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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Es dauerte fünfeinhalb Stunden, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Der Zug hatte wegen Wartungsarbeiten länger halten müssen. Sehr zu Trias Leidwesen. Dieser hatte nämlich die letzte Stunde damit zugebracht, tausend Flüche in seinen imaginären Bart zu grummeln. Er war auch der Erste, der sich das Gepäck schnappte und unter dem Vorwand, die Flure zu sichern, aus dem Abteil gestürmt war. Weniger eilig hatte es Izara. Sie streckte ihre Beine, der Muskelkater war noch nicht ganz verschwunden und ihre Gelenke fühlten sich an, als wären sie durch den Reißwolf gejagt worden. Dennoch waren ihr die Schmerzen lieber, als noch länger in diesem Abteil festzusitzen. Sie sehnte sich nach dem Boden unter ihren Füßen - echtem Boden mit echter Erde. Am liebsten hätte sie einmal tief durchatmet, doch am Bahnsteig wartete bereits ein kleiner Mann mit langem Haar und langem Rauschebart.

"Hoheit", er eilte auf den König zu, kaum hatte dieser den Zug verlassen, "endlich seid Ihr zurück." Er atmete schwer, verneigte sich, wobei er fast die Papiere fallen ließ, die er sich zwischen seine Arme geklemmt hatte. "Es gibt Neuigkeiten, Hoheit. Von Osten-" Er verstummte, kaum dass er Izara bemerkt hatte. Sie hätte gerne gewusst, ob Drachen einander erkannten oder doch nur der Geruch nach Mensch sie verriet.

Für Izara fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, dass sie einfach nur dastanden und nichts sagten. Ab und an glaubte sie, ein Rauschen zu hören, aber das hätte auch genauso gut der Zug sein können.

Und wenn Himmelsdrachen telepathische Kräfte haben?, überlegte sie, während König Devon seinen Laufburschen betrachtete und ernst nickte. Sie schienen sich einig, Izara glaubte es zumindest, denn der König wandte sich nun an sie. "Trias wird dich zum Palast begleiten."

Und Ihr?, wollte Izara fragen, traute sich nur nicht. Also nickte sie, unschlüssig, ob sie ohne ihn gehen wollte. Schließlich war er der einzige, zu dem sie eine Verbindung hatte - wie auch immer das in so kurzer Zeit passieren konnte. Ihn fortgehen zu sehen, nicht zu wissen, wohin er ging und wann sie ihn wiedersehen würde, machten ihr fast so viel zu schaffen, wie die Trennung ihrer Familie. Kraftlos folgte sie Trias aus dem Bahnsteig. Der Bahnhof bestand nur aus einer kleinen Hütte und zwei angrenzenden Bahnsteigen. Dahinter lagen breite Felder, Wiesenlandschaften erinnerten an Izaras Zuhause und stellten ihre Selbstbeherrschung auf eine harte Probe.

"Kommt, Prinzessin", wies sie Trias an. Er blieb immer wieder stehen und wartete auf Izara, die mit ihren kurzen Beinen kaum hinterherkam.

"Trias", sagte sie, dem großen Drachen mit den dunkelbraunen Haaren folgend, "ich würde mir wünschen, dass du mich Izara nennst. Prinzessin klingt so…fremd."

Trias blieb stehen. "Ich weiß nicht, ob ich das darf."

"Und wenn es ein Befehl wäre?", sie versuchte zu lächeln - ein gequältes, von den Tagen erschöpftes Lächeln.

"Nun", Trias war stehen geblieben, er drehte sich zu ihr um, "soll das wirklich Euer erster offizieller Befehl sein?" Eine Augenbraue schoss in die Höhe.

"Wir müssen es ja nicht offiziell machen."

Trias seufzte. "Also schön. Wenn es Euch…dir lieber ist, dann nenne ich dich Izara." Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Aber du solltest nicht jedem im Palast erlauben, dich beim Vornamen zu nennen. Das wirft kein gutes Licht auf dich und könnte dem Ruf der Königsfamilie schaden. Einschließlich unseres Königs."

"In Ordnung", sie bekam ein Gefühl, welche Verpflichtungen auf sie zukämen und die Lust, den Palast zu sehen, schwand allmählich.

"Und nun?", fragte sie, "wie weit ist es noch bis nach Dragor ?"

"Fünfzig Meilen", sagte er trocken.

Izara fiel beinahe die Kinnlade herunter. "Das ist ein Scherz."

