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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

"Sollen wir die Reihenfolge noch einmal wiederholen?"

"Nein, danke. Ich glaube, ich hab es jetzt." Izara ließ von ihrer Leibwächterin. Kyia war eine gute Lehrerin. Den letzten Abend hatten sie ununterbrochen an der Schrittfolge geübt und daran, nicht ständig auf die Beine des Tanzpartners zu starren. Bei Kyia mochte das funktioniert haben, ob sie König Devon ebenso selbstverständlich in die Augen sehen konnte, würde sich noch zeigen.
 

"Lasst Euch einfach von dem König führen, dann sollte nichts schief gehen."

Wieso klang bei Drachen immer alles so einfach? Izara hätte gerne die Zuversicht der anderen.

"Danke, Kyia", Izara wollte sie gerne umarmen, der Bergdrache hatte eine harte Schale, aber es steckte eindeutig mehr dahinter. "Ich bin froh, dass ich dich habe", sagte sie, statt der Leibwächterin um den Hals zu fallen. Die Mundwinkel des Bergdrachen zuckten leicht, Izara war sich sicher, ein Lächeln gesehen zu haben. Damit gab sie sich zufrieden.

"Und nun zum Kleid, Prinzessin." Kyia schritt auf den Kleiderschrank zu, die vielen prunkvollen Kleider hingen nach Farben sortiert und es glitzerte und funkelte zwischen all dem vielen Tüll, der Seide und was die feine Gesellschaft noch so zu bieten hatte. Kyia zog ein rosanes Kleid mit breitem Reifrock hervor, aber Izara schüttelte den Kopf.

"Prinzessin. Das Kleid wurde extra für diesen Anlass ausgewählt."

"Ich weiß, aber ich möchte gerne etwas anderes anziehen." Izara trat an ihre Leibwächterin heran und schob die Kleider beiseite.

"Seid Ihr sicher?", Kyia schlug die Stirn in Falten.

"Ich wollte es schon lange einmal anziehen", sagte Izara und nahm das blaue Drachengewand von der Stange. Gold und blau funkelten um die Wette. Das Kleid war vom Hals bis zu den Knöcheln enganliegend, kein Vergleich zu den Glockenröcken und Prinzessinnenkleider.

"Ihr werdet Euch von der Masse abheben, das ist Euch doch bewusst."

"Wenn ich eines in den letzen Tagen gelernt habe, dann dass ich nicht wie die anderen bin." Mit einem Lächeln glättete Izara den Stoff. "Außerdem glaube ich, dass es dem König gefallen wird", sie riss die Augen auf. Hatte sie das gerade laut gesagt? Nein, der Mund war definitiv zu.

"Ich meine, der Fürst mag es doch auffällig, nicht wahr?"

"Da mögt ihr recht haben", Kyia kratzte sich an den Kopf, etwas unbeholfen half sie Izara bei dem Kleid.

"Fühlt Ihr Euch jetzt besser?", fragte Kyia, als Izara den goldenen Gürtel enger schnallte. Fragend sah sie ihre Leibwächterin an.

"Ich hatte bisher das Gefühl, dass Ihr Euch nicht wohl in Eurer Haut fühltet. Als Drache, meine ich." Izara blinzelte verdutzt und Kyia ging augenblicklich auf die Knie. "Verzeiht meine Frage, Prinzessin. Das war nicht angemessen."

"Schon gut", hauchte Izara. Noch mehr als über die Frage verwirrte sie die ehrfürchtige Haltung des Bergdrachen. "Du hast ja recht. Ich weiß nicht so richtig, wie ich damit umgehen soll. Es ist nicht nur, weil ich eine Prinzessin sein soll. Ich habe einfach Angst-" Sie schloss die Augen, atmete tief durch, "ich habe Angst davor, wer ich wirklich bin. Bin ich ein Drache in einem Menschenkorper? Ein Mensch, in dem ein Drache haust? Nichts davon fühlt sich richtig an. Ich dachte immer, ich wüsste, wer ich bin - wer ich sein will -, aber bei euch zu sein, gibt mir das Gefühl, eine Lüge gelebt zu haben."

