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Life is a Gamble

Jounouchi/Kaiba
von

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Kapitel 11

Er staunte immer noch über die schönen, exotischen Pflanzen und wandte seinen Kopf suchend hin und her. Irgendwo hier musste Kaiba doch stecken. Durch diese Pflanzenpracht hatte er wenig Möglichkeit die Umgebung gut zu durchblicken, also musste er sich vorsichtig voran tasten, um bloß nicht in eine Falle des Firmenleiters zu treten. Das hier war immerhin ein Überraschungsangriff! Fragend blieb er vor einer der exotischen Pflanzen stehen. Allein die Zusammensetzung empfand er als eigenartig. Er fühlte sich, als wäre er inmitten eines Regenwalds gelandet. Palmenblätter und gigantisch wirkende Bäume, deren breite Wurzeln das Vorankommen schier unmöglich machten. Am Boden Laub und Pilze. Wo war er denn hier gelandet?! Hier und da bunte Blüten, die prachtvoll und besonders kontrastreich sich von dem satten Grün abhoben. Orchideen, die nicht nur unglaublich hübsch anzusehen waren, sondern auch seine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Abgelenkt von den schönen Blumen, ließ er seine Umgebung außer Acht.
 

Gerade, als er glaubte, über eine Wurzel zu stolpern, zog sich sein ganzer Körper vor Schreck zusammen. Scheiße, jetzt würde er auch noch den Kaffee verschütten! Moment, der war gerade so ziemlich nebensächlich, er wollte sich keinesfalls seine hübsche Nase brechen. Mit großen Erstaunen stellte er fest, dass er immer noch auf beiden Beinen stand und dass die Wurzel keinerlei Substanz hatte.
 

»Das sind alles Hologramme? Die sehen so echt aus! Ist das etwa das neue Hologrammsystem, das Kaiba vorstellen will? Ich gebe es ungern zu, aber ich bin positiv überrascht...«, beendete er seinen Gedankenmonolog und machte sich auf den Weg, um den Firmenchef zu finden. Musste echt praktisch sein, allein mit technischen Hilfsmitteln die gesamte Welt ins Wohnzimmer zu holen, so brauchte man gar nicht aus dem Haus gehen und sah trotzdem viel von der Welt. Jounouchi blieb erneut stehen. Auf dem Boden sah er eine rote Blüte, die an ein Pokémon erinnerte. Wie hieß das Ding nochmal? Rafflesia? Bestimmt war das Pokémon von dieser Pflanze inspiriert. Wieder was dazugelernt, stellte er fest und ging weiter.
 

Hinter den mit Lianen zugewucherten Bäumen, konnte er eine weiße Liege und einen weißen Tisch erkennen. Diese Gartenmöbel stachen derart aus der restlichen Kulisse hervor, dass man sie nicht übersehen konnte. Da war der Endboss. Nochmal ganz tief durchatmen und wieder zur Ruhe kommen. Jetzt nochmal die Ausrüstung checken! Dueldisk? Check! Deck? Check! Gutes Aussehen? Doppel und dreifach Check! Da konnte doch nichts mehr schief gehen!
 

Er kam den Tisch näher und blieb nur einen Meter von Kaiba entfernt stehen. Dieser hatte die Augen geschlossen und schien ihn nicht bemerkt zu haben. Auf dem Tisch lag sein Deck und einige Unterlagen. Jetzt musste ihm ganz schnell ein ziemlich cooler Spruch einfallen... nur was?
 

Verdammt, das war gar nicht so einfach. Dabei wollte er sich doch besonders cool inszenieren, aber jetzt, wo er Kaiba beinahe hilflos vor sich liegen sah, blieb ihm die Spucke weg. Schlief er etwa? War der sonst so perfekte Kaiba etwa bei der Arbeit eingeschlafen? Schadenfreude machte sich breit. Ganz so perfekt sind wir also auch nicht, Mister Ich-bin-was-Besseres-als-du. Aber sonst so tun, als wärst du ein absolutes Lebewesen, in Wirklichkeit bist du auch nur ein Mensch, schoss es ihm durch den Kopf.
 