"Das ist ganz sicher kein Scherz oder denkst du, das hier", er zeigte auf die Umgebung, nur Wiesen und Felder, so weit das Auge reichte, "ist die berühmte Drachenstadt?"

"Vielleicht der Vorgarten?"

"Sehr witzig, aber nein. Doch keine Angst", er grinste breit, "wir werden nicht laufen."

"Sondern?" Wie Trias schon demonstriert hatte - hier gab es nichts, was annähernd nach einem Gefährt aussah. Nur langsam fiel der Groschen.

"Wir fliegen?!"

"Ich fliege", meinte er und streckte sich, "in deinem jetzigen Zustand wäre es lebensgefährlich, sich zu verwandeln."

"Ich dachte, nach der Erweckung wäre es einfacher."

"Nicht als Drachenmensch mit Himmelsblut. Das Risiko ist mir zu hoch."

"Verstehe", grummelte Izara, doch der Ärger über ihre Wurzeln hielt nicht lange. Trias legte Mantel und Hemd ab.

"Du wirst dich doch jetzt nicht vor mir ausziehen?!" Izara wich einen Schritt zurück. Zugegeben, Trias Oberkörper konnte sich sehen lassen. Fett schien in seinem Vokabular keinen Platz zu haben. Aber ob dieser Drache der erste sein sollte, den sie nackt sähe…?

"Ich bin nicht lebensmüde", entgegnete er verschmitzt, "aber es kann sehr unangenehm werden - zumindest obenrum." Er streckte die Arme nach links und rechts aus. Tiefe Atemzüge drangen aus dem Mund, die Nasenflügel bebten und Rauchschwaden sammelten sich. Dann begannen die Augen zu glühen, rote Rubine waren nichts gegen das Strahlen seiner beiden Iriden. Ein Windzug wurde freigesetzt und mit einem lauten Knacksen schossen zwei Flügel aus Trias Schulterblättern. Izara schreckte zusammen. So groß hatte sie sich die Drachenschwingen nicht vorgestellt. Wenn ihre eigenen Flügel Platz in einer Höhle hatten, wollte sie gar nicht wissen, wie zerquetscht sie danach ausgesehen hatten.

"Endlich", stöhnte Trias. Er sah erleichtert aus - und um Längen entspannter.

Ihr anfänglicher Schrecken wich bloßer Neugier. Sie kam ein Stück näher, betrachtete die dunkelroten Flügel, die schwarzen Linien, die wie kryptische Zeichen auf der Haut eingebrannt waren. Die Enden waren mit dicken Stacheln versehen, die zu pulsieren schienen.

"Du bist ein Feuerdrache", rief sie begeistert aus.

"Ich bevorzuge die Bezeichnung Volan", meinte er voll Stolz.

"Natürlich", entgegnete Izara. Sie kannte die Begriffe der einzelnen Untergruppen, aber die meisten Drachen in Leibeigenschaft vermieden es, sie zu gebrauchen.

"Ich habe noch nie einen von euch getroffen", sagte sie, während ihre Blicke weiterhin auf den Flügeln ruhten. Im Grunde hatte sie noch keinen Drachen in seiner Reinform gesehen. Sie hätte sie gerne berührt, aber so selbstbewusst war sie nun doch nicht - oder dreist.

"Dann war es langsam Zeit", er flatterte mit den Flügeln, heißer Wind schlug ihr entgegen, die Luft wurde trocken und stickig. "Wenn ich nun bitten dürfte, [style type="italic"]Prinzessin[/style] Izara", Trias drehte sich um. Er meinte es ernst! Izara starrte ihn mit großen Augen an. Zaghaft kam sie direkt auf ihn zu. Die Flügel hingen in der Luft wie Statuen.

"Soll ich auf deinen Rücken klettern?", fragte sie, die Fingerspitzen nur knapp unter einem der Unterflügel.

"Halt dich an meinem Hals fest. Sobald du einen festen Griff hast, werde ich mich verwandeln."

"Das ist wohl noch keine Verwandlung?", sie krallte sich an seinen breiten Hals, auch hier schien Trias nur aus Muskeln zu bestehen.

"Nein", lachte er auf. Es war herzlich, langsam schien er zu begreifen, dass Drachen in Leibeigenschaft keine Ahnung von ihrer eigenen Spezies hatten.

Langsam zeichneten sich bei Trias Drachenstrukturen ab. Die Haut wurde rauer, ledriger und Izara hielt sich an dem Drachen so fest sie nur konnte.

"Bereit?", fragte er, einen Blick hinter seine Schulter werfend.

"Ich glaube, ja."

"Dann los!"



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