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Eikyû - gesegnetes Land

Die Legende der schlafenden Götter
von

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Weg des Windes

So, ich hab es endlich geschafft, das nächste Kapitel fertig zu bekommen! *___* Ein Ryuujin Kapitel... Ach, ich mag ihn einfach :P

Na ja, ich wünsche viel Spaß mit Kapitel 13 ^.~

Und noch was:

@abonenten: Ihr dürft auch gerne mal so einen Kommentar dar lassen ^.~
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Kapitel 13 – Weg des Windes
 

Es regnete schon seit mehreren Tagen im westlichen Reich Tengaio. Dort, um genau zu sein im Gebirge Kumoyakan, welches im Norden des Reiches lag, hatte Ryuujin unter einem Felsvorsprung Schutz vor dem strömenden Regen gesucht. Er fror, da seine Kleidung bereits völlig durchnässt war und hier oben im Gebirge ein starker Zugwind wehte.

Das Pferd, welches er die letzten Tage am Zügel hatte führen müssen, da er auf den schmalen Gebirgspfaden nicht reiten konnte, stand an einem dürren Bäumchen festgebunden geduldig im Regen.

Ryuujin wusste nicht wirklich, was er hier tat. Er war eigentlich nur einem Gefühl – ja, so konnte man es nennen – gefolgt, als er hierher gekommen war. Es war merkwürdig. Bevor dieses Mädchen aufgetaucht war, hatte er sich nie über sich oder seine Vergangenheit Gedanken gemacht und jetzt reiste er schon seit Wochen in der Gegend herum, um… Ja, warum?

Gedankenverloren griff er in die Satteltasche, die er, wie auch den Sattel, dem Pferd abgenommen hatte, ehe er es festband. Die Ledertasche war halbwegs wasserfest und bewahrte sein restliches Essen und eine trockene Decke auf.

Etwas später saß er in diese eingewickelt und auf einem Stück Pökelfleisch kauend unter dem Felsvorsprung. Obwohl er die nasse Kleidung abgelegt hatte fror er, doch hier gab es kein trockenes Holz zum Feuer machen und auch sonst nichts, mit dem er sich hätte wärmen können. Er zog die Decke noch enger um sich und die Beine noch näher an seinen Körper heran. Zum mindest hundertsten Mal fragte er sich, warum er überhaupt hier war und warum er Unaru überhaupt verlassen hatte.

Er holte ein weiteres Stück Pökelfleisch hervor. Er hätte jetzt gerne warmen Reis gegessen, doch wie gesagt: Es gab hier kein trockenes Holz.

Irgendwann versank er wieder in Gedanken. Wieder dachte er an das Mädchen, welches er im Bordell in Unaru getroffen hatte. Wie immer versuchte er diese Gedanken und die Bilder, die sich in sein Bewusstsein drängen wollten, zu vertreiben. Sie hatte ihn zuerst fasziniert, angezogen, weil sie anders gewesen war, doch das war rein körperlich gewesen. Aber auf dem Stück, das sie zusammen gereist waren, hatte sich das verändert. Doch er verstand nicht warum! Sie hatten kaum miteinander geredet. Sie hatte ihm Fragen gestellt, er hatte geschwiegen. Hatte er sie etwas gefragt, war sie zumeist ausgewichen. Trotzdem hatte er sie im Schlaf beobachtet und sich die Fragen selber gestellt.

Er stöhnte auf. Er sollte wirklich aufhören darüber nachzudenken. Wahrscheinlich würde er sie ohnehin nie wieder sehen.

Und was war, wenn es stimmte, was sie gesagt hatte, über die Geister und Oni und Eikyû? Wenn es stimmte, dass die vier Heiligtümer existierten und die Dämonen eins besaßen, musste nicht dann auch er irgendwas tun?

Aber hatte sie überhaupt Recht? Selbst wenn, auch ihm war klar, dass ihnen so schnell keiner glauben würde, denn dafür hatten sich die Menschen in den vier Reichen schon zu sehr von ihrem ehemaligen Glauben gelöst. Kaum noch jemand achtete die Natur und die Geister – geschweige denn, dass noch jemand an die Götter glaubte. War das nicht auch der Grund, dass das Land nun ohne Schutz war? Dabei waren die Geister nicht zu verleugnen…

Ryuujin starte in den Regen. Es war wirklich ein komisches Mädchen gewesen.
 

Ein Nebel, ein dunkler Schleier nahm Ryuujin die Sicht. Da waren Gestalten, doch er konnte sie nicht genau erkennen. Er roch das Meer, doch er verstand nicht. Wo war er? Zwei goldene Augen leuchteten, doch dann war alles verschwunden.

Er spürte Wind. Ihm war als würde er fliegen, doch er konnte kaum etwas erkennen. So sehr er seine Augen auch anstrengte, er sah kaum mehr als ein verschwommenes Schwarz und Blau. Was war das für ein Gefühl, das von ihm Besitz ergriffen hatte? Sein Körper fühlte sich so fremd an. Er spürte einen brennenden Schmerz am Rücken, dann riss ihn das panische Wiehern des Pferdes aus dem unruhigen Schlaf.

Verwirrt sah Ryuujin sich um. Es brauchte etwas, bis sich seine Augen an die nächtliche Dunkelheit gewöhnt hatten und er seine Gedanken geordnet hatte. Er griff nach seinem Schwert und richtete sich vorsichtig auf, um sich umzusehen. Erst jetzt bemerkte er, dass er nichts am Leibe trug und vorher nur in die Decke eingewickelt gewesen war.

Wieder wieherte das Pferd panisch und schlug mit den Hufen aus. Aber das waren nicht die einzigen Geräusche, die er hörte…

Ryuujin konnte Gestalten erkennen. Räuber? Auf einmal hörte er das Prallen von Hufen auf Fels, ein Geräusch, das sich immer weiter entfernte. „Verdammt“, fluchte Ryuujin. „Senkou!“, rief er dem Pferd hinterher. Er lief ein Stück in die Richtung, in die das Pferd gelaufen war und rief dessen Namen, doch schnell erkannte er, dass es sinnlos war.

Noch immer regnete es.

Auf einmal fuhr er herum und hatte aus Reflex schon das Schwert aus der Scheide gezogen und das Wesen, was ihn von hinten mit einem Speer angreifen wollte, abgeblockt. Nun erkannte er auch, mit was für Wesen er es zu tun hatte: Lange, schnabelartige Nasen und ein mit Federn bedeckter Körper. Das waren Tengu!

