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Maya

von

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Ruckend fuhr der Zug wieder an.

Das Geräusch der Maschine und der Räder nahm zu und Mayas Hand bewegte sich von selbst zum Discman, stellte die Musik lauter.

Vor dem Fenster jagte die Landschaft vorüber.

Köln lag noch nicht lange hinter ihnen.

Wolkenloser, blauer Himmel, stechende Sonne über großen tristen Wohnblöcken, langen grauen Straßen, blendendes Licht auf unzähligen Fenstern und Autos. Dazu riesige Fabrikgebäude und endlose Lagerhallen mit Wänden voller Graffiti, zum Teil halb verfallen, mit zerbrochenen Fenstern. Auch jetzt war draußen noch alles grau und öde, kaum ein Fleckchen Grün war zu sehen.

Sie versuchte sich auf ihr Spiegelbild zu konzentrieren.

Braune kurze Haare, braune Augen, schlank, blass, Brille...

Seufzend wandte sich das Mädchen vom Fenster ab und ließ den Blick durch den Waggon wandern.

Der Zug war so gut wie menschenleer, außer ihr selbst saßen nur eine Handvoll Personen in diesem Wagen.

Ein junger Mann in T-Shirt und Jeans mit Rucksack, etwa in ihrem Alter, mit einem Buch in der einen und einem Textmarker in der anderen Hand. Vermutlich ein Student auf dem Weg nach Hause, genau wie sie.

Ein Stück weiter saß eine Frau in mittleren Jahren, umgeben von Einkaufstüten und noch ein paar Sitze weiter saß ein munter auf einander einredendes altes Ehepaar. Ihr Gequassel war ein Grund dafür, dass Maya Musik hörte, statt im mitgebrachten Buch zu lesen.

Die letzte Person saß ganz am anderen Ende des Wagens.

Sie hatte ihn schon am Bahnhof in Köln gesehen, er war einer der wenigen, die mit ihr eingestiegen waren. Nur deshalb war er ihr vermutlich aufgefallen, denn nun saß er ganz in der Ecke, halb verborgen hinter den leeren Sitzen.

Verstohlen betrachtete sie ihn genauer.

Viel erkennen konnte sie nicht, aber was sie sah gefiel ihr.

Verlegen lächelte Maya über sich selbst.

Er musste Mitte 20 sein, um einiges größer als sie, mit hellblonden Haaren und überraschend dunkler Haut. Er erschien sportlich und sein Gesicht war...

Der junge Mann drehte den Kopf und sah in ihre Richtung.

Er sah sie direkt an.

Hastig wandte Maya sich ab und schaute wieder aus dem Fenster.

Peinlich!

Sie fühlte sich ertappt und wagte den Rest der Fahrt über nicht mehr, in seine Richtung zu blicken.

Sie lauschte der Musik und blickte starr aus dem Fenster, sah Städte und schließlich mehr und mehr Grün vorbei ziehen. Endlich wieder weite Wiese, goldene Kornfelder, leuchtend gelbe Flächen voller Raps, umgeben von Büschen und Bäumen mit schimmernden smarragdfarbenen Blättern.

Ihr Zuhause kam näher und näher.

Kurz bevor der Zug in Hamm einlief verstaute sie ihren Discman, stand auf, griff nach ihrem schweren Rucksack und ging zur nächsten Tür.

Die Bahn kam zum Stehen, Maya stieg aus und lief ohne einen Blick nach links und rechts zu werfen den kahlen Bahnsteig hinunter, die Treppen hinab, durch das belebte Bahnhofsgebäude nach draußen.

Auf dem Platz vor dem Bahnhof wimmelte es vor Menschen, Tauben, Bussen, Taxen. Trotzdem entdeckte sie schon von weitem das Auto ihres Vaters auf dem Parkplatz.

Eine einzelne frische Brise fuhr Maya ins nicht mal schulterlange Haar, die großen braunen Augen blinzelten ins helle Sonnenlicht, als sie zu ihm rannte.

Sie öffnete die Beifahrertür, warf ihren Rucksack auf die Rückbank und ließ sich mit einem fröhlichen "Hallo!" auf ihren Platz fallen.

"Hallo!" Ihr Vater sah sie kurz an, startete dann den Wagen und schon ging es los.

"Gibt's was Neues Zuhause?", erkundigte sich Maya.

"Nein, eigentlich nicht.", antwortete ihr Vater und lenkte den Wagen sicher über die zweispurigen viel befahrenen Straßen.

Maya grinste: "Das sagst du jedes mal, wenn ich nach Hause komme! Es kann dich nicht sein, dass immer wieder zwei Wochen lang nichts passiert!"

"Hast du denn etwas zu erzählen?"

Maya grinste breiter: "Nein."

"Wie war denn deine Klausur?"

Maya zuckte mit den Schultern: "Es ging so. Ich werde einfach mal abwarten. Ein paar Fragen der Profs waren echt...Naja, jetzt sind erstmal Ferien!"

Der Wagen bog nach rechts ab.

Nicht mehr lange und sie war endlich wieder Zuhause!

Semesterferien waren schon was Schönes!

Fast zwei Monate einfach nur frei!

Endlich nichts tun!

Fröhlich summend schaute Maya aus dem Seitenfenster.

Immer weniger Geschäfte, kleinere Häuser, schmalere und ruhigere Straßen, schließlich die ersten freien Flächen: Mit Gänseblümchen und Löwenzahn gesprenkelte Rasenflächen, einmal sogar ein ausgetrocknetes Bachbett, dass sich unter hohen Linden durch einen kleinen Park wand.

"Was gibt es heute Mittag eigentlich zu essen?" Maya beobachtete einen Radfahrer, der schnell näher und näher zu kommen schien, bis sie ihn überholten und er so hinter ihnen zurück blieb.

"Ich glaube, Spaghetti.", antwortete ihr Vater.

"Wirklich? Klasse! Ich habe schon solchen Hunger!" - Wie so oft nach der beinahe zweistündigen Zugfahrt.

Und gleich nach dem Essen...

Maya freute sich schon darauf, mit ihrem Buch bewaffnet draußen in der Sonne zu liegen. Mit dem Lehnstuhl mitten auf dem Rasen, zwischendurch die Augen schließen oder Vögel und Schmetterlinge beobachten...

Das Ortsschild von Hamm zog an ihr vorbei und schlagartig wurde alles grün. Links und rechts nur noch eingezäunte Wiesen mit Kühen und Pferden, weite Felder und danach führte die Landstraße sogar minutenlang durch einen Wald. Trotz der Mittagszeit war es dämmrig unter den hohen Bäumen, nur wenige Sonnenstrahlen drangen durch das Blätterdach auf den mit trockenem braunem Laub vom Vorjahr bedeckten Boden. Hinter einer Kurve schimmerte schwach ein kleiner ovaler See, ein umgestürzter Baumstamm ragte weit ins Wasser. Gleich darauf verließ das Auto den Wald und strahlendes Sonnenlicht sowie neue Felder und Wiesen umgaben Maya und ihren Vater.

Schweigend saßen sie nebeneinander.

Allmählich spürte Maya eine stärker werdende Vorfreude.

Sie liebte den ersten Blick auf ihre Heimatstadt.

Der VW erklomm eine leichte Steigung.

Oben angekommen...

Maya lächelte.

Die Straße verlief schnurgerade auf die Stadt zu, die zwischen Hügeln in einem runden Talkessel lag und an dessen Hängen nach oben kletterte. An der tiefsten Stelle des Tales erhob sich der höchste Kirchturm der Stadt in den blauen Sommerhimmel. Drei weitere Türme reckten sich der Sonne entgegen, an schönen tagen konnte man ihre Glocken noch weit außerhalb der Stadtgrenzen hören.

Kleine ein- oder zweigeschossige Häuser ließen den Blick frei auf die unzähligen Gärten, kleinen Alleen und Parks fallen. Rote und schwarze Dächer in einem Meer von Grün. Nur wenige große Gebäude erhoben sich aus dem Straßengewirr: Schulen, das Krankenhaus, die zwei einzigen weiß verputzten Hochhäuser.

Hohe Maisfelder, leuchtender Raps, satte Weiden und große Wälder umgaben die Stadt, an einigen Stellen beiseite gedrängt, so dass der strahlend weiße Kalk der Steinbrüche hell in der Sonne lag.

Beckum.

Zuhause.

Fröhlich sah Maya nach draußen.

Kaum ein Auto kam ihnen entgegen, als sie über schmale Straßen nach Hause fuhren, die gesäumt waren von Einfamilienhäusern, in deren Vorgärten zahllose rote, gelbe, blaue, orangene, weiße und rosane Blumen wuchsen und ihnen im sanften Wind zunickten.

Einmal rechts, geradeaus, wieder rechts und links.

Fast am südlichen Stadtrand, am Ende einer gepflasterten Sackgasse lag das Haus ihrer Eltern. Im Vorgarten blühten Petunien und orangerote Tagetis, niedrige Buchsbäume reichten sich am Weg zur Haustür aneinander.

Ihr Vater hielt vor dem Haus.

Maya griff nach ihrem Rucksack, lief den Weg und die Stufen zum Eingang hinauf.

Im selben Moment öffnete ihre Mutter die Tür und sah ihr lächelnd entgegen: "Hallo Maya!"

"Hallo Mama! Ich hab Hunger!"
 

Es war abend geworden.

Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lag Maya auf einer Decke im Gras hinter dem Haus.

Die Sonne stand schon recht tief, es wurde allmählich abend.

Auf dem Dach gurrten zwei Tauben und Dutzende von dicken trägen Hummeln und herum tänzelnden Schmetterlingen flogen durch den Garten.

Bis auf dieses Summen und Gurren war es still.

Maya seufzte wohlig.

Ein leises Klicken ertönte und sagte ihr, dass jemand auf die Terrasse einige Meter hinter ihr getreten war.

Sie drehte den Kopf.

Ihre Mutter stand noch in der Terrassentür: "Es ist fast halb fünf, Kleines."

"Danke!", rief Maya zurück und rappelte sich auf: "Hast du an meine Handtasche gedacht?"

Ihre Mutter deutete auf die schwarze Stofftasche, die schon auf der Bank neben der Tür lag.

"Noch mal Danke!" Maya rannte zu ihr hinüber.

"Komm aber nicht zu spät wieder!", mahnte ihre Mutter.

"Jaja."

"Na, dann wünsche ich dir viel Spaß!"

"Werde ich haben!", versprach Maya. Normalerweise ging sie nicht gerne aus, blieb lieber allein, las und schrieb. Aber für einen Eisbecher beim Italiener und einem netten DVD-Abend bei einer Freundin, brachte sie es doch mal über sich, weg zu gehen.

Ein großer Schokobecher mit Sahne...

Mayas Augen strahlten, als sie sich im gehen die Tasche umhängte und auf ihr Fahrrad stieg, dass sie schon vorher im Schatten abgestellt hatte.

"Tschüss, bis später!" Maya winkte ihrer Mutter zu und trat in die Pedale.

Durch den Garten, um das Haus herum und auf die Straße.

Der Wind strich ihr übers Gesicht und durch die haare, zerrte am T-Shirt und den Fransen ihrer kurzen Hose. Leise surrten die Räder, während sie die sanft zur Stadtmitte hin abfallenden Straßen entlang fuhr.

Es waren kaum Autos unterwegs, so dass sie manchmal in Schlangenlinien über den Asphalt rollte.

Maya summte leise vor sich hin, betrachtet freudig die duftenden Blumen vor den Häusern zu beiden Seiten ihres Weges.

Kurz darauf bog sie ab.

Immer, wenn sie in die Innenstadt Beckums wollte, nahm sie den Weg über den alten Friedhof.

Kies knirschte unter den Reifen und spritze in alle Richtungen auf.

Es war immer ein wenig unheimlich auf dem Friedhof.

Der Hauptweg, auf dem sie fuhr, wurde von einer Allee aus alten Eschen überschattet. Grabsteine, zum teil schon verwittert oder umgestürzt schauten hinter Sträuchern hervor, Blüten bildeten kleine Farbtupfer auf den Grabstellen, die Luft roch immer etwas erdig und feucht. Unerwartet tauchten stauen hinter Zweigen auf, glatt, weiß und kalt, mit starren Gesichtern.

Maya trat gleichmäßig in die Pedale.

Es war vielleicht etwas gruselig, aber sie mochte die Atmosphäre hier.

Durch das große schmiedeeiserne Tor verließ sie den verlassen daliegenden Friedhof.

Das Rad wurde schneller.

Vor ihr lag eine besonders abschüssige Straße, an deren ende die Kirche in der Stadtmitte lag. Der hohe jahrhundertealte Turm aus hellem Stein kam näher und näher.

Maya ließ das Fahrrad ausrollen und stieg auf dem Platz vor der Kirche ab.

Nicht nur, weil hier die Fußgängerzone begann, sondern auch, weil es zu umständlich war den kleinen Kindern und vor allem den vielen Senioren, die hier unterwegs waren, auszuweichen.

Deshalb schob sie ihr Rad die letzten Meter, betrachtete die ersten schräg nach vorne geneigten uralten Fachwerkhäuser und betrat den Marktplatz. Vom Brunnen in der Mitte drang vernehmliches Plätschern, auf einer Bank in der Nähe unterhielt sich lautstark eine Gruppe Männer. Drei gepflasterte Straßen zweigten von dem Halbrund ab, dessen eines Ende von dem hellblau getünchten alten Rathaus mit dem Bogengang davor beherrscht wurde. In den drei Straßen selbst, reihten sich Geschäfte aneinander, dazwischen noch ein paar wenige Fachwerkhäuser mit bunten Verzierungen.

Eine Kleinstadt wie so viele.

Nicht besonders schön, doch Mayas Heimat.

Wenn man ersteinmal so lange an einem Ort lebte, vergaß man schnell die schlechten Seiten und sah nur noch die schönen Flecken vor sich, verbunden mit den goldenen Bildern aus der Kindheit.

Ganz davon abgesehen: Alles war für sie besser als die endlosen Betonwüsten Kölns!

Großstädte waren nichts für sie!

"Maya!" Die Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

Von einem der Tische der Eisdiele am Rand des Marktplatzes winkte ihr ihre Freundin zu.

Maya winkte zurück.

Das Rad weiter schiebend, schlenderte sie hinüber. An einer Hauswand stellte sie das Fahrrad ab und ging zum Tisch ihrer Freundin: "Hallo Tess!"

Die beiden strahlten sich an, während Maya sich ihren Stuhl zurecht schob und setzt: "Wartest du schon lange?"

"Nein, ich bin selbst gerade erst gekommen. Ich weiß ja, wie früh du immer dran bist."

Maya grinste: "Heute aber nicht, ich hab mir extra Mühe gegeben!"

"Und wie geht's dir so?"

"Ich bin bereit für die Ferien! Wie sieht's denn bei dir aus? Hast du noch viel zu tun?"

Tess seufzte: " Ich habe noch einige Arbeiten, die ich in den Ferien schreiben und abgeben muss. Ich will gar nicht daran denken. Ich hab absolut keine Lust! Erst recht nicht bei dem herrlich Wetter! Also lass uns lieber gucken, was wir bestellen!"

