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Life is a Gamble

Jounouchi/Kaiba
von

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Kapitel 15

Ich soll so sein wie er...? Nein. Das hat er sicher nicht so gemeint. Er war nur aufgewühlt... oder?
 

In Kaibas Kopf herrschte Durcheinander. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann zuletzt er sich mit Mokuba gestritten hatte. Es war zu lange her. Dass er ihn anbrüllte war neu. Vielleicht lag das einfach nur an der Pubertät? Mokuba kam immerhin gerade in eine sehr wichtige Phase seines Lebens und junge Menschen neigten dazu emotional zu werden und sich in Kleinigkeiten hineinzusteigern. Trotzdem musste er sich eingestehen, dass es ihn getroffen hatte, dass Mokuba ihn mit ihrem Stiefvater verglich.
 

Dieser Mann hatte ihn verändert. Er war ihm in gewisser Weise dankbar, denn nur wegen ihm war er da, wo er heute war und es brachte ja ohnehin nichts, sich in Erinnerungen aus der Vergangenheit zu verlieren, weshalb er stets seinen Blick in Richtung Zukunft richtete. Er hatte Fehler gemacht. Das wusste er selbst und er hatte sich nicht immer wie ein vorbildlicher Bruder verhalten, aber er hatte hart an sich gearbeitet und wollte die Vergangenheit ruhen lassen, obgleich diese ihn weitaus mehr beeinflusste, als es ihm lieb war und er jemals zugeben würde.
 

Yuugi – nein, der Andere Yuugi, der, wie er später erfahren hatte, eigentlich Atem hieß – hatte ihm die Augen geöffnet. Ohne ihn wäre er nie über sich hinausgewachsen und stärker geworden. Er hatte den Blick fürs Wesentliche verloren und vergessen, wofür er kämpfte. Als Atem seine Seele zerschmetterte und ihn in ein Koma versetzte, hatte er aus eigener Kraft seine Seele zusammengebaut und er hatte sich daran erinnert, warum er all dies auf sich genommen hatte. Warum er all diese Qualen erlitten hatte. Mokuba war sein geliebter Bruder und es war nicht nur seine Pflicht ihn zu beschützen, sondern auch sein eigenes Verlangen. Mokuba war sein Ein und Alles.
 

Gozaburos Tod hatte ihn verändert. Der Verlierer musste sterben. Nur wer gewann, konnte überleben. Schwäche wurde mit dem Tod bestraft. Und bis zu einem gewissen Zeitpunkt hatte Kaiba geglaubt, dass dies richtig sein musste – denn sein Stiefvater, der freiwillig in den Tod sprang, weil er den Verlust seiner eigenen Firma nicht ertragen konnte, hatte ihn gelehrt, dass dies mit allen Versagern geschehen musste. Vielleicht wollte er damit auch einfach nur das Gefühl von Reue unterdrücken und sich vor seinem eigenen Gewissen rechtfertigen.
 

Er fühlte sich verantwortlich für Gozaburos Tod. Hinterhältig hatte er ihn in eine Falle gelockt und ihm alles entrissen, was ihn bedeutete. Genauso wie er es mit ihm gemacht hatte. Gozaburo hatte ihm das Recht auf eine unbeschwerte Kindheit genommen. Er erlaubte ihm nicht, zu spielen oder seinen Bruder zu sehen, aus Angst, dass Ablenkungen dieser Art seine Entwicklung gefährden würden. Es war einfacher einen willenlosen Soldaten Befehle zu geben, als einem Kind, das sich frei entfalten wollte. Er hatte diese Art von Liebe, die Gozaburo ihm entgegen brachte, als völlig normal angesehen. Gewalt war eine Erziehungsmaßnahme. Man musste Dominanz zeigen, wenn man ernst genommen werden wollte und man durfte zu keinem Zeitpunkt Schwäche zeigen.
 

Gozaburo hatte ihm alles genommen. Das Gefühl von Familie und Liebe. Also nahm er ihm das weg, was ihm am meisten bedeutete und errang auf diese Weise einen Sieg. Das war seine Art der Vergeltung. Nur so konnte er die Demütigung vergessen und vorangehen, indem er das, was sein Stiefvater geschaffen hatte, mit eigenen Händen zerstörte und sie nach seiner eigenen Vision wieder aufbaute. Heute hatte die KC kaum mehr etwas mit ihrer Vergangenheit gemeinsam.
 

