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Wie Schwarz und Weiß

von

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Konfrontation

Hey ho!
 

Danke für all die Kommis bisher ^_______^
 

Ich weiß diesmal kein wirkliches Vorwort. Ich denke, die Tatsache, dass ich nach Mäusepisse stinke, benebelt meinen Verstand ^^"

*gleich zum x-ten Mal Hände waschen geht*
 

Viel Spaß beim Lesen!
 

Kapitel 21: Konfrontation
 

Wie jeden Freitagabend war es in dem Vorraum des Kinos so überfüllt, dass man Panik bekommen konnte, insofern man unter Klaustrophobie litt.

Auch so musste man aufpassen, dass man seine Begleitung nicht verlor, doch Thomas war das ganz recht.

In einem so überfüllten Raum würden sie nicht mal einzeln auffallen und auch nicht zusammen.

Bloß nicht gesehen werden, so lautete die Devise.

Es war nicht so, dass Thomas sich für Michael schämen würde, sondern eher, das er nicht die Konsequenzen ausbaden wollte, falls jemand sie zusammen sehen würde.

Er konnte sich nicht helfen und ließ seine grauen Augen dennoch regelmäßig skeptisch über die Menge fliegen.

„Versuchst du jetzt jemanden zu entdecken, der uns entdecken könnte?“, fragte Michael, als sie sich in die Schlange vor dem Kinokiosk reihten, um sich Knabbereien und Getränke zu kaufen.

Thomas wandte seinen Blick von der Menge ab und blickte links zu ihm.

„Nenn es Paranoia, aber ja, das tu ich“, murmelte er und ging einen Schritt weiter vorwärts.

Michael seufzte.

„Und? Schon jemanden gefunden, Agent Rosner?“, sagte er ironisch und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Thomas sah ihn für einen Moment aus zu Schlitzen verengten Augen an, ehe er sich ein leichtes Lachen erlaubte.

„Noch niemanden“, sagte er und legte dabei einen so geheimnisvollen Flüsterton auf, dass Michael sich beherrschen musste, nicht laut loszulachen. „Aber die Frau dahinten“ – Thomas zeigte auf eine äußerst korpulente Dame in einem sehr unvorteilhaften, roten Sommerkleid mit gelbem Blumenmuster – „sieht unheimlich verdächtig aus.“

Michael drehte sich zu der Frau mittleren Alters und drückte sein Gesicht gegen Thomas’ Oberarm, um sein aufkommendes Lachen zu ersticken.

Es gelang ihm nicht ganz, sodass er noch am glucksen war, als sie vor dem Tresen standen und ihre Bestellung aufgeben sollten.

„Was willst du haben?“, fragte Thomas und stupste ihn in die Seite.

Michael holte tief Luft und strich sich über die nun geröteten Wangen.

„Popcorn und Cola, aber du weißt, ich bezahle“, merkte er an, da Thomas schon beim Kartenkaufen instinktiv nach seinem Portemonnaie gezückt hatte.

„Ja, ja“, meinte Thomas nur und bestellte seinerseits ebenfalls eine Cola, aber Nachos mit Salsa-Sauce dazu. „Ich frag mich immer noch, woher du das Geld hast, wo du doch sonst immer so blank bist.“

Michael verzog gespielt beleidigt das Gesicht und nahm seine Sachen von der Theke, als die Bedienung kassiert hatte.

„Es ist Monatsanfang, da hab ich immer Geld.“

Thomas grinste ihm süffisant zu. „Gut zu wissen.“

Michael lächelte und blickte zu dem Kinoraum, in dem sie gleich ihren Film sehen würden.

„Hey, es ist schon Einlass!“, meinte er und hob seine Hand mit der Cola etwas, um einen Schluck aus dem Strohhalm zu ziehen. „Komm schon, Tommi-Baby!“

Thomas prustete. „Tommi-Baby?“

Lachend lief er Michael hinterher und schüttelte den Kopf. „Das ist echt abtörnend.“

Michael grinste ihn von der Seite an und öffnete die Tür mit dem Ellebogen.

„Dir soll ja hier auch keiner abgehen“, erwiderte er frech und kassierte dafür einen Schlag auf den Hinterkopf.

„Schon klar, du bist ja so unwiderstehlich, Michael.“

„Ich weiß“, behauptete er im Scherz selbstverliebt und wackelte leicht mit dem Hintern.

Thomas gab ein ersticktes Hüsteln von sich.