"Das war nie unsere Absicht", Kyia hob ihren Kopf.

"Ich weiß. Es ist nur, seit ich erweckt wurde, fühle ich mich mehr wie ich selbst. Das habe ich seit Kurzem begriffen und es ist schwer, damit umzugehen." Izara lächelte schwach. "Ich denke , ich muss endlich anfangen, mein Ich zu mögen - das ist alles."

"Das wird schon", Kyia erhob sich, "der König hat Vertrauen in Euch, und ich vertraue Euch ebenso."

"Danke, Kyia."
 

*
 

Noch ein letzter Feinschliff und Izara war fertig.

"Das Kleid steht Euch, Prinzessin."

"All diese Komplimente. Das bin ich gar nicht von dir gewohnt", Izara schmunzelte.

"Gewöhnt Euch lieber nicht daran", entgegnete der Bergdrache und richtete den Schwertgürtel an ihrer Hüfte.

"Ich kann nichts versprechen", zwinkerte ihr Izara zu, "ich könnte mich schon an einen handzahmen Bergdrachen gewöhnen."

"Ein handzahmer Bergdrache", murmelte Kyia, sagte aber nichts weiter dazu. Ihr Blick ging zur Tür, genau dort, wo auch Izara hinsah. Der König würde sie heute Abend abholen. Den Gedanken hatte sie lange verdrängen können, doch jetzt hämmerte ihr Herz an die Brust, als wollte es jeden Augenblick reisausnehmen. Es wurde nicht besser, als es wirklich an der Tür klopfte. So viele Tage waren sie zusammen auf Fürst Hallswejfs Schloss und eigentlich war das heute ihr erster Abend, den sie tatsächlich zusammen verbrachten.

Jede Nacht hatte sie an der Wand gehorcht, hatte seine Schritte im Zimmer gehört, hatte sich vorgestellt, wie er aussah, was er trieb. Ihr Herz wummerte hart gegen Izaras Brust, das hatte es schon immer, wenn sie an den König dachte, doch seine Nähe hatte alles intensiviert. Was wollte Izara? Eine Antwort hatte sie nicht finden können. Manchmal wünschte sie, er würde an ihre Tür klopfen und manchmal erzitterte sie bei dem Gedanken, dass er sie nachts in ihrem Zimmer besuchen könnte. Sie wollte es und wiederum auch nicht. Er sollte ihre Nähe suchen, aber nicht, weil er es musste, oder das Schicksal der Drachen davon abhing. Izara wusste, wie verrückt ihre Gedanken waren, wie naiv es war zu glauben, er könnte sie aus einem anderen Grund wollen, als diesen einen Offensichtlichen.
 

Die Leibwächterin öffnete die Tür und aus dem Augenwinkel sah Izara die Gestalt des Drachenkönigs. Die hohe Statur war unverkennbar, das rabenschwarze Haar war streng zurückgekämmt. Langsam wagte es Izara, aus der sicheren Ecke ihres Zimmer zu treten. Sein Gesicht erschien ihr im Profil, König Devon sprach mit der Leibwächterin. Izara stellte sich genau unter den Türrahmen, der König drehte sein Gesicht zu ihr. Wie lange er sie schweigend ansah, wusste sie nicht. Für Izara fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, bis seine Mundwinkel ein warmherziges Lächeln zauberten, das Izara dahinschmelzen ließ.

"Du siehst wunderschön aus", sagte er, den Blick kein einziges Mal von ihr abgewandt. Wie ein einfacher Satz sämtliche Zweifel erdrücken konnte!

"Danke", entgegnete sie. Ihre Beine begannen zu zittern, zum Glück wurden sie von dem Kleid verdeckt. "Ihr auch", fügte sie scheu hinzu und ließ von seinen Augen, bevor ihr noch mehr peinliche Sätze herausrutschen konnten. Aber sie hatte sich den König bereits ganz genau angesehen. Er trug zum ersten Mal eine Uniform. Eine dunkelblaue Jacke, an deren Ärmeln zwei goldene Bänder eingearbeitet worden waren und passend dazu eine Hose in derselben Farbe. Er hielt ihr einen Arm hin und bevor Izara Löcher in die Decke starren konnte, hakte sie sich bei ihm unter und ließ sich durch den Flur führen.

