht schnoddrig vorgetragene Ratschläge.

„Ciao Tyson!“

Kai schlug die Beine übereinander, nahm erneut die Zeitung auf und lehnte sich zurück. Er hörte noch, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann war endlich wieder Ruhe.

Surprise

„Mann, wie ätzend…“, stöhnte Kai und erhob sich ächzend vom Sofa. Er hatte es sich gerade zum Ausruhen bequem gemacht, denn der Ferienjob, den er angenommen hatte, war doch recht anstrengend. Nicht, dass er das Geld gebraucht hätte, aber er wollte nicht einfach so auf der faulen Haut herumliegen sondern etwas Sinnvolles machen. Und die Arbeit, die er tun musste, empfand er als gute Unterstützung zu seinem sonstigen Training, von dem er sich jetzt erholen wollte. Doch er wurde schon seit einigen Minuten daran gehindert und gestört: Durch penetrantes Dauersturmklingeln.

Genervt stiefelte er zur Tür und riss sie auf: „JA?!!!“

Es dauerte eine Weile, bis wieder jemand sprach.

„Hi!“

Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht des rothaarigen Besuchers.

„Tala…“

Kai trat beiseite und ließ seinen Freund hinein.

„Dass du dich noch hertraust…“

„Wieso nicht?“

„Weil ich stinksauer auf dich bin, eventuell?!!“

„Lass mich raten: Du bist zutiefst enttäuscht, weil ich nicht geantwortet habe, richtig?“

Kai schnaubte und warf die Haustür ins Schloss.

„Gräm dich nicht, das hatte einen Grund. Ich wollte dich eben überraschen.“

„Deswegen meldest du dich eine ganze verfluchte Woche nicht?!“

„Na na, nicht aufregen!“

„Mir auch egal. Du kommst genau richtig. Du kannst mich mal massieren, ich bin total verspannt.“

Kai drehte seinen Kopf hin und her, wobei seine Wirbel laut knackten.

„Wenn ich das damit wieder gut machen kann…“, lächelte Tala und schob ihn ins Wohnzimmer. Dort legt Kai sich zurück aufs Sofa und wartete. Der Rothaarige ließ sich nicht lange bitten. Er zog seine Schuhe aus und setzte sich auf Kais Oberschenkel. Dann begann er mit der für Kai sehr wohltuenden Massage.

Entspannend schloss der Silberhaarige die Augen und wollte sich den knetenden Fingern ganz ausliefern, als Tala aber schon nach nur wenigen Minuten abrupt abbrach.

„So geht das nicht!“

„Wasn?“

Kai sah schräg zu ihm nach hinten.

„Dein Hemd stört. Zieh es aus!“, meckerte Tala. Murrend, enttäuscht über die Pause, kam Kai der Aufforderung nach und warf den Stoff an den Schrank.

„Schon besser!“, meinte Tala und schob seine Zunge zwischen die Zähne. Das tat er oft, wenn er sich konzentrierte. Seine Finger strichen hauchzart Kais Wirbelsäule entlang, was dessen Haut zu einem leichten Zittern veranlasste. Dann griff er mit kräftigen Bewegungen zu. Tala merkte, dass seine Berührungen Kai zunächst Schmerzen bereiteten, da dieser kurz zusammenzuckte und sich versteifte. Doch schon nach kurzer Zeit spürte er die Muskeln sich unter seinen Fingern lockern und die Verspannungen lösen.

„Bist du allein?“

„Ja. Die anderen sind ihre Familien besuchen.“

„Tyson auch?“

„Nee, der hat ein Date mit Hilary. Ob mir das was ausmachen würde, hat er gefragt…“

Belustigt schüttelte Kai, soweit es ihm möglich war, mit dem Kopf.

„Wieso, willst du was von ihr?“

Bei der Frage drückte Tala mit seinen Daumen ungewöhnlich stark auf Kais Schulterblätter, was diesen zu einem schmerzvollen Japsen veranlasste.

„Nein! Was denkst du denn?!“

„Na ja, du hast dich im letzten Jahr außergewöhnlich gut mit ihr verstanden, du weißt schon, als du nach deiner Bladerpause wieder eingestiegen bist.“

„Das ist mehr als übertrieben, Tala. Es ging Tyson wohl vielmehr darum, dass ich alleine bin. Meint wohl, ich bin depressiv…“

Demonstrativ hob Kai seinen verletzten Arm, um seine Aussage zu unterstreichen.

Tala musterte den Arm beiläufig und ließ sich dann auf dem Rücken seines Freundes nieder.

„Doch das bist du nicht, ich bin ja schließlich für dich da…“, flüsterte er in Kais Ohr.

„Das hab ich gesehen. Meldest dich nicht, du treulose Tomate, und so was nennt sich verlässlich!! Hier, da vorn steht Pferdesalbe, damit kannst du mich noch eincremen!“

Tala erhob sich wieder, griff zur Salbendose und nahm diesmal auf Kais Gesäß Platz.

„AU verdammt!!“

„Was ist?!“

„Du sitzt auf meinem Sonnenbrand!!“, klagte Kai gepeinigt.

„Wo hast du denn… Am Arsch!!!? Wie kann das denn passieren?“

„Solarium…“, nuschelte Kai peinlich berührt.

„Und da hast du… und vorne auch?“

Tala konnte sich ein Lachen kaum noch verkneifen.

„Nein!! Ich hab… so nen Männertanga getragen…“

Es war Kai mehr als peinlich, darüber zu sprechen. Vor allem vor Tala, auch wenn dieser sein bester Freund war.

