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Life is a Gamble

Jounouchi/Kaiba
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Liste der verwendeten Karten:

Spitzelspinne (Monster)
Spinnenmutter (Monster)
Preisgegebene Spinne (Monster)
Rotäugiger Retrodrache (Monster)
Schwarzer Metalldrache (Monster)
Sündenbock (Zauberkarte, schnell)
Fluch des Anubis (Fallenkarte)
Roulettespinne (Fallenkarte, Blitz)
Blauäugiger Weißer Drache (Monster) Komplett anzeigen

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Kapitel 16

Es war bereits Nachmittag als Jounouchi durch die Stadt schlenderte. Ihm fehlte nur noch ein Sieg, um ins Finale zu kommen. Er hatte viele bekannte Gesichter gesehen. Espa Rober, Dinosaur Ryuzaki, Insector Haga und sogar Ryouta Kajiki. Er staunte nicht schlecht darüber, wie viele seiner alten Bekanntschaften ihn sofort wiedererkannten und wie vertraut sie miteinander reden konnten. Gerade mit Ryouta und Ryuzaki kam er besonders gut klar und es freute ihn, dass diese beiden sich genauso wie er selbst ihren Weg nach oben bahnten. Jounouchi hatte dank ihnen auch einige nützliche Informationen erhalten, so hatte er herausfinden können, dass es bei den Neulingen einige gute Anfänger gab, die tatsächlich gute Chancen hatten, eines Tages ganz oben in der Weltrangliste zu stehen.
 

In anderen Worten: noch mehr Konkurrenz!
 

Aber auch hatten sie ihn vor den Raritätenjägern gewarnt, die immer dann aktiv wurden, wenn ein Turnier ausgetragen wurde. Viele Duellanten wurden hinterrücks überfallen und ihrer besten und wertvollsten Karten beraubt. Schon während des Battle City Turniers hatte es da Schwierigkeiten gegeben, sodass Jounouchi nun verstand, warum Kaiba fast sein ganzes Sicherheitspersonal in die Stadt geschickt hatte. Sie passten auf, dass niemand Unruhe stiften konnte. Immerhin war das hier Kaibas Turnier. Sein Name stand auf dem Spiel. Würde es zu Zwischenfällen kommen, würde die Kaiba Corporation sehr schnell in der Kritik stehen. In der Hinsicht war Kaiba nun wirklich nicht zu beneiden, also konnte sich der Blonde glücklich schätzen, dass er nur ein Teilnehmer war. Auch wenn Kaiba meinte, dass es bei dem Turnier hauptsächlich darum ging, seine neue Hologrammtechnik vorzustellen – genau genommen damit anzugeben, was der große, tolle Kaiba so alles konnte – so war es auch offensichtlich, dass ihm Duel Monsters sehr am Herzen lag und er nicht zuließ, dass irgendjemand sein geliebtes Kartenspiel beschmutzte und für niedere Zwecke missbrauchte.
 

Natürlich konnte die KC diese Übeltäter nicht allesamt ausmerzen. Finanziell hätte dies sicher in Kaibas Möglichkeiten gelegen, doch er war nun mal der Leiter einer Firma, der viel zu tun hatte und sich auch anderen Aufgaben widmen musste. Jounouchis Atem stockte und er senkte seinen Blick frustriert zu Boden.
 

Genau. Er ist der Firmenleiter der Kaiba Corporation. Klar hat er viel zu tun... was für ein Idiot ich war. Vielleicht... war ich etwas voreilig. Aber ich will mich nicht bei ihm entschuldigen. Er hat mich beleidigt und das heute nicht zum ersten Mal. Eigentlich verdient er eine ordentliche Tracht Prügel, damit er endlich lernt, dass er nicht der Mittelpunkt der Welt ist, schoss es Jounouchi durch den Sinn und wieder versuchte er krampfhaft seine Fehler zu rechtfertigen, obgleich er tief in sich wusste, dass Gewalt nie eine Lösung war und dass er auf diese Weise weder die Welt noch Kaiba von sich und seinem Können überzeugen konnte.
 

Jounouchi blieb plötzlich stehen. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Er ließ seinen Blick umherwandern, musste aber feststellen, dass sein Verfolger – sofern er sich nicht geirrt hatte – schon wieder verschwunden war oder sich so gut versteckt hatte, dass er ihn nicht wahrnehmen konnte. Es war ihm auch ziemlich egal, denn er würde jeden Herausforderer fertigmachen und ins Finale kommen. Wenn er ein professioneller Duel Monsters Spieler – in den Fachkreisen auch Pro Duelist genannt – werden und ernst genommen werden wollte, durfte er sich vor keiner Herausforderung mehr drücken und zeigen, dass Jounouchi Katsuya mehr zu bieten hatte, als eine große Klappe. Dass er mehr konnte, als mit Gewalt zu kontern, wenn er sich eingeengt fühlte!
 

