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Liebe wie Gurkensushi

YUAL mit BxB-Oneshots!
von  Memphis

Kapitel 3: Dritte Reihe Wand

Kennt ihr diese Typen in der Klasse, die so ganz unauffällig irgendwo auf ihren Plätzen saßen und eigentlich von niemand so recht registriert wurden? Sie sahen nicht gut genug aus, um das Interesse der Mädchen auf sich zu ziehen, waren nicht schlau genug, dass sich die Streber für sie interessieren würde und hatten zu langweilig Hobbies, als das sich die anderen Jungs mit ihnen abgeben würden. Nun, darf ich mich vorstellen, ich bin Marcel, Brillenträger, braune Haare mit schlechter Frisur, sitze dritte Reihe Wand und neben mir mein bester Freund, zumindest irgendwie, Leopold. Wir verkörperten dieses Prinzip eines.... seien wir ehrlich, Losers.
Ich glaub Leopold störte es, er redete auch ständig und versuchte damit Interesse auf sich zu ziehen, aber er redete nur mit mir. Er war nämlich ziemlich schüchtern. Ich konnte gut zu hören, ich fand still sein eigentlich ganz toll und meine Ruhe haben auch.
Kriegt nicht das falsche Bild von uns, wir wurden nicht gemobbt oder geschnitten, die anderen unterhielten sich ab und an mit uns, aber mehr auf einer: „Kannst du mir mal den Radiergummi leihen?“ oder „Hast du Mathe?“ Ebene und mal ganz ehrlich, die waren ne andere Welt wie wir.
Und mich störte das nicht im Mindesten. Ich wusste, ich würde mich mit Michelle nie über ihre Frisur unterhalten können oder mit Martin über Fussball, oder mit Bernhard über physikalische Gesetze. Ich wollte das auch gar nicht.
Früher hatte ich auch eine Zahnspange, was mich noch seltsamer aussehen ließ, zum Glück hatte ich die wieder los. Ich fand sie lästig... das ich ein typisches „Zahnenspangen-Kind“ hatte mich damals allerdings auch gestört, ähnlich wie Leopold jetzt, wo er weiß das er auch ein Loser ist.
Mir ist schon früh aufgefallen, was für einer ich bin und ich bin mittlerweile nicht mehr unglücklich darüber. Ich wusste worauf es im Leben ankam und das war sicher nicht, von jedem bewundert zu werden.
Aber ich glaube, Leopold brauchte das manchmal, seine Bewunderung, vielleicht waren wir ja deswegen Freunde. Ich wollte einen Freund und er wollte einen Zuhörer. Es klang ganz fair und ich war zufrieden.

„Marcel?“ Leopold piekste mich mit seinem Bleistift gegen den Unterarm. Etwas desorientiert blickte ich auf. Ich hatte wegen der Hitze schlecht geschlafen und versuchte zumindest mich möglichst wenig zu bewegen. Deswegen hatte ich meinen Kopf auch auf meine verschränkten Arme gelegt und bin weg gedämmert, während Leopold mir etwas erzählte.
„Hngh?“ War meine Erwiderung.
„Du hast mir nicht zugehört...“ Es war nicht mal ein Vorwurf, mehr eine Feststellung, hoffte ich.
„Mhm.“ Ich legte den Kopf wieder auf meine Arme, behielt aber die Augen offen und schielte zu dem Anderen.
„Du könntest wenigstens lügen.“ Okay, jetzt klang er vorwurfsvoll. Ich schloss die Augen. Leopold seufzte etwas deprimiert. Er mochte es nicht sonderlich, wenn ich keine Lust hatte mir etwas erzählen zu lassen. „Hast du denn heute Zeit?“
Oh, darum ging´s. Ich hätte vielleicht doch zu hören sollen.
„Äh... denk schon.“, nuschelte ich noch immer etwas verpennt. Ich hatte immer Zeit, so traurig das klang, aber ich war nie verplant. Und oft kam Leopold einfach vorbei und wir saßen dann vor einer meiner Konsolen und zoggten irgendwas größtenteils schweigend. Seltsam, dass er mal fragte.