„Du machst Sachen… Ich frag besser nicht nach dem Grund“, gluckste der Rotschopf noch immer amüsiert.

Doch der Silberhaarige hatte einen Grund. Er hatte auffallen wollen und durch die Sonnenbräune etwas besser aussehen. Aber das band er ihm sicher nicht auf die Nase. Stattdessen schwieg er nun und amtete den frischen Mentholduft der Pferdesalbe ein.

„Sanft ins Fell einmassieren – kühlt und erfrischt. Kein Dopingmittel“, las Tala lachend die Verpackungsaufschrift vor.

„Lach nur, das hilft wirklich!“ Kai schwor auf das grüne Gel. Plötzlich erschrak er: Tala hatte seine Hose flugs vom Hintern gezogen.

„Wa-was wird das denn?!“

Schon begann der Rothaarige mit sanften Bewegungen die Creme auf dem Sonnenbrand zu verteilen. Dabei unterdrückte er ein leises Kichern und grinste von einem Ohr zum anderen, denn die Abdrücke des Tangas waren sehr deutlich zu sehen.

„Ist sicher auch gut dafür.“

Nach ein paar Minuten Einwirkzeit schlug Tala Kai auf die Backe.

„Fertig!“, verkündete er vergnügt. Kai zog sich wieder an, drehte ihm dabei jedoch den Rücken zu. Dem Silberhaarigen war die Hitze ins Gesicht gestiegen und er wollte nicht, dass Tala das sah.

Als hätten sie es gewusst, waren die beiden gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Im Türschloss knackte ein Schlüssel und keine Sekunde später stürmten Tyson und Hilary freudig herein.

Aber das war nicht der einzige Grund, weshalb die beiden Russen aus dem Staunen nicht mehr heraus kamen: Das Pärchen war nicht allein, in einem Maxi Cosi trug Hilary ein Baby mit sich.

Kai und Tala warfen sich skeptische Blicke zu. Da begrüßte Tyson sie aber auch schon, beinahe hektisch.

„Hi Tala, schön dich zu sehen. Hil, geh doch mit Tala ins Wohnzimmer. Kai, hast du mal ne Minute?!“

Nach diesem Wortstrudeln zog Tyson Kai mit in die Küche und ließ einen perplexen Tala und eine etwas konfuse Hilary mit Kind zurück.

„Ehm… Gut, Hilary, nach dir…“

Galant hielt Tala dem Mädchen die Tür auf und sie nahmen wartend auf dem Sofa Platz.
 

„Alter, du musst mir helfen!!!“

„Das ging ja schnell…“, griente der Teamleader süffisant und meinte damit das idyllische Familienleben der beiden.

„Aber wie kommst du auf die absurde Idee, dass ICH dir helfen werde?“

Da begann Tyson zu erklären: „Das Baby ist Hilarys Cousine Neela. Hil muss auf sie aufpassen.“

„Aha. Und was geht mich das an?“

„Alter, mit dem Balg!!!“, Tyson zügelte sein Temperament, atmete einmal kurz durch und senkte seine Stimme.

„Mit dem Balg können wir weder ins Kino noch kann ich heut was bei ihr klar machen, du weiß schon…“

Tyson machte eine gewisse eindeutige Geste, „da wird nichts laufen, also…“

Bettelnd sah der Blauhaarige Kai an.

„Oh nein. Nein! Wenn du glaubst, dass ich… dass wir! Nein, da bist du schief gewickelt, mein Lieber!“

„BIIIIIIIITTEEEE!!!“

Der amtierende Weltmeister fiel sogar vor Kai auf die Knie. Seufzend lehnte dieser sich an den Kühlschrank an.

„Hast du’s so nötig?!“

„Das ist unsere Chance…“

Normalerweise unterhielten sich Tyson und Kai nicht über solche Dinge. Aber dem Jüngeren schien diese Angelegenheit sehr wichtig zu sein. Kai hob eine Augenbraue.

„Ihre Eltern sind mit ihrer Tante weg, ich würde sie nach dem Kino nach Hause begleiten und dann… oh bitte, bitte! Kai, ich werde auch alles tun, was du von mir verlangst, nur tu mir einmal – nur einmal – diesen Gefallen! Bitte!“

Gespannt beobachtete Tyson, wie sein Leader den Blick abwandte und sich durch die Haare fuhr. Dabei blies er mit genervtem Ton seinen Atem aus.

„Also schön. Wir passen auf die Kleine auf.“

„Da wäre noch etwas…“, meinte der Blauhaarige schüchtern und erhob sich.

„Noch etwas?!“

„Nun, es wäre toll, wenn du so tun könntest, als wäre es deine Idee…“

Kai fluchte.

„Ich hab so was von einen gut bei dir, Takao! Verlass dich drauf, ich nehme dich beim Wort!!“, schimpfte er und schob ihn aus der Küche, hinein ins Wohnzimmer. Währenddessen grübelte er, wie er am besten unverfänglich Tysons Wünsche erfüllen konnte.

„Was hattet ihr beiden zu besprechen?“

Interessiert hob Tala den Kopf, als Hilary diese Frage stellte. Er wandte den Blick von Neela ab, die auf seinem Schoß thronte, ließ aber nicht die kleinen Händchen los, die sich Halt suchend an seine Finger klammerten.

„Wegen des Trainings. Und wegen heute morgen, wir hatten da einen leichten Disput“, fuhr Kai Tyson dazwischen, der eben den Mund aufgemacht hatte. So musste Tyson seinen Schatz nicht anlügen.

„Und ihr wollt dann jetzt ins Kino?“, setzte der Silberhaarige fragend hinzu.