„Schon klar, komm, lauf!“, sagte er und schubste Michael im Spaß leicht nach vorne, ehe sie die Treppen in den Saal hochgingen.

Hier saßen schon einige Leute auf ihren Plätzen und noch herrschte allgemeines Gemurmel.

„Hm, Reihe F…“, begann Michael und lief zielstrebig noch ein paar Stufen hoch.

„Platz 6 und 7“, beendete Thomas seinen Satz, als sie die Reihe entlang liefen und sich schließlich auf den genannten Plätzen niederließen.

Thomas tunkte einen seiner Nacho-Chips in die Soße und biss ab.

„Lecker“, murmelte er und Michael nahm dies als Anlass, sich einen Chip zu klauen, diesen einzutunken und ebenfalls zu probieren.

„Ja, stimmt“, sagte er dreist und mache zur Bestätigung ein lautes Schmatzgeräusch.

Thomas starrte Michael kurz perplex an, klaute sich dann aber so schnell das übrig gebliebene Stück zurück, dass der Punk sich nur wundern konnte.

Schmollend schob er die Unterlippe vor, als Thomas den Nacho in seinen Mund gleiten ließ.

„Kennst du nicht das Sprichwort, dass es in einer Beziehung das schönste Geschenk ist, zu teilen?“, fragte er und schnappte sich seine eigene Cola, als er sich seitlich in den Sitz lehnte, um Thomas besser beobachten zu können.

„Das halte ich für eine ziemlich… leere These“, erwiderte Thomas mit einem breiten Schmunzeln.

Michael gab ihm einen Schlag auf den Oberschenkel.

„Hauptsache, du teilst das Bett mit mir, nicht wahr?“

Thomas prustete in seinen Strohhalm, was laute Gluckergeräusche in seinem Becher verursachte und er sich an die Nase packte; anscheinend war die Kohlensäure etwas gewandert.

Michael gluckste amüsiert.

Thomas bewegte seine Nase ein wenig, ehe er in Michaels Bauch kniff.

„Ja genau, das ist die Hauptsache“, erwiderte er und lehnte sich wieder in seinen Sitz. „Nur Sex, was dachtest du denn? Und jetzt halt’ die Klappe, der Film fängt gleich an!“

„Ja, Papa“, murrte Michael wie ein trotziger, kleiner Junge (wie so häufig) und setzte sich ebenfalls gerade hin.

Thomas grinste ihn schief an.

„Du willst nicht wirklich, dass ich sein Vater bin!“

Michael verzog das Gesicht. „Nein, definitiv nicht.“

Thomas antwortete nicht mehr, starrte auf die Leinwand, wo gerade die Vorschau für eine Bundeswehr-Verarsche lief und wenig später der eigentliche Film begann.
 

„Und? Wie fandest du den Film?“, stellte Michael die übliche Frage unter Kinogängern, als sie das Gebäude verließen und in Richtung Parkplatz gingen.

„Gut“, erwiderte Thomas und ließ seine Hände in seine engen Taschen gleiten. „Aber das Ende war vollkommen übertrieben und unrealistisch.“

Michael setzte eine wissende Miene auf.

„Ich wusste, dass du das sagen würdest“, sagte er in diesem entlarvenden Ton und zeigte mit dem Zeigefinger auf Thomas. „Du musst lockerer werden, Thomas. Das ist ein Film, das darf man nicht so eng sehen.“

Für diesen Kommentar erntete er nur einen nüchternen Blick. „Nee, schon klar.“

„Natürlich“, erwiderte Michael, ehe sie für einige Zeit schweigend nebeneinander herliefen und schließlich in Thomas’ Wagen stiegen.

Das Geräusch des startenden Motors, als Thomas den Zündschlüssel umdrehte, durchbrach die Stille und schließlich drehte er sich zu Michael, als er das Licht einschaltete.

„Und was machen wir jetzt?“

Der Jüngere zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Wir sind beide nicht so der Typ, der jetzt in Clubs abfeiern gehen würde, oder?“, stellte er grinsend fest.

Thomas schüttelte den Kopf.

„Nicht so wirklich“, stimmte er ihm zu und wandte den Blick von ihm ab, um rückwärts aus der Parklücke zu setzen und schließlich vom Platz zu fahren.

Die nächste Ampel war rot und so konnte er sein Augenmerk flüchtig wieder zu Michael schwenken.

„Kommst du noch mit zu mir?“

Zunächst war Michael etwas perplex.

