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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Mit kräftigen Flügelschlägen hob Trias in die Luft ab, der Wind wurde kühler, trotz der Schwaden, die sein Körper entsandte. Er holte noch einmal kräftig Schwung und flog empor zu den Wolken. Sein menschliches Aussehen verlor sich. Der Drache erwachte - ein langer Hals und ein breiter Rücken, auf dem sich die Stacheln eingezogen hatten. Izara geriet ins Wanken, sie drückte ihr Gesicht an seinen Hals und ermahnte sich, nicht loszulassen. Trias wurde schneller, flog direkt durch die Wolken zu, sodass er von unten nur noch als kleiner roter Punkt zu erkennen war. Ungläubig starrte Izara in die Tiefe. Sie hätte mit einer Ohnmacht gerechnet, aber das Kribbeln in ihrer Brust war kein Ausdruck von Angst. Es war purer Rausch. Noch nie hatte sie ähnliches gespürt. Sie war…glücklich, denn sie spürte, was es hieß, frei zu sein, Grenzenlosigkeit zu erfahren.

"Es ist", schrie sie, doch der Wind nahm ihr die Stimme. Stattdessen lachte sie. In ihrem Bauch gluckste es, tausend Ameisen liefen um die Wette. Trias stieß einen lauten Schrei aus.

"Tut mir leid, ich verstehe dich nicht", lachte sie weiter. Vorsichtig wagte sie es, ein Stück nach unten zu rutschen. Ihre Finger umfassten einen Stachel, sie setzte sich auf, dass sie direkt in die Sonne blicken konnte. Izara blinzelte, ließ die Strahlen ihre Haut berühren. Die Wärme tat gut. Entgegen aller Gerüchte war der Körper des Volan eher lauwarm. Dass Vulkane aus seinen Schuppen ausbrechen sollten, kam ihr rückblickend lächerlich vor. Behutsam strich sie über die Schuppen, der Kopf des Drachen drehte sich in ihre Richtung. Izara meinte, Belustigung in seinen Augen zu erkennen. Er schnaubte, dass heißer Dampf ihr Gesicht bedeckte. Trias wirkte geradezu verspielt, dass Izara nicht anders konnte, als ihre Augen zum Leuchten zu bringen. Das Gefühl übermannte sie, ihr ganzer Körper begann blaues Licht zu entsenden. Der Drache richtete seine Aufmerksamkeit zurück nach vorne, sein Tempo war kaum zu bremsen.

"Äh, Trias", schrie sie. Zwei Felsen tauchten auf, der Drache flog direkt auf sie zu, "meinst du nicht, dass es ein wenig eng wird?" Zu eng, wollte sie sagen. Die Felsenspalte hätte gerade so für sie beide gereicht. Als Menschen, nicht in Drachengestalt. Der Feuerdrache schnaubte und Izara hielt es für besser, sich doch wieder an seinem Hals festzukrallen.

"Ich hoffe, du weißt, was du tust." Kaum zu Ende gesprochen, ging der Drache in den Sinkflug. Die Felsspalte rückte näher, Izara zog den Kopf ein, als der Feuerdrache eine Vierteldrehung vollführte. Ein Flügel zeigte nach oben und ohne an Geschwindigkeit einzubüßen flog er durch die Öffnung. Izaras Haare klatschten an die Felswand, während sie ungebremst durch den Spalt rauschten.

"Das machst du nicht zum ersten Mal", schrie sie ihn an. Dabei war es nur logisch, dass Trias schon öfter hier gewesen sein musste. Trotzdem war sie froh, als das Ende der Felsen sichtbar wurde. Mit Leichtigkeit hindurch geflogen, nahm Trias wieder an Flughöhe zu. Izara hatte nicht bemerkt, wie sie kurz die Augen zusammengekniffen hatte und öffnete nun die Lider. Der Anblick übertraf alles.