„Ja, Ty meinte, es wären neue Filme rausgekommen, mal sehen in welchen wir gehen…“

„Aber was ist mit der Kleinen? Die könnt ihr ja wohl schlecht mitnehmen.. au!“

Tala kniff die Augen zu, Neela hatte nach einer Haarsträhne gegriffen und zog nun freudig lachend daran.

„Hm, wenn ihr wollt, passen wir auf sie auf“, empfahl Kai sich.

„Wir? Damit meinst du dich und mich?!“

Immer noch versuchte Tala, die Patschehändchen aus seinem Haar zu entknoten. Hilary stand der Sache auch skeptisch gegenüber.

„Ich weiß nicht… Vielleicht sollten wir auch besser nicht ins Kino gehen…“

„Hilary, so eine Chance kriegen wir nie wieder, dass Kai sich freiwillig als Babysitter anbietet!“

Nach ihrer Hand fassend hockte Tyson sich zu ihren Füßen.

„Überleg doch mal, dann kannst du auch mal ruhig durchatmen… Bei den beiden ist sie sicher gut aufgehoben!“

„Ja, ja… Wir können ganz gut mit Kindern…“, meinte Kai und hob Neela sanft auf seinen Arm. Sie blickte verdutzt in zwei Rubine und vergaß dabei ganz, Tala weiterhin zu malträtieren. Der Rotschopf rieb sich über seine Stirn.

„Habt ihr das schon mal gemacht?“

Begeistert war Hilary von der Idee immer noch nicht.

„Ich hüte jeden Tag einen Haufen Kleinkinder“, grinste Kai breit und die Brünette verstand den Wink.

„Okay. Ich denke, ich vertrau sie euch an… Aber dass ihr mir gut auf sie achtet! Besser, ich schreib euch noch auf, was ihr zu tun habt.“

Sie lief in die Küche und Tyson trottete ihr brav hinterher.

Mishap

„Sag mal, bist du des Wahnsinns?!“

„Schrei mich nicht so an, gleich heult sie.“

ICH krieg gleich einen Heulkrampf!! Was geht da oben in deiner Birne vor, dass du… Meine Güte!!

Tala drehte sich auf dem Absatz um, raufte sich die Haare und gestikulierte wild. Kai seufzte und schloss die Haustür. Eben waren Hilary und Tyson abgefahren. Nur das Bündel Mensch, das Kai auf dem Arm trug, hatten sie den beiden Russen da gelassen.

„Nimm ihm das nicht übel… er ist Choleriker.“

„KAI! Ich zeig dir gleich, wie cholerisch ich bin!!“

Seufzend lief der Silberhaarige ins Wohnzimmer. Tala rümpfte die Nase. Dann hielt er sie sich zu.

„Bah! Sag bloß, dass sie das ist!!“

„Oh bitte nicht!“

Aber da war kein Zweifel. Neelas Windeln mussten wohl oder übel gewechselt werden.

„Mach du das!“

Kai hielt Tala das Kind entgegen, der Mief zog sich langsam wie eine Wolke um sie zu.

„Ich hab mir die Arbeit nicht aufgehalst!“

„Ich hab das noch nie gemacht!“

„Denkst du ich? … Meinst du, auf der Windelverpackung steht ne Anleitung?“

Tala nahm skeptisch die Packung in die Hände und drehte und wendete sie. Kopfschüttelnd sah Kai ihm dabei zu. Er legte Neela vorsichtig auf der Sofadecke ab und überlegte, so schwer konnte das doch nicht sein, ein Kind zu wickeln!

Tala ließ die Packung auf den Wohnzimmertisch fallen.

„Na dann sieh mal zu, ich bin gespannt!“, meinte er und grinste dabei gemein.

Kai zeigte ihm den Mittelfinger. Er knöpfte den Strampler langsam auf und schob den Stoff hoch. An beiden Seiten der Windel waren Klebestreifen oder etwas Ähnliches. Lange betrachtete Kai das System.

„Hol mal ein Handtuch von oben“, wies er Tala an, dann griff er nach einer frischen Windel.

Der Gestank war fürchterlich.

Der Rothaarige war alles andere als begeistert und verzog angewidert das Gesicht.

„Ach hör auf! Du warst auch mal klein!“

„Ich fass es einfach nicht, da sind wir endlich mal wieder allein und du lässt dir so eine Arbeit aufschwatzen!“

„Unsere gemeinsame Einsamkeit hätte uns ja nicht viel gebracht, oder?! Tze…“

Etwas umständlich zwar, aber dennoch recht geschickt hatte Kai Neela gewickelt und das Kind war wieder guter Dinge.

„Siehst du, so schwer war das gar nicht… Und jetzt fahren wir ins Einkaufszentrum und der Onkel Grantelbart wird uns begleiten.“

Lächelnd nickte er der Kleinen zu. Tala zeigte ihm einen Vogel.
 

Dennoch standen sie keine Viertelstunde später mitten in der Frischeabteilung des kleinen Supermarktes die Straße runter.

Kai studierte den Einkaufszettel: „Frischkäse, Butter, Joghurtdrink…“

Vor seiner Brust strampelte Neela mit ihren Füßen und quäkte. Er trug sie in einer dieser Bauchtragen mit sich herum. Hinter ihm schob Tala den Einkaufswagen, der schon halb gefüllt war mit allerlei Koch- und Backzutaten, Gemüse, Obst und was ein Haushalt von normalerweise fünf Personen sonst noch alles brauchte.