Wisst ihr, ich hätte mir viel vorstellen können, wie dieser Nachmittag ablaufen würde. Zum Beispiel, dass wir größtenteils schweigend vor meiner X-Box sitzen würde und was niedermoshen würden, oder das wir mal wieder alle Episoden von Star Wars gucken würden, oder vielleicht sogar das wir mit meiner Mom dumme Plätzchen backen würde, aber das er SO ablaufen würde, hätte ich nicht gedacht.
Ich saß auf meinem Bett und Leopold stand mit einem roten Gesicht vor mir und wartete. Naja, ich hab ehrlich gesagt keinen Schimmer auf was. Ich mein, was dachte er denn?!
„Ich mag dich nur als Kumpel... nicht mehr.“, meinte ich schließlich. Also das... war mir wichtig, dass ihm das klar war.
„Aber... aber...“, verstört und etwas hilflos sah er mich an. Er knetete seine Hände und seine Augen sahen gefährlich glasig aus. Wehe, der fing mir an zu heulen, er war hier derjenige, der seinen Mann stehen wollte... wie auch immer.
„Also... es tut mir ja leid... aber ich dachte nie über dich, also... anders nach.“ Ehrlich nicht, ich hatte nie ein sexuelles Interesse an ihm gehabt und ich war überrascht, dass es andersherum der Fall war. Mir war nie etwas dergleichen aufgefallen und ich erinnerte mich auch an nichts in die Richtung.
Er machte einen Schritt auf mich zu und ich rutschte ein Stück auf meinem Bett zurück.
„Du weißt doch noch gar nich, also ob... vielleicht, also...“
Ich mochte nicht wie er schaute und ich mochte nicht, wie er vor sich hinstammelte. Noch weniger mochte ich, dass er nur noch auf meine Lippen zu starren schien. Was für eine beschissene Situation. Der Kuss kam auch weniger unerwartet, als man meinen könnte, deswegen konnte ich ihn auch ohne Probleme von mir stoßen.
Und nun saß er hier heulend am Boden. Ich fühlte mich etwas überfordert.
„Ach, komm schon, Leo... Können wir die ganze Sache nicht einfach vergessen?!“ Ich hatte da wirklich kein Problem damit, denk ich. Also irgendwie, wenn er mich nur nicht wieder küssen wollte. Er schüttelte nur den Kopf, wischte sich mit seinen Handrücken noch mal über die Augen und verschwand dann ohne aufzusehen aus meinem Zimmer.

Der nächste Tag war dann etwas komisch, nun ja, etwas war untertrieben. Es war total komisch. Wir saßen nur schweigend da und konnten uns nicht ansehen. Leopold wirkte total verspannt und ich überlegte bei allem was ich tat zweimal, ob ich ihn damit irgendwie reizen könnte.
Ich mochte die Situation nicht. Aber es wohl einer dieser Sachen war bei denen einfach mal Gras darüber wachsen musste und ich hatte Zeit, ich konnte es einfach ignorieren. Es hing von ihm ab.
Nun ja, er hatte zwar gesagt, dass er mich mochte, aber ich war überrascht, dass er bis jetzt zwei Wochen einfach nicht mehr mit mir redete und mich komplett ignorierte.
Und ich vermisste sein Gelaber und wie er immer mit Gesten, sein Erzähltes unterstrich und wenn er begeistert war ab und an mal was umschmiss.
Ich sollte mich entschuldigen. Vielleicht war ja noch was zu retten, bestimmt sogar, wir waren seit drei Jahren gute Freunde, das konnte doch wegen so etwas nicht einfach kaputt gehen.
„Hey...“, ich tippte ihm zaghaft auf die Schulter und er zuckte unter meine Berührung zusammen.
Er schaute mich verschreckt an. Fuck, fühlte ich mich mies.
„Also... also... sorry, wegen, also letztens. Wenn du willst, also... wenn es dir so wichtig ist, können wir... noch mal darüber reden.“
„Ich weiß nicht...“ Er starrte auf die Tischplatte und sah aus, als würde er gleich wieder losheulen und erst langsam wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn eigentlich verletzt hatte. Ich dachte irgendwie, ich war mir nicht sicher, was ich da gedacht habe, aber vermutlich, dass es nur eine Phase bei ihm war. Ihr wisst schon, wegen den Hormonen und so.
„Kann doch nicht mehr schlimmer werden.“, ich grinste schief. Ich war schlecht mit Worten.
Er schaute mich jetzt direkt an. „Also willst du noch mal darüber reden?“
Ich nickte und hoffte, dass ich mir den hoffnungsfrohen Unterton in seiner Stimme nur eingebildet hatte.
„Heute?“
Ich nickte wieder nur, mein Hals war gerade trocken. Ich wusste eigentlich gar nicht genau, was ich ihm sagen wollte, ich wusste nur, dass es nicht so weiterlaufen konnte.

