Epilog - Und der Regen endet nie an diesem letzten Sommertag
Epilog - Und der Regen endet nie an diesem letzten Sommertag
"Ja klar, und dann hat er dich einfach so gehen lassen, und ist nie wieder aufgetaucht." Franzine blickte mich skeptisch an und auch Jennifer und Lisa sahen mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte. Eigentlich blickte mich meine ganze Clique so an, aber diese drei waren immer noch meine besten Freundinnen.
"Komm schon Mana, erzähl uns schon, was für ein Buch das war. Für meine Verhältnisse war es ziemlich kitschig, aber die Spannung war nicht schlecht." Für mich war Timo immer der bestausehendste Junge der Schule gewesen, ja bis ich Mario begegnet bin. Aber auch wenn ich jetzt weit weg von meinem schwärmenden Dasein für Timo war, tat es dennoch weh, als er diese Worte zu mir sagte. Nun erst sah ich auch wie die anderen zwei Jungs hinter ihm sich gegenseitig an die Stirn tippten, was so viel bedeuten sollte das sie mich für verrückt hielten. Aber ich war nicht verrückt. All das war die pure Wahrheit.
Die Schule hatte vor zehn Tagen angefangen und wir saßen jetzt in der ersten großen Pause auf dem Schulhof und unterhielten uns wie vor diesen verhängnisvollen Sommerferien in denen ich gedacht hatte das der Regen nie aufhören würde und das ich nie etwas spannendes erleben konnte. Und dann war es geschehen, hatte mich regelrecht überrannt und am Ende war mir nichts mehr als eine Erinnerung geblieben.
Mario hatte mich bei meiner Familie abgeliefert und war dann weggegangen. Nur die Erinnerung an ihn und das Gefühl seiner wunderbar warmen Lippen als er mich zum dritten mal geküsst hatte, war mir noch geblieben. Mehr auch nicht und als ich Onkel George gefragt hatte, ob ich ihn jemals sehen würde, habe ich auch keine Antwort gekriegt.
Alle sechs Mitglieder unserer Clique hatten sich Sorgen um mich gemacht und mich zehn volle Tage damit gelöchert, warum ich denn den ganzen Tag so abwesend bin. Und jetzt als ich ihnen alles von meinen atemberaubenden Sommerferien erzählt habe, glaubte mir keiner von ihnen auch nur ein Wort.
"Mana, wir möchten ja nicht deine Gefühle verletzen, aber es ist nicht in Ordnung das du uns belügst." Nun reichte es mir aber gründlich, wenn sich sogar Lisa gegen mich verschwor, dann war ich am Ende. Alle wussten das ich mich mit Lisa am besten verstand, und ich selbst hatte immer geglaubt sie würde mir ausnahmslos glauben. Aber nicht mal sie glaubte meinen Erzählungen.
"Ich gebe es ja zu, dass sich das Ganze etwas verrückt anhört, aber ihr musst mir glauben, es ist die volle Wahrheit." Versuchte ich es wieder, irgendwie mussten sie mir glauben und mich nicht als eine Irre abstempeln.
"Kommt Leute, sonst erzählt sie uns noch mehr von diesen Hirngespinsten, Mafia und ein super toll aussehender Italiener." Franzine erhob sich von der Bank und ging in Richtung des Schulgebäudes und auch die anderen meiner Freunde folgten ihr, ich war wie am Boden zerstört, da ich es nicht fassen konnte das sie mir nicht glaubten.
"Mana?" Als ich jetzt hochsah, erblickte ich Timo, der immer noch vor mir stand und nicht wie die anderen weggegangen war.
"Ja."
"Ich weiß das sich die Geschichte toll anhört, aber es ist nicht schön uns anzulügen. Aber das ist nicht der Grund warum ich noch hier geblieben bin, während die andere in den Unterricht gegangen sind".
"Ah, nein." Irgendwie wundere ich mich immer noch, das ich aber wirklich gar nichts mehr empfand, wenn ich Timo sah. Früher hatte mein Herz wild geklopft bei seinem Erscheinen und ich konnte nicht genug kriegen von seinen blauen Augen, aber jetzt...
"Weißt du ich mag dich sehr und ich weiß auch das du mich magst. Ich wollte dich fragen ob du meine Freundin werden möchtest." Jetzt war ich aber platt. Die Antwort kannte ich eigentlich sofort, aber das war es nicht was mich so vom Hocker haute. Nein es war viel mehr das Timo mich tatsächlich gerade gefragt hatte ob wir miteinander gehen wollen. Etwas was ich nie und nimmer erwartete hatte, da ich für ihn mindestens seit meinem zehnten Lebensjahr geschwärmt habe.
"Ich..."
