Zum Inhalt der Seite

Dunkle Schwingen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Mit einem kräftigen Ruck schlug Hauptmann Garbon die Zeltplane beiseite und trat ins Freie. Die Sonne stach ihm in die Augen, blinzelnd sah er sich um, und bemerkte zufrieden wie emsig die Soldaten mit der Ausgrabung beschäftigt waren, Disziplin und Gehorsam zählten für ihn viel. Sein Zelt stand auf einer kleinen Anhöhe, nach einem kurzen Abstieg gelangte man auf eine etwas größere flache Ebene, die von Anhöhen dieser Art eingerahmt wurde, ungefähr in der Mitte der Ebene stand ein großes steinernes Gebilde. Der Zahn der Zeit hatte zu lange daran genagt um erkennen zu können was es einst darstellen sollte, einige Soldaten meinten ein Gesicht darin erkennen zu können, andere bezeichneten es einfach als einen großen unbehauenen Klotz. Garbon gehörte zu dieser Sorte, er hatte nichts übrig für solche antiken Bauwerke, aber es war ihm befohlen worden hier nach einem Fragment eines Steines zu suchen, den sogenannten Geisterstein.

Garbon kannte sich nicht mit den Mythen der alten Zeit aus, dass überließ er anderen. Seine Aufgabe war es in diese Ruinen hineinzugelangen, dass Artefakt herauszuholen und zu General Baal zu bringen, dann würde ihm sicherlich eine Beförderung winken. Er schwelgte noch etwas in dieser Vorstellung und machte sich schließlich an den Abstieg unten angekommen hielt er einen Soldaten an und rief in seinem beinahe angeborenen barschen Tonfall: "Stillgestanden Soldat und geben Sie mir einen Lagebericht! Wie gehen die Grabungsarbeiten voran?" Der Soldat blieb sofort stehen, salutierte und rief mit etwas zitternder Stimme: "Die Grabungen gehen gut voran, wir werden bald durch das Gestein am vermeintlichen Eingang durchgebrochen sein, Sir!" "Gut, gut", erwiderte Garbon eine Spur freundlicher fuhr aber dann in dem alten Tonfall fort, "Sind die...." Weiter kam er nicht, da ein lautes Krachen ertönte, gepaart mit den Schreien einiger Soldaten. Garbon zögerte keinen Moment und lief zu dem steinernen Gebilde, da der Krach aus dieser Richtung zu stammen schien. Der Soldat folgte ihm, nachdem er sich von seinem Schreck erholt hatte.

Der Hauptmann war bereits an den Ruinen angelangt und sondierte die Lage, überall war Staub in der Luft, Soldaten lagen verletzt herum, anscheinend gab es einen Steinschlag. "Verdammt alte Gemäuer, konnten noch nicht einmal richtig bauen damals...", murmelte Garbon vor sich hin. Er brüllte einige Anweisungen zur Versorgung der Verletzten. Nachdem der Staub sich gelegt hatte, wußte er was genau passiert war; die restlichen Steintrümmer, die den Weg in das Innere der Ruinen versperrte, waren zusammengebrochen und hatten einige der arbeitenden Soldaten begraben. Die wenigen Verluste nehme ich gerne hin, wenn ich nur endlich in diese verfluchten Ruinen komme, dachte er bei sich.

Schnell rief er einen Soldaten herbei und trug ihm auf, jeden Mann vor dem Eingang zu versammeln. Bald würden sie das Geheimnis dieser Gemäuer ergründen können.
 

"Heute ist es endlich soweit! Wir können unseren Auftrag erfüllen und uns die Schätze dieser Ruinen für das Wohl der Garlyle-Truppen aneignen. Ich erwarte von euch absolute Disziplin, Gehorsam und vor allem höchste Konzentration! Wir werden unseren Beitrag für das Gelingen der Operation leisten!", rief Garbon, den versammelten Soldaten zu. Diese brüllten ihm ihre vollkommene Loyalität zu. Eigentlich war es ihm egal, ob sie ihm vertrauten oder nicht, wer nicht gehorchte wurde bestraft, es war ein einfaches Prinzip, aber ein Effektives, befand der Hauptmann.