Natürlich war es längst nichts mehr besonderes, bei Thomas Zuhause mit diesem rumzuhocken, doch der junge Neonazi hatte dies noch nie so offen gefragt.

„Klar, hast du was Bestimmtes vor?“

Auf Thomas’ Gesicht bildete sich ein dreckiges Grinsen, als er wieder losfuhr und Michael laut auflachen musste.

„Eigentlich nicht“, antwortete Thomas schließlich ehrlich und beschleunigte, als er auf eine große Bundesstraße fuhr.

Michael lächelte leicht und machte es sich auf dem Beifahrersitz gemütlich.

„Uns fällt schon was ein“, meinte er zuversichtlich und lauschte dem Lied, welches aus dem Radio-CD-Player klang.

Wie meistens hatten sie sich auf neutrale, deutsche Bands geeinigt.

Alles andere wäre wohl auch sinnlos gewesen, denn die Texte ihrer „eigenen“ Bands würde sie wohl gegenseitig nur aufregen.

Während sie die dreißig Minuten in ihre Heimatstadt zurückfuhren, redeten sie wie so häufig über belanglose Dinge.

Über was sollten sie auch sonst meist reden?

Über ihre Freunde? Besser nicht.

Über ihre Hobbys? Hatten sie denn überhaupt richtige?

Nein, es musste schon etwas allgemeines oder belangloses Gesprächsthema sein.

Sie waren eben zu unterschiedlich.

Doch… das störte nicht.
 

Lachend öffnete Thomas die Tür zu seinem Zimmer und ließ Michael den Vortritt.

Dieser schmiss seine etwas zerfranste, schwarz-grün streifte Stoffjacke über den Schreibtischstuhl und setzte sich schließlich auf Thomas’ Bett.

„Nun, was machen wir jetzt?“

Mit einem unwissenden Gesichtsausdruck ließ Thomas sich neben ihm auf die Matratze fallen.

„Na, keine Ahnung, worauf hast du Lust?“, fragte er und blickte Michael von unten an. „Videos gucken oder so?“

Michael nickte.

„Klar, warum nicht? Was hast du denn so da?“, fragte er und hoffte innerlich, dass es nicht allzu viele nationalsozialistische Dokumentationen, Filme oder sonstige Dinge in dieser Art waren.

Thomas verwies mit dem Zeigefinger auf den kleinen Schrank neben seinem Fernseher und Michael stand schließlich auf und trapste langsam dorthin.

„Sonst können wir auch was in der Videothek ausleihen“, schlug Thomas vor, noch ehe sein Freund die Schranktür geöffnet hatte.

Doch Michael schien auch Thomas’ Auswahl an Filmen zu gefallen, was er ihm auch sagte.

Einige Filme davon kannte er schon, aber es gab welche, die es definitiv wert waren, mehrmals gesehen zu werden.

„Was hältst du von den beiden?“, fragte er schließlich und hielt zwei DVDs hoch.

Thomas hatte sich derweil auf seine Hand gestützt und sah ihn nickend an.

„Finde ich gut“, stimmte er zu und lachte leise. „Sonst hätte ich sie ja nicht gekauft.“

Michael blickte ihn nüchtern an und gab ein tonloses „Haha“ von sich.

„Das ist mir schon klar“, meinte er jedoch nicht böse und legte die beiden Filme auf den Fernseher; ging dann zum Bett zurück.

Nähe suchend legte er sich direkt neben Thomas; strich mit seinen Fingern über dessen kahl rasierten Kopf.

„Du bist ja sogar so brav und hast viele, viele Original-DVDs“, lobte er ihn spielerisch und Thomas schmunzelte leicht.

„Natürlich. Ich will ja die deutsche Wirtschaft ankurbeln“, sagte er gelassen. „Was tut man nicht alles für das geliebte Vaterland.“

Michael überging diesen Satz einfach und glaubte Thomas nicht wirklich, dass dieser nicht eine einzige gebrannte CD oder ähnliches hatte. Vor allem, weil doch viele Dinge der Neonazi-Szene überhaupt nicht legal zu beschaffen waren.

Doch er wollte sich den Abend nicht verderben.

„Habt ihr was zum knabbern da?“, warf er stattdessen ein und blickte Thomas fragend an, während dieser leise auflachte.

„Wir waren doch gerade erst im Kino“, meinte er belustigt, denn immerhin hatten sie dort bereits was Leckeres gehabt.

