24. Kapitel
„Strife?“, Sephiroth runzelte die Stirn und trat näher, „Richtig geraten... hast du Nachtwache?“
Der General massierte mit einer Hand seine Augenbrauen und schloss die Lider für einen kurzen Moment. Mit der zweiten Hand stützte er sich neben dem Blonden an die Wand.
„Ja, Sir.“, Clouds Stimme wirkte ein wenig belegt, „Bitte entschuldigen sie die Frage, aber was machen sie um drei Uhr nachts im Archiv?“
„Lesen?“, der Andere warf einen Blick auf dem Fenster, „Drei Uhr morgens ist es?“, er studierte den Mond, „Welchen Tages?“
„Eine Woche seit Rückkehr der Wutai-Mission.“, Cloud trat einen Schritt näher, „Geht es ihnen gut?“
„Ich habe nicht viel geschlafen in den letzten Tagen.“, gab Sephiroth zu und richtete sich auf, „Gar nicht, glaube ich...“
„Gar nicht? Seit einer Woche?“, der Blonde schluckte – war das nicht eine Foltermethode? „Ich bringe sie zu ihrem Zimmer, in Ordnung, Sir?“
„Nein, ich... ich wollte nur etwas trinken und essen...“, der Silberhaarige kniff die Lider kurz zusammen, „Ich muss ins Archiv zurück.“
„Meine Vorgesetzten mögen mir verzeihen, aber sie müssen vor allen Dingen schlafen, Sir.“, wies Cloud ihn mit ein wenig Nachdruck in der Stimme an, „Ich bringe ihnen auch gerne etwas aus der Küche.“, er wartete einige Sekunden, bis Sephiroth geschlagen nickte, worauf er in Richtung Aufzug ging mit dem General hinter sich, „Haben sie in der letzten Woche auch nichts zu sich genommen?“
Er warf einen Blick über die Schulter und sah Sephiroth kraftlos den Kopf schütteln. Bei allen Geistern dieser Welt, der war echt fertig. Eine Woche ohne Wasser, Nahrung oder Schlaf machte wohl auch SOLDIER etwas aus. Was war bloß so Wichtiges im Archiv, dass er sich nicht eine Minute Ruhe gegönnt hatte?
„Würden sie ihre Etage eingeben?“, fragte Cloud höflich und musterte den Größeren im Licht des Fahrstuhls genauer. War es möglich und er war noch bleicher als sowieso? Seine Bewegungen wirkten fahrig, fast unkoordiniert, während er seine Karte einführte und zwei Zahlen eintippte.
„Wie geht es dir so?“, murmelte Sephiroth leise und lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Glaswand des Aufzugs.
„Besser als ihnen.“, flüsterte Cloud kurz, bevor er zu einer ehrlichen Antwort ansetzte, „Ich hatte Alpträume und war sehr schreckhaft, genau wie zu der Zeit nach den... Vergewaltigungen. Es ist das gleiche Gefühl, nur mit der Angst jemand würde mich erschießen oder eine Mine zünden und nicht über mich herfallen.“
„Kommst du klar?“, der General zog die Augenbrauen zusammen, öffnete die Lider einen kurzen Moment, doch sie fielen sofort wieder zu.
„Es geht.“, Cloud schnaubte, „Ist ja nicht das erste Mal, dass ich das erlebe.“, er sah zwischen dem General und der offenen Fahrstuhltür hin und her und drückte vorsichtshalber auf die Taste zum Offenhalten, „Wir sind angekommen, Sir.“
„Wirklich?“, Sephiroth blickte sich kurz um, „Ja...“, er drückte sich mit einer Hand von der Wand ab und trat heraus – Cloud folgte ihm vorsichtshalber. War wohl besser so. Direkt hinter den Türen blieb der Andere nämlich plötzlich stehen.