Jetzt, wo er so darüber nachdachte, hatte er den Brünetten noch nie schlafen oder ausruhen sehen. Oder gar essen. Auch während ihrer gesamten Schulzeit nicht. Auch nicht bei Turnieren. Kaiba erweckte dein Eindruck eines äußerst seriösen und ernstzunehmenden Geschäftsmannes, der in allem bewandert war und mit seiner übermenschlichen Professionalität herausstach. Es gab nichts, was er nicht konnte. Auch ungeplante Herausforderungen und Probleme bewältigte er mit Bravur und gab dabei eine wirklich grandiose Figur ab. Vermutlich war es Jounouchis kindliches Ego, welches dies nicht einsehen wollte und vielleicht sogar darum beneidete. Kaiba war in vielem besser als er, aber mit aller Macht kämpfte er umso mehr darum, von ihm anerkannt zu werden.
 

Es gab vieles, das zwischen ihnen lag. Vor allem aber ihre Sturheit. Jounouchi konnte ihm nicht verzeihen, was er Yuugi angetan hatte oder eher gesagt, antun wollte. Wenn es um Kaiba ging, war er derart nachtragend, dass es ihn selbst erstaunte, wie lange er diesen Groll aufrecht erhalten konnte, ohne sich dabei zu langweilen. Na ja, jeder Mann brauchte eben einen Rivalen, der einen dazu antrieb, sich weiter zu entwickeln. Einen ultimativen Feind, mit dem man zufällig denselben Weg teilte. In Filmen konnten die Helden und ihre Rivalen meist ihren Zwist beiseite legen und wurden zu wichtigen Kameraden und unterstützten sich gegenseitig, aber Jounouchi fand das schon immer unrealistisch.
 

Ein Neuanfang war schwierig und es musste schon so einiges geschehen, damit verletzte Gefühle und die Wut darüber, nicht vollwertig behandelt worden zu sein, verschwanden. Und Jounouchi konnte es nicht ausstehen, wie Kaiba glaubte, dass er diese Vergangenheit einfach begraben konnte, ohne sich je für seine Taten zu entschuldigen. Außerdem kommandierte er Yuugi herum und schien ernsthaft zu glauben, dass dieser nach seiner Pfeife tanzte und alles tat, was er von ihm verlangte. Dieser Irrglaube des Brünetten, das alles und jeder ihn als zentralen Mittelpunkt ansah und wie selbstverständlich er es nahm, dass Yuugi ihm verziehen hatte, kotzte ihn an. Yuugi war einfach zu liebenswert. Zu gut für diese Welt! Jawohl! Kaiba hatte seine Aufmerksamkeit gar nicht verdient.
 

Grrr... doofer Kaiba. Du hast gar keine Ahnung, was du an Yuugi hast! Ich war auch echt gemein zu Yuugi, aber im Gegensatz zu dir, habe ich mich entschuldigt und beweise jeden Tag, wie viel mir an ihm liegt. Und du? Arschloch, du denkst wohl, die Welt dreht sich nur um dich..., grummelte er gedanklich weiter.
 

Und schon war seine Sorge verschwunden und ihn hier und jetzt aufzuwecken, würde nichts sein, was er bereuen würde, sondern etwas, woran er auch später noch mit einem Lächeln zurückdenken würde. Er würde es so sehr genießen, ihn aus seinem friedlichen Schlaf zu reißen. Vor Aufregung stellten sich seine Nackenhaare hoch und er atmete nochmal tief ein.
 

„Kaiba! Ich fordere dich zum Duell heraus!“, rief er so laut, dass er Tote hätte wecken können. Kaiba schrak hoch und starrte ihn mit großen Augen an. Er war komplex perplex und musste erst mal wieder einen klaren Gedanken fassen. Jounouchi genoss diesen Ausdruck auf seinem Gesicht. So überrumpelt hatte er den eingebildeten Firmenleiter noch nie gesehen. Allein dafür hatte sich das Einbrechen in die KC gelohnt. Obwohl es ja genau genommen kein richtiger Einbruch war, da die Türen ja offen standen. Kaiba brauchte nur wenige Sekunden, um wieder klar denken zu können und erhob sich von seiner Liege. In seinen Augen brannte ein Feuer, angestachelt von Zorn und Abscheu. Hätten Blicke töten können, wäre Jounouchi auf der Stelle tot umgefallen.
 

