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NCIS One-Shots

... für Zwischendurch zum Lesen.
von

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Zwei Seiten - Part One

21. Mai, 16.45 Uhr, Tel Aviv, Hauptquartier des Mossads

„David, Ziva.“

Es klang fast schon beeindruckt, wie mein Name ausgesprochen wurde. Zudem kam noch, dass er komplett fehlerfrei und so, wie man ihn im Hebräischen betonte, ausgesprochen wurde. Es jagte mir einen eisigen Schauer den Rücken hinab.

„Ich bin hier.“

Ich antwortete, richtete meinen Blick auf den Mann, der mir die Tür zu dem Büro des Direktors öffnete und trat dann durch diese. Sie wurde gleich darauf hinter mir verschlossen, der Mann blieb außerhalb des Raumes und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf den Mann hinter dem langen Schreibtisch, hinter dem an der Wand neben dem Fenster einige Bilder hingen. Bilder seiner Familie, Bilder meiner Familie … Bilder, aus denen auch er und ich zu sehen waren.

„Meine Tochter.“

Er hatte seinen Blick auf mich gerichtet, ihn von dem Dokument vor ihm genommen, den Stift, mit dem er unterschrieb, noch in der Hand.

„Vater.“

Eli David, derzeitiger Direktor des Mossads, war mein Vater. Er war einer der mächtigsten Männer in ganz Tel Aviv … nein, ganz Israels, doch sein Aufenthaltsort wurde jeder Zeit gut behütet. Die meisten Feinde in ganz Israel hatte er, immerhin leitete er den Auslandsgeheimdienst des Landes, sein ganzer Stolz galt der Behörde … seine Familie war sie auch.

„Setz' dich.“

Keine Bitte, ein Befehl und Befehlen musste ich gehorchen. Ich tat es nur widerstrebend, widersetzte mich ihnen aber immer wieder, wenn wir nur unter vier Augen sprachen, so wie wir es im Moment taten, denn ich war noch immer seine Tochter, nicht nur einer seiner vielen Offiziere, egal welchen hohen Dienstgrad ich auch haben mochte.

„Na gut.“

Er seufzte, blickte mich an, während ich vor seinem Schreibtisch stehen blieb, mich weigerte, zu setzen. Auch wenn er mich als kleines Kind selten so gesehen hatte, wie ich war, so wusste er dennoch, dass er bei mir mit Druck und Befehlen nur etwas erreichen würde, wenn es notwendig war und ich es erkennen konnte, oder wenn andere in der Nähe waren. Darauf beruhte auch sein Aufgeben.

„Ich hörte von deinem Erfolg in Kairo. Sehr gut.“

„Danke.“

„Ich hörte auch, dass du wieder einmal mit … denen in Washington DC telefoniert hast.“

Ich zeigte keinerlei Reaktion auf seine Worte. Woher er es wusste, war egal. Dass er es wusste, war leider nicht änderbar. Dass er mich darauf ansprach, war nicht sonderbar.

„Ja, habe ich.“

Eine knappe Antwort, kein Gerede umher. Ausweichen musste ich nicht, hätte ich aber gekonnt. Er war zwar ebenfalls für den Mossad im Dienst gewesen, so wie ich es nun war, doch er setzte seine Fähigkeiten nur ein, wenn er es musste … und niemals gegen mich. Zumindest nicht, seit ich zurück war.

„Lass es sein. Es gibt für dich keine Rückkehr zu ihnen.“

„Wieso? Weil die Direktorin starb, als ich auf sie hatte achten sollen?“

„Was mit Director Shepard geschah, hat damit nichts zu tun.“

„Weil der Vertrag aufgelöst worden ist?“

„Zum Einen.“

„Und zum Anderen?“

Ich wollte mich hartnäckig geben, wollte ihm zeigen, dass ich zurück wollte. Das Team beim NCIS, dem ich zugestellt worden war, war so etwas wie meine Familie gewesen. Eine bessere Familie als die, die ich hier in Israel, in Tel Aviv, hatte. Zwar war sie um ein Mitglied geschrumpft, doch sie war noch immer meine Familie, getrennt und zerstört durch den neuen Direktor des NCIS, Leon Vance.