„Welches Zimmer?“
„Fünfhundertneun...“, Sephiroths Hand legte sich auf seine Schulter, als er in die ausgeschilderte Richtung ging, sodass er den praktisch bereits Schlafenden führte. Wie hatte der General es bloß eine Woche ohne Schlaf ausgehalten? Das war doch reiner Wahnsinn.
Der Blonde betrachtete ihn einen Moment. Anscheinend hatte er nicht einmal registriert, dass sie stehen geblieben waren und es mit der logischen Konsequenz verbunden, dass er die Tür aufschließen musste. Sollte er...
Cloud seufzte einfach nur, zog die Codekarte aus Sephiroth Manteltasche, in die er diese vorhin getan hatte und öffnete die Tür. Er griff nach dessen Unterarm und zog den Älteren in die Richtung, in der das Schlafzimmer schon erkennbar war. Das war ja ein richtiges Appartement hier... er war nicht zum Gucken da. Er hielt mit dem General neben dem Bett und betrachtete ihn kurz.
Sephiroth Augenlider waren geschlossen.
Er schwankte leicht.
Er schien nichts mehr zu registrieren.
Cloud trat hinter ihn und zog ihm den Mantel von den Schultern, nur um mit einem Keuchen etwas in die Knie zu sacken. Scheiße... wie schwer war das Ding denn? Er trug es mit Mühe zum nächsten Stuhl. Das zu SOLDIER und ihrer Kraft...
Sephiroth zeigte immer noch keine Regung.
Na toll. Seufzend packte der Jüngere seinen Oberarm, drehte ihn und legte seine Hände auf dessen Schultern, um ihn zum Sitzen zu bringen. Er löste anschließend die Bauchplatte und die Stiefel – alles auch mit einem Gewicht, dass ihm klar machte, wie unglaublich machtlos er gegen jemanden wie Sephiroth war. Wieder griff er nach dessen Oberarm und drückte gegen die andere Schulter, worauf dieser sich auf das Bett legte. Cloud hob ihm die Beine hinterher, zog die Decke hervor und legte sie über den General.
„Oh, vergessen.“, er langte nach dem Silberhaarigen und zog an dessen Handschuh, doch plötzlich schoss ein Arm hervor und packte sein Handgelenk schmerzhaft, „Ah- au... Sir...“
„Nicht.“, flüsterte der Sephiroth und sah angsterfüllt mit weit aufgerissenen Lidern zu ihm auf, „Lass mich...“
„Es tut mir Leid, Sir. Bitte lassen sie los.“, zischte Cloud durch zusammen gepresste Zähne, „Das tut weh...“
Der Griff lockerte sich immens.
„Entschuldige...“, der General atmete tief durch, „Bitte... lass mich nun allein.“
„Natürlich, Sir.“, der Blonde richtete sich auf und zögerte, „Sie... halten mich fest.“
Die grausilbernen Augen wandten sich ihm zu, wanderten zu seinem Handgelenk, bevor sich die Lider über ihnen schlossen und die Spannung mit einem Schlag auf Sephiroths Körper wich.
„Sir...“, Cloud legte eine Hand auf dessen, doch die Finger gaben ihn nicht frei, sodass der Blonde sich auf der Kante des Bettes setzte, „Ähm... General Sephiroth?“, der Andere gab keine Antwort, hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen, „Und... jetzt?“
Er versuchte noch einmal sanft seine Hand zu lösen, doch der Silberhaarige ließ ihn nicht gehen. Mit einem Seufzen kniete Cloud sich hin und ließ diesen einfach seinen Arm haben. Aber was sollte er jetzt machen? Er war doch eigentlich im Dienst... na ja. Diese Nacht würde schon keiner groß angreifen.
Genau genommen... so schlecht war die Situation auch nicht. Er rutschte etwas näher zu Sephiroths Gesicht und betrachtete es ausgiebig. Bei Gaia... dieser Mann war echt wunderschön. Mit seiner freien Hand strich er einige silberne Strähnen aus dessen Gesicht.
Sephiroth passte auf ihn auf.
Was konnte ihm da schon jemals passieren?