Er wählte 10 seiner besten Leute aus, die ihn in die Ruinen begleiten sollten. Die übrigen Soldaten sollten den Eingang absichern um mögliche Einstürze zu verhindern. Sein engster Vertrauter Neron trat an ihn heran, Garbon schätzte ihn, er war diszipliniert, gehorsam und loyal, alles was ein guter Soldat sein sollte. Nero salutierte vor ihm. "Was gibt es, Soldat Nero?" "Hauptmann, wenn ich so vermessen sein darf, ich bitte Sie darum mich ebenfalls in die Ruinen mitzunehmen!" Garbon war überrascht, er hatte Neron absichtlich zurücklassen wollen, damit das Lager in einigermaßen fähigen Händen war. "Darf ich fragen, was sie zu einer solchen Bitte treibt? Ich habe ihnen befohlen, hier zu verweilen und das Lager zu beaufsichtigen! Wollen Sie sie mich meinen Befehlen widersetzen?!" Er hatte sich in Rage geredet und war immer lauter geworden. "Mit Verlaub Sir, ich möchte ihnen bei der Mission beistehen... ich habe...", Neron brach ab und setzte neu an, "Darf ich offen sprechen, Sir?" Der Hauptmann nickte als Antwort knapp und runzelte die Stirn. "Ich habe ein...schlechtes...Gefühl bei dieser Unternehmung! Wir sollten vorsichtig sein, vor allem Sie als Anführer der Truppe!", sprach Neron zögerlich. Der Hauptmann blieb vorerst still, dann fing er, zur Verwunderung Nerons an zu lachen. "Sie haben also ein schlechtes Gefühl? Was denken Sie denn was passieren könnte? Außer ein paar Steinen und vielleicht einigen Fledermäusen gibt es nichts in diesen Ruinen." Nero setzte dazu an etwas zu erwidern, doch Garbon kam ihm zuvor: "Ich möchte nichts mehr über irgendwelche Gefühle hören, sie werden ihren Befehlen Folge leisten, habe ich mich klar ausgedrückt, Soldat?" "Verstanden, Sir!", sagte Nero leise, salutierte und ging auf seinen Posten, dabei blickte er noch einmal zu dem Eingang. Es war Abend geworden, die Versammlung der Soldaten und die Versorgung der Verwundeten hatte sehr lange gedauert, daher mußten sie die Erkundung auf den nächsten Morgen verschieben, der Hauptmann war aus der Haut gefahren. Er blieb stehen und starrte weiterhin den Eingang an, der ihm im Dunklen fast wie ein offenes Maul einer Bestie vorkam. Es fröstelte ihn. Er sagte zu sich selbst, dass der Hauptmann wahrscheinlich Recht habe, dennoch konnte er sich dieses Gefühls nicht erwehren, dass etwas passieren würde, etwas Schreckliches.
 

Am nächsten Morgen stand die Expedition bereit um in die Ruinen vorzustoßen. Garbon erteilte einige letzte Befehle an die Soldaten, die im Lager zurückbleiben würden und begab sich dann an die Spitze des Trupps und führte sie durch den spärlich beleuchtenden Eingang in das Innere der Ruinen. Sie gelangten in einen kleinen Raum, dessen Wände glatt und ohne jegliche Verzierung waren. Am Ende des Raumes konnte Garbon eine kleine Absenkung im Boden entdecken, die neben den glatten Böden und Wänden merkwürdig Fehl am Platze wirkte. Er winkte seine Männer herbei, die in der Zwischenzeit den Rest des Raumes in Augenschein genommen hatten, sie hatten nichts entdeckt. Der Hauptmann trat näher an die Absenkung, sie war höchstens einen Schritt tief. „Merkwürdig“, murmelte er vor sich hin. In der Mitte der Absenkung befand sich ein kleines Mosaik in dessen Mitte ein Stein eingebettet war. Garbon stockte der Atem. Ist das etwa der Geisterstein? Kann es wirklich so einfach sein? Dann stellte sich jedoch Ernüchterung ein, dies konnte nicht der Stein sein den er suchte, er hatte es erst in dem fahlen Licht nicht erkannt, doch nachdem er den Stein näher in Augenschein genommen hatte, erkannte er, dass die rechte Seite des Steins hellblau und die andere hellrot war, aber der Geisterstein war der Beschreibung nach, die er erhalten hatte, grün. „Verdammt“, fluchte er laut. Die Soldaten schauten ihn überrascht an. „Das ist nicht der Stein den wir suchen!“, brüllte er. Die Gesichter der Soldaten spiegelten Enttäuschung und Unzufriedenheit wieder, alles war umsonst gewesen. Garbon drehte sich immer noch fluchend um, er wollte wenigstens diesen zweifarbigen Stein mitnehmen, vielleicht war es ja ein wertvolles Artefakt. Er streckte seine Finger nach dem Stein aus und wollte ihn gerade berühren, als ihn ein Soldat ansprach: „Sir, was sollen wir jetzt tun?“ Garbon hielt inne und drehte seinen Kopf zu dem Sprecher, dann schritt er langsam auf ihn zu, er hatte ihn als Opfer auserkoren an dem er seine Wut und seine Enttäuschung auslassen wollte. Der Hauptmann setzte zu einer Schimpftirade an, als er plötzlich ein scharfes Sirren in der Luft vernahm und er im nächsten Moment von einer warmen Flüssigkeit am Hinterkopf getroffen wurde. Er packte sich erschrocken an den Hinterkopf und besah sich danach seine Hand, sie war voller Blut. Er drehte sich um, seine Männer waren ebenfalls teilweise mit Blut besprenkelt, alle sahen zu der kleinen Absenkung herüber, in der ein Soldat lag. Sein Kopf war sauber abgetrennt worden, die Ursache dafür war ein Pendel an dem eine scharfes Sensenblatt hing, dass nun im Raum schwebte und sachte hin und her schwang.