Michael schob schmollend die Unterlippe vor. „Na und? Och, mit was zum Knabbern lässt es sich besser Filme schauen!“

Thomas schüttelte den Kopf, gab sich aber geschlagen.

„Na schön, aber ich glaube, wir haben nichts mehr hier“, sagte er nachdenklich und setzte sich auf. „Aber ich kann eben zur Tanke fahren und was holen.“

Michael setzte sich ebenfalls auf.

„Quatsch, so dringend ist das doch nicht“, wehrte er ab, immerhin sollte Thomas jetzt nicht seinetwegen zur Tankstelle fahren müssen.

Thomas lächelte und drückte ihn wieder zurück auf die Matratze.

„Kein Problem, ich brauch doch eh nur fünf Minuten dahin. Was willst du denn haben? Chips? Salzstangen? NicNacs? Alles?“, fragte er und erlaubte sich ein Grinsen.

Michael nickte nur und sah Thomas dabei zu, wie dieser seinen Autoschlüssel vom Schreibtisch nahm.

„Und wehe, du fängst mit den Filmen ohne mich an!“, sagte der Ältere scherzend und gab Michael noch einen kurzen Kuss, ehe er aus dem Zimmer verschwand und man ihn die Treppe runter laufen hörte.
 

Normalerweise war es um die Zeit an der Tankstelle recht still und meist war hier auch nur noch wenig los.

Doch heute standen einige Neonazis, darunter auch Nils, auf den wenigen Parkplätzen neben der Tankstelle und tranken sich dort ein Bier.

Auch wenn dies eigentlich seine Freunde waren, war Thomas nicht sonderlich erfreut, sie zu sehen, immerhin wollte er eigentlich schnell wieder zurück nach Hause.

Doch er konnte ja schlecht an ihnen vorbeifahren und so tun, als hätte er sie nicht gesehen.

Also parkte er direkt neben ihnen und wurde auch schon grüßend empfangen.

Nils legte einen Arm um seine Schulter, was Thomas die bereits deutliche Bierfahne seines Freundes näher brachte.

„Hey Thomas, was machst du denn hier?“, fragte er mit leicht heiserer Stimme und ging mit ihm ein-zwei Schritte von den anderen weg. „Dachte, du wärst weg?“

„Ähm ja, ich bin gerade wiedergekommen“, log Thomas rasch.

Er hatte erzählt, dass er mit seinen Geschwistern zu Verwandten fahren würde, als Nils ihn gefragt hatte, ob er an diesem Abend Zeit hatte.

Nun ja, dass seine Geschwister übers Wochenende bei ihrem Vater waren und seine Mutter mit Freunden einen netten Abend verbrachte, konnte und musste Nils auch nicht wissen.

„Lust auf ein Bierchen?“, fragte Nils einladend und wollte schon nach einer ungeöffneten Flasche greifen, als Thomas verneinte.

„Ein anderes Mal vielleicht. Ich bin echt total müde und will eigentlich nur noch ins Bett“, erzählte er ihm gelassen und klopfte sich selbst auf die Schulter, scheinbar ein so guter Lügner zu sein.

Nils nickte, machte aber ein enttäuschtes Gesicht.

Thomas sah sich unter den Kameraden um.

Mit den meisten hatte er eher flüchtig etwas zu tun.

„Markus und Christoph gar nicht da?“

Nils gab ein verneinendes Grunzen von sich.

„Nee, die hängen ja schon länger nicht mehr wirklich hier ab, hab ich dir doch erzählt!“, erklärte er und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. „Sind bestimmt bei Christoph Zuhause und gammeln da rum.“

„Wahrscheinlich“, sagte Thomas nur und wunderte sich eher weniger, dass seine beiden anderen Freunde nicht hier waren.

Christoph und Markus kapselten sich immer mehr von der übrigen Szene ab, ohne dass es anscheinend wirklich jemandem auffiel.

Vermutlich waren sie doch eher Skins als Nazis und genau wie Thomas nur in die nationale Szene gerutscht, die dann irgendwann ihre Einstellung geworden war.

Thomas hatte eh häufig das Gefühl gehabt, dass sie das Ganze noch weniger ernst nahmen, als er selbst (und meist nahm er es schon ernst, auch wenn er sich politisch nicht engagierte).

Vielleicht waren sie nur durch ihn Neonazis geworden, waren ihm irgendwie „gefolgt“; er wusste es nicht und wollte eigentlich auch nicht weiter darüber nachdenken.

