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Tabu

One Shots für Harry Potter RPGs
von

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Mew I - Das Lächeln

„Du siehst müde aus.“

Unsicherheit zitterte um die vollen Lippen und Mew seufzte fein, ehe er seinen Eiskaffee in ihm mittlerweile so vertraute Hände drückte. Das kondensierte Wasser hatte Feuchtigkeit an den eigenen Fingern hinterlassen und trotzdem bemerkte er, als er die helle Haut des Prinzen streifte, wie kalt dessen Hände waren. „Ach was“, war die sanfte Antwort und Nok hob den Plastikbecher, das entwaffnende Lächeln auf den Lippen, das so viele zu täuschen vermochte. „Aber danke für den Kaffee. Du hättest nicht den ganzen Weg herkommen müssen.“ Mew musterte die abgespannten Züge: die dunklen Ringe unter den Augen, die nur laienhaft mit Schminke übertüncht waren – die stumpfen Haare, welche durch viel zu viel Haarspray gezähmt worden waren – die steifen Klamotten, die einengten und erinnerten – und jene Müdigkeit, die in den großen Augen verborgen lag. Er verzog das Gesicht, aber drängte nicht weiter. Stattdessen zuckte er mit den Schultern und bemerkte mit steigender Zufriedenheit, wie Nok am Kaffee nippte.

„Ich hatte in der Gegend zu tun … Ich treffe mich mit einem Kommilitonen, um die Notizen durchzugehen“, bemühte Mew sich um einen beiläufigen Ton, die Hände in den Hosentaschen der weiten Kaki-Hose versenkt und den Blick in den wolkenlosen Himmel gerichtet. Die Wolkenkratzer der Hauptstadt versuchten verzweifelt, das Blau zu erreichen, doch konnten es nie schaffen. Waren sie nicht eine herrliche Metapher für die eigenen Versuche? Nur aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie der Prinz das Gewicht verlagerte, als er sich im grellen Sonnenschein der unbarmherzigen Bangkoker Sonne ein wenig mehr in den Schattenspendenden Schirm brachte.

„Ein Kommilitone?“, hielt Nok das Gespräch am Laufen und Mew schmunzelte über das Schwanken in dessen Stimme. Durfte er sich darauf etwas einbilden? „Hmn“, brummte er unverbindlich, die blendende Sonne auf den nackten Unterarmen hinnehmend, „die Abschlussprüfung steht vor der Tür. Muss ich dich daran wirklich erinnern?“ Vorwitzig wandte Mew den Kopf zum Prinzen neben sich, dessen Mundwinkel verdächtig zuckte. Genugtuung durchflutete schmetterlingsgleich seinen Magen, als er bemerkte, dass Nok den Kaffee beinahe ausgetrunken hatte. Doch als er wieder aufschaute, verlor sich das eigene Grinsen; die Müdigkeit schrie ihm entgegen.

„Ich werde es wohl nicht zu der letzten Prüfung schaffen …“

Mew legte den Kopf schief und kam nicht umhin, den Prinzen abermals zu mustern. Nok schaute ihn nicht mehr an, sondern fokussierte etwas Unsichtbares in weiter Ferne – sein Sehnen – das Streben nach Freiheit – oder vielleicht war es auch nur die flirrende Stadthitze, die wirre Formen in den Himmel malte. Mew befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze und suchte nach den passenden Worten, das Trommeln in den eigenen Ohren ignorierend. Vorsichtig berührte er das Handgelenk Noks und der zerstreute Blick fiel auf ihn; sein Magen sprang vom Hochhausdach, freier Fall dutzende von Meter, und Mew lächelte fein.

„Wie lange musst du noch hierbleiben?“, hörte er sich selbst fragen und Nok summte zuerst nur, zögerlich, abweisend beinahe. Doch Mews Finger schmiegten sich um sein Handgelenk, erinnerten ihn daran, dass er nicht gehen würde, egal wie sehr er ihn von sich stieß. Nok schnaufte erschöpft, ehe er seufzte: „Zwei Stunden? Je nachdem, wann Sawan mit allem fertig ist. Ich … ich kann dir schreiben.“ Mew hielt Blickkontakt, spürte den gen Erdmittelpunkt fliegenden Magen prickeln und kribbeln und wie die Worte des Prinzen das eigene Schmunzeln breiter werden ließen; bildete er sich das nur ein oder schimmerte die Sonne in den großen dunklen Augen Noks? Wie sehr er hoffte, dass es seinem eigenen Einsatz zu verdanken war, dass die Müdigkeit der Lebhaftigkeit gewichen war … und wie sehr er gleichzeitig hoffte, dass dem nicht so war. „Meine … meine Hand, Mew.“ Fragende Augen wanderten herab zu den eigenen Fingern, die noch immer erinnernd das Handgelenk des Prinzen umfasst hielten und Mew lächelte – „ah“ – ehe er wieder aufschaute. „Hm. Deine Hand. Meine Finger. Wieso?“ Herausforderung kitzelte am Lächeln auf den eigenen Lippen, die mit einem Flehen in dunklen Augen begrüßt wurde. „Möchtest du lieber Händchenhalten, P’Nok?“ Zufrieden vernahm er das unterdrückte Lachen des Prinzen und spitzte die Lippen, als Nok seine Hand wegzog. „Genug jetzt. Ich schreibe dir“, verabschiedete er sich während des Aufstehens und Mew ächzte, als er selbst aufstand; sein Oberteil klebte jetzt schon an ihm, dabei war er gerade mal eine Stunde draußen unterwegs gewesen … und das auch nur, weil er gewusst hatte, dass Nok einen Moment allein sein würde. Aber er sprach den Gedanken nicht aus und klopfte dem Prinzen stattdessen auf die Schulter, ein Augenzwinkern zu ihm hochschickend. „Wehe, wenn nicht. Du schreibst mir, hm?“ – „Ja doch.“ – „Wenn du es vergisst, lasse ich dich leiden.“ – „Ich vergesse es nicht.“ – „Schreib mir!“ – „Jetzt verschwinde endlich!“ – „SCHREIB MIR!“, brüllte Mew mit über dem Kopf winkenden Händen, ehe er um die nächste Häuserecke verschwand.
 