„Äh, Kai… bist du dir sicher, dass du soviel haben musst? Ihr seid doch nur zu zweit!“

„Stimmt nicht, du bist da und ich denke, dass du sicher einige Tage bleiben willst. Und du hattest schon immer einen gesunden Appetit, wenn man dich gelassen hat! Vor allem auf Weintrauben!“

„Wie wahr… und die hast du noch nicht mal in den Wagen gepackt!“

Gespielt entrüstet stemmt er seine Fäuste in seine Hüften und schüttelt den Kopf.

„Weil es auf dem Markt schönere gibt. In der Stadt. Von hier sind die immer so matschig.“

Tala stutzte. Es sollte doch nur ein Scherz sein. Klar, er mochte Weintrauben, aber es mussten doch nicht die Besten sein. Und die vom Markt waren auch noch teurer als die aus dem Laden. War Kai schon immer so spendabel gewesen?

Tala wollte ihn etwas fragen, doch der war plötzlich verschwunden. Während der Rothaarige nämlich, völlig in Gedanken versunken, das Konservenregal inspiziert hatte, war Kai um die Kurve gebogen, um nun auch Hilarys Einkaufswünsche zu komplettieren. Windeln und Babybrei standen dort an oberster Stelle.

„Kai?“

Tala rief seinen Namen und schaute um die Ecke. Doch er fand seinen Freund nicht. Bis sehr lautes Kindergeschrei dessen Aufenthaltsort verriet. Tala schnappte sich den Einkaufswagen und spurtete los. Und was er dann dort, in der Parallelreihe sah, verschlug ihm die Sprache:

Kai hatte Neela aus der Bauchtrage herausgeholt und versuchte sie zu beruhigen. Er schaukelte das Kind vorsichte hin und her. Zu allem Überfluss klingelte auch noch sein Handy, das in seiner hinteren Hosentasche steckte. Überall störten sich die Leute an dem Jungen, der nun völlig überfordert und verzweifelt schien. Zwar sprach Kai dem Mädchen gut zu, doch jeder gute Wille half nichts. Sie wollte einfach nicht aufhören zu schreien. Kai spürte, wie die Hitze in ihm aufstieg. Bestimmt hatte er schon diese verräterischen roten Flecken an seinem Hals, beginnend direkt unterhalb seines Ohrläppchens. Die hatte er immer, wenn ihm etwas unangenehm war. Seinen Schal hatte er natürlich zu Hause gelassen, es war zu warm dafür. Er war der Situation sichtlich nicht gewachsen.

Zum Glück raufte Tala sich jetzt endlich zusammen und erbarmte sich seiner. Erst hatte der Rotschopf ja lachen wollen, doch als er Kai in dieser desperaten Lage sah, war ihm nicht mehr danach. Ein Hauch von einem Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Er ging auf den Silberhaarigen zu.

„Gib mir mal…“.

Seine Stimme hatte einen liebevollen Klang angenommen. Erstaunt reichte Kai ihm das Baby. Tala strich Neela beruhigend über den Kopf. Er nahm sie behutsam von Kai entgegen und drückte sie beschützend an sich. Kurzzeitig hörte sie sogar auf zu weinen. Mit großen Augen starrte sie den neuen Jungen an, das Gesicht vom Schreien noch immer gerötet, die Tränenbahnen sichtbar.

„Siehst du, so geh-“

„RABÄÄÄÄÄH!!“

Tala zuckte zusammen. Kais Handy klingelte immer noch. Er sah gerade noch Tysons Nummer auf dem Display, aber noch ehe er den Anruf entgegennehmen konnte, erstarb der Klingelton.

„Hast du sie schon gefüttert?“, fragte Tala und schaukelte das Kind, wie zuvor Kai, auf und ab.

„Nein.“

„Na, vielleicht ist DAS der Grund für ihr Gebrüll?! Also ehrlich Kai!“

Kopfschüttelnd verlagerte er jetzt das Kind in den einen Arm, während er mit der nun freien Hand in der Wickeltasche nach der Flasche suchte. Als er sie ihr schließlich gab, saugte Neela gierig.

Kai lehnte sich erleichtert an Talas Schulter.

„Seit wann bist du eigentlich so feinfühlig?“

Achselzuckend gab der Rothaarige dem Baby weiterhin die Flasche. Kai lächelte zufrieden. Da vibrierte es erneut in seiner Hosentasche. Diesmal ging er ran und entfernte sich einige Schritte von den lärmenden Regalen und den Schmatzgeräuschen.
 

„Hilary! Ja, ihr geht es gut, wirklich. Ja, sie ist schon gewickelt worden. Tala füttert sie gerade… Wie? Nein, im Supermarkt. Mach dir keine Sorgen, es ist wirklich alles in Ordnung, wir passen gut auf sie auf. Hab einen schönen Tag und genieß doch einfach das Kino!“
 

Einige der umstehenden Kunden hatten das Spektakel beobachtet. Wenige waren von dem Gesehenen entzückt, darunter vor allem ältere Frauen. Die Teenager unter ihnen jedoch tuschelten, teils flüsternd, teils halblaut, damit Tala und Kai es durchaus gut hören konnten. Der Rotschopf verdrehte nur genervt die Augen. Er verstand deutlich die Worte „schwul“ und „ekelhaft“.

Kai kehrte zu ihm zurück. Ein paar Dinge hatte er noch zu erledigen und die Liste musste noch abgehakt werden. Er gurtete die Kindertrage ab und legte sie neben Tala in den Einkaufswagen.

„Ich hol den Rest. Bleib einfach hier.“

„Aber beeil dich, Darling!“, rief Tala ihm grinsend hinterher.