Munter weiter redend griffen sie zu den Karten, wählten aus, bestellten und saßen schon bald vor großen Eisbecher. Erdbeere für Tess, Schokolade für Maya. Während sie einträchtig schweigend ihr Eis löffelten, ließ Maya ihren Blick umher schweifen.

Fast alle Tische vor dem Eiscafe waren besetzt.

Pärchen, Familien, Cliquen.

Und an einem Tisch...

Überrascht ließ sie den Löffel sinken.

Der blonde Mann aus dem Zug!

So etwas war ihr noch nie passiert!

In der U-Bahn sah man oft bekannte Gestalten, wenn man regelmäßig zu einer bestimmten Zeit unterwegs war. Aber das sie jemanden erst in Köln und danach im weit entfernten Beckum wieder entdeckte...

"Dinge gibt's, die gibt's gar nicht...", murmelte sie und schob sich den nächsten Bissen in den Mund.

"Was meinst du?", fragte Tess verwundert.

"Der blonde Kerl da hinten, am zweiten Tisch von rechts." Maya deutete unauffällig mit dem Kopf in die Richtung: " Ich hab ihn in Köln am Bahnhof gesehen, er saß mit mir im Zug. Ich war nur überrascht, ihn hier zu sehen."

Neugierig schielte ihre Freundin hinüber: "Der sieht ja richtig gut aus!"

Maya seufzte stumm.

Warum hatte sie nur etwas gesagt?

Sie war bloß überrascht gewesen, doch Tess würde das Thema nun so schnell nicht mehr fallen lassen. Sie war ziemlich hartnäckig in ihren Bemühungen, einen Freund für Maya zu finden. Leider. Ein Ablenkungsmanöver war nötig!

Maya stand auf: "Ich gehe mal kurz wohin."

"Jaja." Tess warf wieder einen Blick auf den Fremden.

Dieses mal seufzte Maya wirklich.

Mit schnellen Schritten schlängelte sie sich gekonnt zwischen Stühlen und tischen hindurch und betrat das Lokal. Auch hier waren alle Plätze belegt, Kellner mit vollen Tabletts eilten an dem Mädchen vorbei.

Sie zögerte einen Moment, schließlich musste sie nicht wirklich, aber dann stieg sie doch die Treppe hinab in den Keller und suchte die Toilette auf. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, wusch sie sich mehrmals die Hände und ordnete ihre Haare. Nach drei, vier Minuten verließ sie das WC wieder und stieg die Stufen hinauf.

In der Mitte der schmalen Treppe stand jemand und wartete offenbar.

Sie blickte kaum hin, sondern machte sich möglichst schmal und drückte sich an der Wand entlang.

"Entschuldige..."

Maya sah überrascht auf, direkt in ein Paar intensive grüne Augen.

Vor ihr stand der hellhaarige Mann aus dem Zug!

Vollkommen perplex stammelte sie: "Äh...ich...ja?"

Die beiden befanden sich auf der selben Treppenstufe, so dass sie ihm gerade mal bis zur Brust reichte. Der enge Aufstieg sorgte zusätzlich dafür, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste.

"Ich wollte dich was fragen..." seine Stimme war angenehm und dunkel. Nur der Ton war irgendwie seltsam. Aber Maya war zu irritiert um darauf zu kommen, was sie daran störte.

Seine grünen Augen starrten sie immer noch an.

Maya war unbehaglich zumute. Sie war nervös. Sie sprach nicht oft mit Fremden schon gar nicht mit Männern.

Allerdings war sie auch neugierig. Was er wohl wollte?

"Um was geht es denn?"

"Also ich...Du warst doch heute vormittag in der Bahn von Köln nach Hamm, oder?"

Maya schwieg, vollkommen durcheinander.

Er hatte sie gesehen.

Gesehen und sich an sie erinnert?!

"Äh, ja." Sie klang wie eine Idiotin! Sie musste sich zusammen reißen!

"Wusste ich's doch. Deine Freundin sagt, du willst mich sprechen?"

Sprachlos starrte sie ihn an.

Was hatte er gesagt?

Das konnte nicht sein!

Tess konnte doch nicht...

"Was ist nun?", fragte er kurz angebunden.

Schlagartig konnte sie seinen merkwürdigen Tonfall deuten: ablehnend und unwillig.

Innerlich verfluchte sie ihre Freundin. Was hatte diese verdammte Närrin da nur angerichtet!?

"Sie muss etwas falsch verstanden haben!" Maya gab sich Mühe möglichst kühl zu klingen.

Seine unfreundliche Art ärgerte sie.

Warum war er überhaupt hierher gekommen, wenn es ihn offensichtlich nicht interessierte, sondern eher störte und er sich so widerlich gab?

"Wenn du mich dann entschuldigen würdest...", meinte sie schroff und drängte sich an ihm vorbei.

"Gut, wenn das so ist...", drang seine Stimme von hinten zu ihr, sie glaubte regelrecht vor sich zu sehen, wie er gleichgültig mit den Schultern zuckte und dicht hinter ihr die Stufen hinauf stapfte.

Oben an der Treppe erschien eine weitere Gestalt: "Sie meint es nicht so, sie ist nur schüchtern."

Tess!

Maya blieb wie angewurzelt stehen.

Was kam jetzt?

Viel schlimmer konnte es ja wohl kaum werden! Doch immer, wenn man so dachte...

Der Kerl hinter ihr war nicht stehen geblieben, sondern ging weiter, rempelte sie dabei an der Schulter an.

"Was denn jetzt?", brummte er unwirsch in Tess´ Richtung:

"Wie ich schon sagte", erwiderte diese munter: "Du solltest nicht auf sie hören, sie ist viel zu zurückhaltend."

Maya zuckte regelrecht zusammen, als ihre Freundin ihr zu zwinkerte.

"Sie klang aber so, als meinte sie es, wie sie sagte."

Tess winkte ab: "Sie ist eben so."

Sie griff in ihre Hosentasche und hielt dem Blonden einen kleinen Zettel hin.

Maya schloss die Augen.

Das war einfach zu viel!

Wieso konnte man nicht vor Scham sterben, wenn fliehen schon unmöglich war?

"Hier. Mayas Telefonnummer."

Kurze Stille folgte.

Maya blinzelte vorsichtig.

Tess streckte dem jungen Mann noch immer das Papier hin.

Mit einer ungeduldigen Bewegung schoss sein Arm vor, er schnappte sich den Zettel und stopfte ihn achtlos in die Hosentasche: "Ist nun endlich Schluß?

"Ruf einfach mal an! Ihr werdet euch bestimmt gut verstehen!"

Er murmelte mürrisch etwas Unverständliches und schob sich an Tess vorbei.

Maya atmetet einmal tief durch.

"Bist du eigentlich verrückt?", zischte sie dann ihre Freundin an: "Ihm sowas zu erzählen! Ohne mich zu fragen! Und dann dem Kerl noch zu allem Überfluß auch noch meine Nummer zu geben? Wie sieht das denn aus? Wie konntest du das tun?"

Tess schaute sie verwundert an: "Was regst du dich so auf? Er gefiel dir doch! Und so schüchtern wie du bist, hättest du es nie gemacht! Sei doch froh, dass ich das gemacht habe! Wenn er dich anruft...Er sah wirklich klasse aus!"

"Ach ja? Da kann man mal sehen, wie das Äußere täuschen kann. Der Typ ist nur unfreundlich gewesen! Einfach furchtbar! Er hat sich nicht Mal die Mühe gemacht, das zu verbergen! Der ruft bestimmt nicht an! Und das ist mehr als gut so!" Wütend über die Aktion ihrer Freundin stürmte Maya aus der Eisiele zu ihrem Tisch.

Das übrig gebliebene Eis war im Becher geschmolzen, eine neugierige Wespe krabbelte über den Glasrand.

Seufzend ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen.

Tess war nur wenige Schritte hinter ihr, nahm ebenfalls wieder Platz: "Reg dich doch nicht so auf.", meinte sie begütigend: "Ich dachte nur..."

"Du hast was falsch verstanden. Er ist mir bloß aufgefallen. Der Zufall war so erstaunlich. Mach sowas einfach nie wieder, okay? Versprich es!", antwortete Maya resigniert. Es war schließlich nicht mehr zu ändern. Passiert war passiert. Und wie der Typ reagiert hatte, musste sie sich keine Gedanken mehr machen. Er würde nicht anrufen. Auf keinen Fall!

Außerdem hatte Tess es ja nur gut gemeint.

Sie musste eben alles so schnell wie möglich verdrängen!

Von sowas würde sie sich nicht die Ferien verderben lassen!

Sie hoffte nur, dass ihr nie wieder so ein unsympathischer Kerl über den Weg lief!

"Laß uns zahlen und noch etwas in der Stadt bummeln, bevor wir zu dir fahren.", schlug sie vor.

Gesagt, getan.

Nur wenige Minuten später schlenderten sie nebeneinander die Fußgänger Zone hinauf.

Vorbei an kleinen Läden, aus deren geöffneten Türen Stimmen oder oft auch leise Musik drangen und an mit Stuck verzierten Wohnhäusern.

Viel zu sehen hab es nicht in den Schaufenstern, nur wenige Läden hatten Interessantes zu bieten, aber daran waren sie gewöhnt. Ein letzter kleiner Abstecher in den einzigen winzigen Buchladen Beckums, dann gingen sie zu ihren Rädern.
 

Die Tage gingen dahin.

Morgens genoss Maya das sturmfreie Haus, hörte laut Musik und sah fern.

Nachmittags saß sie mit einem Buch im Garten und sonnte sich.

Ihre einzige Pflicht bestand darin, dass Mittagessen zu kochen, bevor ihre Eltern von der Arbeit nach Hause kamen.

Am dritten Tag nach dem Treffen mit Tess stand sie gerade am Herd und rührte in dem Topf mit Spaghetti, als das Telefon klingelte.

Verwundert sah sie auf.

Wer rief denn um diese Zeit an?

Sie erwartete keinen Anruf.

Also blieben nur zwei Möglichkeiten: Ihre Eltern oder irgendein nerviger Vertreter, der ihr per Telefon etwas verkaufen wollte.

Nur die Chance, dass ihre Eltern etwas von ihr wollten, ließ sie den Löffel beiseite legen, zum Apparat eilen und sich melden.

"Hallo? Spricht dort Maya?"

Maya runzelte die Stirn.

Am anderen Ende der Leitung erklang die aufgeregte, etwas zittrige Stimme einer älteren Frau.

"Ja.", antwortete sie etwas unsicher.

"Es geht um Dain..." Die Frau brach ab.

"Es tut mir leid, sie haben sich wohl doch verwählt. Ich kenne niemanden, der so heißt.", erwiderte Maya irritiert.

"Nicht? Aber ich dachte..." Die Anruferin schwieg einen Moment lang verwirrt: "Aber ich habe doch ihre Nummer in seiner Hosentasche gefunden..."

Nummer?

Hosentasche?

Maya zuckte zusammen.

Der blonde Idiot aus dem Zug!

War das möglich?

Offenbar.

"Ah, ich erinnere mich. Ich kenne ihn allerdings nur vom Sehen. Ich wusste nicht einmal, wie er heißt.!

"Ach so ist das..." Die Stimme der alten Frau zitterte stärker: "Es war ja nur...er kennt doch hier niemanden...und immer allein in dem Zimmer liegen...ich war so froh, als ich Ihre Telefonnummer fand und sah, dass Sie hier wohnen. So hätte er wenigstens eine Besucherin außer mir gehabt...Entschuldigen Sie bitte. Ich bin so durcheinander wegen des Unfalls....", wieder brach sie ab.

"Unfall?", echote Maya.

"Ja, ein Auto hat ihn...Ein Bein ist gebrochen, ein paar Rippen geprellt...Schürfwunden...blaue Flecken....Doch es geht ihm recht gut."

Maya wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch ihre Gesprächspartnerin redete ohnehin weiter: " Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe."

"Das ist nicht so schlimm. Ich hoffe, dass es...dass es Dain bald wieder besser geht!"

"Danke. Falls Sie es sich noch anders überlegen sollten: Er liegt hier im Krankenhaus. Zimmer 324. Dann bin ich nicht der einzige Besuch, den er bekommt. Nur seine Großmutter zur Gesellschaft zu haben, ist bestimmt nicht das, was er sich wünscht. Also dann, auf Wiederhören."

"Auf Wiederhören."

Es knackte in der Leitung, gleich darauf erscholl das gewohnte gleichmäßige Tuten.

Maya legte auf und kehrte nachdenklich in die Küche zurück.

Was jetzt?

Die alte Dame tat ihr leid.

Das sie sich solche Sorgen machte...

Aber was sollte sie tun?

Zu diesem Typen ins Krankenhaus?!

Sollte er sich doch langweilen!

Schon der Gedanke mit ihm allein mit ihm in einem Zimmer zu sein...

Darauf konnte sie verzichten!

Nicht nach diesem Erlebnis!

Den ganzen langen Tag allein da zu liegen war zwar nicht schön, aber das war ja nicht ihr Problem!

Und trotzdem...

Maya ertappte sich im Laufe des Tages mehrmals dabei, dass sie darüber nachdachte. Jedes Mal drängte sie den Gedanken ärgerlich zurück.

Schließlich holte sie ihr Lieblingsbuch aus dem Regal, legte sich auf ihr Bett und begann zu lesen.

Schon nach wenigen Minuten verlor sie sich in der Geschichte, las stundenlang Seite um Seite, nahm sich kaum Zeit zum Essen.

Aber am nächsten Tag war die Frage wieder da.

Sollte sie hin gehen?

Da sie nun mal davon wusste...

Sie wäre nur höflich.

Er hatte das zwar nicht verdient, doch zumindest seine Großmutter wäre erleichtert.

Und sie würde sowieso so schnell es ging wieder verschwinden! Das stand fest!

Hieß das, sie würde tatsächlich zum Krankenhaus fahren?

Maya schüttelte heftig den Kopf.

Es war einfach nicht fair!

Wenn sie ihn besuchte, würde sie sich ärgern.

Wenn sie nicht hin ging, würde sie es wohl noch lange bereuen und sich fragen "Was wäre wenn?".

Maya seufzte und sah auf die Uhr.

Halb drei.

"Mama?"

"Ja?"

"Ich fahre mal kurz in die Stadt! Bist du nachher da oder muss ich einen Schlüssel mitnehmen?"

"Ich bleibe den ganzen Nachmittag Zuhause."

"Okay. Bis später!"

Maya verließ das Haus.

Sie nahm keines der üblichen Präsente für Kranke mit.

Nicht für ihn.

Mit dem Rad dauerte es nur wenige Minuten bis zum Krankenhaus, einem großen roten Backsteinhaus. Die unzähligen Fenster blinkten in der Sonne und in dem kleinen Park, der das eckige, aus mehreren Blöcken bestehende Gebäude umgab, sah man viele Patienten mit Krücken, im Rollstuhl oder einfachen Verbänden, die mit ihren Besuchern ein wenig spazieren gingen. Der Parkplatz und der Radständer vor dem Eingang waren hoffnungslos überfüllt, ständig kamen oder gingen Menschen durch die automatisch aufgleitende Glastür aus und ein.