Doch auch heute hatte er nicht das Gefühl wirklich gewonnen zu haben. Nein, bis heute lungerte dieser Schatten über ihn. Doch er wusste, dass er diesen Kampf verloren hatte und dass es nur eine Möglichkeit gab, diese Schmach zu tilgen. In die Zukunft sehen. Die Vergangenheit zerstören. Sie so sehr pulverisieren bis nichts mehr übrig blieb. Das war seine Schlussfolgerung gewesen. Und auch Atem hatte ihm klar gemacht, wie sehr die Vergangenheit ihn fesselte und weil Kaiba Atem als Perfektion in Person ansah, nahm er diesen Rat an. Seine Worte berührten ihn. Es gab nur wenige Menschen, die Kaiba seiner als ebenbürtig akzeptierte und sich die Mühe machte, ihnen zuzuhören.
 

Also verleugnete er die Vergangenheit. Er tat so, als hätte er diese Fehler nie gemacht.
 

Und auch jetzt glaubte Kaiba, dass es besser war, Dinge aus der Vergangenheit ruhen zu lassen. Er hatte sich nie bei Mokuba für sein schlechtes Verhalten entschuldigt. Er hatte schlicht und ergreifend so getan, als wäre nie etwas vorgefallen und richtete seinen Blick gen Zukunft. Nach und nach wurde ihm klar, wie wichtig ihm sein Bruder war. Mokuba war seine einzige Familie und deshalb war er darum bemüht, eine gesunde und gute Umgebung für seinen Bruder aufrechtzuerhalten. Fern von Gewalt und der Negativität anderer. Er wollte die Fehler seines Stiefvaters nicht wiederholen und trotzdem verglich Mokuba die beiden.
 

Hatte er einen Fehler gemacht? Wann hatten die beiden sich voneinander entfernt?
 

Mokuba hatte Yuugi und auch diesen Grobian Jounouchi als seine Freunde bezeichnet.
 

»Herrgott... das bereitet mir Kopfschmerzen. Warum würde Mokuba diesen Trottel als Freund ansehen? Er ist dämlich, vulgär, schlecht erzogen, total aufbrausend und temperamentvoll, vorlaut, unorganisiert, chaotisch, verpeilt, also kurz gesagt: ein absolut schlechter Umgang. Ich verstehe das nicht. Dass er mit Yuugi befreundet sein will, das kann ich ja noch nachvollziehen, aber mit Jounouchi?«
 

Kaiba ließ sich auf seinen Chefsessel fallen. Mokuba war wortlos gegangen. Großartig. Jetzt war er auch noch sauer auf ihn. Lag es an der Pubertät? Es war vermutlich ein Fehler, Mokubas Zorn mit einer pubertären Phase zu abzutun, aber es war die einzige Erklärung, die er hatte. Jugendliche versuchten sich in diesem Alter von ihren Eltern abzugrenzen und taten bewusst Dinge, von denen sie wussten, dass sie falsch waren. Moment. War das etwa eine Trotzphase?
 

Das wurde ihm alles zu viel. Er breitete seine Karten auf dem Schreibtisch vor sich aus. Er musste auf andere Gedanken kommen. Duel Monsters half ihm immer wieder runterzukommen und sich zu konzentrieren. Als er seine Karten betrachtete, ging er gedanklich sämtliche Strategien durch und überlegte, wie er welches Monster beschwören konnte und welche Kartenkombinationen am besten funktionieren. Und schon war er wieder in seiner eigenen Welt, glaubte er, denn in seinem Unterbewusstsein machte sich weiterhin Unmut breit.
 

Ein bisschen konnte er nachempfinden, warum Jounouchi so wütend wurde. Kaiba wollte auch auf keinen Fall mit Gozaburo verglichen werden. In der Hinsicht waren sie ähnlich. Sie wollten beide die Fehler ihrer Väter vermeiden und trafen bewusst Entscheidungen, von denen sie glaubten, dass sie sich damit von ihren Vätern unterschieden und abgrenzten. Trotzdem würde er sich niemals herablassen und sich bei ihm entschuldigen. Das konnte Mokuba getrost vergessen. Dafür war sein Stolz viel zu groß. Es wäre erniedrigend sich bei ihm zu entschuldigen, also würde er das tun, was er immer tat. So tun, als wäre nie etwas geschehen...
 