Die übrigen Soldaten waren starr vor Schreck, keiner gab einen Laut von sich. Garbon fing sich schnell wieder und besah sich die Lage genauer, anscheinend hatte der Unglückliche ebenfalls den Stein in der Absenkung bemerkt und hatte ihn herausziehen wollen, dabei schien er einen Mechanismus ausgelöst zu haben. Er sah sich weiter um, schließlich entdeckte er an einer Wand einen kleinen Einschnitt aus dem anscheinend, dass Pendel gekommen war. Glück gehabt, dachte er bei sich ohne viel Mitleid mit dem Soldaten zu haben. Schließlich wendete er sich wieder zu den anderen Soldaten und fuhr sie herrisch an: „Was steht ihr hier wie angewurzelt rum, schafft den Körper und dieses vermaledeite Stück Metall hier heraus, das Gependel macht mich wahnsinnig“. Die Soldaten erwachten aus ihrer Starre und kamen zögerlich den Befehlen nach, sie fürchteten, dass sich weitere Fallen in diesem Raum befinden könnten, doch die Furcht vor ihrem Hauptmann,dem ein Menschenleben nur sehr wenig bedeutete, war größer. Garbon sah zu wie seine Männer die Leiche entsorgten, als ihm plötzlich eine Idee kam. Er winkte einen Soldaten herbei und trat mit ihm an die Absenkung. „Zieh den Stein da heraus“, befahl er ihm. Der Soldat wurde blaß und blickte voller Entsetzen auf das Blut, das immer noch an dem Stein haftete. „Worauf wartest du? Oder willst du wegen Befehlsverweigerung erschossen werden?“, brüllte ihn Garbon an. Der Soldat zuckte zusammen und streckte die Hand zitternd nach dem Stein aus, seine Finger kamen dem Stein immer näher, nur noch ein winziges Stück fehlte. Dann berührte er den Stein. Doch nichts geschah. Der Soldat atmete erleichtert aus und zog an dem Stein und riß ihn aus dem Mosaik heraus. Ein dumpfes Rumpeln ertönte, schnell traten beide ein Stück zurück, als sich der Boden der Absenkung beiseite schob und den Blick auf eine Treppe freigab. Ein Geheimgang, dachte Garbon bei sich. Er frohlockte in Gedanken, nahm dem erstaunten Soldaten den Stein ab und rief die anderen Männer zusammen.

„Sieben von euch werden mit mir da hinab steigen, die anderen beiden werden hier oben bleiben und dafür sorgen, dass der Geheimgang offen bleibt“, wies Garbon seine Männer an. Zudem befahl er, dass jeder noch eine zusätzliche Fackel mitnehmen sollte. Er trat zusammen mit den Soldaten an die Treppe und wollte bereits die erste Stufe betreten, als er es sich doch anders überlegte. Er deutete auf zwei von seinen Begleitern und wies sie an vorauszugehen. Sicher ist sicher, ich will mein Leben nicht in diesem Drecksloch verlieren, dachte er bei sich. Dann betrat er die spärlich beleuchtete Treppe und ging seinen Leuten hinterher, die anderen fünf folgten ihm und bildeten den Abschluß der Truppe. Düster erstreckte sich die Treppe vor ihm, immer weiter ging es in das Unbekannte hinein.