Irgendwann würden sie vielleicht auffliegen und mit den Konsequenzen rechnen müssen, auch wenn er selbst fand, dass er sich durch seine Beziehung zu Michael auf einem viel dünneren Glatteis bewegte, als sie sich.

Doch darüber wollte er jetzt eigentlich nicht nachdenken.

Freundschaftlich klopfte er Nils also auf die Schulter und setzte seinen Weg in das Tankstellenhaus fort.

Der junge Mann an der Kasse sah schon ein wenig müde aus, obwohl seine Schicht wahrscheinlich gerade erst angefangen hatte.

Wortlos bezahlte Thomas die Tüte Chips und die anderen Knabbereien und ging schließlich wieder hinaus, wo ihn schon ein leichter Tumult an die Ohren dröhnte.

Als er schließlich um die Ecke zu seinem Wagen und seinen Kameraden lief, sah er, dass diese sich mit irgendwelchen jungen, türkischen Männern angelegt hatten, die wohl zum Tanken auf den Platz gefahren waren.

Pöbeleien waren keine Seltenheit, besonders wenn die Neonazis angetrunken waren und die türkischen Männer es für nötig hielten, ihre „Ehre“ zu verteidigen.

An sich hatte Thomas vorgehabt, nun einfach wieder zu fahren, doch als er sah, dass Nils und einer der türkischen Männer sich wild anschrieen und schubsten, konnte er nicht anders, als dazwischen zu gehen.

Seinen Freund und auch irgendwie ihre Ehre verteidigend, stellte er sich zwischen sie und schubste den Türken weg, bevor dieser sich wieder zu ihnen bewegen konnte.

Dabei geriet er selber in Rage und so kümmerte es ihn auch nicht, dass der junge Mann mit dem Rücken gegen einen Betonpfeiler prallte und einen fluchenden Schmerzenslaut von sich gab.

Er konnte nicht verhindern, dass ein selbstgefälliges Grinsen dabei über seine Lippen huschte, welches ihm jedoch verging, als er sich umdrehte und schon eine schmerzhaft harte Faust an seiner Wange spürte.

Vor Schmerz atmete er zischend ein, hörte noch, wie sein Schläger ihn in seinem akzentbelastetem Deutsch wütend befluchte, seinen Bruder gegen den Pfeiler geschubst zu haben, ehe der junge türkische Mann sich schon in einem Gerangel mit den anderen Neonazis befand.

Der junge Mann, der in der Tankstelle bediente, schien sich nicht herauszutrauen, um dies hier zu unterbrechen, doch Thomas war sich sicher, dass bald irgendwelche Ordnungshüter auftauchen würden.

Gereizt sammelte er seine gekauften Sachen vom Boden auf und sah aus den Augenwinkeln, wie die türkischen, jungen Männer wieder in den nun wohl voll getankten Wagen stiegen und davon fuhren.

Wortlos stieg er ebenfalls in seinen Wagen und startete diesen, rieb sich dabei noch einmal über die schmerzende Wange.

Zum Abschied noch grüßend die Hand hebend, fuhr er schließlich von der Tankstelle und sah auf der Uhr, dass er hier fast 25 Minuten verbracht hatte.

„Scheiße“, fluchte er leise.

Michael würde sich sicherlich schon fragen, wo er blieb.
 

Und genau das tat der junge Punk auch.

Mittlerweile hatte er aus Langeweile das TV-Programm eingeschaltet und zappte wartend durch die Kanäle.

Gerade wollte er mal versuchen, Thomas anzurufen (wofür er zweifellos das Telefon der Rosners hätte benutzen müssen, denn er selbst hatte ja nie Geld auf dem Handy), als er die Haustür und wenig später jemanden die Treppen hochgehen hörte.

Als Thomas schließlich die Tür öffnete und das Zimmer betrat, lag ihm nur eine Frage auf der Zunge: „Hey, wo warst du so lange?“

Wortlos warf Thomas ihm die Chips zu und schmiss den Autoschlüssel achtlos auf den Schreibtisch, ehe er sich neben ihn auf das Bett setzte und sich von seinen Stiefeln befreite.

Michael sah ihn weiterhin fragend an. „Hast du unterwegs deine Stimme verloren?“

Thomas seufzte.

„Nein“, erwiderte er knapp und ließ weitere Sekunden still verstreichen, ehe er sich dazu aufraffte, Michael zu erzählen, was passiert war. „An der Tanke waren noch Nils und andere. Da konnte ich nicht so weggehen. Wollte eigentlich schon längst wieder hier sein, aber dann kamen da noch so… beschissene, türkische Kanalratten… also echt…“

Genervt rieb er sich über das Gesicht, streifte dabei seine Wange und keuchte wieder schmerzhaft auf.