Merkwürdig, dachte Ryuujin. Normal griffen Tengu keine Menschen an, wenngleich sie Wanderern streiche spielten und sicher auch für so manchen Absturz im Gebirge verantwortlich waren. Aber warum…

Da fuhr er herum und trennte einem der Bergkobolde, der ihn anzugreifen versuchte, den Arm ab.

Was war hier los?

Um ihn herum erklang wütendes Gekrächze. Hier waren einige von ihnen. Ein Schmerz am Fuß ließ Ryuujin zusammenfahren. Der Tengu, den er zuvor abgewährt hatte, hatte seinen Speer in den Fuß des ehemaligen Offiziers gebohrt. Im nächsten Moment stürzten sich weitere der Kobolde auf ihn.

Seine Bewegungen waren reine Reflexe. Mit einer Bewegung hatte er den Speer aus seinem Fuß gezogen, dann wirbelte er mit gezogenem Schwert und tötete mehrere Tengu auf einmal. Sie hatten keine Chance und doch stürzten sich weitere von ihnen sofort wieder auf ihn.

„Verdammte Viecher“, knurrte er und trennte mit einem weiteren Schlag gleich Zweien den Kopf ab, während er einem anderen mit einem Ausfallschritt auswich. Das ganze wiederholte sich einige Male, bis sich um ihn herum schon ein Kreis toter und verwundeter Tengu gebildet hatte. Trotzdem stürzten sich immer wieder Bergkobolde auf ihn. Es schien ein nie enden wollender Fluß zu sein. Dabei galten diese Kreaturen normal als feige. Warum also handelten sie so?

Ryuujin schrak aus seinen Gedanken auf, als ihn der Speer eines weiteren Tengu beinahe an der Seite traf. Ein letztes Mal schlug er mit dem Schwert zu, ehe er aus der Mitte der Tengu in Richtung des Felsvorsprungs sprang. Mit dem Schwert in einer Hand wehrte er weiter Angreifer ab, während er mit der anderen Hand schnell seine Kleidung von einem Felsen fischte.

Ein weiterer Schlag schlug die Angreifer grade lange genug zurück, um die Satteltasche aufzuheben und diese über die Schulter zu schwingen. Dann ergriff er die Flucht. Natürlich setzen die Tengu ihm nach, doch dann hatte er den Hang an der Bergabgewandten Seite des Pfades erreicht. Er überlegte nicht lange, ehe er sprang und so den Hang hinabschlitterte. Schließlich verlor er jedoch das Gleichgewicht und überschlug sich mehrmals. So rutschte er zwischen einer Lawine aus Geröll und Matsch den scheinbar endlosen Abhang hinab. Dieser wurde immer steiler, ehe ein hervorstehender Fels hart seinen Sturz abfing und er bewegungslos liegen blieb.

Die Flucht bergab war eine mehr als schlechte Idee gewesen! Aber zumindest war er so wahrscheinlich aus dem Territorium der Tengu heraus. Jedenfalls hoffte er das. Trotzdem wäre er wahrscheinlich nicht halb so sehr verletzt worden, hätte er weiter gegen sie gekämpft. Er war eben ein Idiot, schalt er sich selbst.

Und es regnete noch immer…
 

Als Ryuujin wieder zu sich kam, roch er verbranntes Holz – Feuer. Verwirrt und durchaus schwerfällig öffnete er die Augen. Es regnete nicht, stellte er als erstes Fest, ehe ihm klar wurde, dass er sich in einer Höhle befand.

Jeder Teil seines Körpers schmerzte und seine Sicht war verschwommen. Er erinnerte sich an den Kampf gegen die Tengu und an den Sturz bergab. Was dann genau gewesen war, vermochte er nicht zu sagen. Wie war er hierher gekommen?

Er versuchte sich aufzurichten, doch jede noch zu kleine Bewegung schmerzte unermesslich. Es wäre für ihn tatsächlich wohl besser ausgegangen, hätte er gegen die Tengu gekämpft, anstatt zu fliehen. Eine Erkenntnis, für die es nun wirklich zu spät war.

Wo war er hier nur? Und wo waren seine Sachen? Er war noch immer nackt, lag aber unter einer dünnen Decke. Schließlich schloss er wieder die Augen. Er konnte ohnehin nichts klar erkennen. So döste er wieder ein.

Als er das nächste Mal erwachte und vorsichtig die Augen öffnete, blickte er in das grinsende Gesicht eines Greises. Er erschrak und wollte sich aufrichte, fuhr aber unter Schmerzen wieder zurück.

„Du solltest dich etwas schonen“, sprach der Alte nur und grinste. „Mit deinen Verletzungen ist nicht zu spaßen. Du hast Glück noch zu Leben, nach dem Sturz.“

„Woher“, krächzte Ryuujin doch der Alte schüttelte den Kopf.

„Trink erst einmal etwas“, meinte er und nahm ohne weiter zu fragen, eine dampfende Tasse, ehe er mit zu dessen Überraschung kräftiger Hand Ryuujins Kopf anhob um ihn den Tee einzuflößen.

Schon nach einem Schluck musste der Krieger würgen und versuchte sich aus dem Griff des Altes zu winden. „Was ist das?“, fragte er empört.

„Kein Gift“, erwiderte der Greis nur ruhig, nahm wieder seinen Kopf und flößte ihm den Rest des Tees ein. „Und jetzt schluck“, befahl er, was der Krieger nur unter einem weiteren Würgen schaffte.

Was auch immer das für ein Zeug war, es war verdammt bitter!

„Wer seid Ihr?“, fragte Ryuujin schließlich und wandte dem Alten den Kopf zu.

Dieser grinste nur und entblößte dabei zwei nicht mehr ganz komplette Reihen schlecht gepflegter Zähne. „Nur ein alter Eremit“, antwortete er. „Niemand von Bedeutung.“

Ryuujin erwiderte nichts, sondern gab nur einen grummelnden Laut von sich und wandte den Blick wieder ab. Dann stützte er sich auf und richtete sich, wenngleich unter Schmerzen, auf. „Ich muss weiter“, meinte er. „Wo sind…“

„Du kannst noch nicht gehen“, unterbrach der Greis ihn nur wand wandte sich dem Feuer, das in der Mitte des kleinen Höhlenraumes brannte, zu.

„Wieso nicht?“; erwiderte der Krieger empört und wollte aufstehen.

