Zum Inhalt der Seite

Life is a Gamble

Jounouchi/Kaiba
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 22

Sie betraten das Grundstück. In der Finsternis der Nacht kamen sie gut voran und sicherten das Gelände um sie herum. Mit jedem Stück, dem sie ihrem eigentlichen Ziel näher gekommen waren, wurde ein Funkspruch gesendet. Sie waren zu sechst. Jounouchi und ein anderer Soldat übernahmen die Vorhut. Er hatte direkt eine eigenartige Verbindung zu dem großgewachsenen Mann gespürt. Er fragte sich, ob sie sich schon einmal begegnet waren und warf dem großgewachsenen Mann mehrmals musternde Blicke zu, die dieser durch den verdunkelten Schutzhelm nicht sehen konnte. Dennoch schien er gespürt zu haben, dass Jounouchi ihn ansah.
 

Er drehte sich um und hätte Jounouchi es nicht besser gewusst, hätte er gesagt, dass er ihm ein keckes Grinsen entgegenwarf. Diese Schutzhelme waren praktisch, wenn man unerkannt bleiben wollte, aber es machte es einfach unmöglich, dem Gegenüber in die Augen zu sehen. Er hatte sich nur kurz namentlich vorgestellt. Johnny Gayle. Bei Jounouchi klingelte es nicht. Auf die Frage, ob sie sich schon einmal begegnet waren, hatte der große Mann, der sicher die 2 Meter Grenze geknackt hatte, nur leise gelacht. „Für solche Schwätzchen haben wir jetzt keine Zeit, Kleiner“, hatte er gesagt und ihn damit abgespeist.
 

Einerseits war Jounouchi genervt, dass man ihn als „Kleiner“ betitelte, doch andererseits musste er selbst zugeben, dass er im Gegensatz zu diesem Soldaten keine richtigen Erfahrungen hatte und sie einen enormen Größenunterschied hatten. Jounouchi reichte dem Mann gerade Mal bis zur Schulter. Dabei war er selbst gar nicht klein. Für einen Japaner war er sogar überdurchschnittlich groß und hatte stets mit seiner Körpergröße geprahlt. Immerhin war 1,78 m für einen Mann in diesem Land doch gar nicht wenig. Gerne sagte er auch, dass er 1,80 m groß war. Auf die zwei Zentimeter kam es ja nicht wirklich mehr an. Außerdem wollte er sich Honda nicht geschlagen geben! Auch ihre Körpergröße war etwas, worüber die beiden jungen Männer gerne miteinander wetteiferten. Dass Honda größer war, kränkte seinen Stolz. Auch wenn es sich letztendlich nur um zwei verdammte Zentimeter handelte.
 

Immerhin waren Yuugi und Ryou etwas kleiner. Dass der Größenunterschied zwischen Ryou und ihm ebenfalls nur zwei Zentimeter betrug, konnte man getrost ignorieren und sich als Größter in ihrer kleinen Gruppe feiern. Für Männer war das nun mal wichtig. Zumindest für Jounouchi, der gerne den Macho raushängen ließ und versuchte besonders bedrohlich zu erscheinen, wenn sich Jugendbanden ihm und seinen Freunden näherten.
 

Achtsam ließ er seinen Blick durch die Gegend schweifen. Es war ziemlich ruhig. Aus der Ferne hörte man die Autobahn, doch die Geräuschkulisse war so leise, dass man sie kaum wahrnahm und man sehr gut hinhören musste, um sie überhaupt mitzubekommen. Jounouchi wusste, dass ein falscher Schritt ganz schnell das Ende ihrer kleinen Mission sein konnte. Auf keinen Fall wolle er das Leben von Yuugi und den Kaibabrüdern riskieren. Er schluckte hart und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Im Gegensatz zu diesen ausgebildeten Soldaten kannte er sich hier gut aus und wusste genau, welche Gebäude man von vornherein meiden sollte, wenn man nicht auf unangenehme Gäste treffen wollte.
 

„Hier müssen wir aufpassen“, sagte Jounouchi und ließ seinen Blick hin und herwandern.
 