„Da, Milij!“, gab der Jüngere zurück und streckte ihm frech die Zunge raus.

Angewidert hielten die Jugendlichen nun Abstand zu ihnen. Doch eine ältere Dame kam auf Tala zu.

„Einfach fantastisch, wie Sie das machen. So offen und locker mit ihrer Homosexualität umgehen und dann noch ein Kind großziehen – fantastisch!“

Sie kniff Neela gönnerhaft in die rosa Bäckchen.

„Ähh, jaa… Danke!“

Tala machte, dass er davon kam. So etwas, vor allen Leuten im Laden! Gut, sie hatten sich wahrscheinlich eh schon zum Gespött der Nachbarschaft gemacht, dank des Krähhahns in seinen Armen. Dabei hatte er mehr Sorge um Kai, dieser kaufte hier letztlich öfter ein. Tala hörte auf, das Baby zu füttern. Er erinnert sich, dass Säuglinge in dem Alter ein so genanntes Bäuerchen machen mussten, für die Verdauung oder so.

Also nahm er die Kleine hoch, lehnte sie an seiner Schulter an und klopfte ihr sanft auf den Rücken. Es klappte: Ein kleiner Bölks und die Luft war raus aus dem Magen. Er hob sie vor sein Gesicht und sah sie an. Sie strampelte mit ihren Beinchen als wolle sie tanzen.

„Na siehst du, gar nicht so schlimm, hm?!“

Er hielt sie vor sich und musterte sie nickend, stolz über seine Leistung. Genau in dem Moment passierte es: Neela spuckte ihn an.
 

„Ja, wirklich, du kannst vollstes Vertrauen haben. Ja, sie kommt um Punkt acht ins Bett. Wir stehen ja schon gleich an der Kasse. Hilary!!“

Kai schnaubte und zwang sich zur Ruhe.

„Geh mit Tyson in diesen Film!! Ich schwör dir, du wirst es nicht bereuen!!! Und lass uns einfach machen, ihr geht es wirklich gut!!!“

Genervt klappte Kai sein Handy zu. Er kam gerade wieder um die Ecke, auf Tala zu.

„Hör mal, wir können entweder noch schnell auf den Markt oder…“

„NEIN!“

Kai zuckte zurück, erkannte im nächsten Moment jedoch das Malheur.

„Oh…“
 


 

-----

Anmerkung: Milij ~ Liebling, Liebster, Schatz.

Controlled

Seufzend trommelte Kai mit den Fingern auf der Anrichte in der Küche und hörte sich den Schwall an Fragen an, den Hilary ihm beinahe schon hysterisch an den Kopf warf. Er hatte es satt, immer wieder zu beteuern, dass es dem Kind gut ging. Oh, er hatte bei Tyson weiß Gott mehr als nur einen Stein im Brett, wenn dieser Tag vorüber war.
 

„Habt ihr auch alles bekommen? Wenn sie nörgelig wird, müsst ihr – oh je, hab ich den Schnuller eingepackt? Tyson, ich muss sofort kontrollieren, ob…“
 

Irgendwie tat Kai Tyson schon fast leid. Der Gute hatte sich so auf das Rendezvous gefreut und nun machte seine Freundin ihm durch ihre ständigen Kontrollanrufe einen Strich durch die Rechnung. Kai sah sich gezwungen, sie ein für alle Mal abzuwürgen, damit auch er seine Ruhe hatte. Drei Mal hatte sie schon angerufen – in vier Stunden!

„Hilary, wir haben alles kontrolliert. Es ist alles da, was ein Kinderherz begehrt. Und hey, welches Baby kann schon von sich behaupten, von zwei gutaussehenden Nannys wie uns betreut zu werden?! Jetzt reg dich einfach ab.“

Er begann, von der Küche ins Wohnzimmer, von dort auf den Flur und wieder zurück zu gehen, blieb hier und da stehen, fummelte an den Blättern einer Geranie und seufzte.

„Wir haben alles im Griff. Sollte Neela Fieber bekommen, gehen wir zum Arzt. Wir überprüfen stündlich ihre Temperatur. Sie ist völlig zufrieden! Willst du sie selbst hören?“

Kai kniete sich hin und hielt Neela, die auf ihrer Decke auf dem Teppich im Wohnzimmer lag, den Hörer ans Ohr. Begierig tatschten die kleinen Hände nach dem neuen Spielzeug, brabbelten etwas hinein. Sie nahm sogar ein Ende in den Mund und lutschte daran. Mit spitzen Fingern entzog Kai ihr den besabberten Hörer.
 

„Okay… Es tut mir leid, Kai. Ich werde jetzt nicht mehr anrufen. Ihr macht das schon… oder?!“
 

Kai war wieder gewandert und hatte den Hörer in der Küche abgewischt. Er trat hinaus in den Flur, stellte sich vor den Spiegel und spielte mit einer Haarsträhne.

„Klar. Aber wir möchten auch mal unsere Ruhe und…“

Da kam Tala die Treppe hinunter, er hatte geduscht. Kai sah ihn zuerst im Spiegel. Langsam drehte er sich um.

Der Rothaarige stieg bedächtig die Stufen hinab.

„Ich muss Schluss machen, ich hab Besuch!“

Schnell legte Kai auf. Er schluckte schwer.
 

Tala trug einen Hauch von nichts. Okay, das war übertrieben. Er hatte sich eine schwarze Trainingshose von Kai geliehen, ebenso ein schwarzes Tanktop. Das stand in krassem Kontrast zu seinem Haar, was er trocken gerubbelt hatte. Locker hing es herab, wippte leicht bei jedem Schritt. Kai beobachtete das Spiel seiner Muskeln, die sich unter dem Top abzeichneten.