„Ich habe eine Aufgabe für dich.“

„Du weichst aus.“

„Du wirst nach Washington DC zurückkehren, aber im Auftrag des Mossads. Wenn deine Aufgabe beendet ist, kehrst du zurück nach Israel.“

„Du weichst noch immer aus.“

Dennoch freute ich mich über die Worte meines Vaters. Es schien zwar eine kurze Rückkehr zu sein, aber es war immerhin eine Rückkehr. Ich würde meine Freunde, meine Familie, treffen können, auch wenn ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten würde. Das Einzige, was ich daran bedauerte …

„Anthony DiNozzo wirst du allerdings nicht treffen können.“

Ich blickte ihn ernst an, versuchte, nicht enttäuscht auszusehen. Dass ich Tony nicht würde treffen können, hatte ich geahnt, immerhin war er auf einen Flugzeugträger versetzt worden und dieses war auf See.

„Es geht um diesen Mann hier.“

Mein Vater reichte mir eine Akte, die ich an mich nahm und aufschlug. Sie enthielt ein Foto des Mannes, einen Steckbrief und noch mehr Hintergrundinformationen über ihn. Zudem fand ich noch eine Notiz eines anderen Offiziers vor, der etwas wie eine Art Treffpunkt und eine Anzahl der Bodyguards aufgeschrieben hatte.

„Alan Reichs.“

„Ja, Ziva, Alan Reichs.“

„Was soll ich tun?“

Ich hob meinen Blick von der Akte, sah meinen Vater an, der die Handinnenflächen aufeinander gelegt und seine Ellenbogen aufgestellt hatte. Seine Hände ruhten genau vor seinem Gesicht, seine Daumen lagen unter seinem Kinn, eine Haltung, die er oft zum kurzweiligen Überlegen einnahm.

„Du wirst ihn ausschalten.“

„Ausschalten. Du meinst, ich soll ihn töten.“

„Nenn' es, wie du beliebst, aber lass ihn nie wieder nur ein Wort sagen.“

Ich nickte. Mir beliebte diese Aufgabe nicht, aber was sollte man anderes tun? Widersetzen ging in dieser Position – Vorgesetzter zu Mitarbeiter – nicht, er war in diesem Moment nicht mehr mein Vater, sondern der Direktor des Mossads, dem ich, als Offizier, zu gehorchen hatte. Gab man mir den Auftrag zu töten, musste ich töten. Ich war ein Killer, kein Ermittler.

„Alles, was du wissen musst, ist in der Akte.“

Damit war ich entlassen.
 

Eine Woche später, 18.53 Uhr, Washington DC, auf dem Dach eines Gebäudes

Ich konnte meine Zielperson schon von weitem erkennen. Mein Scharfschützengewehr hatte ich bei mir, bereit zum Schuss. Dass ich noch nicht abdrückte, lag daran, dass ich genaue Anweisungen erhalten hatte, als ich zum ersten Mal die nähere Umgebung des Platzes, auf dem eine Kundgebung stattfinden sollte, überprüft hatte. Alan Reichs erschießen, genau zwischen die Augen, aber nur, wenn er auf dem Podest stand, nicht früher und nicht später. Alle sollten jubeln, alle sollten sehen, wie er starb. Hart, aber eine Anweisung, der ich mich kaum widersetzen konnte.

„Na mach schon.“

Ich war nicht ungeduldig und es war nicht kalt, aber ich wollte es hinter mir haben. Ich war das Töten schon lange gewöhnt, im Grunde störte es mich kaum, doch seit ich zurück beim Mossad war, quälte mich der Gedanke daran, jemanden zu töten. Na ja, nicht das Töten an sich, sondern vielmehr das Töten eines Unschuldigen, einer Person, die nicht die Waffe auf mich gerichtet hatte.