"Es ist nicht das Kleid, das man für dich ausgesucht hat, oder?", fügte er nach einer Weile schmunzelnd hinzu. Izara errötete.

"Nein, Hoheit. Aber ich denke, dieses ist die bessere Wahl."

"Für dich?"

"Ja", nickte sie. Verlegen wandte sie ihr Gesicht der Tapete zu. Ihr brannten selbst Fragen auf den Lippen, aber die Leibwächter waren ihnen dicht auf den Versen, dass sie stumm neben ihm herlief.
 

[CENTER*

Der Ballsaal war im Ostflügel des Schlosses, der Teil der Sommerresidenz, der an den Garten anschloss. Izara war einmal dort gewesen, als sie das Schloss hatte erkunden dürfen. An dem Tag war der Saal verlassen gewesen, ein Kronleuchter und zwei Tafeln hatten im Raum gestanden. Jetzt war der Ballsaal voller Leben, knapp hundert Menschen hatten sich eingefunden. Darunter Grafen, hochrangige Soldaten, Lords aus allen Teilen des Kontinents. Schriftsteller, Komponisten und Künstler von nah und fern - kaum eine Persönlichkeit, die nicht anwesend war. Izara fragte sich, ob Trias das mit »nur im kleinsten Kreis« gemeint hatte.

König Devon flüsterte ihr die jeweiligen Namen und Stellungen zu. Gerade wünschte sie, er würde ihr andere Dinge ins Ohr flüstern - an einem anderen Ort, vielleicht in ihrem…

"Was denkst du denn da?!", fauchte sie im Geiste. Der König hielt kurz inne, dann sprach er weiter.

"Der Mann mit dem weißen Haar. Das ist seine königliche Hoheit Prinz Enhardt."

"Der Bruder des Königs von Isven?", fragte Izara ungläubig.

"Du hast von ihm gehört?"

"In Medanien kennt jeder die Geschichte, wie der Jüngere seinen eigenen Bruder den Thron abspenstig gemacht hat."

"Das erzählen sich die Leute?", fragte König Devon und schien sich darüber zu amüsieren. "Ich glaube, zu gegebener Zeit werde ich dir die ganze Wahrheit darüber erzählen müssen."

"Ich bitte darum", Izara schaute zu ihm auf. Seine Augen funkelten belustigt und ihre Schmetterlinge im Bauch führten sich wie eine Horde Betrunkener auf.

"Ah, Drachenkönig." Ein Lord aus Whalla kam auf König Devon zu, "ich wusste doch, den Gerüchten ist nicht zu trauen. Als ob Ihr Euch von einem wahnsinnigen Sadisten aufhalten lasst." Er klopfte ihm wie einen alten Freund auf die Schulter, dann sah er zu Izara. "Und was sehen meine Augen", er machte eine Verbeugung, "die Prinzessin, nehme ich an. Ich habe schon viel von Euch gehört. Ich hoffe, Ihr erweist uns eines Tages die Ehre, uns in Falkenland zu besuchen." Bevor Izara über eine Antwort auch nur nachdenken konnte, redete der Graf wieder mit dem König. So ging es eine ganze Weile. Man wurde einander vorgestellt, die Leute begrüßten den König, bevor sie Izara wie ein seltenes Exemplar bestaunten.

In ihren Augen bist du das auch, sagte sie sich und versuchte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Egal, wie unangenehm die Blicke der anderen waren. Von den Damen wurde sie ungläubig begafft. Man hatte sie vorgewarnt - das Kleid stach hervor. Es war wie eine Provokation an die Mode der heutigen Zeit. Dem Fürsten schien es zu gefallen. Sie wechselten ein paar Worte, Fürst Hallswejf selbst hatte viele seltene Stoffe aus Dragor erwerben können, und auch die Töchter schwärmten von den leuchtenden Farben, die an Izaras Augen erinnerten.



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