"Komm, du kannst mir auch später eine Antwort geben, gerade hat es zum zweiten Mal geklingelt, wir kommen noch ausnahmslos zu spät, wenn wir uns nicht beeilen." Ich war ihm dankbar für seinen Vorschlag, aber wahrscheinlich hatte er die Antwort schon gewusst und wollte sie nur nicht so früh haben. Mein quälender Blick war ihm wohl schon aufgefallen. Denn meine Antwort klang eindeutig Nein. Ich empfand nichts mehr für Timo und ich wusste plötzlich auch das ich nie etwas für ihn empfunden hatte. Das alles war nur Schwärmerei gewesen, weil er immer so unerreichbar für mich erschien, aber jetzt wo er mir so nah war, wollte ich nichts mehr von ihm haben. Meine Liebe gehörte zur Zeit einem schwarzhaarigen Jungen mit den schönsten grünen Augen auf der ganzen Welt.
Während ich mit Timo zusammen zum Eingang der Schule rannte, begann es wieder zu regnen. Dieser Regen war andres, er war kalt und außerdem regnete es hier schon seit Tagen. Der graue Himmel war ein alltäglicher Anblick. Und dennoch brachte er mich dazu mich noch einmal zu erinnern, an diesen regnerischen Sommertag der mein Leben von Grund auf aus der Bahn geworfen hatte.
Ich hasste dieses, Wetter und ich hasste diese Straßen. Noch nie hatte ich so einen dunklen Himmel gesehen der nicht ein bisschen dieses sagenumwobenes Blau preisgab, dass ich so gut kannte und liebte. Und die Straßen, na okay die waren in Ordnung, aber die Fahrer waren grauenvoll. Hier in Deutschland zog sich alles dahin und alles war langsam und beherrscht. Irgendwie wussten die nicht was es hieß Gas zu geben. Außerdem saß ich hier schon seit über zehn Minuten in diesem Stau der überhaupt nicht voran kam.
Dabei hatte ich es vor allem heute eilig. Ich durfte nicht zu spät kommen, vor allem wenn ich mich hier gar nicht auskannte und die Möglichkeit auch noch bestand das ich mich verfahren konnte. Eigentlich hatte ich vorgehabt das Dach meines BMWs zu öffnen, was aber bei dem plötzlich wieder einsetzenden Regen nicht möglich war.
Ich wollte sie noch einmal entführen, aber diesmal richtig. Es wurde außerdem keine richtige Entführung werden, da sich ihre Eltern sowieso entschieden hatten nach Rom zu ziehen, aber ich hatte einfach vor die Dinge ein klein wenig zu beschleunigen. Es war doch nicht so schlimm, wenn sie ein paar Tage früher an ihrem neuen Wohnort ankam?
Ein Blick auf die Uhr bestätigte mir das ich noch genau zehn Minuten Zeit hatte, wenn ich pünktlich vor ihrer Schule stehen wollte, wenn die sechste Stunde zu Ende ging und sie herauskam.
Ein Lächeln umspielte meine Lippen als sich der Verkehr endlich lichtete und es jetzt in einem flotteren Tempo voranging. Die Idee zu diesem Unternehmen hatte Onkel George gehabt, und seitdem ich mich mit ihm ausgesprochen hatte, fühlte ich mich ausnahmslos besser. Aber trotzdem hätte ich nichts getan, wenn ich nicht hundertprozentig sicher gewesen wäre, das sie mein Herz gestohlen hatte.
Sie hatte mich verzaubert, mich wieder zu Vernunft gebracht. Ich konnte an nichts anderes denken als an sie, konnte nicht essen und konnte nicht schlafen. Eindeutige Zeichen, dass ich mich hoffungslos in sie verliebt hatte.
Ich bog jetzt in die Seitenstrasse die auf meinem Zettel stand und sah mich um. Zwei Blocks weiter lag dann auch die Schule. Und zu meinem Glück klingelte es gerade und ich fand auch sofort einen geeigneten Parkplatz.
Nur wenige Minuten später sah ich sie auch schon herauskommen. Es war nicht schwer gewesen sie in der Gruppe der andern zu finden mit ihren unglaublichen roten Locken. Mein Lächeln verstärkte sich noch mehr als sie mich endlich erblickte und ihr die Tränen in die Augen traten.
Na schön ich hatte mich bei jedem von ihnen entschuldigt. Nein, ich hatte nicht zugegeben das ich gelogen hätte, jedenfalls habe ich so wieder Normalität in die Beziehung unserer Clique gebracht. Aber immer noch spürte ich diese kleine Veränderung, die unser Vertrauen zueinander angekratzt hatte.
Franzine betrachtete mich skeptisch, aber Lisa sprach wenigstens mit mir. Und auch Timo stand neben mir und lächelte mich die ganze Zeit aufmunternd an. Dabei war ich ihm immer noch eine Antwort schuldig.