Langsam schritt meine Zielperson auf das Podium zu, die Menge um dieses herum jubelte ihm zu. Seine Bodyguards waren bei ihm und ich zählte sie im Stillen kurz durch. Zwei … einer mehr, als in der Akte gestanden hatte. Nun, es hatten mehr in der Akte gestanden, aber für diesen Auftritt war nur einer eingeplant gewesen. Wie sie aussahen, interessierte mich nicht, solange ich meine Aufgabe erfüllen konnte.

Da stand er, hob die Arme und lobte die applaudierende Menge, ein Bodyguard neben ihm stehend, der andere im Hintergrund bleibend. Alle waren aus meiner Schusslinie, nur Alan Reichs stand genau darin. Ich zielte, entriegelte meine Waffe, überprüfte kurz den Wind, schätzte noch einmal die Distanz … und drückte ab.

Es ging alles schnell: Ich feuerte meinen Schuss, der Bodyguard neben meiner Zielperson warf sich auf Alan Reichs, wurde selbst durch den Schuss in der Art eines Streifschuss verletzt. Der andere Bodyguard zückte seine Waffe, die Menge stob panisch auseinander, schrie. Meine Aufgabe war fehlgeschlagen, ich musste es noch einmal versuchen … und da fiel mein Blick auf den Bodyguard, der meine Zielperson zu Boden geworfen hatte und nun zu mir herauf sah. Erkennen konnte er mich sicherlich nicht, dafür war ich zu gut versteckt, aber ich konnte ihn durch mein Zielrohr erkennen.

„Tony … !“

Ich konnte nicht fassen, wen ich dort eben verwundet hatte. Jede Sekunde, die ich hier oben blieb, gefährdete nun meine Identität. Der letzte, kurze Blick durch mein Zielrohr hatte mir gezeigt, dass Tony aufgesprungen und in Richtung des Gebäudes, auf dessen Dach ich mich befand, gelaufen war. Zeit, für mich einzupacken und zu verschwinden.

Doch … hatte mein Vater nicht gesagt, ich würde ihn nicht treffen? Ich hatte keinen aus dem alten Team getroffen, dazu hatte ich zu viel zu erledigen gehabt. Ich hatte weder das Gelände des NCIS' betreten, noch war ich in der Nähe der Wohnsitze meiner ehemaligen Kollegen gewesen … nicht einmal bei meinem ehemaligen Wohnsitz war ich gewesen. Einzig und allein den Friedhof hatte ich besucht – ich hatte das Grab meiner Freundin und ehemals Vorgesetzten beim NCIS besuchen wollen. Dabei war ich auch über das Grab von Caitlin Todd gestolpert … der Frau, der ich es im Grunde auch zu verdanken hatte, dass ich nach Washington DC gekommen war. Doch das war lange Zeit her …

„Passen Sie auf!“

„Tut mir Leid.“

Ich hatte unbewusst einen Mann auf der Treppe nach unten angerempelt. Er sprintete schnellen Schrittes, immer zwei bis drei Stufen auf einmal nehmend, nach oben, während ich nach unten ging. Ich rannte nicht, es war unauffälliger. Wobei … mein Rucksack, in dem ich die auseinander gebaute Waffe verstaut hatte, sah auffälliger aus. Wer würde schon so aus dem Haus gehen, wenn direkt davor ein Mord geschehen war?

Während ich weiter nach unten ging, hörte ich weit über mir die Tür zum Dach aufgehen und zufallen. Wahrscheinlich war … nein, er konnte es nicht gewesen sein! Er hätte mich erkannt … ich sah nicht sonderlich verändert aus, zumindest empfand ich das so.
 

Selbiger Tag, 19.18 Uhr, Washington DC, eine Seitenstraße in Richtung israelische Botschaft

Hatte er Hinweise gefunden, dass ich es gewesen war? Hatte ich wirklich alles beseitigt? Tappte er noch im Dunkeln? Und warum war er dort gewesen? Warum war er überhaupt auf dem Festland, wenn er eigentlich auf einem Flugzeugträger hätte sein sollen?