„War das schon wieder Hilary?“

Am Tonfall merkte Kai, wie sehr Tysons Freundin ihn mit ihren Anrufen reizte.

„Sie will nicht mehr anrufen. Ich … äh…“

Er vergaß ganz, was er sagen wollte. Tala wischte sich mit einem weißen Handtuch, das er sich lässig über seine Schultern gelegt hatte, noch einige Tropfen aus der Stirn. Für Kai war diese Handlung, als geschehe sie in Zeitlupe.

„Was wolltest du?“

Tala stand plötzlich direkt vor ihm und seine Saphire schienen bis auf den Grund seiner Seele blicken zu können. Erneut schluckte Kai den Kloß in seiner Kehle hinunter und tauchte unter Talas Arm hindurch, den dieser an die Wand gestützt und ihn somit fast eingeschlossen hatte.

„Tyson eine SMS schreiben, dass wir jetzt nicht mehr ans Telefon gehen.“

„Gut.“

Kai stutzte über den befriedeten Ausdruck in Talas Blick. Aber er dachte sich nichts weiter dabei, kehrte ins Wohnzimmer zurück und begann zu tippen.

„Seit wann hast du eigentlich ein rundes Bett? Und wo gibt’s denn so was?“

„Tyson hat mein altes mal geschrottet und da brauchte ich ein neues. Ist ne Maßanfertigung, zweieinhalb Meter Durchmesser.“

Kai grinste, als er daran zurückdachte. Tala kräuselte die Stirn und zog eine Augenbraue in die Höhe. Er lümmelte sich in den Sessel, weit genug weg von der widerlichen Spuckmaschine, wie er Neela soeben betitelt hatte.

„Ich hab ihn dafür blechen lassen, weil er auf mein altes Bett gesprungen ist. Dabei ist mein gesamter Lattenrost durchgebrochen!“

„Ich will gar nicht wissen, was für Perversitäten– mhmpf!“

Kai hatte ihm ein Kissen ins Gesicht geworfen.

„Rot sakroi!“

Ruhig verbot er dem Rotschopf den Mund. Er hatte jetzt die Nase voll. Tala reizte ihn doch absichtlich! Außerdem war da noch das Kind, das jetzt auch besser schlafen sollte. Kai schnappte sich Neela und trug sie die Treppe hinauf.

„Ich weiß ja nicht, was du gleich machst, aber wenn ich die Kleine ins Bett gebracht habe, geh ich auch pennen.“

Klare Ansage.

„Hört sich doch gut an.“

Tala folgte ihm nach einigen Minuten. Er glaubte kaum, dass Kai dem Mädchen ein Schlaflied vorsang. Und er hatte Recht. Kai hatte Neela in Tysons Zimmer untergebracht, er zog gerade die Jalousien herunter. Hilary hatte noch eine Aufziehpuppe in die Wickeltasche gelegt, diese benutzte Kai jetzt. Er hatte auch dafür gesorgt, dass Neela nicht aus dem Bett fallen konnte.

Tala linste von Weitem durch den Türspalt. Er fand Kais Mühen einfach göttlich. Und der Silberhaarige sah dabei einfach hinreißend aus, wie ein Vater. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke daran.

Er wollte Kai nicht stören und verzog sich in dessen Zimmer. Das Bett bot Platz genug für zwei, also erlaubte Tala sich, es für seine Zwecke zu nutzen. Er kroch unter die Decke. Die Bettwäsche war zinnoberrot, nur das Laken war schwarz. Eine seltsame Kombination, doch passend für Kai und zur sonstigen Zimmereinrichtung.

„Sie schläft jetzt.“

Tala fuhr aus seinen Gedanken hoch. Leise schloss Kai die Tür hinter sich und zog skeptisch beide Brauen in die Höhe. Dann zuckte er mit den Schultern, machte sich bettfertig und kroch zu Tala unter die Decke.

„Weißt du…“

„Was?!“

„Du hast diese Stresspusteln gekriegt!“, zog Tala seinen Freund auf.

„Genau hier…“

Er feixte und malte Punkte an Kais Hals entlang. Seine Berührungen entfachten ein Kribbeln in Kais Magengegend.

„Ja tebja ho4u…“, entfuhr es ihm leise und aus heiserer Kehle.

„Sto?“

Kai schlug sich erschrocken auf den Mund. Er drehte sich schnellstens von ihm weg.

„Gute Nacht.“

Schnell zog er die Bettdecke hoch und schloss die Augen. Peinlich. Wie konnte er so die Beherrschung verlieren? Lag das an der ungewohnten Nähe? Oder war er einfach nur verblödet, weil er zuviel Zeit mit Tyson verbracht hatte? Nein, das war gemein, so meinte er das nicht. Vielleicht war er auch einfach nur geblendet durch die lange Warterei, als Tala sich kein bisschen für ihn interessiert und sich nicht mal gemeldet hatte, nicht einen Piep von sich hatte hören lassen.

„Nein, sag das noch mal!“

Kai regte sich nicht. Ihm wurde heiß. Und es war noch schlimmer als heute Nachmittag im Supermarkt, denn – die Hitze stieg ihm nicht nur ins Gesicht.

„Kai, du kriegst schon wieder diese verräterischen Flecken!“

Scheiße, warum kannte er ihn auch so gut?!