Wenn es etwas gab, das Kaiba nicht ausstehen konnte, dann waren es drittklassige Duellanten, die sich in seine Privatsphäre drängten und keinerlei Respekt Höherrangigen gegenüber hatten. Diesen absoluten Idioten würde er hier und jetzt an seinen Platz zurechtweisen!
 

„Duuu...“, knurrte er gefährlich und er kostete ihn alles an Beherrschung, ihn nicht am Kragen zu packen und durch die Gegend zu schleudern. Was machte der Blonde überhaupt hier? Oder war das hier etwa ein Alptraum? Ja, er hatte die halbe Nacht lang wachgelegen und darüber nachgedacht, ob seine Entscheidung, Yuugi dieses Päckchen zu überliefern, nicht doch zu weit ging, da er genau wusste, dass dieser liebenswerte Gutmensch den Dueldisk direkt an Jounouchi weitergeben würde und er es ein wenig bereute, diese Lachnummer indirekt unterstützt zu haben. Und jetzt verfolgte die schrecklich grinsende Visage ihn sogar am Tag? Das musste doch ein schlechter Scherz sein.
 

Und dann noch diese vulgäre Aussprache! Gott, wie er es hasste, wenn Leute sich so vulgär ausdrückten! Keinerlei Manieren besaß dieser Kerl und so etwas machte ihn rasend.
 

„Was machst du hier? Du hast hier nichts zu suchen! Wie bist du in meine Firma reingekommen?!“, wollte er wissen und die bis eben herrschende Ruhe fand ein jähes Ende.
 

„Ha, ist doch ein leichtes für ein Genie wie mich!“, prahlte Jounouchi und zwinkerte Kaiba zu, der sich dermaßen provoziert von dieser Geste fühlte, dass sein Auge begann zu zucken und er daraufhin den Blick senkte. Sein Gesicht lag im Halbschatten seines Ponys, sodass seine Mine umso finsterer und bedrohlicher wirkte. Er tobte innerlich vor Wut.
 

„Ich wusste, dass es eine schlechte Idee war, die Sicherheitsvorkehrungen zu senken. Ich hätte doch mehrere Wachmänner hier lassen sollen...“, murmelte er genervt vor sich hin und versuchte nicht die Fassung zu verlieren.
 

Sein Geduldsfaden war bereits gerissen und am liebsten hätte er jetzt die Security gerufen, doch leider war sein Himmelsgarten so designet, das niemand außer Mokuba, seine Küchenangestellten und er selbst hierher kommen konnten. Das hier war sein Hort der Ruhe. Hier konnte er ungestört seine Gedanken schweifen lassen. Fern vom Stress des Alltags. Mithilfe des Hologrammsystems schuf er eine einmalige Kulisse, die er je nach seinem Befinden anpasste und ihm Abwechslung in seinem Arbeitsalltag brachte. Wald, Meer, Wüste, Regenwald oder gar eine Vulkanlandschaft – alles möglich mit seiner Technologie. Das hier war sein Territorium. Und dass ausgerechnet dieser gar schäbige Kerl in seinen privaten Raum eingedrungen war, erzürnte ihn unendlich!
 

Gestresst rieb er sich die Schläfen. Einatmen. Ausatmen. Ruhig bleiben. Bis zehn Zählen. Das nützte alles nichts! Er hatte den Großteil seiner Wachmänner abrücken lassen, damit diese in der Stadt für Ordnung sorgten. Bei seinem Battle City Turnier war es zu genügend Ausschweifungen gekommen. Dieses Mal musste er besonders vorsichtig sein und sämtliche Störfaktoren im Vorfeld beseitigen. Wieder Raritätenjäger, die andere Duellanten bedrohten? Sie gar verletzten und bestohlen? Nicht mit ihm!
 