„Bleiben Sie stehen!“

Diese Stimme … dort hinter mir … Ich erkannte sie wieder. Diese Stimme würde ich unter tausenden von Stimmen wiedererkennen. Ihr Wiedererkennungswert war hoch in meinen Augen, auch wenn sie nicht einzigartig war. Sie gehörte nur zu jemandem, der es war, aber dennoch ignorierte ich den Befehl, den die Person ausgesprochen hatte.

„Ich sagte, Sie sollen stehen bleiben!“

Ich verlangsamte meine Schritte nicht, blieb auch nicht stehen, setzte meinen Weg in Richtung israelischer Botschaft einfach weiter. Es war besser so, wenn er nicht erfuhr, dass ich es war. Wenn er nicht erfuhr, dass ich ihn erschossen hatte. Wenn er nicht erfuhr, wer ich war.

„Verdammt nochmal!“

Ich konnte hören, wie er selbst seine Schritte beschleunigte, spürte dann eine Hand auf der Schulter, die mich festzuhalten und gleichzeitig umzudrehen versuchte, doch ich befreite mich mit Leichtigkeit mit einer Hand von ihr.

„Bleiben Sie endlich stehen!“

„Sheket b'vakasha1.“

Leise, aber kühl gemurmelt. Hebräisch, da jede Stimme in einer solch fremden Sprache ein wenig anders klingt. Die Hoffnung, er würde sich nicht an meine Stimme erinnern, vor allem nicht an meine Stimme, wenn ich Hebräisch gesprochen hatte.

Ich konnte förmlich spüren, wie er mich anstarrte, wie er nach den passenden Worten suchte, wie er versuchte, seine Fassung wieder zu gewinnen. Und das war meine einzige Chance zur Flucht. In der Botschaft würde ich nicht vorgeführt werden, man würde mich vor ihm verstecken und ich würde mich mit meinem Vater und Vorgesetzten in Kontakt setzen können.

Meine Schritte, ich hatte kurz innegehalten, als er mich versucht hatte, aufzuhalten, wurden schneller. Ich ging weiter, er schien zu erahnen, wohin ich wollte, doch ich hatte nicht vor, mich aufhalten zu lassen, obwohl alles in mir danach verlangte. Er sollte mich aufhalten, verlangte es, aber mein Verstand verwies auf meine Aufgabe … auf meine Tat, so dass ich weiterging.

„Verdammt!“

Ich hörte ihn fluchen, doch seine Schritte hörte ich nicht mehr. Er schien mir nicht mehr zu folgen. Doch warum?

Einen Blick wollte ich erst riskieren, wenn ich fast schon außer Sichtweite war. Er würde mich dann wahrscheinlich erkennen können, doch ich würde so gut wie in Sicherheit sein. Die Botschaft war schließlich nur noch ein Katzensprung von mir entfernt.

Noch immer keine Schritte … und ich hatte fast mein Ziel erreicht. Den Blick konnte ich nun wagen, also blieb ich kurz stehen und drehte mich langsam um. Er stand dort, sah mich an, hatte gerade eine Nummer gewählt und hielt nun das Handy an sein Ohr. Dabei konnte ich förmlich sehen, wie erschrocken und überrascht er zugleich war, als er erkannte, dass ich seine ehemalige Partnerin war, dass ich Ziva David war. Und … dass ich die Attentäterin auf Alan Reichs war.
 

Selbiger Tag, 19.40 Uhr, Washington DC, israelische Botschaft – ein Hinterzimmer

„Ziva, chass we'chalila2!“

Einer der Männer, die immer in der Botschaft anzutreffen waren, schien über mein Erscheinen erschrocken zu sein. Es war angekündigt worden, doch ich war einfach in das Zimmer geplatzt, ohne dass ich angeklopft hatte. Zwar hatte er nichts getan, was ihm irgendwie hätte peinlich sein müssen und ein schlechtes Gewissen brauchte er nicht zu haben, doch hatte er sich erschrocken und suchte für einen Moment seine Fassung.

„Shalom3, Rubén.“

Er nickte, bot mir mit einer kurzen Geste einen Platz auf einem Sessel an. Dieses Angebot ging ich ein, stellte meinen Rucksack neben den Sessel und ließ mich in den Sessel sinken, den Blick auf Rubén Grenoire, dem Mann hinter dem Schreibtisch, gerichtet. Dass er einen französischen Namen hatte, beruhte darauf, dass er in Frankreich aufgewachsen war und normalerweise dort lebte, seine Familie hatte dort seit mehreren Generationen gelebt, nachdem sie Israel, noch vor Ausrufung des Staates, verlassen hatten.

„Ma schlomcha4?“

Er versuchte, eine natürliche Konversation zu starten. Sein Glück, dass ich einigermaßen gut aufgelegt war, trotz des kleinen Schreckens, meinen ehemaligen Partner angeschossen und beinahe getötet zu haben. Doch wer konnte es diesem Mann schon verübeln, dass er reden wollte? Er wusste wahrscheinlich nicht einmal, was geschehen war.

„Gut.“

Ich antwortete aus einer alten Gewohnheit auf Englisch und Rubén ging darauf ein, ließ unser Gespräch in dieser Sprache einfach weiter verlaufen.

„Ich sah von den Geschehnissen auf dem Platz. Du hast deine Aufgabe nicht beenden können.“

Ich nickte seufzend, sah ihn weiterhin an. Sein Blick war ebenfalls auf mich gerichtet, doch an Stelle eines enttäuschten Blickes, den ich ich schon vermutet und irgendwie erhofft hatte, erhielt ich einen besorgten und mitfühlenden Blick.

„Es ist schwer, seinen Partner plötzlich auf der anderen Seite stehen zu sehen und sein Leben aufs Spiel zu setzen.“

„Rubén, ich sah ihn nicht einmal.“

Ein Geständnis meinerseits, ein noch besorgterer Blick seinerseits.

„Ich würde gerne telefonieren.“

„Tu', was du für richtig hältst, Ziva. Fühl' dich wie zuhause.“

Ich nickte zum Dank, griff nach dem Telefonhörer und hielt inne. Meinen Blick richtete ich wieder auf ihn, meine Stimme war leise, als ich sprach.

„Könnte ich … könnte ich alleine sprechen?“

Rubén nickte, stand auf und verließ das Zimmer, während ich eine von zwei Nummern wählte, die mir durch den Kopf gingen. Zunächst aber war mein Vater an der Reihe, der andere Vater, Leroy Jethro Gibbs, man konnte ihn wirklich als eine Art Vater für mich bezeichnen, würde warten müssen.

„'Aba5.“

„Ziva.“

Er klang ruhig, aber ich ahnte, dass er schon vom Fehlschlag meiner Aufgabe gehört hatte. Wenn Tony schlau gewesen war, hatte er den Vorfall Director Vance gemeldet und dieser hätte sich an Eli David, meinen Vater und Direktor des Mossads, gewendet. Es wäre nur selbstverständlich gewesen.

„'Aba, ich bin gescheitert.“

„Ich weiß.“

„Slicha6.“

Entschuldige dich niemals, denn Entschuldigungen sind ein Zeichen von Schwäche.

Gibbs' Satz hatte sich tief in mir verankert, aber ich hatte eine Entschuldigung aussprechen müssen, mein Vater verlangte solch eine. Ich gehörte zu den wenigen, die scheitern durften, doch diejenigen, die scheiterten und es durften, mussten eine Entschuldigung aussprechen. Es war das Mindeste, was verlangt wurde. Die nächste Stufe war das selbstständige Gutmachen und Beenden der Aufgabe – ohne ein weiteres Scheitern.

„Dir sei vergeben.“

Mir lag eine Frage auf der Zunge, doch ich getraute mich nicht, sie zu stellen. Nicht, dass ich Angst gehabt hätte, doch ich wollte sie nicht stellen. Er würde einen Schwachpunkt an mir entdecken, den ich freigelegt haben würde, sollte ich die Frage stellen.

