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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Devon

"Das kann nur-" Kaum hatte der Wyvern seine Ansprache beendet, stürmte Izara auf die Wache zu.

Erstaunlich, wie schnell Izara ausnüchtern konnte. Die rosaroten Wangen wurden blass, die Augen flackerten aufgeregt von der Tür zurück zu dem Wyvern.

"Was ist mit Levis?", rief sie, "ich meine, ist sie allein?"

"Soweit ich das beurteilen kann, ist sie allein gereist", antwortete der Wyvern und wandte sich ernsten Blickes seinem König zu.

"Was soll ich tun, Hoheit?" Die Frage veranlasste Izara stehen zu bleiben. Flehend sah sie zu Devon herüber, dessen Zorn allmählich verblasste.

"Aber", Izaras Augen begannen unruhig zu flackern, "es ist Kaia! Sie war…sie ist-"

"Schon gut", er hob eine Hand.

Ihre Augen machten ihn schwach. Zudem wollte er selbst hören, was die Hyrakonda dazu veranlasst hatte, verbotenes Terrain zu betreten.

"Lasst sie rein", sprach König Devon und schritt selbst Richtung Tor.

"Seid Ihr sicher, Hoheit?", wandte sich der Wyvern erneut an den König, diesmal in ihrer Sprache.

"Ich will wissen, was sie zu sagen hat", entgegnete Devon und schaute zu Izara, die ihm dankbar war, dass er nicht wieder in seiner Geheimsprache antwortete. Das Wort machte ihn immer noch sauer. Dabei hatte er gedacht, sie hätte den Dreh endlich raus.

"Wie Ihr wünscht", eine weitere Verbeugung, dann öffnete sich das Tor noch ein Stück und eine zweite Wache trat zusammen mit einem bekannten, verwandelten Gesicht ein.

"Kaia!", rief Izara und rannte der Hyrakonda in die Arme. Niemand hätte die Drachenprinzessin aufhalten können. Selbst die zweite Wache machte große Augen, als sie ihr die Hyrakonda entriss.

"Beim König, Izara!", krächzte sie und erwiderte die innige Umarmung.

"Ich bin so froh, dass es dir gut geht", murmelte sie der Prinzessin in ihr Haar.

Sie drückte ihre Wange an Izaras Schläfe und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. Langsam löste sie sich aus Izaras Klammergriff. Die Himmelsgöttin schien nur widerwillig von ihr zu lassen. Beim Anblick der Hyrakonda stiegen Tränen in ihre tiefen, blauen Augen. Devon konnte ihre Erregung verstehen.

Die Hyrakonda sah schlecht aus. So schlecht, dass er bezweifelte, dass sie sich jemals wieder erholen würde. Seit sie einander verabschiedet hatten, hatte die gutaussehende Schale Risse bekommen. Kaia war gerannt, Dreck klebte ihr an Wangen und Ohren und auch ein wenig Blut mischte sich hinzu. Vermutlich das ihrige, Devon konnte kein andersartiges Blut an der Hyrakonda spüren - einer der Gründe, weshalb er Ruhe bewahrte. Ihr aschfahles Gesicht ließ Anlass zu Sorge, Izara musste dasselbe durch den Kopf gegangen sein. Sie strich ihrer Ziehmutter über die Wange. Kaias Lippen bebten, sie zwang sich zu lächeln, doch ihre leeren Augen trügten ihre Freude.

"Ich vermute, Sie haben keine guten Neuigkeiten zu berichten." Devon war der Erste, der die Stille zu brechen wagte. Izaras Kopf schnellte herum, dann sah sie wieder zu Kaia, die ihren Tränen freien Lauf lief.

"Levis-", ihr versagte die Stimme. Es war förmlich spürbar, wie Izara die Luft anhielt.

"Sie haben Levis!"

"Was?!" Izara wich einen Schritt zurück. Devon machte einen Schritt vor, die Prinzessin war ins Wanken geraten und er wollte im richtigen Augenblick zur Stelle sein.

"Sie haben ihn", wimmerte die Hyrakonda und wagte nun einen Blick auf den König zu werfen. Ihre Augen waren schwer zu deuten. Erschöpfung dominierte alle anderen Empfindungen.

"Sie standen vor unserer Tür", fuhr sie zitternd fort, "sie waren im Geschäft. Sie haben einfach-", sie schüttelte den Kopf, biss ihre raue Unterlippe blutig.