 

„Yuugi!“, rief Mokuba laut, als er die Tür zum Laden öffnete. Dieser schrak auf und ließ die Waren, die er bis eben in der Hand hatte, fallen. Grummelnd sah er zu seinem Kunden, der ganz sicher nicht gekommen war, um etwas zu kaufen. Rasch hob er die Spielfiguren wieder auf und stellte sie ordentlich im Regal auf. Nicht mal in Ruhe die Regale entstauben konnte man!
 

„Na, wie geht’s dir?“, wollte Mokuba wissen und grinste breit, warf einen neugierigen Blick auf die Schauvitrinen. Er selbst war ja mehr der Fan von Brettspielen, also betrachtete er die Capsule Monsters Figuren besonders lang. Wenn er nicht bereits jede Kapsel und somit jedes Monster in seiner Sammlung gehabt hätte, hätte er sicher etwas gekauft.
 

„Verdächtig. Äußerst verdächtig...“, murmelte Yuugi und drehte sich nun zu ihm.
 

„Du kommst doch sonst nicht grundlos vorbei. Ist etwas passiert?“, fragte er dann und verschränkte die Arme, warf ihm einen skeptischen Blick zu.
 

Mokuba erzählte ihm, was vorgefallen war und Yuugi hörte ihm aufmerksam zu. Er wirkte erschüttert, als er hörte, dass Kaiba und Jounouchi aneinander geraten waren und wie die Situation eskaliert war.
 

„Wie geht es Kaiba-kun? Ist er schwer verletzt?“
 

„Ach, mach dir um den mal keine Sorgen. Der ist hart im Nehmen. Ich mache mir mehr Sorgen um Jounouchi. Keine Ahnung, was genau mein Bruder ihm gesagt hat, aber er weiß genau, wie man Menschen manipuliert und ihre Schwächen ausnutzt. Da kennt er kein Erbarmen“, erklärte er und seufzte tief.
 

Kaiba war in der Lage, seinen Gegenüber so exakt zu analysieren, dass er ohne Zögern auf ihre Schwachpunkte zielen konnte. Er wusste, was er sagen musste, um andere von sich zu überzeugen oder ihnen klar zu machen, wo sie hingehörten. Denn Kaiba war niemand, der Gegenworte duldete, erst recht nicht, wenn sie an ihn gerichtet waren. Kritik prallte an ihm ab und es fiel ihm äußerst schwer, seine eigenen Fehler einzusehen. Genau das war auch der Grund, warum Mokuba nun Yuugi aufgesucht hatte. Yuugi schien der Einzige zu sein, den sein großer Bruder akzeptierte und auf den er tatsächlich hörte. Yuugi durchschaute Kaiba und erkannte immer, ob dieser nun log oder die Wahrheit sprach. Und Kaiba wusste, dass es egal war, wie sehr er sich ihm gegenüber verstellte, da dieser ihn ohnehin entlarvte und sich nicht reinlegen ließ. Vermutlich war es diese Fähigkeit, die Kaiba so sehr an Yuugi schätzte.
 

Mokuba wusste, wie gut Kaiba darin war, andere zu manipulieren und sie für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen. Wie leicht es ihm fiel, eine Seele zu zerschmettern und Existenzen zu zerstören. Immerhin gehörte das ja auch zu seinem Job als Firmenleiter. Opfer mussten gebracht werden, doch Mokuba gefiel es überhaupt nicht, dass sein eigener Bruder die Grenzen wissentlich überschritt.
 

Er war etwas ruhiger geworden, ja, aber nicht immer konnte sich Mokuba sicher sein, ob er diese zerstörerische Seite nicht doch noch in sich trug. Irgendwo lungerte ein Schatten in Kaibas Seele, mal stärker, mal schwächer und er gewann Kontrolle, wenn man es am wenigsten erwartete. Niemand schaffte es in Kaibas Seele zu blicken. Außer Mokuba. Bis heute. Auch Mokuba verstand seinen eigenen Bruder nicht mehr und der einzige, der Kaiba zu durchschauen vermochte, war Yuugi. Also legte er seine ganze Hoffnung in den Bunthaarigen. Etwas Anderes blieb ihm auch nicht wirklich übrig.
 