Dennoch konnte er ein unangenehmes Gefühl nicht abschütteln.
 

„Jounouchi“, hörte er eine Stimme aus der Seitenstraße. Rasch wandte er sich um und ging sofort in Abwehrhaltung über, bereit im Notfall zuzuschlagen. Ein blonder Junge tauchte auf. Seine Haare wild nach oben gestylt, während seine schmalen, kantigen Augen ihm einen ziemlich grimmigen und bösen Gesichtsausdruck verpassten. Auf seinem schwarzen Tanktop war eine Spinne abgedruckt, während er seine Arme verschränkte und sein Duel Disk verheißungsvoll aufzublitzen schien. „Lust auf ein kleines Duell? Der alten Zeiten wegen“, meinte er nur mit einem breiten Grinsen, doch Jounouchi legte nur verwundert den Kopf schief.
 

„Kennen wir uns?“, fragte er perplex und zeigte unsicher auf den Duellanten, welcher nur breit grinste und dann auflachte.
 

„Nagumo Koji – man nennt mich auch die Spinne. Wir kennen uns von der Domino High“, erklärte er und lächelte unschuldig.
 

„Moment... so langsam klingelt es. Du Mistkerl hast Yuugi bei Monster Fighter beklaut!“, schrie er ihm entgegen, als er sich an ihn erinnerte und zeigte Schuld zuweisend mit dem Zeigefinger auf ihn.
 

„Unsinn, das war die Regel und er hat eingewilligt. Außerdem ist das doch eh alles Schnee von gestern. Ich bin jetzt ein Duellant und fordere dich zum Duell heraus. Komm, sei kein Feigling!“
 

„Ich und feige? Nie und nimmer!“, kam es von Jounouchi, der seinen Duel Disk gerade starten wollte, doch Nagumo hielt ihn auf, winkte ab.
 

„Nicht hier. Lass uns irgendwo hingehen, wo nicht zu viele Leute sind. Ich mag es nicht, wenn zu viele Leute zugucken und einen ablenken“, erklärte er und weil Jounouchi seine Begründung in sich schlüssig fand, willigte er ein. Er folgte Nagumo wortlos, als dieser durch die Seitenstraßen lief und wunderte sich insgeheim, warum er eine Strecke wählte, die menschenleer und abgelegen vom Trubel der Stadt war. Nagumo hatte in seiner Jugendzeit so einige krumme Dinger gemacht und er hatte gehört, dass er sich bereits vor Jahren als Duellant versucht hatte. Jedoch hatte er wohl – den Gerüchten nach zufolge – mit Kaibas Obelisk Bekanntschaft gemacht und sich danach zurückgezogen.
 

Jounouchi fand zwar auch, dass die Sangenshin ziemlich angsteinflößend sein konnten, aber auch vor einem Gott kniff er nicht den Schwanz ein und ließ sich nicht beirren. Er hatte bereits einem Gott gegenüber gestanden. Mehr als einmal. Und jedes Mal hatte ihn sein Wille zu leben gerettet. Auch die unsagbar heißen Flammen des Raa hatten ihn nicht eingeschüchtert. Die Sangenshin waren besonders und sehr mächtig, aber nicht unbesiegbar. Jedes Monster hatte einen Schwachpunkt und mit ein bisschen Grips und Glück konnte man Mittel und Wege finden, selbst einen Gott auszuschalten und ihm die Stirn zu bieten.
 

Es gab keine absolute Taktik in Duel Monsters und deshalb war Jounouchi der Ansicht, dass diese vielen verschiedenen Möglichkeiten ein Duell erst richtig spannend machten. Jounouchi mochte Duellanten, die auf unkonventionelle Methoden zurückgriffen und bewusst nicht das taten, was alle anderen auch taten oder von ihnen erwarteten. Wäre doch super langweilig, wenn alle Spieler dieselben Karten verwenden würden, also war es gut, dass es Spieler gab, die auf ihre eigene Art und Weise versuchten, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
 

„Wir sind da!“, meinte Nagumo zufrieden und blieb stehen, warf Jounouchi ein nettes Lächeln entgegen, von dem sich Jounouchi mehr als nur sicher war, dass es falsch sein musste. Der Kerl spielte doch nicht nach den Regeln. Der Kerl war ein Betrüger und griff auch auf unfaire Mittel zurück und weil sein Instinkt ihm sagte, dass irgendetwas nicht stimmte, fühlte er sich umso mehr zur Vorsicht ermahnt. Irgendetwas war hier faul. Er warf einen genauen Blick auf ihre Umgebung. Sie befanden sich auf einer Baustelle, die vor Jahren aufgegeben wurde. Auf den alten, verwitterten Metallträgern, die achtlos liegen gelassen worden waren, befand sich immer noch eine Lage Schnee, die durch das Sonnenlicht noch nicht geschmolzen war. Abends trafen sich hier Jugendliche und kleine Gangs, die hier sich hier mit Alkohol die Zeit vertrieben. Da Jounouchi selbst mal Mitglied einer Gang gewesen war, kannte er diesen Ort und all die Schleichwege in und auswendig. Ob Nagumo sich im Klaren war, dass Jounouchi mal in diesen Kreisen verkehrt hatte?
 

