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What We Are

Steve/Tony
von

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What We Are

Tony ist fünf Jahre alt, als er zum ersten Mal von Steve Rogers hört.

Er sitzt unter dem Schreibtisch im Arbeitszimmer seines Vaters und baut gerade ein altes Transistorradio auseinander, das er auf dem Dachboden gefunden hat, als die Tür aufgeht und Howard Stark das Zimmer betritt, gefolgt von Tonys Mutter. Keiner von ihnen sieht den kleinen Jungen, der unter der Schreibtischplatte kauert und sie stumm beobachtet, den Schraubenzieher in der Hand.

„Wieder kein Erfolg, Maria“, sagt sein Vater und lässt sich müde in einen Sessel sinken.

Es ist das erste Mal seit Wochen, dass Tony ihn wieder sieht. Aber das ist er gewohnt, denn sein Vater ist ein vielbeschäftigter und wichtiger Mann, wie seine Mutter immer wieder betont, und Tony ist noch so klein, dass er sich mit Erklärungen wie diesen zufrieden gibt.

„Jeden Sommer fahre ich hinaus, aber ich finde nichts, keine Spur...“, fährt Howard fort. „Ich habe den Nordpol bestimmt schon dreimal komplett umgekrempelt, und so groß wie das Ding ist, hätte ich es schon längst finden müssen.“

„Vielleicht ist es auseinandergebrochen“, meint seine Mutter leise. „Die Einzelteile könnten durch die Strömung mittlerweile über das halbe Nordmeer verstreut sein. Es ist immerhin schon dreißig Jahre her.“

Doch sein Vater schüttelt stur den Kopf.

„Selbst dann müsste ich zumindest irgendetwas finden“, erwidert er. „Ich meine, ich habe den verdammten Würfel finden können, da sollte es doch nicht so schwierig sein, ein Flugzeug aufzuspüren, oder? Selbst wenn sein Pilot...“

Seine Stimme bricht plötzlich und er schließt erschöpft die Augen.

„Ich bin es ihm einfach schuldig, Maria“, sagt er leise. „Steve war mein Freund und ein guter Mann, und ich bin es ihm schuldig, ihn zu finden und ihn endlich nach Hause zu holen. Selbst wenn es noch hundert Jahre dauern soll, bis ich ihn finde...“
 

Es dauert nicht hundert, sondern siebzig Jahre, bis man ihn findet, und Howard ist zu diesem Zeitpunkt schon seit über zwanzig Jahren tot.
 

Tony sieht Steve zum ersten Mal wenige Tage nach dessen Erwachen, als er Fury in der SHIELD-Hauptzentrale besucht, um mit ihm seine Pläne für den Helicarrier zu besprechen.

Steve ist von einer halben Armee von Ärzten umringt, die Bluttests machen und seine Vitalfunktionen untersuchen, und Tony wirft nur im Vorbeigehen einen Blick auf ihn. Selbst wenn er sein Gesicht nicht schon unzählige Male auf alten Fotos gesehen hätte, hätte er ihn sofort wiedererkannt; der akkurate Seitenscheitel verrät ihn. Doch trotz seiner beindruckenden Statur und der Muskeln, die sich deutlich unter seinem viel zu engen Shirt abheben, ist er nicht das, was Tony erwartet hatte. Steve sieht verloren aus zwischen all dem Glas und Stahl und den technischen Apparaturen. Wiedergefunden, aber nicht wieder zu Hause.

Tony weiß nicht, ob er ihn bemitleiden soll oder nicht. Nach all den Jahrzehnten, die sein Vater damit zugebracht hat, seine Familie zu vernachlässigen, um nach Steve zu suchen, hätte Tony erwartet, wenigstens irgendeine emotionale Verbindung zu ihm zu haben, und sei es nur Enttäuschung.

Doch da ist nichts.

Steve Rogers ist ihm schlichtweg egal.
 

Steve Rogers bleibt ihm jedoch nicht egal.

Auf die erste gemeinsame Schlacht folgen viele weitere. Bald haben sie ihr eigenes Hauptquartier, und ihr Team – ihre Familie – wächst. Steve wird von Fury zu ihrem Anführer ernannt und alle begrüßen die Entscheidung, besonders Tony; er hasst es, Verantwortung zu übernehmen. Und Steve ist ein guter Anführer, daran besteht kein Zweifel. Er wird Tony auch ein guter Freund (mit der Zeit) und ein guter Liebhaber (noch sehr viel später, als Tony denkt, dass sein Leben unmöglich noch verrückter werden kann).

Und irgendwann zwischen ihrer ersten gemeinsamen Nacht und den vielen Nächten danach hört Tony auf, in ihm den gesichtslosen Schatten zu sehen, den sein Vater über Jahre hinweg am Nordpol gesucht hat, und fängt an, ihn als den Mann zu betrachten, den SHIELD zur Rettung von Tonys Seelenheil aus dem Eis befreit hat.

Wiedergefunden, aber nicht länger verloren.

Und ganz sicher nicht unwillkommen.
 

„Steve“, sagt Tony eines Abends, als sie zusammen im Bett liegen. Er hat das Kinn auf Steves Brust gebettet und sieht ihn an.

„Mmh? Was ist los...?“, macht der andere schläfrig und Tony kann das tiefe Brummen seiner Stimme spüren.

„Wenn ich mal über dem Nordpol abstürzen sollte, würdest du mich suchen kommen?“, fragt Tony ruhig.

Steve öffnet die Augen und sieht ihn an.

„Natürlich“, erwidert er. „Ich würde dich immer suchen, Tony. – Wie kommst du-?“

„Warum?“

Steve blinzelt einen Moment lang verwirrt und stützt sich dann auf die Unterarme, um Tony besser ansehen zu können.

„Wieso ‚warum‘?“, fragt er.

„Du hast Verantwortungen“, sagt Tony. „Eine ganze Nation verlässt sich auf dich, und du kannst sie nicht jahrelang im Stich lassen, nur um nach mir zu suchen. So wichtig bin ich nun auch wieder nicht.“

Steve starrt ihn an. Es ist der Todestag von Howard Stark und er weiß aus Erfahrung, dass Tony dann immer in eine seltsame Stimmung gerät. Dennoch fällt es ihm schwer, eine Antwort zu finden.

„Du bist mir wichtig“, entgegnet er schließlich. „Und das ist das Einzige, was zählt. Ich kann diesen Job nicht ohne dich machen, Tony. Ich will diesen Job nicht ohne dich machen. Und wenn das bedeutet, ihn an jemand anderen abzugeben, damit ich nach dir suchen kann, dann soll es eben so sein. Der Job bedeutet mir viel, aber ein Leben ohne dich ist er mir längst nicht wert.“

Tony sieht ihn lange an und denkt über diese Worte nach. Jeden anderen hätte es verletzt, dass Tony überhaupt erst darüber nachdenken muss, aber nicht Steve. Steve kennt ihn besser.

„Okay“, sagt Tony dann.

Steve fährt sanft mit der Hand durch Tonys dunkle Haare.

„Okay“, wiederholt Steve und lächelt.

Er stellt keine weiteren Fragen. Er kennt Tony gut genug, um zu wissen, dass keine weiteren Worte nötig sind.

Bald ist Steve wieder eingeschlafen und Tony schmiegt die Wange an seine Brust, bevor auch er die Augen schließt.
 

Sein Vater ist seit über zwanzig Jahren tot, und es ist das erste Mal, dass Tony dankbar ist, dass er die Suche nach Steve nie aufgegeben hat.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2014-04-28T08:56:19+00:00 28.04.2014 10:56
Nach dem gestrigen Abschließen der "Hauptstory" musste ich doch gleich weiter lesen!
Ich finde es toll, dass du, anstatt die Story weiter zu erzählen, einfach kleine OS schreibst mit Dingen, die bei den beiden noch passieren.
Der Anfang gefällt mir sehr gut. Papa Stark, der ihn sucht, immer weiter sucht und doch nicht findet und dabei das, was ihm eigentlich wichtig sein sollte und DA ist, vernachlässigt. Das ist unheimlich traurig, lässt aber auch den Charakter "Tony Stark" ein wenig mehr verständlich erscheinen. Nicht nur auf Steve bezogen, sondern allgemein. Von dem eigenen Vater vernachlässigt zu werden, ist nicht gut für die Entwicklung - vor allem nicht aufgrund eines "Totem" (davon ging man schließlich aus).
Ich muss sagen, bei dem Satz, dass sie ihn gefunden haben, aber Tonys Vater schon tot war, schlucken musste. Natürlich, ich wusste das, aber gerade im Vergleich dazu, dass er ihn UNBEDINGT finden wollte ... find ich es schon sehr, sehr bitter.

Dass Steve Tony egal ist, hat mich im ersten Moment überrascht, aber andererseits wäre es anders wohl kaum möglich, eine Zusammenarbeit (wie sie nun einmal stattfindet) zu erklären.
Tonys Frage finde ich niedlich und ich muss gestehen, dass ich für einen kurzen Moment überlegt habe (gerade bei Steves Antwort) ob Tonys Vater in Steve verliebt war. Was das ganze irgendwie....kurios machen würde xD
Ich mag aber das Gespräch sehr. Es ist fluffig. Und dieses Wort passt einfach so wunderbar hierbei.

Wieder eine tolle Geschichte, eine wunderbare Szene. Ich bewundere dich für deinen Einfallsreichtum!
Von:  MrsTime
2013-08-14T21:28:46+00:00 14.08.2013 23:28
Ich musste diese Geschichte jetzt einfach auch noch lesen, einfach weil ich nichts verpassen wollte. Die Idee finde ich toll, dass Tony Steve eigentlich schon sein ganzes Leben lang kennt bzw. sein Leben geprägt hat. Das er schon immer ein Teil von ihm gewesen war, auch wenn sich die Bedeutung für ihn mit der Zeit geändert hat. Auch wie du von der Vergangenheit in die Gegenwart gekommen bist, ist eine tolle Idee, sodass ich finde, dass das Kapitel schon noch etwas länger hätte sein können.
Nur hat mich eine Sache gestört, die Zeitform, irgendwie bin ich nicht damit klar gekommen, dass sie im Präsens geschrieben ist. Das war nicht sehr angenehm zu lesen, weil es verwirrend war.
Antwort von: Morwen
22.08.2013 13:40
Vielen Dank. :)
Ich fand es auch sehr interessant, wie in "The Avengers" deutlich wurde, dass Tony Steve indirekt schon immer auf gewisse Weise "gekannt" hat, weil Howard offenbar nie müde wurde zu erzählen, wie toll er doch war. (Es muss Tony wahrscheinlich auch irgendwann genervt haben. xD)
Ich habe Präsens als Zeitform gewählt, weil man irgendwie eindringlicher damit erzählen kann, finde ich. Aber ich weiß, was du meinst; ich finde es auch nicht besonders gut dafür geeignet, um längere Geschichten zu erzählen, aber hin und wieder verwende ich es ganz gerne. :)
Von:  emwia
2013-05-09T09:26:50+00:00 09.05.2013 11:26
Tony und Howard...
Ich finde den Anfang der Fic schon toll. Weil ich mir das Alles auch irgendwie so vorstelle. Dass Papa-Stark erst wegen seiner Arbeit und dann wegen Steve allmählich anfängt Tony und seine Frau etwas zu vernachlässigen. Deshalb könnte ich mir auch gut vorstellen dass Tony deswegen nicht gut auf Steve zu sprechen ist (mal auf Avengers bezogen). Einfach weil er eifersüchtig ist dass er bald mehr Zeit mit seinem Vater verbringen konnte als Tony selbst. Und dass er die Anerkennung von Howard bekam die Tony sich immer gewünscht hat. Darum war ich etwas überrascht zu lesen dass Steve ihm doch schlichtweg egal ist.
Aber es passt super zur Story und die Frage die Tony Steve zum Schluss stellt hatte mir nochmal richtig so einen 'AW!' Moment ausgelöst.
Also ich hoffe auch dass es nicht die letzte FF von dir zu den Beiden ist. : >
Antwort von: Morwen
09.05.2013 12:28
Vielen lieben Dank! =)

Ja, du hast schon Recht, ganz egal wird er ihm wahrscheinlich auch nicht gewesen sein, aber ich konnte mich nicht so recht zwischen Verachtung, Enttäuschung und Gleichgültigkeit von Tonys Seite aus entscheiden. Es ist vermutlich so eine Mischung aus allem. Ich habe vorgestern auch noch mal "The Avengers" geguckt, da kam das für mich auch nicht so deutlich rüber, außer halt, dass Tony nicht sonderlich viel Liebe für Steve hatte. - Am Anfang jedenfalls. ;)

Ich will auf jeden Fall noch mehr schreiben! =)
In meiner letzten FF habe ich mir meinen ganz privaten Canon geschaffen und den will ich gerne weiter ausbauen und so viel vom Comic-Universum bzw. diversen Marvel-Filmen reinschmeißen, wie ich kann. =3
(Im Moment arbeite ich jedenfalls schon fleissig an der nächsten FF. ^^)
Von: Arcturus
2013-05-09T09:23:33+00:00 09.05.2013 11:23
> kann man davor überhaupt warnen...?

Ja, man kann, meine liebe Morwen.
Denn, wow, DAS ist mal kitschig. XD
Aber ich mags. Trotz meiner mickrigen Fandomkenntnisse.

lg
NIX
Antwort von: Morwen
09.05.2013 12:19
Der Kommentar bezog sich mehr auf das Präsens, als auf den Kitsch, wobei... da war die Warnung definitiv auch angebracht, ja. xD
(Hach, du glaubs gar nicht, wie toll ich es finde, dass es das Genre "Fluff" jetzt gibt. Ich werde es noch exzessiven Gebrauch davon machen, oh ja. x3)

Danke schön! :D
Und OMG, guck die anderen Filme! *-*
Es ist viel zu lange her, dass wir beide im gleichen Fandom unterwegs waren, und du, Madame, wärst definitiv eine Bereicherung für dieses Fandom. <3
Ich schick dir auch gerne eine Liste aller Marvel-Filme, die man mal gesehen haben sollte, damit du dich nicht durch die Comics wühlen musst. (Weil da einen Anfang zu finden, ist, äh... schwierig. Sehr schwierig. xD)
Von:  seraphim87
2013-05-09T07:56:48+00:00 09.05.2013 09:56
mir fehlen die worte wirklich sehr gut gelungen ,mehr davon;)

Antwort von: Morwen
09.05.2013 12:15
Ich arbeite daran. ;)
Vielen Dank~! :D


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