"Sie sagten, wenn ich nicht kooperiere, dann…dann töten sie ihn."

Devon richtete seine Aufmerksamkeit auf Izara. Zu seinem Verwundern regte sie sich kaum, ihr Blick war starr auf ihre Ziehmutter gerichtet, ihre Augen wurden trüber und Devon wagte erneut, die Führung des Gespräches zu übernehmen.

"Was haben sie genau gesagt?", er wollte nicht gefühllos klingen, doch er hatte diese Frage schon viel zu oft hören müssen, und bisher war der Ausgang immer derselbe gewesen.

"Sie haben Levis zu weiteren Verhören mitgenommen. Bei den Göttern…", sie hielt sich die Hand vor dem Mund, als könnte sie die Ereignisse einfach hinunter würgen.

"Der Großmeister war da."

"Der Großmeister", Devon zog die Stirn kraus. Er hatte es kommen sehen, aber diesen Mann konnte man nicht vorhersehen. Das machte ihn ja so gefährlich.

"Was hat er gesagt?", seine Stimme wurde tiefer, er spürte, wie sich etwas Dunkles an die Oberfläche bahnen wollte, wie Erinnerungen wachgerufen wurden und das Blut vor seinem geistigen Auge alles zu überschatten drohte. Er ermahnte sich zur Ruhe. Es fiel ihm schwer, doch mit der Zeit hatte er den Dreh raus.

"Sie wollen die Drachenstadt angreifen", antwortete Kaia, "weil »[style type="italic"]ihre Drachen[/style] gestohlen wurden«, so sagten sie. Und sie wollen Izara. Sie wissen, was sie ist. Von Dragor aus wollen sie das Schloss erobern. Ich…ich bin so schnell gerannt, wie ich konnte. Wenn sie merken, dass ich fort bin…", sie schüttelte den Kopf, "egal. Ich will nur Levis befreien. Das ist alles. Ich wusste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte." Sie flehte den König an, ein verzweifelter, unterwürfiger Blick einer Hyrakonda, die kaum noch ihre Menschlichkeit aufrechterhalten konnte. Devon legte die Stirn in Furchen.

"Ihr seid meine einzige Hoffnung."
 

*
 

"König?", Izara war Devon hinterher gelaufen. Ihre kleinen Beine waren flink, flinker als er erwartet hatte.

Er hatte gehofft, für einen Moment allein sein zu können. Seine Gedanken zu ordnen, die immer mehr seiner Kontrolle entglitten. Eine zierliche Drachenprinzessin machte ihm einen Strich durch die Rechnung und wenn er ehrlich zu sich war, hatte er von Anfang an gewusst, dass sie ihm folgen würde.

Schließlich gab er nach. Vor seinem Arbeitszimmer blieb er stehen und wartete, dass Izara ihn eingeholt hatte. Sie verstand seinen Wink, nickte ihm dankend zu, dass Devon die Tür aufriss und beide das Zimmer betraten.

"Oh", machte sie und blieb unter dem Türbalken stehen.

"Es ist", sie sah zu dem Bücherregal, dem Schreibtisch in der Mitte und der kleinen Zimmerpflanze rechts außen, "so…klein."

"Es ist nicht gerade mein Lieblingszimmer", entgegnete Devon und schloss die Tür. Er wusste auch nicht, warum er das gesagt hatte. Ihre Verwunderung irritierte ihn ein Stück weit.

"Ich habe immer gedacht, dass es wie die anderen Zimmer aussähe. Oder wie Euer…"

Er hob seine Augenbrauen, doch Izara fügte dem nichts mehr hinzu.

Schlapp ließ sie sich auf das Sofa fallen. Ihre Arme hingen schlaff neben ihrem Körper, die Beine waren angewinkelt, die Oberschenkel presste sie aneinander, als gäbe es nicht genügend Sitzfläche.

Devon lief um das Sofa und setzte sich auf die andere Seite seines Schreibtisches. Normalerweise saßen dort seine Geschäftspartner oder hochrangige Soldaten, die ihre Berichte abzugeben hatten. Wie gesagt, er mochte dieses Zimmer nicht sonderlich, doch für seine Geschäfte strahlte das Zimmer diese gewisse Menschlichkeit aus, die es brauchte, um sachlich zu bleiben.