„Sieh dich doch an.“ Der Alte lachte leise. „Du kannst kaum aufrecht sitzen, wie willst du ‚gehen’?“

„Das ist nicht Euer Interesse“, antwortete Ryuujin.

Wieder lachte der Eremit. „Du bist ganz schön unfreundlich, mein Junge“, meinte er. „Nimm einfach hin, dass du noch nicht gehen kannst, davon abgesehen, dass du hier ohnehin nicht heraus kommen wirst.“ Er machte eine zeigende Handbewegung, der folgend der Krieger sich umsah. Tatsächlich schien es, als hätte der Saal keine Ausgänge, was aber nicht der Fall sein konnte. „Selbst wenn du hier heraus kommst, du wirst dich verirren.“

„Wo bin ich hier?“, fragte Ryuujin nun vollkommen verstört.

„Im Inneren des Berges Arashiyama“, antwortete der alte Mann. „Diese Höhlen und Tunnel wurden von den Priestern, die hier einst lebten, als Kaze no michisuji, Pfad des Windes, bezeichnet.“

Und tatsächlich fiel Ryuujin auf, dass ein Wind der beständig durch die Höhle zu fegen schien, dass Feuer züngeln ließ. Also musste es einen direkten Weg nach draußen geben, sogar einen größeren Ausgang aus diesem „Saal“. Vielleicht war dieses von den Felsen verdeckt?

Der Alte schien seine Gedanken zu erraten. „Glaub mir, Junge, es ist das Beste, wenn du dich erst einmal erholst. Oder gibt es irgendetwas, was dich so zur Eile antreibt?“

Der ehemalige Offizier schwieg und dachte nach. Er wusste ja nicht einmal, warum er losgezogen war, geschweige denn, wo er hin wollte. So etwas, wie ein Ziel, hatte er nicht.

„Nein“, antwortete er schließlich resignierend, denn auch wenn er kein Ziel hatte, tobte in ihm eine Unruhe, die ihn davon abhielt zu lange zu verweilen.

„Na also“, meinte der Greis nun wieder grinsend seine schlechten Zähne entblößend. „Hast du Hunger?“, fragte er dann und wandte sich der Feuerstelle zu, über der ein Kessel hing, während ein kleiner Topf mit Wasser auf ein paar Steinen direkt an der Glut stand. Aus dem Kessel füllte der Eremit nun etwas in eine Tonschale und reichte diese dem Krieger.

„Was ist das?“. Fragte dieser misstrauisch auf die dampfende, undefinierbare Pampe in der Schale starrend.

„Kein Gift“, grinste der alte Mann nun wieder und reichte ihm zwei scheinbar selbst geschnitzte Stäbchen.

Daraufhin erwiderte Ryuujin nichts, sondern begann die Pampe, die wohl ein Eintopf sein sollte, herunter zu würgen – dankbar, zumindest etwas Warmes in den Bauch zu bekommen.

Der Alte beobachtete ihn. „Ihr habt nach meinem Namen gefragt, nun tue ich dasselbe: Wer bist du?“

Ryuujin hielt inne: „Man nennt mich Ryuujin, dass ist alles, was ich weiß“, murmelte er.
 

Die Tage vergingen, auch wenn Ryuujin in der Höhle davon nicht viel bemerkte. Seine Wunden verheilten schnell – zu schnell für einen Menschen, doch das war für ihn nichts Neues. Mittlerweile konnte es auch wieder problemlos laufen. So hatte er herausgefunden, dass der Höhlensaal sehr wohl Ausgänge hatte, drei an der Zahl. Doch welcher davon nach draußen führte, wusste er nicht und irgendwie war es egal geworden. Es gab doch wirklich kein Ziel, welches er zu erreichen suchte, wieso also sollte er nicht einfach hier bleiben?

Allgemein hatte sich in den paar Tagen, die er nun wohl schon hier war, eine für ihn unerklärliche Melancholie in ihm breit gemacht. Es war das erste Mal, seit er aufgebrochen war, dass er dem Nachdenken nicht entkommen konnte und wieder quälten ihn die Fragen: Warum war er hier? Warum war er weggelaufen? Warum hatte er alles bisher so verdrängt? Wie hatte er das geschafft?

Dazu kam, dass jedes Mal, wenn er schließ oder auch nur döste, Träume – Visionen? – in seinem Bewusstsein wach wurden, wie der, den er gehabt hatte, ehe die Tengu ihn angriffen. Und immer was das Gefühl in einem Fremden Körper zu stecken genau so allgegenwärtig, wie das vom Wind getragen zu werden.

Der Eremit, der ihm immer noch nicht seinen Namen verraten hatte, war ein komischer Kauz. Er redete sehr verwirrend, stellte ständig Fragen, beantwortete aber selber keine Einzige. Außerdem verschwand er ab und zu und tauchte dann plötzlich wieder auf.

Zu Ryuujins Missmut, musste er selbst zugeben, dass das Verhalten des Alten seinem eigenen nicht unähnlich war. So saß der Krieger nun im Schneidersitz vor dem Feuer, welches zu jeder Zeit im Höhlensaal am Brennen gehalten wurde, und starrte in die Flammen. Er trug Kleidung, die der Eremit ihm gegeben hatte, da er seine eigene, wie auch Satteltasche und Schwert, wohl bei dem Sturz verloren hatte.

Was tat er nur hier?, fragte er sich wieder einmal. Warum blieb er immer noch hier, obwohl er eigentlich hätte weiterreisen können? Und was war das für ein merkwürdiges Gefühl in seiner Brust?

Wo war der Alte nur? Bildete er sich das ein, weil ihm sein Zeitgefühl abhanden gekommen war, oder war der Alte schon ziemlich lange weg? Aber eigentlich war es egal. So blieb er weiter am Feuer sitzen und versuchen an etwas möglichst unverfängliches zu denken, was aber nahezu aussichtslos war.

Schließlich stand er auf. Er konnte sich ja zumindest umsehen. Irgendwas, was ihn auf andere Gedanken brachte…

Den Ausgang, den er benutzte, wählte er zufällig. Der Tunnel war eng und niedrig, so dass er den Kopf einziehen musste, um sich nicht zu stoßen.

Mehr noch, als im Saal, zog es im Tunnel stark. Deswegen wurden diese Gänge also als Weg des Windes bezeichnet, dachte Ryuujin. Durch den Wind war ab und zu ein unheimliches heulen zu vernehmen, was von den Wänden reflektiert wurde.