"Dragor ", flüsterte sie. Dass sie so schnell hier sein würden… Izara betrachtete die florierende Metropole, tausende Drachen in Menschengestalt liefen durch die Straßen. Der Marktplatz war um ein Vielfaches größer als sie es aus Kandio kannte, von oben erkannte sie Schulen und Universitäten, einen Hafen, sowie mehrere Fischerboote. Der Wochenmarkt war im vollen Gange, noch mehr Menschen tummelten sich auf den Haupt- und Nebenstraßen. Sie hätte gern noch mehr gesehen, doch Trias flog weiter, aus der Stadt hinaus, über zwei Berge, auf deren Dächern noch etwas Restschnee zu erkennen war. Es dauerte eine Weile, bis Izara erkannte, worauf er zuflog. Erneut stockte ihr der Atem. Sie kannte Paläste aus Schulbüchern und den Zeichnungen, die Levis angefertigt hatte. Natürlich alles Paläste von Menschenhand gebaut. Der Drachenpalast war aber kein gewöhnlicher Palast. Er war in die Felsen gehämmert worden. Es gab keine Grenze zwischen Schloss und Gestein. Izara war so sehr eingenommen, dass sie gar nicht bemerkte, wie Trias langsamer wurde und einen Hügel ansteuerte, der ebenfalls in das Schloss integriert worden war. Erst als sie Boden unter den Füßen hatten, registrierte Izara, dass sie gelandet waren. Etwas unbeholfen kletterte sie von ihm herunter und bedankte sich. Der Drache stieß ein Kreischen aus, bevor er die Flügel einzog und in seine Menschengestalt zurückkehrte.

"Ich nehme an, du hattest einen guten Flug." Trias schmunzelte sie an. Ein kleiner Angeber schien er zu sein, aber einer von der netten Sorte.

"Bis auf den Selbstmordversuch an der Felswand, war es sehr angenehm."

"Hm", sein Schmunzeln wandelte sich zu einem Grinsen. Es währte nur kurz, viel zu kurz. So schnell er zum freundschaftlichen Begleiter gewechselt hatte, kehrte er jetzt zurück in die Rolle des ernsten Leibwächters.

"Ich bringe dich zu den anderen."

"Die anderen?" Aber Trias reagierte nicht. Er schien es eilig zu haben und lief, ohne Izara irgendetwas zu erklären. Sie kamen an die Palasttore, zwei Wachen erkannten den Leibwächter des Königs und ließen ihn ohne Fragen hinein. Izara schenkten sie einen undefinierbaren Blick, über den sie heute noch nicht nachdenken wollte. Weiter ging es durch die Flure, zu ihrer Linken reihte sich Tür an Tür. Auf der anderen Seite führten Terrassen ins Freie. Sie hatte etliche Fragen, aber Trias ließ sie kaum Luft holen, sich auch nur in Ruhe umzusehen. Er steuerte einen Garten an, in dem sich mehrere Frauen versammelt hatten. Drachen, wie sich Izara im Geiste korrigierte. Sie standen im Kreis, im Mittelpunkt stand eine schwarzhaarige Frau, die wohl so etwas wie eine Anführerin sein musste. Dass sie Respekt einflößte und diesen erhielt, war selbst aus dieser Distanz zu erkennen. Izara war auf der Terrasse stehengeblieben. Die kritischen Blicke waren ihr unangenehm. Sie hatte das Gefühl, nichts verbergen zu können.

Währenddessen schritt Trias auf einen Baum zu. Es gab wenige Bäume, und auch sonst gab es hier nichts, das den Namen »Garten« verdient hatte. An diesem Baum, Izara erkannte, dass es ein Nussbaum war, stand eine weitere Frau, abseits der restlichen Drachen. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte sie am Baumstamm und kniff die Augen zusammen, als der Volan einem Schatten vor sie warf.

"Deine neue Aufgabe", sagte Trias. Mehr verstand Izara nicht, er hörte auf, die Lippen zu bewegen. Im Hinterkopf behielt sich Izara die Frage nach dem Kommunikationsmittel der Drachen. Etwas übersah sie - eindeutig. Mit einem Grummeln stützte sich das Drachenweibchen vom Baumstamm ab. Gemeinsam mit Trias kamen sie auf Izara zu.