Es kam ihm vor als wären er und seine Männer schon Stunden unterwegs, dabei war es vielleicht höchstens eine. Die Treppe schien kein Ende zu nehmen, sein Gemütszustand verschlechterte sich immer weiter. Verdrossen blickte er hin und wieder zu den Wänden, die ebenso schmucklos waren wie in dem anderen Raum. Zumindest keine weiteren Fallen, dachte er bei sich und richtete den Blick wieder nach vorn. Er sah die beiden tanzenden Lichter vor sich, die von den Fackeln der Vorhut stammten, die Soldaten selbst konnte er nicht genau ausmachen. Urplötzlich verschwanden die Lichter vor ihm und er hörte ein langgezogenes Schreien, dass von einem grausigen Krachen beendet wurde. Garbon blieb stehen und blickte angestrengt in die Dunkelheit, währenddessen waren auch die übrigen Soldaten bei ihm angekommen. Er beachtete sie nicht und ging vorsichtig voran, er war kurz vor der Stelle an der die beiden verschwanden. Der Hauptmann hielt die Fackel vor sich um besser sehen zu können, als ihm gewahr wurde, dass er nur einen Schritt entfernt vor einem tiefen Loch stand. Eine Falltür, eine gottverdammte Falltür, durchfuhr es ihn in Gedanken. Der Rest seiner Truppe war ihm weiter gefolgt, keiner von ihnen sprach ein Wort. Schnell nahm er einem die Fackel ab und warf sie in die Finsternis des Abgrundes. Sie fiel fauchend in die Schwärze und erhellte den langen Schacht kurz bevor sie im Flug verlöschte. Ein leises Knallen ertönte, die Fackel war anscheinend unten angekommen. „Gehen wir weiter“, rief er nach hinten und ging vorsichtig am Rand des Loches vorbei, die Soldaten folgten ihm weiterhin ohne einen Laut von sich zu geben. Dennoch konnte er ihre Angst beinahe spüren, verdenken konnte er es ihnen nicht und auch wenn er es nie zugegeben hätte, er selbst fürchtete sich ebenfalls. Dieses verdammte dunkle Gemäuer, es kostet mich mehr Soldaten als ich erwartet habe, aber Befehl ist Befehl, ich darf auf gar keinen Fall zögern. Unvermittelt hörte die Treppe auf, Garbon schreckte aus seinen Gedanken hoch und besah sich den Gang der vor ihm lag und schon nach kurzer Zeit in einen größeren Raum zu münden schien. Er rief seine Männer herbei und ging den Gang entlang, als er ein leises Klicken bei einem seiner Schritte vernahm. Es durchfuhr ihn eiskalt, er hatte eine Falle ausgelöst. Geistesgegenwärtig ließ er sich zu Boden fallen, es war keine Sekunde zu früh. Aus den Wänden links und rechts neben seiner Position schossen zwei Speere hervor und durchbohrten den unglückseligen Soldaten, der neben ihm gegangen war. Er vernahm nur noch ein leises Gurgeln dann war es ruhig, die Speere hatten dem Soldaten den Hals durchbohrt. Langsam richtete sich der Hauptmann auf, besah sich den Toten kurz an dessen Stelle er um ein Haar gewesen wäre und ging weiter. Seine Begleiter hingegen blieben keineswegs so ruhig. „Das ist eine einzige verfluchte Todesfalle. Wir werden hier unten elendig verrecken“, schrie einer voller Furcht. Doch Hauptmann Garbon ließ nicht zu, dass die Disziplin seiner Männer nachließ und streckte den Schreihals mit einem gezielten Fausthieb nieder. „Ruhe, du feiger Hund. Wir sind Soldaten, keine Angsthasen, also benimm dich gefälligst auch so“, knurrte er. Die Demonstration hatte gewirkt, schnell schlossen die übrigen Soldaten zu ihrem Anführer auf, der Geschlagene erhob sich langsam wieder, eine Hand hielt er auf seine blutende Nase, dann folgte er den anderen wortlos, er wollte nicht noch einmal in Ungnade fallen.

Sie gelangten an das Ende des Ganges und betraten den Raum, in den der Weg mündete. Kaum, dass der erste Soldat den Raum betreten hatte, erstrahlten die Wände des Raumes und überfluteten die Männer mit hellem Licht, geblendet schlossen sie die Augen. Schließlich verblaßte das Licht etwas und die Augen der Soldaten gewöhnten sich an die Helligkeit. Garbon blickte sich genau wie seine Männer staunend um. Sie standen in einem großen Raum, dessen Decke einer Kuppel glich, überall waren Edelsteine der unterschiedlichsten Art angebracht, die anscheinend auch für das Licht verantwortlich waren, was sie zum Leuchten brachte, vermochte der Anführer des kleinen Trupps nicht zu sagen. Aber nicht nur Edelsteine zierten die Wände und die Decke, zahlreiche Mosaiken, deren Bilder die Soldaten nicht verstanden. Doch das prächtigste Gebilde war das riesige Tor am Ende bzw. vielmehr dessen Pfosten. Es waren zwei große Statuen, die anscheinend Menschen besser gesagt Frauen darstellen sollten, sie bestanden aus einem, den Soldaten unbekannten, makellos weißen Stein. Beide hatten ihre Arme nach oben gereckt, ihre feingeschnittenen Gesichter blickten ebenfalls in diese Richtung. Der Stein war so bearbeitet worden, dass es aussah als trügen die beiden steinernen Frauen Kleider. Merkwürdig war jedoch ein ganz anderes Merkmal, dass die Soldaten wiederum daran zweifeln ließ, ob es sich hierbei tatsächlich um Menschen handle. Beide Frauen hatten Flügel auf ihrem Rücken.
 