Noch einmal würde er eine solche Schmach nicht zulassen. Niemand durfte sich in sein Turnier einmischen und er erlaubte es nicht, dass sein guter Ruf als Firmenleiter der Kaiba Corporation von unzivilisierten Barbaren, die sich nicht zu benehmen wussten, beschmutzt wurde. Also hatte er vorsichtshalber fast alle Wachmänner in der Stadt positioniert und diese damit beauftragt, die Duelle zu bewachen und im Notfall einzuschreiten. Im Leben hätte er nicht damit gerechnet, dass irgendjemand bescheuert genug war, in seine Firma einzubrechen! Das hier war doch keine Sehenswürdigkeit, wo man als Tourist fröhlich ein und ausspazieren konnte. Was bildete sich dieser Trottel überhaupt ein?
 

„Jounouchi, ich habe nie sonderlich viel von dir gehalten, aber ich habe immer daran geglaubt, dass du ein Mindestmaß an Intelligenz besitzt, um dich im normalen Leben zurechtzufinden und dich an Regeln zu halten“, begann er seinen Redeschwall. Erst ruhig und besonnen, dann immer spitzzüngiger und spöttischer.
 

„Dass du die Dreistigkeit besitzt, auf meinem Firmengelände herumzuspazieren, ist die Spitze des Eisbergs. Das Maß ist nun endgültig voll!“ Kaiba streckte seinen Arm von sich, als wollte er Jounouchi damit signalisieren, so schnell wie möglich zu verschwinden, bevor er explodierte. Doch dieser rührte sich nicht und sah ihn einfach nur herausfordernd an. Dann zuckte Jounouchi kurz, nicht um sich zum Gehen zu wenden. Stattdessen ging geradewegs auf den Tisch zu, wo er die Kaffeetasse abstellte. Kaiba war perplex von dieser Handlung. Ihm fehlten die Worte. Wie konnte ein Mensch nur so unverschämt sein?
 

„Ich sagte, ich bin gekommen, um mich gegen dich zu duellieren. Und ich bleibe so lange, bis du meine Herausforderung annimmst. Denkst du ernsthaft, dass du dich hier verkriechen kannst? Glaubst wohl, du wärst was Besseres, was?!“, zischte er und drehte sich dann zu ihm um. In seinen Augen war Zorn zu erkennen. Kaiba, der mindestens genauso geladen war, versuchte dennoch die Ruhe zu behalten. Weder Mokuba noch Yuugi waren hier.
 

Jedes Mal, wenn die Situation zu eskalierten drohte, waren es entweder Yuugi oder sein Bruder, die die beiden von ihren Streitigkeiten abhielten und sich dazwischenschoben. Es war das erste Mal, dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden und niemand sie störte. Eines musste er ihm ja doch hoch anrechnen, denn dass er ihn bis hierher verfolgte und tatsächlich den Mumm hatte, ihn in seinem Territorium herauszufordern, bewies von Mut. Oder aber von unendlicher Dummheit. Was es auch war, der Starrsinn dieses Kerls war etwas, das man anerkennen musste.
 

Den Willen zu kämpfen brauchte jeder Duellant, aber der Wille allein reichte nicht, um einen Sieg zu erringen. Man brauchte auch die richtigen Fähigkeiten, so auch seine Strategie dem Gegner anzupassen und diesem immer ein oder mehrere Züge voraus zu sein. Jounouchi war ein Trottel, der nie sonderlich weit vorausdachte. Kaiba zweifelte daran, ob er dazu überhaupt in der Lage war. Jemand, der bequem von einem Tag zum anderen lebte und sich nie über die Konsequenzen seiner eigenen Entscheidungen gewahr wurde oder sich gar die Frage stellte, was die Zukunft brachte, konnte wohl kaum in der Lage sein, ein Duell mehrere Züge im Voraus zu planen.
 

