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Last Desire: Devious Desire

von

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Der Morgen danach

Er schlief tief und fest und es war so schön gemütlich unter seinem Heiztisch. Dieser war ohnehin sein absoluter Lieblingsplatz und am liebsten hätte er noch länger geschlafen. Nabi würde wahrscheinlich eh nicht so früh aufstehen nach der letzten Nacht. Es war so schön friedlich und still und am liebsten wäre Samajim nie aufgewacht. Doch dann weckte ihn ein Geräusch. Ein so nervtötendes Geräusch, welches er überall auf der Welt wiedererkannt hätte und das ihn schlagartig wieder wach werden ließ. Fort war es mit der Gemütlichkeit und dem zufriedenen Schlaf, als er das laute Gurren der Tauben hörte und in diesem Moment war es auch mit der Ruhe vorbei. „Nicht schon wieder diese Drecksviecher“, knurrte er und kroch unter dem Heiztisch hervor und richtete seine Haare. Nun reichte es ihm endgültig. All seine guten Vorsätze, zumindest dieses eine Mal ausnahmsweise auf Nabi zu hören, waren dahin und so ging er zum Schrank hin und holte sein Maschinengewehr heraus. Diese verdammten Tauben. Ständig machten sie nur Dreck und raubten ihm seinen wohl verdienten Schlaf. Jeden Morgen war es das gleiche Theater. Wenn Nabi ihn schon nicht weckte, dann waren es diese verdammten Tauben, die ihm den letzten Nerv raubten. „Warum müssen in dieser Welt immer die falschen Tiere aussterben? Warum nicht diese gottverschissenen Tauben? Wer braucht diese Flugratten denn schon?!“ Nachdem er seine MG4 durchgeladen hatte, zog er seine Schuhe an und ging zum Dachboden rauf. Schon schlimm genug, dass die Menschen meinten, sie müssten sich diese widerlichen Tiere zur Zucht halten oder sie bei Hochzeiten durch die Gegend flattern lassen. Aber dass sie ihn um seinen Schlaf brachten, das ging zu weit und da hörte für ihn auch der Spaß auf. Und offenbar waren diese Viecher zu blöd um zu kapieren, dass sie bei ihm nichts zu suchen hatten. Als wäre seine Kirche ein verdammter Taubenschlag. Da waren ihm sogar die Ratten lieber, denn die machten zumindest weniger Lärm. Er stieg die Treppen und im Anschluss noch eine Leiter rauf und legte schließlich das Gewehr an. „Fahrt zur Hölle, ihr Flugratten.“ Und damit eröffnete er das Feuer. Nur leider kam zu seiner tiefen Abneigung gegen Tauben und seiner Sammelleidenschaft für Waffen auch hinzu, dass er ein absolut miserabler Schütze war. Zumindest was die Tauben anbelangte. Aus diesem Grund kam es auch so gut wie nie vor, dass er mal tatsächlich eine traf. Aufgeschreckt durch den lauten Knall flüchteten die Tauben durch das entstandene Loch im Dach und waren fort. Trotzdem schoss Samajim noch auf die Tauben, die noch ziellos umherschwirrten, in der Hoffnung, wenigstens sie zu treffen. Doch da unterbrach ihn auch schon das wütende Geschrei seines Dieners. „Habt Ihr endgültig den Verstand verloren, oder hat Euch bereits die Altersdemenz erwischt, Meister?“ Damit riss der Schwarzhaarige ihm die MG4 aus der Hand und war stinksauer. „Ich hab das Pfarrhausdach erst letztens wieder repariert. Ganz zu schweigen vom Dach des Glockenturms, das ich auch noch reparieren muss. So langsam reicht es mir. Anstatt damals in den Krieg zu gehen, hätte ich besser Kindergärtner werden sollen. Einen Sack Flöhe zu hüten ist mir manchmal alle Male lieber, als auf Euch aufzupassen und Euch von der nächsten Schnapsidee abzuhalten.“ Nabi wankte ein wenig und wirkte etwas neben der Spur. Außerdem war es allzu deutlich erkennbar, dass er sich kaum bewegen konnte. Nachdem Samajim die Schimpftirade still und brav über sich ergehen ließ, verließen sie den Dachboden und sogleich fragte er auch nach dem Befinden seines Dieners, um das Thema zu wechseln. „Sag mal Nabi, hast du noch irgendwie Schmerzen?“ „Ein wenig, aber es geht. Aber das gehört ja auch dazu, oder? So, ich mach jetzt eben das Frühstück fertig, danach werde ich mich um die Löcher kümmern. Der Bischof kommt heute zu Besuch und will mit Euch sprechen.“