Die Soldaten schwärmten auf Befehl Garbons aus und durchsuchten den Raum nach dem Geisterstein, der Hauptmann war derweil an das große Tor herangetreten. Auch wenn ihm nicht an Kunst gelegen war, so konnte er dennoch eine gewisse Bewunderung nicht verbergen. Die Statuen waren ohne jeden Makel, all die Jahre in der Vergessenheit dieser Ruinen hatte ihnen nichts anhaben können. Garbon war sich sicher, dass hinter diesem Tor etwas Bedeutendes aufbewahrt wurde. Hinter diesem Tor muss der Geisterstein liegen, all die Mühe darf nicht umsonst gewesen sein, versuchte er sich selbst Mut zu machen. Er begann damit das Tor genauer zu untersuchen um herauszufinden wie man es öffnete, eine Art Hebel oder etwas vergleichbares, doch es war vergebens. Es gab anscheinend keine Möglichkeit das Tor zu öffnen. Seine Männer hatten ebenfalls nichts entdecken können, ihr Anführer war außer sich. Das darf nicht wahr sein, es darf einfach nicht wahr sein, nur noch dieses eine Hindernis, dann bin ich am Ziel, es muss eine Möglichkeit geben es zu öffnen, es muss! , ermahnte er sich in Gedanken und blickte angestrengt auf das Tor. Überall nahm er das Funkeln und Blitzen der Edelsteine wahr, doch er versuchte es auszublenden. Sein Blick wanderte das Tor entlang hinauf zu den Statuen, deren merkwürdige Flügel bildeten den Torbogen, er betrachtete die Statuen eingehender und bemerkte, dass sie doch nicht nur aus diesem weißen Stein bestanden. Er hatte es aus der Ferne und durch das Funkeln der anderen Edelsteine nicht bemerkt, doch in den Augenhöhlen der Statuen befanden sich ebenfalls Edelsteine. Diese Steine hatten sein Interesse geweckt, er blickte angestrengt zu ihnen herauf, dann traf ihn die Erkenntnis. Diese Juwelen sahen genauso aus wie der Stein, der am Eingang in der Absenkung eingebettet war. Schließlich sah er es, einer der Statuen fehlte ein Auge! Es war aufgrund der Höhe und des Lichts, das die anderen Steine reflektierten nur schwer zu erkennen. Schnell faßte er in seine Tasche und holte den Stein hervor, den er und seine Männer am Eingang gefunden hatten. Hoffnung breitete sich in ihm aus, konnte es sein, dass dieser Stein, das große Tor öffnete? Er ließ alle Soldaten zu sich kommen, und erklärte ihnen in kurzen, harschen Worten sein Vorhaben. Einer von ihnen sollte hinaufklettern und den Stein einsetzen. Garbon wählte einen von ihnen aus, es gab keinen Widerstand gegen die Befehle, die vorherige Demonstration hatte ihnen gezeigt, dass ihr Anführer nichts von Feiglingen hielt. Dem auserwählten Soldaten wurde ein Seil mit einem Enterhaken daran gereicht. Mit einem gezielten Wurf beförderte er das Seil an den Ansatz des ausgestreckten Arms der Statue und begann mit dem mühsamen Aufstieg. Garbon wartete ungeduldig und sah zu wie der Soldat immer höher stieg. Schließlich war er ohne Zwischenfälle oben angekommen, das harte Training, das der Hauptmann seinen Männern zumutete, hatte anscheinend Früchte getragen. Vorsichtig kletterte der Soldat nun auf das Gesicht zu, er befand sich nun auf der Schulter und überwand die letzten Meter, die ihn von dem Auge trennten. Obwohl er nicht derjenige war, der hinaufgeklettert war, stand Garbon der Schweiß im Gesicht, nicht etwa vor Sorge um den Soldaten, sondern viel mehr vor Aufregung. Er versuchte sich bereits auszumalen was sich hinter dem Tor befand. Derweil war der Kletterer an der richtigen Position angelangt und setzte den Stein behutsam in die Augenhöhle ein. Alle hielten gespannt den Atem an, Sekunden verstrichen in denen nichts passierte. Dann plötzlich erstrahlten die Juwelen mit unerwartetem Glanz, die Soldaten schlossen erneut geblendet die Augen. Garbon hörte ein leises Knirschen und dann einen Schrei gefolgt von einem dumpfen Aufschlag. Schließlich das Licht nach und der Hauptmann sah, dass das Tor sich tatsächlich geöffnet hatte zudem hatten die Statuen ihre Arme gesenkt, dies hatte anscheinend dem Soldaten den Halt gekostet. Er war abgestürzt und lag nun zerschmettert vor seinen Kameraden. Doch keiner der Soldaten beachtete ihn. Alle starrten gebannt auf das was sich hinter dem Tor befand.
 