Er schlug die Beine übereinander, die Ellenbogen stützten sich an seinen Oberschenkeln ab. Leicht beugte er sich vor, er wollte Izara in die Augen sehen und Izara sollte ihrerseits nicht das Gefühl bekommen, er würde nicht mit ihr auf einer Stufe stehen. Scheinbar glaubte sie, dass ihm ihre Stellung kalt ließ. Dass sie überzeugt war, er nähme sie nicht ernst, hatte sie ja schon deutlich zum Ausdruck gebracht.

Ein tiefes, zittriges Seufzen ließ ihn wieder auf die Prinzessin vor ihm konzentrieren.

"Schon wieder", sagte sie und starrte auf ihre Hände. Sie hatte sie mittlerweile auf ihrem Schoß liegen und betrachtete sie als sähe sie mehr als nur die Innenflächen.

"Wieder muss jemand, den ich liebe, leiden. Alles bloß meinetwegen."

"Das ist nicht deine Schuld."

"Das habe ich schon öfter gehört", Izara lächelte schwach, "aber warum fühlt es sich nicht so an?"

Er kannte die Antwort. Devon hatte sie für sich selbst gefunden, doch das Urteil war vernichtend und das wollte er ihr nicht antun.

Natürlich war sie nicht schuld, wenn dann trugen sie alle die Verantwortung - einschließlich Devon. Ihre Worte kamen ihm ins Gedächtnis. Zu frisch waren sie, um sie einfach verdrängen zu können.

"Warum Levis?", ihre Stimme brach und Devon war kurz davor von seinem Stuhl aufzuspringen. Doch die Tränen blieben aus. Vielleicht hatte sie keine mehr übrig. Laut seinen Leuten schien die Prinzessin viel zu weinen. Das brachte Devon zurück zu dem Gesagten. Izaras Vorwürfe und die Verzweiflung und Wut hinter ihrem wilden Drachenblut.

"Es war", sagte sie und Devon richtete sein Augenmerk zurück auf ihre Seelenspiegel. Erinnerungen wollten an die Oberfläche, Worte ausgedrückt, die lange verschlossen gewesen waren.

Izaras Leben unterschied sich oberflächlich von dem seinigen, ihre Vergangenheit lag unter der Knechtschaft der Paladine und doch führten ihre Stränge zu einem gemeinsamen Punkt.

"Es war nie einfach", begann Izara ihre Geschichte zu erzählen. Es kostete sie Kraft, sie schien genau abzuwägen, ob sie sich ihm anvertrauen sollte oder nicht. Vielleicht sprach sie auch zu sich selbst. Er wusste nicht, ob sie ihn wirklich wahrnahm, doch er würde still ihren Worten lauschen.

Noch einmal tief eingeatmet sprach sie weiter: "Drachenblut in seinem eigenen Haus zu haben, hat immer Probleme gemacht. Aber Levis - er hat sich nie etwas anmerken lassen. Hat immer gelächelt, als wären die Probleme nicht da. Als gäbe es da nicht dieses Mädchen, das alle lieber tot sehen wollten als dass es die Menschheit befleckte oder das Drachenblut entehrte."

Kurz hielt sie inne. Schüttelte sich. "Wir hatten Glück, dass wir so viele Male verschont wurden. Das hatten wir nur Levis zu verdanken. Er ist Maler, Portraitzeichner, um genau zu sagen. Er war viel unterwegs. Einmal war er in Vebrix, dort hat ihn der Schwager des Königs gesehen. Nachdem er ihn gezeichnet hat, stand er in dessen Gunst. Meist haben sich die Paladine nicht getraut, Levis zu nahe zu treten und wenn es doch einer tat, wurden die Anklagen schnell im Keim erstickt. Doch jetzt."

Sie schaute auf, an Devon vorbei, der Izara ihre Geschichte zu Ende erzählen ließ.

"Ich dachte, wenn ich fort bin, könnte ich sie beschützen. Aber ich habe alles nur noch schlimmer gemacht."

Langsam wanderte ihr Blick zu Devon. Er kannte diesen Ausdruck in ihren Augen. Früher hatte er auch so gedacht, jetzt konnte er es sich nicht mehr leisten, Schuldgefühle zu haben.