Besorgt warf er einen Blick in den plötzlich so dunklen Himmel. „… Ob er einen Schirm mithat…?“, murmelte er sich selbst zu. „Was? Was für Schirme?“ Mew schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seinem Kommilitonen zu – „nichts, du hörst schon wieder Dinge“ – um dem verfluchten Lerneifer endlich zu entkommen. Er konnte keine Bücher mehr sehen, die auch nur im Entferntesten mit seinen Studien zu tun hatten . . . und er hatte noch so ewig viele Kapitel vor sich, dass ein Wimmern von ihm zu hören war.

„Wenn du keinen Bock mehr hast, gehe ich.“ – „Das ist es nicht. Ich warte nur auf einen Anruf, könnte also sein, dass ich schnell los muss.“ – „Dein Boyfriend?“ – „Schwachsinn.“ Mew schnaubte abfällig, ignorierend, dass sein Herz zu rasen begonnen hatte aufgrund der Bezeichnung. Er trommelte ungeduldig auf die Aufzeichnungen. „Hopp, hopp, ein Kapitel noch. Dann gebe ich auf“, jammerte er und öffnete zum gefühlt tausendsten Mal an diesem Tag den Textmaker.

Die Minuten zogen ins Land und formten sich zu Stunden. Sein Kommilitone war gegangen, als der Regen nur sacht den heißen Asphalt benetzt hatte und jetzt goss es wie in Strömen und Mew saß in der Bibliothek fest, den Blick fest auf den Regenvorhang gerichtet, mit knurrendem Magen und schlechter Laune.

Zwei Stunden waren lange vorbei. Mew wusste es besser, als sich auf Noks Zeitangaben zu verlassen und der kleine Zusatz ‚wann immer Sawan fertig ist‘ hatte sowieso impliziert, dass es gut und gerne auch wesentlich später werden mochte. Trotzdem fühlte es sich beschissen an … ganz so, als sei er versetzt worden … und er wusste ganz genau, wie dumm dieser Gedanke war; dass er kein Recht hatte, dermaßen über Nok zu denken. Mit einem Seufzen stützte er sein Kinn auf der Hand auf und begutachtete den dunklen Himmel, der eine Regenwand nach der nächsten auf den Wust aus Hochhäusern herunterschickte. Konnte man nicht auch bei einem guten Freund enttäuscht darüber sein, dass Versprechen nicht gehalten wurden? Konnte man nicht auch bei einem guten Freund das Gefühl haben, versetzt worden zu sein? Mew lächelte leise und bejahte diese Frage stumm für sich selbst, komplett eingenommen von der Illusion, einen Freund im Prinzen gefunden zu haben.
 

Sein Handy schrillte laut und reflexartig griff er danach, ein „Entschuldigung“ auf den Lippen, als simultan mehrere Köpfe in seine Richtung schwenkten. Doch für Verlegenheit war keine Zeit – nur wenige Worte ließen ihn aufschrecken, seine Sachen zusammenpacken und Hals über Kopf die Bibliothek verlassen. Nur kurz zögerte er, als er die Stufen heruntergeilt war und die Sicherheit des Vordachs verlassen musste. Der Regen war undurchdringlich; es war unmöglich von Vordach zu Vordach zu eilen und zu hoffen, dass man nicht nass wurde. Kurzentschlossen rannte er zurück in die Vorhalle der Bibliothek, verschloss seine Sachen in einem der Spinte und spurtete in den Sommerregen hinaus, der ihn innerhalb von Zehntelsekunden durchweichte. Seine Füße flogen über den nassen Asphalt und er ignorierte all die Pfützen, in die er trat. Bald schon konnte er nicht mehr unterscheiden, ob Schuh oder Fuß den Boden berührten, so aufgeweicht war seine Kleidung. Er fühlte sich zehn Kilo schwerer und sein Atem ging stoßweise – Sport war nie sein Ding gewesen – als er durch die bekannten Straßen Bangkoks hechtete.
 