Und das konnte er an ihm nicht ausstehen. Er nannte sich Duellant, aber nahm das Duellieren an sich und die Kunst des Kartenkämpfens überhaupt nicht ernst! Ein Duellant war ein Mensch, der unentwegt voranschritt, stets den Blick in Richtung Zukunft gewandt und sich von nichts und niemanden aufhalten ließ. Das Duellieren an sich war eine Kunst, kreiert durch die Vorstellung der Duellanten, die mit wachem Blick ihren Fokus in Richtung Zukunft richteten. Das Aufeinandertreffen zweier Seelen war ein Akt, so atemberaubend und einzigartig, welches jedes Duell zu einem ganz besonderen Ereignis werden ließ.
 

Doch Jounouchi war ein stümperhafter Amateur, der nur den Spaß in einem Duell sah. Jemand, der nicht in der Lage war, die wahre Bedeutung und die pure Ästhetik zu erkennen. Es gab Spieler und Duellanten. Und letztere waren Menschen, die ihre Seelen aufeinandertreffen ließen und dazu bereit waren, sich zu verändern und sich weiterzuentwickeln. Ein Duellant lebte für das Duellieren und genoss den Kampf. Erfahrungen sammeln und an Stärke gewinnen.
 

Ein Krieg fand zwischen zwei Nationen statt, mehrere Fronten trafen aufeinander und wer auch immer gewann, war der Sieger und somit im Recht. Kaiba betrachte das Duellieren als persönlichen Kampf. Gegen seine eigenen Schwächen. So kämpften in einem Duell nicht nur die Karten gegen die gegnerischen Monster, sondern auch der Spieler gegen seine eigenen Schwächen im Herzen und nur der Sieg, das Aufeinanderprallen zweier mächtiger Seelen, die bereit waren, bis zum bitteren Ende zu kämpfen, konnten einen Menschen dazu bringen, diese Schwächen zu überwinden.
 

Kaiba hatte gegen Atem gekämpft und gegen seine Vergangenheit. Nur weil Atems Seele so unvergleichlich schön und makellos war, konnte Kaiba als Mensch reifen und sich verändern. Veränderung und Weiterentwicklung, das war das Ziel eines jedes Kampfes. Über seine eigenen Grenzen hinauszuwachsen und neue Dimensionen zu entdecken. Doch ein normaler Spieler, der sich nie mit der Tiefsinnigkeit des Duellierens befasst hatte, würde dies niemals verstehen.
 

Gute Karten oder gar ein nagelneuer Dueldisk waren reine Verschwendung, als würde man Perlen vor die Säue werfen. Menschen, die immer und immer wieder dieselben Taktiken und Strategien verwendeten, waren es nicht wert Duellanten bezeichnet zu werden. Jounouchis gesamtes Deck basierte auf Glück. Ständig wiederholte er seine Züge und seine Monsterkarten hatte er seit der Highschool nicht mehr geändert. Dieselben Zauber und Fallenkarten. Dasselbe alt bekannte Schema und er versuchte nicht einmal, seine Strategie zu überdenken. Nein, nicht nur seine Karten basierten auf Glück. Er überließ sein ganzes Leben dem Zufall und eine solche Einstellung konnte er bei einem Duellanten nicht dulden.
 

Dass Jounouchi es wagte, sich Duellant zu bezeichnen, war frivol. Eine Beleidigung! Blasphemie!
 

Wenn es etwas gab, das Kaiba nicht leiden konnte, dann Menschen, die sich zu sehr an der Vergangenheit klammerten. Duellanten, die sich an ihren Erfolgen in der Vergangenheit klammerten und den Wandel der Zeit nicht erkannten. Duel Monsters mochte ein Spiel sein, doch ein wahrer Duellant erkannte die Tiefsinnigkeit dahinter, vor allem wenn zwei Seelen, die zu allem bereit waren, aufeinandertrafen. Die Gefühle, die geweckt wurden und das Adrenalin, das durch die Adern gepumpt wurde. Jounouchi war seiner Meinung nach kein richtiger Duellant. Ihm fehlte die Ernsthaftigkeit und ihn aufzuziehen genoss er umso mehr, da er nicht einmal versuchte, wie ein Mann zu kontern. Ihm fehlte es an Charisma. Er hinterließ keinen bleibenden Eindruck und immer, wenn er in Yuugis Nähe auftauchte, drehte sich Kaibas Magen um. Dass Yuugi einen solchen Volltrottel überhaupt an seiner Seite ertragen konnte, war für ihn unverständlich.
 