Maya suchte ein freies Fleckchen für ihr Fahrrad, dann trat sie ein.

In der hohen gefliesten Eingangshalle war es angenehm kühl, der Geruch nach Chemie und Medikamenten war allgegenwärtig.

Für Maya war es der Geruch von Krankheit.

Sie mochte keine Kliniken. Sie fühlte sich jedes mal äußerst unwohl.

Also Beeilung!

In welchen Zimmer lag er?

Sie überlegte angestrengt.

Dreihundert.

Dreihundertvierundzwanzig!

Sie drehte sich einmal um die Achse und entdeckte den Plan des Gebäudes an einer Wand.

Zimmer 324 war im vierten Stock.

Lustlos machte sie sich daran die Treppen zu erklimmen, denn Aufzüge waren ihr nicht geheuer.

Doch so viele Stufen...

Es war alles seine Schuld!

Im vierten Stock rang sie keuchend nach Luft. Ihr war heiß und ihre Beine waren lahm.

Warum war sie bloß gekommen?

Wieder sah sie sich um.

Wohin jetzt?

Ein kahler weißer Flur mit grauem Linoliumboden von dem viele Türen abgingen.

Der Gang war leer. Eine lange Stange aus Metall zog sich über die mit ein paar einsamen Kunstdrucken behangenen Wände, an einer Stelle erweiterte sich der Flur zu einer kleinen Sitzecke mit Plastikstühlen. Ein Rollstuhl stand verlassen an einer Wand, von irgendwo hörte sie das leise Murmeln von Stimmen und schwaches Klappern.

Langsam ging sie an den Türen vorbei.

320, 321, 322, 323, 324.

Sie holte einmal tief Luft.

Auf in die Höhle des Löwen!

Zaghaft klopfte sie an.

Keine Reaktion.

Zögernd öffnete sie die schwere Tür.

Frische warme Luft schwoll ihr entgegen, ließ die gelben Vorhänge am weit geöffneten Fenster sacht hin und her wehen.

In dem weiß gestrichenen ungemütlichen Raum standen drei Betten aus silbernem Metall, gegenüber an der Wand hing der Fernseher. Er war eingeschaltet, ein Musikclip flimmerte über den Bildschirm. Obwohl Maya nur ein paar Schritte entfernt stand, konnte sie die Musik kaum hören.

Der Blonde - Dain - lag in dem Bett direkt am Fenster. Er schaute nicht zu ihr hinüber, sondern blickte ungerührt weiter auf den Fernseher.

Maya war gerade erst gekommen und schon spürte sie, wie sie ärgerlich wurde.

Sie atmete einmal bewusst ein und aus.

"Hallo!"

Dain schwieg.

Maya rollte mit den Augen und ging zu ihm hinüber, setzte sich auf das freie Bett neben ihm.

Nach wie vor sah er sie weder an, noch sagte er etwas.

Also betrachtet sie ihn genauer.

Er hatte ein paar Kratzer an Gesicht und Armen, ein Bein lag auf der dünnen Bettdecke, umhüllt von dickem Gips.

"Wie geht es dir?"

Weiter Schweigen.

"Deine Großmutter hat mich angerufen."

"Hat sie das."

Maya ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich zur Ruhe: "Ja, hat sie. Sie meinte, etwas Gesellschaft würde dir gut tun."

"Tatsächlich."

Sie preßte die Lippen zusammen.

Anschließend tat sie es Dain gleich und schaute hinüber zum TV-Gerät. Undeutlicher Gesang und die leise Musik füllten die minutenlange Stille, die folgte.

Immer wieder war sie verstohlene Blick zu ihm.

Nach wie vor war sie der Meinung, dass er ziemlich gut aussah.

Das helle Haar, die Augen, sportlich...

Doch das er sie ignorierte...

Er sah sie ja nicht einmal richtig an!

Schließlich hielt Maya es nicht mehr aus: "Wann kommst du aus dem Krankenhaus?"

Erst ignorierte er sie weiter, dann brummte er unvermittelt: "Genau weiß ich es nicht."

"Aha."

Ein heftiger Windstoß ließ die Vorhänge heftig an ihrer Halterung zerren.

Maya warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr.

Sie war seit annähernd 10 Minuten hier.

Und wie erwartet benahm er sich wie...

10 Minuten.

Das war bestimmt lange genug.

"Na gut. Ich wünsche dir gute Besserung." Sie stand auf: "Ciao!"

Maya drehte sich um und ging zur Tür. Ihre Hand lag schon auf der Klinke, als Dain plötzlich fragte: "Wie heißt du noch mal?"

Überrascht zog Maya die Augenbrauen hoch.

Konnte er doch vernünftig sein?

Zur Tür gewandt antwortete sie: "Maya"

"Ach ja." Seine Stimme hörte sich an, als hätte sie ihm nur gesagt, dass die Wand weiß sei, was er natürlich schon längst wusste.

Warum fragte er überhaupt, wenn er so gelangweilt klang?

Sie öffnete die Tür, trat mit schnellen Schritten auf den Flur hinaus. Gerade als sie sie wieder hinter sich zu zog, sprach Dain weiter: "Bis zum nächsten Mal."

Die Tür fiel ins Schloss.

Maya sah wie benebelt auf die blau gestrichene Oberfläche.

Was hatte er da gesagt?

Sie musste sich verhört haben!

Einen kurzen Moment lang dachte sie darüber nach wieder einzutreten und ihn zu fragen. Doch schließlich tat sie es nicht. Es erschien ihr zu albern.

Nachdenklich marschierte sie den immer noch leeren Flur entlang, stieg langsam die Treppen hinunter und verließ das Krankenhaus.

War das tatsächlich eine Aufforderung gewesen wieder zu kommen?

Nun ja, keine Aufforderung.

Dain schien es regelrecht zu erwarten.

Sie schüttelte unbewusst den Kopf.

Was war das bloß für ein Typ?

Charme hatte er nicht und um Dinge wie Höflichkeit und Freundlichkeit machte er offensichtlich einen großen Bogen.

Allerdings...

Wenn er so etwas sagte...

Er musste sich sehr langweilen...

Maya dachte an das kahle, sterile Zimmer.

Ihr würde es nicht anders ergehen. Sie hätte viel gelesen, aber selbst das würde auf Dauer nicht helfen.

Außerdem hatte sie ihre Familie. Dain hatte nur seine Großmutter in der Stadt.

Hatte sie nun tatsächlich Mitleid mit ihm?

Sie seufzte.

Immer noch in Gedanken versunken, radelte sie nach Hause.
 

Am übernächsten Tag stand Maya wieder im unfreundlichen Krankenhausflur vor der Tür des Zimmers 324.

In der linken Hand hielt sie ein in orange-gelb gestreiftes Geschenkpapier eingeschlagenes Päckchen.

Sie klopfte an, mutiger als beim ersten Besuch.

Wieder gab es keine Reaktion, doch damit hatte sie auch nicht gerechnet. Deshalb trat sie unaufgefordert, aber entschlossen ein.

Dain saß halb aufgerichtet in seinem Bett und sah aus dem Fenster hinaus in den blauen Sommerhimmel.

Das Sonnenlicht ließ seine hellen Haare beinahe silbern erscheinen.

Seine dunkle Haut hob sich deutlich von dem blütenweißen Bettzeug ab.

Selbstverständlich blickte er nicht in ihre Richtung, als sie die Tür hinter sich schloss und anschließend auf ihn zu ging.

"Guten Morgen! Ich habe etwas für dich!" Sie legte ihm das Geschenk auf sein Bett.

Überrascht wandte Dain den Kopf, schaute erst Maya, dann das Päckchen an.

Seine grünen Augen zeigten deutlich seine Verwunderung.

Das Grün seiner Iris war so leuchtend und schön, wie Maya es noch nie zuvor gesehen hatte.

"Danke.", murmelte er so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte.

Er bedankte sich!

Unwillkürlich lächelte sie ihn fröhlich an.

Seine Augen weiteten sich noch ein Stück weiter, ohne dass sie es bemerkte.

"Keine Ursache!" Maya winkte ab und ließ sich auf dem nächsten freien Bett nieder: " Wie geht es dir heute?"

Wie er sie so ansah...

Die Überraschung ließ sein Gesicht viel weicher erscheinen.

Das er so reagierte...

Für einen Moment war sie froh, dass sie wieder gekommen war.

"Na ja...", antwortete Dain knapp.

Unschlüssig betrachtete er das Geschenk.

"Du kannst es ruhig auspacken. Es beißt nicht." Sie konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

Dain ergriff das Päckchen und legte es auf den Nachttisch, würdigte es keines weiteren Blickes.

Schlagartig wirkte er so unnahbar wie zuvor.

Maya erstarrte.

Sie hatte sich zu früh gefreut.

Aber noch gab sie nicht auf: "Es ist ein Buch. Eines meiner Liebsten. Vielleicht kannst du dir damit die Zeit besser vertreiben."

"Ein Buch?" Sein Tonfall war abwertend.

"Ich hoffe, es gefällt dir...", meinte Maya schwach.

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern.

Plötzlicher Ärger stieg in Maya auf.

Sie gab sich wieder solche Mühe und dann...

Für kurze Zeit hatte sie Hoffnung gehabt, dass er sich nun wie ein normaler Mensch verhalten würde. Doch gleich darauf war er wieder wie zuvor.

Da besuchte sie ihn wieder, brachte ihm sogar ein Geschenk mit und er...

Ärger.

Vor allem über sich selbst.

Wie hatte sie nur so dumm sein können?

Kam freiwillig hierher, um sich so etwas gefallen zu lassen!

Er hatte doch gesagt, sie solle wieder kommen!

Oder?

Sie war sich auf einmal nicht mehr sicher.

Wenn sie sich tatsächlich verhört hatte...

Das wäre noch peinlicher.

Um ihre Unsicherheit zu überspielen, fragte sie: " Darfst du schon aufstehen?"

"Nein.", erwiderte er schroff.

"Oh. Hoffentlich darfst du es bald..."

"Und wenn schon.", unterbrach er sie kalt.

"Wenn du laufen kannst, hättest du immerhin etwas Abwechslung."

Ihr fiel einfach nichts Besseres ein.

Außerdem...Bei den Muskeln, die sich unter der braunen Haut deutlich abzeichneten, bewegte er sich sicherlich gerne. Solche Muskeln kamen nicht vom auf-der-Couch-sitzen.

Doch was bedeutend wichtiger war: Sie musste sich unbedingt zusammen reißen. Er sollte nicht merken, wie wütend sie war. Es war schließlich ihre eigenen Dummheit, die ihr am Meisten zu schaffen machte.

"Was geht dich das eigentlich an?", er schaute sie nicht an, aber seine Stimme klang dermaßen kalt und herablassend, dass es Maya schlagartig zu viel wurde. Dieser Satz hatte das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht.

Wütend sprang sie auf. Ihre Augen funkelten. Angriffsbereit wie eine wilde Katze starrte sie ihn an: "Du bist ein verdammtes Arschloch, weißt du das?! Springst du mit allen Leuten so um? Mir reicht´s! Ich weiß gar nicht, was ich mir dabei dachte, dich überhaupt zu besuchen! Ich bin eine Idiotin! Aber du bist das Letzte!"

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie gedacht, er wäre bei ihren Worten zusammen gezuckt.

Doch vielleicht hatte sie sich da geirrt.

Auf jeden Fall flog sein Kopf zu ihr herum.

Stumm sah er sie an.

Dann drehte er wieder den Kopf zum Fenster.

Maya fuhr ruckartig herum und stürmte aus dem Krankenzimmer.

Krachend warf sie die Tür hinter sich zu.

Sollten die Schwestern sie doch seltsam ansehen oder zurechtweisen!

In ihr brodelte es.

Wütend, vor allem auf sich selbst, rannte sie davon, hinaus in die Sommerhitze.
 

Zuhause angekommen jagte sie hinauf in den ersten Stock, hörte nicht einmal, dass ihre Mutter hinter ihr her rief, sondern verschwand geradewegs im Bad. Zerrend zog sie sich die verschwitzten Kleider aus und sprang unter die Dusche.

Kaltes Wasser strömte ihren Körper hinab, rauschte in ihren Ohren.

Die Kühle tat ihr gut. Nicht nur wegen der hohen Temperaturen und der anstrengenden Radfahrt, sonder es half ihr auch dabei, wieder ruhig zu werden.

Einfach nur das Wasser und sie mitten drin.

So lange wie möglich blieb sie unter der Brause stehen, bis sie eine richtige Gänsehaut hatte.

Als sie aus der Dusche trat und sich ein großes Handtuch um den Leib schlang, hörte sie das Klingeln des Telefons.

Nur Augenblicke später rief ihre Mutter: "Maya! Für dich!"

"Jaja!", hastig trocknete sie sich grob ab und lief, immer noch in das Handtuch gewickelt in den Flur, wo ihre Mutter schon auf sie wartete. "Hier.", sie hielt ihr das tragbare Gerät entgegen.

"Danke:" Maya nahm den Hörer: "Ja, hallo?"

Stille.

"Hallo? Noch dran?"

"Ja."

Sie runzelte die Stirn.

Eine männliche tiefe Stimme.

Sie kam Maya bekannt vor.

"Ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut."

Er legte auf.

Maya blieb mit dem Tuten des Telefons allein.

Wer...

Beinahe hätte sie den Apparat fallen lassen.

Dain!

Es war Dain gewesen!

Diese dunkle ruhige Stimme...

Durch die Leitung hatte sie ihn nicht sofort erkannt.

Dadurch und weil er zum ersten Mal, seit sie ihm begegnet war, nicht unfreundlich geklungen hatte.

Im Gegenteil.

Er hatte zerknirscht geklungen.

Zerknirscht, bedauernd und warm...

Mechanisch legte sie auf, brachte das Telefon zurück an seinen Platz und ging wie benommen wieder ins Badezimmer.

Sie trocknete sich weiter ab, zog sich an, starrte dabei nur auf die weißen Bodenfliesen.

Dains Stimme...

Selbst durch das Telefon...

Es fiel ihr nicht leicht das zu zu geben, aber selbst auf diese Weise klang seine Stimme...angenehm.

Sehr angenehm.

Und das Unglaubliche: Er hatte sich entschuldigt!

Was ging bloß in seinem Kopf vor?

Oder in ihrem?

In der einen Minute ärgerte sie sich über ihn, in der anderen dachte sie dennoch darüber nach, ob es ihm gut ging.

Mit seinem Anruf hatte Dain sie nun völlig durcheinander gebracht.

Seufzend schlurfte sie hinüber in ihr Zimmer, ließ sich auf ihr Bett fallen. Auf dem Rücken liegend, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, blickte sie reglos die Wand an.

Er würde sie noch wahnsinnig machen.

Das stand fest!

Maya war vollkommen verwirrt.

Was sollte sie nun tun?