Der Regen hatte aufgehört und wir alle waren sehr froh darüber. Der ganze Schultag eigentlich war sehr anstrengend gewesen und jetzt auch noch nass nach Hause zu kommen, war keine schöne Vorstellung.
Ich sah es und ich spüre es auch nicht. Das ich auf ihn aufmerksam wurde, kam daher das Lisa mich auf ihn aufmerksam machte.
Sie war plötzlich stehen geblieben und bewegte sich nicht mehr. Ich drehte mich zu ihr um und sah sie fragend an.
"Was ist, kommst du?" Fragte ich sie, als sie nicht reagierte.
"Du hast gesagt er sei groß, hat schwarze Haare und fährt einen dunkelblauen BMW - Z3 Roadstar, richtig?"
"Ja, warum?" In dem Moment war ich mir nicht bewusst auf was sie hinzielte, ich hatte nur angst das sie alles von vorne aufrollen wollte, und das die Clique mich nun endgültig für verrückt erklärte um dann nichts mehr mit mir zu tun haben zu wollen.
"Na ja, wenn das so ist, dann wartet dein Mafioso da vorne neben seinem Auto und sieht gerade zu dir rüber." Ich habe euch schon einmal gefragt ob ihr diesen Augenblick kennt, wenn alles vor euren Augen in Zeitlupe abläuft. Mir jedenfalls geschah das schon wieder. Ich konnte es nicht glauben, dass er tatsächlich da stehen könnte. Denn sonst hätte er mich nicht ohne Wenn und Aber bei meinen Eltern abgeliefert und wäre dann abgehauen ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Aber Mario stand tatsächlich da und lächelte mich an. Die Tränen kamen unerwartet und ich spürte sie erst als ich meine Hände hob um sie vor Erstaunen auf meinen Mund zu legen.
"Wenn er das ist, dann solltest du ihm nicht zu nahe kommen." Timo trat vor mich und versperrte mir so den Blick auf Mario. Wie ein Kavalier versuchte er mich jetzt zu verteidigen, wo er mir vor wenigen Minuten nicht ein Wort geglaubt hatte.
"Du spinnst ja." Sagte ich lachend und lief auf Mario zu, ohne mir mehr Gedanken um meine Freunde zu machen. Ich hatte keine andere Antwort für sie, denn ich hatte momentan nur noch Augen für ihn.
Er sah immer noch so gut aus wie ich ihn in Erinnerung hatte. Diese grünen Augen hatten nicht ein bisschen ihres Glanzes verloren, und das er fast zwei Köpfe größer als ich war, wurde mir erst jetzt wieder bewusst, als ich nach oben zu ihm blicken musste.
"Hallo Mana, warum weinst du denn?" Ob ich bewusst handelte, weiß ich nicht, wahrscheinlich schon. Auch wenn ich ihn wie verrückt liebte, war das kein Grund jetzt urplötzlich vor mir zu stehen und mich so sorglos anzulächeln. Dieser gemeine Kerl, sollte nun dafür büßen. So folgte nun die dritte und auch die letzte Ohrfeige die er von mir kriegte.
"Ich hab's verdient, was? Vielleicht bringt es Glück, da es ja zum dritten Mal geschah?"
"Ja, vielleicht." Als er mich jetzt an sich zog und mich ganz fest umarmte, war ich sehr glücklich. Ich wusste das er mich nicht vergessen hatte.
"Ich liebe dich." Er sagte es leise aber laut genug das ich es hörte.
"Ich liebe dich auch." Ich hatte gewusst das er mich liebte, genau wie er gewusst hatte das ich ihn liebte. Und jetzt als ich ihm in die Augen sah, konnte ich auch diese Liebe sehen. Langsam beugte er seinen Kopf herunter und küsste mich leidenschaftlich, so dass ich mich all die vorherigen Küsse erinnern konnte. Als er jetzt seinen Kopf hob, grinste er siegessicher.
"Hmm, und was jetzt?" Fragte ich neugierig.
"Ich dachte mir ich entführe dich, weißt du da ist ein wunderschönes Haus das zufällig mir gehört und von dem kein Mensch außer dir und mir weiß."
"Klingt fantastisch."
"Nein himmlisch." Mario küsste mich wieder und dann stiegen wir in sein Auto und fuhren davon. Meine Freunde blickten mir nur ungläubig hinterher, aber irgendwie war ich sehr froh darüber. Denn manchmal sind sogar die verrücktesten Geschichten wahr, man sollte vielleicht nicht alles glauben, aber irgendwie steckt hinter jeder Geschichte ein Quäntchen Wahrheit. Und meine Geschichte ist so wahr wie ich hier auf der Veranda eines weisen Hauses sitze, das Meer betrachte und das hier alles in meinen Laptop eintippe, um euch zu zeigen das man Glück überall dort finden kann, wo man es nicht erwartet.