Jounouchi lebte von den Erfolgen seiner Vergangenheit. Und je mehr er darum kämpfte, anerkannt zu werden, desto mehr verlor Kaiba die Achtung für diesen. Nein, Taten waren wichtiger als Worte. Ein Mann – nein – ein Duellant musste bereit sein, alles aufs Spiel zu setzen und die Vision seiner Zukunft verfolgen. Ein Duellant musste eine genaue Vorstellung dessen haben, was er erreichen wollte und dafür kämpfen und dies bedeutete, Einsatz zeigen, der über das Teilnehmen an lokalen Turnieren hinausging. Wer mit der Intention kämpft, einzig und allein Ruhm zu erhalten und Anerkennung zu erlangen, bewies, dass er eine schwache Seele hatte. Es war armselig, wie sehr Jounouchi versuchte, von anderen besseren Duellanten angesehen zu werden, während sein gellendes Gelächter und seine laute Stimme die Atmosphäre zerstörte. Er verhielt sich nicht einmal ansatzweise wie ein Duellant.
 

Jounouchi war leicht zu provozieren und auch das fand Kaiba amüsant. Seine Reaktionen waren genauso vorhersehbar wie sein Deck. Als er ihm in diesem Restaurant traf, da hatte er für einen kurzen Augenblick geglaubt, dass er sich verändert hätte, dass er reifer geworden wäre, aber nein. Es schien, als wäre Jounouchi Katsuya in seiner Entwicklung stehengeblieben und somit auch sein Deck. Kein Hauch von Anmut. Keine Grazie. Es sprang einfach kein Funke über.
 

Yuugi dagegen war ein perfekter Rivale und er hatte sich den Titel als König der Duelle redlich verdient, denn er wusste, wie wichtig es war, sich weiterzuentwickeln. Yuugi war nicht vorhersehbar, zumindest seine Fähigkeiten als Duellant und seine atemberaubenden Züge und Strategien und wie er sich aus einer scheinbar ausweglosen Situation rettete, machten ihn zu einem großartigen Duellanten. Sein Körper und sein Charakter waren klein, aber seine Seele ebenso faszinierend und schön, wie man es von einem wahren Duellanten erwartete. Atem und Yuugi, sie beide zeigten in ihrem Wesen, wie ein Duellant sein sollte. Diese beiden Männer hatten Kaibas Herz berührt und es gab nur wenige Menschen, zu denen Kaiba aufsah und ihnen Anerkennung entgegenbrachte.
 

Lächerlich. Wie konnte dieser Kerl es nur wagen, ihn mit seinen kindischen, lachhaften, peinlichen Deck herauszufordern? An ihm verschwendete er nur Energie. Einen solchen Gegner konnte er nicht ernst nehmen und er weigerte sich, ihn als Duellanten anzuerkennen, solange dieser auf einer Stelle trat. Nein, jemand, der nicht mal sein eigenes Leben in den Griff bekam und abhängig von der Hilfe und Güte anderer war, konnte er nicht für voll nehmen.
 

„Ich bin etwas Besseres als du, Jounouchi. Und das weißt du ganz genau. Ich muss mich nicht beweisen und ein Duell mit dir wäre pure Zeitverschwendung. Und jetzt verschwinde aus meiner Firma, bevor ich dich hochkant herauswerfen lasse.“
 

„Wie bitte?!“, wiederholte Jounouchi ungläubig.
 