Auch Devons Schicksal hatte das Blut seiner Familie geopfert. Ein Himmelsdrache brachte immer denjenigen Kummer, die man zu beschützen versuchte. Und beschützen hatte er damals auch nicht können. Stattdessen hatte er die Asche seiner Verwandten aufgesammelt, hatte die Überreste, die die Paladine von seinen Leuten übrig gelassen hatten, aufgelesen und hinfortgetragen.

In den glänzenden Augen der Himmelsgöttin spiegelte sich die Reue wider, die er ein Leben lang zu tragen hatte, denn ein Himmelsdrache war dazu verdammt, zu bereuen und eines Tages zu sühnen.

"Was machen sie denn jetzt mit ihm?" Ihr Augen weiteten sich. "Werden sie…haben sie ihn bereits-"

"Nein", entgegnete Devon, bevor Izara gezwungen war, es auszusprechen.

"Er lebt. Da bin ich ziemlich sicher." Auch wenn er diese Antwort nicht beruhigend fand.

"Sie hätten sonst kein Druckmittel."

"Also halten sie ihn gefangen", sagte sie. Izara wusste ganz genau, was das bedeutete.

Devon nickte.

"Wenn die Hyrakonda die Wahrheit sagt, dann sollte er sich im Hauptquartier der Paladine aufhalten. Es gibt dort einen speziellen Raum - dort halten sie für gewöhnlich Menschen gefangen, die ihre Ideologien nicht teilen."

"Wenn?", Izara blinzelte, "glaubt Ihr, Kaia lügt?"

"Ich weiß es nicht", antwortete er ehrlich.

Ihre Rasse war alles andere als vertrauenserweckend, ganz besonders, wenn sie so eng mit den Menschen zusammen lebte. Eine ausführliche Erklärung ersparte er Izara. Vermutlich hätte sie es nicht verstanden. Zu wenig wusste sie über das Verhältnis zwischen Hyrakonden und Drachen. Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, ihnen nicht weiter als zehn Fuß über den Weg zu trauen. Für jemanden, der mit ihnen aufgewachsen war und eine von ihnen sogar als Mutterfigur betrachtete - ein unvorstellbarer Gedanke.

"Kaia würde nicht lügen", sagte Izara voller Überzeugung, "nicht, wenn es um Levis geht. Sie liebt ihn. Das weiß ich. Für ihn hat sie alles aufgegeben. Ich weiß, was das für eine Hyrakonda bedeutet."

Devon wusste es auch. Hyrakonden waren treue Partner. Wenn sie sich banden, dann für den Rest ihres Lebens.

"Sie würde alles für ihn tun", sagte sie und ballte die Hände auf ihren Schoß, "und ich auch."

"Izara."

"Wir müssen ihn befreien. Levis ist wie mein Vater. Ohne ihn…ohne ihn würde es mich nicht geben", die letzen Worte waren bloß ein Hauchen.

"Das-"

"Es stimmt", entgegnete sie. Izara hatte aufgehört zu blinzeln, zu nahe schien sie den Tränen und das machte ihn fertig.

"Ich habe sie belauscht. Meine Eltern. Das ist viele Jahre her. Ich habe gehört, wie meine Mutter sagte, dass sie mich nie haben wollte. Sie hätte fast…", sie schüttelte den Kopf, "aber Levis hat sie überzeugt, es nicht zu tun. Er wollte mich. Mich", sie zeigte auf sich, "obwohl ich nicht seine Tochter bin. Obwohl ich der Grund bin, warum meine Mutter sich umgebracht hat. Warum die meisten Menschen nichts mit uns zu tun haben wollten. Ich will ihn nicht im Stich lassen."

Die ersten Tränen fielen ihre Wange hinab. Zarte, weiche Haut verwandelte sich in einen Tränenfluss, der kaum aufzuhalten war.

Devon versuchte es dennoch. Den Stuhl ein Stück nach vorne gerückt, beugte er sich weit genug vor, dass er mit den Fingerspitzen ihre Tränen auffangen konnte.

"Ich werde sehen, was ich tun kann", sagte er und atmete schwer aus. Es juckte ihn in den Fingern, mehr zu tun, mehr zu sagen. Tropfen für Tropfen einzufangen, bis die Tränen versiegt wären. Für den Augenblick beließ er es dabei und senkte die Hände.

Izara schniefte.

"Danke", sie lächelte - ein erschöpftes Lächeln.

"Darf Kaia bleiben?", fragte sie vorsichtig nach. Devon seufzte.

"Sie darf bleiben."



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