Er war noch nicht weit gegangen, ehe alles um ihn herum, stockfinster war. Trotzdem ging er weiter. So tat er zumindest etwas und dachte nicht nach und solange er nicht an eine Weggabelung kam, würde er später auch wieder problemlos zurück finden.

Wenn er vorher schon kein Zeitgefühl mehr hatte, verlor er den Rest in dieser Dunkelheit, welche darüber hinaus sehr tückisch war. Ständig bildete er sich ein etwas aufblitzen zu sehen oder etwas hinter sich zu spüren. Sein Handeln war mal wieder vollkommen sinnlos, eine reine Flucht vor seinen Gedanken, doch grade das gab ihm für sich Sinn. Auch wenn er nicht rechnete, dass er irgendwohin kommen würde.

Glaubte er denn wirklich daran, dass er irgendwas erreichen könnte? Glaubte er, dass er, wenn er weiter durchs Land zog auch nur irgendwas über sich herausfinden würde? Nicht wirklich!

Er seufzte und blieb stehen. Er war ein Idiot! Wäre er bei der Fuchsfrau und ihrem Begleiter geblieben, hätte seine Reise zumindest irgendeinen Sinn gehabt, so war es einfach nur… Wieso war er eigentlich gegangen? Wieso hatte er sich von ihnen getrennt?

Die Wahrheit war, dass er sich nutzlos gefühlt hatte und auch nicht gewusst hatte, wie er sich dem Mädchen gegenüber verhalten sollte. Er hatte sich überflüssig gefühlt, nachdem sie den Mann aus Pengguo getroffen hatten. Außerdem wusste er doch nichts von Magie und all dem, wovon sie redeten. Er hatte nicht einmal daran geglaubt, bis es zu den Geschehnissen in Unaru gekommen war. Doch jetzt blieb ihm ja nichts anderes übrig und…

„Ich bin wirklich ein Idiot“, murmelte er.

Er wollte schon umkehren, als er auf einmal meinte, etwas gehört zu haben. Wieder wollte er es als eine weitere Einbildung abtun, doch da hörte er es wieder. Es klang wie ein fernes Donnern. Oder war es doch nur Einbildung?

Er lauschte in die Finsternis. Da war es wieder. Es kam aus der Richtung, in die er vorher gelaufen war. Wieder erklang es. Was konnte das sein?

Nachdem er noch kurz überlegt hatte, setzte er sich wieder in Bewegung. Er konnte nicht besonders schnell gehen, da er sich immer noch voran tasten musste, doch während er ging wurde es zwar langsam aber doch wahrnehmbar um ihn herum heller. Irgendwo hier musste es eine Lichtquelle geben.

Das Geräusch war wieder zu vernehmen, dieses Mal um einiges lauter, Es klang, als wenn irgendwas Großes aufeinander prallen würde…

Wieder…

Es war jetzt ganz nah. Außerdem konnte er nun die Umgebung um sich herum wieder halbwegs erkennen. Hinter der nächsten Biegung…

Auf einmal brach der Feld der Wand neben ihm weg, so dass er sich nur mit einem schnellen Sprung nach vorne knapp in Sicherheit bringen konnte, ehe die Felsen ihn zerquetscht hätten.

Nun rannte er. Er bog um die nächste Ecke und stand auf einmal in einem weiteren Höhlensaal, nur dass dieser bei weitem nicht so einfach gehalten war, wie der wo er in den letzten Tagen mit dem Altem gelebt hatte. Die Wände waren mit Zeichen und Zeichnungen verziert, die im Dämmerlicht, welches durch vier Fackeln erhält wurde, zu fluoreszieren schienen.

Für einen kurzen Augenblick rann ein seltsamer Schauer über Ryuujins Rücken, ehe er sich der Situation gewahr wurde:

Dort wo die Wand zuvor eingestürzt war, lag der Eremit zwischen den Felsen und schien schwer verletzt zu sein. Er trug einen Stab bei sich, wie der Krieger ihn nur aus Geschichten kannte – Geistergeschichten. Konnte es sein, dass der Eremit eigentlich ein Priester, ein Kannushi war?

Doch der Alte war außer ihm nicht der Einzige, der in diesem Saal war. Nein, dort waren noch zwei weitere, ein Mann – nein, Yurei – und eine Frau in einem weiten, seidenen Kimono. Die Frau war hübsch, sehr hübsch, hatte ein schmales, sehr weibliches Gesicht und langes, seidiges Haar. Der Mann, der sie begleitete, war das genaue Gegenteil. Sein Gesicht war eine hässliche Fratze. Seine Mund, welchen man wohl eher als Maul bezeichnen konnte, war viel zu breit und ließ Ryuujin zwei reihen gelblicher spitzer Zähne sehen. Seine Augen waren groß und hervorstehend, während das Haar nur in Büscheln vorhanden war. Seine Hände waren Klauen, seine Haut rötlich gefärbt. Er war eindeutig ein Yurei. Und die Frau?

Schließlich riss sich Ryuujin vom Anblick der beiden los und sprang zu dem Greis herüber. „Was ist mit Euch, Alter Mann“, fragte er. „Was ist hier passiert?“

Der Alte stöhnte auf und blinzelte den Krieger an. „Was machst du hier, Junge?“, fragte er ihn überraschte, zuckte aber im nächsten Moment schon wieder unter Schmerzen zusammen. „Du hast hier nichts zu suchen.“

„Das habt ihr mir nicht zu sagen“, meinte Ryuujin nur mit neutraler Stimme. „Was…“ Doch da zwang ihn ein Reflex, sich umzudrehen und sah nur, wie eine Wand aus Flammen hinter ihm emporzüngelte – grüne Flammen. Allerdings schienen sie nicht näher zu ihm kommen zu können, wurden abgehalten.

Er sah wieder zum Alten, welcher zitternd die Hand hervor gestreckt hatte und nun seinen Blick Ryuujin zugewandt hatte. „Du bist ein dummer Junge“, meinte er nur zahnlos grinsend. „Und ein elender Feigling noch dazu.“

Der Krieger zuckte zusammen, spürte Wut in sich, sprach jedoch nichts aus, da der Alte exakt das sagte, was er sich selbst in der letzten Zeit ständig dachte.

„Hör mir zu, Junge“, sagte der Alte nun. „Die beiden Yurei… Hier im Berg ist das Schwert Tsume versteckt.“

„Aber…“, begann Ryuujin fassungslos, doch der Alte unterbrach ihn.