Hirutani hat hier auch gerne Zeit totgeschlagen. Tagsüber ist hier nie einer, könnte also gut eine Falle sein, überlegte Jounouchi und wurde noch argwöhnischer.
 

„Gibt es irgendeinen Grund, warum es ausgerechnet diese verlassene Baustelle sein musste? Außerhalb des belebten Stadtgebiets? Willst du mich etwa ausrauben, hm?“, fragte Jounouchi nach und kniff seine Augen zu, zeigte seinem Gegenüber, dass er nicht zu Späßen aufgelegt war und sich zur Not nicht nur mit Worten, sondern auch mit seinen Fäusten wehren würde.
 

„Meine Güte, du bist ja übervorsichtig...“, lachte Nagumo und aktivierte seinen Duel Disk. Da Jounouchi ihn immer noch nur misstrauisch beäugte, seufzte er und forderte ihn erneut dazu auf, seinen Duel Disk zu starten, damit sie endlich anfangen konnten.
 

Ihr Duel zog sich in die Länge und Jounouchi verzog jedes Mal angewidert das Gesicht, als er das ekelhafte Grinsen der Spinnenmutter (2300ATK/1200DEF/6☆) sah, die ihn mit ihren hohen Angriffswert vor eine zunächst unüberwindbare Hürde stellte. Durch den Effekt der Spinnenmutter hatte Nagumo es geschafft, dieses Monster ohne Tribut zu beschwören und zudem zwei seiner Monster auf den Friedhof zu befördern. Auf Nagumos Seite befanden sich zwei weitere Spinnenmonster, zum einen die Spitzelspinne (500 ATK/1800DEF/4☆), die, wenn sie besiegt wurde, Nagumo dazu bemächtigte, sich eines von Jounouchis Monstern zu schnappen, sofern sich dieses in der Verteidigungsposition befand. Das wollte der Blonde auf keinen Fall zulassen.
 

Jounouchi seufzte und warf einen weiteren Blick auf seine eigenen Karten und dann zurück auf das Spielfeld. Mit ein bisschen Glück würde er das Ruder schon herum reißen. Es war zu früh zum Aufgeben. Geschweige denn davon, dass es absolut nicht seine Art war, kampflos das Handtuch zu werfen! Die Preisgegebene Spinne (300ATK/500DEF/2☆) bereitete ihm auch Sorgen. Sie musste irgendeinen Effekt haben, denn einen anderen Anlass gab es nicht, solch ein schwaches Monster zu spielen. Sie befand sich zwar auch in der Verteidigung und stellte im Moment keine Gefahr dar, trotzdem war sich Jounouchi sicher, dass er sich vor ihr in Acht nehmen musste.
 

Nachdenklich studierte er sein eigenes Blatt, zog dann eine neue Karte, in der Hoffnung, ein neues Ass zu erhalten, das ihm dabei helfen würde, die Führung zu übernehmen. Genervt raunte er. Etwas, das Nagumo hellhörig werden ließ und ihm Sicherheit gab.
 

So wie dieser Trottel das Gesicht verzieht und stöhnt, hat er sicher eine nutzlose Zauberkarte gezogen. Unglaublich, dass Jounouchi zu den besten Duellanten gehören soll. Den kriege selbst ich platt, dachte Nagumo und grinste selbstzufrieden in sich hinein.
 

Dass Jounouchi zu den bekannteren Gesichtern in der Duel Monsters Szene zählte, bedeutete also nicht automatisch, dass er ein guter Spieler war. Vermutlich zog er sich auch nur am König hoch. An diesen verdammten Yuugi. Dieser eingebildete Mistkerl. Jounouchi stellte keine Gefahr für ihn dar. Man konnte ihn nicht mal ernst nehmen und seine ständig wechselnden Gesichtszüge und seine mangelnde Fähigkeit ein Pokerface beizubehalten, machte es unglaublich einfach, ihn zu durchschauen. Seine Bluffs waren so schlecht, dass Nagumo sich wirklich fragte, wieso er überhaupt in der Weltrangliste auftauchte. Nicht, dass Jounouchi ihn interessierte. Sein Interesse galt einzig und allein ihm. Der Mann, der es gewagt hatte, ihn zu demütigen. Ihn, den König von Dominos Straßen.
 