„Was will der denn schon wieder?“

„Womöglich um Eure Angewohnheit, mit Sturmgewehren auf Tauben zu schießen… Es ist mir ohnehin ein Rätsel, dass die Polizei noch kein einziges Mal hier war. Die müssen doch denken, wir wollene einen Kreuzzug beginnen.“

„Der Bischof soll sich mal nicht so aufspielen. Er ist ja nicht der Papst…“

„Der Papst gehört zu den Katholiken.“

„Eben!“

Nabi sagte dazu lieber nichts. Nachdem er die MG4 ebenfalls im Keller eingeschlossen hatte, ging er in die Küche und stärkte sich zusammen mit Samajim bei einer Tasse Kaffee und einem ausgiebigen Frühstück. Über die vergangene Nacht sprachen sie eigentlich gar nicht. Womöglich hätten sie es gerne, aber da war etwas, das sie davon abhielt. Bei Nabi war es ein Stück weit die Scham, über so etwas zu sprechen und Samajim seinerseits war sich nicht sicher, ob es der beste Zeitpunkt war. Aber dann endlich wagte Letzterer dann doch den Versuch und sagte schließlich „Letzte Nacht war es ein wenig überstürzt von mir gewesen. Ich hoffe, es war keine allzu unangenehme Erfahrung für dich.“

„Unsinn“, rief Nabi deutlich und schüttelte den Kopf, während er eine Schmerztablette einnahm und danach noch einen Schluck Kaffee trank. „Zugegeben, dass ich erst ganz schön überrumpelt war. Aber wenn es unangenehm gewesen wäre, dann hätte ich es ganz sicherlich gesagt. Immerhin waren es doch Eure Worte, dass ich sagen soll, wann es zu viel für mich wird. Und solange es mit Euch ist, ist es für mich auch nichts Unangenehmes.“ Nun, das war mal eine offene und ehrliche Antwort und insgeheim war Samajim ja auch recht froh drum. Denn als Nabi kurz danach völlig erschöpft eingeschlafen war, hatte er ziemlich blass ausgesehen und das hatte ihm doch schon ein wenig Sorgen bereitet. Auch jetzt wirkte Nabi ein wenig farblos im Gesicht. Aber so wie es aussah, hatte er sich wohl unnötig Sorgen gemacht. „Du kannst dich gerne heute etwas ausruhen, wenn es dir nicht ganz so gut geht. Ich rufe einfach Nagar an, der kann das auch reparieren. Zwar arbeitet er bloß als Tischler, aber mit Dachschäden kennt er sich ja auch ganz gut aus.“

„Schön wär’s… dann hätte er Euren Dachschaden auch gleich beheben können. Ihr müsst das nicht machen, Meister. Ich schnapp mir gleich den Werkzeuggürtel und erledige das.“

