caught in chains
Autor: fukuyama / Vanessa D.
Titel: chains
Untertitel: Was ist Stärke?
*~*
Bumm! Tschak!
Bumm! Bumm! Tschak!
Ich massiere mir die Schläfen und taumele mehr als dass ich gehe durch die Geräuschkulisse und die grellen Partylichter, die mir Sterne vor den Augen tanzen lassen, die Treppe hinunter in einen kleinen Nebenraum. Nachdem ich die Tür zugeworfen habe, breitet sich wohltuende Stille aus. Der Partylärm wird gedämpft und meine Ohren zeigen wieder Aktivität an, Tendenz steigend.
Erleichtert atme ich durch. Kein Zigarettenrauch und keine Fahnen und auch kein Haarspray mehr, dass tonnenweise da oben vertreten ist. Ich rutsche langsam an der Wand neben der Tür hinunter auf den Boden, ziehe die Beine an und lege meinen Kopf darauf. Warum habe ich mich von Ryo überreden lassen, mitzukommen? Ich habe Kopfweh und mir ist schlecht. Ich vertrage nicht so viel Alkohol, deswegen lasse ich auch meistens die Finger davon, aber heute war es wohl ein bisschen viel. Nicht, dass ich angetrunken wäre oder so - mir ist einfach nur schlecht!
Ich schließe die Augen und versuche mich einfach nur auf mein innerstes zu konzentrieren. Das allerdings kommt mir vor wie ein High Way oder eine Achterbahn - dummgelaufen, Ishtar. Über meinem Kopf wummert die Anlage weiter und einige Leute springen zu der Musik herum - die Erschütterungen spüre ich ganz deutlich.
Wie viel Uhr ist es eigentlich? Ich seufze. Das ist mal wieder so ein Abend - typisch für Ryo. Und ich lasse mich immer überreden - jedes Mal...
In diesem Moment wird die Tür aufgestoßen und ich zucke leicht zusammen, als der Lärm wieder um einige Dezibel steigt. Ein dunkler Knall und der Lärm ist wieder abgeschnitten. Kami-sama sei Dank.
„Hey Marik!“, sagt mein bester Freund. Ohne aufzusehen weiß ich, dass er ein dämliches Grinsen im Gesicht hat und das er beim Laufen leicht wankt. Ryo trinkt eigentlich nie.
Ich überwinde mich dazu, die Augen zu öffnen und den Kopf zu heben. Ryo lässt sich soeben an meine Seite plumpsen. Seine Umrisse heben sich nur leicht vor der dunklen Wand ab - ich habe das Licht nicht angeschaltet und er auch nicht. Er sieht mich mit schräg gelegtem Kopf an und runzelt leicht die Stirn, als wolle er sich an irgendwas erinnern. Aber nur eine Sekunde später ist sein Grinsen zurück. Auf was für einer Droge er wohl gerade ist?
Das habe ich mich schon oft gefragt. Und nicht nur, wenn wir auf solchen Partys rumhängen - Partys, von denen Ryo weiß, dass Dealer kommen werden, manchmal auch welche und was sie haben.
Ich weiß auch gar nicht mehr genau, wann er damit eigentlich angefangen hat, sich regelmäßig von den irdischen Gefilden zu verabschieden - irgendwann vor anderthalb Jahren... Damals war ich total geschockt, als er vor meiner Haustür stand, total vollgepumpt und mit einem treudoofen Lächeln im Gesicht, als sei ihm noch nie etwas besseres passiert. Er ist mir vorwärts in die Arme gesunken und ich musste ihn die Treppe hoch schleifen und war vor Angst, jemand könnte kommen halb wahnsinnig. Am nächsten Morgen meinte er dann, die Wirkung dieser Droge hätte ihn so umgehauen, er hätte mir keine Schwierigkeiten machen wollen und es tue ihm leid.
Ich habe natürlich versucht, ihn davon wegzukriegen, aber das hat nicht funktioniert. Er war von der Wirkung viel zu fasziniert und er hat geglaubt, es ginge ihm besser dadurch - und das schlimme ist, dass ich das in bestimmten Augenblicken auch einfach nicht bestreiten kann...
Aber auf Dauer...?
„Ryo...“, sage ich seufzend und versuche, seinen umherirrenden Blick einzufangen, „Warum machst du das?“
Er wendet seinen Kopf zu mir und für einen Sekundenbruchteil bin ich mir ganz sicher, dass ich in seine Seele sehen kann: Seinen großen Schmerz erkennen und seine Verletzlichkeit hinter dieser hohen und doch so unbeständigen Mauer aus verschwommenen Glücksgefühlen, die nicht seine sind, orten kann. Ich weiß genau, dass er nur ein ganz normaler 17-jähriger ist, der viel zu große Probleme hat, als dass er damit umgehen könnte und der so verzweifelt ist, dass es mich selbst schon schmerzt, wenn er mich nur ansieht. Ich frage mich, wie er es überhaupt schafft, weiter zu leben...
„Das weißt du doch!“, murmelt er und lässt seinen Kopf in meinen Schoß sinken.
Wie kann ein Mensch nur so viel Verzweiflung und verlorene Hoffnung, so viel Schmerz in vier kurze, bedeutungslose Worte legen?
Und warum muss er das überhaupt tun?
Ja, tatsächlich weiß ich, warum er so ist, wie er ist. Warum er das alles durchzieht. Warum er eigentlich zusammen brechen sollte und warum er sich selbst zerstört. Was ich nicht weiß, ist, wie er es trotzdem schafft, durchzuhalten.
Er hat nie mit mir darüber gesprochen, aber seine Seele schreit nach Hilfe und ich will ihm so gerne helfen. Mit allem, was ich habe, werde ich ihm helfen. Physisch und psychisch...
„Ja, ich weiß“, murmele ich und streiche ihm über das weiße Haar, während er sanft einschläft und für heute vielleicht einmal seine Ruhe finden kann.
~*Owari*~
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Ich fände es echt toll, wenn mir jemand seine Meinung da lassen würde!
fukuyama