„Kann sein, dass Jugendliche sich hier herumtreiben. Wenn die uns bemerken, könnten die uns ganz schnell verpetzen, um selbst in der Gunst bei ihrem Boss zu steigen“, erklärte er dann und der große Johnny nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte. Sie flüsterten nur und versuchten nicht zu viele Geräusche zu machen. Jounouchi war der Ansicht, dass sie sich glücklich schätzen konnten, Profis bei ihrer Infiltration dabei zu haben. Sicher rechneten sie damit, dass Kaiba und dessen Angestellte von vorne kamen, doch stattdessen schlichen sie sich von hinten an und nahmen große Umwege in Kauf, um nicht gesehen zu werden. Ohne sich vorher abgesprochen zu haben, wusste jeder, wie wichtig es war, nicht unnötig aufzufallen. Jeder von ihnen schwieg und ihre Füße schienen über den Boden zu schweben.
 

Die Raritätenjäger konnten ja nicht wissen, dass sie jemanden auf ihrer Seite hatten, der sich hier so gut auskannte. „Das Gebäude hier meiden wir lieber“, kam es zuversichtlich von Jounouchi und er zeigte auf ein großes Gebäude, das früher einmal als Firmensitz gedient haben musste. Durch die ständigen Erdbeben in Japan gab es viele Gebäude, die einstürzten oder nur noch auf wackligen Beinen standen, weshalb sie von ihrem Hauseigentümern verlassen wurden. Ein Gebäude zu sanieren war weitaus kostspieliger als ein neues zu bauen, welches den modernen Anforderungen der Erdbebenforschung gerecht wurde und so sicher war, dass auch Erdbeben der Stufe 4 sie nicht zu Fall brachten. Die meisten Gebäude hier standen also schon seit vielen Jahrzehnten leer. Mutige Jugendliche hielten sich trotzdem hier auf und diverse Vereinigungen, die keine Angst vor Verletzungen hatten und es in Kauf nahmen, bei einem plötzlichen Erdbeben unter den wackligen Trümmern lebendig begraben zu werden, nur um ihre illegalen Geschäfte ausführen zu können.
 

Sie näherten sich dem Gebäude, in dem sie Yuugi und die gestohlenen Gegenstände vermuteten. Mit jedem Schritt, indem Jounouchi dem Gebäude näher kam, schlug sein Herz noch wilder. Bis hierher lief alles wie geplant. Es gab keine plötzlichen Komplikationen. Big Johnny erwähnte die Uhrzeit und ihren aktuellen Standpunkt.
 

Nur noch wenige Meter vom Ziel entfernt. 23:34 Uhr. Alles läuft nach Plan.
 

Stillschweigend liefen die beiden Kaibabrüder den Soldaten und Jounouchi hinterher. Sie beide waren emotional geladen, doch konzentrierten sich auf das, was nun wirklich wichtig war. Immer noch konnte Kaiba nicht glauben, dass Mokuba seinen Willen durchgesetzt hatte und derart unüberlegt handelte. Sie hatten sich zum ersten Mal so richtig gestritten. All diese tollen Ratgeber, die er gelesen hatte, hatten ihm gar nichts gebracht. In der Praxis war das Wissen, das er erlangt hatte, weitaus schwerer umzusetzen als in der Theorie. Mokuba hatte sich kein einziges Mal nach ihm umgedreht und stampfte stur den Soldaten hinterher. Für Kaiba war es absolut unerklärlich, wie es nur so weit kommen konnte.
 

Kaiba war immer Herr der Lage. Er war immer die Ruhe selbst. Es unterliefen ihm so gut wie gar keine Fehler und seine Kalkulationen stimmten immer und übertrafen sogar die Erwartungen. Es gab keine Situation, die er nicht handhaben konnte. Man musste einfach nur das Problem analysieren, es in seine Einzelteile zerlegen und es Stück für Stück lösen und letztendlich aus der Welt schaffen. Ob feindselige Gegenspieler auf dem Wirtschaftsmarkt, die versuchten mit der KaibaCorp zu konkurrieren und mit aller Macht versuchten, dieselbe wirtschaftliche Macht wie er zu erreichen oder die Medien, die versuchten, ihn und seine Firma in einem schlechten Licht dastehen zu lassen. Jeder, der in seinem Weg stand, wurde systematisch weggeräumt. Es gab immer Mittel und Wege, solange man einen kühlen Kopf behielt und sich nicht von Emotionen mitreißen ließ. Geld war hierbei immer das überzeugendste Argument.
 