„Vergiss es, du legst dich gleich wieder hin und ruhst dich aus.“

„Ja aber…“

„Nichts aber, das ist ein Befehl.“ Nun, da konnte Nabi wohl nicht viel entgegensetzen, wenn es ein Befehl seines Meisters war. In dem Fall musste er ihm gehorchen, das war ja sein Schwur gewesen. Aber dass Samajim plötzlich mit so etwas ankam, verwunderte ihn nun doch. Für gewöhnlich hatte er fast nie ausdrückliche Befehle gegeben. Höchstens ein Mal, als es mal zu diesem einen schrecklichen Vorfall kam. Es war vor knapp 800 Jahren gewesen, näher gesagt im finstersten Mittelalter von England. Nabi war als Hexenmeister angeklagt und grausam gefoltert worden, da man ein Geständnis von ihm haben wollte. Das Auspeitschen war ja noch das Geringste gewesen, was sie ihm angetan hatten. Samajim war zu der Zeit nicht da gewesen und schließlich war er von Nakash gerettet worden, als man ihm flüssiges Blei in den Hals schütten wollte. Als sein Meister davon erfahren hatte, war dieser ziemlich wütend geworden und hatte ihn auch gefragt, warum er seine Kräfte nicht eingesetzt hatte, um sich zu befreien. Nabis Antwort war einfach gewesen, dass er das nicht dürfe. Da er dieselben Gesetze einzuhalten hatte wie die Asylanten, war es ihm verboten zu kämpfen oder Waffen zu besitzen. Hierauf hatte Samajim ihm den ausdrücklichen Befehl gegeben, sich auch gefälligst zu wehren, wenn er schon in solch eine Situation geriet. Danach hatte es eigentlich keine solchen Befehle mehr gegeben. Zumindest bis jetzt. Und Nabi war nicht blöd. Er merkte so langsam, dass Samajim ihm offenbar nur dann Befehle gab, wenn er der Meinung war, dass es dem Wohl seines Untergebenen diente. Tja, er scheint sich wirklich um mich zu sorgen, auch wenn es nicht direkt den Anschein erweckt, dachte er und begann zu essen. Immer, wenn ich unsicher oder niedergeschlagen bin, leistet er sich irgendeine Dummheit, damit ich mich wieder über ihn aufregen kann und so schafft er es immer, mich aufzumuntern. Wir haben schon ziemlich viel erlebt und lange Zeit war es eine wirklich wunderbare Freundschaft gewesen. Wir haben uns immer aufeinander verlassen können und Meister Samajim hat mich nie schlecht behandelt oder herabgewürdigt. Wenn ich so überlege, was damals alles gewesen war und welche Ereignisse mich zu ihm geführt haben… Ich kann wirklich von Glück reden, dass ich damals den Mut aufgebracht habe, die Seiten zu wechseln und Meister Elohim zu verraten. Es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. „Meister, ich bin wirklich froh, dass Ihr derjenige seid, in den ich mich verliebt habe. Ich wollte nur, dass Ihr das wisst.“