„Das kannst du laut sagen. Jounouchi kann sehr sensibel sein“, meinte Yuugi nur und lief in Richtung Ladentür und drehte das Schild einfach auf „Geschlossen“. Es kamen ja ohnehin momentan kaum Kunden. Das Domino Turnier war bereits im vollem Gange.
 

„Sensibel? Jounouchi?“, wiederholte Mokuba und unterdrückte das Lachen.
 

„Ich kenne ihn besser als jeder andere. Auch wenn er es nicht zeigt, so etwas nimmt ihn sehr wohl mit. Er ist einfach viel zu liebenswert“, sagte Yuugi mit einem derartig liebevollen und verträumten Lächeln, dass Mokuba leicht schmunzeln musste. Vermutlich hätte er etwas Ähnliches über Kaiba auch gesagt. So war er eben. Immer nahm er andere in Schutz und wollte das Beste für sie. Mokuba fand es eigenartig, dass Yuugi nie ein schlechtes Wort über die Kaibabrüder verlor. Eigenartig, aber genau das schätzte er an ihm auch.
 

Er folgte Yuugi ins Wohnzimmer, wo sie es sich auf der Coach bequem machten. Mokuba musterte die Umgebung jedes Mal, wenn er hier war, da es für ihn ungewohnt war, in einem so kleinen Raum zu sein. Die Einrichtung war bescheiden, aber erfüllt von Wärme. Kein Vergleich zu dem, was er von ihrer Villa kannte. Man hatte sofort das Gefühl, dass hier Menschen lebten. Zuhause hatte er dieses Gefühl nicht. Da war alles relativ steril und edel eingerichtet. Unpraktisch. Hier fühlte man sich direkt heimisch.
 

„Jounouchi steigert sich schnell in negative Gedanken hinein, auch wenn er es nach außen nicht zeigt. Da sind wir uns ziemlich ähnlich“, meinte Yuugi und verschwand in der Küche, brachte Reiscracker und ein Tablett mit zwei Teeschalen zum Wohnzimmertisch. Mokuba griff sofort nach den Reiscrackern. Nervennahrung! Yuugi war immer so zuvorkommend und nett. Mit ihm konnte man über alles reden und er blieb fast immer ruhig. Das Vertrauen, das sich zwischen den beiden in den letzten Jahren aufgebaut hatte, war so tief, dass Mokuba Yuugi immer dann um Rat bat, wenn er nicht weiter wusste. Es gab viele Dinge, über die er mit seinem Bruder nicht sprechen konnte. Entweder weil dieser selbst keine Erfahrungen in dieser Richtung hatte oder es ihnen beiden unangenehm war. Oder Kaiba hatte keine Zeit, weil er sich um andere wichtigere Dinge kümmern musste.
 

„Ich kenne Jounouchi nicht gut genug, um das zu beurteilen, aber ich würde gerne mehr über ihn erfahren. Mein Bruder muss was sehr Schlimmes gesagt haben, damit Jounouchi derart ausrastet. Ich habe gehört, sein Vater sei Alkoholiker...“, kam es von Mokuba. Den letzten Satz sprach er leise aus, als befürchtete er, er hätte ein Geheimnis angesprochen, von dem niemand etwas erfahren durfte.
 

„Stimmt. Ich hatte bisher nur einmal mit ihm zu tun. Jounouchi lädt niemanden nach Hause ein, er sagt, er käme gut klar und weil ich weiß, dass er mich nicht anlügen würde, glaube ich ihm. Dennoch mache ich mir manchmal Sorgen...“
 

Ein tiefer Seufzer.
 

„Jounouchi erzählt nichts über seine Vergangenheit. Honda hat paar mal etwas angedeutet, aber er bleibt da äußerst vage. Ich will mich nicht aufdrängen und respektiere Jounouchis Wunsch. Es gibt keinen Grund, die Vergangenheit wieder aufzuwärmen.“
 

„Verstehe... du kannst mir also auch nicht viel mehr sagen. Trotzdem danke.“
 

„Tut mir leid, ich bin dir keine große Hilfe. Du könntest ja Honda-kun fragen.“
 

„Wenn er nicht mal dir etwas sagt, dann wird er mir erst recht nichts sagen“, schlussfolgerte der Jüngere und griff nach seiner Tasse. Die wohlige Wärme der Flüssigkeit belebte sein Gemüt. Hinsetzen und Tee trinken. Dabei einfach nur reden. Mit seinem Bruder war so etwas nicht möglich. Da war er froh, dass er Freunde wie Yuugi hatte, die seine Probleme ernst nahmen und sich für das interessierten, was er zu sagen hatte.
 