Die Soldaten blickten in einen vergleichsweise kleinen Raum, der allerdings genauso hoch war, wie der in dem sie sich befanden. Die Wände des Raumes bestanden aus riesigen Mosaiken, die Szenen aus längst vergangener Zeit darstellten. An der Decke befand sich ein gigantischer Kristall, der mit seiner Spitze auf die Mitte des Raumes zeigte. Dort befanden sich zwei Steinsärge, die aus dem gleichen Material gemacht worden waren, wie die Statuen. Auf den Särgen waren Abbilder der großen Statuen zu sehen. Sie hatten jedoch im Gegensatz zu den Statuen ihre Flügel schützend um den Körper gelegt und diese hatten eine gänzlich andere Farbe. Die Flügel des einen Sarges waren hellrot, die des anderen hellblau. Garbon schritt langsam in den Raum hinein und gab seinen Männern mit einem Wink zu verstehen ihm zu folgen. Er stand nun direkt zwischen den Särgen und blickte sich um, trotz dieses unglaublichen Anblicks, machte sich Enttäuschung bei ihm breit, die alsbald in Zorn überging. Hier war kein Fragment des Steins. Er wollte seinem Zorn bereits freien Lauf lassen, als ihm die Särge erneut ins Auge stießen. „Los Männer, brecht die Särge auf!“, rief er seinen Untergebenen zu. Die Soldaten konnten sich nur langsam von der Pracht des Raumes lösen, doch sie gehorchten und traten an die Särge um sie aufzustemmen. Dann begann plötzlich die Erde zu beben.
 

Nero stand vor dem Eingang der Ruinen und beobachtete seine Kameraden bei der Arbeit. Er versuchte sich von den trüben Gedanken abzulenken, die ihn stets befielen wenn er das Bauwerk sah, trotz der Worte des Hauptmanns wurde er das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmte. Die Geschichte mit der Falle, die einem Soldaten das Leben gekostet hatte, trug nicht unbedingt dazu bei, dass dieses Gefühl verschwand, die Sorge um seine Kameraden wuchs. Sie waren schon mehrere Stunden unterwegs ohne, dass sich jemand von ihnen gemeldet hatte. Es war als hätte sie die Finsternis verschlungen. Hör auf so ein dämliches Zeug zu denken, schalt er sich in Gedanken, es gibt keinen Grund zur Sorge, die Suche dauert wahrscheinlich einfach nur länger als geplant. Er rief sich noch einmal die Worte des Hauptmanns ins Bewußtsein. „Ja“, murmelte er vor sich hin, „es gibt nichts in diesen Ruinen vor dem man…“. Weiter kam er nicht, da auf einmal die Erde anfing zu beben und ein helles Licht am Horizont erschien, es war tiefe Nacht und der Mond hatte nicht solch eine Leuchtkraft. Was ist das…? , fragte er sich erschrocken, als die nächste Überraschung über ihn kam. Eine große grünlich schimmernde Welle fegte vom Horizont her über das Land. Nero war sich sicher dem Tod ins Auge zu blicken, als die Welle schließlich über das Lager hinweg flog. Doch ihm geschah nichts, im Gegenteil die Welle fühlte sich merkwürdig gut an, wie ein warmer Frühlingswind. Nero verstand die Welt nicht mehr, auch die anderen Soldaten um ihn herum blickten verwundert umher. Wieder schoß eine grüne Welle über das Lager hinweg, diesmal war sie allerdings nicht allein. Sie wurde von einem riesigen gelben Lichterheer begleitet, die über das Lager hinweg und auf die Ruinen zu schwebten. Sind das etwa…Geister?!, fragte sich Nero erstaunt und gleichzeitig ergriffen von diesem Anblick.
 