„Nun nicht gleich übertreiben.“

„Nein, ich meine es ernst. Die anderen großen Alten behandeln ihre Diener wirklich schrecklich. Viele von ihnen werden geschlagen, vergewaltigt, wie Vieh behandelt und getötet, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Als Diener hat man keine Rechte und Freiheiten mehr. Nicht einmal mehr die Freiheit zu entscheiden, ob man leben will oder nicht. Man hat keinen Besitz, eigentlich gar nichts. Man ist der Willkür seines Herrn schutzlos ausgeliefert und wenn man es wagt zu fliehen, wird man bestraft. Obwohl ich wusste, wie das Schicksal eines Dieners aussieht, hatte ich nicht eine Sekunde lang Angst gehabt, weil ich wusste, dass ich Euch vertrauen kann und Ihr mich gut behandeln werdet. Ihr seid so anders als die anderen großen Alten. Und oft habe ich mich gefragt, warum das so ist. Was ist der Grund dafür, dass Ihr nicht so seid?“ Diese Frage kam etwas überraschend für Samajim, auch wenn er insgeheim schon auf den Tag gewartet hatte, an dem man ihm diese Frage stellte. Aber er hatte nie eine zufriedenstellende Antwort darauf gefunden. „Tja“, sagte er schließlich und zündete sich seine morgendliche Zigarette an. „Ich hatte eben andere Ansichten. Ich habe nie wirklich verstanden, warum es den anderen so wichtig war, andere zu unterdrücken und selbst Macht zu besitzen. Der Grund liegt ganz einfach darin, weil ich mir andere Prioritäten setze. Hajjim und ich standen mit unseren Ansichten so ziemlich alleine da. Die anderen wollten Macht so wie Kabod, Miswa und Rakshasa. Und anderen wie zum Beispiel Nazir und Minha war es völlig egal. Wir waren quasi Außenseiter und nur Elohim hat unsere Ansichten geteilt und sie verstanden. Da ist uns klar geworden, dass wir mit dem Erbe Ain Sophs geboren wurden. Nämlich mit dem Grundprinzip, dass Macht, Reichtum und Ansehen nicht von Bedeutung sind. Uns war unsere Machtposition egal und wir haben sie lediglich dazu benutzt, um Miswa und die anderen in die Schranken zu weisen und Elohims Familie zu schützen. Du kannst noch so viel Ansehen, Macht und Reichtum haben. Aber was nützt dir all dies, wenn du nicht mit dir selbst zufrieden bist? Im Grunde ist das Streben nach Macht über andere nur eine Kompensation, weil man mit sich selbst nicht zufrieden ist und man einen Beweis für sich selbst braucht. Die eigene Unzufriedenheit ist es, die das Unglück in die Welt sät. Wer unzufrieden mit sich selbst ist, der entwickelt Neid gegen andere und will sich über sie stellen, um es sich selbst und auch anderen zu beweisen. Was glaubst du wohl, warum die Menschen nach dem Gottsein streben? Sie haben längst den Blick dafür verloren, dass es in erster Linie wichtig ist, mit sich selbst im Reinen zu sein. Anstatt sich um andere zu kümmern, ist es wichtig, zuallererst mit sich selbst zufrieden zu sein. Ich war mir meiner Stärken und Schwächen schon immer durchaus bewusst gewesen, aber ich habe sie akzeptiert und war glücklich mit dem, was ich hatte. Deshalb bestand für mich auch keine Notwendigkeit, nach mehr zu streben. Andere würden es vielleicht als antriebslos, genügsam und faul bezeichnen, aber hier frage ich wiederum: ist es denn so unbedingt wichtig, dass wir Macht über andere ausüben müssen oder anderen die Kontrolle über unser Leben überlassen? Womöglich stimmt es ja und wir brauchen jemanden, der uns führt, weil wir hin und wieder diese Führung brauchen, wenn wir unsicher sind. Aber wenn wir uns in erster Linie auf unser eigenes Glück und unsere wahren Bedürfnisse konzentrieren und eine bessere Selbstwahrnehmung entwickeln, dann brauchen wir so etwas wie Macht und Wohlstand nicht.“ Diese Rede beeindruckte Nabi wirklich und er sah seinen Meister beinahe schon bewundernd an. Diese Sicht der Dinge war für einen großen Alten sehr ungewöhnlich, aber es klang auch irgendwie sehr einleuchtend. Allerdings hatte er noch gewisse Bedenken. „Wenn wir uns nur auf uns selbst konzentrieren würden, dann würde es doch keinen Zusammenhalt untereinander geben, oder?“

„Nun, deshalb sind die großen Entitäten ja auch viel weiter als wir: sie besitzen die Kunst, sich auf ihr persönliches Glück zu konzentrieren und es sich zu bewahren, ohne dass sie dabei andere aus den Augen verlieren. Man kann durchaus beides tun, man muss nur lernen, wie man es tut. Deshalb haben Ain und Elohim ja auch die Herrschaft übernommen. Aber darin liegt ja auch der Schlüssel zu einer besseren und friedlicheren Welt: glücklich zu sein und dennoch zusammenzuhalten. Auf diesen Weg wollen sie uns bringen und weil ich zufrieden mit mir selbst und dem bin, was ich habe, besteht für mich auch keinerlei Grund, mehr zu wollen als das. Jeder definiert sein vollkommenes Glück anders. Für mich liegt es in der Freiheit und Unabhängigkeit und das zu tun, wonach mir ist und jene an meiner Seite zu haben, die mir wichtig sind. Und für dich mag dein vollkommenes Glück darin liegen, an meiner Seite zu sein und diese Freiheit nicht zu besitzen, die wiederum für andere wichtig sein mögen. Das ist auch der Grund, warum diese von Menschen ersinnten Utopien zu Dystopien werden: sie vereinheitlichen das Glück der Menschen und beginnen sie dadurch zu manipulieren und zu willenlosen Marionetten zu machen. Deshalb sage ich ja auch zu allen, die mich nach der Messe fragen, worin der Sinn des Lebens liegt: er liegt im Streben nach dem Glück. Nicht mehr und nicht weniger.“ Nach dem Glück streben. Darin lag also der Sinn für die Existenz der Dinge? Nabi musste daran denken, was Lacie Dravis vor ihrem Tod gesagt hatte. Sie hatte gesagt, dass die Existenzberechtigung aller darin liegen würde, weil sie lebten und weil das Leben ein Geschenk war. Ob sie auch diesen wahren Lebenssinn erkannt hatte und deshalb glücklich sterben konnte? „Und worin liegt der Lebenssinn Eurer Meinung nach, wenn man dieses erstrebte Glück schon hat?“