„Ach ja!“, kam es dann von Mokuba und er stellte seine Tasse ab. Seine Augen glitzerten.
 

„Es gibt neue Duel Monsters Karten. Eine ganze Magiermädchenkollektion!“
 

„Ich weiß!“, kam es begeistert von Yuugi und er kicherte.
 

„Ich habe leider noch nicht alle, aber bald habe ich die Mädels alle beisammen“, freute er sich.
 

„Du magst niedliche Sachen, was?“, grinste Mokuba.
 

„W-was...?“, kam es überrumpelt von Yuugi. Wie kam Mokuba denn auf diese Schlussfolgerung?
 

„Na, die Magiermädchen sind doch süß. Passt zu dir. Du bist auch irgendwie putzig. Mein Bruder sagte einmal, dass das Deck eines Duellanten seine Seele widerspiegelt. Das ist wie mit Hundebesitzern, ihr Hündchen ist ihnen auch ähnlich. Und weil du selbst so unschuldig und lieb bist, passen die Magiermädchen gut zu dir“, grinste Mokuba.
 

„Unschuldig? Lieb? Bestimmt“, kam es von Yuugi, der sich krampfhaft daran hinderte, laut drauf loszulachen. Er und unschuldig? Oh, wenn Mokuba nur wüsste!
 

„Stille Wasser sind tief und so auch die schwarzen Magiermädchen. Sie sehen so lieb und nett aus, als könnten sie kein Wässerchen trüben, aber haben ganz schön etwas auf dem Kasten. Passt zu dir. Du bist auch winzig. Wenn man dich sieht, kann man dich nicht ernst nehmen, aber in einem Duell behältst du trotzdem die Oberhand.“
 

„Danke für das Kompliment“, murmelte Yuugi. Er hatte schon verstanden, worauf Mokuba hinaus wollte, trotzdem passte ihm diese eine Aussage nicht. Die Bezeichnung „winzig“ hinterließ einen richtig fiesen Nachgeschmack und fühlte sich wie ein Pfahl an, den man ihm mit voller Wucht in die Brust geschlagen hatte. Als wäre es nicht schlimm genug in seinem Alter unter 1,60 cm zu sein, musste er sich das auch noch von einem guten Freund unter die Nase reiben lassen. Verdammt. Warum nur war er so klein? Trotzdem lächelte er, denn es kam viel zu selten vor, dass er sich mit dem Schwarzhaarigen so ungezwungen unterhalten konnte.
 

Mokuba lachte amüsiert, wohl wissend, dass er Yuugi mit dieser Aussage aus der Bahn geworfen hatte. Genauso wie sein älterer Bruder hatte Mokuba schnell gelernt, auf die Schwachpunkte seiner Gegner zu zielen. In diesem Fall war es mehr als freundschaftliches Necken zu verstehen und nicht als Angriff, was Yuugi wohl auch verstanden hatte.
 

„Von dem Rotäugigen Schwarzen Drachen gibt es auch neue Versionen und Verbundkarten. Mit denen kommt Jounouchi bestimmt ins Finale“, meinte der Schwarzhaarige dann und nickte zuversichtlich.
 

„Ja, seine neue Taktik wird ihm helfen. Bakura-kun hat ihm viele neue Karten geschenkt. Da er Ahnung von Duel Monsters hat, hat er ihm hauptsächlich Karten gegeben, die sein Deck unterstützen“, erklärte Yuugi mit einem Lächeln.
 

„Wirklich? Bei seinem letzten Duell hatte er noch seine alten Karten. Ha, da bin ich aber gespannt!“
 

„Ja und wenn er dieses Turnier gewinnt, wird er wieder im Ranking aufsteigen. Ich hoffe, er schafft es dieses Mal. Beim letzten Turnier war es so knapp“, seufzte Yuugi.
 