Ihr schwirrte der Kopf.

Vorhin schien alles noch so klar, jetzt stand sie wieder am Anfang.

"Aller guten Dinge sind drei.", murmelte sie zu sich selbst.

Wenn er dann wieder unfreundlich war oder sie ganz einfach wieder nicht wusste, woran sie war, dann war es endgültig vorbei!

Sie würde dieses Kapitel abschließen und nicht mehr daran denken.

Falls Dain seine letzte Chance doch nutzte...

Darüber würde sie immer noch entscheiden können.

Sicher war nur ein: Jetzt würde sie ihn etwas schmoren lassen!

Sie war vielleicht gutherzig, aber das musste sie ja nicht immer unter Beweis stellen.

Maya grinste.

Und wie er schmoren würde!

Wie lange sollte sie warten?

Zwei?

Drei?

Sie grinste breiter.

Vier!

Das hatte er verdient!

Leise vor sich hin summend sprang sie auf und machte sich auf zu einer Runde Milch mit Keksen in der Küche.
 

Es begann zu regnen, als Maya sich für den Besuch zurecht machte.

Stirnrunzelnd betrachtete sie den Himmel.

Einem unendlichen Wasserfall gleich prasselte der Regen auf die Erde.

Nur ein Schritt und sie wäre vollkommen durchnässt.

"Mama?" Maya steckte den Kopf aus der Zimmertür.

"Ja, Kleines?" Die Stimme ihrer Mutter kam aus dem Erdgeschoss.

"Kannst du mich in die Stadt fahren?"

"Sicher. Wohin willst du denn?"

"Ins Krankenhaus. Ich möchte jemanden besuchen. Könntest du mich auch nach etwa 30 Minuten oder so wieder abholen?"

Kurzes Schweigen.

"Aber nur ausnahmsweise!"

"Ich weiß schon! Doch Papa hat das andere Auto mit zur Arbeit genommen und du weißt, dass ich den Großen nicht fahren kann...Ich komme gleich runter!" Maya trat zurück in ihr Zimmer, holte ihre Regenjacke aus dem Kleiderschrank und rannte daraufhin hinunter zu ihrer Mutter.

Nur wenige Minuten später hielt der Wagen vor dem Krankenhaus.

Maya zog sich die Kapuze über den Kopf, verabschiedete sich von ihrer Mutter und wagte sich hinaus in den strömenden Regen.

Es waren nur wenige Schritte bis zum Eingang, aber trotzdem wurde ihre Jeans unangenehm nass und kalt. Das Wasser schlich sich sogar durch ihre Jacke, hinterließ ein unangenehmes Gefühl an Kragen, Nacken und Handgelenken.

Seufzend zog sie sich noch im Treppenhaus die durchnässte Jacke aus und hielt sie bis zu Dains Zimmer vorsichtig in der Hand.

Als sie klopfte, erklang von Innen ein leises Rumoren und danach tatsächlich ein abgehacktes: "Herein!"

Maya betrat das Krankenzimmer.

Dain saß wie immer auf dem Bett, doch dieses Mal blickte ihr entgegen: "Hallo!"

Er redete mit ihr!

Einen Moment lang starrte sie ihn sprachlos an.

Dann lächelte sie schwach zurück: "Hi!"

Sie sah sich suchen um, entdeckte die Garderobe an der Wand neben der Tür, entledigte sich ihrer nassen Jacke und ging auf den jungen Mann zu.

Ein paar Tropfen hatten sich sogar unter ihre Kapuze geschummelt, so dass sie sich im Gehen mit der Hand durch die feuchten Haarsträhnen strich.

Dain wandte die ganze Zeit nicht den Blick von ihr ab.

Ein wenig überrumpelt und verlegen über so viel unerwartete Aufmerksamkeit, wusste Maya nicht so recht, was sie sagen sollte.

Dain nahm ihr dieses Problem ab.

"Danke, dass du noch einmal gekommen bist.", sagte er ruhig, aber auch ein wenig zögerlich.

So gelassen und freundlich hatte sie ihn noch nicht erlebt.

Sie musste zugeben, dass er ihr so schon besser gefiel.

Viel besser.

Die unablässig auf sie gerichteten leuchtend grünen Augen, die hellen weichen Strähnen, die ihm ins Gesicht fielen...

Sie wandte sich ab.

"Nicht der Rede wert.", erwiderte sie und konnte sich nicht verkneifen hinzu zu fügen: "Immerhin hast du dich ja entschuldigt."

Irrte sie sich oder wurde er ein klein wenig rot?

"Ich habe mich ja auch wirklich...bescheuert benommen.", gab Dain zu.

"Warum eigentlich?" Maya beobachtete ihn neugierig.

Sie beobachtete, wie er zusammen fuhr und einen kurzen, leidenden Blick auf sie warf.

Schließlich holte er einmal tief Luft und sagte unsicher: "Ich...ich bin es wohl nicht gewohnt, dass jemand so....nett zu mir ist. Normalerweise habe ich nicht viel mit anderen Leuten zu tun...Ich...bin eher ein Einzelgänger." Verlegen nach diesem Geständnis, huschte sein Blick unruhig hin und her, nur nicht in ihre Richtung.

Sie betrachtete ihn nachdenklich.

Das er ihr gleich so umfassend...

Das hatte sie nicht erwartet.

Außerdem: Auch sie war lieber für sich allein. Aber so...extrem...Ob er freiwillig so war? Das konnte sie nicht glauben. Plötzlich tat er ihr leid.

"Vergeben und vergessen!", meinte sie und bemühte sich um ein fröhliches Gesicht.

Dain schaute sie wieder an, auch seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben.

Wenn er lächelte sah er sogar noch besser aus.

Was dachte sie da eigentlich?

Jetzt nur nicht das Gespräch einschlafen lassen!

"Wie geht es dir heute?"

Er zuckte mit den Schultern: " Das Bein tut höllisch weh."

"Und sonst?"

"Es geht."

Maya grinste still in sich hinein.

Er mochte wohl keine langen Sätze.

So schnell würde er sich eben nicht ändern.

Aber was machte das schon?

Nun wusste sie schließlich woran sie mit ihm eigentlich war. - Und das er sich anders verhalten konnte. Ein gewisser Ehrgeiz packte sie. Wo sie schon so weit gekommen war...Es klang vollkommen banal, aber ob es ihr gelingen würde, sich mit ihm anzufreunden? Die Aussicht gefiel Maya irgendwie.

"Langweilst du dich?", fragte sie.

Dain verzog das Gesicht: "Und wie!" Sein Ton war so heftig, dass Maya ihn fröhlich anlachte.

Sekundenlang starrte Dain sie an, dann drehte er sich abrupt herum.

"Ich habe hier etwas für dich...", murmelte er und zog etwas aus dem Nachttisch neben seinem Krankenbett.

Unsicher hielt er dem Mädchen ein apfelgrün eingeschlagenes Geschenk hin.

"Für mich?", echote Maya verblüfft.

Dain nickte knapp.

Sie nahm ihm das Päckchen ab, blickte es einen Moment lang unschlüssig an, dann machte sie sich vorsichtig daran es auszupacken.

"Ein Buch!" Überrascht schaute sie ihn an.

Wieder nickte er: "Ich hoffe, du hast es noch nicht. Meine Großmutter hat die Verkäuferin gefragt... Ich wusste nicht, was ich sonst..." Er brach ab.

"Danke!" Maya strahlte ihn an: "Das Buch kenne ich noch nicht! Und etwas zu lesen ist immer gut!"

"Tatsächlich?", erkundigte er sich unsicher.

"Wirklich!", bestätigte sie: "Vielen Dank!"

Ein kleines glückliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus: "Es ist eine Art Wiedergutmachung." Er schwieg kurz: " Das Buch, das du mir geschenkt hast..."Abermals verstummte der junge Mann.

"Hast du es gelesen?", wollte sie verwundert wissen.

"Ja." Dain musterte mal wieder die Landschaft vor dem Fenster.

Dunkler Himmel, mächtige graue Wolken, unendliche Ströme, Rinnsale und Tropfen aus klaren Wasser, die an der Scheibe hinab liefen und alles verschwimmen ließen.

"Ein ziemlich gutes Buch.", meinte er leise.

"Das finde ich auch! Eines meiner Liebsten!"

"Du hattest recht: Es hilft gegen die Langeweile."

Es klopfte an der Tür.

Gleichzeitig drehten sich die beiden herum.

Eine Schwester in blütenweißen Kleidern betrat den Raum.

"Oh. Sie haben Besuch! Verzeihung! Aber ich werde sie nicht lange stören." Die Frau eilte durch den Raum an Dains Bett: "Wie fühlen Sie sich heute?"

"Naja."

Die Schwester begutachtete schnell und routiniert das eingegipste Bein und anschließend zwei, drei andere Verletzungen. Dabei redete sie pausenlos weiter auf die beiden jungen Leute ein: "Es geht wirklich bergauf mit Ihnen! Erstaunlich schnell sogar! Das ist wirklich schön. Bald können Sie anfangen mit Krücken zu laufen und Übungen für Ihr Bein zu machen. Sei werden sehen, schon bald sind sie wieder fit! Und bei so nettem Besuch..." Die Schwester warf Maya einen eindeutigen Blick zu: "Was halten Sie davon...Bei diesem Wetter selbstverständlich nicht, aber wenn Ihre Freundin Sie das nächste Mal besucht...Ich besorge Ihnen einen Rollstuhl und dann können sie beide das schöne Sommerwetter genießen und spazieren gehen. Was halten sie davon? Nur zu zweit, wohin und so lange sie wollen? Ich kümmere mich um alles! Etwas frisches Luft kann Ihnen nur gut tun!"

Maya öffnete den Mund, um das "Ihre Freundin" richtig zu stellen, aber Dain war schneller: "Das klingt gar nicht schlecht. Danke."

Die Frau lachte zufrieden: "Ich werde mich also um alles kümmern! Sobald Ihre Freundin das nächste Mal kommt, steht ein Rollstuhl für sie bereit und sie können los gehen!"

Wieder dieses "Ihre Freundin"!

Gerne wollte Maya etwas dagegen sagen, ließ es schließlich aber doch.

Der Vorschlag war wirklich gut!

Wohin könnte sie mit ihm gehen?

Maya überlege noch, als die Schwester die Tür schon wieder hinter sich schloss.

"Was meinst du?"

Aus ihren Gedanken gerissen schaute sie verwirrt auf: "Du meinst den Spaziergang? Klar, warum nicht! Mal gucken, wohin wir gehen könnten..."

"Dir wird schon was einfallen."

Überrascht über so viel Freundlichkeit druckste sie verlegen herum: "Vielleicht...Ich weiß nicht....Lass dich einfach überraschen..."

"Wann wollen wir denn los?" Dains grüne Augen strahlten. Ob vor Unternehmungslust, Freude oder beidem konnte sie nicht sagen. Aber ihn die ganze Zeit über so gelöst zu erleben...

Maya war zufrieden mit sich und der Welt.

"Wie wäre es, wenn ich übermorgen wiederkomme?", erkundigte sie sich.

Der Blonde zögerte einen kurzen Augenblick, dann nickte er zustimmend: "Gerne!"

Maya sah auf ihre Armbanduhr: "Oh, schon so spät. Ich muss dann mal los, meine Mutter müsste bald da sein, um mich abzuholen"

Dain schwieg.

Maya musterte ihn von der Seite, während sie aufstand.

Das neue Buch in der einen Hand, streckte sie ihm spontan die andere hin. "Bis übermorgen also!", erklärte sie munter: "Und noch Mal danke für das Geschenk!"

Der junge Mann ergriff zögernd ihre Hand.

Ihre helle blasse Haut hob sich deutlich von seiner dunklen ab, sein Händedruck war warm und fest.

Maya lächelte ihm noch ein letztes Mal zu, drehte sich um und verschwand mit einem lauten "Ciao" aus dem Krankenzimmer.
 

Als Maya den Flur in der vierten Etage betrat, entdeckte sie es schon von weitem: In Höhe der Sitzecke stand ein Rollstuhl auf dem Gang.

Darin saß Dain und blickte ihr entgegen.

Freudig überrascht musste sie sich zurück halten, um nicht zu schnell auf ihn zu zu gehen. Oder sogar zu rennen.

Kaum war sie bei ihm angelangt und hatte einen schnellen Blick aus seinen schönen Augen aufgefangen, da erkannte sie den Grund für ihr seltsames Verhalten: Sie fühlte sich wohl in Dains Nähe.

Verlegen betrachtete sie ihn verstohlen, während sie sich begrüßten.

Das Sonnenlicht fiel durch die großen Fenster hinter der Sitzgruppe, ließ die weißen Wände erstrahlen und zauberte beinahe silbrige Reflexe auf Dains kurze Haare. Sein Gesicht wirkte frischer und gelöster, als bei ihren letzten Besuchen.

Freute er sich sie zu sehen?

Unwillkürlich lächelte Maya pausenlos, während sie die üblichen Fragen nach einen Verletzungen, seinem Befinden usw. stellte.

An diesem Tag trug Dain blaue Jeans und ein weites, ebenfalls blaues T-Shirt, sein verletztes Bein lag weich gepolstert.

"Bereit?", fragte sie.

"Ja. Wir können los." Dain blinzelte: "Wohin geht es überhaupt?"

"Ich sagte doch, dass du dich überraschen lassen sollst!", lachend nahm sie hinter dem Rollstuhl Aufstellung und fing an, ihn den Flur hinunter bis zum Fahrstuhl zu schieben.

Leicht eingeschnappt fragte er: "Wird es lange dauern?"

"Versuch gar nicht erst mich zu ärgern. Zum einen habe ich heute viel zu gute Laune, zum anderen willst du ich doch nicht wieder vergraulen, oder?"

Sein Körper verspannte sich.

Schließlich antwortete er leise: "Nein..."

"Na siehst du!" Da er sie nicht sehen konnte grinste Maya noch breiter.

Sie erreichten den Fahrstuhl. Maya drückte auf den Knopf. Sie hatten Glück. Die Tür glitt sofort zur Seite und sie betraten die Kabine. Das Summen des Aufzugs begleitete die kurze Fahrt hinunter in die Eingangshalle. Normalerweise hatte sie in Aufzügen immer ein flaues Gefühl im Bauch, aber dieses Mal...Nichts...

Nur wenig später gingen sie hinaus in den hellen, warmen Sonnenschein.

Die Büsche und Bäume rund um das Gebäude rauschten sanft im Wind, auf der nahen Straße brausten ein paar wenige Autos vorbei.

"Wie lange sind wir denn nun unterwegs?", erkundigte Dain sich ein zweites Mal, diesmal weniger gereizt.

"Hmm, zwei, drei Stunden nehme ich an. Genau weiß ich es nicht. Ich bin den Weg noch nie zu Fuß gegangen. Zumindest nicht von der Stadt aus.", überlegte Maya: "Zu lang?"

Der Wind strich durch Dains blonde Haare, als er den Kopf schüttelte: "Schon okay."

"Gut!"