„Du bist kein normaler Mann, Junge“, redete er schnell weiter. „Ich weiß nicht, was du bist, aber ich weiß, dass du nicht zu ihnen gehörst. Ich war der Beschützer Tsumes, ein Geweihter Byakkos. Daher…“ Er zitterte heftig. „Ich bitte dich, lass nicht zu, dass sie das Schwert berühren!“

„Aber“, setzte der Krieger erneut an, doch er Alte ließ die Hand sinken und er konnte grad noch schnell genug herumfahren, um mit einer Hand das Feuer zu löschen.

Er fragte sich, was mit dem Alten war. War er tot?

Und wieso hatte er – Ryuujin. Als er die Hand bewegte, war es nichts, als ein weiterer Reflex gewesen, doch das Geisterfeuer war erloschen und das ließ ein weiteres Mal die Frage in ihm aufflammen, was er eigentlich war.

„Nicht schlecht, Kleiner“, meinte die Frau nun kichernd und sah ihn interessiert an. „Was bist du, dass du so einfach mein Feuer löschen kannst?“

„Das geht dich nichts an, Weib“, erwiderte Ryuujin abfällig. „Was wollt ihr hier?“

„Ein unfreundlicher Junge“, stellte die Frau, die sicher auch eine Yurei oder Yokai war fest und sah zu dem Mann, der sie begleitete.

Dieser blitzte scheinbar mit den Augen und musterte den Krieger eindringlich, so dass selbst diesen flau im Bauch wurde. Dann lachte der Mann. „Nein, er kann deine Frage nicht beantworten, Liebes“, sagte er dann. „Er weiß ja selbst nicht, was er ist.“

Ryuujin zuckte zusammen und sah verwirrt zu dem Yurei. „Was…“

„Allerhöchstens ein dummer Junge“, meinte dieser nun weiter und zuckte mit den Schultern.

Nun musterte auch die Frau ihn wieder und näherte sich dem ehemaligen Offizier vorsichtig, wobei sie die Augen nicht von ihm ließ. „Aber ein hübscher Mann“, stellte sie dann mit einer Stimme, die an das Schnurren einer Katze erinnerte, fest. „Junge“, begann sie nun. „Wir sind nur auf der Suche nach etwas, willst du uns…“ Sie unterbrach sich selbst. „Willst du mir nicht helfen?“ Sie war nun bei ihm angelangt und strich ihm mit ihren langen Fingern über die Wange.

Er hielt ihre Hand fest. „Fass mich nicht an“, zischte er und schubste sie ein Stück zurück. So leicht würde er sich nicht um den Finger wickeln lassen.

Der rothäutige Mann beobachtete sie und lachte. „Nicht alle Männer sind gleich, Raitoue“, meinte er amüsiert, während sich die Frau mit leicht beleidigter Miene zurückgezogen hatte. Sie war fast noch ein Mädchen. „Lass ihn, wir werden Tsume auch so finden.“

Ryuujin sah sie wütend an, ehe ihm ein weiterer Gedanke durch den Kopf schoss: Wenn die beiden Tsume stehlen wurden und es das Schwert wirklich gab, hieß es doch, dass das Mädchen, Tsuki, die Wahrheit gesagt hatte. Konnte es sein, dass die beiden von den Oni geschickt waren? Aber dann…

Das Lachen des Yurei unterbrach seine Gedanken.

„Ein hübsches Mädchen, ja?“, spottete er, woraufhin sowohl Ryuujin als auch die Frau ihn überrascht ansahen. „Sie war kein Mensch, richtig?“

Der Krieger zuckte zusammen. „Was redest du da?“

„Du begehrst sie, dieses Mädchen“, redete der Yurei einfach weiter. „Du hast Gefallen an ihr gefunden und hattest zugleich Angst vor ihr. Sie war eine Füchsin. Wie war ihr Name?“

Verwirrt und gleichzeitig wütend sah Ryuujin den Mann. Was war er? Wieso wusste er, was er dachte? Wie konnte er wagen es auszusprechen?! „Schweig!“, rief er. „Verschwindet von hier. Lasst mich in Ruhe!“

Wieder lachte der Mann nur. „Wieso sollte ich denn schweigen? Willst du es nicht hören, weil dir es unangenehm ist? Weil du es selbst nicht sehen willst? Du bist wirklich dumm.“ Er legte den Kopf auf die Seite. „Lass uns in Ruhe, geh hier weg. Wir wollen nichts von dir, Junge. Wir sind nur wegen Tsume hier.“

„Ihr dürft das Schwert nicht nehmen“, murmelte Ryuujin. „Ihr habt kein Recht es auch nur zu berühren!“

„Dann willst du uns wirklich aufhalten?“, fragte die Frau nun enttäuscht wirkend.

„Ja, dass will er“, meinte der Mann. „Er denkt, dass er diesem Mädchen, damit helfen kann. Er macht sich Vorwürfe, dass er nicht bei ihr geblieben ist.“

Nun wandte sich die Frau ihm zu. „Sagt, Shiboume, was war das für ein Mädchen.“ Sie schlich, wie eine Katze, um ihren Begleiter herum, wenngleich ihre Augen wieder auf Ryuujin gerichtet waren.

„Verschwindet hier“, rief dieser nun wieder und machte einen Sprung auf die beiden zu, um zuzuschlagen, doch noch während er ihm Sprung war, wich der Mann aus und zog die Frau mit sich.

Was ist er nur, fragte Ryuujin sind. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, vor Wut, Verwirrung und noch einem anderen Gefühl, welches er zu verdrängen suchte.

Wieder griff er die beiden an, dieses Mal mit einer Abfolge von Tritten, doch kein einziger traf, ehe die Frau seinen Fuß festhielt. Ach, wie sehr wünschte er sich, sein Schwert oder irgendeine Waffe hier zu haben. Er riss seinen Fuß los, doch plötzlich war die Frau ganz nahe bei ihm und strich ihm über die Brust.

„Er fragt sich, was gewesen wäre, wenn er bei dem Mädchen geblieben wäre“, redete der Mann ungerührt weiter, während die Frau um Ryuujin herumschlich und immer wieder über seinen Körper strich. Als sie wieder vor ihm stand – Ryuujin erschrak.

„Was seid ihr?“, fragte er verzweifelt und wich vor der Frau, die auf einmal ganz anders aussah, zurück. „Lasst mich in Ruhe!“ Er stieß mit seinem Rücken gegen die steinige Wand, während die Frau langsam auf ihn zukam.

„Was hast du denn?“, fragte sie mit einer ihm vertrauten Stimme, als sie bei ihm ankam. Wieder strich sie über seine Wange, was ihn erzittern ließ. Wie konnte sie so aussehen? Sie hatte die Gestalt der Fuchsfrau, Tsukis Gestalt.

„Geh von mir weg“, keuchte er und hielt ihre Hand fest.

„Warum willst du das?“, erwiderte sie und sah ihn flehend an.

„Lass mich in Ruhe, Weib!“, schrie er sie an.

Sie antwortete nichts, sondern trat noch ein Stück näher an ihn heran, so dass sie sich ganz an ihn drückte. „Wieso wehrst du dich so?“, fragte sie und legte ihre Hand auf seine Wange, während ihre Augen auf sein Gesicht fixiert waren.

„Lass mich“, hauchte er und versuchte irgendwie von ihr wegzukommen.

„Sssch“, machte sie nur und streckte sich um ihn zu küssen, woraufhin seine Gegenwehr völlig erlosch.

Zwar erwiderte er den Kuss nicht, jedoch war er nicht mehr fähig auch nur einen Finger zu rühren. Zu verführerisch war auch nur die Vorstellung, dass dieses Wesen nicht irgendeine Yurei, sondern Tsuki selbst wäre. Er wusste, dass es falsch war, auch nur diesen Gedanken zu haben, doch er konnte sich nicht dagegen wehren, dafür war das Verlangen in ihm zu stark, zu verzehrend.

„So ist brav“, flüsterte sie und strich langsam über seine Brust, ehe sie begann sein Gewand zu öffnen.

Er schluckte. „Hör auf!“ Langsam hob er seine Arme, um ihre Hände wieder fest zu halten. Auch wenn er genau wusste, dass diese Frau nicht Tsuki war, so reagierte sein Körper doch auf ihre Nähe und das heftiger als sonst.

Sie kicherte. „Wieso soll ich aufhören?“, fragte sie leicht spöttisch und streckte sich um mit ihren Lippen seinen Hals entlang zu fahren. „Es gefällt dir doch, oder?“

„Hör einfach auf“, antwortete er bemüht wieder die Kontrolle über seinen Körper zu erlangen.

„Wie ehrenwert“, lachte der Mann im Hintergrund.

Die Frau fauchte. „Wie du willst“, meinte sie schließlich und wich ein Stück vor ihm zurück. Dann, plötzlich, hatte sie wieder ihre vorherige Gestalt, hob die Hand und ließ in dieser grünes Feuer entstehen, welches im nächsten Moment als ein Sturm aus Flammen auf Ryuujin zukam und ihn zurück gegen die Wand drückte.

Verdammt, fluchte er. Da merkte er, wie der Fels hinter ihm auf einmal nachgab und er nach hinten geschleudert wurde. Von ein paar umher fliegenden Felsstücken umgeben, schlitterte er auf dem Boden rückwärts.

Als er zum Liegen kam und sich wieder aufrichtete, bemerkte er, dass er in einem weiteren Felsensaal war, dessen Wände und Decken komplett mit denselben Malereien geschmückt waren, wie die des anderen. Das ganze Licht des Raumes schien nur von diesen Zeichen auszugehen. Außerdem war da noch etwas: In einer Nische des Raumes, von einem kleinen, flachen, angelegten See umgeben, war eine Art Altar, der ganze Saal, war eine Art Schrein und das konnte nur eines bedeuten…

Er fuhr herum, als die Frau auf ihn zusprang. In der Luft änderte sich ihre Gestalt und sie wurde zu einer großen Katze, mit graubraunem Fell.

Eine Bakeneko, schoss es ihm durch den Kopf, ehe er sich zur Seite rollte um den scharfen Krallen zu entgehen. Dann sprang er auf und lief einem Instinkt folgend zu dem Altar.

Die Geisterkatze setzte ihm nach.

Auf und an dem Altar waren einige Siegel angebracht und aufgezeichnet, wie auch auf dem Schwert darauf.

Bitte, flehte er innerlich, als er durch den knietiefen See watete und schon die Hand nach dem Schwert ausstreckte. Bitte, ihr Götter, lasst es mich nehmen.

Das Wasser ließ die Katze zurück weichen, da hatte Ryuujin schon den Altar erreicht und griff nach dem Schwert – Tsume. Bei der Berührung der Siegel durchzuckte ihn kurz ein Schmerz und seine Schulter begann wieder zur brennen, doch dann konnte er das Schwert berühren.

Grade noch rechtzeitig, um die auf ihn zuspringende Katze abzuwehren, fuhr er herum. Die Krallen der Katze berührten die Scheide des Schwertes, ehe die Yokai zurück geworfen wurde und unsanft auf dem Boden landete.

„Du dumme Frau!“, rief nun der andere Mann, der ihnen nachgekommen war. „Durch deine Spielereien… Hol das Schwert zurück!“

Die Katze fauchte.

Verwundert sah Ryuujin auf das Schwert in seinen Händen und zog es aus der Scheide. Es war erstaunlich groß, für ein Schwert asiatischer Machtart, etwas länger und auch noch etwas breiter als ein Dotanuki. Auch schien die Klinge nicht aus Stahl zu sein, sondern aus einem anderen Material, welches unter seinen Händen zu pulsieren schien.

Er watete aus dem See heraus und ließ dort die Scheide auf den Boden fallen.

Derweil hatte sich die Katzenfrau wieder aufgerappelt und stand ihm nun gegenüber, den ganzen Körper von grünen Flammen umgeben. Erneut fauchte sie und sah ihn mit leuchtenden Augen an. Dann wechselte sie plötzlich wieder die Gestalt und stand erneut als Tsuki vor ihm. „Gib mir das Schwert“, hauchte sie flehend.

Er kniff die Augen zusammen. „Nein“, erwiderte er tonlos.

„Bitte“, flehte sie weiter.

„Nein.“

Nun erklang wieder die Stimme des Yurei. „Kannst du ihr wirklich eine Bitte ausschlagen? Du kannst nicht verleugnen, dass sie dich betört.“

„Sei dir da nicht so sicher“, antwortete Ryuujin. „Sie ist nichts weiter als eine Yokai, die frei ihre Gestalt wechseln kann, und nicht Tsuki.“

„Aber töten kannst du mich auch nicht“, erwiderte die Bakeneko selbstsicher und kam langsam auf ihn zu.

Er hielt kurz inne. Er wusste, dass es nicht Tsuki war, auch wenn sie so aussah. Sie war nur eine alte Katze, nichts weiter. „Ach ja?“, fragte er, während sie weiter auf ihn zukam. Als die dann nahe genug war, hob er plötzlich das Schwert und ließ es auf sie herab sausen.

Überraschung zeichnete ihr Gesicht, ehe das Schwert ihren Körper durchtrennte und sie sich in den Leichnam einer zerteilten Katze verwandelte.

Nun wandte Ryuujin sich dem Mann zu.

„Du bist wirklich ein dummer Junge“, begann dieser weiter, doch da hielt Ryuujin ihm schon die Klinge an den Hals.

„Schweig!“, zischte er und folgte ihm, als der Mann versuchte vor ihm zurück zu weichen. „Sagt mir noch eines: Wer hat euch geschickt um das Schwert zu stehlen?“

Der Yurei antwortete nicht sondern wich weiter zurück, bis auch er auf einmal den Felsen im Rücken hatte. „Das…“, begann er auf einmal nicht mehr so schadenfroh.

„Vielleicht ein Oni namens Raiu Akki?“, fragte Ryuujin weiter.

Das glubschäugige Gesicht des Mannes zuckte.

„Gut…“, murmelte der Krieger. Dann schlug er ihm den Kopf ab.
 

Nachdem Ryuujin die Scheide Tsume aufgehoben hatte und das Schwert – die beiden Leichen ignorierend – wieder hinein gesteckt hatte, ging er zu dem alten Eremiten zurück, welcher bewegungslos zwischen den Felsbrocken lag.

Er beugte sich zu ihm herab und tastete nach dem Puls, doch dieser war bereits erloschen.

„Es tut mir leid, alter Mann“, flüsterte Ryuujin und schwieg kurz. Dann hob er den Leichnam auf und trug ihn in den anderen Raum, wo er ihn auf dem Altar ablegte.

Er hätte gerne mehr für den Alten getan, doch dazu war es nun zu spät. Außerdem wusste er nicht, was er sonst hätte mit dem Leichnam tun können, da nicht genug Holz da war um ihn der Tradition gemäß zu verbrennen.

Die beiden Geisterwesen waren tot und würden nun wohl mit ihm hier ruhen.

So verließ Ryuujin den Saal und lief etwas später, Tsume am Gürtel befestigt und eine Fackel in der Hand, einen weiteren Gang im Inneren des Berges entlang. Zumindest wusste er jetzt, was er tun wollte:

Er würde sich wieder auf die Suche machen, jedoch nicht nach einen Hinweis auf seine Vergangenheit, sondern nach der Fuchsfrau und ihren Gefährten, um sich ihnen anzuschließen, so wie er es schon vor einigen Wochen hätte machen sollen.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Begriffserklärungen:
 

Bakeneko: Bakeneko sind Katzen, die ein hohes Alter erreicht haben und dadurch Magie erlangt haben, wie auch die Fähigkeit menschliche Gestalt anzunehmen.
 

Ama-no-jaku: Der rothäutige Yurei der in diesem Kapitel auftaucht ist ein Ama-no-jaku, ein wesen welches auch in der japanischen Mythologie nicht so verbreitet ist. Seine Fähigkeiten sind es tief in das innerste eines Menschen zu sehen und seine größten Verlangen und Sehnsüchte zu erkennen.
 

Dotanuki: Ein Schlachtschwert, etwas breiter und wiederstandfähiger als ein Katana.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Jitsch
2012-09-23T20:40:40+00:00 23.09.2012 22:40
Wirklich ein ereignisreiches Kapitel. Ryuujins Sturz von der Klippe war wirklich unüberlegt, aber das macht ihn auch irgendwie sympathisch. Gegen die beiden Dämonen hat er sich ja ganz gut geschlagen, war aber schon spannend, weil es erstmal nicht gut für ihn aussah.
Dass er Tsuki mehr mag, als er zugeben will fand ich bisher schon klar, aber gut, dass das jetzt nochmal deutlich gezeigt wurde. So ein Gedankenleser ist schon aufschlussreich XP
Von: Futuhiro
2009-12-27T18:34:15+00:00 27.12.2009 19:34
Wouw, langes Kapitel ...
Das Ende kam sehr plötzlich. So viel Vorgeplänkel und dann *schlitz* *metzel* beide Gegner tot. Der Kampf hätte etwas ausgeschmückter sein können. Aber cool, daß er nun endlich eine Aufgabe für sich gefunden hat. Solche Erkenntnis-Findungen gefallen mir immer sehr gut.
Von:  Heruvim
2009-05-13T10:10:11+00:00 13.05.2009 12:10
Knofilein ist wieder da :D

Mir hat das Kapitel sehr gut gefallen, ich bin wirklich ueberrascht, dass du solche typischen Szenen gefolgt bist, wie der Anfang, wo Ryuujin den Abhang runter gekullert ist.
Ist aber nicht so wichtig, finde auch das mit den Vogelviehern nicht besonders ueberraschend. Dass sie Wanderern Streiche spielen ist das Eine, dass sie aggressiv regieren, wenn man ihr Teritorium betritt ist etwas anderes ;)
Gut die Existenzfragen Ryuujins kamen wiederholt, hatte das Gefuehl manche Saetze schon einmal gelesen zu haben, ausserdem ist die Sache mit den einigen Tagen im selben Saal etwas komisch, wenn, dann koennte ich mir vorstellen, dass er die meiste Zeit geschlafen und sich ausgeruht hat :P
Dann noch die tolle Szenen, wo man schon ahnt, dass sie spaeter ein Paerchen werden, mag es einfach xD"
Sehr interessant ist die Sache, dass du einem Hauptcharakter den heiligen Gegenstand, also das Schwert (bis ich mich mit den Namen anfreunde, dauert es noch ein wenig xD") gegeben hast, war manchmal ja schon irritierend, dass die Hauptcharas den Gegnern recht unterlegen waren.
Unterm Strich bin ich gluecklich mit dem Kapitel, hast du gut gemacht ^-^

LG ... Heruvim
Von:  BoogiePen
2008-03-27T18:13:59+00:00 27.03.2008 19:13
So, der nachträgliche Oster-Kommentar~

Zuallererst: Super Kapitel!! *_*
Ok, ok, ich weiß, dieser Ryuujin hat es auch mir angetan, aber ich fand es diesmal einfach sehr schön geschrieben. Ich finde es einfach besser, wenn keine oder wenige Perspektivenwechsel in einem Kapitel stattfinden.