"Das ist Kyia", stellte er sie vor. Izara schaute hinauf, der Drache war mindestens so groß wie König Devon - und genauso muskulös wie Trias. Sie trug eine Uniform. Izara hatte noch nie eine Frau getroffen, die Hosen trug und sie begriff auch wieso. Die enge Lederhose gab alles Preis. Kyia dürfte sich wohl kaum vor potentiellen Freiern retten können.

"Hallo", zaghaft lächelte Izara. Ihr gegenüber nickte knapp.

"Kyia wird fortan auf dich aufpassen. Sie ist ein Bergdrache und die Stärkste, wenn es um den Nahkampf geht."

"Und was ist mit dir?", fragte Izara. Sie beschlich das Gefühl, dass er sie auch verlassen wollte.

"Ich muss meinem König folgen", antwortete er, "ich bin sein zugeschriebener Leibwächter, normalerweise darf ich ihm nicht von der Seite weichen." Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Kyia hat Erfahrung mit Himmelsgöttinnen. Du brauchst dir also keine Gedanken machen, du bist in besten Händen."

"Verstehe." Aber darum ging es doch gar nicht. Der Palast machte ihr Angst, die vielen fremden Drachen, die abschätzigen Blicke. Was erwartete man von ihr? Sie hätte gerne ein wenig Schonfrist gehabt, doch es schien, als wollte man sie direkt ins kalte Wasser werfen. Allein.
 

Wehmütig sah sie Trias hinterher, wie er aus dem Garten marschierte und einfach verschwand. Sie dachte, sie könnten sich anfreunden, Trias schien umgänglich, wenn man ihn einmal ein wenig kennengelernt hatte. Kyia wiederum machte ihrem Namen alle Ehre. Sie war hart wie Stein, ihre Mundwinkel schienen noch nie ein Lächeln gesehen zu haben. Stocksteif marschierte sie los.

"Kommt, Prinzessin", sagte sie mir rauer Stimme. Izara nickte und lief dem Bergdrachen hinterher. Dabei sah sie kurz nach hinten. Die anderen hatten sich zu einer Formation gestellt, dazwischen hatte die Schwarzhaarige die Haare nach hinten geworfen und ihre hellblauen Augen zum Leuchten gebracht. Ihr Blick war feindselig. Ganz anders als der ihres Königs, aber das schien bereits so lang her, dass Izara sich kaum daran erinnern konnte, ohne an sich selbst zu zweifeln.

"Was sind das für Drachen?", fragte Izara, als sie weiter durch den Flur liefen.

"Das sind die Weibchen", antwortete Kyia.

"Und welche Aufgabe haben sie?"

"Man könnte sagen, sie sind aus demselben Grund wie Ihr hier, Prinzessin."

"Das verstehe ich nicht", Izara musste fast rennen, um mit Kyia Schritt zu halten.

"Nun", entgegnete der Bergdrache und lief an der Treppe vorbei, "sie sind hier, um ihre Art zu erhalten. Der König hat sie aufgenommen, damit ihr Nachwuchs vor möglichen Feinden geschützt ist."

"Ich verstehe immer noch nicht, was ich damit zu tun haben soll."

"Ihr wisst, dass Ihr die letzte Himmelsgöttin seid?"

"Ja."

"Dann wisst Ihr auch, dass der Erhalt Eurer Art an oberster Stelle steht."

"Das klingt ja so, als wäre ich hier, um einen Erben auf die Welt zu bringen."

"Wenn Ihr es so formulieren wollt."

"Wie bitte?" Izara war stehen geblieben. Das war doch nur ein Scherz gewesen. Oder? "Willst du damit sagen, dass ich hier bin, damit man mich…schwängert?!"