Auch in Duel Monsters gab es immer eine Karte, die die Strategie des Gegners nichtig machte. Das ganze Leben war ein Spiel, man musste seine Schachfiguren einfach nur richtig setzen und die zukünftigen Veränderungen genau berechnen und vorhersagen können und entsprechend handeln. Es war so einfach seinen Gegenüber zu manipulieren. Doch Gefühle waren wankelmütig. Wie sollte er Gefühle analysieren und entsprechend handeln, wenn sie sich doch im Sekundentakt veränderten? Wie beantwortete man Tränen? Wie sollte er die Wut seines Bruders beschwichtigen?
 

Ein nettes Lächeln reichte aus, um einen zukünftigen Vertragspartner zu überzeugen. Ein paar Schmeicheleien und nett gemeinte Lügen, von denen jeder wusste, dass sie gelogen waren und schon hatte man seinen Gegenspieler in der Hand. Oberflächliche Komplimente taten ihr übriges. Er wusste, wie man Menschen manipulierte. Es war so einfach, seine Stimmlage anzupassen, um direkt Sympathien zu wecken, seine Körperhaltung dem Gegenüber anzupassen, um eine Verbindung aufzubauen und die Art der Handbewegung, die entscheidend zur gewünschten Antwort führte. Selbst die Art des Händedrucks lenkte Kaiba selbst, so hielt er seine Hand dem Gegenüber stets von oben entgegen, um so sicherzugehen, dass sein Gegenüber automatisch die devote Haltung einnahm und er mit seiner Dominanz überzeugte. Kaiba war dominant. Manipulation war das beste Mittel, um seine eigenen Ziele zu erreichen und ein gewünschtes Ergebnis hervorzubringen.
 

Doch Mokuba war kein Geschäftspartner. Er war sein Bruder. Kaibas einziger Verwandter. Kaiba sagte zwar Bruder, doch genau genommen fühlte er sich für ihn verantwortlich wie ein Vater. Er hatte die Rolle des Erziehungsberechtigten auch immer gut erfüllt. Das war es, was er selbst glauben wollte, umso unverständlicher war es für ihn, dass Mokuba sich so veränderte und ihn nicht mehr Teil an seinem Leben haben lassen wollte und darauf pochte, seine eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen. Es war nur natürlich, dass Jugendliche sich irgendwann abkapselten und sich neue Vorbilder suchten, doch dass er sich ausgerechnet Jounouchi als neues Vorbild nahm, bereitete dem CEO Kopfzerbrechen.
 

Sie schlichen zum Gebäude und drückten ihre Leiber gegen die eiskalte Wand. Jounouchi bemerkte die dicke Wolkendecke am Himmel und die vereinzelten Schneeflocken, die seicht zu Boden fielen. Ein Glück, dass noch kein Schnee liegt. Wäre schlimm, wenn sie unsere Position anhand der Fußabdrücke ausmachen könnten, dachte Jounouchi und fragte Big Johnny, was er nun als nächstes plante zu tun. Das Gebäude direkt stürmen? Die anderen Bodentruppen benachrichtigen und sie dazu beordern, nun von vorne zu kommen? Abwarten? Der große Mann warf einen Blick auf die Uhr und gab erneut einen Lagebericht durch.
 

Stehen direkt vorm Ziel. Bisher keine nennenswerten Vorkommnisse. 23:48 Uhr.
 

Er hörte den Funkspruch, der weitere Befehle durchgab. Zunächst abwarten, denn genau in diesem Augenblick würden zwei andere Einsatzwagen am Vordereingang für Aufsehen sorgen und ihnen somit genügend Zeit geben, von hinten reinzugehen und ohne Schwierigkeiten die Geisel und die gestohlenen Gegenstände zurückzuerobern. Jounouchi fand, dass das viel zu einfach war. In Videospielen passierte immer irgendetwas, womit man nicht gerechnet hatte. Wer sagte denn, dass alle Raritätenjäger direkt das Gebäude verließen und nach draußen stürmten? Konnte man das mit Sicherheit sagen?
 

„Kleiner, hast du etwa Schiss?“, fragte Big Johnny leicht amüsiert. Jounouchi schüttelte nur den Kopf.
 