Zu dem Anfang auf dem alle rumhacken...
Der war eigentlich okay, fand ich. Klar, warum die Viecher sinnlos angreifen ist seltsam ( genauso sehr, dass du sie nur sehr spärlich beschreibst :P) und auch das typische "Scheisse, man hat mich K.O. gehauen, aber gleich findet mich bestimmt jemand Nettes und pflegt mich gesunder"- Element, wäre in dieser eindeutigen Form nicht ganz so nötig gewesen.
Trotzdem, der Rest des Kapitels ist flüssig geschrieben, und gefällt, trotz der Klischee-Klapptür, gut.

So nebenei; den Satz hier solltest du nochmal auf seinen Sinn oder Nichtsinn überprüfen :P

"Wenn er vorher schon kein Zeitgefühl mehr hatte, verlor er den Rest in dieser Dunkelheit, welche darüber hinaus sehr tückisch war."


Also kurz und knapp: Für mich eines der besten Kapitel, auf jedenfall schöner, als das letzte, da weniger kitschig :D
Von:  Chimi-mimi
2008-02-15T16:55:27+00:00 15.02.2008 17:55
hm, der anfang ist seltsam...
naja ^^'
ich kenn das ja.

bin ja mal gespannt, ob er tsuki findet.
Von:  DINO2011
2007-12-17T18:45:40+00:00 17.12.2007 19:45
Tja, ich muss sagen das mir das Kapitel auch relativ gut gefallen hat. Trotzdem bin ich der Ansicht das es mit Abstand nicht an das vorherige heran reicht, aber das kann ja schlichtweg auch einfach am Inhalt liegen ^^

So, wie Kalakash schon gesagt hat finde auch ich das der Anfang nicht in das Kapitel passt, weil er einfach zu..... hingeschmiert wirkt, gerade so als sei dir nichts eingefallen,aber du wolltest etwas mit einer Vision machen um das dann später zu verwenden. Soll jetzt nicht heißen das es schlecht geschrieben ist, auf keinen Fall, aber trotzdem wirkt der Anfang irgendwie so nach *keine Idee hatte* *schulterzuck*

So, dann das in der Höhle. Nun, ich persönlich hätte mir da ja etwas mehr in die Richtung Psycho gewünscht, aber okay, das ist jedermanns Geschmack und passt auch nicht wirklich an die Stelle xD Ansonsten fand ich das in der Höhe etwas zu wenig, vom Informationsgrad meine ich jetzt. Man kannte den Namen des alten nicht, man wusste nicht was er da tat, man bekam nicht mit was die beiden redeten und auch nicht was Ryuujin wirklich getan hat. Klar, es ist Absicht, weil es so die Verwirrung darstellen soll die den Chara befallen hat, aber trotzdem hätte ich mir gerne etwas mehr Informationen gewünscht, zumal der Tod des Eremiten dann um einiges tragischer gewesen wäre.

Der Kampf gegen die beiden war für meinen Geschmack nicht so aufregend, aber das liegt schlichtweg daran da ich geballte Aktion dem Psychischen Kampf vorziehe. Du kannst diese Art von Kampf aber eindeutig besser beschreiben als die andere, das ist überhaupt keine Frage. Aber hier wünsche ich mir auch teilweise wieder etwas mehr Psycho, weil ich einfach ein kleiner Fan dieser Richtung bin, zumindest in solchen Szenen.

Da ich ja nicht glaube das Ryuujin so schnell wieder auf die anderen treffen wird bin ich schon sehr darauf gespannt ob er den nächsten magischen Gegenstand vor ihnen findet, oder ob sie sich dort treffen oder was auch immer. Bin eben schon sehr auf das nächste Kapitel gespannt ^.~

Schnell weiterschreiben ^^

mfg DINO
Von: abgemeldet
2007-12-10T10:07:17+00:00 10.12.2007 11:07
Aaaah, tolles Kapitel. Und auch endlich ein Kommentar von mir. *hust* XD Ich treulose Tomate.
Erstmal: Ich liebe das Kapitel, weil es ein Ryuujin-Kapitel ist und ich ihn liebe. XXD Er ist immer noch der menschlichste von deinen Charakteren, von Shen Hou vielleicht mal abgesehen, obwohl er natürlich ganz offensichtlich nicht menschlich ist. O__o XD Aber er zeigt sehr nachvollziehbare Reaktionen ("Reaktionen" *hust XXXXXXD) und obwohl er immer mächtiger erscheint, bleiben ihm doch seine Schwächen. Ich mag ihn einfach. ^^
Die beiden "Bösewichte" in diesem Kapitel waren furchtbar cool. :D Besonders die charmante Katzenfrau hatte es mir angetan. Ich mag so sadistische Böse. XD Du hast beide sehr gut dargestellt und auch die Kampfszenen sind dir diesmal richtig gut gelungen.
Ich mag es wie du immer wieder asiatische Mythologie ganz gezielt einfließen lässt. *thumbs up*
Ein bisschen Kritik gibts auch. ^^ Ich fand den Anfang des Kapitels ein bisschen "Ich-tu-ma-damit-er-verletzt-beim-Eremiten-aufwacht"-mäßig. Verstehst du was ich meine? XD Es hat nicht wirklich in den Lesefluss gepasst. VIelleicht hätteste du das Zusammentreffen der beiden irgendwie mehr in die Geschichte einbauen sollen als Ryuujin einfach nur 'nen Berg runterfallen zu lassen. xD
Außerdem hätte ich gern mehr über der Alten erfahren und auch über die Zeit, die Ryuujin mit ihm verbracht hat. Die Auflösung kam so doch recht plötzlich.
Das Ende allerdings gefällt mir sehr. Ich hoffe, wir haben alle unsere Lieblinge bald wieder zusammen. T__T Und ich bin froh, dass er das Schwert hat. Es kann ja nicht immer alles schieflaufen für die Armen. :D
Von: abgemeldet
2007-12-08T09:09:13+00:00 08.12.2007 10:09
sehr schönes Kapitel
nur was passiert eigendlich jetzt mit dem Schwert?
will er das mit sich rumschleppen?
ich hoffe er wird tsuki finden, vielleicht wird ja was draus:p
schreib schnell weiter
liebe grüße, jane


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