„Ganz einfach: er liegt darin, um dieses Glück zu kämpfen, damit man es nicht wieder verliert.“ Manchmal vergesse ich wirklich, wie weise Meister Samajim eigentlich ist. Aber er gehört ja zu den großen Alten und die sind die ältesten und zugleich mächtigsten Sefirot. Er ist mächtig genug, um Miswa und die anderen mühelos zu besiegen und gleichzeitig hat er keine ihrer selbstsüchtigen und verabscheuungswürdigen Charaktereigenschaften. Aber… gerade das ist ja auch der Grund, warum ich mich in ihn verliebt habe. „Eine Frage hätte ich aber noch, Meister. Wenn… wenn ich nicht Euer Diener wäre sondern ein anderer, würdet Ihr ihn anders behandeln als mich?“

„Nun, außer mit der Ausnahme, dass ich mir seine Frechheiten nicht so leicht gefallen lassen würde wie bei dir, sähe ich eigentlich keinen Grund, ihn schlechter zu behandeln als andere, die nicht meine Diener sind. Einfach deshalb, weil ich großen Respekt vor dem Leben habe. Ich achte grundsätzlich jedes Leben und was wären wir denn, wenn wir nicht einmal das Leben achten? Eigentlich genau das, was die Menschen schlichtweg als Monster bezeichnen.“

Nach dem Frühstück ruhte sich Nabi noch etwas aus, da er von gestern ziemlich angeschlagen war. Er erledigte aber vorher noch den Abwasch und Samajim rief in der Zwischenzeit Nagar an, der als einer der wenigen Asylanten freiwillig in London geblieben war, nachdem schon die ersten abgereist waren. Dieser versprach, sich um die Schäden an den Dächern zu kümmern. Damit war das schon mal erledigt und eigentlich wollte Samajim sich gleich mit der nächsten Zigarette in sein Arbeitszimmer zurückziehen und die Andacht vorbereiten, da klingelte es an der Haustür. Mit einem etwas genervten Seufzer stand er wieder auf und ging hin um nachzusehen. Als er die Haustür öffnete, erkannte er, dass es der Bischof war. Und in dem Moment fiel ihm auch wieder ein, dass Nabi ja angekündigt hatte, dass dieser vorbeischauen wollte. Aber wenn er ehrlich war, hatte er überhaupt keine Lust auf den Bischof. Er konnte diese ganze Bagage ohnehin nicht sonderlich leiden. In seinen Augen waren das nur scheinheilige Schönredner und Ohrenbläser und an dieser Meinung hatte sich seit dem Mittelalter nicht viel geändert. „Sieh an, der Herr Bischof. Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, Hochwürden?“