„Sagst du’s mir jetzt endlich oder muss ich’s aus dir rausprügeln?“

Tala rückte ihm immer näher auf die Pelle. Kai wurde nervös. Er spürte Talas feuchtwarme Hand an seinem Oberarm, der ihn dort verständnisvoll drückte. Hastig setzte er sich auf.

„Ja tebja ho4u!“, brüllte er.

Im Nebenzimmer ging das Kindergeschrei wieder los. Tala sah ihn mit großen Augen an. Er verfolgte Kai noch mit seinem Blick, als dieser aufstand, sich umständlich aus dem Bett schob und Richtung Quälgeist verschwand.
 

„Sie schläft jetzt.“

Es war wie in einem Déjà-vu. Kai tat so, als wäre nichts gewesen. Er ließ sich seufzend wie ein nasser Sack auf die Matratze fallen.

„Morgen steh ich nicht vor niemals auf!“

„So müde?“

Tala rückte an ihn heran und strich ihm ein paar Strähnen aus der Stirn.

„Mhmh…“

„Wirklich? … Auch zu müde für…“

Er kitzelte leicht sein Kinn mit seinen Haarspitzen. Dann streichelte er über seine Brust und ließ seine Hand langsam nach unten wandern.

Tala!!

Entrüstet schob Kai die Hand weg. Er wollte nicht so von ihm angefasst werden. Nicht, ohne vorher etwas klar gestellt zu haben.

„Ich hab das noch nie zu jemandem gesagt. Noch nie mit diesem tiefen Begehren, noch nie so… überzeugt!“

„Ach Kai… Halt die Klappe!“

Tala beugte sich über ihn und drückte ihm einen sanften Kuss auf.

„Dass du dich immer so zieren musst…“

Der Rothaarige lächelte mild und streichelte seine Wange. Schon lange hatte er die tiefe Zuneigung gespürt, die der Jüngere für ihn hegte.

„Bist du denn sehr müde?“, flüsterte er.

Wieder gingen seine Finger auf Wanderschaft. Und es schien, als würde Kai nun endlich den Reaktionen seinen Körpers auf Talas Berührungen nachgeben.

„So müde auch wieder nicht“, meinte der Silberhaarige und drehte sich zu ihm.
 

-----

Anmerkungen:
 

Rot sakroi ~ Halt den Mund.

Ja tebja ho4u ~ Ich will dich

Sto ~ Was

Affection

Tala schlief schnell ein. Kai leider nicht.

Er starrte eine Weile an die Decke, drehte sich zur Seite und fixierte den Digitalwecker ohne die Uhrzeit richtig zu fassen, rollte sich wieder auf den Rücken und starrte erneut die Zimmerdecke an.
 

So fühlte es sich also an.
 

Er war noch viel zu aufgewühlt, als dass er hätte schlafen können. Ruhelos quälte Kai sich von einer Lage in die nächste. Und obwohl er so müde war, dass er kaum die Augen offen halten konnte, war an Schlaf wenig zu denken. Jedes Mal, wenn er die Lider schloss, sah er wieder Talas Blick, als er…

Unmerklich errötete Kai und zog sich die Bettdecke bis zur Nasenspitze hoch.

Da schlich sich ein Arm um seine Taille und zog ihn an den dazu gehörenden Körper heran.

Tala hatte die Unruhe seines Freundes gespürt und war wieder wach geworden.

„Hab ich dich geweckt?“, flüsterte Kai schuldbewusst, aber Tala schüttelte den Kopf.

„Du solltest schlafen. Komm.“

Er drückte Kai fest an sich. Der Silberhaarige lauschte dem gleichmäßigen Pochen in Talas Brust.

Und bald empfing auch ihn die süße Schwere des traumlosen Schlafs.
 

„Guten Morgen, Milij…“

Kai wurde mit einem zärtlichen Lippenbekenntnis geweckt. Die dazugehörende Stimme war aber nicht weiblich. Die Erinnerungen kamen zurück.

„Oh… Tala! Wie spät?“, fragte Kai verschlafen und kuschelte sich tiefer in die Kissen.

„Fast acht.“

„Verpiss dich, es ist Samstag!“

Murrend rollte Kai sich wieder auf die andere Seite.

„Schon, aber hast du keine Extra-Schicht in der Firma angenommen für heute?“

„…“

Sofort war Kai hellwach.

„Scheiße!!“

Er raffte sich auf, strampelte sich frei aus dem Deckengewühl und zog sich hektisch an. Als er gerade bei der zweiten Socke war, die er auf einem Bein stehend hüpfend über seinen Fuß stülpen wollte, hielt er inne.

„Gar nicht! … Oh fuck Mann!“

Tala grinste. Er wusste das, hatte er doch gestern einen Blick auf Kais Kalender geworfen, nur aus reiner Neugierde.

„Na umso besser. Dann komm zurück zu mir und wir genießen den Morgen – solange die Spuckmaschine noch schläft.“

Der Rothaarige breitete die Arme aus und lächelte ihn liebevoll an. Dem Angebot konnte Kai nicht widerstehen.

„Arsch…“, sagte er und kroch zurück zur behaglichen Wärme, die er bei Tala fand.
 


 

-----

Anmerkungen:
 

Milij ~ Liebling, Liebster, Schatz

fuck ~ errmm... ugs. für "Mist, Scheiße" ;)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (20)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  MatsuokaRin
2012-08-08T18:12:30+00:00 08.08.2012 20:12
Sehr sehr geil!!! *_________*

Aber ich muss den anderen zustimmen, das schreit nach einer Fortsetzung!!
Und wie immer ist dein Schreibstil wunderbar und ich liebe deinen Humor.