In gemächlichem Tempo schlenderte Maya über den Bürgersteig, die Räder des Rollstuhls drehten sich leicht voran, gaben ein schwaches Geräusch von sich, dass ihre Unterhaltung untermalte.

Es war ziemlich warm, aber nicht zu heiß für einen Spaziergang und nach dem Aufenthalt im Krankenhaus blendete die Sonne.

Maya schlug den Weg in Richtung Innenstadt ein.

Kurz vorher bogen sie nach links ab.

Die beiden schwiegen einträchtig.

"Wie alt bist du eigentlich?", wollte Dain plötzlich wissen.

Maya warf einen Blick nach unten auf den hellblonden Schopf: "Zweiundzwanzig. Wieso willst du das wissen?"

Er ging gar nicht auf ihre Frage ein: "Und was machst du so?"

"Du meinst arbeiten? Ich studiere noch."

"Ach so. In Köln?"

"Genau. Und was hast du am Rhein gemacht?"

Dain zuckte mit den Schultern: "Ich studiere auch."

"Tatsächlich?", erkundigte sie sich neugierig, paßte eine Lücke im Verkehr ab und schob den Rollstuhl über eine größere Straße auf die andere Seite.

Zu ihrer Linken schoss ein breiter Bach aus einem Kanal unterhalb der Straße und plätscherte über ein weites Bett aus unzähligen kleinen und großen Steinen.

Bäume überdachten den Weg am Wasser entlang. Der Lärm des Verkehrs blieb hinter ihnen zurück, der Gesang der Vögel und lachende Kinderstimmen wurden lauter.

"Was studierst du denn?", wollten beide gleichzeitig wissen.

Maya lachte schüchtern: "Bibliothekswesen, falls dir das was sagt. Und frag bloß nicht, ob man das wirklich studieren muss, sonst werde ich ungemütlich! Das höre ich so oft, das ich dem Nächsten ins Gesicht springe!"

"Ob du es glaubst oder nicht: Ich hab davon gehört. Was mich angeht: Ich studiere Chemie."

"Chemie?, wiederholte sie: "Das wäre überhaupt nichts für mich."

Dain lachte leise.

Ein wirklich angenehmer Laut.

"Das geht vielen so. Aber mir gefällt´s"

"So geht es mir auch.", meinte Maya: "Die meisten denken, es wäre furchtbar langweilig, doch das ist es nicht. Mir macht es Spaß." Sie schwieg kurz, schaute nach vorne und meinte munter: "Und jetzt geht es los!"

Sie erreichten ein kleines Rund, auf dem mehrere Wege zusammen trafen.

Rechts ging es zwischen Rasenflächen zu einer weiteren Straße, links führte der Weg über eine schmale Brücke, die den Bach überspannte und geradeaus verlief der Pfad...

"Nicht schlecht.", brummte Dain.

Maya machte große Augen: "Sag bloß, du warst hier noch nie?!"

"Nein. Mal in der Stadt, Eis essen oder sowas. Sonst bin ich nicht viel unterwegs. Ich war eben bei meiner Großmutter Zuhause."

Maya blieb stumm.

Sie war ebenfalls nicht viel außer Haus, aber hin und wieder...

"Jetzt bist du jedenfalls am Westteich!", verkündete sie und schob den Blonden weiter geradeaus.

Neben ihnen verschwand der Bach nach wenigen Metern, nur um auf der anderen Seite des Weges wieder aufzutauchen. Hier war das steinige Bett breiter und tiefer. Enten saßen auf dem üppig bewachsenen grünen Ufer, tummelten such auf dem dahin eilenden und an Steinbarrieren aufspritzendem Wasser und den winzigen überwucherten Inseln im Bach. Das Schnattern der Wasservögel, das Plätschern des Wassers, das steil abfallende Ufer, hohe Grashalme und wilde Blumen, die sich sanft im Wind wiegten.

Versunken betrachtete Maya das Bild, ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen.

"Das ist der Westteich?", unterbrach ihr Begleiter das Schweigen.

Sie drehte den Kopf zur anderen Seite: "Ja."

Auf gleicher Höhe mit dem Weg befand dich die ruhige Oberfläche eines kleinen Sees. Am einen Ende schossen hohe Wasserfontänen in den blauen Himmel, Enten paddelten im Schilf vor den Böschungen aus Kies. Ein Kirchturm ragte hinter Bäumen am anderen Seeufer auf, gleich daneben tobte eine Schar Kinder über einen Spielplatz.

Gemächlich schlenderten sie weiter.

Den Blick auf das Wasser gerichtet, umrundeten sie den Teich.

Erst als Maya erneut abbog, die Räder des Rollstuhls auf knirschenden Schotter trafen und sie auf einem von Hecken umsäumten Weg weiter spazierten, setzten sie ihre Unterhaltung fort.

"Was machst du eigentlich den ganzen Tag, Maya?"

Die Betonung, mit der er ihren Namen aussprach...

Verdammt!

Was dachte sie da?

Schnell sagte sie: "Lesen Das ist immer das Wichtigste. Fern sehen, zeichnen und dann natürlich noch Musik hören und schreiben! In den Ferien habe ich endlich genug Zeit dazu."

"Du schreibst?"

"Ja, aber nur für mich selbst."

"Schade." er klang ehrlich enttäuscht.

Sie redete nicht gern darüber. Sie fühlte sich dabei immer so unsicher. Nicht das es ihr peinlich war, doch...

"Was sind denn deine Hobbies?", versuchte sie ihn abzulenken.

"Tja...Nicht wirklich viel. In etwa so wie bei dir. Musik hören, ein paar PC Spiele, fern sehen...Naja...Hin und wieder jogge ich, schwimme oder spiele Tennis...", wiegelte er verlegen ab.

Das ist doch einiges! Und selbst wenn: Was soll's? Hauptsache du hast Spaß!"

Dain drehte den Kopf und sah sie kurz an. Als er anschließend wieder hastig noch vorne blickte, fragte er: "Sagst du mir immer noch nicht, wohin es gehen soll? Wenn wir schon so lange unterwegs sind, wie du sagst, muss ja noch einiges kommen."

"Schon mal etwas vom Höxberg gehört?"

"Ich glaube nicht."

Maya seufzte theatralisch: "Dann wird es höchste Zeit!"

Vor ihnen verbreiterte der Weg sich zu einem mit roten Steinchen bestreuten Fußweg. Hohe Bäume, weite Wiesen und ein weiterer Bach, der in dem von Gras und Brennesseln überwachsenen Graben kaum zu sehen war. Außer ihnen war niemand hier unterwegs, nur zwei Amseln hüpften nach Futter suchend über den mit Gänseblümchen gespickten Rasen. Oben in den Bäumen gurrten Tauben, es roch ein wenig nach Wasser und frischem Grün.

Stirnrunzelnd versuchte Dain sich zu ihr umzudrehen: "Wo sind wir hier?"

"Im Park hinter dem Altenheim."

"Was wollen wir hier?"

"Spazieren gehen.", erwiderte sie schlagfertig: "Aber keine Sorge, danach geht es noch viel, viel weiter!"

"Aha."

Nach einer langgestreckten Linkskurve flankierten hohe Birken den Weg. Hinter den Bäumen tauchten schon bald die eckigen Umrisse der aus roten Ziegelsteinen gebauten Gebäude des Heims auf. Noch immer war alles still, nur ein paar Autos, die über die nahe Straße fuhren, bewiesen, dass überhaupt noch andere Menschen außer ihnen unterwegs waren.

Vorbei an den flachen Trakten des Altenheimes erreichten sie eben jene Straße, die leicht ansteigend zu Mayas Elternhaus führte.

Genau in diese Richtung wandte sie sich auch.

"An der Straße entlang?" Dain klang wenig begeistert.

Maya seufzte: "Es geht nicht anders. Der Rollstuhl ist zu breit für die anderen Wege, die ich kenne, Und wenn mich die Steigung nicht umbringt, obwohl ich dich schieben muss, dann wirst du den Weg wohl auch überstehen. Außerdem bin ich an die neun Jahre diesen Weg gefahren, während ich auf dem Gymnasium war."

"Hmm.", machte Dain.

Also schritt das Mädchen kräftiger aus.

Schon nach den ersten 100 Metern stand ihr ein dünner Schweißfilm auf der Stirn.

Den Rollstuhl samt Insassen hinauf zu bewegen war sogar noch schwieriger, als sie gedacht hatte. Sie hätte sich etwas zu Trinken mitnehmen sollen. Doch es gab etwas, dass die Anstrengung wieder ausglich: Vor ihr drehte Dain immer wieder den Kopf, betrachtete versonnen die blühenden Vorgärten und die kleinen Bäume.

Es schien ihm zu gefallen.

Maya freute sich darüber.

"Wie lange studierst du schon?"

Sie blinzelte: "Das war das sechste Semester. Nach den Ferien bin ich also im siebten. Und bei dir?"

"Ich komme ebenfalls ins siebte. Vorher war ich aber noch ein Jahr beim Bund."

Er war also etwa ein Jahr älter als sie.

"Wie sind denn die Prüfungen in Chemie?"

"Man muss ziemlich viel lernen. Oft ist es eine ganz schöne Schufterei. Aber es geht."

"Du hast bisher also alles ganz gut geschafft?"

"Ja. Und wie ist es damit bei dir?"

"Ähnlich. Am Ende des Semesters muss ich immer ziemlich viel lernen. Und die Prüfungen werden immer schwieriger...und die Fächer dafür.....naja...Sie liegen mir nicht so. Aber solange ich mit meinen Freundinnen die Unterlagen austauschen kann und sie mir meine Fragen beantworten können..." Maya zuckte die Schultern.

"Hast du viele Freundinnen in Köln?", erkundigte er sich.

"Ja. Es macht einfach riesig viel Spaß mit ihnen!" Sie lächelte unwillkürlich: "Vielleicht gefällt es mir deshalb in Köln ganz gut. Als ich zum ersten mal dorthin gefahren bin...Ich hätte nie erwartet, das ich mich dort so wohl fühlen würde. Der Unterschied zwischen so einer riesigen Stadt und so einem Ort wie Beckum ist schließlich gewaltig!"

Dain schien kurz zu überlegen: "Wurdest du hier geboren?"

"Ja." Maya blickte versunken auf einen Strauch Rosen mit kleinen rosa Blüten: "Gefällt es dir?"

Er nickte stumm: "Es ist gar nicht übel, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat."

Sie konnte deutlich hörte, dass er sie mit dem letzten Satz nur necken wollte.

Maya schmunzelte und atmete einmal tief durch.

Es war einfach ein wunderbarer Tag!

Eine plötzlichen Eingebung folgend gab sie dem Rollstuhl einen Stoß und war mit ein paar schnellen Schritten an Dains Seite.

Ein wenig überrascht, aber mit einem warmen Leuchten in den grünen Augen, schaute er zu ihr auf.

Grün, wie schimmernde Smaragde, dabei unendlich weich und warm.

Sie war doch nicht nur deshalb nach vorne gegangen, um ihn direkt ansehen zu können?

Nein, bestimmt nicht!

Aber ihr fiel partout nicht mehr ein, weshalb sie es getan hatte.

"Alles okay?" Das klang reichlich unbeholfen.

"Sicher." Dain löste abrupt seinen Blick von ihr und richtete ihn statt dessen auf ein näher kommendes Auto. Hastig trat sie wieder hinter den Rollstuhl.

"Wenn du Durst hast oder so etwas, könnten wir noch einen Abstecher zu mir nach Hause machen. Es wäre nicht einmal ein Umweg. - Und zur Zeit ist niemand Zuhause, wir hätten also weiter unsere Ruhe."

"Du wohnst hier in der Nähe?" In seiner Stimme schwang eindeutig Interesse mit.

Maya lächelte.

Es gefiel ihr, sich mit ihm zu unterhalten.

Auf seine Frage reagierend meinte sie: "Ja, vielleicht fünf Minuten entfernt...hast du Durst?"

"Etwas." Nach einer kleinen pause erkundigte er sich: "Wenn du hier in Beckum bist, wohnst du bei deinen Eltern?"

"Genau."

"Hast du noch Geschwister?"

"Nein. Du?"

"Auch nicht."

"Wohnst du in Köln bei deinen Eltern?", fragte sie ihn interessiert.

"Nein. Ich habe eine eigenen kleine Wohnung. Mein Onkel und meine Tante wohnen etwas außerhalb der Stadt."

Verwirrt runzelte sie die Stirn: "Und deine Eltern?"

"Sind tot."

Maya schwieg betroffen.

Das hatte sie nicht...

"Das tut mir leid...", murmelte sie schwach und kam sich dabei vollkommen dumm vor.

Doch Dain zuckte bloß mit den Schultern: "Ich kann mich sowieso nicht an sie erinnern. Seit ich denken kann habe ich bei meinem Onkel und seiner Frau gelebt."

Was sollte sie nur dazu sagen?

"Hat es dir bei ihnen gefallen?"

"Nein. Sobald ich konnte, bin ich ausgezogen."

"Oh.", machte Maya und wäre am liebsten davon gelaufen.

Doch...

War das der Grund aus dem er sich so unnahbar und schroff gab?

Er hatte offenbar keine leichte Kindheit gehabt.

Sie versuchte das Thema zu wechseln und wusste dabei selbst, wie unsicher und hilflos sie sich anhörte: "Wir sind jedenfalls bald da. Willst du auch etwas zu essen? Ein Eis oder so?"

Stummes Kopfschütteln.

Maya strengte sich ein letztes Mal an und überwand so mit dem Rollstuhl die letzte Meter der Steigung. Mit weit ausgreifenden Schritten bemühte sie sich so schnell es ging ihr Elternhaus zu erreichen.

In unangenehmem Schweigen legten sie den Rest der Strecke zurück.

"Da vorne ist es!" Maya deute mit der ausgestreckten Rechten geradeaus.

Aufmerksam blickte Dain in die angegebene Richtung.

"Sieht nett aus.", brummte er.

"Danke." Maya schob ihn über den kurz geschnittenen Rasen um das Haus herum auf die Terrasse.

"Wartest du einen Augenblick? Ich bin gleich wieder da!...Ist Orangensaft in Ordnung?"

"Ja."

Sie zog ihren Schlüssel hervor, schloß die Hintertür der Garage auf und betrat so das Haus.

Sie nahm zwei Gläser aus dem Regal und eine Flasche Saft aus dem Kühlschrank.

Damit ausgerüstet trat sie durch die Terrassentür wieder nach draußen.

"Hier, bitte." Sie schenkte ihnen beiden ein und reichte Dain sein Glas.

Anschließend leerte sie selbst mit großen Schlucken das ihre.

Sie bemerkte, wie der Blonde seinen Blick über den Garten schweifen ließ.

Während er sich umschaute, hatte sie endlich wieder Gelegenheit, ihn ihrerseits verstohlen von der Seite zu beobachten.

Er sah wirklich gut aus!

Das helle Haar glänzte in der Sonne, die Augen strahlten hell aus dem gebräunten Gesicht. An den Armen zeichneten sich die straffen Muskeln ab. Sein Mund war leicht geöffnet, die Zähne schimmerten weiß hervor. Der Schwung seiner Lippen...es klang albern bei einem Mann, aber sie fand es mehr als sinnlich.

Maya schluckte.

Sollte sie sich...?

Für einen Moment blickten die grünen Augen direkt in ihre.

Nein!

Bestimmt nicht!!

Das konnte nicht...

Maya sprang auf: "Willst du noch etwas trinken? Nein? Dann bringe ich die Sachen wieder ins Haus und es geht weiter!"

Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, ihr dummes Geplapper ärgerte sie selbst. Schnell schnappte sie nach Gläsern und Saft und verschwand so schnell wie möglich im Haus.

Im kühlen Inneren stellte sie alles neben der Spüle ab, lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen.

Verdammt, verdammt, verdammt!

Er sah gut aus...

Na und?

Sie kannte ihn erst ein paar Tage und die meiste Zeit über hatte er sich benommen wie...

Dain hatte sie halb wahnsinnig gemacht!

Es gab keinen Grund dafür, dass sie so reagierte!

Maya stieß sich von der Wand ab und ging langsam zu ihrem Gast zurück.

Sie durfte sich einfach nichts anmerken lassen.

Das wäre zu peinlich.

Vor allem, da sie es sowieso nicht richtig erklären konnte...

Er durfte einfach nichts bemerken!

"Bist du soweit?" Sie sah Dain fragend an, ignorierte ihr eigenes lautes Herzklopfen.

"Ja. Es kann weiter gehen."

"Ich schließe nur noch schnell ab!", fluchtartig verschwand sie abermals im Haus.

Doch auch das änderte nichts daran, dass sie nur wenig später wieder den Rollstuhl vor sich her schob.

Zurück über die Sackgasse, an der ihr Haus stand, dann nach links, Richtung Stadtrand.

Sie mussten gar nicht weit laufen, da blitzten schon weite Felder zwischen den Häusern auf. Hohe Maisstauden auf der einen und wogender Weizen auf der anderen Seite, wählten sie einen Weg zwischen den Feldern hindurch. Der Pfad war so schmal, dass sie Räder des Rollstuhls oftmals durch den dünnen Grasstreifen links und rechts des Weges pflügten. In der Ferne flimmerte die Luft über den Feldern, in der Nähe zirpten lautstark mehrere Grillen.

Dain schaute sich suchend um: "Sind wir bald da?"

"Nein, der Rest des Weges führt durch den Wald. Es dauert also noch etwas. Dafür wird es dann etwas kühler.", erklärte sie.

Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Mit leicht gerunzelter Stirn musterte er sie: "Ist es so anstrengend?"

"Ach was.", winkte Maya ab: "Es geht schon."

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie Sorge auf seinem Gesicht lesen zu können, dann hatte sie wieder seinen blonden Hinterkopf vor sich.

So konnte er wenigstens hinter den Feldern das allmählich breiter und größer werdende Band der Wälder sehen.

Ein Streifen aus hohen Bäumen mit mächtigen Kronen, zu ihren Füßen karges Unterholz, Sträucher, Ranken und überall ein Teppich aus vertrocknetem, braunem Laub und Moos. Vogelgesang drang aus den Tiefen des Grüns, untermalt vom Wispern und rascheln der Baumkronen. Darunter schlängelte sich der Weg in langgestreckten Biegungen dahin. Es war hier tatsächlich kühler und Maya ging automatisch langsamer um dies zu genießen.

Wälder und Flüsse oder andere Gewässer liebte sie besonders.

Sie atmete tief die frische Luft ein.

Ihr Herz und ihre Gedanken beruhigten sich allmählich wieder.

Endlich!

"Du bist gerne hier, oder?" Dains Stimme war tief und ruhig wie immer.

Sie hier mitten im idyllischen Wald zu hören...

"Ja.". Maya nickte: "Wenn ich ganz allein bin...Die Stille....oder besser gesagt die Geräusche...Ich kann mich hier so richtig in meinen Gedanken verlieren. Träumen, nachdenken, was auch immer.

Vor allem im Winter ist es schön!

Wenn es schneit kann man hören, wie die Flocken auf die letzten Blätter und Äste sinken. Ein ganz leises Knistern....Sonst ist alles ruhig." Sie bemerkte, dass sie zu sehr ins Schwärmen geraten war. Also fügte sie hinzu: "Der Blick zurück auf die Stadt ist ebenfalls toll."

"Und trotzdem gefällt es dir in Köln?"

"Hmm, zumindest die Buchhandlungen.", sie grinste: "Und hinter der FH, an der ich studiere, gibt es einen kleinen hübschen Park."

Dain gab ein ersticktes Schnauben von sich: "Großstädte sich das Letzte!"

Sie musterte ihn von hinten: "Wo wärst du denn lieber?"

Er zuckte beinahe hilflos die Schultern: "Ich weiß es nicht. Ich bin bisher kaum verreist."

"Aber du warst schon einmal am Meer, oder?", fragte sie ungläubig.

"Nein."

Einem Menschen wie Dain war sie wirklich noch nie in ihrem Leben begegnet. Sie hatte Mitleid mit ihm, obwohl er darüber sicher nicht erfreut gewesen wäre. Sein bisheriges Leben schien alles andere als rosig gewesen zu sein...Sie wusste einfach nicht, wie sie sich verhalten sollte. Spontan erklärte sie: "Das müssen wir unbedingt nachholen! An der Ostsee ist es zum Beispiel wunderschön! Ich kenne viele Orte dort...Du musst dorthin und wenn ich dich dorthin mitschleifen muss!" Maya biß sich peinlich berührt auf die Zunge.

Was redete sie da bloß?

Hoffentlich verstand er es nicht falsch!

"Du gehst gerne spazieren, was?"

"Ja. Ist doch nichts Schlimmes dabei, oder?"

"Nein.", murmelte er schwach: "Natürlich nicht."

Eine Weile gingen sie schweigend weiter durch den Wald.

Immer wieder raschelte es im Unterholz oder Vögel stoben flatternd von den Ästen auf, auf denen sie gehockt hatten. An einigen Stellen wuchsen knorrige Wurzeln über den Weg, so dass der Rollstuhl regelrecht darüber hüpfte.

Besorgt fragte Maya: "Was macht dein Bein? Bei diesen Erschütterungen..."

"Kein Problem."

"Sicher?" Mißtrauisch blickte Maya auf einige Wurzeln ein paar Meter vor ihnen.

"Sicher.", bestätigte er.

Winzige Äste zerbarsten knackend unter Rädern und Schuhen.

Sie waren beinahe froh, als in einiger Entfernung ein heller werdendes Licht das Ende des Waldes und der abwartenden Stille darin ankündigte.

Die Bäume traten weiter auseinander, die Blätterkronen lichteten sich. Von rechts kommend führte eine schmale Straße linker Hand einen steilen Hang hinauf. Die Straße war gesäumt von hohen Kastanien, hinter denen sich auf der gegenüber liegenden Seite hohe Drahtzäune erhoben. Die Zäune wiederum umschlossen gleich mehrere Tiergehege. Von ihrem Platz aus konnten sie fast ein Dutzend Rehe in dem größten Auslauf ausmachen, die friedlich im Gras lagen.

Überrascht blinzelnd drehte Dain den Kopf: "Rehe?"

"Die Wildschweine, Hühner und Ziegen wirst du schon früh genug sehen.", grinsend folgte Maya der Straße bergauf.

Die Sonnenstrahlen, die sich durch das Blätterdach stahlen warfen ein tanzendes Muster aus Licht und Schatten auf den Boden, wie ein lebendiger Teppich.

Erst als sie den Gipfel des Hügels erreichtem, gaben die allgegenwärtigen Bäume den Blick auf das frei, was am Rande eines großen Platzes lag.

Erfreut hörte Maya, wie Dain anerkennend pfiff.

Sie hatte gehofft, das ihm so etwas gefiel.

Neben einem hell verputzten Hotel, dessen große Fernster im Sonnenschein aufleuchteten, stand ein hoher alter Turm.

Rund, aus hellem grauen Stein gebaut, ragte er in den azurblauen Himmel. Kleine, schießschartenartige Fenster saßen tief in der dicken Mauer verborgen, auf der Spitze flatterte munter ein kleiner Wimpel.

"Kann man da rauf?", fragte Dain interessiert.

"Ja." Maya nickte: "Normalerweise ist die Tür auf, doch es gibt nur eine ziemlich alte Holztreppe nach oben. Mit deinem Bein..."

"Ach.", winkte er ab: "Was soll's? Das schaffe ich bestimmt!"

"Das sich mehrere Hundert Stufen!", warf sie tadelnd ein.

"Trotzdem! Das wird schon gehen!" Dain klang sehr selbstsicher.

"Ich glaube nicht, dass das den Ärzten gefallen würde...."

"Na und?"

Maya blickte zweifelnd auf seinen blonden Schopf hinunter: "Ist das dein Ernst?"

"Na klar!"

das Mädchen seufzte tief.

Sie gab auf und schob ihn über den Platz zum Eingang des Turmes.

Die Tür stand wie erwartet offen. Dahinter lag ein kleiner runder Raum, in dem auf der rechten Seite die Treppe begann.

Maya stellte das Gefährt neben der Treppe ab und trat neben ihn.

"Soll ich dir helfen?"

Blitzschnell drehte sich sein Kopf in ihre Richtung. Das Grün seiner Augen wirkte unglaublich intensiv. Dann wandte er sich abrupt ab.

"Danke, das wäre...nett.", sagte er.

Maya schluckte.

Sie streckte ihre Hand aus.

Dain griff danach.

Seine Haut war so warm...

Ihre eigene Hand verschwand fast zwischen seinen kräftigen langen Fingern.

Hastig legte sie sich seinen Arm um die Schulter und schaute verlegen zur Seite.

Das angenehme Gewicht seines Armes über Nacken und Schultern machte es allerdings nicht besser.

Sie bemühte sich krampfhaft sich auf jedem der kleinen Schritte zu konzentrieren, mit denen sie ihn zur Treppe führte.

Hoffentlich schadete es nicht wirklich seinem Bein..

Es war einfach verantwortungslos was sie da taten!

Warum hatte sie bloß so schnell nachgegeben?

Wenn sie deshalb Ärger im Krankenhaus bekamen...

Ihr war nicht wohl bei dieser Aktion.

Allerdings...

Naja...es ging ihr auch schon schlechter.

Er stieg so dicht neben ihr die Stufen empor, dass sie sich die ganze Zeit über an der Seite berührten.

Sein Kopf ragte über ihr auf und sie fühlte sich klein und verletzlich.

Und beschützt in seinem Arm...

Sein Geruch...

Er roch wunderbar.

Das Holz der Treppenstufen knarrte und ächzte.

Es war kühl hinter den dicken Steinmauern und es roch leicht muffig. Die kleinen Fenster ließen nur wenig Licht ein, so das sie in grauem Zwielicht wandelten. Das Holz der Treppe war dunkel und rissig, Staub und Dreck sammelten sich an den Seiten.

Die Treppe selbst wand sich in einer - für Mayas Geschmack - recht abenteuerlichen Konstruktion an den Außenwänden entlang in die Höhe. In der Mitte blieb auf diese Weise ein Freiraum, durch den man bis auf den Boden des Turm gucken konnte.

Maya schauderte.

Sie war froh, dass sie Dain an der anderen Seite stütze und ihr so dieser Anblick größtenteils erspart blieb.

Aber die vielen Stufen...

Schon bald begleitete sie nicht nur das gelegentliche Schaben von Dains Gipsbein am Holz, sondern auch ihr gemeinsames Keuchen.

Höher und höher ging es hinauf, Mayas Schultern begannen unter der ungewohnten Last zu schmerzen.

Maya bereute ihre Aktion immer mehr.

Nach einer weiteren Runde an den Mauern entlang, gelangten sie schließlich auf ein Podest, von dem aus eine schmale Stieg hinauf ins Freie, auf die Turmspitze führte.

"Da musst du wohl alleine hoch..", japste Maya.

Dain nickte erschöpft und zog seinen Arm von ihr fort.

Sie bedauerte es ein wenig.

Mit schleppenden Schritten, das verletzte Bein nachziehend, zog er sich die schmale Treppe hinauf.

Maya folgte, immer bereit ihn zu stützen, falls er taumeln sollte.

Noch vier Stufen.

Noch drei.

Zwei.

Die letzte.

Endlich umfing sie wieder helles Licht, über ihnen nur noch der blaue Himmel.

Die steinerne Aussichtsplattform bedeckte die gesamte Turmspitze. In jeder Richtung hatten sie freie Sicht.

So schnell er konnte humpelte Dain hinüber zur steinernen Brüstung.

Sie schaute ihm eine Weile zu, wie er den Kopf hierhin und dorthin wandte und sich umsah.

Versonnen in die Ferne starrend trat Maya neben ihn.

Sie hatte zwar Höhenangst und daher ein Kribbeln im Bauch, wenn sie direkt nach unten blickte, doch so lange sie nur weit Entferntes betrachtete...

Wohin sie auch schaute: Weite, grüne Wiesen, Felder, Wälder, verstreut darin winzig erscheinende Häuser und Straßen, die sich wie graue Schlangen durch das Land wanden.

Hier oben war der Wind heftiger, zerrte an ihren Haaren.

Mit der linken Hand strich Maya sich die Strähnen aus dem Gesicht und hielt sie fest.

Sie atmetet einige Male tief ein und aus und genoss den schönen Ausblick.

Hier oben fühlte sie sich so frei.

Alles schien so ruhig und friedlich...

Plötzlich bemerkte sie, dass Dain sie von der Seite beobachtete.

Verlegen drehte sie sich von ihm weg, ging ein paar Schritte weiter, suchte sich einen neuen Aussichtspunkt.

Ein leises Kratzen verriet ihr, dass er ihr nachlief.

Nur wenige Zentimeter neben ihr trat er an die Brüstung.

Trotz des Windes konnte sie seinen Duft wahrnehmen und die von ihm ausgehende Wärme spüren.

Mit klopfendem Herzen blieb sie wie erstarrt stehen, den Blick fest auf ein kleines Wäldchen gerichtet, mit beiden Händen auf die Mauer vor ihr gestützt.

Auch Dain beugte sich vor, seine linke Hand blieb nur ein kleines Stück von ihrer Rechten entfernt liegen.

Aus den Augenwinkeln fing sie wieder einen Blick von ihm auf.

Ihr Herz schlug noch schneller.

Neben ihr holte Dain tief Luft, öffnete den Mund um etwas zu sagen.

Reflexartig wandte sie sich ihm zu.

Seine Lippen schlossen sich wieder.

Seien grünen Augen wirkten dunkler als zuvor.

Wieder setzte er zum Sprechen an.

Sie lauschte, ein wenig nervös.

"Ich will wieder nach unten. Kommst du mit?", fragte er kühl.

Es dauerte einen Moment, bis Maya stumm nicken konnte,

Gemeinsam machten sie sich schweigend wieder an den Abstieg.
 

"Hallo!" Maya schloss die Tür des Krankenzimmers hinter sich.

"Tach auch." Dain saß wie immer in seinem Bett und sah nach draußen.

Draußen schien alles grau in grau und trüb. Es regnete nicht, aber den dicken Wolken nach zu schließen konnte es jeden Augenblick beginnen.

"Gab es gestern noch Ärger?"

"Nein, wieso?"

"Dein Gips war zum Schluß ja nicht mehr wirklich weiß...." Maya war noch immer unbehaglich zumute.

"Niemand hat etwas dazu gesagt.", beruhigte der Blonde sie.

"Und dein Bein?"

"Alles so wie es sein soll."

Erleichtert atmete Maya auf. Gleich darauf sah sie sich unschlüssig um.

Die bisher leeren Betten im Zimmer waren zerwühlt, die verschiedensten Dinge lagen auf den Nachttischen verstreut.

Niemand war zu sehen, aber offenbar waren die Betten inzwischen belegt.

Wo sollte sie sich hinsetzen?

Auch die Stühle waren verrückt, standen zwischen den Betten.

Sich einfach einen nehmen...

Nein.

Sobald die anderen - wer immer es war - zurück kamen...

Wohin sonst...?

Es blieb eigentlich nur eine Möglichkeit...

Sie zögerte.

Wieder schlug ihr Herz heftig.

"Darf ich...?", erkundigte sie sich leise.

Dain blinzelte, offenbar verwirrt. Dann schien er doch zu begreifen: "Setz dich ruhig."

Nervös setzte sie sich auf die äußerste Kante seines Bettes.

In seiner Nähe...

Wieso regte sie das nur so auf?

Es war doch nichts dabei!

Und trotzdem wäre sie am Liebsten aufgesprungen und davon gelaufen...

Nur nichts anmerken lassen!

Sie redete sich selbst gut zu.

Im Grunde war wirklich nichts dabei...

Trotzdem fühlte sie sich etwas unbehaglich.

Direkt neben seinen Beinen zu sitzen...

Wie kam sie auf so einen Gedanken?

"Hast du gut geschlafen?" Sie zuckte zusammen.

So eine dumme Frage!

Fiel ihr nichts Besseres ein?

Nein.

Unsicher blickte Maya ihn an.

Dain wirkte gelassen und ein wenig kühl, wie immer.

"Alles Bestens." Er zuckte mit den Schultern: "Und wie sieht es bei dir aus?"

"Meine Beine tun ein wenig weh." Sie verzog das Gesicht: "Muskelkater. In den Armen übrigens auch." Maya seufzte: "Ich habe einfach keine Kondition mehr. Ich halte gar nichts mehr aus."

Dain betrachtete sie nachdenklich: "War es so anstrengend mich zu schieben?"

"Naja..." Maya hob hilflos die Hände.

Irgendwoher mussten die Schmerzen ja kommen.

Und da sie stundenlang den schweren Rollstuhl samt Insassen geschoben hatte...

"Tut mit leid." Er sah sie offen an, blickte ihr direkt ins Gesicht. Seine Stimme klang in ihren Ohren etwas rauh.

Mayas Herz klopfte laut.

Sie schluckte.

"Es geht schon!" Sie bemühte sich möglichst fest zu klingen. Dafür rutschte sie vor Aufregung auf dem Bett hin und her.

Sie erschrak, als ihre Hand an seinem Bein entlang fuhr.

Ihre Finger streiften, nur getrennt von der dünnen Bettdecke, die gesamte Länge seines Oberschenkels entlang.

Selbst so spürte sie die Hitze, die er ausstrahlte.

Erschreckt zog sie ihre Finger zurück und hob ertappt den Kopf.

Sie sah direkt in seine smaragdgrünen Augen.

Sie leuchteten ihr entgegen, wieder war ihr, als wäre das Grün dunkler, intensiver geworden.

Maya merkte, wie ihr Herz raste, ihr Gesicht brannte vor Verlegenheit.

Hastig sprang sie auf.

Kaum stand sie, da bereute sie ihre Bewegung.

Jetzt stand sie mitten im Zimmer, völlig sinn- und tatenlos.

Verschämt fiel ihr nichts Besseres ein, als auf ihre Schuhspitzen zu starren: "Entschuldige. Ich bin heute irgendwie nicht so gut rauf..." Ihr Lachen klang unecht.

Was war nur mit ihr los?

Verstohlen warf sie einen Blick in seien Richtung.

Wie er wohl reagierte?

Bestimmt nicht so überspannt wie sie!

Wenn überhaupt wunderte er sich wohl über ihr merkwürdiges Verhalten.

Statt dessen...

Dain sah sie nachdenklich an.

Schatten schienen durch das Grün seiner Augen zu ziehen.

Dazu schwieg er beharrlich, betrachtete sie lediglich von oben bis unten.

Sein Blick...

Seine Augen...

Warum schaute er sie so an?

Und warum wurde ihr dabei so heiß?

Warum fühlten sich ihre Beine wie Wackelpudding an?

Sie konnte doch nicht wirklich...

Nein!

Wie gern hätte sie wild den Kopf geschüttelt.

Sie musste nicht mehr ganz bei Verstand sein!

"Setz dich wieder.", unterbrach Dain das Schweigen.

"Ich..."

"Es macht mich nervös, wenn du so herum stehst."

Wie ein kleines Kind gehorchte sie sofort und nahm auf der Stelle wieder neben ihm auf dem Bett Platz.

Sie achtete dabei sorgfältig darauf, dieses Mal weit genug von ihm entfernt zu sitzen. Nicht gerade am Fußende, doch bestimmt eine Armeslänge von ihm entfernt.

"Hat es dir gestern eigentlich gefallen?", fragte Maya, nur um etwas zu sagen.

Dain blickte offenbar interessiert aus dem Fenster.

"Ja.", antwortete er leise. Und nach einer kleinen Pause: "Sehr"

Dabei richtete er sich ein wenig mehr auf.

Maya strahlte ihn glücklich an: "Das ist gut!"

Sein Kopf ruckte herum, er sah sie geradewegs an.

Noch immer ein Lächeln auf den Lippen erwiderte sie - für sie selbst überraschend mutig - den Blick.

Nur ihre Hände, die an ihren Seiten auf der Bettdecke lagen, krallten sich kaum merklich in den Stoff.

Ohne die Augen von ihr zu lassen, streckte Dain seine Hand aus.

Sie schwebte über dem Bett in ihre Richtung, dann legte sich seine Hand auf ihre,

Seine Haut war so warm...

Ein wenig rauh, aber sehr angenehm...

Ihre helle Haut hob sich wie Schnee von seiner gebräunten ab.

Unbemerkt entspannten sich ihre verkrampften Finger.

Gleich darauf umschlossen Dains Finger ihre Hand, drückten sie leicht.

Es traf Maya wie ein Eimer eiskalten Wassers.

Was tat sie da?

Was tat er da?

Vor Schreck fuhr sie zusammen.

Ihr Kopf war leer, sie war vollkommen durcheinander.

Sie...

Sie sprang vom Bett, murmelte eine knappe Verabschiedung und rannte ohne zurück zu schauen aus dem Raum.
 

Dain hatte sie völlig überrumpelt.

Was er getan hatte...

Maya konnte es nicht richtig glauben.

War es tatsächlich geschehen?

War das sein Ernst gewesen?

Wollte er...

Mochte er sie?

Sie konnte sich nicht konzentrieren, lief hierhin und dorthin, auch ihre Gedanken jagten von einem Punkt zum nächsten.

Mit einem entnervten "Aaah!" warf sie sich auf die Couch im Wohnzimmer.

Sie tastete nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.

Sie wechselte von einem Sender zum anderen.

Die Bilder flackerten, verwischten, Wortfetzen, sinnlos aneinander gereiht.

Seufzend schaltete Maya das Gerät wieder aus.

Es war schon zwei Tage her, dass...das es geschehen war.

Und sie war noch immer ratlos und gereizt.

Was machte dieser Kerl nur mit ihr?

Was tat er ihr nur an?

Mal war sie glücklich und dann überwogen wieder Unsicherheit und Verwirrung.

Mit einem weiteren lauten "Aaaah!" sprang sie auf.

Wieder ging sie auf und ab.

Was sollte sie nur machen?

Sie zwang sich stehen zu bleiben.

Sie musste endlich einmal gründlich über alles nachdenken!

Seit zwei Tagen schob sie das nun vor sich her, aber nun...

Sie musste gründlich und ruhig nachdenken.

Sie schloss die Augen und atmete mehrere male tief ein und aus.

In Ordnung.

Er hatte ihre Hand...

Warum?

Mochte er sie?

Die Szenen auf dem Turm, wie er so nah neben ihr...

Wie er sie manchmal ansah...

Seine Blicke...

Mochte er sie wirklich?

Warum hätte er sonst ihre Hand berühren sollen?

Oder eine andere, wichtigere Frage: Mochte sie Dain?

...

Ja.

Hatte sie sich in ihn verliebt?

Ihr Herzklopfen in seiner Nähe oder wenn sie sich vorstellte, wie er aussah...

Eine Stimme, sein Äußeres...

Ja.

Sie liebte ihn.

Und?

Ein einzelner, heftiger Gedanke.

Was, wenn sie sich alles bei ihm nur eingebildet hatte?

Sie schüttelte verzweifelt den Kopf.

Brachte sie den Mut auf noch einmal zu Dain zu gehen?

Dain...

Sollte sie es ihm sagen?

Nein, so viel Mut hatte Maya auf keinen Fall.

Aber vielleicht ergab sich eine andere Möglichkeit.

Eine Möglichkeit zu erfahren, ob er sie tatsächlich...

Ohne sich umzublicken verließ Maya das Haus und machte sich auf den Weg.

Sie lief direkt zum Krankenhaus. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung, setzte nur mechanisch einen Fuß vor den anderen. Sie bemerkte nicht einmal, wieviel Zeit verstrich. Irgendwann stand sie ganz einfach vor dem Zimmer mit der Nummer dreihundertvierundzwanzig.

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, klopfte sie an und betrat den Raum.

Zwei Augenpaare schauten ihr entgegen.

Beide gehörten wildfremden älteren Männern.

Dain war nicht da.

Sein Bett war unordentlich, aber leer.

Das war so unerwartet, dass Maya irritiert und hilflos mitten in der Bewegung inne hielt.

Was nun?

Damit hatte sie nicht gerechnet.

All ihre Entschlußkraft und ihr Mut waren dahin.

Einen Moment lang starrte sie die Fremden an, dann drehte sie sich langsam um und ging mit zögernden Schritten zurück in den Flur.

Was nun?

In diesem Augenblick erklangen hallende Schritte.

Maya hob den Kopf.

Die Krankenschwester, die Dain den Rollstuhl besorgt hatte, kam ihr entgegen.

Unschlüssig blieb Maya stehen.

Lächelnd eilte die Schwester auf sie zu: "Ah! Da sind Sie ja wieder! Ich hatte mich schon gewundert! Ihr Freund schien in den letzten beiden Tagen nicht sehr glücklich gewesen zu sein..."

Maya schluckte.

Warum...

Sie war aufgesprungen und davon gelaufen.

Dain hatte sie berührt und sie war geflohen.

Wie das auf ihn gewirkt haben musste...

Darüber hatte sie bisher nicht nachgedacht.

War er tatsächlich unglücklich gewesen?

Unglücklich?

Einfach so, ohne besonderen Grund?

Oder weil sie ihm etwas bedeutete und sie ihn mit ihrer Reaktion verletzt hatte?

Mayas Herz machte einen Sprung.

Die Schwester redete unterdessen munter weiter: "Ich hab mich wirklich schon gewundert. Ihr Freund war ja vorher schon nicht sehr gesprächig, doch dann in den letzten Tagen...Vielleicht können Sie ihn ja wieder aufmuntern...Oder herein holen. Er sitzt seit Stunden auf diesem Balkon, irgendwann sollte er zurück kommen und sich hinlegen."

"Balkon?", echote Maya.

Die Frau deutete den Flur hinunter: "Dort hinten. Die Tür am Ende des Ganges führt direkt nach draußen auf den Balkon." Die Schwester lächelte verschmitzt: "Grüßen Sie ihn von mir!"

Maya nickte wie betäubt und tapste an einem Dutzend anderer Türen vorbei zur gläsernen Balkontür.

Ein Druck auf die Klinke und sie schwang auf.

Zwei weitere Schritte und sie befand sich mitten auf dem Balkon.

In jeder Richtung erstreckte dieser sich über mehrere Meter an der Außenwand entlang. Vereinzelt befanden sich Stühle und kleine Kunststofftischchen darauf. Von jedem Punkt aus, hatte man einen herrlichen Blick auf den kleinen Park des Krankenhauses: Unter ihr lagen die große Rasenfläche, gesprenkelt mit Löwenzahn und Gänseblümchen, Blumenbeete mit Magariten oder Rosen, Wege, die sich um Sträucher und niedrige Bäume herum wanden.

Maya achtete nicht darauf.

Am linken Ende des Balkons stand ein Rollstuhl.

Dain.

Er saß aufrecht und reglos da, schaute hinunter auf die Grünfläche. Maya spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, ein angenehmer Schauer lief ihr über den Rücken.

Sie sah ihn wieder.

Zwei Tage ohne ihn...

Zaghaft setzte sie einen Fuß vor den anderen.

Sie kam ihm immer näher und näher, konnte immer mehr Einzelheiten seines Gesichtes besser erkennen.

Er bemerkte sie nicht.

Nervös strich sie sich eine Haarsträhne zurück.

Was sollte sie sagen?

"Hi.", machte Maya.

Dain wirbelte auf seinem Platz herum, verzog kurz schmerzhaft das Gesicht, als der Ruck durch sein verletztes Bein lief.

Gleich darauf geschah das, was sie sich erhofft und doch gefürchtet hatte.

Er sah ihr in die Augen.

Warum sah er so gut aus?

Warum musste er so gucken?

Wie sollte sie da nicht weiche Knie bekommen?

"Hallo..." Dains Stimme war ein rauhes Flüstern.

"Es tut mir leid, Dain! Ich wollte nicht...Es tut mir leid, dass ich einfach weg gelaufen bin. Ich war nur so überrascht...Sorry!", sprudelte es nur so aus Maya heraus: "Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte! Nur deshalb bin ich...Dabei wollte ich gar nicht fort..."

Er wandte sich ab.

"Bist du sicher?", fragte er bitter.

"Ja, ich wollte nicht..."

"Ach.", schnaubte Dain.

Maya zuckte zusammen, von einer Sekunde zur anderen war ihr kalt.

Wieso verhielt er sich wieder so?

Hieß das, dass er...

Ihre Beine drohten nachzugeben.

Also ein Irrtum.

Sie fühlte sich leer. - Und einsam.

Sie wollte nur noch fort.

Nach hause.

In ihr Zimmer, auf ihr Bett.

"Aber ich war doch nur...", versuchte sie es ein letztes Mal.

"Ja, klar.", stieß er trocken hervor.

Maya wurde für einen Moment schwarz vor Augen.

Das war es also...

Nun war endgültig Schluß damit!!

Sie wollte ihm die Hand schütteln, aber da diese steif auf der Armlehne ruhte...