„Ein klärendes Gespräch, nur ein klärendes Gespräch. Dürfte ich eintreten?“ Samajim ließ ihn herein und ging mit ihm ins Arbeitszimmer. Die christliche Kirche wusste zum größten Teil von seiner wahren Identität, hielt sie aber geheim, da vor langer Zeit ein Abkommen getroffen wurde, welches Samajim, Nabi und den Asylanten ein unbehelligtes Leben gewährleistete und er half der Kirche hier und da mal ein wenig. Seit Martin Luthers Reformation war Samajim aber zur evangelischen Kirche übergewechselt, da er die Katholiken wortwörtlich als ein „widerwärtiges und raffgieriges Rattenpack“ bezeichnete. Außerdem waren ihm die moderneren Auffassungen und Traditionen der Protestanten alle Male lieber. Vor allem mit der Frauenfeindlichkeit und dem Zölibat konnte er rein gar nichts anfangen und diese jüngsten Geschichten mit den Missbräuchen hatten ihn in seiner schlechten Meinung nur bestärkt. Der Bischof wusste auch von seiner wahren Identität, war aber noch recht unerfahren, was den richtigen Umgang mit Samajim anging und deshalb ließ dieser auch in den meisten Fällen Nachsicht walten. Der Kerl war ja auch nur ein Mensch. „Also Hochwürden, wo drückt denn der Schuh? Braucht die Kirche wieder etwas Hilfe meinerseits?“ „Darum geht es nicht“, erklärte der Bischof ruhig und kratzte sich etwas unsicher am Kopf. Dort machten sich bereits erste Anzeichen einer Halbglatze bemerkbar. „Es geht um Euer etwas befremdliches Hobby. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr Sturmgewehre im Keller lagert und regelmäßig diese Waffen einsetzt.“

„Das ist nur ein Mittel, weil ich diese blöden Tauben endlich loswerden will, die mich um meinen wohl verdienten Schlaf bringen. Wenn diese Tiere endlich aus dem Dachgebälk verschwinden und mich in Ruhe lassen, dürfte sich das Thema erledigt haben.“

„Nun gut, aber Sie wissen schon, dass es bei uns strenge Gesetze gibt, was den Besitz von derartigen Waffen anbelangt?“

„Ich hab eine gültige Waffenlizenz und ich hab auch nicht vor, auf die Queen zu schießen.“

„Das habe ich auch nicht damit andeuten wollen. Ich möchte Sie nur bitten, sich diesbezüglich etwas zurückzunehmen. Wir sind hier nicht in Afghanistan.“ Samajims Blick lag lauernd auf dem Bischof. Er ahnte, dass dies nicht der einzige Grund war, warum er extra dafür angetanzt war. Insgeheim hatte er schon eine gewisse Ahnung, worum es gehen könnte und so fragte er „Weshalb sind Sie eigentlich hergekommen?“ Der Bischof zögerte noch einen Augenblick, denn er wusste, dass Samajim kein Mensch war, sondern etwas viel Älteres und Mächtigeres. Ein nach menschlichen Ansichten gottähnliches Wesen und in der Tat besaß dieser die Macht, die Welt der Menschen ins Chaos zu stürzen, wenn ihm danach war. Das flößte sehr viel Respekt und Ehrfurcht ein. Aber dennoch wollte er dieses prekäre Thema zur Sprache bringen. „Es geht um Ihren Küster, Nathaniel Hope. Wie war noch gleich sein richtiger Name?“

„Nabi. Und was soll mit ihm sein?“

„Nun“, begann der Bischof und räusperte sich. Samajim zündete sich wieder eine Zigarette an, nachdem er seine alte zu Ende geraucht hatte und man sah ihm an, dass es mit seiner Laune nicht gerade zum Besten stand. Und das spürte auch der Bischof, der nun noch unruhiger wurde. „Es gehen so einige Gerüchte um. Immerhin wohnt er mit Ihnen zusammen im Pfarrhaus und ich mache mir Sorgen, dass… nun, Sie verstehen wahrscheinlich, worauf ich hinaus will.“

„Dass er und ich ein deutlich engeres Verhältnis zueinander haben könnten?“ fragte Samajim und seine Stimme klang auf einmal eisig, was äußerst untypisch für ihn war. Und auch sein Blick war auf einmal so kalt wie Eis. Nun war genau der Punkt erreicht, wo es mit seiner Freundlichkeit endgültig vorbei war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-02-15T18:58:52+00:00 15.02.2015 19:58
Ein großartiges Kapitel^^


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