𝐷𝑢 ℎ𝑎𝑡𝑡𝑒𝑠𝑡 𝑅𝑒𝑐ℎ𝑡. 𝐼𝑐ℎ 𝑏𝑖𝑛 𝑚𝑢̈𝑑𝑒.
 

Mew spürte jeden einzelnen Muskel in seinem Körper, als er im Park ankam. Kaum jemand war hier – all die verirrten Seelen hasteten mit Schirmen bewaffnet durch die Regenwände in Richtung ihrer sicheren Behausungen. Selbst die sonst so lebhaften Vögel, die den Ort in Melodien tauchten, waren nirgendwo zu sehen oder zu hören. Das Rauschen des großen Steinbrunnens im Zentrum des Parks ging komplett im Schauer des Regens unter – und auf der Umrandung des Brunnens saß er, in sich zusammengesunken, den Kopf dem Himmel entgegen gereckt.

Mews Herz – polternd und nach Sauerstoff schreiend – sank ihm in die Hose.

Er hätte bei jedem guten Freund so empfunden, redete er sich ein, als er stolpernd und mit panisch fliehendem Atem die letzten Schritte auf Nok zuging. Er wäre zu jedem guten Freund gerannt, wenn er um Hilfe gerufen hätte, versuchte er sich wie ein Mantra einzureden.

Doch als die großen Augen auf ihm zum Liegen kamen und Spuren auf den hohen Wangen Fragen in ihm aufwarfen, ob es Regen oder Tränen waren, blieb Mews Welt stehen. Sein eigener Atem klang laut im Regenvorhang und trotzdem konnte er ganz deutlich den eigenen Namen von vollen Lippen hören – „Mew…“ – obwohl er noch viel zu weit weg war, als dass die Stimme des Prinzen ihn hätte erreichen können. Vorsichtig, als betrete er eine ihn unbekannte Welt voller Gefahren, trat er an Nok heran, beide Hände ausgestreckt und nahm sein Gesicht in seine Hände, mit den Daumen sanft über die Spuren wischend. „Du hast mich ganz schön warten lassen“, brummte er leise und sah, wie Noks Unterlippe zitterte, die Befürchtung, es waren Tränen, bestätigend. Mew lächelte trotzdem, weil noch mehr Elend ihre Situation nicht bessern würde und weil er nichts lieber gesehen hätte, als dass Nok sein Lächeln erwidern würde. Die großen Augen voller endloser Müdigkeit schauten zu ihm auf, doch es war das zitternde „es tut mir leid“, das sein Herz aufbrach. Sanft zog er den Kopf zu sich heran, drückte ihn gegen den eigenen Bauch und spürte das Beben des kalten Körpers, der wer-wusste-wie-lange schon hier allein im Regen verweilt hatte, bis Nok die Kraft und den Mut gefunden hatte, die Hand nach ihm auszustrecken. Er spürte, wie die eigenen Augen brannten und schnaubte über sich selbst, kämpfte um die Fassung, während er beruhigend über den klatschnassen Rücken des Prinzen strich; über den seidigen Stoff bis hin hinauf in die dunklen Haare, die er ihm schließlich aus dem Gesicht strich, als er ihn zwang, ihn wieder anzusehen. Mew lächelte abermals, vor Nok in die Hocke gehend.

„Erinnerst du dich an meine Bucket List?“, wisperte er, das Gesicht des Prinzen in den Händen haltend. Nok war zu verwirrt, um zu antworten. „Tanzen im Regen, erinnerst du dich?“ Die vollen Lippen wagten es sich zum Protestieren zu öffnen und Mew schmunzelte, als er einen Zeigefinger instinktiv gegen sie presste. Nok verstummte, die großen Augen fassungslos in Mews nach etwas suchend und Mew legte den Kopf etwas schief, ehe er ihre Stirnen aneinanderlegte. „Erfüllst du mir den Wunsch? Als Entschuldigung dafür, dass ich heute Stunden auf dich gewartet habe?“

Er spürte das Beben im anderen Körper und hörte die Entschuldigung, noch bevor Nok sie aussprach, weshalb er mit der Zunge schnalzte, die Augen fest verschlossen. Noks Stirn war kalt und trotzdem wurde ihm warm. Der Regen prasselte unbarmherzig auf sie nieder, und trotzdem spross Geborgenheit in seiner Brust.

„Keine Entschuldigungen mehr; ich erwartete nur ein ‚ja, Sir, natürlich, Sir‘.“ Mew schlug die Augen auf und wagte es in die großen dunklen Augen zu schauen, die ihm strahlend entgegenblickten und er grinste, als er ein sachtes Lächeln auf den Lippen Noks entdeckte. „Natürlich … Sir.“ Er biss sich auf die Unterlippe und griff blind nach der Hand des Prinzen, umfasste sie sicher und zog ihn mit einem Satz auf die Beine, als er ihre Finger ineinander verschlang. „Aber ohne Musik tanzen…?“, hörte er Nok noch einwenden und Mew war versucht ihm zu erzählen, dass er in seiner Gegenwart ständig Harmonien im Kopf hatte, doch er schwieg und streckte ihm nur die Zunge heraus, während er ihn durch den Park jagte, bis er ihn endlich wieder lachen sah.



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