Jounouchis Zündschnur war nicht sonderlich lang und Kaiba hatte mit dieser Reaktion bereits gerechnet. Gleich ging die Bombe hoch. Als nächstes würde er ihn beschimpfen. Irgendein vulgäres Schimpfwort, das vermutlich aus seiner Zeit als Rowdy und Bandenmitglied hängengeblieben war und von dem er glaubte, dass er ihn damit treffen, gar verletzen würde, während er über diese Einfältigkeit beherzt lachte. Dieses simple Verhaltensmuster war einfach nur amüsant! Ja, beleidigen konnte er gut. Aber Argumente liefern? Richtig kontern? Seinen Gegner strategisch aushebeln? Angriff war die beste Verteidigung. Ob in einem Gefecht der Worte oder einem Duell der Karten, die Offensive war stets Jounouchis erste Lösung. Denn weiter als das konnte er nicht denken.
 

„Du hast mich schon richtig verstanden“, spöttelte Kaiba weiter und zuckte mit den Schultern.
 

„Du verdammter Bastard! Was bildest du dir eigentlich ein?!“, schimpfte Jounouchi und formte seine Hände zu Fäuste. Gewalt war die zweite Lösung, stellte Kaiba fest. Äußerst interessant. Wie weit konnte er gehen? Würde Jounouchi letztendlich zur Gewalt greifen, wenn er sich in eingekesselt fühlte? Würde er wie ein verletztes Tier wild um sich beißen – also anstatt mit Worten mit Gewalt antworten? Was musste Kaiba tun, um ihm eine Reaktion zu entlocken, die er noch nicht kannte? Wie sehr musste er ihn in seiner Ehre verletzten und ihn demütigen, damit er mal etwas Neues ausprobierte?
 

Warum finden wir das nicht hier und jetzt heraus, dachte er und grinste in sich hinein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Jounouchi nutzt im Japanischen Anime sehr häufig Umgangssprache und hat manchmal einen recht provokokanten Unterton. Obgleich der Anime dem Manga nicht folgt, wurde diese Charaktereigenschaft von ihm übernommen, was viele vielleicht gar nicht verstehen oder auch nie hinterfragt haben. Im Amerikanischen wurde dies nicht erkannt oder viel eher absichtlich weggelassen, weshalb man ihn anstelle seines derben Umgangstons einfach einen Dialekt verpasst hat. Brooklyn ist einer der Stadtbezirke von New York, weiße Amerikaner sind dort eine Minderheit und die Kluft zwischen Arm und Reich ist hier besonders spürbar. Ich vermute, dass die Zuständigen bei 4Kids Entertainment (die YuGiOh! lizensiert haben) dachten, dass das eher für die Kinder verständlich ist. Immerhin wurde der Anime ja bis ins Unkenntliche verwestlicht und sämtliche Referenzen nach Japan und ins Ausland retuschiert und zensiert. Im Deutschen hat man ihm eine kindische Jugendsprache verpasst, wodurch er frecher erscheinen soll. Trotzdem ist Jounouchi der einzige, der einen derart rauen Umgangston hat, was nur im Manga deutlich wird.

Seine Vergangenheit als Rowdy wird an seiner Wortwahl sehr deutlich. Jounouchi hat nicht nur eine Menge Scheiße erlebt, sondern auch gebaut. Er flucht, schimpft und wird auch schon mal gewalttätig, insbesondere wenn ihm etwas nicht passt oder jemand Yuugi und seine Freunde bedroht. So sagt er häufig "teme", wenn er jemanden anspricht, den er nicht leiden kann. Übersetzt würde dies so viel wie "du Verdammter..." bedeuten und unterstreicht seine deutliche Ablehnung einer anderen Person gegenüber. Diese Wortwahl nutzt er regelmäßig gegenüber Kaiba.

Jounouchis Abneigung Kaiba gegenüber wird auch an seiner Wortwahl klar, also umso schwieriger die beiden aneinander zu bringen, ohne dass die Fetzen fliegen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2018-10-22T09:55:15+00:00 22.10.2018 11:55
Was wenn Joey ganz anders reagiert als Kaiba denkt?
Joey sollte ruhig bleiben so wie im Restaurant damals.
Klasse Kapitel, gefällt mir.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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