„Ziva, du hast einen Besucher.“

Rubén war zurück ins Hinterzimmer gekommen und blickte mich ernst an. Seiner Miene nach zu urteilen, war es ein Besucher, den er am liebsten nicht in der Botschaft sehen würde, doch er würde, sollte ich den Besucher sehen wollen, niemandem im Wege stehen.

„'Aba? Ich muss auflegen. Ich melde mich, wenn ich hier fertig bin.“

Ich legte auf, sah Rubén an und grinste schwach. Langsam stand ich dabei auf, lehnte mich an den Schreibtisch, der nun hinter mir stand.

„Wer ist es, Rubén?“

„Special Agent Anthony DiNozzo vom NCIS.“

Ich seufzte. Natürlich. Wer sonst sollte mich hier suchen? Niemand sonst, abgesehen der wenigen Leute in der Botschaft, wussten, dass ich hier in Washington DC und genau hier in der israelischen Botschaft war. Und wer sonst würde nach mir suchen? Mein altes Team wusste nicht, dass ich zurück in der USA war und Tony … hatte mich gesehen.

„Sagtest du, dass ich hier sei?“

Rubén schüttelte den Kopf.

„Soll ich ihn wegschicken?“

„Nein, bitte ihn herein.“

„Be'sseder7.“

Rubén verschwand, um Tony ins Zimmer zu bitten. Er kam nicht wieder zurück, doch Tony betrat nach einer Weile langsam und zögerlich das Hinterzimmer, den Blick fest auf mich gerichtet, etwas Ungläubiges in ihm liegend.

„Du bist zurück.“

Mehr eine Feststellung als eine Frage. Dennoch beantwortete ich es mit einem Nicken, bewegte mich sonst nicht, lehnte weiterhin am Schreibtisch hinter mir, beobachtete ihn aufmerksam.

„Ich hätte uns ein schöneres Zusammentreffen erwünscht.“

Nun war es an ihm mit dem Nicken. Er seufzte, schien zu überlegen, was er nun tun sollte.

„Du hast jemanden erschießen wollen. Jemanden, auf den ich aufpassen sollte. Mitten in der Öffentlichkeit während einer Kundgebung, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich weiß nicht, was der Mossad in der Hand hat … Du arbeitest doch noch immer für ihn, oder?“

„Ja, tue ich.“

„Ich weiß nicht, was der Mossad in der Hand hat, um den Mord an ihm zu rechtfertigen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass du aus freien Stücken gehandelt hast … aber du wolltest jemanden töten, der dich nicht einmal kennt. Im Grunde müsste ich dich festnehmen – ich weiß, dass du dich befreien und mich ausschalten könntest, in dem du nur ein oder zwei Finger benutzt – und abführen, doch ich möchte dir diese Unannehmlichkeiten irgendwie ersparen.“

„Du tust nicht, was dein Job von dir verlangt, Tony.“

„Muss man denn alles tun, wie es niedergeschrieben wurde? Wohl kaum, denke ich. Das waren doch auch einmal deine Worte, nur ein wenig anders.“

Ich nickte wieder, sagte nichts. Er sah mich an, während ich ihn beobachtete. Leise trommelte ich mit den Fingern auf der Tischplatte herum, lauschte den Geräuschen, die dieses Klopfen veranstaltete, dachte über seine Worte nach und überlegte, was ich nun sagen sollte, ohne irgendwie groß etwas zu sagen, was entweder nicht stimmte, oder geheim war.

„Und an Stelle von einer Verhaftung wirst du was tun … ?“

„Deshalb bin ich gekommen.“

„Sieht wohl so aus.“

Ich setzte ein herausforderndes Grinsen auf, blickte ihn forsch an. Dennoch … irgendwie hoffte ich, dass er richtig handeln würde und nicht irgendwie zögern würde, nur weil wir Freunde und einst Partner gewesen waren.