Garbon fluchte unterdrückt, als er das Beben spürte. Hatten sie etwa eine weitere Falle ausgelöst? Er wollte seinen Männern gerade befehlen aus dem Raum zu verschwinden, als plötzlich hunderte von gelben Lichtern in den Raum flogen und sich um den riesigen Kristall an der Decke sammelten. Gebannt beobachteten Garbon und seine Männer dieses Schauspiel. Mit einem Mal, als würden die Lichter auf einen Befehl hin handeln, stießen sie von der Decke hinab und drangen in die Särge ein. Was zur Hölle ist das? Was machen diese Lichter hier? , doch Garbon fand vorerst keine Antwort auf diese Fragen. Immer mehr der Lichter flogen in die steinernen Särge hinein, diese fingen daraufhin an in einem unfaßbar grellen weißen Licht zu strahlen. Die Soldaten und ihr Anführer wurden zum dritten Mal geblendet.
 

Sie spürte Wärme. Nach all diesen Jahren spürte sie tatsächlich wieder etwas. Sie schlug überrascht die Augen auf, sie war umgeben von Licht. Nein, korrigierte sie sich in Gedanken selbst, ich bin umgeben von Geistern. Sie fühlte sich geborgen, aber war auch erstaunt, was war geschehen? Sie konnte sich nur noch vage an die Geschehnisse von einst erinnern, der größte Teil ihrer Erinnerung war verblaßt und an deren Stelle war eine große Schwärze getreten. War sie nicht in eben solch einer Schwärze all die Jahre umhergeirrt? Sie wußte es nicht mehr, verzweifelt versuchte sie sich an die vergangene Zeit zu erinnern. Die Geister schienen ihren Wunsch gespürt zu haben und fingen an ihren Kopf zu umschwirren. Mit einem Mal kamen Bilder vor ihr geistiges Auge. Die Geister lassen mich an ihrer Erinnerung teilhaben, dachte sie erfreut. Doch es waren zu viele Bilder, nur gelegentlich konnte sie etwas erkennen. Plötzlich hatte sie ein Bild von einer Frau vor Augen, die ihr beinahe glich, dann traf sie die Erkenntnis. „Schwester, wo bist du“, rief sie, doch ihre Stimme versagte, sie hatte sie einfach zu lange nicht mehr benutzt. Ihre Augen hatten sich derweil an die Helligkeit gewöhnt, sie befand sich in einem großen Raum und stand auf einer Art Sarg, über ihr war ein großer Kristall. An den Wänden waren Bilder zu sehen, Bilder die ihr sehr bekannt vorkamen. Immer mehr Erinnerungen kamen zurück, sie sah ein riesiges insektenähnliches Monster vor sich. Sie stand dort Hand in Hand mit ihrer Schwester, dann sah sie nur noch Dunkelheit vor sich. Sie schrie auf und preßte sich die Hände an den Kopf. Dann bemerkte sie plötzlich, dass sie nicht allein war, ein paar Schritte von ihr entfernt war ein weiterer Sarg vor dem vier Männer standen. Sie trugen anscheinend Uniformen und hatten Waffen in den Händen, in ihren Gesichtern las sie Furcht und sie deuteten immer wieder auf den Sarg. Dann erkannte sie mit einem Mal auf wen die Männer deuteten, auf dem Sarg stand ihre Schwester. Sie war erleichtert und voller Freude, ihre Schwester war bei ihr! Dann sah sie wieder zu den Männern, die ihre Waffen erhoben hatten. Wieder überkamen sie Erinnerungen, Bilder leuchteten auf, düstere Bilder in denen sich Menschen gegenseitig bekämpften, sie sah die Gier, den Zorn und die Mordlust in ihren Augen. Angst überkam sie, doch die Bilder stoppten nicht. Anscheinend zeigten ihr die Geister alles was bis zu dem Zeitpunkt ihres Erwachens geschehen war. Sie sah einen einzelnen Mann vor einem grünlich schimmernden Stein stehen über ihm schwebte ein kokonartiges Gebilde. Er rief etwas und entblößte einen entstellten Arm, der zuvor von seinem Umhang verdeckt worden war. Mit einem Mal kam Leben in den Kokon, er bekam Risse und brach schließlich ganz auf. Daraus hervor kam wieder das insektenartige Monster, dass sie schon zuvor gesehen hatte, hinzu kamen immer wieder Bilder von Menschen, in deren Augen die Gier funkelte. Wieder schrie sie auf und preßte die Hände erneut an den Kopf. Nun wußte sie es wieder, dieses Monster war Gaia und sie und ihre Schwester hatten sich einst geopfert um die Menschen zu retten. Aber warum haben sie Gaia wieder auferweckt? Warum haben sie wieder Leid über die Welt gebracht? War das Opfer von mir und meiner Schwester etwa sinnlos? Hat es den Menschen nichts bedeutet? Verschwommen nahm sie nun andere Bilder war, sie sah einen Jungen mit einem Schwert, neben einem grünhaarigen Mädchen stehen, sie versuchte die Bilder zu verscheuchen, sie hatte genug gesehen. Doch dann zog etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich . Ihre Schwester war von ihrem Sarg gestiegen und trat auf die Männer zu um diese zu beruhigen. Sie war nur einen Schritt von dem Mann in der blauen Uniform entfernt. Die Männer reagierten nicht, hielten aber weiterhin ihre Waffen fest umklammert. Dann tat ihre Schwester einen weiteren Schritt auf die Menschen zu und wollte ihre Stimme erheben, als der Mann in der blauen Uniform mit seinem Schwert zuschlug und ihr die Klinge tief in den Körper trieb. Nun begannen auch die anderen Männer mit ihren Waffen auf sie einzuschlagen. Nein, nein, nein das kann nicht sein! „Nein, aufhören!“, schrie sie vergeblich. Warum haben sie das getan? Warum haben die Menschen das getan? , fragte sie sich voller Verzweiflung und Trauer. Wir haben uns für die Menschen geopfert damit sie weiterleben können! Warum tun sie meiner Schwester das dennoch an? Etwas erwachte in ihr bei diesen Gedanken. Wieso kämpfen die Menschen gegeneinander und töten Unschuldige? Das Erwachte in ihr raunte ihr etwas zu, doch sie verstand nicht. Warum leben sie nicht in Frieden und Freundschaft miteinander, sondern streben nach Macht? Die Stimme in ihr war nun deutlich zu hören: Weil sie böse und verdorben sind, sie sind der wahre Grund für die Erweckung Gaias, sie sind der Grund für alles Leid. Sie vernahm die Worte und eine Emotion, die sie bisher nur selten gespürt hatte, regte sich. Die Menschen haben stets nur Schlechtes gebracht, sie bringen nur Tod und Zerstörung. Mit einem Mal war ihr alles so klar, ihre innere Stimme, hatte Recht, so Recht. Die Menschen trugen die Schuld, Schuld an der Erweckung Gaias und Schuld an dem Tod ihrer Schwester. Die Menschen müssen aufgehalten werden! Die Welt muss von ihnen gereinigt werden! Sie erkannte nun auch welche Emotion aus ihr sprach, es war Haß!
 