Mit meinem Rotäugigen Retrodrachen (1700ATK/1600DEF/4☆) komme ich nicht sehr weit, aber wenn ich ihn für ein stärkeres Monster opfere, habe ich eine Chance. Verdammt, wenn Nagumo nicht so viele meiner Monster auf den Friedhof geschickt hätte, hätte ich jetzt weitaus bessere Karten!, überlegte er und betrachtete seinen Schwarzen Metalldrachen (600ATK/600DEF/1☆). Dann ging ihm ein Licht auf und er legte seinen Metalldrachen ab, aktivierte dessen Fähigkeit, die ihn dazu befähigte, sein neues Monster als Ausrüstungskarte zu verwenden, um somit den Retrodrachen um 600 Angriffspunkte zu stärken. Nun hatte sein Monster denselben Wert wie die Mutterspinne und selbst wenn es zu einem Kampf käme, würden sich beide Monster nur gegenseitig zerstören, ohne dass ihre Lebenspunkte angekratzt wurden.
 

„Unterschätze mich nicht, Nagumo! Mein Zug ist noch nicht beendet! Ich lege zwei weitere Karten verdeckt ab!“, meinte er nur. Mit dem Sündenbock hatte er eine gute Chance. Schnellzauberkarten waren immer nützlich und konnten gut als Opfer eingesetzt werden. Außerdem hatte er die Falle Fluch des Anubis gesetzt, mit der er sämtliche Effektmonster – und somit seine bisher größte Sorge, die Preisgegebene Spinne – in die Verteidigung zwingen konnte. Ein zufriedenes Grinsen fand den Weg auf Jounouchis Gesicht. Zur Not hätte er immer noch die Roulettespinne auf seiner Hand...
 

Kaibas Blick blieb bei seinem Blauäugigen Weißen Drachen hängen und ein sanftes, beinahe liebevolles Lächeln umspielte seine Lippen. Immer wenn er das Bild dieser Karte sah, fühlte er sich gleich viel besser und er konnte all den Ärger, der ihn sonst begleitete und zu übermannen drohte, vergessen und fokussiert in Richtung Zukunft sehen. Obwohl ihm sein Deck normalerweise Ruhe gab, konnte er den Gedanken nicht abschütteln, dass Yuugi seine Herausforderung ablehnen würde. Hatte Jounouchi das nur gesagt, um ihn zu ärgern? Oder war da wirklich etwas dran? Er seufzte schwer und legte seine Karten zu einem Stapel zusammen.
 

Für einen Moment hielt er seinen Atem an, legte dann seinen Kopf in den Nacken und überlegte fieberhaft, ob er den Worten des blonden Trottels wirklich Glauben schenken sollte. Yuugi war immer passiv. So hatte Kaiba ihn auch in der Oberstufe kennengelernt. Ein äußerst naiver und überfreundlicher Kerl, der auf keinen Fall unangenehm auffallen wollte und sich stets darum bemühte, nie etwas zu tun, was andere verärgern würde. Er hielt sich aus Streitigkeiten raus und hatte immer ein dümmliches Lächeln auf den Lippen. Kaum Selbstvertrauen. Ängstlich, aber nicht feige. Kaiba hatte ihn aus der Ferne beobachtet und es war die Leidenschaft für Spiele und ihre Rivalität in Duel Monsters, das sie aneinander band. Nur das hatte sein Interesse geweckt. Trotzdem war er immer der Ansicht gewesen, dass Mutou Yuugi das komplette Gegenteil von Pharao Atem war.
 

Atem war mutig, stolz und hatte stets einen frechen Spruch auf Lager. Seine Seele geriet nie ins Wanken. Er hatte seinen Blick stets gen Zukunft gerichtet und ging ohne Furcht voran. Dieser Mann war ihm ebenbürtig und sein wahrer Rivale. Für Kaiba war der Mann aus dem alten Ägypten, der sich selbst als antiker Pharao betitelte, tatsächlich das Maß aller Dinge. Er war perfekt. Er war die Perfektion und gab ihm stets die Motivation sich zu steigern und noch besser zu werden. Aber er war nicht mehr hier.
 

Nachdem Atem aus seinem Leben gegangen war, hatte er Yuugi als Platzhalter akzeptiert. Am Anfang war es nichts weiter als eine Ablenkung. Er konnte nicht damit umgehen, dass Atem einfach gegangen war und ihm ein letztes, echtes Duell verweigert hatte. Diese besondere Verbindung, die sie zueinander hatten, war für Kaiba sehr wertvoll. Die Lücke, die Atem gelassen hatte und das Loch in seinem Herzen hatte er füllen wollen, also richtete er sein Augenmerk auf Yuugi. Und das zurecht, hatte sich herausgestellt. Seine Persönlichkeit war anders, aber seine strategischen Fertigkeiten auf keinen Fall zu missachten.
 

Yuugi gab selten Widerworte. Er war leicht zu manipulieren. Ein Lächeln und ein paar nette Worte reichten meist aus, um seine Meinung zu ändern. Wenn man wusste, wie man ihn umstimmen konnte, war er wie eine Marionette zu handhaben. Für Kaiba war es selbstverständlich, dass Yuugi seine Herausforderungen annahm. Dass dieser dumm genug war, ihn als „Freund“ zu betiteln, war somit etwas, das er gerne in Kauf nahm, solange er seine Chance auf ein Duell bekam.
 

Doch dass Yuugi seine Herausforderung ablehnen könnte und sich bisher auch nicht beim Infocenter gemeldet hatte, gab ihm ein zunehmend schlechtes Gefühl. Yuugi war ein braves Hündchen. Befahl man ihm Sitz zu machen, tat er dies auch. Zitierte er ihn zum Dueldom, um sich gegen ihn zu duellieren, kam er mit seinem Deck bewaffnet. Das war immer so gewesen. Yuugi war leicht zu handhaben – zumindest hatte er ihn so eingeschätzt.
 

Yuugi war einfach zu nett und zuvorkommend. Er zeigte selten Kampfgeist. Nur in ihren Duellen wurde er ernst und der Blick, den er ihm schenkte, wenn er seine Karten ablegte und glaubte im Vorteil zu sein, war ebenso wunderschön und faszinierend wie einst der von Atem. Denn dann lag seine ganze Seele in seinem Zug und seinem Blick. Duellanten waren Menschen, die die Ästhetik in Duel Monsters verstanden hatten und sich mit ihren nackten Seelen miteinander maßen und in dieser Hinsicht stand Yuugi ihm in nichts nach. Nur deshalb konnte er ihn als neuen Rivalen akzeptieren. Denn seine Fähigkeiten als Duellant und als Gamer waren beeindruckend. Seine endlose Leidenschaft für Spiele und vor allem Duel Monsters kannte keine Grenzen.
 

Aus welchem Anlass sollte sich das geändert haben? Warum sollte Yuugi nun auf stur schalten und seine Herausforderung ablehnen? Aufgeregt trommelte er mit seinen Fingern auf der Tischplatte. Vielleicht wäre es das Beste, ihn selbst zu fragen. Ihn zu konfrontieren, denn würde er ihm direkt ins Gesicht sagen, dass er ihn im Finale erwartete, würde sein Herz schwach werden und sein Entschluss, ihm nicht zu gehorchen, ins Wanken geraten. Denn außerhalb eines Duells zeigte Yuugi selten Kampfgeist. Ein kleines, gespieltes Lächeln und schon würde er Yuugi umstimmen. Mehr brauchte es bei ihm nicht.
 

„Gut, dann werde ich ihm einen Besuch abstatten und ihn daran erinnern müssen, dass er sich nicht einfach aus der Affäre ziehen kann. Unser Duell wird stattfinden“, murmelte er entschlossen und überlegte, wie er Yuugi am besten begegnen sollte.
 

Vermutlich würde dieser immer noch im Kame Game Shop sitzen und darauf warten, dass Kundschaft eintrudelte. Kaiba fand es ja ohnehin absolut unvernünftig, dass Yuugi sich an diesen Laden klammerte, der kaum etwas abwarf. Dabei könnte er als Pro Duelist große Karriere machen und die Szene mächtig durch rütteln, würde er sich häufiger bei internationalen Turnieren zeigen. Kaiba seufzte enttäuscht. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es früher Nachmittag war und er entschloss sich dazu, seinen Ärger an einigen Neulingen auszulassen und mit diesen den Boden zu wischen.
 

Die Qualität der Duelle nahm seit Jahren ab, während die Anzahl der neuen Duellanten, die weder die Ästhetik in den Karten noch in der Kunst des Kartenkämpfens verstanden, immer weiter anstieg. Die meisten gaben nach nur wenigen Monaten auf, sobald sie auf die großen Namen trafen und zum ersten Mal mit einem starken Kontrahenten konfrontiert wurden. Kaiba grinste amüsiert. Dass Jounouchi es einfach nicht schaffte, sich nach oben zu kämpfen, war ein Beweis dafür, wie dämlich dieser war. Würde er das Kartenspiel ernst nehmen und seine Strategie überdenken – wohl eher sich endlich mal eine gescheite Strategie zulegen – hätte er eindeutig bessere Chancen.
 

Welcher normal denkende Mensch kam denn schon auf die Idee, Karten in sein Deck zu tun, die mit dem Fall einer Münze oder eines Würfels über den weiteren Verlauf eines Duells bestimmten und einem, wenn man Pech hatte, den Sieg kosten konnte? Jounouchis Strategie basierte auf Glück. Natürlich musste Kaiba zugeben, dass dieser mehr Glück als Verstand hatte, denn anders konnte man einfach nicht erklären, wie er seinen Anmutigen Würfel so häufig dazu brachte, die Sechs zu zeigen. Vermutlich hätte Jounouchi weitaus bessere Chancen den Jackpot in einem Kasino zu knacken, als ein Duell zu gewinnen und endlich ein paar Ränge aufzusteigen. Nicht grundlos nannten die Leute ihn einen Gambler und es war wahr, denn was anderes als Glücksspiel war das, was er während eines Duells ablieferte, nun wirklich nicht. Ein High Roller wie Jounouchi hatte nichts in einem so graziösen Spiel wie Duel Monsters zu suchen!
 

Knurrend verließ Kaiba sein Büro und besiegte ein paar Amateure und schenkte all jenen vernichtende Blicke, die es wagten, ihm länger als drei Sekunden ins Gesicht zu sehen. Seine Verletzung machte deutlich, dass etwas passiert sein musste, doch die meisten trauten sich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Sich mit Kaiba anzulegen bedeutete sein eigenes Testament zu unterschreiben. Er hätte auch ein Phantombild schicken können und sich mithilfe seiner Hologrammtechnik duellieren können, doch er genoss es die verzweifelten Gesichtsausdrücke seiner Gegner zu sehen, wenn ihnen klar wurde, dass man Kaiba nicht mit gutem Willen und dem Wunsch zu siegen besiegen konnte. Kaiba hielt nichts vom Willen. Der Wille allein entschied kein Duell und er brachte einem auch nicht den Sieg. Weder in einem Kartenspiel noch im wahren Leben. Was wirklich zählte war Kompetenz und Macht.
 

Nur wer seine Fähigkeiten ausschöpft und hart an sich und seinen Strategien arbeitet, darf sich Duellant nennen. Bonkotsu, du wirst es nie zu etwas bringen. Die einzige Qualität, die du hast, ist dein loses Mundwerk, grummelte Kaiba gedanklich. Wieso beschäftigte er sich überhaupt mit dem Blonden? Warum nervte es ihn so dermaßen, dass dieser Duel Monsters nicht ernst nahm? Lag es daran, dass Jounouchi seinem Rivalen so nahe war und dessen guten Ruf gefährdete? Es gab so viele Fragen in seinem Kopf, auf die er partout keine Antwort fand. Und Mokuba bezeichnete ihn auch noch als seinen Freund. Völlig egal, wie lange Kaiba über Jounouchi nachdachte, er konnte einfach keine einzige positive Eigenschaft erkennen.
 

Jounouchi gehörte zu der Sorte Mensch, die ernsthaft glaubten, dass der Wille allein Berge versetzen konnte. Für Kaiba war diese Art zu denken einfach nur abwegig. Sie passte nicht in seine Weltanschauung und seiner Vorstellung, dass Logik, Macht und Kompetenz über Sieg entschieden. Kindische Parolen wie „Das schaffen wir“ hatten keinen Platz in seiner Welt, denn hohle Worte, die mit guten Argumenten nicht zu untermauern waren, konnte er nicht ernst nehmen. Ständig gab der Blonde Sprüche von sich, die er nicht verstehen konnte. Dieses unbegründete Selbstvertrauen ergab keinen Sinn. Nur mit Macht allein konnte man vorankommen.
 

Als er am Abend zurückkehrte, musste Kaiba feststellen, dass Mokuba ihn ignorierte und stattdessen konzentriert die Ergebnisse des Turniers beobachtete und die Daten auswertete. Bisher verlief alles reibungslos. Auch das System hatte keinen einzigen Fehler gemeldet und funktionierte einwandfrei. Sicher würde er mit seinem neuen und verbesserten Hologrammsystem die Welt begeistern und den ein oder anderen Investor und zukünftigen Partner finden. Da die KC eine Aktiengesellschaft war, war es nie verkehrt, möglichst viele Unterstützer zu haben und sicher zu gehen, dass die Marke Kaiba nicht an Wert verlor. Zufrieden aufgrund dieses Gedanken grinste Kaiba in sich hinein.
 

Duel Monsters gehörte der Kaiba Corporation. Seit Pegasus plötzlich verstarb – Kaiba wusste bis heute nicht, wie und wann er verstorben war, aber es interessierte ihn auch nicht sonderlich – hatte Kaiba sich Industrial Illusions unter den Nagel gerissen und sich sehr rasch darum gekümmert, den vorherigen Vertrag und ihre geplante Verbindung, zu seinem Gunsten abzuwandeln. Namentlich gab es zwar noch zwei weitere Inhaber der I², aber diese hatten kaum etwas zu sagen. Pegasus’ Adoptivkinder. Kaiba hatte erst spät erfahren, dass Pegasus so etwas wie Kinder hinterließ. Yako und Gekko Tenma. Zwillingsbrüder, die sich auch um das Design der neuen Karten kümmerten und somit wertvoll für Kaiba und seine Firma. Sowohl Yakos als auch Gekkos Leidenschaft für Duel Monsters brannte unbändig in ihren Herzen.
 

Duel Monsters war mehr als Sport zu verstehen und es gab zahlreiche Duellanten, die die Szene prägten. Alles erfahrende Spieler, die genau wussten, wie man die Masse begeisterte. Genau das, was Kaiba auch wollte. Und weil Duel Monsters ihm so wichtig war, war es doch nur logisch, dass er auch darauf achtete, dass die Duellanten, die in der Öffentlichkeit auftraten, ein bestimmtes Bild bewahrten. Ein Duellant musste ehrgeizig und mutig sein, doch vor allem musste er sich professionell geben und die Zuschauer begeistern können. Sterbenslangweilige Duelle, wo ein normaler Schlagabtausch stattfand und Monsterkarten der ersten Generation verwendet wurden, war alles anderes, als spannend anzusehen. Vor allem für die Zuschauer, die Action erwarteten. Mithilfe seiner Hologramme war es möglich, Kämpfe vor großen Publikum abzuspielen, die einem den Atem raubten.
 

Es war äußerst traurig, dass so viele Neulinge nicht das Potential und das Talent hatten, um wahre Duellanten zu werden. Immerhin war es doch wichtig, dass sich ein Duell hinauszögerte und man nicht wusste, wer am Ende gewinnen würde. Es war die Abwechslung, die Duel Monsters so prägte. Jeder Spieler hatte seine eigene Vorstellung eines guten Duells, doch jeder von ihnen strebte nach diesem erfüllenden Gefühl, nach einem langen und harten Kampf doch den Sieg erringen zu können und am Ende mit Gewissheit sagen zu können, dass die eigene Strategie makellos war.
 

Jeder Duellant brauchte einen würdigen und ebenbürtigen Gegner, der einen dazu brachte, über seinen Horizont zu sehen und sich selbst neu zu entdecken. Kaiba fand dieses Gefühl, nach dem er sich so sehr sehnte, in seinen Duellen gegen Yuugi. Doch diese Anmut, diese Spannung und die Aufregung, nie wissen zu können, was als nächstes geschah, fehlte den meisten Duellen. Meistens hetzten die Spieler einfach nur ihre Monster aufeinander. Dieselben Standard Zauberkarten. Kaiba gab zu, dass es durch die vielen Regeln viele Einschränkungen bei der Wahl der Karten gab, so war es seit Jahren nicht mehr erlaubt, Zauberkarten zu verwenden, die die Lebenspunkte des Gegenspielers direkt angriffen oder Fallenkarten, die das gesamte Blatt zerstörten. Kaiba hatte diese Regeln eingefügt, um sicherzustellen, dass die Duelle auch zukünftig abwechslungsreich blieben.
 

Doch die meisten Neulinge und Amateure suchten ihr Heil stattdessen in den Angriffspunkten ihrer Monster. Kaum einer machte sich die Mühe, sich eine Strategie zu überlegen und Karten zu wählen, die diese unterstützen. Dabei war die Auswahl an Karten doch schier unendlich! Sich gegenseitig abwechselnd mit seinen Monster zu verprügeln war weder sonderlich interessant noch elegant. Ein Duell war ein sportlicher Wettkampf und keine Prügelei zwischen Barbaren, die sich kopflos gegenseitig die Rübe einzuschlagen versuchten! Brutalität war es nicht, was ein Duell ausmachte. Das hatte nichts mit Taktik zu tun.
 

Daher war Kaiba der Ansicht, dass es eine gute Idee wäre, gerade den Neulingen das Duellieren beizubringen, damit die Qualität wieder stieg. Doch solange es keine neuen Herausforderer gab, die dieselbe Auffassung von Duel Monsters hatten wie Yuugi und er selbst, waren die meisten Spieler nicht seine Zeit wert. Kaiba erachtete nur Yuugi als seiner würdig. Nur mit diesem wollte er sich messen, denn dieser hatte ihm mehr als einmal seine eigenen Grenzen aufgewiesen und motivierte ihn dazu, weiterzumachen und so erlosch das Feuer der Leidenschaft in seinem Herzen nie, da er immer ein Ziel hatte, was er unter allen Umständen erreichen wollte.
 