„Unsinn. Bin nur bis oben mit Adrenalin vollgepumpt“, sagte er aufgeregt, überspielte seine Nervosität perfekt. Johnny boxte ihm gegen die Schulter. Das war wohl seine Art zu sagen, dass alles gut werden würde und er sich keine Sorgen machen brauchte.
 

„Gut, wir gehen da jetzt rein und holen uns das zurück, was uns gehört!“, begann Johnny etwas lauter und sämtliche Aufmerksamkeit lag auf dem Hünen. Die anderen beiden Soldaten und die Kaibabrüder nickten.
 

„Wenn wir da reingehen, gibt es kein Zurück mehr. Alles oder nichts. Kaiba-sama, Mokuba-sama, ich warne euch, im Kampf gibt es keine festen Regeln wie in einem Spiel. Wer zuerst schießt, gewinnt. Ich möchte, dass ihr beide stets hinten bleibt und nichts unüberlegtes tut. Jounouchi, du gehst mit mir zusammen rein“, gab er ihren Plan vor und Kaiba riss schockiert die Augen auf.
 

„Mister Gayle, das geht nun wirklich nicht! Jounouchi ist kein Soldat, sondern ein Duellant!“, kam es von dem Brünetten. Dass er den Blonden in Schutz nahm, fühlte sich eigenartig an. Auch wenn er gesagt hatte, dass dieser für sich selbst verantwortlich war und er sicher nicht zu seiner Hilfe eilen wollte, so konnte er nicht zulassen, dass der blonde Trottel sich hier munter in die Gefahr stürzte und dabei sein Leben riskierte. Mal davon abgesehen, dass Kaiba wusste, dass Yuugi ihm nie verzeihen würde, würde diesem dämlichen Hinterwälder etwas passieren und es würde zudem ein schlechtes Licht auf die KC werfen. Negative Propaganda konnte er nicht gebrauchen. Nicht, dass ihm irgendetwas an diesem schäbigen Kerl lag!
 

Mister Gayle muss verrückt geworden sein, wenn er zusammen mit Jounouchi das Gebäude stürmen will. Jounouchi und ich sind nicht befreundet und es ist ausgeschlossen, dass wir jemals auf einer Stufe stehen, trotzdem kann ich doch nicht zulassen, dass er blindlings in sein Verderben rennt. Verdammt...!, schoss es Kaiba durch den Kopf, der sonst absolute Kontrolle gewohnt war. Kaiba war ein Kontrollfreak. Er wusste alles. Er sah alles. Domino war seine Stadt. Alles lief nach seinem Plan und dass er nicht vorhersagen konnte, was geschehen würde, machte ihn, ja, nervös. Diese Unsicherheit, die er verspürte, ließ ihn Wanken. Das hier war kein Spiel oder gar eine Simulation, wo alles nach haargenauen Berechnungen lief. Niemand wusste, was sie da drin erwartete.
 

Big Johnny kam Kaiba näher. Kaiba, der es gewohnt war, größer als seine Mitarbeiter zu sein, wurde von diesem Hünen in den Schatten gestellt und es war das erste Mal seit Langem, dass er sich etwas eingeschüchtert fühlte. Dieser Soldat hatte echt Nerven. Er wagte es tatsächlich, sich seinem Chef ohne Erlaubnis zu nähern! Und auf ihn herabzublicken! Typisch Amerikaner, die hatten keinen Anstand oder Respekt vor japanischen Sitten.
 

“Mister Kaiba, I know what you mean, but this is my personal judgment. I trust Mister Jounouchi. He is strong. You might be the leader of the Kaiba Corporation, but I am the leader of the special forces. You will follow my orders or stay put! The lives of my soldiers depends on my judgment. I am sure that I have more experience on the battlefield than a CEO who develops games and never leaves his office.”
 

“I am your boss. I simply cannot approve of your orders. Jounouchi does not have more experience on a battlefield than I do. You are endangering his life.”
 

“Right now, Kaiba, you are my soldier and you will follow my orders. Stay here if you can't follow my orders. I'm not going to discuss this matter any longer.”
 

Jounouchi staunte darüber, dass Big Johnny und Kaiba diskutierten. Hatte der Große seinen Chef gerade ohne Suffix angesprochen? Ganz schön respektlos, stellte Jounouchi nüchtern fest, machte diesen Mann aber irgendwie unheimlich sympathisch in seinen Augen. Er hatte kein einziges Wort verstanden. Kaiba war nicht zufrieden mit ihrem Plan und er wollte nicht, dass Jounouchi gemeinsam mit Big Johnny da reinging. Doch Johnny wurde mit jedem Wort lauter und erinnerte an einen Ausbilder aus dem Militär, sodass Kaiba kleinlaut wurde und keine weiteren Widerworte gab. Ein bisschen genoss der Blonde es, zu sehen, wie Kaiba wortlos dastand und einsehen musste, dass ihm seine arroganten und ach so schlauen Sprüche ihm in dieser Situation gar nichts brachten. Ein schadenfrohes Grinsen schlich sich für einen Moment auf seine Lippen. Doch dann fasste er sich.
 

„Kaiba, ich kann auf mich selbst aufpassen. Wenn überhaupt, solltest du dir Sorgen um dich selbst machen“, meinte Jounouchi nur mit einer solch festen Stimme, dass Kaiba sich fragte, ob hier nun wirklich jeder übergeschnappt war.
 

„Leute, los geht’s!“, kam es siegessicher von Big Johnny und Jounouchi nickte ihm zu. Gemeinsam liefen sie in das Gebäude.
 

Das halb zerfallene Gebäude stellte sich als ehemalige Lagerhalle heraus. Im Dach befanden sich teilweise so große Löcher, dass man problemlos in den Nachthimmel sehen konnte und vereinzelt Schneeflocken ihren Weg ins Gebäude fanden, die sanft zu Boden segelten und dort liegen blieben. Wäre der Himmel nicht mit Wolken verhangen gewesen, hätte sicher auch das Mondlicht hier hineingereicht und sie hätten sich weitaus besser einen Weg bahnen können. Big Johnny schaltete seine Taschenlampe immer wieder an, nur um sie im nächsten Moment wieder auszuschalten und sich die Umgebung haargenau einzuprägen. Vermutlich wollte er nicht mit zig Taschenlampen bewaffnet hier durch die Dunkelheit laufen, denn ansonsten hätten sie ihren Standpunkt direkt offengelegt. Jeder ihre Schritte hallte leise wider und als Jounouchi auf ein paar kleine Steine trat, die unter seiner Schuhsohle unangenehm knirschten, schluckte er hart. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass jeden Moment ihm irgendetwas aus der Ecke anspringen konnte.
 

Die Luft war eiskalt. Sicher hatten sie nun Minusgrade erreicht. Durch ihre dicken Schutzanzüge spürte Jounouchi aber kaum etwas von der Kälte und stellte fest, wie praktisch dieser Anzug war. Er fühlte sich ein bisschen wie ein Charakter aus einem Videospiel, nur dass er nicht praktisch speichern und von vorne anfangen konnte, wenn etwas geschah. In den Spielen sah das alles immer so einfach aus. Man schlich von einem Punkt zum nächsten und ballerte munter drauf los, wenn man Feinde sah, aber im echten Leben war es absolut lebensgefährlich so zu handeln. Man konnte sich nicht mit einem Klick mal eben heilen oder sich mit diversen Items boosten und die gegnerischen Angriffe abwehren.
 

Es brauchte nur einen gezielten Schuss, um das Leben eines Menschen zu beenden. Jounouchi kannte die Vitalpunkte eines Menschen und wie schnell man einen Feind ausknocken konnte. Ein harter Schlag in die Magengrube, ein kleiner Druck auf die Schläfe oder ein kurzer, unauffälliges Ruck oder ein bisschen Druck in der Nähe des Schlüsselbeins oder am Oberarm, genau da wo die lebenswichtigen Blutgefäße entlang liefen und schon konnte man einen Kampf unblutig für sich selbst gewinnen. Im echten Leben war das nicht so einfach. Menschen starben schnell. Wer Videospiele mit der harten Realität eines echten Krieges und den dort drohenden Gefahren verglich, gar auf eine Stufe stellte, hatte wohl jeglichen Verstand verloren.
 

Glücklicherweise gewöhnten sich seine Augen irgendwann an die Dunkelheit, sodass er seine Umgebung schemenhaft wahrnehmen konnte. Der Verfall des Gebäudes und der aus Stein gehauenen Gemäuer war gut zu erkennen. Bei jedem Windstoß knirschten die Dielen im Dach und man wurde umso vorsichtiger, da man befürchten musste, dass man von herunterfallenden Trümmern, die der ewigen Witterung nicht mehr standhielten und nachgaben, erschlagen werden konnte. Mit einer Handbewegung zeigte ihm Big Johnny, dass er näherkommen sollte und er tat wie ihm geheißen. Sie fanden eine gut in Schach gehaltene Metallluke, die beim Öffnen unangenehm laut quietschte und eine Treppe, die nach unten führte. Die Dunkelheit, die aus dem Loch zu strömen schien, fühlte sich wie giftiges Miasma an und er spürte eine leise Gänsehaut aufkommen. Ein eisiger Schauer durchfuhr ihn. Das war kein Spiel. Das war bitterer Ernst.
 

Sein Blick blieb bei Mokuba und Kaiba hängen.
 

„Es wäre besser, wenn ihr hier bleibt. Wir können euch dieser Gefahr nicht aussetzen“, meinte Jounouchi und drehte sich zu den beiden. Mokuba kam näher und protestierte.
 

„Ich bin soweit mitgekommen, also ziehe ich das jetzt auch bis zum Ende durch“, sagte er selbstbewusst und stemmte seine Hände in die Hüften. Kaiba seufzte laut hörbar.
 

„Mokuba, das ist kein Spiel. Wenn selbst Jounouchi dich nicht dabei haben will, dann aus gutem Grund“, erklärte er, doch Mokuba schüttelte nur vehement den Kopf.
 

„Ich bin kein Kind mehr. Sondern ein Mann. Und als solcher muss ich kämpfen. Wenn ich jetzt einfach abhaue, werde ich mir das mein ganzes Leben lang vorwerfen“, sagte er nur und blieb direkt vor dem Blonden stehen. Jounouchi war beeindruckt von seinem Mut und fand, dass er recht hatte.
 

Ein Mann musste kämpfen und für das einstehen, was ihm etwas bedeutete. Wer in so einer Situation der Gefahr den Rücken zukehrte und aus Angst, dass etwas passieren könnte, den Schwanz einkniff, würde sein ganzes Leben lang ein Feigling sein. Er würde jeden Tag daran denken müssen, dass er im entscheidenden Moment nicht den Mut hatte, sich der Gefahr zu stellen und würde für immer von diesem Schatten verfolgt werden. Die Angst und die Ohnmacht, die zur Untätigkeit verdammte, würde einen für immer begleiten und zurückhalten und auch zukünftig würde man stets den einfachsten Weg nehmen. Er hatte den Schwarzhaarigen unterschätzt. Er war weitaus mutiger und erwachsener als sein älterer Bruder, der kein einziges Risiko einging.
 

“This might be a trap”, murmelte Big Johnny und die anderen sahen zu ihm. Nachdenklich beugte er sich zur Luke herunter und starrte auf die Stufen, die so tief reichten, dass man nicht sagen konnte, wie weit sie gingen. Man konnte auch kein Licht erkennen. Selbst wenn dort Personen waren, dann lauerten sie im Dunkeln und warteten nur darauf, dass ihre Opfer in ihre Falle gingen und sie diese in aller Ruhe und im Schutz der Dunkelheit ausschalten konnten.
 

Wir haben eine Luke gefunden, die nach unten führt. Sehr wahrscheinlich eine Falle. Wir gehen runter. 0:14 Uhr, lautete seine Lagebericht. Jetzt verstand Jounouchi, warum sein Japanisch so angespannt klang. Als Amerikaner musste er ja einen Akzent haben. Seine manchmal etwas unbeholfene Art schwierige Wörter auszusprechen, fand Jounouchi auf merkwürdige Art und Weise beruhigend.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weise mal dezent darauf hin, dass Kaiba Jounouchi als Duellant bezeichnet hat und ihn nicht beleidigt hat. ;) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Onlyknow3
2018-11-04T12:01:34+00:00 04.11.2018 13:01
Wer geht jetzt alles mit runter. Bin gespannt, was sie da unten erwartet.
Ob sie Yugi finden und bbefreien können?
Wie sich Kaiba weiter verhält, und wie sich Mokuba und Seto wieder vertragen?
Wird Seto sich auch ändern, oder so ein Stoffel bleibt?
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


Zurück