Garbon schlug ein letztes Mal auf die Kreatur ein um sicher zu sein, dass sie tot war, dann wand er sich der Nächsten von beiden zu, die vollkommen regungslos da stand. Er winkte seine Männer herbei und gemeinsam umzingelten sie die verbliebene Bestie. Er blickte die Kreatur an und sah ihre hellroten Flügel. „Tötet sie“, schrie er und wollte mit gezücktem Säbel nach vorne springen. Als sich die Kreatur zu regen begann, sie hob ihren Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Er erschrak, diese Augen waren nicht normal. Sie leuchteten düster und waren voller Haß, plötzlich bemerkte er, dass sich auch die Flügel verändert hatten. Sie waren nun nicht mehr hellrot, sondern schwarz. Doch die Veränderungen waren damit noch nicht abgeschlossen, die einst blonden Haare, hatten eine rote Färbung, beinahe wie Blut, angenommen. Die Haut hatte eine ungesunde Blässe angenommen, als wäre sie bereits tot. Er bildete sich sogar ein, dass ihre Zähne länger geworden seien. Dann fing die Bestie plötzlich an zu sprechen, ihre Stimme war glasklar: „Ihr tragt die Schuld!“ Er wußte nicht wovon sie sprach, aber er wollte es auch gar nicht herausfinden. Schnell gab er seinen Männern den Befehl anzugreifen, die zuvor durch die plötzlichen Veränderungen ebenso gestoppt hatten wie er. Doch die Männer kamen zu keinem Angriff, die Augen der Bestie leuchteten auf und mit einem Mal standen die Soldaten in Flammen, vor Schmerzen schreiend versuchten sie das Feuer zu löschen, doch es wiederstand ihren Versuchen und verzehrte sie alle, es blieb nichts übrig als Asche. Zitternd stand Garbon vor der Kreatur und bemerkte flüchtig, dass die seltsamen Lichter verschwunden waren. „Wer oder was bist du?!“, fragte er ängstlich. Die Kreatur antwortete ihm nicht sondern trat neben ihn, nahm einen Säbel der Soldaten in die Hand und schlug ihm, mit einer beinahe anmutigen Bewegung, den Kopf von den Schultern. Mitleidslos betrachtete sie den Kopf.

„Ich bin Elia, die Ikarierin!“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück