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Snowdrops and Chocolate

Die Fortsetzung des gleichnamigen Doujinshi
von

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Glücksspiel

Kapitel 28 – Glücksspiel
 

„Shimari!“

Sofort ließ Kei alles stehen und liegen, um zu dem Mädchen zu laufen, das zwischen der Eingangshalle und dem Gang, der zu den Besprechungsräumen führte, stand. Mit verschränkten Armen grinste Shimari frech zu Kei und den anderen herüber.

Nur etwa einen halben Meter vor ihr blieb Kei stehen und sah sie mit sorgenvollem Ausdruck an.

„Warum bist du hier, Shimari?“

Shimari war die kleine Schwester von Atari, Keis bestem Freund. Als Keis erster Schrecken genug nachgelassen hatte, dass er seine Gedanken etwas ordnen konnte, fiel ihm wieder ein, dass Shimari für K.R.O.S.S. arbeitete. Sie hatte Kei damals einen Fragebogen der Organisation ausfüllen lassen. Aber Kei hatte nicht angenommen, dass Shimari noch mehr für Organisation tat als Fragebögen zu verteilen. Sie war doch nur ein niedliches, 12-jähriges, unschuldiges Mädchen.

„Ich bin hier, um Taki zu holen.“

Das Grinsen auf Shimaris Gesicht wich einem sehr ernsten Ausdruck, als ihr Blick an Kei vorbei zu Taki wanderte. So ernst hatte Kei Shimari noch nie gesehen. Er hatte gar nicht vermutet, dass ihre Gesichtsmuskeln zu so einem Blick fähig waren.

„Komm, Taki!“

Taki schreckte kurz zusammen. Sie befreite sich aus Kikus Umarmung, rührte aber noch keinen Schritt. Einen Moment schien sie zu überlegen, richtiggehend mit sich zu ringen. Mit der rechten Hand hielt sie ihren linken Arm. Ihr Blick streifte unsicher hin und her.

„Ryami wartet auf dich, um in die Zentrale zurückzukehren. Komm schon, Taki.“

„Geh nicht mit ihr, Taki. Ryami hat einen Weg eingeschlagen, auf dem du ihr nicht folgen solltest.“ widersprach Yuki mit der Stimme der Vernunft.

„Sie ist deine Schwester.“ stellte Shimari mit einem ungewohnt nüchternen Ton fest.

Taki schluckte. Nach nur kurzem weiteren Zögern kam sie schließlich zu Shimari herüber. Ihre geknickte Haltung und der gesenkte Blick belegten doch, dass sie nicht überzeugt von ihrer Entscheidung war. Sie wich Keis Blick aus, als sie einen Schritt neben ihn setzte.

„Geh nicht.“ bat Kei noch einmal eindringlich.

„Sie… Sie ist meine geliebte Schwester. Ich kann sie nicht im Stich lassen.“ flüsterte Taki schweren Herzens.
 

Taki trat an Kei vorbei in den Gang, der zu den Sitzungssälen führte. Shimari wandte sich gleichzeitig mit erhobenem Haupt und triumphierendem Grinsen um, um Taki zu ihrer Schwester zu führen. Die beiden Mädchen hielten jedoch inne, sobald sie Keis Stimme hinter sich hörten.

„Wenn das so ist, komm ich mit. Mit dieser Miss Ryami hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen!“

Kei war gleichermaßen wild entschlossen und ängstlich zögernd. Er hatte natürlich Angst vor der Miss, die all diese furchtbaren Mittelchen entwickelt hatte und ganz offensichtlich vor Morden nicht zurückschreckte. Kei konnte nur ahnen, was für abscheuliche Waffen sich in Ryamis Arsenal befanden. Sicher war nur, dass sie nicht davor zurückschrecken würde, sie einzusetzen.

Genau hierin gründete trotz aller Angst Keis Entschlossenheit. Ryami und ihre Leute hatten jetzt schon ungefähr vier- oder fünfmal versucht, seinen Yuki umzubringen, genauso auch Kiku. Sie hatten Yuki mit ihrem Experiment gequält und ihm seine Kraft geraubt. Dasselbe scheint nun auch Lan widerfahren zu sein. Dann hatten Sie Ryu angeschossen und Pierre für immer im Körper seines Carn eingesperrt. Kei war mehr als stinksauer auf Ryami wegen dem, was sie seinen Freunden angetan hatte. Und darüber hinaus war er auch fest überzeugt, dass eine so gefährliche und skrupellose Frau nicht frei herumlaufen sollte. Der Spuk musste ein Ende haben.

Auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er es mit Ryami aufnehmen sollte, wollte Kei auf keinen Fall zulassen, dass diese sich in die K.R.O.S.S.-Zentrale absetzte und ihr böses Spiel ungehindert fortsetzte.
 

„Ich komme auch mit.“

Eine Hand legte sich mit sanftem Druck auf Keis Schulter. Als dieser sich umsah, blickte er direkt in Yukis Gesicht, das dieselbe Entschlossenheit zeigte wie das seine. Kei war überrascht, aber zugleich unendlich dankbar, dass sein Freund an seiner Seite sein würde.

„Wie ihr wollt. Aber erwartet keine Gnade.“ antwortete Shimari trocken und zuckte gleichgültig mit den Achseln.

Das Mädchen führte Taki, Kei und Yuki zum Besprechungssaal. Robin und Minuit folgten ihren Zalei.

Vor der Tür drehte sich Shimari zu ihren Begleitern um. Sie grinste kalt und zeigte wortlos auf die Türklinke. Ein Schauer lief über Keis Rücken. So ein kaltes Grinsen kannte er nicht von Shimari. Auch ihre Art, so nüchtern und knapp zu sprechen, war anders als sonst. Was war nur los mit dem Mädchen?

Im nächsten Augenblick blinzelte sie auffällig langsam. Als sie die Augen wieder öffnete, war das kalte Grinsen schlagartig aus ihrem Gesicht verschwunden. Stattdessen weiteten sich ihre braunen Augen und ihre Mundwinkel hoben sich zu einem breiten Lächeln. Sie strahlte Kei förmlich an. Der wiederum verstand nur Bahnhof.

„Kei! Du bist ja hier!“ rief Shimari fröhlich aus und warf ihre Arme um Kei.

„W-Was?! Ja… Du hast uns doch gerade hierher geführt…“ Kei legte seine Hände auf Shimaris Schultern und schob das Mädchen weit genug von sich weg, um ihm in die Augen sehen zu können. In seinem Gesichtsausdruck bemerkte er Verwunderung über seine Reaktion, aber keinen Hinweis darauf, warum Shimari sich so seltsam benahm. „Was ist denn nur los mit dir, Shimari? Du bist die ganze Zeit schon so komisch.“

„Ach so? Ich hab euch hierher gebracht? Hab ich wohl vergessen…“ lachte Shimari verlegen.

„Vergessen? Das ist gerade mal 30 Sekunden her!“

Shimari hob unschuldig die Schultern, als ob sie keine Ahnung hätte, wovon Kei sprach.

Ihr Gespräch endete, als Taki die Tür zum Besprechungssaal öffnete und die Gruppe endlich der Miss, der Drahtzieherin hinter K.R.O.S.S. und dem Rat der Zalei, entgegentrat.
 

Tatsächlich war es Ryami Hisui, die die Gruppe im großen Besprechungssaal empfing. Quicklebendig.

Die junge Frau stand direkt vor der Fensterfront gegenüber der Tür. Das von draußen herein dringende Licht der Sonne, die sich langsam dem Horizont näherte, ließ ihre Konturen weich und unwirklich erscheinen. Dasselbe Sonnenlicht verlieh ihrem langen, pechschwarzen Haar einen blutroten Schimmer. Ihre grünen Augen funkelten dazu im stärksten Kontrast.

Ryamis Carn, eine schwarze Katze namens Aurora, hatte sich in Meister Adoys Sessel an der Stirnseite des Raums zusammengerollt. Sie machte sich nicht die Mühe, ihren Kopf zu heben, beobachtete die Neuankömmlinge jedoch aufmerksam.

Ryami selbst dagegen würdigte sie zunächst keines Blickes. Sie war gerade dabei, eine befremdliche Waffe zu laden und ließ sich nicht dabei stören. Das Objekt sah aus wie eine zu groß geratene Pistole. Eine nach der anderen steckte Ryami die Projektile in die breite Walze. Sie sahen genauso aus wie die Pfeile mit dem von K.R.O.S.S. entwickelten Mittel, die Suzumaru auf Pierre und Adoy geschossen hatte. Aber die Pfeile, mit denen Ryami ihre Waffe lud, waren verschiedenfarbig.

Nachdem Kei, Yuki und Taki den Saal betreten hatten, schloss Shimari die Tür hinter ihnen. Das Mädchen blieb direkt vor der Tür stehen, während Taki nach nur kurzem Zögern direkt zu ihrer Schwester ging. Minuit hielt sich schüchtern an Yukis Seite, doch Robin sprang gleich noch ein paar Meter weiter nach vorne, um Aurora in Augenschein zu nehmen. Taki blickte sichtlich beunruhigt auf die Waffe ihrer Schwester. Dennoch schwiegen die Schwestern einander an.

„Du bist also tatsächlich noch am Leben.“ stellte Yuki fest, um das Schweigen zu beenden.

Ryami schenkte ihm nur einen sehr kurzen Blick, bevor sie sich wieder ihrer Waffe widmete.

„Das ist richtig. Ich erfreue mich bester Gesundheit.“

„Dürfte ich dann erfahren, warum du deinen Tod vorgetäuscht hast? Was hatte das für einen Sinn?“

„Meine Organisation K.R.O.S.S. stand bei einem wichtigen Projekt kurz vor dem Durchbruch. Es hat mich geärgert, dass sich die entscheidenden Momente wegen lästigen Verpflichtungen meinerseits ständig verzögerten. Meine Arbeit im Fairy Tales Park und in der Agentur, im Zaleirat, Adoys Missionen… Da sie mich im Leben nicht in Ruhe gelassen haben, bin ich eben gestorben.“

„Einfach so?“

„Einfach? Ich bin Schauspielerin. Das war eine oscarreife Sterbeszene in einer Doppelrolle.“ zwinkerte Ryami zu ihrer Katze.

„Und dir war völlig egal, dass sich deine Schwester und deine Freunde die Augen ausgeheult haben?“ mischte sich nun auch Kei ein.

„Um meine kleine Taki tat es mir natürlich leid. Aber ich habe sie nach ein paar Tagen aufgeklärt und sie gebeten, das Spiel mitzuspielen. Auch sie ist Artistin und Schauspielerin, vergesst das nicht.“

„Und deine Freunde?“

„Welche Freunde? Ich habe keine Freunde, nur Bekannte. So wie ich es sehe, sind sie alle gut über meinen Tod hinweggekommen.“

„Lan nicht. Er war total am Ende.“

„Wohl eher wegen seinen Schuldgefühlen und nicht aus Trauer. Unser Verhältnis war nicht so gut wie es vielleicht ausgesehen haben mochte.“

„Hast du ihn deswegen als Opfer auserkoren?“

„Nein. In meiner Arbeit lasse ich mich nicht von Gefühlen beeinflussen. Lan ist nach Meister Adoy und Herrn Natsukori der drittstärkste Zalei im Land, und außerdem ein unvorsichtiger Dummkopf. Mit seinem Talent hätte er es sehr weit bringen können, doch er hat nie etwas daraus gemacht. Von den stärksten Zalei war er die leichteste Beute. Deshalb habe ich ihn ausgewählt.“

„Was hast du mit ihm gemacht?“

„Ich habe seine Kraft gestohlen. Das hat Taki euch doch oben schon erzählt.“

Taki zuckte kurz zusammen. Woher wusste Ryami davon?
 

Inzwischen hatte Ryami den letzten Pfeil in ihre Waffe gesteckt und schob die Walze nun zurück in die Pistole. Sie hielt die Waffe in ihrer rechten Hand gesenkt neben ihrem Körper, als sie sich endlich zu Kei und Yuki umdrehte.

„Genug geplaudert. Ich möchte euch einen Vorschlag machen. Was ich hier im Rat erledigen wollte, habe ich erledigt. An euch habe ich kein Interesse, zumindest aktuell nicht. Ich möchte deshalb zusammen mit meiner Schwester und meiner Mitarbeiterin das Gebäude verlassen und in unsere Zentrale zurückkehren. Wenn ihr euch uns nicht in den Weg stellt, werde ich euch nichts tun. Ihr solltet inzwischen wissen, über welche Mittel ich andernfalls verfüge. Kommen wir ins Geschäft?“

Kei schluckte trocken. Er fühlte die Angst in sich aufsteigen. Ryamis kalter Blick beunruhigte ihn genauso wie die Waffe in ihrer Hand. Aber Kei würde nicht zulassen, dass seine Furcht seine Entschlossenheit zum Bröckeln brachte.

„Auf keinen Fall. Shimari und Taki werde ich sicher keiner skrupellosen Größenwahnsinnigen wie dir überlassen. Dieser ganze K.R.O.S.S.-Mist muss aufhören.“

„Sehr schade.“ seufzte Ryami fast schon mitleidig.
 

Langsam trat Ryami einen einzigen Schritt nach vorne und hob in gleicher Bewegung ihre rechte Hand. Sie präsentierte allen Anwesenden ihre Waffe.

„In dieser Pistole befinden sich sechs Schuss. Wie ihr vorhin wahrscheinlich bemerkt habt, ist sie nicht mit gewöhnlichen Kugeln geladen, sondern mit Pfeilen, die einige von K.R.O.S.S. entwickelte Mittel enthalten.“

So nüchtern und ungerührt als spreche sie über ein Kochrezept, erklärte Ryami alle sechs der Mittel.

Der erste und vielleicht harmloseste Pfeil enthielt das Mittel, das Yuki schon in Gasform kennengelernt hatte. Es löste den Körpertausch aus. Das Mittel wirkte nur für einige Minuten und hatte keine Spätfolgen. Bei zu hoher Dosierung konnte es allerdings zu Kopf- und Gliederschmerzen führen.

Der zweite Pfeil enthielt das Mittel, das an Yuki getestet worden war. Es löschte das telepathische Talent eines Zalei und schloss ihn somit in seinem Körper ein.

Der dritte Pfeil entsprach denen, die Suzumaru benutzt hatte. Es war das Mittel, das einen Zalei im Körper seines Carn einschließen konnte. Ryami erklärte seine Wirkung als eine Kombination der beiden ersten Mittel. Zuerst zwang es den Zalei zum Körpertausch und kappte danach die Verbindung zwischen seinem Körper und dem des Carn.

Der vierte Pfeil enthielt ein Mittel, das dem dritten nicht ganz unähnlich war. Es zwang den Zalei zum Körpertausch, löschte aber schon gleichzeitig das telepathische Talent des Zalei. Das Bewusstsein des Zalei wurde also aus seinem Körper gedrängt, konnte aber dann weder in den Körper des Zalei noch in den des Carn eindringen. De facto bedeutete dies den Tod des Zalei.

Die beiden übrigen Mittel waren dagegen eher langweilig.

Der fünfte Pfeil enthielt ein Narkotikum, das den Körper betäubte, das Bewusstsein jedoch hellwach bleiben ließ. Die Wirkung dauerte mehrere Minuten an, Nachwirkungen waren bis dato unbekannt.

Das Mittel im sechsten Pfeil war ein starkes Gift, das je nach Körperstruktur des Betroffenen innerhalb von zehn Minuten bis etwas über einer Stunde zu einem qualvollen Tod führte.

Nachdem Ryami ihre Erklärungen beendet hatte, bedachte sie ihre Gegenüber eine ganze Weile lang mit einem geringschätzigen Blick. Ihre gründen Augen schienen boshaft zu funkeln, als sie schließlich ihre linke Hand an die Seite ihrer Waffe legte. In schnellen Bewegungen streifte sie mehrmals über die Seite der Pistole und drehte so die Walze. Dann streckte sie ihren rechten Arm aus und zielte mit der Pistole zwischen Kei und Yuki.

„Wie wär’s mit einer Runde Russisch Roulette?“
 

Keis Augen weiteten sich erschrocken und er wich ganz unwillkürlich einen Schritt zurück. Sein Herz raste vor Angst.

Als hätte sie sein Zurückweichen als stumme Zustimmung gewertet, richtete Ryami den Lauf ihrer Pistole nun genau auf Kei.

„Du möchtest also den Anfang machen, Kei.“ stellte Ryami kalt fest.

Was hatte er sich nur dabei gedacht, die Chefin von K.R.O.S.S. herausfordern zu wollen? Kei hatte nicht die geringste Chance gegen sie. Nicht nur, dass sie anders als er eine fertig ausgebildete und noch dazu sehr starke Zalei war, sie hatte nun auch noch eine furchtbare Waffe in der Hand. Keis Chance, einen Schuss aus dieser Pistole zu überleben, stand 4:2. Seine Chance, einen Schuss ohne Langzeitschäden zu überstehen, stand 2:4. Und selbst die übrigen Optionen für einige Minuten bei vollem Bewusstsein gelähmt zu bleiben, oder unter Schmerzen zum Körpertausch gezwungen zu werden, waren nicht wirklich verlockend.

Aber einfach so aufgeben würde er auf keinen Fall. Er konnte immer noch hoffen, Ryami mit dem gleichen Trick überwältigen zu können wie Suzumaru. Einen Versuch war es wert.

Mit einer unauffälligen Geste bedeutete er Robin, sich auf die Hinterbeine zu stellen und kündigte gleichzeitig den folgenden Körpertausch an. Robin hatte bis dahin vor dem Sessel gesessen, in dem Aurora lag. Mit etwas Glück hatte die Rückenlehne des Stuhls Ryamis Blick auf den Carn verdeckt.

Ryamis Finger legte sich über den Abzug.

Nicht nur Kei hielt vor Anspannung den Atem an. Keiner der Anwesenden wollte eigentlich, dass Ryami auf ihn schoss. Taki und Shimari beobachteten die Szene von Angst erfüllt. Beide wagten es jedoch nicht, sich Ryami zu widersetzen.
 

Dann ging alles ganz schnell. Kei führte den Körpertausch durch. Robin blieb in seinem menschlichen Körper still stehen wie er es oft geübt hatte. Inzwischen sprang Kei in seinem Fuchskörper zuerst auf den Sessel vor ihm, dann auf dessen Rückenlehne und schließlich direkt auf Ryami zu. Er hoffte, wie bei Suzumaru, ihre Hand zu fassen zu bekommen, um sie zu entwaffnen.

Doch leider schien Ryami den Angriff vorausgesehen zu haben. Völlig unbeeindruckt trat sie einen Schritt zur Seite, um dem Fuchs auszuweichen. Sie senkte dabei weder ihre Waffe, noch wandte sie den Blick von Keis Körper ab. Kei landete ein gutes Stück hinter Ryami auf dem Boden und konnte sich gerade noch schnell genug umdrehen, um zu sehen, wie sie den Abzug betätigte.

Mit einem lauten Knall löste sich einer der Pfeile aus der Pistole und schlug nur einen Wimpernschlag später mit einem klirrenden Kratzen auf die Bodenfliesen hinter Keis und Yukis Körper auf.

Wieder in seinem eigenen Körper rang Kei nach Luft. Der Schreck war ihm in alle Glieder gefahren. Am ganzen Körper zitterte er und es gelang ihm erst langsam, sich etwas zu beruhigen. Auch Yuki ging es nicht besser. Er kniete über Kei und teilte seinen sorgenvollen Blick.

Nachdem Keis Plan nicht aufgegangen war, hatte Yuki blitzschnell reagiert und Keis Körper aus der Schusslinie zur Seite geworfen. Der Pfeil hatte sein Ziel auf diese Weise zum Glück verfehlt.

„Danke.“ hauchte Kei, immer noch atemlos.

„Keine Ursache.“
 

Yuki fand zuerst wieder die Kraft, um aufzustehen. Dann reichte er Kei die Hand und zog auch diesen auf die Beine. Kei stand unsicher. Seine Knie fühlten sich noch immer weich an wie Pudding.

Er drehte sich um und blickte auf den Pfeil, der ihn verfehlt hatte. Welcher Pfeil es wohl gewesen war? Das Mittel hatte eine dunkelgelbe Färbung. Es war also nicht das Mittel von Suzumaru.

„Kinder, Kinder.“ riss Ryami Kei aus seinen Gedanken. Sie schüttelte bedauernd den Kopf. „Lasst mich bitte zwei Dinge klarstellen. Erstens: ich bin die Zalei, die am schnellsten von allen zwischen ihrem Körper und dem ihres Carn hin und her wechseln kann. Ich kann so schnell wechseln, dass ich den Körpertausch schon wieder gelöst habe, bevor ihr überhaupt meine Trance bemerkt habt. Was meine Augen nicht sehen, sehen die von Aurora. Wenn du also so etwas noch einmal versuchst, Kei, dann solltest du darauf achten, dass dein Carn nicht nur mir verborgen bleibt, sondern auch Aurora.“

„Ich werd’s mir merken.“ knirschte Kei missmutig.

„Zweitens: Wenn ihr noch einmal ausweicht, wird Shimari scharfschießen.“

Sofort drehte sich Kei zu Shimari um. Das Mädchen hielt tatsächlich eine Pistole vor ihrem Körper gesenkt, die deutlich schlanker war als Ryamis Pistole mit den Pfeilen. Mit beiden ihrer kleinen Hände hielt sie den Griff umfasst.

„Um Himmels Willen! Wirf die Waffe weg, Shimari! Das ist kein Spielzeug!“ rief Kei voller Sorge.

Doch Shimari machte keine Anstalten, seinen Worten folgen zu wollen. Nur ihre großen, unruhig hin und her wandernden Augen verrieten ihr Unbehagen.

„Wenn ihr von jetzt an gehorcht, wird Shimari nicht schießen müssen.“ betonte Ryami kalt. „Übrigens war es dein Pech, ausgewichen zu sein. Dieser Pfeil war der harmloseste. Das Mittel hätte dich einfach nur für ein paar Minuten zum Körpertausch gezwungen. Die nächste Runde wird also umso heißer.“

Damit hob Ryami ihren Arm erneut. Diesmal nahm sie Yuki ins Visier.

„Ich frage mich, was wohl passiert, wenn du, dessen telepathischer Ausgang bereits versiegelt ist, von einem Mittel getroffen wird, das dich aus seinem Körper vertreiben soll. Ein interessantes Experiment.“

Yuki schluckte. War es nicht genau das, was Suzumaru ausprobiert hatte, um die Wirkung des Mittels aX-482-L zu testen? Suzumaru hatte ihm das Mittel gespritzt, das die Verbindung zu Minuit löschen sollte. Danach hatte er ihm das gasförmige Mittel verabreicht, das ihm zum Körpertausch zwingen sollte. Yuki erinnerte sich nur zu gut an die unendlichen Schmerzen in seinem ganzen Körper, vor allem die Kopfschmerzen, die ihn fast um den Verstand gebracht hatten. Wie zwei Kräfte, die in verschiedene Richtungen an seinem Bewusstsein gezerrt hatten. Das war absolut keine Erfahrung, die Yuki noch einmal machen wollte.

Außerdem war das gasförmige Mittel in seiner Wirkungsdauer begrenzt gewesen. Die noch übrigen Mittel in Ryamis Waffe wirkten dagegen dauerhaft. Was also würde Yuki erwarten?
 

Ryami schien fest entschlossen, es herauszufinden. Ihr Finger spannte sich stärker um den Abzug.

Genauso wenig wie Yuki wollte Kei dagegen die Antwort auf Ryamis Frage wissen. Auf gar keinen Fall würde er zulassen, dass sie auf Yuki schoss. Kein Pfeil, ob nun tödlich oder ‚nur‘ quälend sollte ihn treffen. Nie wieder wollte Kei seinen Freund so kreidebleich, schwach und leidend im Arm halten.

Yuki musste aus der Schusslinie… mal wieder. Langsam fragte sich Kei sowieso, ob heute bei K.R.O.S.S. der ‚erste allgemeine wir-richten-unsere-Knarre-auf-Yuki-Tag‘ war.

Kei war sicher, dass das liebe Mädchen, als das er Shimari kannte, niemals auf einen Menschen schießen würde. Selbst dann nicht, wenn ihre Chefin es ihr befohlen hatte. Shimari war immerhin die kleine Schwester seines besten Freundes und Kei hatte sie schon gekannt als sie noch ein Kleinkind gewesen war. Nein, so ein nettes Mädchen würde nie schießen.

Kei wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Ryami ihre Augen ein wenig zusammenkniff, um genau zu zielen. Nur einen Augenblick später betätigte sie den Abzug. Ein zweites Mal zuckten alle Anwesenden unter einem lauten Knall zusammen.

Zwar hatte Kei sich schon bereit gemacht, Yuki zur Not persönlich aus der Schusslinie zu befördern, doch seine Hilfe wurde gar nicht gebraucht. Schon nach dem ersten Schritt auf seinen Freund zu, hielt Kei deshalb in seiner Bewegung inne.

Yuki selbst hatte keine besondere Lust auf Russisch Roulette. Einen Sekundenbruchteil bevor Ryami ihre Waffe abfeuerte, machte er einen Schritt zur Seite und wich damit dem Pfeil aus. Dieser traf nur die Wand einige Meter hinter Yuki und etwa zwei Meter links von Shimari, von der aus er klirrend zu Boden fiel.
 

Gerade hatten sich Kei und Yuki für einen Moment erlaubt, aufzuatmen, da wurden sie auch schon daran erinnert, dass die Gefahr noch nicht vorüber war.

„Pass auf! Sie schießt!“ schrie eine weibliche Stimme in heller Panik.

Doch schon im selben Moment erschallte der Schuss. Yuki war nach der Warnung reflexartig einen weiteren Schritt zurückgewichen und hatte sich in derselben Bewegung zu Shimari umgedreht, die ihn über die Kimme ihrer Waffe böse anfunkelte. Zum Glück hatte diese Drehung dafür gesorgt, dass ihn die Kugel nicht tödlich traf.

„Nein! Yuki!“ entfuhr es Kei panisch, als er sich aus seiner Starre löste und auf seinen Freund zustürzte.

Yuki hielt mit der linken Hand seine rechte Schulter. Seine Fingerspitzen hatten sich in den Stoff seines aufgerissenen Pullovers und in seine Haut gegraben, als könnten sie den Schmerz herausreißen. Von der Wunde konnte Kei zunächst gar nichts sehen, da sich Yuki wehrte, als er seine Schulter von der Hand befreien wollte. Doch es dauerte nicht lang, bis sich das Blut seinen Weg durch den Stoff und zwischen Yukis Finger hindurch suchte.

„Es ist nur ein Streifschuss.“ erklärte Yuki mit beruhigendem Ton, aber eindeutig schmerzverzerrtem Gesicht.

„NUR?! Das ist Blut!“

Kei war in heller Aufregung. Yuki war verletzt, blutete und hatte Schmerzen. Wie konnte er die Wunde verbinden? Mit einem Taschentuch? Moment, er hatte keines. Außerdem war das viel zu viel Blut für ein Taschentuch. Sollte er so cool wie in Filmen ein Stück Stoff aus seinem Kapuzenpulli reißen? Aber der Stoff war viel zu fest…

„Seit wann hast du ein Problem mit Blut? Du bist doch derjenige, der sich ständig blutige Kämpfe mit seinem Carn geliefert hat.“

„Ich hab kein Problem mit Blut. Aber das ist DEIN Blut!“

Hätten sie sich nicht immer noch zwei bewaffneten Gegnern gegenüber befunden, hätte Yuki sicher schallend losgelacht. Er musste sich das Lachen sehr schwer verkneifen, und trotz Angst und Schmerz hoben sich seine Mundwinkel zu einem amüsierten Grinsen. Kei war einfach zu niedlich, wenn er ängstlich wurde. Schon vor ihrem allerersten Besuch beim Rat hatte Yuki seine Nervosität so süß gefunden. Und dass Kei jetzt auch noch aus purer Sorge um ihn so verrückt spielte, machte ihn nur noch niedlicher.
 

„E-Es tut mir leid! Ich wollte nicht, dass sie schießt!“ beteuerte dieselbe weibliche Stimme wie zuvor.

Jetzt erst bemerkte Kei, dass hier irgendetwas nicht ganz stimmte. Skeptisch drehte er sich in die Richtung um, aus der die Stimme gekommen war. Zur Fensterseite, wo die beiden Schwestern standen.

Doch entgegen seinen Erwartungen war es nicht Taki, die sie gewarnt hatte. Zwar lag auch auf Takis Gesicht ein besorgter Ausdruck, aber diejenige, deren Finger nervös mit dem Saum ihrer Ärmel spielten, und die mit weit aufgerissenen Augen zu Kei und Yuki hinübersah, war Ryami. Kei verstand die Welt nicht mehr. Dieselbe Ryami, die mit was auch immer für Giftpfeilen auf Yuki geschossen hatte, hatte sie nur einen Augenblick später vor einem tödlichen Schuss gewarnt, den sie selbst ihrer Mitarbeiterin befohlen hatte. Und jetzt tat ihr auch noch leid, dass Shimari geschossen hatte?

In einem weiteren urplötzlichen Stimmungswandel verfinsterte sich Ryamis Ausdruck plötzlich wieder. Die ängstlich aufgerissenen Augen verschmälerten sich wieder, gleichzeitig zog sie die Brauen ins Gesicht. Während ihre Lippen eben noch vor Aufregung gezittert hatten, zogen sie sich nun zu einem verächtlichen Schmunzeln. Ihre Hand ließ den Ärmel los, während sich die andere fester um die gesenkte Waffe legte.

Kei verfolgte das Schauspiel gebannt. Was ging hier vor?
 

Plötzlich hörte er hinter sich das Geräusch eines metallischen Gegenstands, der laut zu Boden fiel. Erschrocken zuckte Kei zusammen und wirbelte sofort herum. Shimari, die eben noch eiskalt auf Yuki geschossen hatte, zitterte nun ein wenig. Sie hatte die Augen aufgerissen und biss ängstlich auf ihrer Unterlippe herum. Die Pistole, die sie vor wenigen Minuten noch ohne Zögern abgefeuert hatte, war nun aus ihren unruhigen Händen geglitten. Die Waffe glänzte zu ihren Füßen im abendlich roten Sonnenlicht.

Was ging hier vor?

„Heb sie auf.“ befahl Ryami ruhig, aber bestimmt.

Shimari wagte es weder sich zu bewegen, noch Widerworte zu geben. Sie blieb einfach stehen, ihre Hände in den Ärmeln versteckt und mit nervös umherwandernden Augen.

„Heb sie auf!“ wiederholte Ryami ihren Befehl etwas lauter.

Doch wieder reagierte Shimari nicht. Für einen Moment herrschte angespannte Stille. Ryami bedachte Shimari mit einem langen, strengen Blick, unter dem das Mädchen immer mehr zusammenzusinken schien.

Kei rechnete vielleicht mit einem Ausbruch, vielleicht dass Ryami wütend die Stimme erhob oder sogar schlimmeres. Doch nichts dergleichen geschah.
 

Nach einem Moment atmete Shimari laut aus und zeigte den nächsten merkwürdigen Wandel. Mit einem Mal kehrte sie in die selbstbewusste Haltung von vor einigen Minuten zurück. Sie stand gerade und mit leicht angehobenem Kinn. Ihre Augen ruhten fest aus ihren Gegenübern und schienen boshaft zu funkeln. Als sie ihre Hände aus den Ärmeln streckte, in deren Stoff sie sich nervös gekrallt hatten, waren diese völlig ruhig. Sicher griffen sie nach der Pistole und hoben sie auf. Und genauso sicher nahm Shimari wenig später Kei und Yuki wieder ins Fadenkreuz.

Mit ausgestreckten Armen hielt sie die Waffe von beiden Händen umschlossen vor ihren Körper. Ihr Blick über die Kimme hinweg war entschlossen und sogar gefährlich.

Aber nur für eine Weile.

Denn nach nur einem Blinzeln weiteten sich ihre Augen wieder ängstlich. Ihre Pupillen zuckten vor Aufregung unruhig hin und her. Sie biss sich auf die Unterlippe. Schließlich begannen sogar ihre Hände wieder zu zittern. Mehr noch, das Zittern breitete sich über ihre Arme und Schultern schließlich fast über ihren ganzen Körper aus. Trotzdem wagte sie es nicht, die Waffe zu senken.

Eben noch so selbstsicher, hatte Shimari jetzt ganz eindeutig große Angst. Angst vor der Waffe in ihrer Hand.
 

Was hatten diese merkwürdigen urplötzlichen Stimmungswandel nur zu bedeuten? Erst hatte Shimari mit ungewohnter Kälte in den Sitzungssaal geführt, war dann wie aus heiterem Himmel zu ihrem lebendigen Selbst zurückgekehrt und schien dafür aber völlig desorientiert. Ryami hatte Shimari befohlen zu schießen, den Schuss dann verhindern wollen, beziehungsweise bedauert und unmittelbar danach Shimari erneut befohlen, die Pistole aufzuheben. Shimari hatte sich daraufhin erst geweigert, dann doch erschreckend bereitwillig gehorcht und zitterte nun vor Angst.

Langsam kristallisierte sich aus Keis wirren Gedanken eine mögliche Erklärung heraus. Wenn er recht hatte, dann musste Ryami…

Zögerlich drehte er sich wieder zur Chefin von K.R.O.S.S. um. Ryami hatte die linke Hand in die Hüfte gestützt. In der rechten hielt sie weiterhin ihre Pistole neben ihrem Körper gesenkt. Ihre ganze Haltung strahlte Selbstbewusstsein aus. Ihr Rücken war gerade, das Kinn leicht angehoben. Aus ihren grünen Augen sah sie auf Kei und Yuki herab. Dass sie vor Kurzem noch so angsterfüllt gewesen waren, schien nun unvorstellbar.

„Oh mein Gott…“ flüsterte Kei atemlos vor sich hin, als er seine Vermutung bestätigt fand.

„Nein.“ Ryamis Lippen zogen sich zu einem eiskalten Grinsen. „Gott bin ich nicht. Aber ich gebe zu, dass ich einen Schritt näher in Richtung Allmacht getan habe.“

„Du kannst in Shimaris Körper schlüpfen?!“

„Nicht nur in Shimaris Körper. Meine Kräfte sind jetzt stark genug, um in jeden Körper einzudringen, der über telepathisches Talent verfügt.“

„Jeden…?“

„Jeden mit telepathischem Talent. Meine liebe Taki verfügt beispielsweise leider nicht darüber. K.R.O.S.S. hat aber schon mit Forschungen begonnen, wie man das Zaleitalent auch auf völlig Unbegabte übertragen kann.“

„Warum kannst du das? Wie kann das sein?“ Unverständnis, Entsetzen und Angst sprachen gleichermaßen aus Kei.

„Das habe ich doch schon gesagt. Ich habe Lans Kraft gestohlen. Glaubst du denn, ich hätte mir einen der stärksten Zalei ausgesucht, um seine Kräfte nur zu versiegeln? Nein! Ich habe sie mir selbst übertragen.“
 

Kei weigerte sich zu glauben, was er da hörte. Ein Zalei, der sein Bewusstsein nicht nur in den Körper seines eigenen Carn versetzen konnte, sondern in jeden beliebigen Körper, solange dieser eine telepathische Veranlagung hatte. Das klang absolut verrückt. Und dennoch schien es wahr zu sein.

Ryami hatte Lans Zaleikraft gestohlen, die Kraft des drittstärksten Zalei. War sie jetzt etwa so stark wie sie selbst und Lan zusammen? Oder sogar noch stärker?

Aber wofür sie das alles tat, war Kei noch immer ein Rätsel. Bislang hatte Ryami kein Wort über ihre Ziele verloren.

Nach und nach wuchs in Kei auch der Zweifel, ob sie gegen eine so starke Zalei überhaupt nur den Hauch einer Chance hatten. Schon die ‚normale‘ Ryami hätte in einer anderen Liga gespielt als der Zaleischüler Kei, doch jetzt schien sie ihm so gut wie unerreichbar für jeden.

Aber ein Zurück gab es nicht.

Ryami hob ihre Hand mit der Pistole. Erneut drehte sie die Walze ein paarmal herum.

Dann traf ihr Blick Kei. Ihre Augen blitzten gefährlich und jagten einen kalten Schauer über Keis Rücken. Was auch immer sie vorhatte, konnte nichts Gutes sein.
 

„Ihr hattet übrigens schon wieder Pech. Das eben wäre der Betäubungspfeil gewesen. Ich denke, den nächsten darfst du abfeuern.“

Nach dieser spärlichen Ankündigung machte Ryami einen einzigen Schritt nach vorne und nahm mit ihrem rechten Arm gleichzeitig etwas Schwung auf. Im nächsten Moment warf sie Kei die Pistole zu, der sie aus Reflex auffing. Verwirrt starrte er auf die Waffe in seinen Händen. War sie jetzt völlig übergeschnappt, ihrem Feind ihre Waffe zu überlassen?

Doch ihm blieb nicht viel Zeit, sich diese Frage zu stellen. Die Antwort erhielt er prompt.

Kei beobachtete nämlich nur einen Augenblick später wie seine eigene Hand sich um den Griff der Pistole legte, sein Finger auf den Abzug. Mit ausgestrecktem Arm hielt er die Waffe vor seinem Körper. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, als er zielte - als er auf Yuki zielte.
 

„Nein! Wag es ja nicht!“ rief er noch von Panik und Wut gleichzeitig gepackt.

Kei wollte vorstürmen, die Pistole aus seiner Hand schlagen oder was auch immer. Aber schon bevor sein Fuß nach dem ersten Schritt den Boden berührte, legten sich zwei Hände um sein Handgelenk. Taki hielt ihn mit beiden Händen zurück. Wortlos, aber mit sorgenvollem Blick deutete sie auf Shimari, die immer noch zitternd ihre Pistole auf ihn richtete. Auf seinen Körper, um genau zu sein.

Ryami konnte in jeden Körper eindringen, der über ein telepathisches Talent verfügte. Außerdem war sie die Zalei, die am allerschnellsten zwischen verschiedenen Körpern hin und her wechseln konnte.

Was konnte Kei tun, um Yuki zu helfen? Würde er, der sich jetzt in Ryamis Körper befand, auf Ryami zustürzen, könnte sie blitzschnell aus seinem Körper herausschlüpfen und in ihren eigenen eindringen, um ihn aufzuhalten. In diesem Fall konnte Kei sich schon auf die Auflösung des Körpertauschs vorbereiten und sie dann in seinem eigenen Körper erwarten. Aber dann konnte Ryami immer noch in Shimaris Körper eindringen und auf ihn schießen. Nicht zu vergessen die drei Carn, die ebenfalls telepathisch veranlagt waren. Die einzige, in deren Körper Ryami nicht eindringen konnte, war Taki. Die Situation schien ausweglos.
 

Yuki blieb dennoch mit bewundernswerter Ruhe regungslos stehen. Mit der linken Hand hielt er weiterhin seine Schulter, von der aus sich ein blutroter Fleck immer weiter über seinen Arm ausbreitete. Die ersten Blutstropfen hatten sich ihren Weg seinen Arm entlang gebahnt und fielen von seinen Fingerspitzen auf den Boden. Yuki hielt den Blickkontakt mit Ryami fast die ganze Zeit über. Nur für einen kurzen Moment wanderten seine Augen zu Kei, der die Szene mit angsterfülltem Ausdruck verfolgte.

Panik machte sich in Kei breit. Sein, beziehungsweise eigentlich Ryamis, Herz raste wie verrückt vor Angst. Er rang nach Luft. In einen völlig fremden Körper gedrängt musste Kei hilflos mit ansehen wie er selbst eine Waffe auf seinen Freund richtete.



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