„Okay, also...“ Wir saßen beide auf meinem Bett mit Rücken an die Wand gelehnt. Ich fand das besser so, so mussten wir uns nicht unbedingt ansehen. „... du magst mich wirklich?“ Vielleicht hatte sich das wieder geändert. Aber ich sah aus dem Augenwinkel das er nickte.
„Und... und... ich mein, du bist schwul?“ Er schaute wohl gerade in meine Richtung, ich wollte ihn jetzt nicht ansehen.
„Ich denke schon...“
Jetzt erstmal Schweigen. Was sollte ich dazu sagen? Das waren wohl die Fakten, mein bester Freund stand auf mich.
„Und was jetzt?“ Vielleicht hatte er sich ja was überlegt, wie es wieder wegging. So schwer konnte das doch nicht sein, oder? Ich wollte eigentlich nur wieder meine normale, gesprächige Freundschaft mit Leo zurück.
„Ich weiß nicht... Ich dachte, du hättest darüber nachgedacht.“
„Oh...“ Verdammt.
„Also, ich mein, schließlich wolltest du mit mir darüber reden.“ Ich konnte spüren, dass er mich beim Reden, die ganze Zeit anschaute. Ich glaube, heute würde er nicht einfach heulen. Heute schien er sicherer zu sein.
„Ja, ich weiß... aber ich... hab eigentlich gar keinen Schimmer, also ich weiß nicht, was jetzt ist.“
„Du kannst es dir gar nicht mit mir vorstellen?“ Er klang leicht enttäuscht. Vielleicht sollte ich ehrlich sein, ihm sagen, dass ich es mir irgendwo, ganz vielleicht, ein kleines bisschen vorstellen konnte. Aber vielleicht machte ich ihm damit falsche Hoffnungen, was doch nicht fair wäre. Anderseits hatte er auch eine Chance verdient, es könnte auch irgendwie, eventuell, möglich sein, dass es klappen würde.
„Willst du mich immer noch küssen?“ Ich war rot während der Frage, aber vielleicht war sie ja die beste Lösung für alles. Die Matratze wurde etwas runtergedrückt, als sich Leopold mehr zu mir beugte. Ich war etwas unruhig, anders wie beim letzten Mal und meine Lippen waren trocken, nervös leckte ich kurz darüber und sah sein Gesicht näher kommen. Er hatte seine Augen halb geschlossen, ich ließ meine offen und der Kuss war kurz, hektisch und unerfahren.
Aber vielleicht gar nicht so übel.
Und jetzt schauten wir uns an. Wieder war das Erwarten in Leos Blick.
„Naja, wird schon schief gehen.“ Ich lächelte ihm zaghaft zu und er erwiderte das Lächeln.
Auch Loser aus der dritten Reihe an der Wand konnten mal etwas riskieren.


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