"Ich maße mir nicht an, die Pläne des Königs zu kennen", sagte Kyia und lief einfach weiter, "doch es ist nur logisch. Ihr seid die einzige, die in der Lage ist, unserem Volk eine Zukunft zu schenken. Einschließlich unseres Königs natürlich."

Zukunft unseres Volkes?Logisch? Wovon in aller Welt redete der Bergdrache?

"Sie sagten doch…", Izara wandte den Blick ab, den Teppich zu ihren Füßen anzustarren war gerade interessanter als alles andere. "Ich… ich habe nie gesagt…er hat nie gesagt, dass ich…dass ich deswegen hier bin. Ich meine, ich würde doch nie freiwillig zustimmen…"

Kyia gab keine Antwort, doch Izara wollte auch nichts weiter davon hören. Das konnte nicht real sein! Das war unmöglich. Es war- logisch?!, brannte sich das Wort in ihren Kopf ein. Der Bergdrache hatte so abgeklärt gesprochen, dass Izara keine Chance hatte, es zu leugnen.

"Und die anderen Weibchen?", flüsterte Izara, "ist der König auch mit ihnen…" Izara wollte es nicht aussprechen. Ein unbekannter Schmerz brannte sich in ihre Brust ein. Sie wollte schreien, weinen, zurück zu Levis und Kaia rennen, doch nichts davon war möglich. Stattdessen musste sie Kyia folgen. Unermüdlich, egal wie stark die physischen und mentalen Schmerzen auch waren.
 

Sie zeigte ihr das Zimmer, in dem sie nun leben sollte. Izara konnte sich darüber nicht freuen. Weder über die hohen Wände, oder das große Himmelbett, den hellen Parkettboden und die freundliche Tapete. Das hier war ein weiterer Käfig. Größer und komfortabler, ja, aber was war mit ihrer Freiheit oder mit den Leuten, die sie beschützen wollten? Hatte sie sich von der Aura des Königs täuschen lassen? Hatte er ihre Anziehung ausgenutzt, um Izara für sich zu gewinnen? Nein, sie war freiwillig mitgekommen. Weil sie keine andere Wahl gehabt hatte und weil etwas in ihr daran geglaubt hatte, dass es um sie ginge. Izara kam sich naiv, dumm und hintergangen vor. Allen voran naiv. Sie hatte gedacht, die leichtgläubige Phase überstanden zu haben.

"Wenn Ihr noch etwas braucht", Kyias Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

"Nein, danke", antwortete Izara, "ich würde gerne ein wenig für mich sein, wenn das möglich ist."

"Selbstverständlich", Kyia verneigte sich, "ich bin im Flur, wenn Ihr mich braucht." Und weg war sie. Izara ließ sich aufs Bett fallen, drückte das Gesicht in die Kissen und beschloss, sich für den Rest des Tages vor der gesamten Welt zu verkriechen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  vallendrael
2023-11-05T11:08:49+00:00 05.11.2023 12:08
Oh, yay... <.< Wow. Also, Empathie und "Menschen"rechte müssen Drachen anscheinend echt noch lernen.
Ich hoffe sehr, dass Devon andere Pläne hat; denn so wie Kyia hier drauf ist, kam er mir vorher gar nicht vor. D: Aber vielleicht hat er auch ganz gut geschauspielert? >.<
Kann Izara gut verstehen, dass sie sich erstmal versteckt. Anforderungen an ihr Verhalten, das ihr keiner näher erklärt, dann diese Erwartungen... das ist alles etwas viel. Vor allem, wenn niemand ordentlich mit ihr redet. D: >:(
Antwort von:  Lady_of_D
07.11.2023 16:30
Ja, da hast du vollkommen recht. Empathie und Menschenrechte - gerade über Zweites musste ich länger nachdenken, vor allem nachdem du es geschrieben hattest. Und ja, besonders Kyia ist da sehr... pragmatisch veranlagt? ^^ wie es natürlich um den König steht, darf ich an der Stelle nicht verraten, aber es wird sich aufklären... irgendwann xD


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