Hehehe! Yuriy kann so fiiiies sein!! xDDDD
Einfach das beste Pairing überhaupt!! ^//////////////^ *schwärm*

Herzlich liebe Grüße

Yuriy-chan :333

Von: abgemeldet
2009-01-06T17:59:40+00:00 06.01.2009 18:59
Also, langsam wirds peinlich...die find ich auch toll! ^///^

->„Verpiss dich, es ist Samstag!“
Boah, musste ich geiern...

Aber HEY, du kannst hier nicht einfach so Schluss machen! Hallo? Jetzt wirds doch erst richtig spannend! Ich fordere eine Fortsetzung!
Du weißt was du zu tun hast. xD
LG nochmal
Von:  LindenRathan
2008-12-04T05:48:36+00:00 04.12.2008 06:48
Diese Geschichte ist wunderschön geschrieben.
Von: abgemeldet
2008-10-18T15:33:17+00:00 18.10.2008 17:33
Ein super FF! Nur leider kurz T_T
Genau wie Night_of_Minerva het die Stelle, an der Kai sich die Socken anzieht mir am besten gefallen XD
Du hast ein guten Sinn für Humor!

Moaboa
Von:  Minerva_Noctua
2008-10-18T10:48:31+00:00 18.10.2008 12:48
Oh, schade!
Gute Übersetznung*fg*
Das war aber ein kurzer Epilog...
Eine gute Methode jemanden aus dem Bett zu holen.
Muss ich mir merken*lol*
Was hat mir am besten gefallen? Ich denke das war die Stelle, an der Kai sich hüpfend die Socken anzieht*schmunzel*
Go on like that, please!

Bye

Minerva
Von:  shibui
2008-10-18T10:35:31+00:00 18.10.2008 12:35
wie, was, Epilog? ist die Story jetzt abgeschlossen? es ging doch gerade erst richtig los *schmoll*

naja, das Kapitel war aber sehr süß. Kais Ruhelosigkeit vorm Einschlafen hat mir sehr gut gefallen und wie Tala ihn dann umarmt hat *schmelz*
und der letzte Dialog war auch sehr schnuffig^^ nur, das Ende ist so offen irgendwie. willst du nicht noch ne Fortsetzung schreiben, wo es um die Beziehung der beiden geht? also, falls du das noch vorhast, sagst du mir bitte Bescheid, ja?

lg shibui^^
Von:  Phoenix-of-Darkness
2008-10-18T10:15:57+00:00 18.10.2008 12:15
Boah war das fies von Tala!
So grausame Methoden um wach zu werden!!!
Voll fies ey.

MfG kai
Von:  shibui
2008-10-17T14:11:36+00:00 17.10.2008 16:11
boah, bist du schnell. hier kommen die Kapitel ja schneller, als ich sie lesen kann XD naja, umso mehr Lesestoff für mich *höhö*

ich fand die letzten drei Kapitel richtig schön süß. besonders so, wo Tala Kai massiert und dann etwas fester zudrückt, wo er etwas eifersüchtig auf Hil geworden ist und für wen Kai seinen Arsch verbrannt hat, können wir uns ja alle denken. sehr gut hat mir auch die Supermarkt-Szene gefallen. ich bin immer sehr skeptisch, wenn Kinder/Babys ins Spiel kommen, aber bei dir hat mir das bisher gut gefallen^^ ich fands so süß mir vorzustellen, wie Kai total aufgeregt und peinlich berührt die Kleine im Gang beruhigen wollte *schmelz* und Tala hat es dann geschafft. die zwei süßesten Daddys der Welt. nur krass, was die Leute drumherum so gesagt haben *kopfschüttel*
und das letzte Kapitel war einfach Zucker *gg* wie Kai Tala angeschamchtet hat, als er die Treppe runter kam und dann wie Tala Kai so süß fand, wie er die Kleine ins Bett gebracht hat. und dann erst dieses knuffige Geständnis von Kai *freu*
das war alles so süüüüß!!!

weiter so
lg shibui^^
Von:  Minerva_Noctua
2008-10-15T18:31:09+00:00 15.10.2008 20:31
Ein schönes Ende.
Die Beschreibung wie Kai durch die Zimmer wandert, während er telefoniert, hat mir sehr gefallen.
Das ist so ein richtig typische Angewohnheit von vielen Menschen. Ich gehöre auch dazu^^°
Ich kann mir fabelhaft vorstellen, wie Kai vor dem Spiegel steht und Tala darin hinunterkommen sieht.
Das ist für mich auch die schönste Stelle in dem Kapitel.
Kais väterliche Ader ist putzig, da stimme ich Tala zu*g*
Am Ende hast du etwas die Gefühle vernachlässigt oder hast du das absichtlich getan?
Spannend ist es auf jeden Fall.
Das Kai so schnell seine Gefühle offenbart, hat mich überascht.
Tala hingegen bleibt geheimnisvoll und verführt den Silberhaarigen.
Wahrscheinlich hat sich der Gute solange nicht gemeldet, weil er über seine Gefühle nachdenken musste. Wäre zumindest möglich.
Du hast dich an einer Stelle verschrieben. Statt "befriedigten Blick" hast du "befriedent" geschrieben, oder so ähnlich. Das war da, wo Kai sagt, dass er Ty eine SMS schreiben will.

Nyo, ich bin auf die Fortsetzung gespannt^^!

Bye

Minerva
Von: abgemeldet
2008-10-15T15:43:36+00:00 15.10.2008 17:43
So ein schönes Kapitel~~~~
Und auch wieder total lustig.
Besonders das mit "widerlichen Spuckmaschine" XD

Moaboa


Zurück