Erst jetzt fiel Michael der leicht bläuliche Schleier auf der blassen Haut auf.

„Hast du dich mit denen geprügelt?“, fragte er und blickte Thomas dabei scharf an.

Dieser blickte stur geradeaus.

„So ungefähr“, murmelte er abweisend und wollte das Thema nun lieber schnell beenden.

Das merkte auch Michael und sagte nichts mehr, konnte aber nicht umhin, sich anmerken zu lassen, wie sehr ihn das nun störte.

Mit verhärteten Gesichtszügen riss er die Chips-Tüte auf und wies Thomas an, eine der DVDs in den Player zu schieben, was dieser schließlich auch machte.

Ein wenig missgelaunt legte Michael sich auf die Seite und griff in die Tüte; starrte auf den Fernseher, wo gerade die Vorschau für andere Filme abgespielt wurde.

Er sah Thomas aus dem Zimmer gehen und wenig später mit zwei Gläsern und einer großen Flasche Coca Cola zurückkommen.

Beides stellte er vor dem Bett ab und setzte sich schließlich neben Michael, um sich an die Wand zu lehnen und ebenfalls zum Fernseher zu starren.

Einige Minuten des Films vergingen, in denen sie so abweisend auf dem Bett verweilten, ehe Thomas sich einen Ruck gab und sich neben Michael sinken ließ; seinen Kopf auf dessen Schulter bettete.

„Hör auf, sauer auf mich zu sein, ja?“, sagte er leise und küsste sanft den Teil der Schulter, den das Top freigelegt hatte.

Michael erwiderte darauf nichts.

Natürlich hatte er sich selber auch schon mal geprügelt. Welcher Junge nicht?

Hätte Thomas gesagt, ihm wäre irgendein deutscher Idiot über den Weg gelaufen, hätte er vermutlich eher gleichgültig oder besorgt reagiert.

Aber ein Neonazi und ein Ausländer – das war schon wieder zu sehr Klischee und zu sehr das, was er verabscheute.

Dennoch musste er gestehen, dass er, jetzt, wo er die weichen Lippen an seiner Haut spürte, merkte, wie die Wut langsam in ihm schwand.

Er spürte, wie sich Thomas’ Arm um seine Hüfte legte und hörte, wie dieser leise seinen Namen in sein Ohr hauchte.

Schweigend strich er mit seinen Fingern über Thomas’ Unterarm und griff wieder ein paar Chips; guckte weiterhin zum Fernseher.

Schmunzelnd bemerkte er, wie Thomas mit seinem freien Arm umständlich versuchte, ebenfalls an die Chips zu kommen und erbarmte sich, seinen Freund einfach einen der gewürzten Kartoffelscheiben in den Mund zu schieben.

Seine Wut war endgültig verpufft.

Lächelnd kuschelte er sich etwas mehr an seinen Freund, während der Fernseher und die Chips-Tüte wohl seine restliche Aufmerksamkeit verlangten.
 

Irgendwann hatten sie sich schließlich schlafen gelegt.

Michael war recht schnell ins Land der Träume gewandert, doch Thomas konnte einfach keine Ruhe finden.

Zu viele Gedanken kreisten in seinem Kopf, ließen ihn auf dem Rücken liegend an die Decke starren.

Er wusste nicht warum gerade heute, aber ihm war in den letzten Stunden ganz krass der Unterschied zwischen dem, was er als Neonazi sein sollte und dem, was er machte, aufgefallen und dass hier Michael neben ihm im Bett lag, machte es nicht gerade erträglicher.

Immer wieder tauchten Bilder in seinem Kopf auf, ließen ihn verwirrte Gedankengänge begehen und hielten ihn wach.

Er wusste, dass es falsch war, als Neonazi einen Punk und noch dazu einen Mann zu lieben, und doch konnte er es nicht aufgeben.

Er wusste auch, dass man, wenn man mit einem Jungen und noch dazu einem Anarchisten zusammen war, wohl besser kein Neonazi sein sollte und doch konnte er es nicht aufgeben.

Von all den rotierenden Gedanken wurde ihm fast schwindelig.

Bilder rückten in seinen Kopf.
 

Er mit seinen Kameraden, wie sie genüsslich einen tranken.
 

