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Diagnose: Schreibblockade

Dreimonatige Challenge
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Bin zwar noch nicht richtig wach, aber alles in allem hats heut trotzdem wieder besser mit dem Schreiben geklappt :) Komplett anzeigen

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13.2.2024: fürsorgend

Jacqueline stand vor dem Haus ihrer Kindheit und fühlte sich wie in eine Zeitkapsel geworfen: Alles war auf seltsame Art so vertraut, obwohl sie seit Jahren nicht mehr hier gewesen war. Die Stufen am Eingang zum Treppenhaus knirschten noch wie immer, dazu der Geruch der Mülltonnen, die nur wenige Meter entfernt in einem Verschlag standen. Selbst die Eingangstür knarrte unverändert und beim Weg durch das Treppenhaus echoten ihre Schritte – wenn die Fahrstühle nach wie vor so unzuverlässig wie früher waren, wollte sie das Wagnis, sie zu nutzen, lieber nicht eingehen. Abgestanden und muffig war es und trist der Blick zu den vielen Wohnungstüren, die sich Etage um Etage aneinander reihten. Sie fühlte ein beengtes Gefühl in der Brust und das nicht nur wegen der inzwischen ungewohnten Anstrengung beim Erklimmen der Stufen. Dann endlich hatte sie den fünften Stock erreicht und sah jene Wohnungstür, die sie früher täglich gesehen hatte. Leicht quietschte der Linoleumboden, als sie auf sie zuging. Raste ihr Herz noch vom Aufstieg so? Nein, es war wohl eher die Nervosität. Ein kurzes Zögern stellte sich ein, ehe sie dann doch auf die Türklingel drückte. Dumpfe Schritte waren aus dem Inneren der Wohnung zu hören, die immer näher kamen. Das Klackern der Türkette, ein weiteres Klacken und sie sah nach fast sechs Jahren das erste Mal wieder ins Gesicht ihrer Mutter. So vieles hatte sich in diesem Haus nicht verändert, aber sie sich schon: Fast erschreckend tief waren ihre Falten geworden, das Haar grau und die Haut fahl. Abgekämpft sah sie aus und lächelte trotzdem beim Anblick ihrer Tochter.

„Jackie? Du meine Güte! Hallo, mein Liebling!“, erkannte sie sie sofort, während die Angesprochene im ersten Moment tatsächlich unsicher gewesen war, ob sie die falsche Tür erwischt hatte.

„Hallo, Mama“, antwortete sie fast hölzern, als ihre Mutter sie sogleich in eine feste Umarmung zog und an sich drückte. Da war wieder der vertraute Geruch ihres Shampoos und auch beim Blick über ihre Schulter lag die Wohnung im gewohnten, leicht gelblichen Licht, das Jackie früher immer bei der Ankunft aus der Schule begrüßt hatte.

„Warum hast du nicht angerufen? Ich hätte dich doch vom Bahnhof abgeholt!“, schob ihre Mutter sie nun leicht von sich, um Jackies Gesicht besser betrachten zu können. So viel Liebe und Stolz lagen in den faltigen Gesichtszügen.

„Ich wollte dich überraschen“, sprach Jackie leise und fühlte einen Kloß im Hals. Sie hatte so sehr aus dieser schäbigen Gegend mit den vielen schäbigen Menschen fliehen und sich eine Karriere aufbauen wollen, dass sie das Einzige vergessen hatte, das nicht schäbig gewesen war: Ihre Familie.

„Na, das hast du geschafft!“, lachte ihre Mutter und zog sie in die Wohnung.

„Komm rein, aber sei ein bisschen leise. Deine Schwester ist gerade erst eingeschlafen“, meinte ihre Mutter und schritt voran in die Küche.

„Jetzt? Um diese Uhrzeit?“, ging Jackie ihr nach und schaute dabei zu, wie ihre Mutter mit eiligen Handgriffen ein wenig Ordnung herstellte. Jackies Stirn legte sich in Falten, als sie das Chaos sah und die vielen Medikamentenpackungen, die sich auf Tisch und Arbeitsplatte türmten.

„Ich bin ja froh, dass das Fieber endlich mal wieder soweit runter ist, dass sie überhaupt ruhigen Schlaf finden kann. Und der Husten…“, murmelte ihre Mutter und stellte die Kaffeemaschine an, ehe sie Jackie bat, sich hinzusetzen. Die aber stand wie vom Donner gerührt da.

„Aber Mama, warum hast du mich nicht angerufen, wenn es ihr so schlecht ging? Ich wäre doch schon eher gekommen und hätte dir geholfen!“, sagte sie entsetzt und merkte dann selbst, wie seltsam das klingen musste, nachdem sie sich jahrelang nur mit kurzen Grußkarten zu Geburtstagen und Weihnachten gemeldet hatte. Wieder spürte sie die aufkommenden Schuldgefühle. Sie musste ihre Mutter furchtbar enttäuscht haben, aber die lächelte nur und schüttelte den Kopf.

„Ach was, deine Schwester hatte immer schon eine schlechte Konstitution und da hab ich doch noch nie deine Hilfe gebraucht.“, zwinkerte sie und wieder legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und in die Fältchen ihrer Augen. Jackie nickte und ließ sich schwer auf den angebotenen Stuhl fallen, während ihre Mutter ihr den Rücken zudrehte und die Kaffeetassen vorbereitete. Schlank war sie geworden. Das Bisschen Wohlfühlspeck hatte sich in Luft aufgelöst. Und trotzdem musste Jackie auch bei diesem Anblick unwillkürlich wieder an früher denken: Wie oft sie hier am Tisch gesessen hatte, häufig über die Hausaufgaben gebeugt, während ihre Mutter trotz Arbeit und anderer Ärgernisse vor allem eines gewesen war: Liebevoll und fürsorgend.



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