Jounouchi träumte seit Langem davon Pro Duelist zu werden, doch dafür musste er nun mal an offiziellen Turnieren teilnehmen und als Sieger hervorgehen. Zunächst musste er also die lokalen Turniere gewinnen und sich einen Namen machen, um dann bei den nationalen Spielen teilnehmen zu dürfen, nur um so die Voraussetzungen für die internationalen Turniere zu erfüllen. Das war nicht so einfach.
 

Yuugi wusste selbst, dass viele Duellanten bereits vorher das Handtuch warfen, weil die Konkurrenz enorm war. Überhaupt im Ranking der weltbesten Duellanten aufzutauchen und zu bleiben, stellte eine Hürde dar. Dadurch, dass Jounouchi mit ihm im Königreich der Duellanten gekämpft hatte und dritter bei Kaibas Battle City Turnier wurde, war er kein unbeschriebenes Blatt, doch die Konkurrenz schlief nicht und jeder Duellant, der eine Karriere in dieser Richtung anstrebte, wusste, wie wichtig es war, sich anzupassen und seine eigenen Strategien zu überdenken.
 

Der Blonde hatte in den letzten Turnieren stets dieselbe Taktik: auf gut Glück gewinnen. Dass dies nicht gerade der beste Weg zur Spitze war, war natürlich klar und so waren seine Gegner entsprechend vorbereitet und konnten seine Spielzüge aushebeln, lange bevor sie in Kraft taten. Einige von seinen Gegnern hatten Ante-Decks erstellt, sodass es Jounouchi unmöglich war, seine Karten zu setzen und das Spiel zu seinem Gunsten zu wenden. Bangend hatte Yuugi im Publikum gesessen und ihn angefeuert, doch obwohl Jounouchi sich so sehr bemühte, war er mehrmals in die Falle seines Gegners getappt und hatte letztendlich das Duell verloren. Da Jounouchi dennoch immer wieder an offiziellen Spielen teilnahm und diese gewann, blieb sein Platz im Ranking konstant, da die Anzahl der gewonnenen Duelle die der verlorenen überstieg. Trotzdem wurde er nicht bekannter.
 

„Meinst du, dass er in die Internationals kommt? Ich würde es ihm gönnen“, erklärte Mokuba und bemerkte, dass er sämtliche Reiscracker allein aufgefuttert hatte. Hoppla. Gesund war das sicher nicht.
 

„Erstmal muss er die Nationals überstehen und um dort reinzukommen, muss er das lokale Domino Turnier, das jetzt stattfindet, gewinnen“, begann Yuugi nachdenklich.
 

„Der Sieger darf gegen dich antreten, deshalb nimmt mein Bruder auch teil“, grinste der Schwarzhaarige.
 

„Eigentlich darf man mit acht Sternen nicht mehr an lokalen Turnieren teilnehmen...“
 

„Du bist aber eine Ausnahme. Immerhin bist du der König! Jeder will gegen dich spielen.“
 

„Das heißt aber nicht, dass Kaiba diese Entscheidung ohne meine Zustimmung fällen kann. Ich werde nicht kommen. Ich bin doch nicht sein Hund, der ihm brav hinterherrennt und alles tut, was er sagt. Mal davon abgesehen, dass ich immer noch eine Stellungnahme von ihm erwarte, was die Überweisungen angeht.“
 

Mokuba zog verwundert eine Augenbraue hoch. Wovon sprach Yuugi da?
 

„Was für Überweisungen?“
 

„Einen Teil des Gewinns, den ich durch die Artikel von der Kaiba Corporation mache, geht an die KC zurück. Doch die letzten Überweisungen sind nicht gebucht worden und ich verstehe nicht, was das soll. Wir sind Geschäftspartner, trotzdem nimmt er Rücksicht auf mich und das ärgert mich. Er nimmt mich nicht ernst“, grummelte Yuugi und lehnte sich nun in die Coach, blies seine Backen auf, wie ein kleines Kind.
 