Sie wollte ihn wenigstens einmal kurz berühren!

Zitternd und zögernd legte sie ihre Hand auf seine.

"Ciao. Machs gut.", flüsterte sie.

Sie wollte ihre Hand weg ziehen und sich umdrehen.

Da...

Mit einer blitzschnellen Bewegung schnappte Dain nach ihrer Hand und hielt sie fest.

So groß und warm..

Ihre eigene schien so kalt wie Eis.

Sie bemerkte das sie zitterte.

Sie hörte, wie Dain tief Luft holte.

Irrte sie sich oder ging sein Atem etwas schwerer als gewöhnlich?

"Ich dachte...Ich habe gedacht, dass du...", stotterte er.

So hilflos und verletzlich hatte sie ihn noch nie gesehen!

Er hielt sie immer noch fest.

Es war so ein schönes Gefühl!

Ein schwaches glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Gleichzeitig erwiderte sie zaghaft Dains Berührung.

Seine Augen...

Sie schluckte hart.

Sein Blick!

Seine Augen schienen regelrecht zu glühen!

Mit seinem Daumen strich er sanft über ihren Handrücken.

Maya schloss kurz die Augen.

Wunderbar.

Als sie die Lider wieder öffnete, blickte Dain sie noch immer hungrig an. Seien Lippen bewegten sich: "Ich hatte Angst, dass du....Von Anfang an hatte ich Angst, dass du mich nicht...Schon als ich dich auf dem Bahnhof gesehen habe....Oder im Zug...Ich hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass ich dich noch einmal wieder sehen könnte...

Als deine Freundin mich dann ansprach, war ich nicht gut drauf. Ich war genervt und habe mit irgendeiner hirnlosen...Als ich dich dann auf der Treppe gesehen habe...Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Und auch bei den nächsten Malen wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte...

Es tat so weh zu sehen, dass du dich über mich so ärgern musstest...Ich dachte so oft, ich würde dich davon jagen mit meinem Benehmen...Dabei wollte ich doch...Der Gedanke, dass du nur aus Mitleid...selbst das war mir egal. Aber...Das es meine Schuld wäre, wenn ich dich nicht mehr wieder sehen würde...", brach es aus Dain heraus. Der Griff seine Hand wurde fester.

Maya schüttelte leicht den Kopf: "Denk nicht mehr dran."

Das er so...

Sie wusste nicht, was sie antworten sollte.

Was er gesagt hatte...

Ihr war ein wenig schwindelig.

Sie sah sich nach einem Stuhl um.

Als sie einen in der Nähe entdeckte, versuchte sie vorsichtig, ihm ihre Hand zu entziehen.

Dain reagierte sofort.

Sein Griff wurde eisern, seine grünen Augen funkelten und blitzen.

Maya erschauerte.

Sie hatte einen Kloß im Hals.

Das Zittern wurde stärker.

Dain machte sie ganz schwach.

Schwach und hilflos.

Also keinen Stuhl.

Ein wenig wacklig auf den Füßen blieb sie an seiner Seite.

Dain umfaßte ihre Finger so fest, dass es fast schmerzhaft war.

Er holte noch einmal tief Luft.

Maya sah ihm gespannt ins Gesicht.

Später fragte sie sich, ob sie gewusst hatte, was er sagen würde...?

"Ich...Ich...Ich mag dich.", flüsterte er nahezu unhörbar.

Maya senkte die Lider, verlor sich einen Moment in der Dunkelheit und seinen Worten.

Alles schien sich um die herum zu drehen, ihr wurde wieder schwindelig und gleichzeitig unvorstellbar heiß.

So glücklich...

Sie war so glücklich!

Als sie aufblickte, lächelte er sie sanft an.

Noch ein wenig zaghaft erwiderte sie den Druck seiner Hand.

"Ich...dich auch.", hauchte sie.

Es war fast wie in einem rührseligen Spielfilm.

Aber nur fast.

Dains Augen flammten auf.

Ein harter Ruck schoss durch ihren Arm, als er sie mit aller Kraft herum drehte und zu sich heran zog.

Maya gab einen erschreckten, erstickten Laut von sich und...landete auf Dains Schoß.

Sie keuchte überrascht auf.

Ihr Gesicht färbte sich rot, sie wagte es kaum noch zu atmen oder ihn gar anzusehen. Maya saß leicht schräg auf seinen Beinen, ihre Schulter stieß gegen seine Brust, ihre Haare streiften ihn beinahe im Gesicht.

Sie saß auf seinem Schoß!

Auf ihm!

Sein Bein...

Sie wollte eilig aufstehen, da legten sich seine kräftigen Arme um sie. Sie spürte seine rechte Hand auf ihrer Taille, die andere lag federleicht auf ihrem Bauch.

Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen, ihr Zittern wurde noch stärker.

Hinter Maya holte Dain tief Luft.

Anschließend senkte er den Kopf.

Sie fühlte seinen Atem auf ihrem Haar und auf ihrem Hals, dann saßen sie plötzlich Wange an Wange da.

Er seufzte leise und wohlig auf.

Maya wiederum war zu keinen klaren Gedanken mehr fähig.

Sie schloss die Augen.

Minutenlang saßen sie einfach so da, ohne sich zu rühren, genossen die Gegenwart des anderen.

Erst als im Park unter ihnen lautes Lachen erklang, bewegten sie sich.

Maya drehte sich und schaute ihn an.

Aus solcher Nähe hatte sie ihn noch nie gesehen.

Seine Augen!

Sein Mund!

Dain starrte zurück.

Wie gefangen blickten sie einander an.

Dann umarmte Dain sie heftiger, die eine Hand glitt ihren Rücken hinauf, streichelte sie zögernd.

Schließlich beugte er sich mutiger geworden vor.

Er küsste sie.

Seine warmen Lippen auf ihren.

Maya vergaß alles um sich herum.

Es war ihr erster Kuss, doch es war wunderschön.

Zwar wirkte auch Dain genau wie sie etwas unbeholfen, aber das machte ihn nur noch faszinierender, anziehender...niedlicher.

Unwillkürlich öffnete sie den Mund weiter.

Sofort schob sich Dains Zunge vor, regelrecht begierig.

In Mayas Bauch tanzten Schmetterlinge einen wilden Tanz, während sie eine Hand auf seine Schulter legte, seinen Nacken streichelte und sie sich weiter verlangend küssten.
 

Ratternd raste der Zug dahin.

Vor dem Fenster jagte die Landschaft vorüber.

Köln lag nicht mehr weit vor ihnen.

Wolkenloser, blauer Himmel, stechende Sonne über großen tristen Wohnblöcken, langen grauen Straßen, blendendes Licht auf unzähligen Fenstern und Autos. Dazu riesige Fabrikgebäude und endlose Lagerhallen mit Wänden voller Graffiti, zum Teil halb verfallen, mit zerbrochenen Fenstern.

Noch war draußen alles grün.

Weite Wiese, goldene Kornfelder, leuchtend gelbe Flächen voller Raps, umgeben von Büschen und Bäumen mit schimmernden smarragdfarbenen Blättern.

Ihr Zuhause kam näher und näher.

Beckum blieb hinter ihr zurück.

Maya schaute still aus dem Fenster.

Der Zug war wie so oft fast leer, doch der Platz neben ihr war belegt.

Dain saß neben ihr, ihre Hand lag in seiner. Mit dem Daumen streichelte er ihren Handrücken.

Er ließ sie nicht gern los, als hätte er Angst sie noch immer zu verlieren.

Sie wandte den Kopf und lächelte ihn an.

Er strahlte zurück.

Gleich darauf gab er ihr einen schnellen Kuss.

Mayas Lächeln wurde weicher.

In den letzten Wochen waren sie viel vertrauter miteinander geworden.

Es war schon irgendwie seltsam auf einmal einen Freund zu haben.

Besonders einen, der oft viel unsicherer und zaghafter zu sein schien als sie, was die Zweisamkeit anging.

Dann wiederum...

Dain konnte genauso gut recht...forsch sein...gierig.

Ein leichter Schauer rieselte durch Mayas Körper, als sie daran dachte.

Dain.

Ihr Freund.

Ihr Dain.

Nun war sie es, die sich vorbeugte und ich ihn küsste.

"Ich liebe dich.", flüsterte er leise und strich liebevoll durch ihr Haar.

"Ich dich auch!" , antwortete sie und fuhr mit der Fingerspitze an seinem Ohr entlang.

Dain schloss glücklich die Augen.

Draußen zogen Felder und Städte vorbei.

Egal ob grün oder grau, Hauptsache sie waren zusammen!

Maya freute sich schon auf ihre gemeinsame Zeit in Köln.

Im grünen, stillen, ein wenig verschlafenen Beckum hatten sie sich gefunden...Sie würden auch die graue Silhouette der Großstadt genießen können.

Nur er und sie.

Zusammen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von:  Miko_Milano
2007-07-04T00:39:35+00:00 04.07.2007 02:39
Hi süße!^^

Ich muss sagen, ich mag die Story! Obwohl ich weder ein Fan von hetero-love-storys bin, noch etwas für happy ends übrig habe (es sei denn, es ist boys love! xD)!

Ich weiß nicht, aber teilweise passen die charas am anfang sehr sehr gut auf mich und jemanden, den cih kenne! *lach*
Diese kühle art, das ignorieren, das macht er auch dauernd, und im nächsten moment ist er freundlich und redet mit mir als ob nie was gewesen wäre! Öö"
Oft ärgert es mich sehr und ich würde ihm am liebsten an den Hals springen und kräftig zudrücken! xD"
Nyoa...aber trotzdem bin ich immer wieder diejenige die ihn begrüßt und freundlich zu ihm ist! *drop*

Jedenfalls mag ich die Story! Hast du sehr schön geschrieben!
ein wenig unrealistisch und doch so realistisch! *lach*

Meld dich mal wieder bei mir süße!^^
Hab dich lüb *knuffz*
Miko
Von: abgemeldet
2007-04-29T16:53:59+00:00 29.04.2007 18:53
hallo! ^^
Diese Story war wirklich richtig cute!!! Hat mir total gefallen, hatte irgendwie n gewisses ruhiges Flair...das mag ich gerne^^
Andererseits war sie auch ziemlich... na ja unlogisch oder?
Solche Zufälle, ich mein... Na ja, egal, möglich is alles! :D
Was solls,war jedenfalls eine der allesbesten FFs die ich in dr ganzen letzten Zeit so gelesen hab!
Konnte mich auch gut mit der Hauptperson identifizieren, ich hab auch braune Haare, bin blass und hab ne Brille...
Bis jetzt ist mir aber (noch? xD) kein Dain übern Weg gelaufen.... ;_; :P
Okay was noch?
Mach auf jeden Fall weiter so!
Fuku

P.S:
An Some Days kommt diese Story, (so unglaublich genial sie auch ist), übrigens nicht an! xD
Some Days 4ever and ever and ever! *Fähnchen schwenk*
^^
Von:  Carnidia
2007-03-10T20:34:24+00:00 10.03.2007 21:34
Wie immer ist diese FF einfach großartig ^.^
Zwar war storytechnisch nichts 'besonderes' dabei, aber die Landschaftsbeschreibungen waren wunderschön und die Gefühle der Beteiligten toll beschrieben, man konnte sich wieder sehr leicht hineinfühlen. X33
Danke und bis hoffentlich bald,
Carnidia
Von: abgemeldet
2006-10-19T18:17:04+00:00 19.10.2006 20:17
Hallo
Ich wollte Dir umbedingt schreiben das ich deine FFs SUPI SUPI MEGA ROMATISCH UND OBER SÜSSSSSSSSSSSSSS gefunden habe.^^Ich hab diese Geschichte zu meinen Lieblings geschichten abgespeichert,damit ich sie immer wider Lesen kann.Mach weiter so^^
ICH DANKE DIR RECHT HERZLICH FÜR DEINE GESCHICHTE^^
Liebe Grüsse Katzentigerin
Von:  Ratana
2006-07-05T13:19:46+00:00 05.07.2006 15:19
Schöööön!!!!
*seufz*
richtig fesselnd!^^
Weis gar nicht, wie ich meine gedanken ausdrücken soll, so sehr hat es mir gefallen!!!!!!!!!

ich hab zwar eine stunde gebracht, um es zu lesen, aber es hat sich definitiv gelohnt!^^
*träumend auf wolke sieben schweb*

lg
Von: abgemeldet
2005-09-24T17:33:31+00:00 24.09.2005 19:33
Woa , dass war jaa soo schön !! Eigentlich hatte ich nur beabsichtigt kurz deine Story zu überfliegen , aber schon nach dem ersten Seite war klar , dass ich alles verschlinge würde !! Du hast alles super rüber gebracht !! Einfach genial !! Wenn du ma wieder soetwas schreibst , dann gib mir büdde bescheid.... kannst dir sicher sein, dass ich mir das dann durchlesen werde ;)

Noch ma ein fettes Lob an dich !! Fühl dich bewundert ;)
Von:  Taoya
2005-09-16T08:15:38+00:00 16.09.2005 10:15
Echt knufflige Story!!^^ *vorsichhinträumt* Da wünschte man sich doch fast in den Zug...
Sowas darfst du ruhig öfter schreiben!!^_____^
Byebye, Taoya
Von:  Lorelei89
2005-09-14T12:15:01+00:00 14.09.2005 14:15
wooooooowwwwwwwwwww echt klasse schreib bitte weiter so schöne sachen ok?mehr kann ich nicht dazu sagen bitte ibtte bitte könntest du mir dann bitte bescheid sagen?

bye deine lorelei89
Von: abgemeldet
2005-09-13T19:15:34+00:00 13.09.2005 21:15
*sabber* Könntest du noch mehr solcher sachen produzieren?

ich fand longing for schon den absoluten hammer, aber die hält ja locker mit und deine neue geschichte... seufz,

Ich bin schlichtweg atemlos, begeistert... Einfach eine umwerfende Geschichte...

deine san79
Von:  Caith
2005-09-13T15:18:04+00:00 13.09.2005 17:18
diese geschichte O.O
so lang ^^
aber ... zuallererst ... ich weiß, eigentlich sollte man damit nich anfangen, aber das is kürzer und geht deswegen am schnellsten ^^.. ich konnte nich anders ^^" *verbeug* tut mich so sorry .. aber du hast da doch ein paar klitzekleine fehlerchen was die groß und kleinschreibung angeht ... ansonsten ...

das is eine sooo herrliche story *träum*
die beschreibungen sind einfach wunderbar ... man kann sich alles real vostellen und beckum is bestimmt eine knuffige schöne stadt O.O
allein der friedhof .... der is bestimmt sogar gemütlich ... ja, klingt komisch, aber ich hoffe du verstehst was ich meine .. waren da nich die kaninchen? bah, ich hab es schon wieder vergessen *selberhau*
und sonst ...
die beiden sind ja auch herzallerliebst ^^
die geschichte is so schön romantisch O.O
einfach gelungen *nick*
*daumenhochhalt*
*fähnchenwedel*
schön schön ^_______^
*knuffel*


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