Yuugi zu besiegen war sein Wunsch. Über ihn zu triumphieren trieb ihn an und gab ihn einen Grund morgens wieder aufzustehen. Es war ihre Rivalität und sein inniges Bedürfnis, seine Seele gegen die von Yuugi antreten zu lassen, die ihn mit solch einer Begeisterung an dieses Kartenspiel fesselte. Auch das jetzige Turnier galt nur zur Aufmachung, als kleiner Vorgeschmack, um die Fans für die das berauschende Duell, das sie erwartete, aufzuwärmen. Das wahre Finale fand zwischen Kaiba und Yuugi statt. Es stand ja wohl fest, dass Kaiba als Sieger des Turniers hervorgehen würde. Aber er würde es auch genießen, Jounouchi eine demütigende Niederlage vor Augen zu führen und ihm ein für alle mal die Realität schmecken zu lassen.
 

„Nii-sama“, gab Mokuba von sich und grinste breit. Kaiba hob seinen Blick und betrachtete seinen jüngeren Bruder.
 

„Jounouchi hat es schon ins Finale geschafft. Also werdet ihr euch auf jeden Fall noch mal wiedersehen“, meinte er nur und hatte dieses unglaublich freche Grinsen drauf. Er war schadenfroh. Sein Bruder lachte ihn aus! Wann nur hatte sein kleiner, unschuldiger, folgsamer Bruder sich so sehr verändert?
 

„Was willst du damit sagen?“
 

„Wäre doch eine gute Gelegenheit, dich bei ihm zu entschuldigen. Für deine gemeinen Worte und dafür, dass du ihn ständig provozierst“, sagte er Achseln zuckend.
 

„Wenn überhaupt müsste sich dieser Hohlkopf doch bei mir entschuldigen.“ Kaiba schnalzte verächtlich mit der Zunge und für ihn war das Thema abgehakt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Charakter Koji Nagumo kam sowohl im Anime als auch im Manga vor. Im Manga hatte er seinen ersten Auftritt sehr früh, bereits Kapitel 43, wo er der Antagonist der Monster Fighter Arc eingesetzt wurde. Doch auch während des Battle City Turniers konnte Nagumo nicht die krummen Dinger lassen und hat sich auf schwächere Spieler gestürzt und ihre Karten geklaut. Als Nagumo Mokuba beleidigt, meint Kaiba, dass er die Kaiba Corporation beleidigt hätte und er fordert Nagumo heraus, mit dem Einsatz, dass dieser all seine Karten an sich nehmen darf, sofern er gewinnt. Kaiba schlägt ihn vernichtend mit seiner Götterkarte. Was danach mit ihm geschah, wurde nie erwähnt, wird aber Teil dieser Fanfiktion!

Yako Tenma und Gekko Tenma kommen im YuGiOh! R Manga vor. Sie sind die Adoptivkinder von Pegasus. Da Takahashi selbst YGO! R abgesegnet hat, gehe ich davon aus, dass dieser Spin-off Manga sich passend in das Universum des Mangas gliedert. Auch hier bleibe ich möglichst spoilerfrei.

Es wird so langsam richtig schwierig, ohne Spoiler für den Film Darkside of Dimensions zu schreiben, aber ich weiß, dass einige von euch den Film (noch) nicht gesehen haben. Diejenigen unter euch, die den Film gesehen haben und sich nun denken: „Huch? Aber das wurde doch im Film abgehandelt!“, bitte ich daher darum, ein Auge zuzudrücken und darüber hinwegzusehen, dass ich absichtlich Lücken gelassen habe oder hier und da nur die Oberfläche ankratze, obwohl ich weitaus mehr dazu sagen könnte. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Onlyknow3
2018-10-22T14:12:07+00:00 22.10.2018 16:12
Also Seto ist so was von Überheblich, ichh wünsche ihm das er auf Joe trifft und dieser ihn besiegt.
Seto sitzt hier zu sicher, das ist selbst seinem Bruder zu wider.
Werde den rest auch noch lesen, mir gefällt die Geschichte.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  chiyo-chan99
2018-09-30T14:17:52+00:00 30.09.2018 16:17
Ich muss sagen, dass mir Yuugi hier sogar noch besser gefällt als in Spherium. Man hatte in DSOD gesehen, dass er sich weiterentwickelt hat und zwar immernoch ein Introvert sein mag, aber die Zeiten in den er sich auf der Nase rumtanzen lässt sind vorbei.


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