Michael, der ihn plötzlich küsste, und den er daraufhin wegstieß.
 

Ein Fest bei Matthias Scherer, wo sie alle ausgelassen feierten.
 

Er und Michael in seinem Wagen, wie er sich auf einmal zu dem Punk hinüberlehnte und diesen küsste.
 

Thomas spürte, wie ihm schlecht wurde, sodass er sich aufsetzen musste.
 

Er sah sich mit Nils, Christoph und Markus auf einer Nazi-Demo und den blonden Schopf von Scherer vor ihm.
 

Er sah, wie er auf Kirmes zu Michael ging und diesen um eine zweite Chance bat, wie sie sich küssten.
 

Seine Hände pressten sich an seinen Kopf; wollten die Gedanken vertreiben.

Doch er schaffte es nicht.

Vorsichtig, um Michael nicht aufzuwecken, stand er auf.
 

Markus und er, wie sie sich mit ein paar Russlanddeutschen anlegten.
 

Michael und er, wie sie in der Schule versuchten, die Finger voneinander zu lassen.
 

Schwankend lief er aus dem Zimmer und hielt sich die Hand vor den Mund.

Er wusste nicht, was gerade mit ihm passierte, aber ihm war furchtbar übel und sein Magen krampfte.
 

Ein paar Punks, mit denen sie sich stritten, gegenseitig ankeiften und schließlich eine Schlägerei starteten.
 

Er sah Michael und sich selbst streiten und wie er schließlich mit einem getrübten Gefühl zurückblieb.

Michael und er, wie sie sich wieder versöhnten.
 

Er hatte das Gefühl, dass die Chips sich wieder nach oben drückten, als er hektisch die Tür zum Bad öffnete.

Die Bilder in seinem Kopf flackerten unkoordiniert.
 

#Christoph und Markus.

Michael.#

#Nils.

Michael.#

#Seine Mutter.

Neonazis.#

#Seine Geschwister.

Michael.#
 

Gerade noch rechtzeitig schaffte er es, die Klappe der Toilette zu öffnen, als sich auch schon der Inhalt seines Magens durch die Speiseröhre den Weg zurückbahnte und er sich erbrach.

Von dem bitteren Geschmack wurden seine Augen feucht und er hielt sich mit einer Hand den schmerzenden Magen, als er erneut würgen musste.

Er hörte jemanden über den Flur tapsen und wusste, dass es Michael sein musste.

Wahrscheinlich war er von den Geräuschen im Bad aufgewacht.

„Thomas?“, hörte er die müde Stimme, die ihn vorsichtig ansprach und merkte, dass Michael näher kam, als er sich an die kühlende Klobrille lehnte. „Alles okay? Was ist los?“

Besorgt blickten die grüngrauen Augen ihn an, was ihn im Augenblick fast erneut brechen ließ, doch er konnte sich zurückhalten.

Er spürte die Hand des Punks auf seinem Rücken und hörte, wie dieser die Spülung betätigte, während er sich von der Toilette entfernte und sich an die gekachelte Wand lehnte.

„Wahrscheinlich hat mein Magen die ganzen Knabbereien heute wohl nicht so vertragen“, log er rasch und zwang sich zu einem kleinen Lächeln.

Michael ging vor ihm in die Hocke, sagte nichts und schien ihm zu glauben.

Zärtlich und tröstend strich er über Thomas’ unlädierte Wange, die andere war schon recht blau geworden.

„Geh ruhig wieder schlafen“, bat Thomas ihn, da er seine Nähe im Moment nicht ertragen konnte. „Ich komm gleich auch wieder.“

Michael nickte und stand auf und als Thomas nach fast zwanzig Minuten auch in sein Zimmer zurückkehrte, war er schon wieder eingeschlafen.
 

TBC
 

So, das war Kapitel 21 xD

Diese Szene, wo Thomas' beide Welten aufeinanderprallen, hatte ich schon lange geplant und mich wirklich darauf gefreut, dies jetzt schreiben zu können *lol*

Ich bin ja mal gespannt, was ihr jetzt davon haltet *zwinker*

Irgendwie war so was ja mal abzusehen ^^"
 

Freu mich wie immer über Kommis.
 