Dachte Kaiba etwa, dass Yuugis Situation so ausweglos war, dass er seine Unterstützung brauchte? Yuugi hatte mehr und mehr das Gefühl, dass Kaiba ihn nicht ernst nahm und zu glauben schien, dass er tun und lassen konnte, was er wollte. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Kaiba ihn nach Lust und Laune zum Duel Dom zitierte, um sich dort gegen ihn zu duellieren, nur um dann in größter Begeisterung von seinem bevorstehenden Sieg zu schwärmen (bisher hatte Kaiba kein einziges Mal gegen Yuugi gewonnen, trotzdem feierte er sich jedes Mal bereits im Vorfeld so lautstark, dass Yuugi es irgendwie niedlich fand, wenn er so viel Begeisterung zeigte und allein deswegen seine Herausforderungen annahm, um dieses Lachen zu hören), jetzt schien er auch noch zu glauben, dass Yuugi zu blöd war, nicht zu merken, dass seine Buchhaltung nicht stimmte.
 

Kaiba schien ihn zu unterschätzen. Kaiba nahm ihn nicht ernst. Ob bei einem Duell oder bei seinen Fähigkeiten als Verkäufer, der ein eigenes Geschäft führte. Immer tat Kaiba so, als wäre er ihm überlegen, obwohl er eigentlich schon längst begriffen haben sollte, dass sich Yuugi nicht von ihm unterbuttern ließ. Auch sein ewiger Sarkasmus hielt ihn nicht davon ab, sich ihm entgegen zu stellen und er nahm in erster Linie seine Herausforderungen an, um ihm zu beweisen, dass er niemand war, den man unterschätzen konnte. Yuugi wollte Kaiba beweisen, dass er Atem in Nichts nachstand und dass er die Bezeichnung Rivale verdient hatte – trotzdem nahm dieser Rücksicht auf ihn.
 

Natürlich war der Kame Game Shop nicht unbedingt die erste Adresse, wo man als Spielliebhaber hinging, immerhin lag der Schwerpunkt des Ladens nicht bei Videospielen und den neuesten Trends des Markts, sondern bei analogen Spielen. Brettspiele, Kartenspiele und Merchandise zu beliebten Spielen wie Capsule Coliseum oder Duel Monsters. Sein Großvater war auch stur, was das Sortiment anging. Er wollte bei den traditionellen und antiken Spielen bleiben.
 

Yuugi seufzte. Natürlich konnte er den Wunsch seines Großvaters verstehen. Das Sortiment des Kame Game Shops war einzigartig und fiel auf, aber man konnte von diesen alten, verstaubten Brettspielen nicht unbedient von Kassenschlagern sprechen. Lediglich das Merchandise und die Duel Monsters Karten liefen gut, so auch die Dueldisks, die Yuugi bei der KC bestellte. Sugoroku weigerte sich vehement, sein Sortiment umzustellen. Da hingen Erinnerungen dran. Erinnerungen an die alten Zeiten, als er als Gambler noch die Welt bereist hatte und als König der Spiele bekannt war. Heute kannte kaum einer mehr die Legende vom König, der jede Herausforderung annahm und gewann. Heute sprach man von Yuugi. Dass Yuugi mit Sugoroku verwandt war, wussten nur die wenigsten. Lediglich jene, die in der Gaming Szene bewandert waren.
 

Wenn Jii-chan doch einfach nur nachgeben und mir mehr Freiheiten gewähren würde. Aber er ist so stur! Natürlich nagen wir nicht am Hungertuch, aber ich möchte den Laden ungern irgendwann schließen müssen, weil mir die Kundschaft fehlt. Kaiba-kun hat das sicher auch schon gemerkt und ich kann verstehen, warum er mir unter die Arme greifen will... trotzdem brauche ich seine Hilfe nicht. Ich bin ein ebenbürtiger Geschäftspartner und kein Kind, dachte Yuugi und konnte den wachsenden Ärger nicht mehr zurückhalten. Er griff nach der Schüssel mit den Keksen – sein Mund weitete sich erschrocken. Nichts mehr da! Dann später eben zu BurgerWorld oder Pizza.
 

„Vielleicht ist mein Bruder doch nicht so gemein, wie ich dachte“, murmelte Mokuba nachdenklich.
 

Nahm sein Bruder wirklich Rücksicht auf Yuugi? Auf gewisse Weise hätte man meinen können, er wollte Yuugi unter die Arme greifen. Nein, das konnte nicht sein. Aber aus welchem anderen Grund würde er Yuugis Abgaben stornieren? Das war eigenartig. Einmal mehr hatte er das Gefühl, dass er seinen Bruder nicht verstand. Was nur ging in Kaibas Kopf vor?



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