„Also, was wirst du stattdessen tun?“

„Ich wollte es von dir wissen, Ziva. Was würdest du an meiner Stelle tun?“

„Mich verhaften und abführen.“

„Das sagst du nur so.“

„Du weißt, wie ich bin … zumindest glaubte ich zu wissen, dass du es weißt.“

Er nickte zögerlich, blickte mich weiterhin an, sagte nichts. Anscheinend überdachte er meine Worte und seine nächsten Schritte, während ich den Blick weiterhin nicht von ihm nahm und mit den Fingern noch immer auf dem Tisch trommelte.

Ziva David, Tochter des Direktors des Mossads, verhaftet von einem Agenten des NCIS'. Klingt diese Schlagzeile nicht irgendwie … falsch?“

„Falsch ist, wenn du nicht handelst. Ich wollte jemanden töten … Sag, tut es sehr weh?“

Mein Blick glitt zu der Wunde, die mein Streifschuss verursacht hatte. Das Blut hatte die Ränder seines dort kaputten Hemdes rot gefärbt.

„Nein, bis gerade habe ich es nicht einmal wahrgenommen.“

Es klang fast schon locker, er sah mich an und setzte sein fast schon alltägliches Grinsen auf. Ein Grinsen, dass ich vermisst hatte. Diese Aufgeschlossenheit, dieses Lockere, es fehlte beim Mossad – und ich vermisste es.

„Wir sollten es verbinden.“

Mir machte Blut normalerweise nichts aus, aber der Anblick seines Blutes … ich fühlte mich schuldig, wollte mich entschuldigen. Zudem hatte ich ein schlechtes Gefühl im Magen, wenn ich sein Blut sah, ich hatte das Gefühl, als würde der Boden wanken. Was war mit mir los?

„Lass nur bleiben. Ich sagte doch, es ist nichts.“

„Seit wann nimmst du Hypochonder8 das so hin?“

„Seit … Vergessen wir es. Warum hast du nicht gesagt, dass du zurück bist?“

„Tony, ich rechnete nicht mit deinem Aufenthalt in Washington … du bist auf einen Flugzeugträger geschickt worden!“

„Nun, ich rechnete nicht mit dir, also. Du warst immerhin wieder in Tel Aviv beim Mossad.“

„Auslandsgeheimdienst, Tony. Dieses Wort sollte dir schon verraten, dass ich nicht ewig in Tel Aviv bleiben würde.“

„Ich hab' dich auch vermisst.“

Sein Grinsen wurde breiter, er ging auf mich zu und blieb genau vor mir stehen, während ich mich langsam vom Tisch löste und ihn abwartend anblickte. Wo war die Verhaftung geblieben? Warum … grinste er so?

„Darf ich … ?“

„Darfst du … was?“

Er umarmte mich und als er sich von mir löste, blickte er mich fast schon seelenruhig an.

„Das, Ziva.“

Ich nickte, unfähig etwas zu sagen, was irgendwie vernünftig war.

„Deine Verletzung scheint schlimmer zu sein, du wirkst verwirrt.“

„Verwirrt?“

„Eben noch wolltest du mich verhaften, jetzt hast du mir in den Armen gelegen.“

„Das ist einfach nur dein Charme, Ziva David.“

„Du Lügner.“

Ich grinste, blickte ihn an und war irgendwie froh, dass er mich so ansah wie sonst auch, dass er mich wie sonst auch behandelte und nicht als die, die ihn vorhin angeschossen hatte, die ihm seinen Job gekostet hätte …

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1Sheket b'vakasha. - Halt den Mund. | 2Ziva, chass we'chalila! - Um Gottes Willen, Ziva! | 3Shalom – Guten Tag (nicht direkt, aber man kann es als das werten) | 4Ma schlomcha? - Wie geht es Dir? | 5'Aba – Papa | 6Slicha. - Entschuldigung. | 7Be'sseder. - In Ordnung. | 8Hypochonder – jemand, der in ständiger Angst lebt, krank zu sein (bezieht sich auf die 100. Folge 'Chimera')



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