Bis zu Kapitel 22,

Motte



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-09-10T16:06:45+00:00 10.09.2007 18:06
T___T gewitterfront am aufbauen. gnaaaaah.

aba die 'mini-versöhnung' fand ich echt süß *___* und die kino stelle erst! tommi-baby, also wirklich... *löl*
nein, im ernst jetzt. das kapitel ist wieder verflixt toll - und ich liebe die unterschiede zwischen den beiden die dann trotzdem, im nächsten moment wieder ganz egal sind... ^__^ (auch wenn ich nicht ganz kapiert hab was tommys brechreiz jetzt akut ausgelöst hat oO)

oh und nebenbei... mäusepisse? XDDD
Von:  shibui
2007-08-30T11:19:36+00:00 30.08.2007 13:19
hu, das war ein schwierigen Kapitel. also süß natürlich die Kinoszenen und so und dann kam die Sache mit der Tankstelle. sehr gut geschildert, wie Thomas sich auf die Schlägerei einläßt, aber das Endstück war dann wirklich... naja, man kriegt da das Gefühl, das es vielleicht doch kein Happy End gibt. bei Thomas prallen diese zwei Welten noch ärger aufeinander, als bei Michael. klar, das er Probleme hat, damit umzugehen, aber wenn ihn schon aus der Situation heraus bei Michis Anblick schlecht wird.
hoffe, die beiden stehen kommende Probleme zusammen durch...

lg shibui^^
Von:  JoeyB
2007-08-29T16:24:19+00:00 29.08.2007 18:24
Das Kapitel gefällt mir (natürlich) gut - wie immer ;-)
Ich mag die beiden. Wenn die sich unterhalten, muss man ständig schmunzeln, weil andauernd irgendwelche schrägen und doofen Bemerkungen kommen. Die sind ein echt süßes Paar. Und ich finde es auch toll, dass sie jetzt endlich mal ein richtiges Date hatten ~^-^~
Joah... Und was dann passiert ist... Hm, das ist ziemlich schwierig. Die Szene an der Tankstelle war eine richtig schöne Veranschaulichung dafür, dass Thomas immer noch ein Nazi ist und dass er und Michael tatsächlich in zwei verschiedenen Welten leben. Und ich finde es gut, dass du das nicht irgendwie romantisierst (sorry für den Ausdruck; acht Stunden bei Herrn S. in der Woche sind einfach zu viel #.#), sondern realistisch beschreibst. Klar, dass Thomas seinen alten Freunden zur Hilfe eilt.
Und gerade in diesem Zusammenhang fand ich die letzte Szene richtig klasse. Diese Szenensprünge in Thomas' Kopf, wenn er erst an seine Freunde und dann an Michael denkt und ihm klar wird, wie scheiße seine Situation eigentlich ist (okay, es war ihm schon vorher klar, aber so direkt hat er sich damit noch nicht konfrontiert, glaube ich). Die Szene war auf jeden Fall ein richtiger Höhepunkt der Geschichte. Total genial geschrieben. Super :3
Schreib bitte ganz schnell weiter :-) Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel ^-^
Joey
Von: abgemeldet
2007-08-26T20:53:47+00:00 26.08.2007 22:53
ui das war ja voLL das süße KapiteL...
kann mich meinen Vorgängern nur anschLießen =)
Die beiden sind zwar totaL untschiedlich aba trotzdem irgendwie perfekt zusammen^^
bin gespannt wie es weitergeht
lg DiLa
Von:  WolfsMoon-
2007-08-26T20:24:36+00:00 26.08.2007 22:24
Also das mit dem Kino fand ich ja mal voll ssüß ^^
endlich konnten die beiden mal was "normal" unternehemn und mussten sich nciht immer verstecken.
Aber ich glaube es wird wohl noch ziemliche reiberein zwischen Thomas und Michael geben o.O mal sehen wie lange das noch so "friedlich" zwischen den beiden bleibt.
also schreib bitte ganz schnell weiter ^^


Von: abgemeldet
2007-08-26T15:37:25+00:00 26.08.2007 17:37
Im Kino wars ja echt super! Gut das sie keiner erwischt hat ;) Wobei das sicher auch seinen reiz gehabt hätte ...
Thomas hats echt nicht leicht, kein wunder das er durch den wind ist !
Das kann ja noch heiter werden ...
Freu mich wie jedes mal auf ein neues Kapi!
lg
Arrest
Von:  Miez
2007-08-26T13:58:15+00:00 26.08.2007 15:58
Ach, wieder voll süß das Chapter...naja bis auf den Schluss XD
Vorallem dieses schmusen von Thomas fand ich niedlich, mit dem Kuss auf der Schulter und allem. Da hätte ich auch nachgegeben...


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